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Teurer Biozucker

Warum ist Biozucker so viel teurer als konventioneller Zucker?

Bei regionalem Rübenzucker gibt es einen erheblichen Preisunterschied zwischen Bio- und konventionellem Zucker. Warum ist das so? Und: Warum gibt es ihn bei Rohrzucker nicht?

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Text Thomas Weber

Traditionell war Ökozucker in Europa stets importierter Rohrzucker, konventioneller Zucker hingegen europäischer Rübenzucker. Das lag vor allem an der – inzwischen aufgehobenen – Regulierung des Zuckermarkts in der Europäischen Union und den Verarbeitungsmonopolen (in Deutschland etwa Nordund Südzucker). Für konventionelle Betriebe, die über eines der sogenannten Rübenkontingente verfügten, war es wirtschaftlich schlicht uninteressant, die Erzeugung zu ökologisieren und auf Bio umzustellen. Das ändert sich – und inzwischen gibt es ein steigendes Angebot und auch eine verstärkte Nachfrage nach Rübenzucker in Bioqualität.

Während sich die Preise von konventionellem und biozertifiziertem Rohrzucker – mittlerweile –kaum unterscheiden, gibt es bei Rübenzucker teils erhebliche Preisunterschiede. Was manch KonsumentIn irritiert, hat gleich mehrere Hintergründe, unter anderem historische. Denn Bio hat bei Rohrzucker eine lange Tradition und der Hauptunterschied in der Anbauweise besteht darin, dass auf Bioplantagen zur Schädlingsbekämpfung auf synthetische Spritzmittel verzichtet wird und man

stattdessen mit Nützlingen arbeitet, die das in den usa, Südamerika, Australien, auf den Philippinen und in Südafrika angebaute dickstängelige Zuckerrohrgras schützen. Strategien und Methoden dafür wurden in den vergangenen Jahrzehnten erprobt, haben sich bewährt – und sorgten dafür, »dass die Erträge im Ökoanbau inzwischen mit den konventionellen Erträgen recht gut mithalten können«, wie Markus Fadl vom deutschen Naturland-Verband ausführt. Zwar ist die Ernte auf Biorohrplantagen ungleich aufwendiger. Denn das Rohrgras wird dort von Hand mit der Machete geerntet, während konventionelle Plantagen einfach zur Gänze niedergebrannt werden, bis nur noch die zuckerhaltigen Stängel stehen, die sich maschinell ernten lassen. Für den Preis im Laden macht das allerdings kaum einen Unterschied, erläutert Jörg Schultheiss, der bei Pfeifer Langen, einem der größten europäischen Zuckerhersteller mit Sitz in Köln, für die Bereiche VerbraucherInnenschutz, Ernährungspolitik und Nachhaltigkeit

Zucker ist nicht ess enziell. Ab er wie viel Zucker ist schädlich? Ob und welche schädlichen Auswirkungen ein hoher Zuckerkonsum hat, ist Gegenstand laufender wissenschaftlicher Diskussionen. Fix ist: Das Kohlenhydrat Zucker (= Saccharose) ist nicht essenziell. Das heißt: »Aus gesundheitlichen Gründen braucht kein Mensch Zucker. Dass uns die Vorliebe für ›süß‹ angeboren ist, hat uralte Gründe«, weiß Ernährungswissenschafterin Theres Rathmanner: »Für JägerInnen und SammlerInnen war süßer Geschmack, also das Vorhandensein von Zucker, ein Indikator dafür, dass etwas reif und bekömmlich ist.« Die Dosis macht das Gift Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt seit Langem: Höchstens zehn Prozent der Gesamtkalorien sollen aus »freien Zuckern« kommen, das sind zirka 50 Gramm oder zehn Teelöffel pro Tag. Vor einigen Jahren ergänzte die WHO, dass es noch besser wäre, nur die Hälfte der oben genannten Menge freier Zucker – also 25 Gramm – zu konsumieren. Was aber sind sogenannte freie Zucker? »Freie Zucker« sind die, »die in Form von Saccharose, Fruktose, Glukose oder Sirupen Lebensmitteln zugesetzt werden sowie in Honig, Ahornsirup, Dicksäften und auch Fruchtsäften natürlicherweise vorkommen. Zucker aus frischem Obst, Gemüse und Laktose (der Milchzucker) in Milchprodukten sind damit nicht gemeint«, erklärt Rathmanner. Trotzdem schätzen laut jüngsten Umfragen der SPAR-Gruppe in Österreich 92% aller Befragten ihren Zuckerkonsum zu niedrig ein.

