Ausgabe 41 • Wiederkäuer
Gesunde Kälber – Eine Investition für die Zukunft Kolostrum gegen Kälberdurchfall Photo: fotostorm
Photo: kravcs
Ein Magazin von
Was stimmt nicht mit meiner Herde? Labmagenverlagerung
Editorial Grundlegende Herausforderungen beeinträchtigen die Herdenleistung Klinische Krankheitsfälle werden oft als die “Spitze des Eisbergs” bezeichnet, da sie die sichtbaren Zeichen einer Erkrankung darstellen und erst jetzt dem Betriebsleiter klar wird, dass ein Tier krank ist. Wie beim Eisberg liegt der Großteil der Masse unter der Wasseroberfläche. Nicht alle erkrankten Tiere entwickeln eine klinische Erkrankung, sondern sie stellen innerhalb der Herde eine “schweigende” Mehrheit dar, die den Erfolg der Produktion insgesamt beeinträchtigt. Zwar sind die wirtschaftlichen Einbußen wenn klinische Krankheitsfälle vorliegen, deutlicher erkennbar, doch tragen auch die subklinischen Infektionen zu einer geringeren Leistung der Tiere bei und es kommt zu schlechterem Wachstum, geringerer Milchleistung oder reduzierter Milchqualität. Die Reduzierung der Häufigkeit von subklinischen Infektionen trägt dazu bei, die Anzahl an klinisch manifesten Erkrankungen zu verringern und die Produktionsleistung der gesamten Herde wird zusätzlich verbessert. Dies ist insbesondere in Zeiten niedriger Milchpreise von entscheidender Bedeutung. In dieser Ausgabe von Science & Solutions widmen wir uns verschiedenen Schwerpunkten, die durch subklinische Erkrankungen beeinflusst werden. Gesunde Kälber aufziehen ist entscheidend für den zukünftigen Erfolg des Betriebs und beginnt mit gesunden Kühen sowie mit Kolostrum guter Qualität. Endotoxine spielen bei allen Infektionen mit gramnegativen Bakterien eine Rolle, egal, ob es sich um durch Salmonellen verursachte Durchfälle oder um eine Mastitis infolge einer Infektion mit Escherichia coli handelt. Zusätzlich haben subklinische Stoff wechselerkrankungen wie die subakute Pansenazidose (SARA) nicht zu vernachlässigende Folgen hinsichtlich der Produktion von Endotoxinen. Sie werden zudem mit Folgeerkrankungen wie Klauenproblemen oder Leberabszessen in Verbindung gebracht. Bei der Aufzucht gesunder Tiere ergeben sich viele offensichtliche Herausforderungen. Es ist aber wichtig, nicht so deutlich erkennbare Gefährdungen der Herdengesundheit im Hinterkopf zu behalten. Alle Tierhalter unternehmen große Anstrengungen, um derlei Herausforderungen zu meistern und gesunde Produkte zu erzeugen. Ich hoffe, Sie gießen sich jetzt ein Glas Milch ein oder geben etwas Sahne in Ihren Kaffee, bevor Sie sich entspannt der Lektüre dieser neuen Ausgabe von Science & Solutions widmen!
Dr. Paige GOTT Ruminant Technical Manager
Science & Solutions • Ausgabe 41
Inhalt Verbesserung der Kälbergesundheit in Dänemark
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Die Mortalität von Kälbern vor dem Absetzen durch bessere Darmgesundheit zu bekämpfen, ist nicht nur zum Wohl der Tiere, sondern kann auch zur Rentabilität des Betriebes in der Zukunft beitragen.
Photo: BrianAJackson
Von Luis Cardo DVM und Dr. Rikke Engelbrecht
Kolostrum statt Antibiotika gegen Kälberdurchfall
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Durchfall ist das häufigste Gesundheitsproblem bei neugeborenen Kälbern. Im Vergleich zur Antibiose kann das richtige KolostrumManagement die bessere Lösung darstellen, um die Gesundheit der Tiere und gleichzeitig die Rentabilität der Betriebe zu sichern. Von Zanetta Chodorowska M.Sc..
