Ausgabe 25 • Wiederkäuer Ein Magazin von
Illustation: ET-ART/ Balakovo
Die Gefahren eines unregelmäßigen MykotoxinRisikomanagements Fallstudie Milchviehbetrieb in China
Maßnahmen gegen Azidose Photo: Nenadpress
Photo: visual7
Die Gefahren von SARA
Editorial Das Rennen geht weiter Schon in unserer April-Ausgabe erwähnten wir, dass nach Aufhebung der EU-Milchquotenregelung eine beträchtliche Verstärkung des Konkurrenzkampfes hinsichtlich einer effizienten Milchproduktion zu erwarten sei. Nur wenige haben vorausgesehen, dass die gesteigerte Produktion der wichtigsten Milchmärkte auf einen Rückgang der Nachfrage aus China und anderen Ländern treffen würde, was verheerende Folgen für den Milchpreis hat. Die gemeinsame Reaktion aller Milchproduzenten auf den Preisverfall besteht in Kostensenkungen. In dieser Ausgabe von Science & Solutions schildern wir den Fall eines Milchbauern in China, der im Bestreben, seine Kosten zu reduzieren, das bestehende Mykotoxin-Risikomanagementprogramm ausgesetzt hatte. Dieses Programm war ursprünglich eingeführt worden, um gegen eine Aflatoxinkontamination vorzugehen. Nach Aussetzen der Maßnahmen zeigte sich eine ganze Reihe von Problemen, die durch andere Mykotoxine verursacht wurden, was die Notwendigkeit eines konsequent und kontinuierlich durchgeführten Mykotoxin-Risikomanagementprogramms unterstreicht. Danach befassen wir uns mit der subakuten Pansenazidose (SARA), einem schwierig zu diagnostizierenden Gesundheitsproblem von Milchkühen während der Laktation, das sowohl die Milchleistung als auch den allgemeinen Gesundheitszustand und die Langlebigkeit der Kühe beeinträchtigt. Wir sehen uns einige der Maßnahmen an, die Landwirte ergreifen können, um einen stabilen Pansen-pH-Wert aufrechtzuerhalten und die Gesundheit der Tiere zu untersützen. Man erwartet, dass die weltweite Milchproduktion in den kommenden zehn Jahren um fast ein Viertel steigen wird, während die Preise effektiv (d. h. nach Inflationsbereinigung) leicht sinken werden. All dies spricht dafür, dass das Rennen um noch höhere Produktionseffizienz und Aufrechterhaltung der Herdengesundheit auch in den kommenden Jahren diesen Industriezweig prägen wird.
Christine HUNGER PhD Produktmanagerin Phytogene
Science & Solutions • Ausgabe 25
Photo: head off
Inhaltsverzeichnis
Die Gefahren eines unregelmäßigenMykotoxin-Risikomanagements
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Die Fallstudie eines Milchviehbetriebes zeigt die diversen Gefahren auf, die sich durch Mykotoxine für Herden und die Rentabilität ergeben können.
Photo: JannHuizenga
Von Simone Schaumberger DVM
Maßnahmen gegen Azidose und die Gefahren von SARA
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Diagnose, Hauptursachen und Maßnahmen gegen diese Bedrohung von Produktion, Gesundheit und Langlebigkeit. Von Luis Cardo DVM
Science & Solutions ist eine monatlich herausgegebene Veröffentlichung der BIOMIN Holding GmbH, die kostenlos an unsere Kunden und Partner verteilt wird. Jede Ausgabe von Science & Solutions präsentiert Themen zu den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Tierernährung und Gesundheit und konzentriert sich jedes Vierteljahr auf eine Tierart (Geflügel, Schwein oder Wiederkäuer). ISSN:2309-5954 Eine digitale Kopie und weitere Informationen finden Sie unter: http://magazine.biomin.net Wenn Sie an Nachdrucken von Artikeln interessiert sind oder Science & Solutions abonnieren möchten, wenden Sie sich bitte an magazine@biomin.net Redaktion: Ryan Hines Mit Beiträgen von: Luis Cardo, Christine Hunger, Simone Schaumberger Marketing: Herbert Kneissl Recherche: Franz Waxenecker, Ursula Hofstetter Herausgeber: BIOMIN Holding GmbH Erber Campus 1, 3131 Getzersdorf, Österreich Tel: +43 2782 8030 www.biomin.net ©Copyright 2016, BIOMIN Holding GmbH Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme der im Copyright, Designs and Patents Act von 1988 genannten Regelungen darf kein Teil dieser Veröffentlichung ohne schriftliche Genehmigung des Inhabers des Urheberrechts in irgendeiner materiellen Form für kommerzielle Zwecke vervielfältigt oder kopiert werden. Alle hierin enthaltenen Fotos sind Eigentum der BIOMIN Holding GmbH oder werden unter einer Lizenz verwendet.
