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Elternalltag
Text Ursel Nendzig
MC , das Versuchskind
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Ich habe da eine Idee, die ich gerne mit euch teilen möchte. Wobei ich mir sicher bin, also ziemlich, dass jeder von euch auch schon drüber nachgedacht hat.
Elternsein ist im Grunde nichts weiter als ein groß angelegtes Experiment. Mit dem einzigen, aber gravierenden Nachteil: Man hat im Grunde nur einen Versuch. Natürlich hat man vielleicht die Möglichkeit, mehr als ein Kind zu beeltern, aber die Varianz, die das zulässt, ist doch bescheiden. So schnell kann man gar nicht schauen und die Kinder sprechen sich ab und tauschen sich aus – es ist daher unmöglich, das eine völlig anders als das andere zu behandeln. Was schade ist!
Wäre es nicht wahnsinnig lustig, die ganze Elternschaft noch mal von vorn zu starten, und dieses Mal alle Parameter verändern, dann schauen, was rauskommt? Ich tagträume von dieser Idee ehrlich gesagt schon länger. Und wir (ich schreibe »wir«, um den Anschein zu erwecken, es gäbe eine Gruppe Gleichgesinnter hinter diesem Plan, was nicht stimmt. Trotzdem habe ich diese Idee einmal mit meinen Schwägerinnen geteilt und sie haben nur leicht mit den Augen gerollt, weswegen ich annehme, es gibt noch mehr da draußen, die tags das Gleiche träumen wie ich) haben diesen Plan auch schon recht weit ausgearbeitet.
Zuallererst würde ich das Versuchskind über sein Geschlecht im Unklaren lassen. Ich würde ihm in wilder Abfolge Rüschenkleider, Lederhosen, SuperheldInnenkostüme und Uniformen anziehen, ohne es zu kommentieren. Dafür bräuchte es selbstverständlich einen neutralen Namen. Auch den habe ich mir bereits ausgedacht, ein Doppelname sogar: Mango-Chutney, »MC« genannt, natürlich englisch ausgesprochen. MC dürfte sich freilich bereits im Kindergarten schminken, wenn es das wollen würde. Es würde keinerlei erzieherische Eingriffe in MCs Entwicklung geben. Das Kind dürfte essen, was immer es wollte, jederzeit Süßkram, nur Softdrinks zu sich nehmen, Nudeln mit Zucker, die ganze Show. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass MC keine Tischmanieren erlernen müsste, es dürfte sogar vor dem Fernseher essen. Apropos: Ja, der Fernseher würde durchgehend laufen, wenn MC das möchte. Ach, und die Sprache. Ich würde gerne ausprobieren, ob es wirklich lustig ist, dem Kind falsche Begriffe beizubringen. Bei meinen Söhnen habe ich mich das nicht getraut. Oder fast nicht. Wir haben ihnen gesagt, dass ein Erdmännchen »Servas«, mehrere »Servasens« heißen. Sie verwenden diese Begriffe tatsächlich so, als wäre das völlig normal. Man muss aber zugeben, dass sie nur sehr selten in die Verlegenheit kommen, Erdmännchen zu sehen. Sowieso, seit sie lesen können, machen wir im Zoo einen Bogen um das Gehege der Servasens. Aber bei MC würde ich das ganz groß anlegen.
Ach, ich hätte noch tausend Ideen. Und ja, ich weiß. Man kann das nicht ernsthaft machen. In der Umsetzung scheitert es schon an der Unwilligkeit, noch mal schwanger zu sein. Weil ich das ja kenne: Kaum ist das Kind geboren, will man automatisch sein Bestes. Dann stillt man es dreitausend Jahre lang, gibt ihm keine Süßigkeiten, bis es hundert ist, übt sprechen und schön essen mit ihm. Aber man darf ja wohl noch träumen. »Das Kind dürfte essen, was immer es wollte, jederzeit Süßkram, nur Softdrinks zu sich nehmen, Nudeln mit Zucker, die ganze Show.«
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