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»Rübenrüssler« als Schädling In den vergangenen Jahren machte der Rübenrüsselkäfer den Rübenbäuerinnen und -bauern zu schaffen. Das 8 bis 12 mm große Tier ist wärmeliebend und profitiert vom Klimawandel sowie von landwirtschaftlichen Monokulturen. Dort frisst es abends und nachts die Blätter von Gemüse, Rüben und Wein bis auf die Rippen kahl.

Bekämpft wurde der Rübenrüssler im konventionellen Landbau lange mit den für Bienen und andere Insekten verheerenden und als Nervengift wirksamen Neonicotinoiden. Zuletzt hat man die in südlichen Ländern bewährte Regulierung durch Pheromonfallen importiert. zuständig ist: »Biorohrzucker wird in erster Linie in tropischen Ländern wie Brasilien und Paraguay von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern produziert, wo die Lohnkosten nicht so ins Gewicht fallen.« Pfeifer Langen vermarktet Biozucker aus Zuckerrohr, setzt als Hersteller in Europa derzeit aber vor allem auf konventionellen Rübenzucker. Wobei Biorübenzucker auch bei Pfeifer Langen an Bedeutung gewinnt.

Viel Handarbeit, geringerer Ertrag, zeitigere Ernte Warum aber ist in Europa erzeugter Rübenzucker um so viel teurer, wenn es sich um Biozucker handelt? »Die Preisdifferenz ist den spezifischen Anbau- und Produktionsbedingungen in der ökologischen Landwirtschaft geschuldet«, so Schultheiss. Den Hintergrund dafür bilden die speziellen botanischen Bedürfnisse der Zuckerrübe. Zuckerrüben mögen am Acker keine Konkurrenz. Weshalb Unkrautbekämpfung im Rübenanbau eine große Bedeutung hat. »Im konventionellen Anbau wird das mit Pestiziden gemacht, weshalb Zuckerrüben eine der pestizidintensivsten Kulturen sind«, erklärt Naturland-Sprecher Fadl. »Im Bioanbau ersetzt die Hacke die Spritze. Dabei ist allerdings noch sehr viel Handarbeit nötig, zwischen 120 und 200 Stunden pro Hektar.« Trotz gps und Kamerasteuerung sei die Hacktechnik

»In der konventionellen Landwirtschaft sind Zuckerrüben eine der pestizidintensivsten Kulturen. Im Bioanbau ersetzt die Hacke die Spritze. Da ist viel Handarbeit nötig.« – Markus Fadl, Naturland-Verband

noch nicht so weit, dass die maschinelle Hacke auch in der Reihe zwischen den einzelnen Pflanzen zuverlässig Unkraut entfernen könne. Hier muss immer noch der Mensch mit der Handhacke ran. »Es muss mehrfach gestriegelt und gehackt und pro Hektar ein Vielfaches an Arbeitsstunden in Handarbeit aufgewendet werden«, sagt Jörg Schultheiss.