Ein Magazin von BIOMIN
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Photo: abluecup
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Science & Solutions • Ausgabe 25
Die Gefahren eines unregelmäßigen
Mykotoxin-Risikomanagements Von Simone
SCHAUMBERGER, Produktmanagerin Mykotoxin-Risikomanagement
Die jüngsten Erfahrungen eines Milchbauern, zeigen wieder auf, wie wichtig ein konsequentes Mykotoxin Risiko Managment ist , und belegen einmal mehr die Bedrohung von Herdengesundheit und Rentabilität durch die Mykotoxinkontamination des Futters
W
ie die meisten Milchbauern war sich der Besitzer des tausend Kühe umfassenden Milchviehbetriebs im Nordwesten von Peking, China, sehr wohl der Gefahren bewusst, denen die Kühe durch Aflatoxin-kontaminiertes Futter ausgesetzt sind. Es war ihm auch klar, dass die Verschleppung von mit dem Futter aufgenommenen Aflatoxinen in die Milch im Ausmaß von 1-6 % zudem eine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher darstellt. Aufgrund dieser Informationen hatte er beschlossen, dem Futter einen Mykotoxin-deaktivierenden Zusatz in der Dosierung von 20-25 g pro Tag und Kuh beizumengen. Einige Monate vergingen, ohne dass es zu irgendwelchen Problemen kam. Zur selben Zeit als der Milchpreis fiel und der Druck durch die Produktionskosten immer grösser wurde, beschloss der Milchproduzent einen neuen Stall zu bauen. Dies hatte zur Folge,
dass er sein Mykotoxin-Risikomanagmentprogram absetzte. In nur wenigen Tagen stieg die Abortrate der Herde signifikant an. Die Totale Mischration (TMR) wies nur Spuren von Mykotoxinen auf, was darauf hinwies, dass offenbar die Alfalfa-Silage die Quelle der Mykotoxinkontamination war. Der Milchbauer begann wieder, dem Futter Mykofix® in ähnlicher Dosierung wie zuvor beizumengen, und bereits innerhalb weniger Tage hatte sich die Situation wieder normalisiert. Dieser Fall zeigt einige wichtige Fakten darüber auf, wie Mykotoxine die Milchproduktion beeinträchtigen können. Aflatoxin ist nicht die einzige Gefahr Die in diesem Fall beobachteten Fruchtbarkeitsprobleme waren offenbar auf Zearalenon, einem Mykotoxin mit potenter östrogener Wirkung, zurückführen. Diese Substanz wird mit einer Reihe von Reproduktionsproblemen in Verbindung gebracht. Die häufigsten und bekanntesten Mykotoxine sowie deren Risikogrenzwerte und Wirkungen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Laut jährlicher BIOMIN Mykotoxinstudie ist die
Tabelle 1. Die wichtigsten Mykotoxine und deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Kühe. Mycotoxin
Empfohlener Risikogrenzwert (ppb)
Aflatoxin
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Folgen • Gewichtsverluste und geringere Gewichtszunahmen (Rinder) • Gestörte Pansenfunktion • Beeinträchtigung der Eutergesundheit, erhöhte somatische Zellzahl • Verminderte Widerstandsfähigkeit gegen Umweltstressoren und mikrobielle Belastung; erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten
100
• Infertilität, verminderte Konzeptionsraten • Zitzenvergrößerung • Vergrößerte Milchdrüsen bei Färsen • Infektionen des Reproduktionstraktes
300
• Gestörte Pansenfunktion • Durchfall • Stoffwechselstörungen, Mastitis, Metritis • Lahmheiten
T-2
100
• Appetitverlust • Gastroenteritis • Verringerte Milchleistung • Verringerte Immunantwort
Fumonisins
2000
• Verringerte Milchproduktion und erhöhte Leberenzymwerte
Zearalenone
Deoxynivalenol
Ochratoxin A
80
• Ochratoxin A (OTA) ist ein nephrotoxisches Mykotoxin. Wiederkäuer sind weit weniger empfindlich gegenüber Ochratoxin A als andere Spezies.