Cut & Keep
Checklist
Was stimmt nicht mit meiner Herde? Teil 3: Labmagenverlagerung
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Eine nützliche diagnostische Checkliste mit Symptomen, Ursachen und Therapien. Science & Solutions ist eine monatlich herausgegebene Veröffentlichung der BIOMIN Holding GmbH, die kostenlos an unsere Kunden und Partner verteilt wird. Jede Ausgabe von Science & Solutions präsentiert Themen zu den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Tierernährung und Gesundheit und konzentriert sich jedes Vierteljahr auf eine Tierart (Geflügel, Schwein oder Wiederkäuer). ISSN:2309-5954 Eine digitale Kopie und weitere Informationen finden Sie unter: http://magazine.biomin.net Wenn Sie an Nachdrucken von Artikeln interessiert sind oder Science & Solutions abonnieren möchten, wenden Sie sich bitte an magazine@biomin.net Editor: Ryan Hines Mit Beiträgen von: Luis Cardo, Zanetta Chodorowska, Rikke Engelbrecht, Paige Gott, Bryan Miller Marketing: Herbert Kneissl, Karin Nährer Graphics: Reinhold Gallbrunner, Michaela Hössinger Research: Franz Waxenecker, Ursula Hofstetter Publisher: BIOMIN Holding GmbH Erber Campus, 3131 Getzersdorf, Austria Tel: +43 2782 8030 www.biomin.net © Copyright 2017, BIOMIN Holding GmbH Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme der im Copyright, Designs and Patents Act von 1988 genannten Regelungen darf kein Teil dieser Veröffentlichung ohne schriftliche Genehmigung des Inhabers des Urheberrechts in irgendeiner materiellen Form für kommerzielle Zwecke vervielfältigt oder kopiert werden. Alle hierin enthaltenen Fotos sind Eigentum der BIOMIN Holding GmbH oder werden unter einer Lizenz verwendet. Printed on eco-friendly paper: Austrian Ecolabel (Österreichisches Umweltzeichen) BIOMIN is part of ERBER Group
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Name
Photo: Hillview1
position
Verbesserung der Kälber Von Luis Cardo DVM, Ruminant Technical Manager und Dr. Rikke Engelbrecht Beraterin für Kälbergesundheit bei Vestjysk Landboforening in Dänemark
Bekämpfung der Mortalität von Kälbern vor dem Absetzen durch bessere Darmgesundheit, ist nicht nur zum Wohl der Tiere, sondern verbessert die Rentabilität des Betriebes in der Zukunft.
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Science & Solutions • Ausgabe 41
Name position
rgesundheit in Dänemark
W
eibliche Kälber, die Grundpfeiler jedes milcherzeugenden Betriebs, sind lange Zeit vernachlässigt worden. In Milch viehbetrieben auf der ganzen Welt ist die Mortalität vor dem Absetzen ein großes Problem. Laut Daten aus den USA (NAHMS, 2007) beträgt die Mortalitätsrate für zukünftige Färsen 7,8 %, wobei Verdauungsprobleme für 56,5 % und Atemwegs probleme für weitere 22,5 % der Verluste verantwortlich sind. Diese Zahlen sind überraschend ähnlich jenen aus dem Jahr 1992, was bedeutet, dass es in diesem Bereich in den letzten 20 Jahren keinerlei Verbesserung gab. Atemwegs- und Verdauungsprobleme stehen mitein
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ander in Korrelation, da das Vorliegen einer dieser Erkrankungen die Empfänglichkeit für die andere erhöht. Betrachtet man die durchschnittlichen Remon tierungsraten von etwa 30 %, so wird klar, dass dies eine ernste Einschränkung der Möglichkeiten der Milchvieh halter darstellt.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in “Dairy Global”
Wirtschaftliche Kosten Es besteht eine enge Korrelation zwischen den durchschnittlichen Tageszunahmen (TGZ) der Kälber vor dem Absetzen und der späteren Milchproduktion. Eine Meta-Analyse von mehr als zehn Studien kam zu dem Schluss, dass vor dem Absetzen für jede zusätzlichen
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Verbesserung der Kälbergesundheit in Dänemark
Jede zusätzlichen 400g mehr tägliche Zunahme vor Laktation eine extra Milchleistung in der Höhe von 6 Abbildung 1. Durchschnittliche Tageszunahmen (g)
