KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR
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ausgabe 48 — April / mai 2017. www.biorama.eu
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im Wald Gibt es Bio-Forstwirtschaft? Handwerk: Schuhwerk aus der Manufaktur Bunny McDiarmid: Die Greenpeace-Chefin im Interview Fahrradfilet: Neues Leben für alte Drahtesel
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© Fotos von unten nach oben: Andreas Edler, Greenpeace, Elephant Action League, Jirasak Praisankul, Hertha Hurnaus
erDgesPräche
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Zum 10-jährigen Jubiläum holen die ERDgespräche erneut inspirierende Persönlichkeiten nach Wien. Alternativnobelpreisträger und Gelehrter Sulak Sivaraksa, Greenpeace-Boss Bunny McDiarmid und Wildlife-Aktivist Andrea Crosta. Bundespräsident Dr. Alexander van der Bellen wird als neuer Schirmherr die 10. ERDgespräche eröffnen. Im Anschluss an Talks und Networking laden wir zur Party mit einem DJ-Set der Band Schönheitsfehler.
© Fotos von unten nach oben: Andreas Edler, Greenpeace, Elephant Action League, Jirasak Praisankul, Hertha Hurnaus
rahmenProgramm
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Ein buntes Programm an Side-Events begleitet die ERDgespräche zur Feier des Jahres. Der „Peoples Climate March“ rundet die neongrüne Woche perfekt ab. Wir freuen uns auf Euch! www.erdgespraeche.net/event-2017/side-events
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auftakt
inhalt
09 Editorial 10 Global Village Die Welt im Großen & Kleinen
Magazin
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16 Wald Matthias Schickhofer hat sich auf die Suche nach Biowald begeben 26 Handwerk In einer Wiener Manufaktur entstehen Schuhe von morgen, wie früher 34 Nordirland Alexa Lutterí war im britischen Teil der grünen Insel unterwegs 50 Äthiopien Wie ein Niederländer zum Erfinder afrikanischer Zwerghirse wurde 54 Biolebensmittelcamp Eine Branche im Wandel 56 Bunny McDiarmid Die GreenpeaceChefin im Interview 58 Nora Pouillon Die Gastronomin betreibt das älteste Bio-Restaurant der USA 64 Fahrradfilet Ein Start-up betreibt Bicycle-Up-Cycling 72 Eingebrockt & Ausgelöffelt Anna & Esa haben Kombucha fermentiert
Marktplatz 74 Marktplatz Kosmetik Neues für die Haut 76 Marktplatz Food Mitbringsel von der Biofach
Kolumnen wald In der Landwirtschaft ist Bio etabliert. Im Forstsektor taucht »Bio« kaum auf. Ist die Branche schon ausreichend nachhaltig und braucht Bio nicht, wie sie behauptet? Eine Erkundung.
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68 Speis & Trank 70 Glasgeflüster 78 Elternalltag 80 Die Welt, die wir uns wünschen 82 Biss zum Ende
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4. – 10. MAI
26 handwerkliches schuhwerk Die Schuhmanufaktur Vonmorgen interpretiert traditionelles Schuhmacher-Handwerk modern.
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WE NEED TO SEE THE WORLD FROM AS MANY PERSPECTIVES AS POSSIBLE
56 erdgespräche Die Chefin von Greenpeace über Aktivismus, Atomwaffen und den Mann mit dem blonden Haar.
marktplatz food Wir haben Neuigkeiten von der Biofach 2017 probiert.
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editorial, impressum
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Verdammt unbequem
Thomas Stollenwerk, Chefredakteur stollenwerk@biorama.eu
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Und noch was: Dieses Jahr veranstalten wir wieder eine biorama fair fair. Vom 19. bis 21. Mai gibt’s den Markt für Nachhaltiges in der Creau Wien. #fairfair17 fairfair.at
IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTION Thomas Stollenwerk AUTOREN Jonas Achorner, Irene Maria Gruber, Micky Klemsch, Sarah Krobath, Ursel Nendzig, Jürgen Schmücking, Eléna Seitaridis, Wolfgang Smejkal, Manuela Tomic, Sina Trinkwalder, Erwin Uhrmann, Helena Zottmann ART DIRECTOR Sig Ganhoer GESTALTUNG Manuel Fronhofer, Erli Grünzweil, Sig Ganhoer LEKTORAT Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Micky Klemsch (Leitung), Bernadette Schmatzer, Thomas Weber DRUCK Niederösterreichisches Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Gutenbergstrasse 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION UND MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien, www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT siehe Website: www.biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien VERLAGSPOSTAMT 1040 Wien
BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechsmal im Jahr.
foto Elisabeth Els
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ls die britischen Inseln sich von Europa verabschiedeten, gab es ein unglaubliches Getöse im Westen des Kontinents. Zurück blieb eine schwer überwindbare Trennung. Festland und Insel werden seitdem vom Ärmelkanal getrennt. Seit ungefähr 500.000 Jahren. Wissenschaftler haben nun eine Theorie dafür entwickelt, wie es zu diesem geologischen Brexit kam. Demnach dürfte die ehemals 33 km lange Verbindung zwischen dem Festland und der Insel nach dem Abtauen eiszeitlichen Eises überspült worden sein. Klingt ganz plausibel, aber das muss ja jeder selbst wissen. Obwohl: Nein. Ob das plausibel klingt oder nicht, muss nicht jeder selbst entscheiden. Darüber entscheidet die wissenschaftliche Community in ihren Peer-Review-Prozessen. Auch wenn es manche Leute völlig schockiert, dass die Wahrheit keine butterweiche Verhandlungsmasse ist. Wie elitär und autoritär die trockene Wissenschaft doch wirkt, in Zeiten, in denen alle ständig reden und schreiben können, was ihnen gerade gefällt und in den Sinn kommt. Manche wissenschaftliche Gewissheit gefällt eben nicht jedem. Die Sache mit dem Klimawandel zum Beispiel ist unbequem. Ein schottisches Unternehmen hat sich gerade der Frage gewidmet, wie europäische Konservative zu neuen politischen Erzählungen gelangen könnten, die sie mit einer progressiven Klimaschutzpolitik versöhnen. Schließlich ist jede unbequeme Wahrheit besser verträglich, wenn sie nur richtig erzählt wird. Die Schotten haben deshalb klimapolitische Reden von Margareth Thatcher und Angela Merkel untersucht und darin nach den passenden Werten für eine aktivere konservative Klimapolitik gesucht. Das Ergebnis: Um konservative Europäer zu Klimaschutz zu motivieren, muss man ihnen von den Bedrohungen, wirtschaftlichen Einbußen und Sicherheitsrisiken erzählen, die der Klimawandel mit sich bringt. Unbequemes bleibt eben unbequem.
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bild der ausgabe
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Wüste Kunst
Ein Pool. Lächerlich erhaben. Ein Swimming-Pool, irgendwo in der Mojave-Wüste Südkaliforniens. 2014 wurde er vom Künstler Alfredo Barsuglia dort aufgestellt. Ein Luxussymbol, mitten in abgeschieder Natur. Der Social Pool spielt mit der verbreiteten Logik von Privatsphäre und Entspannung als Konsumgut. Wer den Social Pool benutzen wollte, der konnte sich 2014 in Los Angeles seine gps-Koordinaten und den Schlüssel für die Abdeckung des Bassins geben lassen. Eine mehrstündige Autofahrt mit anschließendem Fußmarsch mussten die Gäste auf sich nehmen, um im Social Pool zu baden. Zeit zum Nachdenken über Ansprüche an »Lifestyle« und die herrschende Verwertungslogik, die das Blau eines Swimmingpools zur Signalfarbe für Wohlstand macht. Im Jahr 2016 wurde der Pool durch Vandalismus zerstört. Auf Facebook setzt sich eine Gruppe für die Reaktivierung der Installation ein. 2017 wurde Barsuglia für den Social Pool mit dem Neptun Wasserpreis ausgezeichnet. www.social-pool.com
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bild Alfredo Barsuglia
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BIO aus den Tiroler Bergen
Bio-Heumilch
Spezialitäten aus bester Tiroler Bio-Heumilch – dafür stehen unsere Bio-Bauern mit ihrem Namen. Schließlich sind nachhaltige Berglandwirtschaft, kontrolliert biologische Produktion und achtsame Verarbeitung der Lebensmittel nicht nur Geschmacksfrage, sondern auch Lebensphilosophie. Für den Tiroler Ursprung bürgt das Gütesiegel „Qualität Tirol“.
biovomberg.at
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13 street talk Wir fragen, fünf fussgänger antworten.
» Was würdest du während des Fahrrad fahrens gerne machen können?« Andreas 18, Musikstudent
Alexandra 24, PR-Managerin
Es wäre schön, wenn ich trotz des Verkehrs in der Stadt auf dem Fahrrad mehr Sicherheit verspüren könnte. Dann würde ich es sicherlich öfter nützen.
Ich würde gerne lauthals singen, ohne dass es Passanten oder andere Verkehrsteilnehmer merken und ohne dass ich mich zu sehr auf die Straße konzentrieren muss.
Ich würde mir einfach mehr Fahrradwege wünschen, auf denen ich fahren kann.
Ümran 33, Bildungsmanagerin Für mich ist Fahrradfahren Freiheit. Es wäre schön, wenn ich den Stress des Alltags während des Fahrradfahrens ablegen und die Freiheit genießen könnte.
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Lucas 25, Molekularbiologe
Andreas 53, Friseur
Am liebsten würde ich mit meinem Fahrrad über den Dächern schweben können. Dann könnte ich stets den direktesten Weg nehmen.
Ich würde gerne auf einem Bildschirm Nachrichten schauen können. Wie das möglich sein wird, überlasse ich den Erfindern.
Interview Jonas Achorner bild Elisabeth Brandstetter
Stimme aus dem Off
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global village
fotos Nero, Green Lid, Give Directly
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Deutschland
Kanada
Bio zum Anzünden
Ein grüner Deckel
Eine sinnvolle Innovation für die Grillsaison: Holzkohle mit Bio-Siegel.
Ein Start-up aus Kanada vermarktet Biomüll-Behälter zum Wegwerfen.
Im 1. Jahrhundert war Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus Kaiser von Rom. Eine historische Berühmtheit wurde er wegen des hartnäckigen Gerüchts, er habe die Stadt selbst angezündet. Der zweifelhafte Ruf Neros hält Aaron Armah, Jakob Hemmers, und Rolf Wagner nicht davon ab, seinen Namen für ein innovatives Produkt zu verwenden: Bio-Grillkohle. Grillkohle aus biologisch bewirtschafteten Wäldern macht durchaus Sinn. Denn während jeden Sommer ein enormer Kult um das, was auf den Grill kommt, getrieben wird, interessiert sich kaum jemand dafür, dass die Grillkohle meist aus tropischen Gefilden stammt und alles andere als nachhaltig produziert wird. Allein in Deustchland werden laut Nero-Angaben Jahr für Jahr rund 2.000 Hektar tropischen Regenwalds im Grill verheizt. Die Nero-Grillkohle stammt aus deutschen Eichen- und Buchenwäldern, die von Naturland zertifiziert wurden. Zu Kohle wird das Holz in einem französischen Holzkohlewerk, in dem bei der Kohleherstellung als Nebenprodukt auch Öko-Strom entsteht. www.nero-grillkohle.de
Möglicherweise vermissen manche Menschen in ihrer Küche ein Gefäß zum Sammeln organischer Küchenabfälle, das sie gleich mit ihrem Biomüll entsorgen können. Jedenfalls haben die Kanadier Morgan Wyatt, Jackson Wyatt und Adil Qawi ein Produkt für genau jene Menschen entwickelt: Green Lid. Der Name bezieht sich auf den grünen Deckel, der auf die Behälter aus RecyclingKarton passt. Die drei Gründer wollen mit ihrer Innovation private Küchen von schlecht funktionierenden, tropfenden kompostierbaren Müllbeuteln befreien. In Büroküchen soll Green Lid es erleichtern, Biomüll überhaupt separat zu sammeln. »Composting has never been easier!« erklären die Gründer in ihren Start-uptypischen Infomercials. Es drängen sich ein paar Fragen auf: Was ist an Green Lid praktischer als an einem soliden und tausendfach wiederverwendbaren Bio-Mülleimer? Was tun GreenLid-Benutzer, wenn ihnen überraschend die RecyclingEimer ausgehen? Und wie lange kann der Deckel aus Plastik verwendet werden, bevor er ersetzt werden muss? www.mygreenlid.com
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Kenia
Funktioniert das BGE? Die Non-Profit-Organisation Give Directly testet, das Bedingungslose Grundeinkommen. Es gibt unzählige Varianten, doch der Grundgedanke des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ist stets gleich: Konditionslos genug Geld zum Leben. Wie sich das Sozial- und Wirtschaftsleben von Gesellschaften dadurch verändert, ist ungewiss. Mehr Klarheit soll ein Projekt der US-Wohltätigkeitsorganisation Give Directly in Ostafrika bringen. Bereits heute vergibt das Sozialunternehmen vereinzelt und bedingungslos via Mobiltelefon Spenden an armutsgefährdete Einwohner. In dem Versuch mit 26.000 Menschen sollen drei Varianten des BGE »ausprobiert« werden. Eine Gruppe erhält für zwölf Jahre 0,75 Dollar pro Tag, eine weitere bezieht dieselbe Summe zwei Jahre lang. Einer dritten wird ein Äquivalent von zwei Jahren bar ausbezahlt. Von den benötigten 30 Millionen Dollar zur Realisierung des Projekts hat die Organisation bereits 23,7 Millionen akquiriert. Nach eigenen Angaben wäre das Projekt das größte seiner Art. givedirectly.org / basic-income
Was soll das eigentlich? Erdbeerjoghurt? Plastikbecher. Mineralwasser? Plastikflasche. Unvorstellbare 300 Mio Tonnen Plastik produziert die Menschheit pro Jahr. Mit ein wenig Sturheit haben wir erreicht, dass heute bereits 96% unserer Verpackungen wiederverwertet oder kompostiert werden können. So verwenden wir abbaubare Folien aus Holz, sowie Teebeutel aus Bananenfasern und Maisstärke. Die kosten zwar ein paar Cent mehr, aber dafür nicht die Welt. Mehr Infos findest du unter www.sonnentor.com/verpackung
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wald
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In der Landwirtschaft ist Bio etabliert. Im Forstsektor taucht das Wort »Bio« aber kaum auf. Ist die Branche schon ausreichend nachhaltig und braucht Bio nicht? Eine Erkundung zum Thema Öko-Wald. text und bild
Matthias Schickhofer
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Erst Totholz belebt den Wald – als Hort der Artenvielfalt. In vielen Wirtschaftsforsten fehlt es.
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wald
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as mächtige Benediktiner-Stift Altenburg ragt selbstbewusst über dem niederösterreichischen Kamp tal in den grauen Winterhimmel. Unter dem barocken Kloster breitet sich das Kamptal mit seinen lichten Laubwäldern aus. Und diese Stiftswälder sind ein wenig speziell. Um zu zeigen, was den klösterlichen Forstbetrieb anders macht, hat Forstverwalter Herbert Schmid zu einer Waldbegehung geladen. Die Fichten- und Kiefernwälder nördlich des Stifts sind aufgelockert, die Bäume verschieden alt und zwischen den großen Stämmen tummeln sich viele Jungbäume. »Diese stufigen Wälder sind sehr stabil«, erklärt Herbert Schmid. »Wir bewirtschaften unsere Wälder nach den Prinzipien des Dauerwaldes«, sagt der Forstmann. Und deshalb gibt es keine flächendeckenden Kahlschläge. Stattdessen werden nur einzelne Bäume genutzt, wenn der Durchmesser erreicht ist. Der Wald verjüngt sich natürlich, Pestizide müssen draußen bleiben und Totholz darf im Wald vergehen, um Lebensraum und Nahrung für Artenvielfalt zu bieten. »Das Konzept ist ökonomisch vernünftig und macht ökologisch viel mehr Sinn. Der Betrieb funktioniert besser als vor 20 Jahren«, unterstreicht Herbert Schmid. Pater Michael, der Prior des Stiftes, entsteigt etwas später in eine Soutane gehüllt seinem Wagen. »Der Wald ist ja irgendwann entstanden, ohne dass da wer durchgegangen ist und gesagt hat: ›Du wirst dick und
groß und du wirst jetzt umgeschnitten.‹ Also schauen wir dem Wald sehr bewusst beim Wachsen zu«, betont Pater Michael.
