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R. Roller-Wirnsberger
from Jahrbuch 2008
by bigdetail
Regina Roller-Wirnsberger
Bergsport im Alter
Mountain sports in elder age
SUMMARY
The number of people who intend to actively do sports and remain fit also at high age increases with an increase of life expectancy. According to demographical changes it is especially the Alpine sports that enjoy great popularity. From the point of view of the physicians that treat older people who intend to enjoy their experience in the mountains, the need for new and specific knowledge regarding pathophysiological changes in the process of aging – that in return influence each individual fitness – is obvious. Additional existence of illnesses can lead to further individual risks for injuries as well as death risks during mountaineering. The following article tries to summarize an analytic overview of currently available literature regarding the specifics and characteristics of pathophysiology of older people and their adaptation at higher altitudes as well as elucidate the impact of individual illnesses on the performance of those mountaineers.
Keywords: mountain sports, age, pathophysiological changes, age related disease, risk management
ZUSAMMENFASSUNG
Mit der zunehmenden Lebenserwartung gibt es immer mehr Menschen, welche bis in hohe Lebensalter sportlich aktiv bleiben. Vor allem der Alpinsport erfreut sich entsprechend der demografischen Entwicklung zunehmender Beliebtheit. Aus der Sicht der behandelnden Ärzte ergibt sich aus dem Umgang mit älteren Menschen, welche das Bergerlebnis genießen wollen, ein neuer und besonderer Bedarf an Wissenszuwachs betreffend pathophysiologische Veränderungen des Alternsprozess, welche einen spezifischen Einfluss auf die individuelle Fitness haben. Zusätzlich bestehende Erkrankungen können das individuelle Risiko für
Verletzungen aber auch das Todesfallrisiko bei Ausübung des Bergsports bedeuten. Der vorliegende Artikel versucht in einer Übersichtsanalyse der vorliegenden aktuellen Literatur die Besonderheiten der Pathophysiologie der Höhenanpassung bei älteren Menschen sowie den Impact einzelner Erkrankungen auf die Belastbarkeit älterer Bergwanderer zu beleuchten.
Schlüsselwörter: Bergsport, Alter, Pathophysiologische Veränderungen, Erkrankungen des Alters, Risikomanagement
EINLEITUNG - PHYSIOLOGISCHE VERÄNDERUNGEN DER LEISTUNGSFÄHIGKEIT MIT DEM ALTER
Mit der zunehmenden Lebenserwartung gibt es immer mehr Menschen, welche bis in hohe Lebensalter sportlich aktiv bleiben. Vor allem das Bergwandern hat seit jeher einen hohen Stellenwert als Breitensport in den Ländern der Alpenregion. Namhafte Alpinisten waren und sind bis in das hohe Lebensalter sportlich aktiv. Basis für alpine Höchstleistungen im fortgeschrittenen Alter ist das über das gesamte Leben bestehende regelmäßige Training. Wichtig zu betonen ist aber, dass auch das bereits fortgeschrittene Lebensalter keine Entschuldigung dafür darstellt, nicht mit einem Sport zu beginnen. Insbesondere das Bergwandern bietet sich hier auch für Menschen in der fortgeschrittenen Lebensdekade besonders an.