Quelle: BIOMIN
Ein Magazin von BIOMIN
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Die Gefahren eines unregelmäßigen Mykotoxin-Risikomanagements
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass das Mykotoxin-Risikom eine optionale Maßnahme darstellt oder nur als Reaktion auf eine s
Abbildung 1. BIOMIN Mykotoxinstudie, Ergebnisse von Januar bis Juni 2015. Die Balken repräsentieren den Prozentsatz an kontaminierten Proben. Die Punkte zeigen Mykotoxinkonzentrationen über dem Risikogrenzwert an. 100%
% Proben
80% 60% 40% 20% 0% Fertigfutter
Mais
Maissilage
n Afla n ZEN n DON n T-2 n FUM n OTA Quelle: BIOMIN
Prävalenz mehrerer wichtiger Mykotoxine in den üblichen Inhaltsstoffen des Futters für Milchkühe hoch. Abbildung 1 zeigt Inzidenz und Konzentrationen von Aflatoxinen (Afla), Zearalenon (ZEN), Deoxynivalenol (DON), T2-Toxin (T-2), Fumonisinen (FUM) und Ochratoxin A (OTA) in Mais-, Maissilage- und Fertigfutterproben, die weltweit zwischen Januar und Juni 2015 analysiert wurden. Das häufigste Mykotoxin in Komponenten des Milchviehfutters war Deoxynivalenol, das in 81 % der Mais- und Maissilageproben und in 93 % der Proben von Fertigfutter nachgewiesen wurde. Obwohl die durchschnittlichen Deoxynivalenol-Konzentrationen in Mais und Maissilage über 2 000 ppb lagen, wiesen einzelne Proben Konzentrationen von über 16 000 ppb auf, was eindeutig über den Richtwerten und Empfehlungen von US FDA und der EU für Milchvieh liegt. Die durchschnittlichen in Mais, Maissilage und Fertigfutter ermittelten Zearalenon-Konzentrationen (alle über 300 ppb) stellen aufgrund der östrogenen Effekte dieses Mykotoxins eine potenzielle Bedrohung für die Gesundheit der Milchkühe dar. Mykotoxin-Risikomanagement - mal ja, mal nein Ein häufiger Irrglaube ist, dass ein Mykotoxin-Risikomanagement aufgrund der im Vergleich zu anderen Nutztierspezies geringeren Sensibilität von Kühen gegenüber den Wirkungen von Mykotoxinen eine nur optionale Maßnahme darstellt und erst dann notwendig wird, wenn eine starke Mykotoxinbelastung vorliegt. Wie
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die Fallstudie aus China und die Angaben in Tabelle 1 zeigen, wird dieser Mythos allerdings von der Realität zunichte gemacht. Viele Milchproduzenten auf der ganzen Welt haben ähnliche Erfahrungen gemacht, als sie angesichts niedriger Milchpreise und zunehmenden Kostendrucks ihr Mykotoxin-Risikomanagementprogramm aufgaben, um bald danach vor Problemen zu stehen, die sich in schlechten Besamungsraten, verminderter Milchleistung, Durchfall, erhöhten somatischen Zellzahlen, gesteigerter Inzidenz von Krankheiten wie Klauenproblemen oder Mastitis sowie in Reproduktionsstörungen ausdrückten. (Für weitere Fallstudien siehe “„Mykotoxine bei Milchvieh in Science & Solutions, Ausgabe 13). Die verschiedenen Faktoren, die zu einer verminderten Deaktivierung der Mykotoxine im Pansen führen können, sind in Tabelle 2 zusammengefasst Abbau heißt nicht Schutz Die im Vergleich zu anderen Spezies geringere Empfindlichkeit von Kühen gegenüber Mykotoxinen beruht auf dem Abbau dieser Substanzen im Pansen. Die Biodegradation verschiedener Mykotoxine im Pansen erfolgt mithilfe bestimmter Mikroorganismen (z. B. Protozoen), die über eine gewisse Kapazität zur Verstoffwechslung einzelner Mykotoxine verfügen. Während einige Forscher postulieren, dass die Toxindegradation bei manchen Toxinen bis zu 90 % betragen kann, variieren die Schätzungen generell doch sehr stark und sind für jedes der Mykotoxine unterschiedlich. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die pansentyp-
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Simone Schaumberger Produktmanagerin Mykotoxin-Risikomanagement