Unnatürlich hohe Wildbestände »Als klösterlicher Betrieb betrachten wir das Thema Verantwortung aus der Perspektive der Kirche. Synchron und diachron – durch die Jahrhunderte. Wir müssen das Heute begreifen, um das Morgen zu gestalten. ›Wer sieht ist berufen‹«, sagt der Mönch. Herbert Schmid will den Nadelwald wieder zu dem machen, was er einst einmal war: zu einem Nadel- und Laubmischwald. »Diese Gegend heißt seit Generationen Buchenschachen. Das war früher Buchenwald. In den letzten 200 Jahren wurde aber eine andere Wirklichkeit geschaffen, ein Nadelforst«, erläutert der Förster. Schmid zeigt auf kleine Tannen: »Die kenne ich seit 30 Jahren. Überall kommen Tannen und Buchen auf. Die jungen Bäume werden aber nicht höher als ›kniehoch‹, wegen dem Wildverbiss.« An der Reduktion des Wildbestandes als Voraussetzung für den Aufwuchs natürlich vorkommender Baumarten wie Tanne, Rotbuche und Eiche wird daher gearbeitet. »Wir beschäftigen auch Schwarzarbeiter«, grinst Pater Michael, »unsere Eichelhäher sind nicht sozialversichert.« Aber sie werden trotzdem umsorgt. Herbert Schmid präsentiert hölzerne Hähertische, auf denen Bucheckern und Eicheln darauf warten, von Eichelhähern in den Wald gebracht und als Vorräte vergraben zu werden. Die »vergessenen« Samen keimen dann im Folgejahr. »Je mehr Häher wir im Revier haben, umso besser für den Umbau des Waldes.«
»Das war früher Buchenwald. In den letzten 200 Jahren wurde aber eine andere Wirklichkeit geschaffen, ein Nadelforst.« — Herbert Schmid, Förster Mit Pater Michael und Förster Schmid unterwegs im naturnahen Dauerwald des Stifts Altenburg.
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Im mittleren Kamptal wird auf den Forstbetriebsflächen ganz auf Chemie verzichtet, Umzäunungen fehlen.
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Wenn in den Wäldern des Stifts Altenburg Laubbäume gepflanzt werden, dann ausschließlich aus den Samen der Mutterbäume, die sich seit Baumgenerationen auf diesen Standorten bewährt haben.
»Wir verlieren die Fichte.« Das hat auch handfeste wirtschaftliche Gründe: »Wir verlieren die Fichte. Ihr Wuchsbereich wandert nach oben, in höhere Lagen. Es wird zu warm. Wir haben auch Sturmschäden, Rauhreifschäden und massive Probleme mit Borkenkäfern. Die Buchen werden durch ihre im Herbst abfallenden Blätter die Biomasse liefern, um wieder einen guten Boden aufzubauen. Die Buche ist die ›Mutter des Waldes‹. Was die mit ihrem Laub in Jahrzehnten an Biomasse produziert, ist viel wert für die nächste Waldgeneration.«
die Wälder bei gezielter Pflege der SelbstoptimierungsProzesse des Ökosystems höhere Leistungen bringen als sogenannte »Altersklassenwälder«, die mit Kahlschlägen und Aufforstungen intensiv bearbeitet werden. Klimastress und Umweltbewusstsein steigern heute das Interesse für eine naturnahe Forstwirtschaft. Der Verband Prosilva propagiert die Dauerwald-Idee in ganz Europa. Konservative Förster belächeln die DauerwaldAnhänger freilich – und halten das System für nicht praxistauglich.
Totholz als Hort des Lebens
Erfolgsmodell Lübecker Stadtwald
Wälder mit Totholz sind ökologisch gesünder als »ausgeräumte« Forste, weil es mehr Vögel, Fledermäuse und nützliche Insekten gibt – die natürlichen Gegenspieler vieler »Schädlinge«. Daher bleiben in Altenburg einzelne tote Bäume im Wald. Auf einem Stapel hohler Eichenstämme erklärt ein kleines Schild Wanderern, warum es hier unordentlich aussieht. »Am Totholz von Buchen haben wir Alpenbockkäfer gefunden – der erste Nachweis in Österreich nördlich der Donau«, berichtet der Förster stolz. Die seltenen, blauen Käfer sind streng geschützt und gelten als Anzeiger für Naturnähe. Naturorientierung in der Forstwirtschaft thematisierte erstmals der deutsche Forstwissenschaftler Alfred Möller im Jahr 1922. Sein Konzept des Dauerwaldes orientiert sich an der »Stetigkeit des Waldwesens als lebendem Organismus«. Möller hatte herausgefunden, dass
Die Erfahrungen des Modellbetriebes »Lübecker Stadtwald« belegen indes das Gegenteil. Der frühere Forstleiter Lutz Fähser hatte nach der Umweltkonferenz von Rio (1992) neue Ansätze für eine nachhaltige Nutzung der Waldressourcen entwickelt: Im Lübecker Stadtwald wird nur so viel Holz aus dem Wald entnommen, dass er sich so natürlich wie möglich entwickeln kann. Und das rechnet sich. Lutz Fähser: »Ich habe das Konzept auch eingeführt, weil es gerade betriebswirtschaftlich auch anderen Konzepten deutlich überlegen ist. Die behutsame Wirtschaftsweise ist kosten- und risikoarm. Es braucht keine teuren Maschinen. Die Betriebsergebnisse liegen im jährlichen Reinertrag um 10 bis 20 Prozent über den sonst üblichen Konzepten der öffentlichen Forstbetriebe.«
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wald
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Selbst die kleinste Ritze wird besiedelt und lebt: Natürliche Waldentwicklungsphase dauern bis zu 600 Jahre.
»Höchste Massen- und Werterträge erreicht nur der Urwald. Für die Ernte muss natürlich irgendwie eingegriffen werden – so wenig wie möglich eben. Das nennen wir ›Vorsichts-Prinzip‹« betont Fähser. Zehn Prozent der Fläche werden daher natürlichen Prozessen überlassen und jeder zehnte Baum im genutzten Teil des Waldes darf natürlich altern und sterben. Etliche deutsche Großstädte wie Berlin, Bonn, Düsseldorf, Göttingen, Hannover, München, Saarbrücken oder Wiesbaden haben das Modell übernommen. 1997 führte der Bio-Verband Naturland e.V. erstmals auch ein Bio-Zertifikat für Wald ein. Es ist mit dem Lübeck-Konzept ident. Das internationale Nachhaltigkeitslabel fsc (Forest Stewardship Council) strebt ähnliche Ziele an, hat aber weniger strenge Auflagen.
Was fehlt: ein Bio-Siegel für Wald Zurück nach Altenburg: Auf eigens entlang der Forststraßen angelegten Grünstreifen fördert das Stift gezielt Blütenpflanzen – die Bienenweiden. »Unsere Betriebe – Landwirtschaft, Gärtnerei, Weinbau – sind alle bio,« sagt Pater Michael. »Trotzdem kann der Imker den Honig aus unserem Wald nicht als Biohonig vermarkten.« In Österreich gibt es nämlich kein Bio-Label für die Forstwirtschaft. Die tonangebenden forstlichen Interessenvertretungen in Österreich meinen, dass es das auch nicht brauche. Es werde ohnehin »nachhaltig« gewirtschaftet. Bernhard Budil, Generalsekretär des österreichischen Waldbesitzer-Verbandes Land und Forst: »Für
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»Für ein Bio-Label sehen wir weder eine Nachfrage noch einen Bedarf.« — Bernhard Budil, »Land und Forst«
ein Bio-Label sehen wir weder eine Nachfrage noch einen Bedarf. Vielmehr ist der weit überwiegende Teil des österreichischen Waldes durch die Teilnahme an der pefc-Zertifizierung auf einer soliden Basis über das gesetzlich vorgegebene Ausmaß hinaus bestens aufgestellt.« Durch pefc sei nachhaltiges Wirtschaften »umfassend und auf höchstem internationalen Standard abgedeckt«. Die »Paneuropäische Waldzertifizierung« (pefc) wurde von der Forstwirtschaft selbst initiiert und ist heute weltweit stark verbreitet. pefc verfolgt ähnliche Ziele wie das von ngos begründete fsc-System. Der deutsche Naturschutzverband bund bezeichnet pefc aber dennoch als »Mogelpackung«. Hauptkritikpunkte sind die vage formulierten und wenig verbindlichen Richtlinien sowie fehlende Transparenz und mangelhafte Kontrollen. Die Bedenken bezüglich pefc wurden kürzlich durch eine Reportage des französischen TV-Formats »Cash Investigations« drastisch bestätigt: Die Aufde-
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THE HOUSE. Die Zukunft des Wohnens
THE HOUSE : Das ökologische Plus-Energiehaus aus dem Wald.
Die Zukunft des Wohnens ermöglicht, energieunabhängig, CO2 -neutral und smart sowie zugleich stilvoll und luxuriös zu wohnen. Das Wohnhaus wird durch einfache Physik – durch aus der Natur entlehnte Grundprinzipien – zum ökologischen Kraftwerk. Kernstück für die Biolinie des Wohnens ist neben dem primären Baustoff Holz die solare Außenfassade, die Solarwabe – deren Rohstoff ebenfalls aus dem Wald kommt. Angefangen hat alles mit einem Bienenstich. Als Hans Aschauer vor 20 Jahren seine erste Solaranlage im Selbstversuch bastelte, nistete sich dort ein Bienenstock ein: „Beim Entfernen wurde ich nicht
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nur gestochen, sondern brach auch ein Stück der Wabe ab“, erinnert sich der Mühlviertler. Doch beim genauen Betrachten des Bienenbaus kam dem gelernten Physiker die Idee der Solarwabe, eines Materials also, das „wie die Bienenwabe ein Haus im Sommer kühl und im Winter warm hält“. Der Baustoff für die Solarfassade war rasch gefunden. „Die Wabe macht sich den natürlichen Sonnenstand zu Nutze und reguliert so das Raumklima. Das Ergebnis sind nahezu konstante Temperaturen im Innenbereich und ein äußerst geringer Heizbedarf.“ Doch zur Biolinie des Wohnens wurde THE HOUSE erst durch den Baustoff Holz. Wenn man schon eine ökologische Biosphäre herstellt, dann darf man sich das nicht durch Gift- oder Schadstoffe im Innenraum wieder zerstören. THE HOUSE kann auch im Fertigteilhausprinzip errichtet werden. Entwickelt, gefertigt und vertrieben wird THE HOUSE in Dimbach in Oberösterreich. Besichtigt und bewohnt werden kann THE HOUSE ab sofort im Oberösterreichischen Baumgartenberg. Mehr Infos: thehouse.at
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as ökologische Einfamilien-Plus-Energiehaus THE HOUSE von Hans und Rudi Aschauer ist Europas erstes 100% ökologisches Plus-Energiehaus mit einer exklusiven Energie-Garantie.
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wald
24 Eine französische TV-Recherche demonstrierte eindrucksvoll, dass die pefcZertifizierung ohne Überprüfung sogar das Gelände eines Atomkraftwerks und eines Flughafens als »nachhaltigen Wald« auswies. Strenge Kontrollen – wie im Bio-Bereich bei Lebensmitteln – fehlen.
cker-Reporter hatten Gebiete mit den gps-Koordinaten eines Bauernhofes, eines Flughafens und eines Atomkraftwerks testhalber zur pefc-Zertifizierung angemeldet. Wenig später lagen die pefc-Urkunden – ohne Prüfung – im Postfach … Sind die Vorgaben zur Nachhaltigkeit durch die geltenden Forstgesetze ausreichend, um eine umfassend nachhaltige Forstwirtschaft zu garantieren? Ökologen und Naturschützer winken ab.
Das Prinzip Dauerwald Die wwf-Waldexpertin Karin Enzenhofer erklärt: »Ökologische Aspekte werden oft nur im Lichte der Produktivität gesehen. Die Artenvielfalt ist aber eng mit den bis zu 600 Jahren dauernden natürlichen Waldentwicklungsphasen verknüpft. Im Wirtschaftswald wird schon nach 80 bis 140 Jahren geerntet, die wichtigen späteren Phasen fehlen meist vollständig. Und das, obwohl sie in Urwäldern mehr als 60 Prozent der Waldfläche einnehmen und auch in zeitlicher Hinsicht dort dominieren.«
»Die Artenvielfalt ist eng mit den bis zu 600 Jahre dauernden natürlichen Waldentwicklungsphasen verknüpft.« — Karin Enzenhofer, wwf Um diese Artenvielfalt zurückzubringen, wurden Biodiversitäts-Strategien in den EU-Staaten entwickelt. Die sehen unter anderem auch vor, kleinere Teile der Wälder sich selbst zu überlassen. Und darüber wird jetzt leidenschaftlich gestritten, »Außernutzungstellung« ist zum Unwort für manche geworden … Nachhaltigkeit bedeutet aber: die Sicherung der dauerhaften Funktionalität eines Systems. Genau das gewährt offensichtlich das Prinzip Dauerwald am besten. Am Ende der Exkursion in den Stiftswald von Altenburg geben drei Seeadler noch eine exklusive Vorstellung über dem einsamen Kamptal: Lautlos ziehen sie in der Dämmerung ihre Kreise. Am Rückweg meint Herbert Schmid: »Dass die Seeadler, die Alpenbockkäfer, die Schwarzstörche und andere seltene Arten bei uns im Wald leben, zeigt doch, dass wir am richtigen Weg sind und nicht nur am Holzweg.«
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UNESCO-Schutz für Europas Buchen-Urwälder Die Europäische Rotbuche wächst nur in Europa. Ihr (einstiges) Hauptverbreitungsgebiet ist Deutschland. Natürliche bzw. naturnahe Rotbuchenwälder sind heute aber so selten geworden, dass sie als der wertvollste Naturschatz der EU gelten. In den Karpaten, am Balkan und in den dinarischen Gebirgen haben zum Glück größere Buchen-Urwälder überlebt, viele davon sind aber akut bedroht. Zwischen 2007 und 2011 hat die unesco zehn bedeutende Buchen-Urwälder in den slowakischen und ukrainischen Karpaten und fünf alte Buchenwaldgebiete in Deutschland in die Welterbe-Liste aufgenommen. Heuer könnten 32 Buchen-Urwälder in Albanien, Belgien, Italien, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slowenien, Spanien und in der Ukraine dazukommen. In Österreich wurden Teile des Nationalparks Kalkalpen und das Wildnisgebiet Dürrenstein nominiert. weltnaturerbe-buchenwaelder.de saveparadiseforests.eu weiterführendes zum Thema: fsc-deutschland.de pefc-austria.com prosilvaaustria.at naturland.de luebeck.de/bewohner/umwelt_gesundheit/ stadtwald/index.html
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Thomas Stollenwerk
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Die Schuhmanufaktur Vonmorgen aus Wien interpretiert traditionelles Schuhmacher-Handwerk modern.