Der Bergsport stellt aber im Besonderen hohe Ansprüche an die individuelle Fitness. Werden mit zunehmendem Alter die Gesundheit beeinträchtigt, bedeutet das für den Einzelnen nicht nur ein global, sondern auch individuell erhöhtes Risiko für Verletzungen aber auch des Todesfallrisikos bei Ausübung des Bergsports. Das erfüllende Bergerlebnis setzt prinzipiell eine kontinuierliche aerobe Belastbarkeit voraus. Basis dafür ist die ausgewogene Fähigkeit des kardiorespiratorischen Systems Sauerstoff und Nährstoffe an den metabolisch aktiven Muskel zu liefern (1). Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) gilt als verlässlichster Marker zur Bestimmung derselben im Rahmen von Ausdauerbelastungen. Diese sinkt nachweislich bereits ab einem Alter von 35 Jahren kontinuierlich ab. Die jährliche Abnahmerate beträgt 0,5 - 1,0 % (2). Bei einer fehlenden regelmäßigen körperlichen Belastung und einem fortschreitendem Lebensalter kann diese in einem noch stärkeren Maße abnehmen. Prinzipiell ist diese aber bei Frauen aller Alterskategorien im Vergleich zu Männern niedriger. Ursache dafür dürfte in erster Linie der niedrigere Hämoglobingehalt, das geringere kardiale Schlag-
volumen und die geringere Gesamtmuskelmasse sein (1). In Zahlen angegeben bedeutet das eine Reduktion der maximalen Sauerstoffaufnahme im Alter um 40 - 45 %. Das Fassungsvermögen der Lungen und das maximale Herzminutenvolumen sind um denselben Prozentsatz vermindert. Die erzielbare maximale Herzfrequenz unter Belastung des Bergaufgehens minimiert sich mit fortschreitendem Alter. Überschlags mäßig lässt sich die maximale Herzfrequenz, welche bei der Belastung nicht überschritten werden sollte mit der Berechnung „220 minus Lebensalter“ quantifizieren.
Um den mit der Höhe abnehmenden Sauerstoffpartialdruck zu überwinden muss die Ventilationsfrequenz deutlich gesteigert werden. Dies kann beim alternden Bergsteiger oder bei Begleiterkrankungen zum limitierenden Faktor werden. Altersbedingt kommt es zu einer abnehmenden Gesamtelastizität der Lungen mit einer konsekutiven Erhöhung der pulmonalen „Working Load“ (2). Zudem nimmt die Steifigkeit des Thorax und seiner Muskulatur zu; eine maximale Inspiration ist nicht mehr in dem Ausmaß wie bei jungen Athleten möglich. Damit sind sowohl In- wie auch Expiration beeinträchtigt und die Vitalkapazität nimmt nach dem 20. Lebensjahr kontinuierlich um ca. 25 ml pro Jahr ab. Das residuale Lungenvolumen nimmt zu, die forcierte expiratorische Kapazität ist reduziert. Hauptfaktor für diese Veränderung ist die fehlende Muskelkraft im Alter um den Thorax zu heben. Regelmäßiges Training kann diese Veränderungen aber verzögern. Eine insuffiziente Ventilation würde prinzipiell den Sauerstoffpartialdruck absenken und zu einer unumgänglichen Hypoxie vor allem in großen Höhen führen. Wenn allerdings Bewegung mit einer höhenbedingten Hypoxie zusammen kommt, ist die pulmonale Antwort in der Regel mehr als nur „additiv“. Durch eine verstärkte Hyperventilation steigt der arterielle Sauerstoffgehalt exponentiell an und gleicht den mit der Höhe fallenden O2 Partialdruck der Atemluft
aus (3).
