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BioFach – Die stets andere Messe und ihre Menschen
Die weltweit größte Biomesse findet jährlich in Nürnberg
statt. Dort tummelt sich die Branche. Das kann man sich wie folgt vorstellen.
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Text Jürgen Schmücking
Es gibt viele Messen, um Lebensmittel zu vermarkten. Je nach Zielpublikum pendeln sie zwischen distinguierten Treffen von Edelgaumen (etwa die Slow-FoodMessen in Stuttgart oder Turin) und organisierten Massenbusiness-Speed-Dates, bei denen leere Verpackungen am Tisch hin- und hergeschoben werden. Und dann gibt es die BioFach. Diese Messe ist anders. Das war damals schon so, bei der Müsli 83, der Vorläufer-»Messe«. Das ist auch heute noch so, wo sich die BioFach als »Weltleitmesse« der Bioindustrie positioniert.
Nur ist sie jetzt anders, die BioFach. Der Autor kennt die Messe eine Ewigkeit und vor allem aus allen erdenklichen Perspektiven – als Aussteller, Subaussteller, Mitarbeiter eines Ausstellers, Vortragender, Besucher, Journalist, Verkoster und einmal sogar als Fotograf im Auftrag der Messe selbst unterwegs. Hier fasst er zusammen, welchen BesucherInnentypen man auf der Messe – immer wieder – begegnet.
Die zielst rebigen Bio-Schlüss elsp ielerInnen Während die meisten durch die Hallen flanieren, sich vom Angebotenen inspirieren lassen (oder eben nicht), wissen die Key Player genau, wohin sie wollen, zu wem und warum. Bei ihnen jagt ein Termin den anderen, sie verschwinden mit ihren GesprächspartnerInnen in abgetrennte Räume oder in ruhige (haha!) Verhandlungsecken. Am Vormittag sind sie noch frisch und unverbraucht, Mitte des Nachmittags dagegen in der Regel bereits vom Verhandlungsmarathon gezeichnet. Keine Rede davon, dass die Frisur sitzt. Aber sie sind es, die dafür sorgen, dass die Messe im nächsten Jahr wieder stattfinden wird. Ihre Aufträge motivieren die AusstellerInnen, erneut nach Nürnberg zu pilgern. Es ist die Weltleitmesse. Mit jeder Menge schräger Leit‘.
Die »irgendwas mit Medien«-Bio-ConsulterInnen Warum er oder sie auf der Messe ist, ist eigentlich niemandem wirklich klar. Vermutlich auch ihm/ihr selbst nicht. Zu erkennen ist der Typ relativ einfach. Schicker Business-Style, zwischen Mitte 30 und Mitte 40 (hin und wieder auch älter), bewegt sich relativ schnellen Schrittes durch die Hallen und hat dabei – meist – ein Smartphone am Ohr. Bekannte (und davon gibt es eindrucksvoll viele) werden im Vorbeiflug begrüßt. Guten Bekannten wird, ebenfalls ohne stehen zu bleiben, versprochen, dass man später vorbeischaut. Wenn nichts daraus wird, sei’s drum. Man trifft sich ohnehin auf der Standparty in Halle 1. Oder 7. Oder 8? Egal.
Die Must erjäger Die BioFach ist, wie der Name schon sagt, eine Fachmesse. Das bedeutet, dass nichts an den Ständen verkauft werden darf. Großteils halten sich auch alle daran. Was aber trotzdem abgestaubt werden kann, sind Produktmuster. Kleine wie große. Begegnet man auf der Messe Besuchern (Hier wird bewusst nicht gegendert, weil 99,9 Prozent der MusterjägerInnen Männer sind), die mit großen Taschen in der Halle unterwegs sind, in der die Biokosmetik ausgestellt wird, kann man davon ausgehen, dass sie in fremdem Auftrag (der eigenen Frau) unterwegs sind.
Die geselligen GenieSSerInnen Ja, man kann die BioFach auch zur viertägigen Dauerparty machen. Der erste Abend im Barfüßer in der Nürnberger Innenstadt, seit Jahren zuverlässiger Treffpunkt aller ausstellenden WinzerInnen, dann der Abend mit den Standpartys (Bio Austria, Bioland) und das Clubbing in der Vivaness-Halle sind die Burner. Tagsüber müssen eben die lukullisch interessanten AusstellerInnen herhalten. Die Halle, in der sich Italien präsentiert, ist ein sicherer Tipp. Oder die Biobiere in den Deutschland-Hallen. Zu erkennen sind diese BesucherInnen an ihrer ständig präsenten Fröhlichkeit, ihrer Lautstärke und – etwa ab 14 Uhr – am nicht mehr ganz so standfesten Gang.
Die melancholischen 83er Als die BioFach noch »Müsli« bzw. »Pro Sanitas« hieß, war ihre Welt noch in Ordnung. Die Branche traf sich, und jedeR kannte jedeN. Auf der Messe wurde über die Zukunft geredet. Verkaufen war Nebensache. Die letzten MohikanerInnen dieser glorreichen Zeit sitzen noch vereinzelt an ihren kleinen Ständen und wirken ein wenig verloren in den gewaltigen Hallen. Sie sitzen bei ihren Waren und beobachten staunend, wie die Szene an ihnen vorbeizieht. Hin und wieder machen sie sich auf den Weg, um WeggefährtInnen zu treffen. Dann kann man sie laut lachen hören, und ihre Augen strahlen. Wie damals, vor fast 40 Jahren.