Handwerkliches SchUhWERK
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Elena Seitaridis
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m zweiten Wiener Bezirk, in der Nähe des Karmelitermarkts, entstehen Schuhe. In Handarbeit, in der Schuhmanufaktur Vonmorgen. »Es gibt eine Sehnsucht nach Handwerk. Junge Leute von heute sind schließlich schon über eine Generation lang vom Handwerk abgeschnitten. Da gibt es gar keine Vorstellung mehr davon, wie ein Schuh entsteht,« ist Vonmorgen-Co-Designer Thomas Licht überzeugt. Er ist bei dem jungen Label für die Konzeption und die Kommunikation zuständig. Um das eigentliche Handwerk kümmern sich Schuhmachermeisterin Nicole Üblacker und Gesellin Irene Lechner. Gemeinsam wollen die drei das Schuhmacher-Handwerk aus dem Hinterzimmer holen. »Das Schuhmacher-Handwerk hat in den letzten Jahrzehnten überhaupt keine Weiterentwicklung erlebt, außer dass die Produktion ins Ausland abgewandert ist«, erklärt Thomas Licht die Ausgangslage. Inzwischen entdecken aber eine ganze Menge Leute die Wertschätzung für solide Handarbeit und ökologisch sinnvolle Materialien neu. Die drei kennen ihre Klientel inzwischen gut. Nicole Üblacker weiß deshalb, dass ihre Werkstatt mehr ist als eine Produktionsstätte: »Wir stellen immer wieder fest, dass wir für die Kunden auch ein Raum sind, wo man sich einmal auskotzen kann, über die Situation der Mode.« Bei Vonmorgen läuft einiges anders als in der industriellen Schuhproduktion. Das Produkt ist dabei nicht minder modern. »Die Idee unserer Firma ist es, einen klassischen Schuh ganz modern zu interpretieren. Wir kommen ja aus dem Maßschuhbereich, wo ein Schuh einen traditioniellen Aufbau hat. Diesen Aufbau übersetzen wir in einen modernen Sneaker.«
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01 Beim Zuschnitt der insgesamt 34 Einzelteile kommt nur pflanzlich gegerbtes Leder aus Deutschland und Österreich zum Einsatz. Ohne Chromgerbung oder chemische Bearbeitung.
03 Die Vorder - und Hinterkappen aus grubengegerbtem
Halsleder verleihen dem Schuh Form und Stabilität. Sie befinden sich zwischen Futterleder und Oberleder. Damit sie nicht sichbar sind, werden die Übergänge fein von Hand geschliffen.
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02 Das Oberteil des Schuhs wird mit der Nähmaschine genäht.
04 Aussehen und Passform hängen vom Leisten ab. Beim
05 Im »Herzen« der Schalensohle verborgen steckt die
sogenannten »Zwicken« wird das feuchte Leder auf seine maximale Dehnung gezogen und mit Nägeln am Leisten fixiert.
sogenannte »Gelenksfeder« aus Lindenholz. Das Längsgewölbe der Sohle wird dadurch unterstützt und verleiht jedem Vonmorgen-Schuh eine besondere Vorspannung zwischen Fersen- und Vorfußbereich.
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06 Das »Ausleisten« ist die Geburt jedes Schuhs: Holz und Leder haben ähnliche Eigenschaften in der Aufnahme und Abgabe von Feuchtigkeit. Der Holzleisten nimmt die restliche Feuchtigkeit des Leders auf, der Schuh trocknet in zwei Tagen vollständig aus und nimmt dabei die Form des Leistens auf. Nun kann der Leisten entfernt werden.
07 Auf der handbetriebenen Durchnähmaschine werden
08 Jedes Detail hat seine Funktion. Die Schalensohle wird mit
Oberteil, Brandsohle, Schalensohle und Zwischensohle mit einer Naht verbunden. So macht Vonmorgen Schuhe flexibel, haltbar und leicht reparierbar.
zwei Handnähten im Innen- und Aussenballenbereich durchgenäht, dadurch sind die am stärksten beanspruchten Stellen besonders langlebig.
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09 Nach ca. 20 Arbeitsstunden ist der Schuh fertig. Zuletzt wird noch eine Vibram-Sohle geklebt und zusätzlich mit Messingnägeln fixiert.
Auf www.biorama.eu verlosen wir gemeinsam mit Vonmorgen einen innovativen Maßschuh im Wert von 600,— Euro.
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Alexa Lutteri
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Regionales Essen, richtige Ladys und echter Cider in Nordirland.
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alzig, fischig, zäh. »Dulse«, zu Deutsch Lappentang, ist eine getrocknete Rotalgenart, die in Nordirland gerne als Snack gegessen wird. Hier, am St. George’s Market in Belfast, ist er in 150-Gramm-Portionen um einen Pfund zu haben und liegt direkt neben Fisch und Meeresfrüchten, die teilweise noch zappeln. »Es erinnert mich einfach an meine Kindheit«, erklärt der waschechte Nordire Billy, während er genüsslich an dem braunen Tang kaut. Waschecht bedeutet in seinem Fall: Irische Mutter, nordirischer Vater. Aufgewachsen in Belfast, hat er mit seinen geschätzten 45 Jahren auch Zeiten erlebt, in denen es eine große Rolle spielte, auf welcher Seite der Grenze er sich zu Hause fühlte. »Heute ist das alles nicht mehr so«, versucht er zu beruhigen. Unter jungen Leuten seien die blutigen Terroranschläge der ira und Segregation zwischen Katholiken und Protestanten nämlich kaum ein Thema mehr. »Mixed Marriages« nehmen zu und sonst »heiratet man halt einfach nicht«, erklärt Billy weiter. Viel kann ich aus ihm bezüglich der Troubles – der Unruhen in den späten 1960ern bis 1990ern – nicht herausquetschen, schließlich ist er ein Touristenführer und möchte nur die schönsten Ecken seines Landes präsentieren, also die Oberfläche.
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37 Belfast: hip und lecker Die ist beeindruckend hip und vor allem lecker: Belfast bietet eine reichliche Auswahl für den Gaumen: unglaublich zarte Austern, Linguine mit Krabbenfleisch, Dry-aged Steaks, Miesmuscheln und Zander mit knackigen Beilagen oder aber traditionelle Fish & Chips, Irish Stew, Blutwurst-Kartoffelbrot, Fifteens und Muffins. Am St. George’s Market wird vor allem Regionalität groß geschrieben und das zieht am heutigen Wochenende nicht nur Touristen, sondern Einheimische an. Da ist der 30-Jährige mit Glatze und rotem Vollbart, das weißhaarige Ehepaar, die asiatische Kleinfamilie und Teenager mit pinken Haaren und silbernen Nieten am Rucksack. Kaum vorzustellen, dass sich diese Menschen wie noch vor einigen Jahren unter bürgerkriegähnlichen Umständen trafen. Die Troubles sind hier kein Thema mehr.
Die Landschaften Nordirlands sind vielen aus »Game of Thrones« vertraut.
Die Spuren des Konflikts Im Westen der Stadt gibt es eine Mauer, die mit einer Höhe von 5,5 Metern und Stacheldraht dafür sorgen soll, dass sich Familien aus katholischen und protestantischen Nachbarschaften (vor allem der Arbeiterklasse) nicht in die Quere kommen. Diese offensichtliche Grenze erinnert sehr stark an die Berliner Mauer. Graffitis und Botschaften, Sprüche, Hassparolen und Kunstwerke säumen die Betonfläche beidseitig. Die Tore sind zwar geöffnet, werden aber laut Billy »ab und zu« auch geschlossen. Zwar nicht jede Nacht, aber »wenn es Spannungen gibt«. Mittlerweile sei das aber fast nie mehr nötig, außer im Juli, wenn die Unionisten-Paraden stattfinden. Dann marschieren militante Protestanten mit Uniformen und Snaredrums durch die Wohnviertel der Stadt und feiern den blutigen Sieg über die Katholiken 1690. Diese lassen sich dadurch jedes Jahr aufs Neue provozieren, wodurch es immer wieder zu heftigen Aufeinandertreffen mit der Polizei und zwischen Zivilisten kommt.
Esst mehr Kalb! Entlang giftgrüner Wiesen mit weißen und vereinzelt schwarzen Schafen, rauen Küsten mit imposanten Abgründen und dichtem Nebel scheint das Land friedlich. Hier, abseits der Mauern, dreht sich alles um Landwirtschaft, Golf und Gemütlichkeit. Für Lord und Lady Dunleath, stolze Bewohner des Schlosses »Ballywalter Park«, spielt eine ganz andere Mauer eine wichtige Rolle: Ein sogenannter »walled garden« ist ihr größter Schatz. »Das war der Supermarkt des 18. Jahrhunderts. Hier und in Glashäusern wurde früher alles angebaut und ich mache das heute genauso.« Was früher eine Notwendigkeit war, ist für Lady Dunleath eine Lebenseinstel-
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Auf dem St.George’s Market in Belfast wird vor allem Regionales angeboten.
Rund um ihr Schloss Ballywater Park betreiben Lord und Lady Danleath Landwirtschaft.
lung. Sie ist Lebensmittelhistorikerin und schwört auf einen Anbau, wie er vor 300 Jahren üblich war. »Es ist so interessant, wenn man ein bisschen zurückblickt. Ich sage zu den Leuten immer, sie sollen in der Geschichte zurückschauen, um sich Inspiration zu holen, anstatt im Ausland oder durch neue Technologien. Schaut, was eure Vorfahren gemacht haben!« Sie spricht von einer »irischen Essensrevolution« und davon, dass die Nachfrage nach regionalen Produkten steigt. Die regionale und saisonale Verwendung von Lebensmitteln habe in Irland eine lange Geschichte. »Vor der Erfindung der
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Echter Cider
Laut, witzig und musikalisch: Das sind typisch nordirische Pubgäste.
Dampfmaschine haben die Menschen 80 % ihrer Nahrung aus ihrer unmittelbaren Umgebung bezogen und etwa 20% importiert, was mit damaligen Straßen teuer und schwierig war. Auf den britischen Inseln bot der eigene, royale Garten die Möglichkeit, ein Mikroklima zu erzeugen, um die Sommer zu verlängern und weniger importieren zu müssen.«
» Nur, wer schon einmal in einem nordirischen Pub war, weiß, was mit ›freundlichen Pubgästen‹ gemeint ist.« Zwischen verschiedensten Gemüsesorten baut Lady Dunleath in ihrem »walled garden« auch Obst an, das man in einem nassen, nordischen Klima nicht vermuten würde: Marillen, Nektarinen und Erdbeeren. Ihr größter Stolz sind allerdings ihre Rinder. Lady Dunleath besitzt etwa tausend Stück davon. »Die bekommen nichts außer frisches Gras und das wächst in Nordirland bekanntlich gut. Wir spritzen nicht, wir verwenden keine Pestizide, wir düngen mit ihrem eigenen Mist, das ist alles.« Seit Neuestem verkauft sie ihr Kalbfleisch an die drei Toprestaurants in Belfast: Ox, Coco und Muddlers Club. Dies sei deshalb so besonders, weil Iren eigentlich überhaupt kein Kalb essen. Es sei ihnen zu niedlich. »Aber man sollte Kalb essen! Stiere gelten hier als Nebenprodukt der Milcherzeugung. Sonst werden sie nach Spanien und Frankreich verkauft, dort intensiv gehalten und zu einer schlechten Fleischqualität herangezogen.« Dies sei besser, als die Aale aus Lough Neagh zu essen, die in Nordirland als Spezialität gelten, leider aber auch in Japan.
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Nur wer schon einmal in einem nordirischen Pub war weiß, was mit »freundlichen Pubgästen« gemeint ist. Gesprächslustig, witzig, laut und meistens musikalisch. Das Alter spielt in einem solchen Pub keine Rolle (solange man über 18 ist). Hier singen und tanzen alte Leute genauso wie junge - oft auch miteinander. Einziges Nogo in den Pubs: Fußballtrikots. Diese sind verboten, weil sie auf die entweder katholische oder protestantische Bekennung der unterschiedlichen Teams hinweisen. Traditionelle Livemusik ist genauso fester Bestandteil eines Pubs wie Bier oder Cider. Auch außerhalb von Belfast gibt es eine große Auswahl an Gegorenem. Abgesehen von einigen Craft-Bieren ist die Mehrheit allerdings Massenware. Auch Andrew kannte bis vor ein paar Jahren vor allem industriell produzierten Cider. Er lebt nahe des Dorfes Dundrum, südlich von Belfast. Im Garten seines Hauses wachsen alte Apfelbäume. Schon als Kind spielte er unter ihnen. 2009 kam Andrew gemeinsam mit seiner Frau Karen auf die Idee, Apfelcider herzustellen. »Seither kann ich keinen herkömmlichen Cider mehr trinken«, sagt er. »Als ich den Geschmack von echtem Cider entdeckt habe, habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder einen dieser massenproduzierten trinken werde.« Im County Down produziert er seither jedes Jahr ein bisschen mehr. Zu viel sei aber nicht möglich, denn er will traditionelle Arbeitsschritte beibehalten, die den saueren Geschmack der BramleyÄpfel ganz besonders unterstreichen. »Wir geben keine künstliche Säuerungsmittel, Wasser, Zucker oder andere Konzentrate hinzu. Weniger ist mehr!« Deshalb gab ihm Andrew auch den Namen »Real Cider«. Drei verschiedene Sorten von Andrews natürlichem Cider können auch in einigen Pubs in Belfast verkostet werden. unsere autorin hat auf einladung von tourism ireland in nordirland eindrücke gesammelt.
Cider ist neben Bier der Standard-Drink im Pub.
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20 Jahre gentechnik-volksbegehren
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Ein Grund zu feiern – und dranzubleiben
20 Jahre GentechnikVolksbegehren
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Kein Patent auf Leben: eine der drei Forderungen, die 1997 von mehr als 1,2 Millionen Österreichern unterschrieben wurden.
Österreichs Felder und Teller müssen auch für die künftigen Generationen gentechnikfrei bleiben!
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Weish, damaliger Sprecher des Volksbegehrens, das von einer breiten Allianz von NGOs getragen war. »Gemeinsamer Widerstand zahlt sich aus!«
20 Jahre danach – Keine Gentechnik in Österreich! Bis heute gibt es keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Österreich und keine Freisetzungen. Alle in der EU zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen sind in Österreich verboten. Sima ist als in Wien für die Landwirtschaft zuständige Stadträtin seit
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it über 1,2 Millionen Unterschriften haben die Österreicherinnen und Österreicher im April 1997 der Gentechnik auf Feldern und Tellern eine klare Absage erteilt. 20 Jahre danach ziehen einstige Proponenten des zweiterfolgreichsten Volksbegehrens der Geschichte Bilanz: »Ich bin stolz auf das Erreichte – Österreich hat sich erfolgreich gewehrt und es gibt auch heute keine gentechnisch manipulierten Pflanzen auf unseren Feldern. Das muss auch künftig so bleiben und dafür werden wir gemeinsam kämpfen!«, sagt Peter
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20 Jahre gentechnik-volksbegehren
Jahren aktiv, Wiens Felder auch künftig gentechnikfrei zu halten: Zum einen mit einem strengen GentechnikVorsorgegesetz, zum anderen mit der Plattform »Freiwillig ohne Gentechnik«, der die Wiener GärtnerInnen angehören und dafür sorgen, dass Wiens Produktion gentechnikfrei bleibt. Strenge Kontrollen durch das Umweltbundesamt belegen den Erfolg der Maßnahmen.