Ein weiteres Organsystem, welches einen die Lebensqualität massiv beeinflussenden Stellenwert hat, ist der Bewegungsapparat. Ohne Training vermindert sich die Muskelmasse jährlich um etwa 0,5 bis 0,8 % und mehr. Durch eine vermehrte Einlagerung von Bindegewebe und Fett kommt es in der Folge zu einer Kraftreduktion, welche in Abhängigkeit vom Trainingszustand stark variiert. Zudem verändert sich der Energiehaushalt der Muskulatur mit zunehmendem Alter. Als Folge wird die Muskelkontraktion ineffizienter. Relativ gesehen wird der individuelle Energieverbrauch der Muskulatur im Alter größer. Diese Veränderungen treten allerdings in den einzelnen Muskelgruppen zu unterschiedlichen Lebensabschnitten auf. Die Rückenmuskulatur nimmt in ihrer Kraft schon ab dem 30. Lebensjahr ab, wobei die Oberschenkel- und Handmuskulatur, die
im Alltag genauso wie beim Bergwandern stark beansprucht sind, erst ab dem 55. bis 60. Lebensjahr signifikant atrophiert (4). Die Veränderung der Struktur betrifft ebenso die Knochen, Knorpel, Sehnen und Gelenke. Durch eine veränderte Bindegewebszusammensetzung und einen Verlust an Flüssigkeit werden diese steif - bei Überlastung besteht eine erhöhte Verletzungsgefahr. Eine vermehrte mechanische Belastung von Knie- und Hüftgelenken, wie dies beim Bergabgehen der Fall ist, kann bei extremer sportlicher Betätigung zu vorzeitigen degenerativen Veränderungen der Gelenke führen. Der mögliche fördernde Einfluss mechanischer Belastungen auf die Entwicklung von Osteoarthrosen ist in der Literatur umstritten (5). Eine zusätzlich bestehende Adipositas kann diese Veränderungen noch beschleunigen. Prinzipiell bedeutet aber eine Adipositas keine Kontraindikation zum Bergsport. Sie vermindert aber die bereits diskutierten Attribute von grober Kraft und Ausdauer. Durch die Veränderungen der Muskulatur kommt es im Laufe der Zeit auch zu Veränderungen des Nervensystems. Die Anzahl der Nervenfasern und deren Überleitungspunkte reduzieren sich um circa 30 %. Folge davon ist eine Verschlechterung der Gedächtnisleistung, der Entscheidungsfähigkeit, und der geistigen Funktionen in Hinblick auf eine schnelle räumliche und zeitliche Orientierung. Mit zunehmendem Alter nimmt auch die Koordinationsfähigkeit ab. Die Bewegungen werden langsamer und weniger zielgenau. Das alpine Schilaufen, Schilanglaufen oder Mountainbiken im Gelände sind ausgezeichnete Sportarten zum Koordinations- und Gleichgewichtstraining (6).
Mit zunehmendem Alter kommt der Körper mit deutlich weniger Kalorien pro Tag aus. Das liegt an der Reduktion der Stoffwechselaktivität vieler Organe, insbesondere aber an der Abnahme der Muskelmasse. Eine Faustregel besagt, dass der Energiebedarf zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr um etwa 10 %, zwischen dem 51. und dem 70. Lebensjahr um etwa 12 - 15 %, und ab dem 71. Lebensjahr um weitere 7 – 10 % sinkt. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob man körperlich aktiv ist oder nicht (siehe Tabelle 1). Die richtige Verteilung der Hauptnährstoffe Eiweiß, Kohlenhydrate und Fette sowie der Begleitnährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und diverser anderer Pflanzeninhaltsstoffe ist besonders im mittleren und höheren Alter wichtig. Die Gründe dafür sind vielzählig:
Die Leistungsfähigkeit des Verdauungsapparats lässt nach. Nährstoffe und vor allem Vitamine werden nicht mehr so gut aufgenommen. Zudem können bei einem nicht ganz optimalen Gebiss, Probleme mit dem Kauen auftreten. Die Aufspaltung der Nährstoffe wird dadurch erschwert, bzw. man neigt dazu, Nahrungsmittel mit einem erwünscht hohen Eiweißanteil nicht mehr zu sich zu neh-