Abbildung 2. Kotkonsistenz-Scores 1.2
850 838
800 762
ab
1.0a
0.9a 0.8a 0.5b 0.5b
0.2 Woche 1-10
0.9a
0.6 0.4
701b
650 600
1.0 0.8
750 700
a
0.0
b
b
0.3 0.3 Woche 1-3
Woche 4-6
0.4ab
0.4b 0.3ab
Woche 7-10
Woche 1-10
a, b
Mittelwerte innerhalb einer Reihe mit unterschiedlichen Superskripten unterscheiden sich signifikant P<0.05
Mittelwerte innerhalb einer Reihe mit unterschiedlichen Superskripten unterscheiden sich signifikant P<0.05
n Kontrollgruppe n Biotronic® PX Top 3, 3 g/Kalb/Tag n Biotronic® PX Top 3, 6 g/Kalb/Tag
n Kontrollgruppe n Biotronic® PX Top 3, 3 g/Kalb/Tag n Biotronic® PX Top 3, 6 g/Kalb/Tag
a, b
400 g mehr tägliche Zunahme in der ersten Laktation eine extra Milchleistung von 621 kg bringt. Mehr noch - jede kranke Färse stellt eine riesige wirtschaftliche Belastung dar: Eine holländische Studie berichtete, dass die Aufzuchtkosten für eine Färse, die mindestens einmal krank war, um durchschnittlich 95 Euro gegenüber gesunden Färsen ansteigt. Vermeidung von Verdauungsproblemen Verdauungsstörungen können eine Vielfalt an Ursachen haben und zwar sowohl infektiöse, als auch nicht infektiöse. Gutes Management, das mit einer adäquaten Versorgung mit Kolostrum beginnt (richtiges Timing, ausreichende Menge, gute Qualität), ist von entschei dender Bedeutung. Die Versorgung der Kälber mit Milch sollte regelmäßig auf Konsistenz, Hygiene, Temperatur, Qualität und Verabreichungsart überprüft werden. Weitere nicht zu vernachlässigende Faktoren sind die Versorgung mit Wasser, Kraftfutter und Raufutter sowie eine adäquate Unterbringung und eine stress freie Umgebung. Besondere Beachtung gilt dabei dem Zeitpunkt des gemeinsamen Aufstallens und wenn die Kälber in Gruppen gehalten werden. Belastung mit Pathogenen vor dem Absetzen In der Praxis ist ein Kalb vor dem Absetzen einer großen Belastung durch Krankheitserreger ausgesetzt. Landwirtschaftliche Betriebe weisen oft infolge ihrer Stallanlagen, Einstreu und Futtermittel hohe Infektion sraten auf. Viren, Protozoen und Bakterien sind häufig die Ursache von Durchfällen und höheren Sterblich
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0.3b
keitsraten. Bakterien stellen dabei die größte Bedrohung dar und zwar entweder als Hauptursache oder sekundär durch andere Faktoren wie Managementfehlern oder den Folgen einer Infektion mit anderen Pathogenen. Die häufigste bakterielle Ursache von Durchfall ist eine Infektion mit E. coli und Salmonella spp., also gramnegativen Bakterien, die zunehmend resistent gegen verschiedene Antibiotika sind. Dies erschwert die Behandlung immer mehr und weckt außerdem vermehrt Bedenken hinsichtlich möglicher Folgen für die menschliche Gesundheit. Kommerzielle Studie in Dänemark Die Studie wurde in einem großen kommerziellen Milchviehvetrieb in Dänemark durchgeführt; die Herde ist gemischtrassig (Holstein und Jersey). Der Betrieb hält 1300 Milchkühe und zieht alle Färsen für die Remon tierung selbst auf. Die Kälber werden für 2 bis 3 Wochen im Freien einzeln in Kälberiglus gehalten und danach in Großraum-Iglus auch im Freien mit 5 bis 6 Tieren pro Gruppe umgestallt. Der Bestand ist positiv für Salmonella Dublin, und der Betrieb nimmt an einem nationalen Eradikations programm teil. Ausbrüche von Durchfall werden im Betrieb häufig diagnostiziert. Versuchsaufbau Die Studie lief während des Sommers über einen Zeitraum von 3,5 Monaten, wobei 18 Kälber als Kontroll gruppe dienten und die beiden Versuchsgruppen aus 20 bzw. 18 Kälbern bestanden. Letztere erhielten ein Produkt
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Luis Cardo DVM, Ruminant Technical Manager, & Dr. Rikke Engelbrecht Beraterin für Kälbergesundheit bei Vestjysk Landboforening in Dänemark
dem Absetzen bringt in der ersten 621kg. Abbildung 4. Husten-Scores.
Abbildung 3. Nasenausfluss-Scores.