Auch eine direkte Bekämpfung von tierischen Schädlingen ist nicht möglich. »Aufwendige Maßnahmen wie eine weite Fruchtfolge, Ablenkung durch Beikraut oder Fallrinnen am Feldrand sollen die Probleme mindern. Ebenso dürfen keine chemischen Pflanzenschutzmittel gegen Blattkrankheiten eingesetzt werden. Diesen kann nur durch ausgewählte Fruchtfolgen, tolerante Sorten oder spezifische Pflanzenstärkungsmittel Einhalt geboten werden.« Unmittelbare Folge: Die Rübenpreise für Ökorüben sind rund drei Mal höher als bei konventionellen Rüben. Konkret bedeutet das pro Tonne frisch vom Feld 90 Euro statt 30 bis 35 Euro. Ins Gewicht fallen zusätzlich der geringere Ertrag – bei Rüben liegt der Biolandbau etwa 30 Prozent unter den Erträgen der konventionellen Landwirtschaft –und Mindererträge, die sich aus dem Verarbeitungssystem begründen. Zuckerwerke verarbeiten nämlich sowohl konventionelle als auch biozertifizierte Rüben. Damit es beim Abfüllen und Weiterverarbeiten trotzdem zu keinen Verwechslungen kommt, werden Rüben in sogenannten Kampagnen geerntet, die von der Planung und den Kapazitäten der Zuckerwerke vorgegeben werden. Den Saisonanfang macht die Bio-Kampagne – weil durch das Werk dann noch keine konventionellen Rüben gelaufen sind und die Produktion dadurch garantiert »sauber« ist. Diese zeitige Ernte bringt Einbußen mit sich: Denn wenn die Biorüben Mitte September geerntet werden, könnten sie eigentlich noch

gut zwei bis vier Wochen weiter auf dem Feld wachsen – und mehr Zucker einlagern. »Durch den frühen Erntetermin gehen so, bezogen auf die Bio-Erntemenge, noch einmal zehn bis zwanzig Prozent Ertrag und Zucker verloren«, erklärt Markus Fadl. Auch ist beim Verarbeiten der Bio-Kampagnen der Einsatz von Verarbeitungshilfsstoffen stark limitiert. »Ablagerungen auf den Produktionsanlagen beeinträchtigen die Effizienz der Zuckergewinnung und der eigentlich kontinuierliche Produktionsprozess muss unterbrochen werden«, so Jörg Schultheiss von Pfeifer Langen. Das bedeutet einen zusätzlichen Reinigungs- und einen höheren Energieaufwand. Außerdem braucht es separate Lagerstätten für konventionelle und Bioware.

Damit in der Raffinerie deren Verwechslung garantiert ausgeschlossen werden kann, gibt es im Zuckerwerk einen Sicherheitspuffer – welcher noch einmal zu Einbußen von bis zu zwanzig Prozent führt. Zwar nicht beim Ertrag, allerdings bei der Menge, die als Bio zertifiziert werden kann. Denn ist ein Zuckerwerk einmal angelaufen, soll es möglichst »durchlaufen«. »Die Verarbeitung von Ökorüben und konventionellen Rüben geht gewissermaßen ›nahtlos‹ ineinander über«, berichtet Naturland-Sprecher Markus Fadl. »Damit es dabei zu keiner Warenvermischung kommt, wird sicherheitshalber ein Puffer eingebaut, sodass der letzte Teil der Ökorüben tatsächlich als konventioneller Zucker vermarktet wird.«

BioPesto mit Biss

Zucker, chemisch und biologisch betrachtet Nicht zuletzt wirkt sich auch die steigende Nachfrage –vor allem aus der Getränkeindustrie – auf den Biozuckerpreis aus. Einerseits, weil die Unternehmen damit dem Bedürfnis nach Regionalität nachkommen; also: regionale Rübe statt importiertem Rohrzucker. Andererseits, weil Rübenzucker farbneutraler ist als Rohrzucker. Das ist praktischer beim Herstellen von Limonaden.

Chemisch lässt sich die Saccharose ohnehin nicht unterscheiden – egal ob das reine Kristall ursprünglich von konventionellem Weißzucker, weißem Biorübenzucker oder Biorohrzucker stammt. Biologisch betrachtet schützt, wer zu Biozucker statt zu konventioneller Ware greift, aber das Grundwasser, den Boden und bewahrt die Biodiversität.

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