Aktuelle Situation auf EU-Ebene Österreich war 1997 ein Vorreiter in Sachen Gentechnikfreiheit auf EU-Ebene und hat dort starke Allianzen gegen die Gentechnik-Lobby geschmiedet. Die »Opt out« Richtlinie der EU bestärkt Österreich und andere kritische Länder in ihrer nationalen Selbstbestimmung. Die Mitgliedsstaaten können den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet beschränken oder ganz verbieten, auch wenn eine Anbauzulassung auf EU-Ebene besteht. Die Mitgliedsstaaten können dabei in zwei Phasen tätig werden: Phase 1: Noch während das EU-Verfahren für die Zulassung eines gentechnisch veränderten Organismus (gvo) läuft, können die Mitgliedstaaten den Antragsteller über die Kommission auffordern, den Anwendungsbereich des Antrags zu beschränken; wenn das nicht durchgeht: Phase 2: Nachdem die Anbauzulassung für einen gvo erteilt wurde, können die Mitgliedstaaten unter Berufung auf bestimmte zwingende Gründe den Anbau des gvo in ihrem Hoheitsgebiet oder Teilen davon beschränken oder untersagen. 19 Länder haben bereits bei konkreten Anträgen für diese opt-out-Möglichkeit votiert.
Die drei Forderungen Das Gentechnik-Volksbegehren fand von 7. bis 14. April 1997 statt. So lauteten seine Forderungen: Kein Essen aus dem Genlabor in Österreich
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Keine Freisetzungen genmanipulierter Organismen in Österreich Kein Patent auf Leben
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Archivfotos mit höchst aktuellem Anliegen
Problemfeld Futtermittel Während es bei Lebensmittel in ganz Österreich eine klare Sachlage gibt, gibt es bei Futtermitteln nach wie vor Handlungsbedarf. Tierische Produkte, die mit gvo-Soja Fütterung hergestellt werden, müssen laut Gesetz nicht gekennzeichnet werden und es werden daher immer noch bis zu 400.000 Tonnen GV-Schrot nach Österreich importiert, die v. a. in der Schweinfütterung landen. Durch die freiwillige Positivkennzeichnung »Ohne Gentechnik hergestellt« von der arge Gentechnikfrei können KonsumentInnen aber ganz genau sehen, dass einige Bereiche wie Milch und Eier auf gvo-freie Fütterung umgestellt wurden und sehr große Anteile im Geflügelbereich (Masthühner, Puten) ebenfalls. Seit 2012 bewirbt die »Donau Soja Initiative« den Anbau europäischer gentechnikfreier Soja und stellt dafür auch ein Zertifizierungs- und Labeling-Programm zur Verfügung. Diese Initiative hat u. a. viel zum sehr deutlichen Anstieg der gentechnikfreien Sojaanbauflächen in Europa beigetragen, was wiederum den Preis der europäischen Sojabohne nach unten befördert hat. Dadurch ist gentechnikfreie Soja wieder deutlich billiger geworden als in den Jahren zuvor. KonsumentInnen erkennen das grün-blaue »Donau Soja Logo« auf Eierpackungen.
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Wie kann ich als KonsumentIn sicher sein, dass keine Gentechnik in meinem Essen enthalten ist? Obst und Gemüse aus Wien und aus Österreich sind garantiert gentechnikfrei. Biologische Lebensmittel sind garantiert gentechnikfrei.
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Lebensmittel, die nicht-tierischen Ursprungs sind, sind gentechnikfrei, andernfalls müssten sie gekennzeichnet sein – was es in Österreich nicht gibt. Bei tierischen Produkten kann man nur bei der Positivkennzeichnung »Ohne Gentechnik hergestellt« sicher sein, dass die Tiere mit gentechnikfreien Futtermitteln gefüttert wurden.
Neue Gefahr durch NPBT So erfreulich die Erfolge im Kampf gegen die Gentechnik auch sind: Es gibt aktuelle Versuche der GentechLobby, ihre Produkte durch die Hintertür auf den Markt zu bringen. Konkret ist die Rede von »new plant breeding technologies« (npbt). Dabei handelt es sich um verschiedene molekularbiologische Techniken zur »Verbesserung« von Pflanzen. Es wird bei diesen Methoden zwar direkt in das Genom eingegriffen, aber keine fremde dna eingebracht. Es werden Gensequenzen ausgeschnitten und anderswo eingebracht – das Genom wird »umgeschrieben«. Diese neuen Techniken lassen sich im Nachhinein nicht nachweisen. Ob eine natürliche Mutation oder eine bewusste Veränderung vorliegt, kann somit nicht festgestellt werden. Die Industrie macht Druck, dass diese Techniken nicht dem strengen gvoRecht unterliegen. Sie will schnell und billig neue Produkte ohne Sicherheitstests auf den Markt bringen. Viele ngos und PolitikerInnen verlangen – basierend auf dem Vorsorgeprinzip und totaler Transparenz – strenge Kennzeichnung und Zulassung. Auch die Stadt Wien hat auf EU-Ebenen bereits die Positionen deponiert. — www.wien.gv.at/umwelt/wald/ landwirtschaftsbetrieb — www.wien.gv.at/umwelt/wua
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Rund und g’sund Erdäpfel sind ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Sie sind vielseitig einsetzbar, enthalten zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe, haben wenig Kalorien und außerdem schmecken sie auch noch gut.
Pestizidreduktion Lagererdäpfel aus heimischem Anbau gibt es von September bis Juni. Die natürliche Keimruhe von Erdäpfeln dauert unter günstigen Bedingungen bis April. Danach fangen sie an, auszutreiben. Um das hinauszuzögern, werden Keimhemmungsmittel eingesetzt: bei Bio-Erdäpfeln das natürliche Pflanzenhormon Ethylen, bei konventionellen Erdäpfeln chemisch-synthetische Mittel wie Chlorpropham oder Maleinsäurehydrazid. Im Rahmen unseres Pestizid-Reduktions-Programms (PRP) untersuchen wir konventionelle Erdäpfel u.a. auf diese Wirkstoffe und entwickeln gemeinsam mit den ProduzentInnen Strategien, um ihren Einsatz zu reduzieren.
Wenn Erdäpfel keimen Die Keimung von Erdäpfeln ist grundsätzlich nichts Schlechtes, sie zeigt lediglich, dass aus der Knolle wieder eine Pflanze wachsen will. Erdäpfel mit kurzen Keimen sind auf jeden Fall genießbar. Zu beachten ist jedoch, dass keimende Erdäpfel Solanin bilden. Je länger diese Keime sind, desto höher wird auch der Solaningehalt in der Knolle. Am höchsten sind sie in den Keimen und in grünen Stellen. Diese gehören deshalb großzügig entfernt und auch die Augen sollten ausgeschnitten werden. TEXT Claudia Meixner, Agrartechnikerin bei
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Pestizid-ReduktionsProgramm
(aus: »österreich vegetarisch« von katharina seiser, brandstätter verlag) zutaten • 500 g speckige Erdäpfel (am Vortag in der Schale gekocht) • 1 kleine Zwiebel oder 2 Jungzwiebeln • 250 g Sauerrahm • 125 g cremiger Frischkäse • Salz und weißer Pfeffer aus der Mühle • gute Prise gemahlener Kümmel • 1 EL gehackte Petersilie • evtl. 1 kleine Knoblauchzehe evtl. 1 TL gehackter frischer Majoran Erdäpfel schälen und grob reiben, Zwiebel schälen und hacken, alle Zutaten vermischen und abschmecken, ca. 1 Stunde bei Zimmertemperatur stehen lassen, nochmals abschmecken, evt. mit Kümmel oder Petersilie garnieren. Erdäpfelkas mit Schwarzbrot oder Roggenbrot servieren.
Wie wird die Keimung verhindert In der konventionellen Erdäpfelproduktion werden bei Lagererdäpfeln zur Verhinderung der Keimung chemisch-synthetische Keimhemmungsmittel eingesetzt. Am häufigsten kommt Chlorpropham zum Einsatz, das während der Lagerung mehrmals ausgebracht wird und Rückstände in den Knollen verursacht. Maleinsäurehydrazid wird auf dem Feld eingesetzt und verhindert ebenfalls die Keimung im Lager. Um Erdäpfel ohne Keimhemmungsmittel anzubieten, wird für Erdäpfel und Zwiebel, die mit Pro Planet-Label gekennzeichnet sind (erhältlich bei Billa, Merkur und Penny), schon seit mehreren Jahren ganz auf Keimhemmungsmittel verzichtet. Bei diesen Erdäpfeln wird das Austreiben, wie bei Bio-Erdäpfeln, durch kühle Lagerung hinausgezögert. Sobald diese jedoch aus dem Lager kommen und höheren Temperaturen ausgesetzt sind, fangen sie relativ bald an auszutreiben.
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Die aktuellen Untersuchungungsergebnisse finden Sie auf www.billa.at/prp oder im Statusbericht, den global2000 jährlich für rewe erstellt: www.global2000.at/sites/global/files/ statusbericht_8_2015.pdf
Ein Umdenken ist gefragt Kartoffeln zu kühlen, ist eine gute Methode, um sie auf dem Lager keimruhig zu halten. Im österreichischen Premium-Segment gehen die Bemühungen der Branche in diese Richtung. Es ist geplant mehr Kühllager zu errichten und diese mit Solarstrom zu betreiben. Ziel ist, in ein paar Jahren gänzlich ohne chemisch-synthetische Keimhemmungsmittel auszukommen, d.h. die Keimruhe ausschließlich mittels Kühlung zu erhalten. Allerdings sind sowohl der Handel als auch die KonsumentInnen gefragt. Einerseits ist Keimhemmung mittels Kühlung ein teureres Verfahren als der Einsatz von Keimhemmungsmitteln, andererseits ist auch die Aufrechterhaltung der Kühlkette bis zum Verbraucher ein wichtiges Kriterium für ein Gelingen dieses Vorhabens. Weiters sollte geringfügiges Austreiben der Knollen toleriert werden und nicht zu Reklamationen führen.
Zu Hause richtig lagern Lagererdäpfel können über einen längeren Zeitraum im Keller aufbewahrt werden. Temperaturen zwischen acht und zehn Grad sind optimal. Decken Sie die Knollen luftig mit Papier ab, um sie gegen Ergrünen und Austrocknen zu schützen. Wer keinen Keller hat, sollte kleinere Mengen einkaufen. Diese können einige Wochen im Gemüsefach des Kühlschranks gelagert werden, bei Zimmertemperatur hingegen treiben sie inner halb kurzer Zeit aus.
Entgeltliche Einschaltung
Rezept: Erdäpfelkas
global2000 untersucht im Rahmen des Pestizid-Reduktions-Programms (prp) seit nunmehr 15 Jahren wöchentlich Obst und Gemüse des rewe-Konzerns auf Pestizidrückstände und legt dabei deutlich strengere Maßstäbe an als das der Gesetzgeber tut. Die prp-Obergrenzen beruhen auf dem Vorsorgeprinzip und basieren auf von der EU festgelegten Werten für die chronische Gesundheitsgefährdung. Da Obst und Gemüse sehr oft mit mehr als einem Wirkstoff belastet sind, wurde auch eine maximale Summenbelastungsobergrenze eingeführt.
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Bild Gemeinde Scharnitz, Andreas Scheiblecker
Durstlöschen am IsarQuell in der Gemeinde Scharnitz in Tirol – einer von fünf Landessiegern der Kategorie WasserpreisGEMEINDE.
Wie wichtig die Ressource Wasser ist, zeigt der Neptun Wasserpreis alle zwei Jahre. Heuer wurden wieder die besten Projekte rund ums Wasser gesammelt und mit Geldpreisen und Ehrungen gewürdigt. Am Gruppenbild sind alle PreisträgerInnen der diesjährigen Verleihung sowie das Neptun-Organisationsteam zu sehen, durch den Abend führte Mari Lang.
Wasserprojekte auf dem Stockerl: Der Neptun Wasserpreis 2017 text
Helena Zottmann
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Der Neptun Wasserpreis Der Neptun Wasserpreis ist der österreichische Umweltund Innovationspreis rund ums Thema Wasser. Er wird seit 1999 zweijährlich an Projekte vergeben, die sich in innovativer Art und Weise mit dem Thema Wasser auseinandersetzen. Es geht darum, die Ressource und ihre Bedeutung für Leben, Umwelt, Wirtschaft, Kunst und Gesellschaft hervorzuheben: Das Lebensmittel Wasser, Wasser als Lebensraum und Wohlfühlort in der Gemeinde, Wasser in Tourismus, Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch in der Kunst. Getragen wird die Initiative vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (bmlfuw), dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (bmwfw), von der österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (övgw) und dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (öwav).
Entgeltliche Einschaltung
Am 21. März 2017 wurde bereits zum 10. Mal der Neptun Wasserpreis verliehen. Die Gala fand in der Aula der Wissenschaften in Wien statt und prämierte die eindrucksvollsten Wasserprojekte. Die Einreichphase begann schon im Sommer 2016 und insgesamt wurden 764 Projekte eingereicht. In den Fachkategorien WasserGLOBAL, WasserFORSCHT und WasserKREATIV setzte sich eine Fachjury mit den Projekten auseinander. Die Sieger der Kategorien WasserWIEN und WasserpreisGEMEINDE wurden in einem Online-Voting Anfang des Jahres ermittelt. Die ZuschauerInnen konnten den Gewinner des Hauptpreises direkt am Abend der Gala über ein Publikumsvoting küren. Die Projekte geben einen spannenden Überblick über die vielseitigen Formen des »Wasserengagements« in Österreich. Eine Übersicht über die Auszeichnungen sowie Impressionen von der Preisverleihung gibt’s unter www.wasserpreis.info
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Neptun – die ausgezeichneten projekte Bereits zum 10. Mal wurde heuer der Neptun Wasserpreis verliehen. Seit 1999 werden alle zwei Jahre Projekte preisgekrönt, die der Ressource Wasser mit wissenschaftlichem, kreativem oder sozialem Engagement Bedeutung verleihen. Eine Fachjury sowie das Online-Publikum wählten aus den 764 Einsendungen aus und dies sind die preisgekrönten Projekte:
Weitere Informationen zu den ausgezeichneten Projekten: www.wasserpreis.info
Fachkategorie WasserGLOBAL
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Regenwasser schafft Zukunft! (Thomas Haunschmid, care Österreich) — Das Siegerprojekt ermöglicht mit Flussschwellen und durch eine damit einhergehende breitere Verteilung des Regenwassers neue Anbauflächen im zentralafrikanischen Tschad.
2
Ökologische Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Gulu / Uganda (Ziviltechniker Josef Sperrer) — Ziviltechniker aus Österreich gaben ihr Wissen an afrikanische Baufirmen weiter – hier half man die Wasserversorgung und die Abwasserreinigung zu verbessern.
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Empowerment von Frauen, Indien (Martina Goldenberg, Katholische Frauenbewegung Österreichs) — Im Südosten Indiens, einer Region mit Wasserknappheit, unterstützt dieses Projekt die Frauen dabei, die Trinkwasserversorgung ihrer Familien sicherzustellen.
Fachkategorie WasserFORSCHT
1
EO4Water (Francesco Vuolo, boku Wien) — Das Siegerprojekt zeigt tagesaktuell die Wasserbilanz einzelner Felder in einem Online-Service an und hilft so dabei, dass sich die Landwirtschaft auf die Herausforderungen der ändernden klimatischen Bedingungen einstellt.
2
Schöne, bunte Donau (Aaron Lechner, Uni Wien) — Auch in der Donau schwimmen kleine und kleinste Teilchen Kunststoff – das fand man heraus, als man eigentlich Fischlarven in der Donau untersuchen wollte. Das Projekt wird als Informationsbasis für weitere Projekte dienen.
3
Ozonung von Kläranlagenablauf zur weitergehenden Abwasserreinigung (Heidemarie Schaar, TU Wien) — Gereinigtes Abwasser beinhaltet »organische Spurenstoffe«, also Hormone oder Rückstände aus Arzneimitteln. Mit der Ozonung als soll das bereinigt werden.