1.5
1.0
1.2
0.8 a
0.6
0.8
0.7a
0.7a
0.6 0.6
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0.6
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b
0.3b 0.3
b
b b 0.3
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Woche 4-6
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0.0 Woche 1-3
0.0b
0.1b
Woche 4-6
0.6a
0.5 0.2 Woche 7-10
0.2b
Woche 1-10
a, b
Mittelwerte innerhalb einer Reihe mit unterschiedlichen Superskripten unterscheiden sich signifikant P<0.05
Mittelwerte innerhalb einer Reihe mit unterschiedlichen Superskripten unterscheiden sich signifikant P<0.05
n Kontrollgruppe n Biotronic® PX Top 3, 3 g/Kalb/Tag n Biotronic® PX Top 3, 6 g/Kalb/Tag
n Kontrollgruppe n Biotronic® PX Top 3, 3 g/Kalb/Tag n Biotronic® PX Top 3, 6 g/Kalb/Tag
auf der Basis organischer Säuren, nämlich Biotronic® PX Top3 in unterschiedlicher Dosierung. Durchschnittlich betrug die Versuchsdauer für jedes Kalb etwa 70 Tage. Die Daten für die Gewichtszunahme (BWG) wurden wöchentlich gemessen und die durchschnittlichen Tageszunahmen (TGZ) wurden daraus berechnet. Husten, Nasenausfluss, Augenausfluss, Ohren- und Kopfhaltung sowie Rektaltemperatur wurden gemäß den Richtlinien der University of Madison beurteilt. Die Kotkonsistenz wurde einmal wöchentlich gemäß Standardprotokoll beurteilt. Alle an der Studie teilneh menden Kälber wurden innerhalb einer Stunde nach der Geburt in einen sauberen und gut eingestreuten Kälberiglu gebracht. Das Geburtsgewicht zeigte keinerlei statistische Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen und betrug ca. 40 kg. Alle Kälber erhielten in der ersten Stunde nach der Geburt 4l Kolostrum guter Qualität (Brix Relative Dichte ≥22 %). Außerdem wurde bei jedem Tier der Nabel mittels Jodlösung desinfiziert. Während ihres Aufenthaltes in den Einzel-Iglus erhielten alle Kälber 6 l Milch und später in den Großraum-Iguls 10 l Milch pro Tag. Je nach Verfüg barkeit der Iglus für neue Kälber erfolgte das Absetzen im Alter von 6-7 Wochen. Das Kraffutter bestand aus einem Müsli mit 22,5 % Rohprotein und wurde täglich ad libitum angeboten. Besseres Wachstum und mehr Milch Die Kälber beider Versuchsgruppen zeigten eine bessere Leistung und bessere Gesundheit als die Kontrollgruppe. In der Studie betrug die Gesamt-Ge
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0.1b
a, b
wichtszunahme (BWG) in der Kontrollgruppe 48,7 kg und in den beiden Versuchsgruppen 53,3 kg bzw. 57,6 kg. Die durchschnittlichen Tageszunahmen (TGZ) lagen in den beiden Versuchsgruppen um 61 g bzw. 137 g statistisch signifikant unterschiedlich höher als in der Kontrollgruppe. Dies bedeutete für die erste Laktation eine prognostizierte zusätzliche Milchleistung von 84 kg bzw. 212 kg (F. Soberon et al. 2012). Interessanterweise war auch die Beurteilung des Gesundheitszustandes in beiden Versuchsgruppen besser als in der Kontroll gruppe. Die Tiere der Kontrollgruppe zeigten durch gängig weicheren Kot in einem statistisch relevanten Ausmaß und auch die Beurteilung des Gesundheitszu standes fiel schlechter aus als bei den Versuchsgruppen. Dies belegt einen Zusammenhang zwischen Durchfall und anderen Erkrankungen. Die Versuchsgruppen wiesen bessere Wachstumsparameter, eine festere Kotkonsistenz und eine allgemeine stabilere Gesundheit auf. Dies wird durch die Scores für Nasenausfluss und Husten zweifelsfrei belegt. (Abbildung 2, 3 und 4). Schlussfolgerung Diese Studie belegt das Potenzial innovativer Futter zusätze auf der Basis organischer Säuren zur Reduzierung der negativen Auswirkungen einer Infektion mit gramneg ativen Bakterien. Dies führt zur Verbesserung sowohl der Wachstumsparameter, als auch der allgemeinen Kälberge sundheit. Diese Strategie könnte auch zur Verminderung des Antibiotikaeinsatzes und der potenziellen Resistenz bildung von Bakterien beitragen.
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Photo: kadirkaplan
Kolostrum statt Antibiotika Von Zanetta Chodorowska, Ruminant Technical Manager
Durchfall stellt das häufigste Problem bei neugeborenen Kälbern dar. Im Vergleich zu Antibiotika kann ein richtiges Kolostrum-Management der bessere Weg zu Kälbergesundheit und Erfolg sein.