men. Der Geschmackssinn lässt nach, sodass gewisse Nahrungsmittel im Alter eher fad oder bitter schmecken. Die Aufspaltung der Nahrungsstoffe im Körper wird durch eine veränderte Dynamik in der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigt. Insbesondere die Regulation des Zuckerhaushalts, welche im Rahmen von Extrembelastungen von Bedeutung ist, verändert sich. Die kurzfristige Anpassung der Energiegewinnung ist so im fortgeschrittenen Alter nicht immer adäquat möglich. Der Durstgefühl lässt nach, in erster Linie auf Grund von Veränderungen der Hirnanhangsdrüse. Altersbedingt speichern die Organe weniger Wasser und „schrumpfen“. Insbesondere bei körperlichen Belastungen muss aus diesem Grunde auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Die Fortbewegung in der Ebene, sogar im „forcierten“ Gangtempo bedarf keines wesentlich vermehrten Energieverbrauchs. Sobald die Bewegung aber bergauf gerichtet ist, verändert sich der Energieumsatz wesentlich. Für die Ernährung des älteren Alpinsportlers bedeuten die aufgezählten Veränderungen, dass zwar der Eiweißbedarf mit zunehmendem Lebensalter gleich bleibt, aber der Gesamtenergiebedarf absinkt. Reziprok steigt der Prozentsatz an benötigtem Eiweiß von 10 bis 15 % der täglichen Kalorienaufnahme auf 20 % und mehr an. Wichtig ist dabei, möglichst hochwertiges Eiweiß mit reichlich essentiellen Fettsäuren zu essen. Nebenbei zu erwähnen ist, dass Eiweiß im Allgemeinen den besten Sättigungseffekt hat. Kohlenhydrate liefern den Energiebrennstoff schlechthin. Wie viel an Kohlenhydraten man zu sich nehmen sollte, hängt sehr stark vom Belastungsgrad ab. Grundsätzlich sollte der Tagesbedarf an Energie im Alter zumindest zur Hälfte mit Kohlenhydraten gedeckt werden. Je stärker die körperliche Beanspruchung, umso mehr steigt der kurzfristig verfügbare Energiebedarf. Wichtig ist anzumerken, dass kurzzeitig wirksame, raffinierte Kohlenhydrate im fortgeschrittenen Alter langsamer aufgenommen werden und auch wieder langsamer im Körper verstoffwechselt werden als beim jungen Sportler. Das bedeutet in der Praxis des Alpinsports, dass beim Wandern mit Älteren sehr frühzeitig auf eine mögliche „Unterzuckerung“ geachtete werden muss, da der zu erwartende Wirkungseintritt z.B. auf die Gabe von Traubenzucker später eintritt als beim Jungen. Umgekehrt sollten nicht überschießende Mengen von kurzzeitig verfügbarem Zucker verabreicht werden, da dieser durch eine zeitlich verzögerten Abbau den Stoffwechsel aus dem „Gleichgewicht bringen“ kann. Folgen davon sind verminderte Leistungsfähigkeit, Schwitzen aber auch Müdigkeit und ein vermehrtes Durstgefühl (7, 8). In fortgeschrittenem Alter kann es sinnvoll sein, belastungsbedingte Ermüdungsphasen mit Hilfe der Ernährung bzw. mit Hilfe von Zusatzpräparaten auszugleichen. Nahrungsergänzungsprodukte, die dem höheren Lebensalter angepasst sind, sollen neben Mikronährstoffen wie Vitaminen, Spurenelementen und Antioxidantien auch
Aminosäuren enthalten, die anabole Stoffwechselprozesse fördern. Solche Präparate spielen in den letzten Jahren auch zunehmend im Alpinsport eine wesentliche Rolle. Der wissenschaftlich belegte Beweis einer positiven Wirkung auf Leistung und Ausdauer lässt aber bis dato auf sich warten.
Insgesamt ist die Datenlage betreffend Erkrankungen im Alter und deren Auswirkungen bei einer Höhenexposition und gleichzeitiger kardiovaskulärer Belastung bei Hochaltrigen sehr spärlich. Verschiedene pathophysiologische Mechanismen prädisponieren alte Menschen mit bekannter Herzinsuffizienz zu einer Exazerbation der Herzschwäche in hoher Höhe. Dazu zählen chronisch erhöhte Katecholaminspiegel, eine erhöhte transkapilläre Permeabilität in den Lungen, ein herabgesetzter Muskelmetabolismus verbunden mit einer hohen Sauerstoffextraktion in der Peripherie und hohen peripheren Laktatspiegel und eine eingeschränkte pulmonale Kapazität. Kaum erhöht ist die Gefährdung für Blutdruckkranke beim Wandern, hingegen steigt die Gefährdung beim Skilauf auf das Zehnfache. Der Grund dafür sind die beim Skilauf kurzfristig hohen Belastungen, während das Wandern gemütlicher, aber auf die Dauer anstrengender ist.