management schwere Mykotoxinbelastung notwendig ist. ischen Mikroorganismen in Anwesenheit von einigen Mykotoxinen verändert werden und nicht mehr die erwartete Kapazität zur Neutralisierung der Mykotoxine aufweisen. Hohe Leistung - unerwartete Folgen Nicht immer können Mykotoxine durch ruminale Transformation in harmlose Substanzen umgewandelt werden. Im Falle von Zearalenon, das durch Protozoen zu α- und β-Zearalenol verstoffwechselt wird, hat sich die beta-Form als weniger toxischer Metabolit erwiesen, während der alpha-Metabolit eine im Vergleich zu Zearalenon selbst stärker östrogen wirkende Verbindung darstellt (Jouary et al., 2009; Dänicke et al., 2005). Das Ausmaß des Abbaus von Zearalenon im Pansen scheint in engem Zusammenhang mit der Menge an aufgenommenem Futter und der daraus resultierenden Verweildauer des Futters im Pansen zu stehen. Bei Hochleistungskühen mit einer täglichen Futteraufnahme von beispielsweise 26 kg Trockenmasse ist diese Verweildauer verkürzt, sodass auch die für eine Entgiftung der Mykotoxine zur Verfügung stehende Zeit verkürzt ist. Unentdeckte Invasoren Maskierte Mykotoxine (konjugierte, an Proteine oder Zucker gebundene Formen) können mit den herkömmlichen Analysemethoden (HPCL, ELISA) nicht nachgewiesen werden. Während des Verdauungsvorganges können die intestinalen Enzyme diese maskierten Mykotoxine aufspalten, sodass die Ausgangstoxine freigesetzt werden. Diese Toxine können nach ihrer Freisetzung wieder toxisch für das Tier sein. Azidose Ein wohl bekanntes Problem bei Wiederkäuern ist die subklinische bzw. akute Pansenazidose (SARA/ ARA). Dieses Syndrom, das durch einen niedrigen pH-Wert im Pansen gekennzeichnet ist, wird häufig bei Hochleistungsmilchkühen beobachtet, insbesondere, wenn das Fütterungsregime suboptimal ist oder Stresssituationen die Pansenflora aus dem Gleichgewicht bringen und eine Dysbiose bewirken. Man geht davon aus, dass bei Azidose die Anzahl an Protozoen sinkt, und da diese die wichtigsten Mykotoxin-abbauenden Organismen darstellen, führt dies zu einem verringerten Abbau von Mykotoxinen im Pansen. Dadurch gelangen größere Mykotoxinmengen in den Darm, wo sie ihre toxische Wirkung entfalten.
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Tabelle 2. Faktoren, die die Deaktivierung von Mykotoxinen im Pansen beeinflussen Faktor
Description
Hohe Produktivität
Geringere Verweildauer des Futters im Pansen reduziert die Zeit für eine Entgiftung (Kontaktzeit Futter – Pansenmikroben)
Partieller/ungünstiger Aufschluss der Mykotoxine
Metaboliten mit höherer Toxizität werden im Pansen freigesetzt
Maskierte Mykotoxine
Gesteigerte Bioverfügbarkeit des Ausgangsmykotoxins
Multiple Mykotoxine im Pansen
Mikroorganismen haben geringere Abbaukapazität
Azidose
Dysbiose durch zu geringen pH Wert, hat eine geringere Abbaukapazität der Pansenmikroben zur Folge
Quelle: BIOMIN
Multiple Bedrohungen Eine Reihe von im Feld häufig vorkommenden Schimmelpilzen produziert eine Vielfalt an schädlichen Mykotoxinen, die die Gesundheit und Leistung von Milchkühen beeinträchtigen. Das modernste, kommerziell verfügbare Verfahren zum Nachweis von Mykotoxinen kann mehr als 380 verschiedene Mykotoxine und Metaboliten nachweisen (Spectrum 380®). Die verschiedenen Gruppen von Mykotoxinen weisen unterschiedliche Strukturen auf. Während im beschriebenen Fall der Milchproduzent anfänglich nur ein Mykotoxin-Risikomanagementprogramm hauptsächlich gegen Aflatoxine einführte, kombiniert ein robustes Mykotoxin-Risikomanagementprogramm verschiedene Strategien bzw. Wirkmechanismen, um ein breites Spektrum an Mykotoxinen zu bekämpfen. Umfassende Lösung Ein robustes Mykotoxin-Risikomanagementprogramm umfasst mehrere Schritte: Nachweis, Prävention und Mitigation (Milderung). Regelmäßige Analysen von Futterkomponenten und Silage können dazu beitragen, potenzielle Bedrohungen für die Gesundheit der Tiere zu entdecken. Ein gutes Silagemanagement ist von entscheidender Bedeutung, um ein weiteres Wachstum von Schimmelpilzen zu verhindern und so der Produktion von Mykotoxinen vorzubeugen. Der regelmäßige Einsatz von Mykotoxin-deaktivierenden Zusätzen spielt dabei eine zentrale Rolle. Richtiges Mykotoxin-Risikomanagement ist unverzichtbar, wenn es darum geht, unvorhersehbare Verluste zu vermeiden und einen gesunden Bestand an Hochleistungskühen aufrechtzuerhalten.