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eschätzte 56 % der Gesund heitsprobleme neugeborener Kälber betreffen Durchfälle. Somit ist Durchfall das Problem Nummer 1 bei diesen Tieren. Durchfall ist zu 52,2 % für die Mortalität von Kälbern vor dem Absetzen verantwortlich und zudem einer der Haupt gründe für schlechtes Wachstum, vermehrten Arbeitsaufwand und höheren Kosten. In den USA sind 23,9 % der Kälber von Durchfällen betroffen und werden diesbezüglich behandelt. Die Mortalität von Kälbern vor dem Absetzen wird laut Cornell University und dem National Animal Health Monitoring System (NAHMS, 2007) auf 7,8 % geschätzt. Nicht bakteriell bedingt Ausbrüche von Kälberdurchfall treten oft sehr schnell auf, und die Ursachen sind multifaktoriell. Die wichtigsten als Auslöser von Kälberdurchfall bekannten Darmpathogene sind Viren (d.h. bovines Rotavirus, bovines Coronavirus (BCoV), bovines Virusdiarrhö-Virus (BVDV) und mikroskopisch kleine Parasiten (Cryptosporidium parvum) (siehe Abbildung 1).
6
Bakterien wie Salmonella (S.) enterica, Escherichia (E.) coli, Clostridium (C.) perfringens sind häufig sekundäre Infektionserreger. Da Antibiotika weder gegen Viren noch gegen Parasiten wirken, ist ihr Einsatz gegen Durchfall kaum sinnvoll. Die Verwendung von Antibiotika hat in solchen Fällen mehrere Nachteile. Erstens produzieren Kälber, die eine Antibiotikatherapie erhalten hatten, in der ersten Laktation 492 kg weniger Milch, wie Mike van Amburgh von der Cornell University ermittelt hatte und wie dies auch von Kollegen bestätigt wurde. (Van Amburgh et al. 2014) Abbildung 1. Häufigkeit von Krankheits erregern. 5% 28% 37%
30%
n Rotavirus n Cryptosporidium n Coronavirus n E.coli K99
Quelle: Intervet/Schering-Plough Animal Health ScourCheck 2009
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gegen Kälberdurchfall Zweitens zerstören Antibiotika die normalen, nützlichen Darmbakterien und beeinträchtigen dadurch die Darmge sundheit. Drittens werden bei der Zerstörung von gramnegativen Bakterien Endotoxine freigesetzt, also die Lipopolysaccharide (LPS) der Zellwand. Laut James Cullor von der University of California, Davis, sind die generellen Auswirkungen von Endotoxinen gut dokumentiert und umfassen Lethargie, Atemnot, vorrübergegende Hyper thermie gefolgt von Hypothermie, verrin gerten systemischen Blutdruck, erhöhte Herzfrequenz und in der Folge vermin derte Herzleistung; zudem kommt es zu Durchfall, Veränderungen im Blutbild sowie Schäden im Blutgerinnungssystem. Viertens besteht beim Einsatz von Antibiotika immer das Risiko einer Resis tenzbildung. Die bessere Lösung Bovines Kolostrum ist sozusagen die Überlebensausrüstung, die das Muttertier dem neugeborenen Kalb mit auf den Weg gibt, um es gegen die Herausforderungen des Lebens zu schützen. Kolostrum kommt dem Immun-, Hormon- und Verdauungssystem des Kalbes zugute, hat einen enorm hohen
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Nährstoffgehalt und enthält alles, was für eine gesunde und erfolgreiche Entwicklung notwendig ist. Mit einer einzigen Kolostrumaufnahme kurz nach der Geburt erhält das Kalb alle 97 Immunfaktoren (Komponenten zum Aufbau des Immunsystems), 87 Wachs tumsfaktoren (bioidentische Hormone und Hormonvorläufer) sowie eine Vielfalt an Probiotika und Präbiotika, die das Wachstum und die Entwicklung einer gesunden Darmflora unterstützen. Diese passive Immunisierung schützt das Kalb, bis sein Immunsystem voll entwickelt ist und selbst Pathogene erkennen und bekämpfen kann. Die beste Kombination von Hormonen und Wachstumsfaktoren wie Relaxin, Prolactin, Insulin, IGF-1, IGF-2 und Leptin wird ausschließlich über das Kolostrum bereitgestellt. Diese vorteilhaften Inhalts stoffe des Kolostrums können bis zum fünften Gemelk - oder bis drei Tage nach dem Abkalben - vorhanden sein (Abbildung 2).
Bovines Kolostrum ist sozusagen die Überlebensausrüstung, die das Muttertier dem neugeborenen Kalb mit auf den Weg gibt, um es gegen die Herausforderungen des Lebens zu schützen.
Maßgeschneiderte Lösung Die Bildung des Kolostrums setzt bereits 3-4 Wochen vor dem Abkalben ein und es kommt zu einer Aufspeicherung von
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Kolostrum statt Antibiotika gegen Kälberdurchfall
Abbildung 2. Zusammensetzung von Kolostrum in Abhängigkeit des Melkens und normaler Milch. Einheit
Kolostrum nach dem x mal Melken
Milch
1
2
3
4
5
24.5
19.0
16.0
15.5
15.3
12.2
Trockenmasse
%
Fett
%
6.4
5.6
4.6
5.0
5.0
3.9
Protein
%
13.3
8.5
6.2
5.4
4.8
3.2
mmol/L
390
230
190
140
115
n.n.
g/L
1.84
0.86
0.46
0.36
n.n.
n.n.