Fachkategorie WasserKREATIV
1
Social Pool (Alfredo Barsuglia) — Den Schlüssel für das geheime Schwimmbecken in der südkalifornischen Wüste musste man extra abholen. Überspitzt zeigt »Social Pool« ein global bedeutendes Thema: Die Verfügbarkeit von Wasser.
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Azzurra (Linda Wolfsgruber) — Das zweitplatzierte Projekt der Kategorie WasserKREATIV zeigt die Entstehung des Lebens in einem animierten Kurzfilm.
3
AAA Wasser (Roland Roos) — Kunst im öffentlichen Raum: Das Züricher Projekt Triple-A Wasser polarisiert und stellt Fragen zur Wassernutzung.
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Publikumskategorie Wasserwien
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Mit seinem Bild »Schwäne in der Alten Donau« überzeugte Thomas Haider das Publikum und konnte den ersten Platz in der Kategorie WasserWIEN für sich holen.
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Die Plätze zwei und drei holten sich »Goldener Herbsttag am Kaiserwasser« (Verena Popp-Hackner) und »Lusthauswasser im Prater« (Silke Dorner). Die Kategorie WasserWIEN widmete sich dem Motto »Wasser in Wien – zu jeder Jahreszeit«. Wie die Menschen diese Wasserorte nutzen, soll dieser Bilder-Preis anschaulich machen.
Publikumskategorie Wasserpreisgemeinde In der Kategorie WasserpreisGEMEINDE gab es 171 Einreichungen. 5 Projekte konnten für die Landespreise überzeugen, schlussendlich gab es einen Bundessieger:
Mit den Wasserwanderwegen holte sich die Marktgemeinde Krieglach den ersten Platz. In fünf Themenwegen wird die Wichtigkeit von Wasser hervorgehoben.
In den Ländern zeigten Niederösterreich und das Burgenland, Tirol, Oberösterreich und Vorarlberg, dass das Thema Wasser viel Potenzial bietet. v.l.n.r.: Natur erleben an der Leitha (NÖ), Lernen und Experimentieren am Mondsee (OÖ), Kunstprojekt »FrutzArt« in Rankweil (Vbg), Begegnungszone an der Isar-Quelle in Scharnitz (Tirol).
REGINA SCHRITTWIESER Regina Schrittwieser ist Bürgermeisterin der Gemeinde Krieglach. Die Gemeinde holte sich den Bundespreis beim Neptun Wasserpreis der Kategorie WasserpreisGEMEINDE.
Die Gemeinde Krieglach gewann mit Wanderwegen zum Thema Wasser. Warum, glauben Sie, hat Ihr Projekt gewonnen? Das Projekt setzt sich mit dem Thema Wasser in seiner ganzen Vielfalt auseinander. Es behandelt das Wasser als Quell des Lebens, also im Sinne der Trinkwasserversorgung, Wasser als Freizeitnutzung, zum Beispiel anhand von Freizeitseen, aber es bietet auch Wanderwege durch den Wald und entlang von Wildbächen. Wasser als Lieferant für erneuerbare Energie wird eben-
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so thematisiert und auch Wasser im Zusammenhang mit Naturgefahren, wie etwa Hochwasser und Muren. Zusätzlich wurden SchülerInnen der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in die Umsetzung des Projektes eingebunden, etwa beim Gestalten der Texte für die Infotafeln. Ein ausschlaggebender Punkt für den Preis ist sicher auch die übersichtliche Info zum Thema Wasser in diesem umfassenden Projekt. Muss man den Menschen noch viel beibringen? Nein, wir müssen ihnen überhaupt nichts beibringen. Wir informieren sie und machen Wasser erlebbar. Dabei sprechen wir alle Generationen an und sowohl Einheimische als auch Gäste. Wieso ist Aufklärung zum Thema Wasser nach wie vor wichtig? Wir leben in einem Land, wo hochwertiges Wasser zum Glück eine Selbstverständlichkeit ist und wir haben es in der Hand, dass das auch in Zukunft so bleibt. Ich finde es wichtig, darauf immer wieder hinzuweisen. Außerdem finde ich es wichtig, dass wir den BesucherInnen zeigen, welche Rolle die Gemeinde in diesem Zusammenhang spielt: Quellen, Hochbehälter, Hauptwasserleitungen und Hausanschlussleitungen müssen ja errichtet und erhalten werden.
Bild Siehe Bildbeschreibung, Gemeinde Krieglach, Bauer, Wanzenböck, Gemeinde Rankweil, Gemeinde Scharnitz
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Wenn die Landschaft verschwindet Weltweit sind Flächen von Erosion bedroht. Im äthiopischen Hochland zeigt sich die Verwüstung besonders gut. text und bild
Thomas Stollenwerk
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Mitarbeiter der ngo mfm inspizieren einen Erosionsgraben. Seit 2012 hat MfM in der Region Ginde Beret 270 Hektar Erosionsgebiet durch Aufforstung revitalisiert.
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erosion
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n den Great Plains, den großen Ebenen der usa, spielte sich in den 1930er-Jahren eine Katastrophe ab, bei der sich mancher Augenzeuge sicher war, sie habe biblisches Ausmaß. In den Bundesstaaten Oklahoma, Kansas, Texas, New Mexico und Colorado kam es damals über Jahre hinweg zu verheerenden Sandstürmen. Bis heute gibt es verschiedene Namen für diese Katastrophe: Dust Bowl, also Staubschüssel, oder schlicht: The Dirty Thirties, die schmutzigen Dreißiger. Der Staub, der Bauern um ihre Existenz brachte und innerhalb der usa größere Migrationsströme verursachte, war nicht göttlichen Ursprungs oder purer Zufall. Die Stürme waren eine Umweltkatastrophe mit menschlichem Zutun. Über Jahre hinweg war auf gigantischen Flächen das Präriegras mit seinem tiefen Wurzelwerk gerodet worden, um Flächen für den Weizenanbau zu gewinnen. Die traditionelle, nomadische Form der Viehhaltung, wie sie die indianischen Bewohner der Great Plains betrieben hatten, war aufgegeben worden, die Bisonbestände arg dezimiert. Als es dann in den Jahren 1935 bis 1938 zu einer langen Dürre kam, löste sich das Land förmlich in Staub auf. Erosion nennt man es, wenn das Land verschwindet. Dagegen kann man etwas tun. Die Folgen von Erosion und was man gegen sie unternehmen kann, lassen sich auch im Hochland Äthiopiens beobachten. Dort steht Beyhanu Bedassa in einem Dorf namens Goda Borunko am Rande dessen, was aussieht, wie eine kleine Version des Grand Canyon. Vor ihm tut sich im seicht abfallenden Gelände ein großer, verzweigter Riss auf. Wasser, Wind und Schwerkraft spülen hier das Erdreich davon. Es fehlt an Bewuchs, der dem Boden Stabilität verleihen könnte. An den Rändern dieses Gullys – so werden Erosionsgräben genannt – grasen Rinder.
Gabionen als Barrieren Bedassa ist bei der Hilfsorganisation Menschen für Menschen (mfm) Projektleiter für die Region Ginde Beret, ein Gebiet, das etwa 130 Kilometer nordwestlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba liegt. Um von der Metropole hierher zu gelangen, muss man sich stundenlang über bucklige Geröllpisten auf eine Höhe von über 2.500 Metern hinauf bewegen. Etwa 130.000 Menschen sind in diesem entlegenen Teil der Provinz Oromia zuhause. Die meisten von ihnen leben von der Landwirtschaft. Für sie stellen Risse wie jener, den Beyhanu Bedassa gerade inspiziert, ein Problem dar. »Ich war vor zwei Jahren das erste Mal hier. Damals war der Gully nicht annähernd so
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Mit Steinen gefüllte Drahtkörbe, sogenannte Galionen, dienen als Barriere für abrutschendes Erdreich.
MfM-Mitarbeiter und lokale Bauern besprechen, wie auf die Verwüstung der Weideflächen reagiert werden kann.
groß. Seither wächst er Jahr für Jahr in alarmierendem Tempo«, erklärt er. »Dieses Land wird eigentlich als Weideland genutzt. Jetzt finden wir hier nur noch Erde, kein Gras mehr.« Die Tendenz ist ziemlich deutlich erkennbar. Wenn an dieser Stelle nichts geschieht, dann wird den Bauern des Dorfes ihr Weideland eher früher als später ins Tal hinabgespült. Aber was kann man gegen diese rasante Verwüstung unternehmen? Punktuell versucht man in der Region Ginde Beret, mit gezielter Landschaftsarchitektur gegen die Erosion zu kämpfen. Das funktioniert auch, sind die mfm-Mitarbeiter überzeugt. Um das schnelle Wachstum der Erosionsrisse im Erdreich zu stoppen, werden von den äthiopischen ngo-Mitarbeitern quaderförmige Körbe aus dickem Drahtgeflecht mit Bruchsteinen gefüllt. Diese sogenannten Gabionen werden dann quer zum Verlauf der Erosionsgräben in die Senken eingelassen. Sie dienen damit als Barriere für nachrutschendes Erdreich. Ein simples Mittel, das umso effektiver funktioniert, wenn man es mit ein paar weiteren Maßnahmen kombiniert. Dazu gehört das Bepflanzen der Flächen in und um einen Erosionsgraben mit Hochstammgewächsen. Hier
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Dass selbst junge Bäume oft als Feuer- oder Bauholz gerodet werden, führt zu flächendeckender Entwaldung und zu wachsenden Erosionsproblemen.
im Hochland Äthiopiens wird dafür vor allem Eukalyptus verwendet. Und dann braucht es Geduld. Denn wenn die neu gepflanzten Gehölze schnell als Feuerholz gerodet werden, schlagen sie keine Wurzeln, die ausreichen, um den Boden zu stabilisieren. Und auch Ziegen oder Rinder müssen von den revitalisierten Gullys ferngehalten werden, um den Verbiss der Pflanzen zu vermeiden. Für die Bauern, die auf die Flächen angewiesen sind, ist das nicht immer ganz einfach. In Goda Borunko wissen die Bauern, dass sie sich an der Revitalisierung der Dorfweiden beteiligen müssen, um sie zu erhalten. Lelisa Ayala, einer der Dorfältesten, erklärt, dass 41 Haushalte ihren Beitrag leisten werden, durch Arbeitskraft, durch Spenden von Holz oder Nägeln, um die Flächen einzuzäunen. Wer sich nicht beteiligt, kann vom Idir ausgeschlossen werden, dem uralten sozialen Sicherungssystem äthiopischer Dörfer.
Bodenloser Leichtsinn Ein Gully, den mfm schon vor weiterer Erosion geschützt hat, lässt sich im Dorf Harbo Guba besichtigen. Tadesse Gonfa ist einer von drei Bauern, auf
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deren Land hier ein großer Riss entstanden ist. Bis die Behandlung des Gullys so weit abgeschlossen ist, dass die Fläche wieder landwirtschaftlich nutzbar wird, müssen er und seine Nachbarn alternative Einkommensquellen finden. Tadesse Gonfa hat Glück: Er hat auch Felder an anderer Stelle. Seine Nachbarn allerdings müssen für mehrere Jahre als Tagelöhner arbeiten, bis ihre Flächen revitalisiert sind. So rächt es sich, dass mit den spärlichen Ressourcen des äthiopischen Hochlands nicht immer sinnvoll gewirtschaftet wird. Große Bäume werden abgeholzt und als Feuerholz verwendet. Sie bieten den Hängen keinen Halt mehr. Viehdung wird ebenfalls meist verheizt, anstatt als Dünger für Gras und Getreide zu dienen. Vielschichtige Probleme, für die es keine simplen Lösungen gibt. ngos wie mfm setzen deshalb beim Schutz von Böden neben der Revitalisierung auf Bewusstseinsbildung. Denn, dass Böden Schutz benötigen, ist keine Selbstverständlichkeit. Weder in Äthiopien, noch anderswo. Auch in Europa gibt es kein einheitliches, juristisches Regelwerk, das Böden vor Erosion, Versiegelung oder Verschmutzung schützt.
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Biolebensmittelcamp
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Thomas Weber
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Dirk Holst
Eine Branche im Wandel Erstmalig fand Mitte März das Biolebensmittelcamp statt. In der fränkischen Rhön trafen sich Vorund Nachdenker der Biobranche zum Gedankenaustausch.
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io ist im Wandel. Bio braucht Wandel – gerade weil die Bewegung in den vergangenen Jahren zur boomenden Branche geworden ist. Der Nachteil dieser Entwicklung, von der Vermarkter, Veredler und nicht immer im gleichen Maß, aber doch auch die Bauern profitiert hatten: »Die Bio-Branche hatte durch das irrsinnige Wachstum in den letzten Jahren zu wenig Zeit nachzudenken.« Das meinte einer der knapp 100 Teilnehmer am ersten Biolebensmittelcamp. Genau um dieses Versäumnis zu ändern, hatten sich Vordenker im Bio-Hotel Sturm in Mellrichstadt einquartiert. Diskutiert wurde intensiv – und bis spät in die Nacht. Branchenspezifisches (wie der Generationswechsel, der langsam, aber sicher bei allen Bio-Pionieren der Gründergeneration ansteht) waren ebenso Thema wie Politisches. »Fleisch muss besteuert werden! Und das sage ich als Fleisch-Produzent«, war da etwa von Norbert Hackl (Labonca) zu hören. »Gerade für die zweite Bio-Generation war das Biolebensmittelcamp ein guter Ort des Austausches, der Inspiration und der Vernetzung«, resümiert Katharina Reuter vom Verband Unternehmensgrün. »Für uns als politische Stimme der nachhaltigen Wirtschaft war das Camp eine gute Gelegenheit zu spüren, bei welchen Themen Handlungsbedarf besteht.« 2018 wird das Biolebensmittelcamp von 16. bis 18. März im Landgut Stober (Brandenburg) stattfinden. www.biolebensmittelcamp.com
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Inspiriert: Die Teilnehmer des ersten Biolebensmittelcamp dachten über die Zukunft ihrer Branche nach.
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Leben auf Sicht Die aktueLLe buchreihe für neue nachhaLtige Wege
Wohnen neu erfinden Als Barbara Nothegger Mutter wurde, wagte sie das Experiment und schloss sich mit ihrer Familie einem gemeinschaftlichen Hausprojekt in Wien an. 100 Menschen bauten sich ein Haus mit flexiblen Wohnungen, Gärten, Freiräumen für Kinder und einem ökologischen Lebensstil. Die Bewohner wollten füreinander da sein – ganz so wie früher im Dorf. Doch wie gelingt ein Zusammenleben in einer von Individualismus geprägten Welt? Sind gemeinschaftliche Wohnprojekte eine Antwort auf drängende Fragen wie Vereinsamung, hohe Mieten und Ressourcenverschwendung? Barbara Nothegger zeigt anhand von vergleichbaren Häusern in Deutschland und der Schweiz, wie gute Nachbarschaft zu mehr Lebensqualität führt, und schildert humorvoll, wie sie in ihrem Wohnprojekt glücklich wurde.
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Bunny McDiarmid
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»Das gröSSte Sicherheitsrisiko ist der Klimawandel« Von der Deckarbeiterin auf dem Greenpeace-Schiff zur Geschäftsführerin – Bunny McDiarmid machte Karriere bei Greenpeace. Ein Gespräch über Aktivismus, Atomwaffen und den Mann mit dem blonden Haar.
