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F. Elsensohn
from Jahrbuch 2002
by bigdetail
Fidel Elsensohn
GIBT ES EINEN PLATZ FÜR AUTOMATISCHE EXTERNE DEFIBRILLATOREN (AED) IM BERGRETTUNGSDIENST?
Is there an indication for automated external defibrillators in the mountain rescue service?
SUMMARY
The demands to rescue organisations in mountainous areas approximate towards the standards of urban areas. The use of automated external defibrillators is more and more required. Mainly in highly frequented mountain areas such as ski areas and mountain huts the conditions for a successful use of AEDs are given. Other possibilities of use in regular mountain rescue operations are discussed. Due to the structure of mountain rescue organisations with long delays between the alarm and first aid and the mainly traumatic injuries of victims, AEDs do not seem to be the devices of first choice. On the other hand, the number of elderly persons with cardiovascular risks, who seek recreation and sport facilities in the mountains, is increasing. Mobile phones offer the possibility of short reaction time to start effective treatment to first responders and rescue organisations. For other possibilities of use of AEDs in organised mountain rescue, the advantages and disadvantages have to balanced Keywords: Automated external defibrillators, AED, mountain rescue.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Anforderungen an den Rettungsdienst in alpinen Gegenden nähern sich immer mehr an diejenigen in urbanen Gebieten an. Der Einsatz von automatischen Defibrillatoren wird dabei immer mehr gefordert. Vor allem in Gebieten mit großen Ansammlungen von Menschen wie in Schigebieten und stark frequentierten Berghütten sind die Voraussetzungen für den Einsatz gegeben. Diskutiert werden daneben auch Einsatzmöglichkeiten bei den üblichen Einsätzen des Bergrettungsdienstes. Die Struktur der Bergrettungseinsätze mit langen Vorlaufzeiten und die überwiegend traumatischen Notfälle sprechen zwar gegen den prinzipiellen Einsatz dieser hochtechnischen Geräte. Auf der anderen Seite nimmt die Anzahl von älteren Menschen, die im Gebirge Erholung suchen
und Sport betreiben, stetig zu. Die schnelle Alarmierung mittels Mobiltelefon erlaubt Ersthelfern und den organisierten Rettungsdiensten im Gebirge immer wieder, binnen nützlicher Frist vor Ort die lebensrettenden Sofortmaßnahmen durchzuführen. In anderen Fällen sind die Vor- und Nachteile des Einsatzes von AEDs gegeneinander abzuwägen. Schlüsselwörter: Automatische externe Defibrillatoren, AED, Bergrettungsdienst.
EINFÜHRUNG
Die Diskussion über die Einsatzmöglichkeiten für AEDs im Rettungsdienst hat in letzter Zeit auch den Bergrettungsdienst erfasst. Der plötzliche Herztod in den Bergen scheint durch die Möglichkeiten der raschen Alarmierung und der kurzen Eintreffzeiten beherrschbar zu werden. Gesichert ist, dass 1. halbautomatische externe Defibrillatoren, frühzeitig eingesetzt, bei Herz-Kreislauf-Stillstand durch Kammerflimmern die einzig adäquate Therapie darstellen, 2. mit jeder Minute Verzögerung der Defibrillation die Überlebenschance um 10 % sinkt.
Der Nutzen eines AED hängt im Wesentlichen vom Intervall zwischen dem Eintreten der lebensbedrohenden Rhythmusstörung und dem Einsatz des Defibrillators ab. Und dieses Intervall ist beim Bergrettungsdienst gerade der Schwachpunkt. Obwohl bereits eine sehr große Anzahl von Menschen mit einem Mobiltelefon ausgerüstet ist, gibt es gerade im Gebirge weite Gebiete, die nicht durch Umsetzer abgedeckt sind. Es ist also trotz erhöhter Einsatzbereitschaft der Rettungskräfte nicht immer eine Verkürzung der Eintreffzeiten zu erreichen. Die Einsatzstatistik zeigt zudem ein deutliches Überwiegen von traumatischen Unfällen, bei denen naturgemäß der Einsatz eines AED nichts bringt. Aber gerade die hohe Handydichte bietet auf der anderen Seite überhaupt die Chance, binnen nützlicher Frist den Notfallort zu erreichen. Darüber hinaus wird durch zentrale Alarmierung versucht, die Eintreffzeiten zu verringern. Bergsport wird zunehmend Breitensport. Der gesundheitsfördernde Aspekt des Alpinismus wird von vielen Seiten betont. Das führt zu einer Zunahme von älteren Menschen mit einem natürlich erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Bergen.