Studien an Patienten mit Herzinsuffizienz (9) zeigten bei ergometrischer Belastung in großer Höhe einen verstärkten Abfall des maximalen Work Loads. Ausgehend von diesen Daten erstellten Agostoni und Mitarbeiter eine Tabelle, an welcher eine Voraussage über die zu erwartenden Leistungseinschränkungen in der Basisbelastung und mit zunehmender Seehöhe für Patienten mit einer Herzinsuffizienz ermöglicht wird. Interessant zu erwähnen ist, dass in der vorliegenden Arbeit kein einziger Patient eine Limitierung durch Arrhythmien, Angina pectoris Symptomatik oder mittels EKG nachweisbaren kardialen Ischämien aufwies. Diese Daten werden auch in einer Arbeit von Erdmann und Kollegen bestätigt, in welcher Patienten mit einer durchschnittlichen Ejection Fraction (EF) von kleiner als 39 % auf ihre Leistungsfähigkeit in Seehöhe und in hoher Höhe getestet wurden. Auch in dieser Studie wies keiner der Probanden kardiale Komplikationen während der Belastung auf (10). Betreffend mögliche Arrhythmien bei Höhenexposition bezieht sich ein Fallbericht speziell auf Veränderungen bei einem betagten Bergkollegen während dessen Besteigung des Mount Kilimanjaro (11). Die Häufigkeit ventrikulärer Extrasystolen stieg mit zunehmender Höhe. Interessanterweise war die Anzahl der Extrasystolen beim
Anstieg pro Zeiteinheit größer als beim Abstieg, was einen Zusammenhang zwischen Training und Hypoxie aufzeigen könnte. In einer weiteren rezenten Studie wurden 10 ältere Bergsteiger, die bereits auf Seehöhe belastungsabhängige elektrokardiographische Zeichen einer kardialen Ischämie aufwiesen, auf 2500 Meter Seehöhe gebracht. Nach einer Akklimatisationszeit von 5 Tagen wurden diese Probanden mittels Ruhe EKG kontrolliert. Es zeigten sich keine Veränderungen der EKG Dynamik hinsichtlich Verstärkung einer Ischämie bzw. eines vermehrten Auftretens von Arrhythmien. Allerdings kam es in der akuten Phase des Höhenwechsels zu einem vermehrten Auftreten vorzeitiger, asynchroner Ventrikelkontraktionen, ein Phänomen, das nach Akklimatisation wiederum verschwand und klinisch für die Betroffenen im Wesentlichen asymptomatisch blieb (12).
Aus dem Gesagten ergeben sich folgende Empfehlungen für ältere Patienten mit kardialen Erkrankungen: Die akute Höhenexposition alter Menschen kann speziell in Verbindung mit körperlicher Belastung zu einem vermehrten Auftreten von Arrhythmien führen, speziell im Fall von bestehende Rhythmusstörungen oder einer bekannten koronare Herzerkrankung. Bei Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz, speziell bei ischämischer Genese, sollte den Patienten geraten werden, ihre Aktivität auf hoher Seehöhe geringer als die gewohnte Belastungsgrenze auf Seeniveau zu halten. Denn bei einer bereits vor bestehenden kardialen Ischämie steigt de facto das Risiko für die Betroffenen auf das über 100fache. Diese Empfehlung gilt im Besonderen für die ersten Tage der Akklimatisation. Weiters müssen Patienten darauf hingewiesen werden, bei Auftreten kardialer Komplikationen infolge der Höhenexposition diese umgehend medikamentös zu behandeln.