Insulin
μg/L
65
35
16
8
7
1
Wachstumshormon
μg/L
1.5
0.5
n.n.
n.n.
n.n.
n.n.
Insulinählicher Wachstumsfaktor 1 (IGF-1)
μg/L
310
195
105
62
49
n.n.
Freie essentielle Aminosäuren Lactoferrin
Quelle: adaptiert nach Hammon et al. 2000. n.n. = nicht nachgewiesen
Tipps für das richtige Kolostrum-Management 1. Gewinnung des Kolostrums von einer gesunden Kuh, idealerweise binnen 2 Stunden nach dem Abkalben.
2. Verfütterung
des Kolostrums (Körpertemperatur) an das Kalb unmittelbar nach dessen Gewinnung. Verabreichung von mindestens 3 l bei der ersten Fütterung und weitere 2 l innerhalb der ersten 6 Lebensstunden. Wenn möglich, außerdem Fütterung von 6 l aus den nachfolgenden Gemelken an Tag 2 und 3.
4. Untersuchung mit dem BRIX-Refraktometer oder Kolostro meter. Die Proteinkonzentration ermöglicht eine gute Schätzung der Konzentration an Immunglobulin G >50g/l (3-4 l Kolostrum ergeben 15-20 g/l IgG im Blut). Sind die mit dem BRIX-Refraktometer ermittelten Ergebnisse größer als 22 %, so spricht dies für eine gute Kolostrumqualität (hohe IgG-Konzentration).
5. Zu verwenden ist
Kolostrum mit einer geringen Konzentration an Bakterien, d. h. weniger als 100.000 KBE/ml und weniger als 10.000 KBE/ml coliforme Keime.
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Hormonen, Wachstumsfaktoren (IGF-1 und IGF-2) und transformierenden Wachs tumsfaktoren (TGF-ß1 und TGF-ß2), welche die sekretorischen Zellen der Milch drüse aktivieren. Da das Kolostrum die maternalen Antikörper auf das Kalb überträgt, können Milchviehhalter grundsätzlich auf die Zusammensetzung des Kolostrums dadurch einwirken, dass sie die Kühe 60-30 Tage vor dem Abkalben gegen die am häufigsten im Betrieb vorkommenden Erreger impfen. Auf diese Art und Weise erhält das neugeborene Kalb einen selektiven Schutz gegen die in seinem Umfeld vorhandenen Pathogene. Wie sich gezeigt hat, besitzt Kolostrum von geimpften Kühen die Fähigkeit, bakte rielle und virale Eindringlinge abzutöten. Außerdem stimuliert es die Geweberepa ratur (insbesondere der Auskleidung des Darms), bekämpft eine Vielfalt von Aller genen und neutralisiert toxinproduzierende Organismen. Zudem hat es sich als wirksam zur Behandlung hochgradigen Durchfalls erwiesen. Laut einer Studie des amerika nischen National Animal Health Monitoring Systems (NAHMS) aus dem Jahr 2007 versagte dieser passive Immuntransfer bei ca. 19 % der weiblichen Kälber in den USA. Wettlauf mit der Zeit Rasches Handeln bei der Gewinnung und Verfütterung von Kolostrum an neugeborene Kälber ist von entschei dender Bedeutung, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens verändert sich die Zusam mensetzung des Kolostrums nach dem Abgang der Nachgeburt. Zweitens verfügen neugeborene Kälber erfreulicherweise noch nicht über die Enzyme zur Aufspaltung der aktiven Inhaltsstoffe des Kolostrums - diese entwickeln sich erst später. Drittens ist es
wichtig, die Gelegenheit eines Phänomens zu nutzen, bei dem der obere Abschnitt des Duodenums noch durchlässig für die direkte Resorption der komplexen Inhaltsstoffe des Kolostrums ist, sodass diese direkt unverdaut in den Blutkreislauf des Kalbes übergehen. (Dabei ist allerdings zu beachten, dass auch Krankheitserreger ins Blut gelangen können). Zusätzliche Überlegungen Die richtige Ernährung der Kühe in der späten Laktation und in der Trockenstehpe riode kann die Qualität und Quantität des Kolostrums positiv beeinflussen. Mykotoxine, die sowohl in Getreide als auch in kontami niertem Stroh zu finden sind, können die Immun- und Leberfunktion beeinträchtigen. Ein sehr gutes Mykotoxin-Risikomanagement ist daher ratsam. Auch in der Umwelt des Kalbes sind Durchfallerreger vorhanden. Eine Verbesserung der hygienischen Bedingungen und die Reduzierung von Stressoren (z. B. zu hohe Besatzdichte, häufiger Futterwechsel, Hitzestress etc.) in Kombination mit dem richtigen Kolostrum-Management können zu gesunden Kälbern beitragen. Schlussfolgerung Jedes Kalb, das in einem Betrieb geboren wird, stellt eine Gelegenheit dar, die Herden größe aufrechtzuerhalten oder zu erhöhen sowie den Bestand genetisch zu verbessern und den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern. Jeder Befall mit Krankheitserregern verursacht zusätzliche Kosten, Gesund heitsprobleme und Leistungseinbußen. Eine gute Kolostrumqualität ermöglicht es den Milchviehproduzenten, ihren Betrieb erfolgreich und mit guten Ergebnissen zu führen.