Auswertung von Einsatzprotokollen des ÖBRD 2000/2001
Die Auswertung der Daten aus dem zentralen Register der Einsatzprotokolle des ÖBRD zeigt die obige Verteilung. Interessant ist, dass bei 75 diagnostizierten Herzstillständen immerhin noch 27-mal eine Herzmassage durchgeführt wurde und diese auch zweimal erfolgreich war. Inwieweit aus den 46 diagnostizierten Störungen der Herzaktion ein Herz-Kreislauf-Stillstand resultierte, geht aus der Statistik nicht hervor. Leider sind auch die Intervalle zwischen dem Eintritt des Notfalles und dem Eintreffen der Rettungskräfte nicht erfasst.

Da die überwiegende Anzahl der dokumentierten Fälle nicht im extremen Gelände stattfanden, sondern auf Wanderwegen und Schiabfahrten, könnte der Einsatz von AEDs unter gewissen Voraussetzungen zum Erfolg führen.
ANWENDUNG VON AEDsIM BERGRETTUNGSDIENST IN ANDEREN LÄNDERN
Südtirol: bisher keine Verwendung im BRD, gedacht wird an die Verwendung für die Pistenrettung und Seilbahnstationen Schweiz: keine AED im BRD, einige auf Helikoptern, einige wenige in großen Schistationen
Frankreich: bisher keine AED in alpinen Regionen, aber Überlegungen in stark frequentierten Schigebieten und in alpinen Rettungseinheiten Großbritannien: Alle militärischen und zivilen alpinen Rettungsgruppen sind mit AEDs ausgerüstet (bisher keine Daten über erfolgreiche Anwendung). Kanada: startet heuer ein großes Programm, rüstet alle Schigebiete aus, Datenauswertung gemeinsam mit Rettung und Feuerwehr Norwegen: wenige stark frequentierte Schigebiete und Liftstationen, einige positive Anwendungsbeobachtungen
WAS SPRICHT FÜR AEDsIM BERGRETTUNGSDIENST?
1. nach den Richtlinien der „evidence based medicine“ Klasse I bei
Kammerflimmern 2. geringes Gewicht 3. sicher und erfolgreich auch bei Anwendung durch Laien 4. einsetzbar, bevor Notarzt am Notfallort eintrifft 5. die rasche Alarmierung von „first respondern“ kann u. U. zum Erfolg führen 6. „Stand-by“-Gerät bei terrestrischen Einsätzen 7. Feststellung von „Tod durch Asystolie“ am Unfallort 8. Möglichkeit einer Überwachung des Patienten während des Transportes durch Zusatzgeräte 9. relativ unempfindlich gegenüber Witterungseinflüssen
In vielen alpinen Gegenden ist die Verfügbarkeit von Ärzten eingeschränkt, vor allem in Hinblick auf die extrem kurze Zeitspanne, die dem Ersthelfer bei Kammerflimmern zur Verfügung steht. Dies gilt besonders in den am meisten frequentierten alpinen Bereichen wie leicht erreichbare Berghütten und Schigebiete. Geräte, die im Winter in Schigebieten stationiert werden, könnten im Sommer den Hütten zur Verwendung angeboten werden. Bei terrestrischen Einsätzen des Bergrettungsdienstes können AEDs mit Zusatzmodulen auch zur Überwachung eines Patienten während des Abtransportes eingesetzt werden. In Großbritannien schätzen die Paramedics die Möglichkeit, mit AEDs vor Ort einen „Tod durch Asystolie“ diagnostizieren zu können. Bei uns bleibt diese Diagnose den Ärzten vorbehalten, allerdings kann bei Lawinenunfällen durch die Möglichkeit einer Todesfeststellung (außer bei Hypothermie im Stadium IV) eine unnötige Verschwendung sonst benötigter Ressourcen verhindert werden.