Seit mehr als einem Jahr sind Sie Geschäftsführerin von Greenpeace. Wie genervt sind Sie inzwischen eigentlich von Fragen über Donald Trump? bunny mcdiarmid: (lacht) Ich bin nicht genervt. Die Wahl von Donald Trump ist sicherlich schlecht für die Umwelt. Das zeigt sich bereits bei seinen Nominierungen für die Ministerposten. Die Wahl war aber auch ein Weckruf. Es beschäftigen sich nun mehr Menschen als vor einem Jahr mit (Umwelt-) Politik. Vielen ist jetzt bewusst, dass die Menschen nicht nur am Wahltag, sondern täglich Entscheidungen für nachhaltige Welt treffen können und müssen. In ihrer aktivistischen Arbeit haben Sie vor allem gegen Atomwaffen protestiert. In einem Tweet hat Donald Trump eine Erweiterung der Nuklearwaffenkapazität der usa zumindest angedeutet – wie glauben Sie wird sich seine Präsidentschaft auf die Atomwaffenkapazität weltweit auswirken? Das letzte, was die Welt benötigt, ist ein Rüstungswettbewerb. Die usa besitzen mehr Nuklearwaffen als alle anderen Länder gemeinsam. Es gibt keinen
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Grund, dieses Arsenal zu erweitern. Trumps Regierung investiert das Geld der US-Bürger in die falschen Stellen, wenn sie dadurch die Sicherheit des Landes erhöhen will. Das Pentagon hat darauf hingewiesen, dass das größte Sicherheitsrisiko für die usa der Klimawandel ist. Wie hat Ihr Aktivismus gegen Atomwaffen begonnen? Bei meiner ersten Greenpeace-Aktion wurden 1985 die Bewohner der Rongelap-Atolle in den Marshallinseln von ihrer Heimatinsel auf eine andere PazifikInsel übersiedelt. 20 Jahre nachdem ihre Insel im Zuge eines Nuklearwaffentests des US-Militärs radioaktiv verseucht wurde, hatten die Bewohnern noch immer gesundheitliche Probleme. Weil sie skeptisch gegenüber der US- und der eigenen Regierung waren, haben sie Greenpeace um Hilfe gebeten. Die Einwohner von Rongelap sind Überlebenskämpfer. Sie haben über Jahrhunderte auf ihren kleinen Inseln überstanden. Als wir die Bewohner evakuierten, wurde mir bewusst, wie schädlich Nuklearwaffen auf die Umwelt und Menschen für
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INTERVIEW
Jonas Achorner BILD
Greenpeace / Dave Hansford
Auf der legendären Rainbow Warrior leistete die heutige Greenpeace-Chefin einst Dienst an Deck.
Generationen sind. Heute sind diese Pazifikinseln stark von einem fortschreitenden Klimawandel betroffen. Die Pazifischen Inseln, wie eben die Marshallinseln, sind niedriggelegene Atolle. Der Anstieg des Meeresspielgels und extreme Wetterevents haben enorme Auswirkungen auf diese Länder. Deshalb hat die Bevölkerung ein völlig anderes Bewusstsein für den Klimawandel. Als ich Kiribati in den späten 1980er Jahren besucht habe, sagte der damalige Präsident der Insel zu mir: »Du weißt, was das bedeutet? Es bedeutet, dass in 50 Jahren meine Heimat kaum bewohnbar sein wird. 50 Jahre später wird meine Sprache und weitere 50 Jahre danach meine Kultur verschwunden sein«. Für diese Nationen ist es entscheidend, dass sich die globale Mitteltemperatur nicht um mehr als 1,5 Grad erhöht. Das ist das Ziel des Klimagipfels von Paris. Wir müssen sehr hart und schnell daran arbeiten, dahin zu kommen. Die Länder im Pazifik sind das beste Beispiel, warum. Vermissen Sie jetzt als Geschäftsführerin nicht diesen direkten Zugang zu den Geschehnissen? Ich habe in meinem ersten Jahr als Geschäfts führerin Zeit im Amazonas verbracht, um gemeinsam
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mit der indigenen Bevölkerung der Munduruku gegen das Wasserkraftwerk am Tapajós-Fluss zu demonstrieren. Ein Projekt, dass das Herz des Amazonas beeinflussen könnte. Ich habe das Gefühl, dass ich in den entscheidenden Momenten, wenn es wirklich zählt, draußen sein kann. Es ist wichtig, nicht zu abgehoben zu sein und doch den Überblick über das Gesamtsystem zu haben. Mit dem Blick auf das Gesamtsystem: Lässt sich unser kapitalistisches Wirtschaftssystem noch »ergrünen«? Eine Gesellschaft sollte die Möglichkeit bieten, kreativ und eigenständig zu sein. Aber nicht zum Nachteil des Kollektivs. Leider ist unser wirtschaftliches Denken individualistischer geworden und nicht im Einklang mit der Natur. Es basiert auf dem Glauben, dass endloses Wachstum möglich ist. Wir haben aber natürliche Grenzen. Wir müssen daher die Art und Weise verändern, wie wir wirtschaften. Weil es nicht funktioniert. Nicht für den Menschen und nicht für die Natur. Bunny McDiarmid hält am 27. April einen Vortrag zum zehnten Jubiläum der erdtage im MQ Wien.
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nora pouillon
INTERVIEW
Juliane Fischer
Steirisches Kürbiskernöl in D.C. Der James Beard Award wird als der »Oscar der Kulinarik« beschrieben. Dieses Jahr bekommt ihn Nora Pouillon für ihr Lebenswerk verliehen. Die Österreicherin hat vor 40 Jahren beschlossen, das erste biozertifizierte Restaurant der usa zu eröffnen. Seitdem ist viel geschehen. Ein Gespräch.
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nora pouillon
Sie sind Wienerin und im Krieg in den Tiroler Alpen aufgewachsen. Was hat Sie in die USA verschlagen? nora pouillon: Nach Amerika gekommen bin ich im Dezember 1965. Ich war 21 Jahre alt und frisch verheiratet. Mein französischer Mann bekam eine Stelle als Journalist bei Voice of America. Ich musste rasch lernen, unseren Haushalt zu schupfen. Besonders mit einem Franzosen muss man gut kochen können. Die Grundlagen habe ich von meiner Mutter gewusst. Wie hat man damals in Washington D.C. gekocht? Amerika war eine kulinarische Wüste – Wasteland. Es war anfangs nicht so einfach, gute Sachen zu finden. Es gab Wonderbread, Eisbergsalat, fast kein frisches Gemüse, alles verpackt, in Dosen oder gefroren. Äpfeln, Birnen, Orange und Zitronen konnte man das ganze Jahr über kaufen. Ich habe mich auf die Suche gemacht nach kleinen Ethnic Stores und habe alles zusammengetragen und verkocht. Schon bald haben mich Freunde gefragt, ob ich ihnen das Kochen lehren kann. Deswegen habe ich 1972 eine Kochschule gestartet. Durch das Suchen nach Produkten in den Kochklassen haben Sie sich mit Herkunft und Produktion der Lebensmittel beschäftigt. Wie war Ihr Bild von der Landwirtschaft damals? Ich habe zum ersten Mal vom Einsatz von Antibiotika im Futter und von Hormonen gehört. Ich sah, welche Fungizide, Pestizide, Herbizide eingesetzt werden und wie entsetzlich die Tierhaltung funktioniert in diesen Feedlots. In Österreich gab es diese Art von Landwirtschaft noch nicht. Da hatten die Äpfel noch kleine Punkterl. Amerika war schon im Perfektionswahn. Das muss ein Schock gewesen sein. Ich habe mich umgeschaut und mir gedacht: Das gibt’s doch nicht, dass Leute so etwas essen. Sie waren aber auch mehr krank, als ich es von Österreich in Erinnerung hatte. So viele Menschen litten an Herzkrankheiten, hatten Krebs oder waren fettleibig. Niemand hat Verantwortung für die eigene Gesundheit übernommen. Wenn man krank war, ging man zum Arzt, nahm Medikamente und dachte nicht weiter drüber nach. So etwas wie Gesundheitsvorsorge kannte man hier nicht. 1977 haben Sie dann begonnen, nach einem Platz für ein eigenes Restaurant zu suchen. Warum? Wenn mich Leute fragen, wie es soweit kam, sag ich immer: aus Gesundheitsgründen. Ich wollte einfach gutes Essen für meine Familie finden und dieses oberste Ziel habe ich dann weitergetragen ins Restaurant. Wie stand man damals zu gesundem Essen? Ist da das Hippie Food, das keinen so guten Stand mehr hatte, noch mitgeschwungen? Am Anfang haben mir Freunde geraten: »Don’t call your restaurant healthy, organic or natural food.« Die Leute würden denken, es sei unappetitlich und zwar gesund, aber nicht gut schmeckend. Bei Hippie-Essen dachten alle nur an Tofu und Sprossen. Ich sprach immer von Additive-free Food, also Lebensmittel ohne Zusätze.
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Mittlerweile ist es ja wieder hip, organisch zu essen. Das hat 30 Jahre gedauert. Wenn ich gefragt werde, warum bio, dann sage ich immer: »Ich geb’ lieber das Geld für mein Essen aus als für Arzt und Medikamente.« Man kann Prioritäten setzen und das kommt langsam in den Köpfen an. Wo haben Sie biologische, naturbelassene Lebensmittel gefunden? Es war irrsinnig schwer, biologisches, natürliches Essen zu finden. So habe ich begonnen, Bauern zu suchen und ein Netzwerk aufzubauen. In den 1970erJahren haben Bauern viel in Hippie-Kommunen gearbeitet. Dort hatte ich mein Gemüse her. Dann bin ich auf einen Großhändler gestoßen, der einmal in der Woche aus Kalifornien mit einem Truck mit biologischen Produkten gekommen ist, alles sehr limitiert auf Saisonales und was gut haltbar und transportfähig war: Karotten, Kraut, Rüben. Damit war meine Auswahl an Gemüse sehr gering. Man lernt damit umzugehen und wird kreativ. Meinem Rindfleischbauer musste ich ein ganzes Tier mit 500 kg abnehmen. Steaks gab es dann selten, ich musste draufkommen, was ich mit Gulaschfleisch und Faschiertem mache. So war es mit Lamm und anderen Tieren auch. Wie gehen Sie mit Speiseresten um? Wir recyclen und machen unseren eigenen Kompost. Im Hof steht eine riesige Tonne, die jeden Tag voll wird mit Resten. Das macht mich oft wahnsinnig, denn Karottenschalen zum Beispiel könnte man ja noch für Suppe verwenden, oder zum Gemüseeintopf. Wir trennen den Müll, trennen Dosen, Glas, Restmüll. Doch für Papier gibt es hier in Washington D.C. leider keine eige-
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Seit 30 Jahren stellen wir ökologisch unbedenkliche Wasch- und Reinigungsmittel von höchster Qualität und Effizienz her und:
»Bei Hippie-Essen dachten alle nur an Tofu und Sprossen. Ich sprach immer von additive-free food, also Lebensmittel ohne Zusätze.« ne Sammlung im Gewerbe, nur bei Privaten. Vor dem Restaurant habe ich einen kleinen Garten mit einem Marillenbaum und einem Feigenbaum, Thymian, Rosmarin und Oregano. Weil wir im Wohngebiet liegen, durften wir keinen Schanigarten aufmachen. Aber das wurde mir vor mehr als 30 Jahren gesagt, vielleicht sollte ich wieder einmal ansuchen ... Vor 20 Jahren haben Sie auch einen Bauernmarkt initiiert. Ja, weil man in D.C. zu weit weg ist von seinem Essen. Hier gibt es keine Verbindung zu den Produzenten. Niemand weiß über die Saisonen Bescheid. Wenn man eine Beziehung zur Herkunft aufbaut, schätzt man das Essen mehr. Am Bauernmarkt ist es natürlich teurer als im Supermarkt. Amerikaner geben sehr wenig ihres Einkommens für das aus, was sie zu sich nehmen. Nora wurde 1999 das erste biozertifizierte Restaurant in den usa. Sie haben damals die Standards mitgestaltet. Wie hat es sich entwickelt? Wie viele BioLokale gibt es heute? In ganz Amerika gibt es nur eine Handvoll BioRestaurants – zwei davon in Seattle von einer Frau, die ich beraten habe. Ich habe die Standards mitgestaltet damals. Mittlerweile habe ich einen sehr guten Ruf aufgebaut. Viele Menschen kommen, weil es gesund ist und gut schmeckt. Sie verbinden das gar nicht mit biologisch oder saisonal. Da gibt es kein so hohes Bewusstsein. Das heißt, in Punkto Wissen hat sich nicht viel verändert seit Ihrem ersten Schock im »culinary wasteland«? Das Unwissen ist noch heute da. Ähnlich wie jene, die den Klimawandel leugnen, haben viele damals
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wir denken noch weiter.
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gesagt: Das kann doch gar nicht sein, dass die Regierung zulässt, dass unser Essen so produziert, ja fast vergiftet wird. Mir ist aufgefallen, wie ich selbst und meine Kinder viel gesünder sind und waren. Wir hatten mehr Widerstandskraft. Ich glaube, das hängt davon ab, dass wir bekömmliches, nährstoffreiches Essen gekriegt haben. Außerdem habe ich drauf geschaut, dass wir uns genug in der Natur bewegen: Wandern, Skifahren, Rodeln. Mit der Zeit habe ich mehr und mehr Gleichgesinnte kennenlernt – Leute, die gleich bio-verrückt waren wie ich. Besonders in den 1980er-Jahren war Konsumerismus angesagt. Nur wenige hielten nachhaltige Ernährung für wichtig. Man war so gutgläubig und vertraute dem Staat. Gerade bin ich dabei, mein Restaurant zu verkaufen. Von allen Interessenten will es niemand biozertifiziert weiterführen. Das ist schon ein Zeichen, dass sich die wenigsten damit auseinandersetzen. Wie hat sich die organische im Vergleich zur industriellen Landwirtschaft entwickelt? Dass es natürlich ideal ist, wenn der Bioproduzent ein Kleinbauer ist, ist klar, aber das geht ja nicht in Amerika, es ist so riesengroß. Das sagen sie immer: Biologisches Essen ist nur für die reichen Leute, die es sich leisten können. Nur die Upper-Class, das soll es aber nicht sein. Deswegen ist auch biologische Erzeugung industrialisiert worden. Wie finden Sie das? Ich bin froh darüber, weil mehr und mehr Menschen informiert worden sind, dass konventionelles Essen all diese Pestizide beinhaltet. Jetzt ist es auch für weniger Reiche möglich, das zu umgehen. Bio ist jetzt auch für die Masse erhältlich. Nahezu alle normalen Supermärkte haben zumindest eine Bio-Ecke eingerichtet. Die wollen da auch mitschneiden. Besonders an der kalifornischen Küste gibt es riesige Betriebe, die biologische Nahrungsmittel herstellen. An die Gesetze für die BioZertifizierung müssen aber auch sie sich halten. Wie läuft die Zertifizierung ab? Das Zertifikat wird vom US-Department of Agriculture kontrolliert und ausgegeben. Diese Regulierungen gilt es jedenfalls einzuhalten. Manche Bundesstaaten haben ihr eigenes Zertifikat zusätzlich, aber alle werden von staatlicher Seite kontrolliert. Ich finde, die Regeln sind gut, aber man muss aufpassen, dass sie nicht verwässert werden. Große Konzerne versuchen es immer wieder mit Schmähs wie »Unser Hendl ist biologisch, obwohl ich kein biologisches Getreide füttere.« Das geht natürlich nicht. Dafür haben wir das National Organic Standards Board, das bunt gemischt aus 20 Leuten aus unterschiedlichen Richtungen – von Lehrern bis hin zu Bauern und Besitzern biologischer Unternehmen – besteht. Die sind quasi das Richtergremium. Wie oft findet im »Nora« diese reguläre Kontrolle statt? Jedes Jahr kommt ein Inspektor für drei bis vier Stunden zu mir ins Restaurant. Ich muss alle Zertifi-
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kate meiner Lieferanten vorbereitet haben. Er schaut die Speisekarte an und sagt zum Beispiel: »Gegrilltes Steak mit Kartoffeln und Brokkoli« Davon will er dann die Rechnungen und die Zertifikate sehen. Er inspiziert die Aufbewahrung, denn die fünf Prozent an erlaubten nicht-biologischen Lebensmitteln müssen separat gelagert und beschriftet sein. Meistens sind das Gewürze und asiatische Sachen … Was ist schwer in Bio-Qualität zu bekommen? Naja, österreichisches Kürbiskernöl in biologischer Qualität finde ich schwer. Das gibt’s nur aus Frankreich, aber ist natürlich nicht so gut. Woher beziehen Sie das? Von einem internationalen Händler. Die Italiener haben beispielsweise einen eigenen, der klassische italienische Bio-Produkte vertreibt. Da krieg ich meinen Parmesan oder Balsamico, Olivenöl und Gorgonzola her. Für Österreich gibt es keinen Vertreter hier. Eigentlich erstaunlich, wo Österreich doch als ein Bio-Vorzeigeland gehandelt wird. Es gibt nicht genug typisch österreichische Produkte. Was gibt es sonst noch außer Kürbiskernöl? Hm, Sauerteigbrot, Elsbeeren, Dirndln, Kipfler Kartoffeln, Grüner Veltliner, … Viele Amerikaner schätzen so etwas nicht. Die italienischen Produkte sind bekannter. Außer natürlich der Veltliner. Der ist seit zehn Jahren im Trend. Den gibt es schon vom Bio-Weingut in Literflaschen im Whole Foods. Man müsste sich mehr auf Firmen konzentrieren, die Marmeladen oder Preiselbeer-Kompott herstellen. Das Ganze macht ja wieder nur ab einer gewissen Menge Sinn. Viele Europäer haben Angst, dass durch ttip die Standards für Herkunftsangabe und Biozertifizierung gesenkt werden oder weniger nachverfolgbar werden. Wie ist die Wahrnehmung in den usa? Hier ist das nicht so. Was bei Produkten zählt ist nur, ob es amerikanisch ist oder aus dem Ausland kommt. ttip ist kein Schlagwort hier. Wenn, dann spinnt sich die Diskussion nur rund um die Angst des LohnarbeitOutsourcings. Wie das den Handel beeinflusst und speziell Lebensmittel: dazu gibt es hier kein Bewusstsein und Wissen. Ich verstehe nicht: Warum würden Europäer von den usa kaufen? Weil es in großen Mengen und mit anderen Standards günstiger produziert werden kann, zum Beispiel. Wenn man Fleisch von Amerika nach Europa bringt, dann ist das ja ein riesiger Energieaufwand! Die EU muss eben Regeln haben. Sie darf kein gmo akzeptieren oder keine Chemikalien. Das betrifft auch Kosmetikfirmen, die zu viele Chemikalien verwenden und deswegen nicht nach Europa exportieren dürfen. Was, wenn durch ttip der Standard in den usa gehoben würde? Das wäre sicher gut.