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Was stimmt nicht mit meiner Herde? Teil 3: Labmagenverlagerung
oderne Milchkühe wurden genetisch auf eine hohe Milchleistung selektiert. Dies erfordert die Aufnahme und Verdauung großer Futtermengen. Das Vorkommen der Labmagenverlagerung steigt in unseren Herden möglicherweise genau aufgrund der erfolgten genetischen Selektion auf eine hohe Milchleistung, sowie dem damit verbundenen Futterwechsel zu einem Futter mit höherer Energiedichte, mit in der Regel weniger wirksamen Rohfasergehalt. Bei etwa 5 % der Hochleistungskühe kann es dadurch zu einer Labmagenverlagerung kommen. Der Labmagen ist der “wahre” Magen der Wiederkäuer und dem Magen monogastrischer Tiere vergleichbar. Er kann 27 l Flüssigkeit fassen und ist somit alles andere als ein kleines Organ, aber immer noch sehr klein im Vergleich zu den mehr als 180 l, die Pansen und Netzmagen fassen können. Da der Labmagen rechts und entlang der Unterseite des Pansens liegt, kann es aufgrund von Veränderungen in der Pansenfüllung oder der Größe und Lage innerer Organe zu Bewegungen und Positionsveränderungen des Labmagens kommen. Der ursächliche Schlüsselfaktor der Labmagenverlagerung sind Veränderungen aufgrund der Abkalbung und der Futteraufnahme. Je länger der Pansen gut gefüllt ist, desto geringer die Möglichkeit, dass sich der Labmagen verschiebt. Beim Abkalben entsteht im Körper der Kuh plötzlich ein großer Leerraum. Da gleichzeitig drei Volumina sich verändern, nämlich Kalb, Plazenta und die darin enthaltene Flüssigkeit. Es kommt zu einer Verschiebung der Organe und der Labmagen kann aus seiner normalen Position “verrutschen”. Zusätzlich ist die Futteraufnahme der Kuh im Zusammenhang mit dem Abkalben oft reduziert, was es für den Labmagen noch leichter macht, sich zu verlagern. Auch die in den ersten Monaten der Laktation häufig eintretende Ketose trägt dazu bei, dass sich die Futteraufnahme reduziert. Auch dies führt zu einer steigenden Häufigkeit der Labmagenverlagerung. Etwa 80% der Labmagenverlagerungen treten im ersten Monat der Laktation auf. Am häufigsten, nämlich in 80 % der Fälle, kommt es zu einer Verlagerung des Labmagens nach links, wenn dieser an der linken Seite des Pansens entlang hochgleitet.
Symptome Die ersten Anzeichen bestehen in einer reduzierten Futteraufnahme, apathischem Verhalten und plötzlichem Rückgang der Milchproduktion. Die Menge des abgesetzten Kots kann reduziert sein, und der Kot kann mehr Flüssigkeit als normal aufweisen. Herz- und Atemfrequenz können durchaus im Normbereich bleiben. Die beste diagnostische Untersuchung ist der PingTest (Perkussionsauskultation). Beim kräftigen Abklopfen der Bauchwand sind mit dem Perkussionshammer metallisch klingende Töne mit dem Stethoskop zu hören. Der Ping-Ton ist durch die Aufgasung eines verlagerten Labmagens zu hören, da der normale Gasabfluss infolge des auch verdrehten Dünndarms behindert ist. Gelegentlich lässt sich die Labmagenverlagerung dadurch korrigieren, dass man die Kuh “wälzt” oder den Bauch mit kräftigen Stößen in Schwingungen versetzt, um zu erreichen, dass die Organe wieder in ihre normale Position zurückkehren. Wird
Illustration: Designua
M
bei einer Kuh nach genauer Beobachtung eine Labmagenverlagerung vermutet, so wird in der Praxis eher ein minimalinvasiv operativer Eingriff durchgeführt. Dieser Eingriff ist wie jede Operation trotz der minimalinvasiven Technik ein Risiko. Zudem wird die Kuh in der Gesundungsphase weniger Milch produzieren. Wurde mit Antibiotika behandelt, kann diese Milch außerdem nicht abgeliefert werden.