Beim Anstieg auf den Berg wird die Atemfrequenz zum Ausgleich der Hypoxie deutlich erhöht. Dies ist bei jüngeren Wanderern kein Problem. Mit zunehmendem Alter kann aber gerade diese Anpassung zum limitierenden Faktor im Bergsport werden. Speziell bei einer bereits chronischen pulmonalen Erkrankung oder bei einer mangelnden physischen Aktivität ist diese Kapazität stark eingeschränkt. Die mangelnde Sauerstoffsättigung schränkt dabei die Belastungsfähigkeit in der Höhe stark ein und führt laut Studienlage auch zu einem vorzeitigen Auftreten der Höhenkrankheit (13). Wenige Daten existieren über hypoxische Zustände infolge Höhenexposition bei Patienten mit einer chronisch restriktiven Atemwegserkrankung. In einer Studie von Karrer und Kollegen wurden Patienten mit einer restriktiven Atemwegserkrankung auf mittlere Höhen von 500 und 1500 Meter Seehöhe gebracht. Es kam bei diesen zu keiner wesentlichen Verschlechterung der pulmonalen Beschwerdesymptomatik (14). Es kor-
relierten dabei die Schwere der Erkrankung und die Änderung des Sauerstoffpartialdrucks im Blut positiv. In einer weiteren Studie mit Patienten mit fortgeschrittenen Stadien einer Atemwegserkrankung traten bedrohliche Hypoxämien bei einer simulierten Höhe von ca. 2438 Metern auf, wobei dieser Effekt durch eine leichte körperliche Belastung noch wesentlich verstärkt werden konnte (15). Als allgemeine Empfehlung für ältere Bergsportler kann man also konstatieren, dass geringgradig ausgeprägte Atemwegserkrankungen auch im höheren Lebensalter keine Limitierung für Aktivitäten in mittleren Höhen darstellen. Schwerwiegende gesundheitliche Probleme können allerdings bei Patienten mit fortgeschrittenen Lungenerkrankungen oder bei sehr ausgeprägten Belastungen auftreten. Bei Risikopatienten kann speziell die Finger- Pulsoszillometrie dazu eingesetzt werden, die adäquate Sauerstoffsättigung beim Aufstieg zu kontrollieren. Vermehrter Alkoholkonsum während des Aufstiegs kann eine adäquate respiratorische Anpassung ebenfalls verzögern. Prinzipiell sollte daher eine Alkoholkonsumation beim Aufstieg, besonders aber von Bergsportlern mit einer bereits bestehenden Atemwegserkrankungen zur Vorbeugung einer verfrüht auftretenden Höhenerkrankung vermieden werden (16). Die altersassoziierten Veränderungen des muskuloskelettalen Systems wurden bereits erwähnt. Insbesondere das regelmäßige und frühzeitige Training kann den altersassoziierten Veränderungen entgegenwirken. Eine der markantesten altersbedingten Veränderungen des Körpers ist aber der Abbau an Knochensubstanz mit dem damit verbundenen erhöhten Frakturrisiko. Wenn Knochen allerdings regelmäßig belastet und bewegt werden, nimmt die Demineralisierung ab, kann sogar teilweise aufgehoben werden (17). Ungeachtet dessen ist bei Patienten mit Osteoporose und begleitender Schwäche der Muskulatur insgesamt das Risiko eines Sturzes und einer konsekutiven Fraktur beim Bergsport erhöht (18). Es konnte aber gezeigt werden, dass ein Widerstandstraining 3 bis 4 mal die Woche über mindestens ein halbes Jahr die grobe Kraft wie auch das Durchhaltevermögen bei Belastungen der Muskulatur in allen Alterskategorien deutlich positiv beeinflussen kann. Diese Trainingsform sollt unbedingt ergänzt werden von Dehnungsübung und Übungen für die Balance (19). Diese Maßnahmen dienen der Vermeidung von Stürzen und sekundären Verletzungen bei alten Menschen auch unabhängig vom Bergsport. Auch muss man an die Veränderungen des Nervensystems mit verzögerter Reaktionsfähigkeit, der reduzierten Funktion der Propriozeption, aber auch an eine Störung der Sinneswahrnehmung denken. Insbesondere sollten neben regelmäßigen Trainingseinheiten bei alten Bergsportlern auch die Hör- und Sehfähigkeit engmaschig kontrolliert werden.