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Neuer Sinn für alte Räder Wie ein Start-up ausrangierte Fahrräder »filetiert« und daraus Kunststücke macht. Text Jonas Achorner Bild Maria Noisternig
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er den Bahnhof in Wördern hinter sich lässt, sieht sie gleich: die lebenden Exemplare. Angekettet an den Gartenzaun oder in freier Wildbahn auf der Straße. Wie in so vielen Orten in Europa sind Fahrräder in der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern – rund 20 Kilometer entfernt von Wien – Teil des öffentlichen Erscheinungsbildes. Aber Fahrräder sterben. Sie werden durch neuere Modelle ersetzt, abgestellt und verrosten. Meist landen alte Stahlräder in der Schrottpresse. In Wördern entsteht aus diesen toten Rädern etwas Neues.
»Wir nehmen etwas, das nicht geschätzt wird, und kreieren etwas Wertvolles daraus. Es ist ein Prozess der Inwertsetzung« — Stefan Novak
zerlegen in filets Josef Sedlak und Stefan Novak stehen in ihrem Atelier auf dem Dorfplatz von Wördern. 2015 wurde dieses ehemalige Gestüt von Künstlern, Handwerkern und engagierten Einwohnern umgestaltet. Heute gibt es auf dem »Dorfplatz« genannten Gut mehrere Ateliers, eine Gemeinschaftsküche und eine Werkstatt für alte Fahrräder. Jahrelang reparierte und baute der freischaffende Künstler Stefan Novak in seinem privaten Atelier Velos um. Für einen Teil der Fahrräder, wie Fahrradrahmen oder Reifen, fand er keine Verwendung. Als er an einem Abend seine Werkbank zusammenräumte, lagen zufällig eine Metallplatte, eine Fahrradgabel und ein Vorderlicht auf dem Tisch. »Ein magischer Moment«, sagte Novak. Fortan fertigt der 50-jährige Tischlampen aus alten Rädern an. Gemeinsam mit dem 33-jährigen Josef Sedlak gründete er vor zweieinhalb Jahren Fahr-
radfilet. Aus Stahlfahrradrahmen produzieren sie nicht nur Tischlampen, sondern auch Hocker, Klopapierhalter und Kleiderbügel. »Wir nehmen etwas, das nicht geschätzt wird, und kreieren etwas Wertvolles daraus. Es ist ein Prozess der Inwertsetzung«, sagt Novak. Der Name Fahrradfilet sei aus einem Gespräch von Novak mit einem Freund entstanden. Dieser bedauerte, dass von Nutztieren nur die vermeintlich besten Stücke gegessen werden. »Ich habe mir gedacht: ›Was ist das Filet des Rades?‹«, sagt Novak. Heute kreiert er ebensolche aus Fahrrädern.
vom schrott zum designstück Auf dem Tisch in der Mitte des Ateliers von Fahrradfilet liegen halbfertige Lampen, Fahrradlenker hängen im Schrank. Die polierten Rohre sind in Boxen aneinandergereiht. Seit der Gründung hat Fahrradfilet zirka 300 Räder verarbeitet. Die alten Velos erhält Fahrradfilet hauptsächlich aus Wien. Von Wohnbaugenossen-
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66 schaften, aus Kellerräumungen und von Privatpersonen holt Novak die Fahrräder ab und liefert sie nach Wördern. In ihrem »Schlosserei-Atelier« werden die Anbauteile der Fahrräder abmontiert und die Fahrradrahmen in einzelne Rohre zerschnitten. »Öle, Fette und Flugrost gehören aufwendig entfernt«, sagt Sedlak. Würden die beiden statt zu putzen neue Fahrradrahmen verwenden, könnten sie günstiger produzieren. Mit der investierten Arbeitszeit kostet eine Tischlampe zwischen 130 und 210 Euro, ein WC-Papierhalter von 35 bis 50 Euro. Jedes Unikat wird einzeln geschätzt. Nach dem »Filetieren« schleifen und schweißen die beiden die Fahrradteile zusammen. Am Dorfplatz
werden die Konstruktionen für den Verkauf poliert und zusammengebaut. Statt wie zu Beginn auf Kunsthandwerksmärkten wird die Ware über einen Online-Shop, Designerläden oder direkt vertrieben. »Von einem Projekt haben wir uns zu einem Unternehmen mit eigener Persönlichkeit entwickelt«, sagt der als selbstständiger Unternehmensberater tätige Sedlak. Für Novak und Sedlak ist es schwer, passende Fahrräder zu finden. Räder aus Aluminium- und Karbon seien als Arbeitsmaterial ungeeignet. »Wie bei Bergwerksbetreibern« sei ihre Ressource, die Stahlräder, endlich. Noch gibt es jedoch genug. Laut der für Abfall zuständigen Wiener Magistratsabteilung 48 (ma48) wurden in Wien 2016 zwischen 700 und 800 Fahrräder und Fahrradteile, wie Pedale, der Schrottpresse zugeführt. Wie viele Fahrräder nie mehr einen Fahrradweg sehen werden, ist unklar.
nach wördern die ganze welt? Dennoch vertrauen Novak und Sedlak in das Potenzial ihrer Idee über die österreichischen Grenzen hinaus. »Wir wollen anderen Motivierten helfen, ein ähnliches Konzept aufzubauen«, sagt Novak. Nicht als Franchise, sondern als »Friendchise«. Aus ökologischen Gründen setzen Städte weltweit auf das Fahrrad. Doch als Teil der Wegwerfgesellschaft ist das Fahrrad selbst ein ökologisches Problem. Um einen Teil der Lösung zu sehen, muss das Problem wohl in seine Einzelteile zerlegt werden.
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Speis und Trank
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Micky Klemsch
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Mikele Dray / Shutterstock.com
Ewiges Leben für die Alufolie? Manchmal, so gestehe ich mir ein, verwende ich diese »böse« Verpackung selbst noch, für Folien kartoffel im Rohr zum Beispiel.
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m Rahmen einer Fernsehaufzeichnung hat mir die Ernährungsberaterin Sascha Walleczek einmal erzählt, dass Alufolien mit Alzheimer in Verbindung gebracht werden. Seitdem hab ich Alufolie für einige Gerichte durch Backpapier ersetzt, dass ich dann dichter einwickle. Für mit Gemüse gebackenen Feta zum Beispiel. Vor drei Jahren hab ich dann Kurt Langbeins Dokufilm »Die Akte Aluminium« gesehen, seitdem ist die glitzernde Folie ein Tabu. Gut, sie liegt noch in der Lade und erinnert mich hin und wieder an die Schulzeit, als ich von Muttern täglich irgendein geschmiertes Brot in der Glitzerfolie verpackt in der Schultasche gefunden habe. Daran kann ich mich also noch erinnern. Nun geht es mir aber nicht nur um das Material Aluminium, sondern generell um Verpackungen, die nach einmaliger Nutzung weggeworfen werden. Geschenke zum Beispiel verpacke ich seit Jahren nur mehr in altes Zeitungspapier, ein buntes Mascherl oder irgendwelche aufgeklebten Gimmicks geben der Verpackung aber dennoch Schick. N. zum Beispiel kocht sich einmal in der Woche gar köstliche, gesunde Gerichte, die sie in Gläser geschichtet dann zur Arbeit mitnimmt. Unlängst hat sie mir auch eines in die Firma gebracht, schnell aufgewärmt war das eine Supermahlzeit. Und das Glas hab ich ihr am nächsten Tag wiedergebracht. Es wird noch ein langes Leben bei uns haben.
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Und für die Jausenbrote in die Arbeit habe ich auch eine tolle Lösung gefunden. Es gibt ein Produkt, das nennt sich Jaus’n Wrap und hat neben den praktischen Vorteilen der Verwendbarkeit auch folgende zwei tolle Eigenschaften: Es ist bio und es kommt aus der Region. Was man heute vielleicht auch Start-up nennen würde, sind Bene und Rosi, ein Familienbetrieb aus dem Waldviertel, die jedes dieser Wickeltücher händisch produzieren. Basis dafür ist ein kleines Baumwolltuch, das den höchsten ökologischen Normen entspricht. Es wird mit Bienenwachs, Baumharz (beides wirkt in ausgewogener Kombination antibakteriell) und Jojobaöl (für die Geschmeidigkeit) behandelt.
Einfach kalt abwaschen Den Jaus’n Wrap hab ich auf der biorama fair fair entdeckt, auch am Heldenmarkt gab es das Ding schon. In ihrem eigenen Online-Shop verkaufen Bene und Rosi die Tücher einzeln und im Set. Sie sind sehr oft wieder verwendbar und bei guter Pflege (einfach kalt abwaschen) an die zwei Jahre haltbar. Ich mag die Teile und es fühlt sich auch gut an, nicht nur weil ich weiß, das es jedes Mal, wenn ich es öffne, etwas Gutes zum Essen gibt. Und die restliche Alufolie wird weitere Jahre unbenützt, wie als Erinnerung an vergangene, nicht so nachhaltig gelebte Tage in meiner Küchenlade liegen.
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Unsere Eier haben eine weiße Weste.
Was 2013 bei Ja! Natürlich begann, ist heute Standard für die ganze Bio-Branche. Gockel-Küken werden nicht mehr aussortiert, sondern mit Liebe in artgemäßer Haltung aufgezogen. Und die Gockel-Schwestern legen entspannt wunderschöne, cremefarbene Eier, die sich perfekt zum Bemalen eignen. Frohe Ostern!
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www.janatuerlich.at
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glasgeflüster / Sarah Krobath und Jürgen Schmücking
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Im Wein vereint
illustration Nana Mandl
Wenn Neo-Winzer gemeinsame Sache machen, entsteht Spannendes – in Niederösterreich wie in Südfrankreich.
sarah: Bei der gemeinsamen Arbeit kommen neben Freude auch die besten Ideen auf. Der Grundstein für den Wein der Stunde wurde etwa von Isabell und Christoph Wiesner mit Jürgen beim Werken an ihrem MangalitzaBuch »A fette Sau« gelegt. Die Selbstversorger-Familie züchtet im niederösterreichischen Wischathal Mangalitza-Schweine, hält ein paar Kühe und bewirtschaftet neuerdings 1,45 Hektar Weingärten in Leodagger. Produziert wird »genug für alle, die mitarbeiten und etwas mehr«. Dieses Mehr gibt es nun über Anteilsscheine ab 500 Euro zu erwerben. Im Vordergrund steht aber das gemeinsame Experimentieren – ohne finanziellen Druck und standardisierte Endprodukte. Mal werden die Reben – hauptsächlich Grüner Veltliner – gequetscht und gepresst, mal von einem Familienmitglied getreten, vielleicht wandern auch ein paar mit dem Most in die Amphore. Eine Garantie gibt es nur »auf Arbeit und Spaß«. Teamwork ist auch beim Trinken angesagt, aktuell gibt es den Wein – Namen hat die mit 150 Litern stark limitierte Nullserie 2015 noch keinen – nämlich nur in der Dopplerflasche. Das junge Weingut »Tero.R« wurde übrigens nach Tero Räsänen benannt. Der Koch aus Finnland packt seit drei Jahren am Biohof mit an und kocht lieber Erdäpfel für die Mangalitzas als Menüs für den finnischen Präsidenten. Sollte die Truppe irgendwann die Freude am Weinmachen verlieren, wird mit dem Rebholz eben dem riesigen Kartoffelkocher ordentlich eingeheizt, so der Plan B. Woraus: Gläser für alle! Wozu: Mangalitza-Speck natürlich Mit wem: den Kollegen nach getaner Arbeit
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jürgen: Außergewöhnliche Weine erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Sarah hat mir so einen außergewöhnlichen Wein empfohlen (und auch gleich mitgebracht). Ich bin damit zu einem guten Freund und wollte mit ihm gemeinsam den Wein kosten. Der übersiedelt allerdings gerade in die Wachau und in der leeren Wiener Wohnung waren keine Gläser aufzutreiben. Jedenfalls keine Weingläser. Es mussten also Alternativen her. Er fand ein altes Ikea-Glas, ich einen Zahnputzbecher. Der Wein war großartig. Der Abend auch. Sarah brachte mir eine Flasche aus Südfrankreich, vom collectif anonyme, und ich bin sicher, die Winzer hätten eine Freude daran gehabt, uns trinken zu sehen. Der Wein ist Südfrankreich pur. Banyuls sur Mer, mitten in der Appellation Banyuls Collioure. Wer Banyuls kennt, weiß, es ist heiß. Von den steilen Weinbergen der Region kommen extrem kräftige Rotweine, die zwar hoch im Alkohol, aber aufgrund des kargsteinigen Bodens gut ausbalanciert und harmonisch sind. So auch der Redrum. Ein Monument von einem Rotwein. Fast kein Schwefel, 80 % Grenache noir, 20 % Carignan, 16 % Alkohol. Der Wein hat enorme Zugkraft und Power. Im ersten Augenblick macht er dich sprachlos. Das dauert aber nur kurz. Dann wird gesprochen. Viel gesprochen. Völlig ungewöhnlich für einen Männerabend. Woraus: Ikea-Glas oder Zahnputzbecher Wozu: Basses-côtes désossées (oder Hochrippe, wie wir sagen würden) Mit wem: einem dem Freund
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Eingebrockt & Ausgelöffelt
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Anna Zora Esa Lotte
Kombucha ist ein Gärgetränk
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mmer wenn Anna ihre Großeltern besuchte, hat Opa schon mit Kombucha gewartet. Nichts schöner, als dass wir die Tradition in seinem Sinne fortführen dürfen. Fermentieren ist seit einigen Jahren in Städten wie New York und San Francisco der »neue heiße Scheiß« und schwappt als Trend nun auch gemächlich zu uns herüber. Die enzymatische Geschichte begleitet unsere Ernährung aber schon seit Jahrtausenden und nimmt eine der zentralsten Rollen der Lebensmittelherstellung – von Kaffee über
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Sauerkraut zu Käse – ein. Beim Fermentieren passiert weitaus mehr als nur reines Konservieren und wir stehen auf die Chemie-Magie dahinter. So auch beim Kombucha, der Tees durch den Gärungsprozess in ein völlig neues Getränk verzaubert. Der Pilz – wir nennen ihn Kombucha-Mama – wandelt Zucker in Kohlenstoffdioxid und Ethanol um und fügt in dem Prozess viele wertvolle Spurenelemente und Inhaltsstoffe hinzu. Dem Getränk werden
in der traditionellen chinesischen Medizin eine Reihe von Wirkungen nachgesagt und auch wenn man nicht genau weiß wie, steht außer Frage, ob er heilsam für Immunsystem und Wohlbefinden ist. Der gekaufte Kombucha aus dem Kühlregal hat mit dem ursprünglichen keine Gemeinsamkeiten. Industriell wird der Gärungsprozess frühzeitig abgebrochen und die entstandene Flüssigkeit abgekocht, wobei der ganze wertvolle MikroorganismenZoo dahingerafft wird. Das muss nicht sein.