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Photo: aleksandr hunta
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Maßnahmen gegen Azidose und die Gefahren von SARA Von Luis
CARDO, Technischer Leiter Wiederkäuer
Die subakute Pansenazidose (SARA/subacute ruminal acidosis) ist eine der vielen Herausforderungen, mit denen eine Milchkuh während der Laktationsphase konfrontiert ist. SARA beeinträchtigt nicht nur die Milchleistung, sondern auch den allgemeinen Gesundheitszustand und die Langlebigkeit der Tiere. Obwohl nicht leicht zu entdecken, kann SARA schwerwiegende Auswirkungen auf die Milchproduktion haben.
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Maßnahmen gegen Azidose und die Gefahren von SARA
T
Photo: nicolasprimola
heoretisch liegt eine Episode von SARA dann vor, wenn der Pansen-pH während mindestens drei Stunden bei Milchkühen unter 5,8 und bei Fleischrindern unter 5,6 absinkt. Ab diesen Schwellenwerten ist die Faserverdauung reduziert und die Leistung der Tiere beeinträchtigt. Zudem kann es zu verringerter Futteraufnahme, schlechterer Futterverwertung und Klauenproblemen kommen.
ARA Zu akuter Pansenazidose (ARA/acute ruminal acidosis) kommt es, wenn der Pansen-pH drastisch absinkt (auf unter 5,2) und sich flüchtige Fettsäuren und freie Milchsäure im Pansen ansammeln – in der Regel aufgrund eines Überschusses an rasch fermentierbaren Kohlenhydraten, gekoppelt mit einem Mangel an strukturwirksamer Rohfaser. Wird dieses Ungleichgewicht nicht korrigiert, entwickelt sich eine metabolische Azidose, und das Wasser aus dem Blut gelangt aufgrund des hohen osmotischen Drucks in den Pansen und führt zu Diarrhö mit nachfolgender Dehydratation und letztendlich zu einem lebensbedrohenden Zustand. Allerdings ist diese schwere Erkrankung in Fleischrinderbetrieben nicht häufig und in Milchviehbetrieben noch seltener zu beobachten.