Prävention Die beste Prävention besteht in einer gleichbleibenden Futteraufnahme. Normale Pansenfüllung und ein kontinuierlicher Fluss des Materials tragen dazu bei, sowohl Pansen als auch Labmagen in ihrer anatomischen Lage zu halten. Leider gibt es aber Zeiten, in denen eine konsistente Futteraufnahme nicht möglich ist. Neben den rund um die Kalbung auftretenden Problemen stellen Kühe die Nahrungsaufnahme oft aufgrund von Erkrankungen, der Belastung mit Mykotoxinen oder Futterveränderungen ein. Sogar das Wetter kann die Futteraufnahme beeinflussen. Durch bestimmte Managementmaßnahmen lassen sich Unterbrechungen der normalen Futteraufnahme allerdings reduzieren.
Zusammenfassung Labmagenverlagerungen treten in Milchviehbetrieben zunehmend häufig auf und sind das Ergebnis veränderter Genetik und veränderter Futterrationen. Managementmaßnahmen und Fütterungsprogramme können dazu beitragen, eine gute Pansenfüllung sicherzustellen, indem auf entsprechende Trockenmasseaufnahme und die Reduzierung von Energiedefiziten geachtet wird. Dies sollte die Anzahl an Labmagenverlagerungen verringern.
Tipps für die Aufrechterhaltung einer normalen Futteraufnahme • Erstellen und Umsetzen eines Fütterungssysthems für die Transitperiode zur Förderung der Futteraufnahme und entsprechender Pansenfüllung. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Trockenmasseaufnahme der Kuh nach dem Abkalben umso schneller wieder steigt, je weniger die Futteraufnahme rund vor und um die Kalbung gesunken ist. • Förderung der Futteraufnahme durch bessere Grundfutter Qualitäten. • Eventuelle Supplementierung der Ration mit lebend Hefen- oder autolysierte Hefen. Hefeprodukte können die Rohfaserverdauung unterstützen und die Futteraufnahme fördern. Hefeprodukte werden auch als Geschmacksverstärker eingesetzt. • Die Aufrechterhaltung der Futteraufnahme ist von entscheidender Wichtigkeit, um klinische wie auch subklinische Ketosen zu reduzieren. Ketose hat bekannterweise eine reduzierte Futteraufnahme zur Folge. Dies erklärt auch das vermehrte Auftreten einer Labmagenverlagerung im Zusammenhang mit einer Ketose. Auch eine verringerte Pansenbeweglichkeit kann mit einer Labmagenverlagerung in Zusammenhang stehen. • Die Länge der Rohfaser und deren Anteil an der Ration kann ebenfalls Einfluss auf die Entstehung einer Labmagenverlagerung nehmen. Ein Mangel an strukturierter Rohfaser kann zu verringertem Wiederkäuen und damit zu mangelnder Füllung des Pansens führen. Die Füllung jedoch ist nötig, um diesen in seiner normalen Position zu halten. Gleichzeitig benötigen Hochleistungskühe aber Energie. Rohfaserquellen mit guter Verdaulichkeit oder der Zusatz von Produkten auf Hefebasis, die die Rohfaserverdauung unterstützen, können dazu beitragen, dass sowohl der Bedarf an diätetischer Faser als auch der größere Energiebedarf der Kühe gedeckt werden.
Für weitere Informationen besuchen Sie bitte die Webseite www.mycotoxins.info HAFTUNGSAUSSCHLUSS: Dieses Material enthält allgemeine Empfehlungen zu häufigen Krankheiten von Wiederkäuern, die unter Umständen mit einer Mykotoxinkontamination des Futters in Zusammenhang stehen. Erkrankungen und Probleme von Wiederkäuern umfassen die angegebenen Krankheiten, sind aber nicht auf diese beschränkt. BIOMIN übernimmt keinerlei Verantwortung oder Haftung für Umstände, die mit der Verwendung dieses Inhalts in Verbindung stehen oder sich aus diesem ergeben. Vor der Umsetzung einer der angegebenen Empfehlungen ist tierärztlicher Rat einzuholen.
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