ALLGEMEINE EMPFEHLUNGEN FÜR ALTE MENSCHEN AM BERG AUS SICHT DER MEDIZINER
Basierend auf die geringe Evidenz wissenschaftlicher Daten betreffend alte Menschen am Berg sollte man generell Patienten, welche einen Aufenthalt in großen Höhen planen auf Folgendes hinweisen:
Wichtig sind eine adäquate Kontrolle des systemischen Blutdrucks, das Monitoring betreffend Arrhythmien und andere pathologische Veränderung des kardio-vaskulären Systems bereits vor dem Aufstieg im Rahmen eines Gesundheitschecks bei einem spezialisierten Facharzt. Notwendige Medikamente müssen verlässlich zu der dafür vorgesehenen Zeit eingenommen werden. Ein langsamer Anstieg gibt die Möglichkeit zur Akklimatisation. Als Faustregel kann man feststellen, dass man nicht mehr als 300 Höhenmeter pro Tag aufsteigen soll. Nach jedem 3. Tag des Anstiegs soll ein Ruhetag eingelegt werden. Während des Aufstiegs sollten regelmäßig in Selbstmessung die Vitalparameter geprüft werden, insbesondere auch mit dem Ziel, die bei älteren Patienten in hohem Ausmaß auftretende Höhenkrankheit zu verhindern. Wenn Probleme in der Höhenanpassung auftreten, so ist der schnellste und sicherste Abstieg ohne Verzögerung zu wählen.
Es ist einzusehen, dass das Bergaufwandern bei Älteren speziell in größeren Höhen eine gute physische Fitness, eine entsprechende Vorbereitung und eine optimale Ausrüstung erfordern. Rechnet man pro 100.000 ausübenden Sportlern pro Jahr mit 0,8 Toten beim alpinen Skilauf, zwei Opfern bei den Skitourengehern, 3,8 Toten beim Wanderern und 7,8 beim Kletterern (im Vergleich Schwimmen, Joggen oder Ballspiel 0,1 bis ein Todesopfer) sollte daraus aber keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass Berg- und Alpinsport insbesondere für ältere Wanderer ungesund ist.
Gemäß der Tiroler Deklaration zur Best Practice im Bergsport gilt in diesem Zusammenhang: „Um auf Notsituationen, schwere Unfälle und Todesfälle vorbereitet zu sein, sollte jeder, der den Bergsport ausübt, sich über die damit verbundenen Risiken und Gefahren im klaren sein“ (20). Dies implementiert im Umgang mit betagten Patienten die Vermittlung des aktuellen Wissens über physiologische Veränderungen und den Einfluss verschiedener Erkrankungen auf die individuelle Leitungsfähigkeit am Berg. Der ältere Patient muss in der Vorbereitung auf das Bergerlebnis als gleichwertiger Partner individuell zu seinen Bedürfnissen vorbereitet und begleitet werden. Dies erfordert vom behandelnden Arzt nicht nur ein spezielles medizinisches „Know- How“, sondern auch Kenntnisse über die Besonderheiten des Alpinsports per se.
Aktivität Alter inaktiv Mäßig aktiv Hoch aktiv Frauen (60-62 kg) 19-30 2.000 2.000-2.200 2.400 31-50 1.800 2.000 2.200
51-70 1.600 1.800 2.000-2.200 Über 70 1.450 1.600 1.800
Männer (78-80 kg) 19-30 2.400 2.600-2.800 3.000 31-50 2.200 2.400-2.600 2.800-3.000
51-70 2.000 2.200-2.400 2.600-2.800 Über 71 Jahre 1.800 2.000 2.200-2.400
Tabelle 1: Individueller, geschlechtsspezifischen Kalorienbedarf von Bergsportlern in Abhängigkeit vom Aktivitätsgrad und Alter
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(20) Die Tirol Deklaration zur Best Practice im Bergsport. 2002; Verabschiedet durch den Kongress Future of Mountain Sports, Innsbruck 6.- 8. September 2002