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Was ist die Ursache von SARA? SARA wird durch ein gestörtes Gleichgewicht zwischen der Produktion von flüchtigen Fettsäuren (FFS) und deren Absorption durch die Pansenwand sowie den Puffermechanismen des Pansens verursacht. Sinkt der pH-Wert im Pansen weiter ab, verändert sich die Bakterienpopulation, und die Stoffwechselpfade führen zu einer Überproduktion von Milchsäure, einer sehr starken Säure, die an der akuten Azidose beteiligt ist. Die Fermentationsvorgänge im Pansen erzeugen flüchtige Fettsäuren, die eine Verringerung des pH-Wertes bewirken. Rationen mit besonders hohem Stärkegehalt senken den pH-Wert für einen längeren Zeitraum. Aus diesem Grund ist die Totale Mischration (TMR) in der Lage, für die Aufrechterhaltung eines stabileren Pansen-pH zu sorgen, und erzielt dauerhaft bessere Ergebnisse als Fütterungssysteme, bei denen die Kühe wenige große (in kg) Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen. Methoden zum Nachweis von SARA und die in der Praxis häufigsten Ursachen sind in Tabelle 1 und 2 aufgeführt. Die Auswirkungen von SARA lassen sich grob einteilen in Folgen für die Pansenfunktion, die Futteraufnahme und die Klauengesundheit. Auswirkungen auf den Pansen SARA beeinträchtigt die Futterverwertung, hauptsächlich durch die verringerte Rohfaserverdaulichkeit, und steigert dadurch die Futterkosten. Wenn der Pansen-pH unter 6,0 sinkt, verringern sich die Population und das Wachstum der cellulolytischen Bakterien und der ruminalen Pilze, was in der Folge die Verdaulichkeit von der Rohfaser beeinträchtigt. Laut verschiedener Quellen (Calsamiglia et al., 2002; Yang et al., 2002) bewirkt jede pH-Wert Absenkung um 0,1 eine 3,6%ige Reduzierung der Faserverdaulichkeit. Die durch SARA verursachte geringere Faserverdaulichkeit und die schlechtere Futterverwertung bedeuten für die Produzenten eine Erhöhung der Futterkosten. In einer Studie hat sich gezeigt, dass kurze SARA-Episoden (weniger als 30 Minuten) die Verdaulichkeit von Neutral-Detergenz-Faser (NDF) nicht reduzieren, während dies bei
wiederholten Episoden von vier Stunden sehr wohl der Fall war. Diese Ergebnisse stützen die Empfehlung einer Fütterung mit TMR und eines rund um die Uhr freien Zugangs zu den Futtertrögen als zentrale Managementmaßnahmen zur Kontrolle von SARA. Auswirkungen auf die Futteraufnahme SARA verursacht in der Regel ein unregelmäßiges Fressverhalten und eine reduzierte Futteraufnahme. Wenn der Pansen-pH sinkt, reduziert die Kuh ihre Futteraufnahme und damit die Produktion von Säuren, sodass der pH-Wert wieder in den Normbereich zurückkehren kann. Danach nimmt die Kuh die Futteraufnahme wieder auf, was zu einer erneuten Episode von SARA führt, sodass sich dieser Zyklus ständig wiederholt. Diese Schwankungen verringern aufgrund der geringeren Futteraufnahme nicht nur die Produktion; auch die Effizienz der Fermentationsprozesse im Pansen ist durch die wechselnde Nährstoffversorgung eingeschränkt, was weitere wirtschaftliche Einbußen nach sich zieht. Lahmheiten Lahmheiten sind in der modernen Milchund Fleischproduktion aufgrund der enormen Folgen für das Wohlbefinden der Tiere und die Rentabilität des Betriebs ein weiterer wichtiger Problembereich. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Azidose und der Entzündung des Lederhautlamellengewebes der Klauen. Diese Erkrankung genannt Laminitis verursacht nicht nur aufgrund ihrer Präsenz Probleme, sondern stellt auch den ersten Schritt zu weiteren Klauenerkrankungen wie Sohlengeschwüren und Blutungen an der weißen Linie dar. Obwohl die Mechanismen der Entstehung einer Laminitis noch nicht vollständig geklärt sind, geht man davon aus, dass ein aufgrund von Azidose verringerter systemischer pH-Wert und Substanzen wie Histamin (beteiligt an der Immunantwort) und Endotoxine, die in den Blutkreislauf geraten, an der Erkrankung beteiligt sind. Lahmheiten können ihrerseits aber wieder SARA verschlimmern, weil die Kühe ihr Futteraufnahmeverhalten insofern verändern, als sie aufgrund der Schmerzen seltener zum Futtertrog gehen und daher weniger Futter aufnehmen. Verbessertes Management Maßnahmen, um SARA in den Griff zu bekommen, können entweder die Adaptationsfähigkeit von Papillen und der Mikrobiota des Pansens verbessern oder die Aufnahme von strukturwirksamer Rohfaser optimieren. Tabelle 3 enthält eine Liste von Managementpraktiken, mithilfe derer das Risiko für SARA abgeschwächt werden kann.