WAS SPRICHT GEGEN AEDsIM BERGRETTUNGSDIENST?
Die überwiegende Todesursache bei Bergrettungseinsätzen ist ein Trauma. Durch die gegebene Organisationsform des Bergrettungsdienstes als freiwillige Rettungsorganisation ergibt sich üblicherweise eine lange Vorlaufzeit bis zum Eintreffen am Notfallort. Im Gebirge gibt es insgesamt recht wenig Orte, die die Voraussetzungen zum Anbringen eines „Public-access-Defibrillators“ erfüllen. Eine Defibrillation bei Kammerflimmern, ausgelöst durch Hypothermie, ist nicht möglich. Das Problem der Wartung und die noch hohen Kosten lassen die öffentliche Hand bei der Frage der Finanzierung noch zögern. Allenfalls sind hier private Sponsoren bereit, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.
SCHLUSSFOLGERUNG
Wo gibt es nun insgesamt Einsatzmöglichkeiten für den sinnvollen Einsatz von AEDs im Bergrettungsdienst? Die einzig wirklich sinnvollen Einsatzgebiete, in denen bereits Pilotprojekte laufen, sind die großen Schigebiete und die stark frequentierten Schutzhütten im Alpenraum. Hier können unter den gegebenen Umständen mit AEDs Leben gerettet werden. Alle anderen Einsatzmöglichkeiten im Bergrettungsdienst sind allenfalls „Stand-by“-Geräte, um beim Abtransport eine Überwachung und gegebenenfalls Defibrillation durchzuführen. Die in den letzten Jahren eingeführten Rettungshubschrauber ohne Notarzt („fliegender Akja“) werden sicherlich einen Defibrillator an Bord haben müssen. Ein interessantes Einsatzgebiet sind die „First -responder“-Gruppen in Tourismusorten ohne rasche notärztliche Versorgung. Eine zentrale Alarmierung mobilisiert eine Gruppe von örtlichen Notfallsanitätern mit Notfallkompetenz, die die Zeit bis zum Eintreffen des weit entfernten Notarztsystems überbrückt. Die in Vorarlberg gemachten Erfahrungen sind gut, setzen allerdings eine hohe Bereitschaft der Bergretter voraus. Es gibt einige Protokolle über den Einsatz von AEDs, leider noch keine erfolgreiche Lebensrettung. Daneben stellt der Ausbildungsumfang ein enormes Hindernis dar. Bisher sind nur fertige Notfallsanitäter mit Notfallkompetenz berechtigt, ein AED zu benützen. Hier sollten überkommene Lehrmeinungen derart geändert werden, dass im Notfall „jedermann“ in der Lage ist, nach einer minimalen (öffentlichen) Einschulung mit einem absolut sicheren Gerät Leben zu retten.
LITERATUR
(1) American Heart Association and International Liaison Committee of
Resuscitation. Guidelines 2000 for Cardiopulmonary Resuscitation and
Emergency Cardiovascular Care. Circulation 102 (Suppl.1): 60-76, 358370, 22-59 (2000). (2) Atkins D. L., Bossaert L. L., Hazinski M. F., Kerber R. E., Mancini M.
B., Ornato J. P., Peberdy M. A., Quan L., Tang W., Timmermann S., Weisfeldt M. L., White R. D.: Automated external defibrillation/public access defibrillation. Ann Emerg Med 37, S 60–67 (2001). (3) Weißmann A., Sefrin P.: Kardiopulmonale Reanimation 2000. Eine
Gegenüberstellung aktueller Richtlinien, Der Notarzt, 16: S 15–21 (2000). (4) Sefrin P.: Frühdefibrillation durch Ersthelfer, Risiko oder Qualitätssprung. Der Notarzt 17; 90-92 (2001). (5) American College of Sports Medicine and American Heart Association
Joint Position Statement. Automated external defibrillators in health/fitness facilities. Medicine and Science in Sports and Exercise, S 561-564 (2002). (6) Jahresberichte und Einsatzstatistik des Österreichischen Bergrettungsdienstes 2000 und 2001, Österreichischer Bergrettungsdienst.