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Luis Cardo, Technischer Leiter Wiederkäuer
Tabelle 1. Nachweis von SARA. 1. Futteraufnahmeverhalten bei TMR-Fütterung überprüfen. Wenn Kühe ihr Futter selektiv aus der TMR auswählen - erkennbar an zahlreichen Löchern in der TMR -, dann können sich die aufgenommenen Mengen an Faserstoffen und Konzentraten beträchtlich von jenen der ursprünglich vorgelegten Ration unterscheiden 2. Routinemäßige Überprüfung und Aufzeichnung der Indikatoren für eine möglicherweise vorliegende SARA: Milchfettgehalt, Kotqualität, Laminitis, individuelles Futteraufnahmeverhalten 1. Mangelnde Anpassung der Pansenmikroflora an veränderte Futterzusammensetzung. Häufig nach dem Abkalben, in Verbindung mit anderen Stoffwechselkrankheiten wie Ketose und damit zusammenhängenden Störungen. (Siehe „Das Problem der negativen Energiebilanz bei Milchkühen“ in Science & Solutions Ausgabe 17) 2. R eduziertes Futteraufnahmeverhalten und Futterselektion durch die Kühe. Ein bestimmter Mindestgehalt an strukturwirksamer Rohfaser in der richtigen Kombination mit Konzentraten ist für die Kuh unerlässlich, um wiederkäuen und so den Panseninhalt entsprechend mischen zu können. Dies fördert die Absorption der flüchtigen Fettsäuren durch die Pansenpapillen und die Produktion von Speichel, der als Puffer für den Panseninhalt dient. Die Kontrolle der physikalischen Qualität des Futters ist ein entscheidender Schritt im Kampf gegen SARA. 3. Ungeeignete Häcksellänge des Raufutters. Bei übermäßiger Länge werden die Kühe selektiv die Konzentrate fressen; bei zu geringer Länge entfällt der physikalische Effekt, der für das Auslösen des Wiederkäuens erforderlich ist. 4. Fehler bei der Rationsgestaltung. Tabelle 3. Maßnahmen gegen SARA. Sicherstellen einer entsprechenden Anpassung des Pansens bei Futterumstellungen, insbesondere nach dem Abkalben (Umstellung von Trockensteh- auf Laktationsfutter).
2.
Überwachung der Schmackhaftigkeit der Zutaten.
3.
Sicherstellen der Homogenität der TMR und der richtigen Häcksellänge des Raufutters. Aufzeichnungen über die regelmäßigen Wartungen des Futtermixers (Waagen, Messer)
4.
Sicherstellen des Zugangs der Tiere zu den Futtertrögen und adäquate Wasserversorgung.
5.
Vermeidung von Stresssituationen wie zu häufiges Umstallen der Tiere von einer Produktionsgruppe in eine andere
6.
Erstkalbende Färsen, wenn möglich, von älteren Kühen getrennt halten.
7.
Ruhebereiche. Sicherstellen der richtigen Gestaltung, Instandhaltung und Einstreu. Unzureichende Liegephasen verändern das Futteraufnahmeverhalten der Kuh.
8.
Für jede Änderung der Futterzusammensetzung oder des Raufutters wird ein schrittweiser Übergang dringend angeraten.
Kotbeurteilung und Erkennen von SARA-Fällen Tipp: Ist die Kotbeschaffenheit bei den Kühen einer einzigen Gruppe im selben Laktationsstadium unterschiedlich, so kann dies auf SARA zurückzuführen sein; in einem solchen Fall wird der Kot bei manchen Tieren normal und bei anderen zu flüssig sein. Zur Beurteilung des Kots kann man die von 1 bis 5 reichende Punktebewertung (Score) verwenden:
Score 3
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Score 1
Endotoxine
Foto: Scharvik
1.
Lipopolysaccharide (LPS) sind Teil der äußeren Membran gramnegativer Bakterien und werden bei übermäßigem Wachstum, Lyse oder Tod von Bakterien freigesetzt. Die Kontrolle von Endotoxinen und deren Produktion stellen den Grundpfeiler der Bekämpfung von Laminitis dar. In der Praxis sind die Auswirkungen weitreichend, da Lipopolysaccharide nicht nur bei SARA entstehen, sondern auch bei anderen Situationen, bei denen die Fermentation im Pansen beeinträchtigt ist, wie z. B. bei einer Belastung durch Mykotoxine. Solche Umstände sind zu berücksichtigen, wenn der SARA-/Laminitis-Status auf Herdenniveau beurteilt werden soll.
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Zugelassen gemäß EU-Verordnung Nr. 1060/2013, Nr. 1016/2013 und Nr. 1115/2014 zur Verringerung der Kontamination von Futtermitteln mit Fumonisinen, Aflatoxinen und Trichothecenen.
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