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Big-Mama in tha house • 1 Liter Wasser, insgesamt 1 Teelöffel Grün- und Schwarztee, (alternativ: Kräutertee ohne ätherische Öle) und 100 g Vollrohrzucker aufkochen. Kurz vor dem Simmern von der Herdplatte nehmen, abseihen und auf Raumtemperatur abkühlen lassen. • Der Tee wird in ein 2-Liter-Glas mit einer möglichst großen Öffnung gefüllt. Die Mama braucht Platz, um gut wachsen zu können. Rein mit dem Kombucha-Pilz und der Starterflüssigkeit. Mit einem sauberen Mulltuch und einem Gummiringerl die Öffnung verschließen. • Die Kombucha-Mutter wächst am besten bei ca. 23°C, hellen Räumlichkeiten – im Sommer schneller als im Winter – und frischer Luft. Auf Tschick und Co. reagiert sie sofort mit Schimmel – also Obacht, rauchfreie Zone. Sie mag keine direkte Sonneneinstrahlung und will auch nicht bewegt werden. In der Ruhe liegt die Kraft. • Nun gibt es zwei Szenarien: Entweder die Mutter geht unter und es bildet sich eine zweite an der Oberfläche (dann dauert der Prozess ein wenig länger) oder die Mutter schwimmt selbst oben auf und wächst weiter heran. • Nach 5-8 Tagen hat das Kombucha-Getränk einen leicht säuerlichen, angenehm aromatischen Geschmack und ist trinkbereit. Wenn die Zeit übersehen wird, bekommt man nach ca. 20-30 Tagen Kombucha-Essig. Schmeckt auch vorzüglich. • Man nimmt die Kombucha-Mutter achtsam heraus und bewahrt sie in ca. 200 ml der fermentierten Flüssigkeit als neue Starter-Basis auf. Das Getränk durch ein Sieb (kein Metall!) abseihen und genießen.
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Abgefüllt hält sich das Kombucha-Getränk mehrere Tage im Kühlschrank. Mit der KombuchaMutter oder ihrem Jüngling kann der Prozess zu jeder Zeit neu gestartet werden. Zum Wohl!
Es gilt zu beachten: • B esorgt die erste Kombucha-Mama bei der Apotheke oder online. Sie ruht in einer Starter-Flüssigkeit, damit sie es wohlig hat und immer gut versorgt ist. • Arbeitet steril und kocht alles was ihr verwendet ab. Sauberkeit ist das A und O. • Haltet den Kombucha-Pilz und die Starter-Flüssigkeit fern von jeglichen Metallen. Die sind keine Freunde. • Füttert eurer Mami nur biologische Zutaten. Sie bleibt gesünder und das Getränk dann auch.
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Marktplatz kosmetik
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Bernadette Schmatzer
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Erli Grünzweil
Glanzlichter am Naturkosmetik-Himmel »Weniger ist mehr« gilt hier mal ausnahmsweise nicht. Wir waren auf der Vivaness in Nürnberg, die jährlich – heuer mit über 250 Ausstellern aus 30 Ländern – das unglaubliche Spektrum der Biokosmetik zeigt. Ausgiebig haben wir ausgewählte Neuheiten getestet.
1 // PASTELL-POWER
4 // SILBERSCHOPF
Das Color Correcting Powder von Dr. Hauschka mit Mineralpigmenten, heilendem Wundklee und Zaubernussauszügen hilft Rötungen zu mildern und Schatten aufzuhellen. Das mögen wir – vor allem nach dem strapaziösen Winter. Schön anzusehen ist es auch noch. Das Label hat seine gesamte Make-up-Linie optisch neu gestaltet. www.dr.hauschka.de
Für alle, die noch dem Grey-Hair-Trend folgen wollen oder es naturgemäß müssen: Das Chia-Silbershampoo von Kastenbein & Bosch mattiert den unerwünschten Gelbstich und ersetzt ihn mit strahlendem Silberglanz. Chia-Extrakt und Arganöl pflegen und sorgen für gute Kämmbarkeit. www.kastenbeinundbosch.com
2 // FRÜHLINGSFRISCH
Die neue Stylingpflege Beard Hold von Oak Beard formt und stärkt langes wie kurzes Barthaar. Krause Gesichtshaare werden dank Brokkolisamenöl sogar geglättet, lange wie kurze Bart-Styles durch Bienenwachs in Form gebracht. Entzündungshemmend und pflegend hilft es gegen leichte Schüppchen und Rötungen. Und dieser Duft … www.oakbeardcare.com
Die Deo-Klassiker von Weleda gibt es jetzt in Form von Roll-ons. 24 Stunden Schutz, abbaubare Verpackung, gut mitzunehmen und noch dazu geeignet für Sensible: dank des geringen Alkoholgehalts auch sofort nach dem Rasieren benützbar. Unser Favorit ist die exotisch fruchtige Citrus-Version – der Frische-Kick zwischen Büro und Yoga. www.weleda.at
3 // SUPER SKIN FOOD Das Renewing Plant Seed Peeling von Pure Skin Food boostet und nährt – mit Maca-Wurzel, dem Superfood der Inka, Hibiskus und Baobab. Feine Samen von Hagebutten und Granatapfel peelen zusätzlich. Je nach Hautbedürfnis mischen wir die Maske mit Wasser oder aber mit Moisturizer an. www.pureskinfood.at über www.staudigl.at
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5 // BARTWICHSE 2.0
6 // PECKERLPFLEGE Die Tattoo Body Lotion von Eco-Cosmetics spielt auf tintenverzierter Haut alle Stücke. Sie schützt die Farbpigmente, schirmt UV-Strahlen ab und pflegt mit Noni-Extrakt. Den haben schon die Maori für ihre Tattoopflege benutzt. Aber auch ohne »Peckerl« ist die gesamte Linie aus Shampoo, Lotion und Sonnencreme absolut zu empfehlen. www.eco-cosmetics.com
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8 // HONIGMUND Den würden wir lieber essen als tragen. Süchtig macht nicht nur der Duft des ersten Lippenstifts von Burt’s Bees. Cremig, aber dennoch deckend, No-smudge- Effekt und schmückend in 18 Farben – hier Doused Rose. www.burtsbees.de
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Mitbringsel aus Nürnberg Wir haben Produkt-Neuheiten von der größten Bio-Messe der Welt probiert.
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ie BioFach in Nürnberg gilt als größte Messe für Bio-Produkte in Europa. Ein Umschlagplatz für Innovationen und Bio-Dauerbrenner. Ein Treffpunkt der Szene und eine Leistungsschau von Industrie und Handwerk. Aber auch ein Schauplatz der Eitelkeiten und der zur Schau gestellten Hektik und Betriebsamkeit. Der Autor – BioFach-Besucher über viele Jahre – hat sich eine Auszeit gegönnt. Quasi BioFach-Fasten. Die BioramaRedaktion war in Nürnberg. Und sie hat Jürgen Schmücking einen Rucksack voller Mitbringsel gebracht. Angefüllt mit Highlights vom Neuigkeitenstand. Er hat sich die Dinge genauer angesehen. Weil ganz ohne BioFach geht es scheinbar nicht.
1 // Naturpark-imkerei Hager, Honigwein Frizzante 2015 (halbtrocken) Honig hat eine lange Tradition. Extrem lang. Ebenso der Honigwein. Met galt schon bei den Kelten als Rauschmittel erster Wahl. Innovationen sind Innovationen und daher traditionsfrei. So wie Honigschaumwein. Der Met-Sekt (eigentlich Honigwein-Frizzante, weil die Kohlensäure zugesetzt wird und nicht durch die Gärung entsteht) ist so eine Innovation. Der halbtrockene Frizzante riecht extrem stark nach Bienenwaben und Kerzenwachs. Die Perlage ist fein und harmonisch, am Gaumen dann aber eigentlich nur noch Zuckerwasser. Schade – aber vielleicht kann der trockene Bruder mehr. www.naturparkimkerei.at
2 // Provamel, Soya-Kokos Exotic Limited Edition Eines vorweg, an der Information übers Produkt könnte Provamel noch arbeiten. Größe und Bild lassen vermuten, dass es pflanzliches Joghurt ist. Ist es auch, und irgendwo kann man das auch lesen. Kleingedruckt. Wichtiger scheint die Information zu sein, dass es CO²neutral, bio und vegan ist. Außerdem heisst es zwar SojaKokos, von der Verpackung strahlen aber auch eine Ananas, eine Orange und eine Maracuja. Exotic eben. Das Produkt selbst überzeugt. Zitrusfrisch, sommerlich und köstlich. Fast wie eine Piña Colada. www.provamel.com
3 // Seamore, I sea Bacon In Sachen Nachhaltigkeit ist Seegras nicht zu schlagen. Das Zeug wächst wie wild, braucht nichts außer Sonne (also keine Herbizide, Pestizide oder Fungizide) und schmeckt dabei – formulieren wir es vorsichtig – gar nicht soo schlecht. I sea Bacon ist getrocknetes Seegras, das ein wenig an die Algen erinnert, die für japanisches Dashi verwendet werden. Man kann es frittieren (dann
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Jürgen Schmücking
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Erli Grünzweil
schmeckt es tatsächlich wie salziger Speck), roh essen (dann braucht man allerdings viel Flüssigkeit, um die Algenreste vom Gaumen zu spülen) oder wässern (und sich dann auf den Frühstückstoast legen). www.seamorefood.com
4 // Seamore, I sea Pasta I sea Pasta ist keine Pasta. Es sieht nur so aus. Wie Tagliatelle, um genau zu sein. Es ist eher etwas ganz anderes. Wie I sea Bacon ist I sea Pasta getrocknetes Seegras aus Connemara, Irland. Der Unterschied: die Pasta wird gekocht. Nach cirka 20 Minuten (nach denen es in der Küche riecht wie auf einem Fischmarkt in einem Küstenort) kann das Seegras aka Nudeln serviert werden. Carbonara funktioniert nicht, aglio olio dagegen sehr gut. Aldente heißt bei I sea Pasta übrigens wirklich bissfest. Wer Quallensalat kennt – groß ist der Unterschied nicht. www.seamorefood.com
5 // Schrozberger Milchbauern, Bio-Kaffeedrink Cappuccino Es sind Milchbauern, die Schrozberger. Das darf man nicht außer Acht lassen, wenn man die Bio-Kaffeedrinks (Geschmacksrichtung Cappuccino oder Espresso) genießen möchte. Es ist, was es ist. Gezuckerte (Rohrohrzucker und Maisstärke), eingedickte (Johannesbrotkernmehl) und aromatisierte (0,6 % Löskaffee) Demeter-Vollmilch. Dass es Demeter-Vollmilch ist, ist gut. Die Variante Espresso unterscheidet sich von Cappuccino nur dadurch, dass ein Hauch mehr Löskaffee verwendet wird. Entbehrlich sind beide. www.molkerei-schrozberg.de
6 // Georg, Bio Kürbis BBQ & Grill Sauce Eigentlich ist es ein Outlaw-Projekt. Für die BarbequeSauce werden nämlich Bio-Kürbisse verwendet, die aus der Norm fallen. Zu groß, zu klein, zu schwer, zu hell, zu dunkel. Jedenfalls nicht fürs Verkaufsregal verwendbar, weil Konsumenten eine sehr exakte Vorstellung davon haben, wie ein Kürbis auszusehen hat. Die Kürbisse werden dabei sanft geräuchert, was zu einem sensationell selchig-rauchigen Aroma führt und ein Gewinn für jedes kurzgebratene Rindfleisch ist. Die Sauce ist dabei leicht süßlich und außerordentlich rustikal. Kann auch zum Verfeinern von bestehenden Saucen verwendet werden. www.goerg-thalhammer.de
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elternalltag / Ursel Nendzig
Der Plan ist ziemlich genial, glaube ich: Man erlaubt den Kindern einfach alles, Fernsehen, Süßigkeiten, Spielsachen, damit sie voll überdrüssig werden und es dann nicht mehr wollen.
illustration Nana Mandl, Nadezhda Shoshina / Shutterstock.com
Übersättigung
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eine Eltern leben in Deutschland und wir in Wien. Das bringt so einige Nachteile mit sich (lange Autofahrten, hohe Telefonrechnungen) aber auch viele Vorteile (Urlaubs-Besuche auf dem Land, direkt neben einem Pferdegestüt, Riesen-Haus, Opas Werkstatt). Die Buben haben also keinen regelmäßigen NachmittagsKuchen-Kontakt zu ihren Großeltern, sondern eher so geballte Wochen-Besuchs-Kontakte, zwei, drei Mal im Jahr. In dieser Zeit ist sehr schön zu beobGespenstergeheule. Am nächsten Morachten, dass das keine Rolle spielt, die Oma und der gen ging das ganz natürlich wieder von Opa sind Heldin und Held, auch wenn man sich vorne los, Bitte-Bitte, Regionalzeitung, dazwischen monatelang nicht gesehen hat. Schön Pferdegetrappel. Dreißig Minuten. Tags ist auch zu beobachten, mit welchen Tricks meidarauf: zehn Minuten und am vierten Tag ne Mama meine Kinder dazu bringt, Dinge zu fragten sie nicht mehr danach und ich tun oder eben auch nicht. Wenn ich sage Tricks, musste wieder warten, bis das Mütterchen dann meine ich damit hauptsächlich: Engelsmit der Zeitung fertig war. geduld. Ich glaube, ich muss nicht näher ausFaszinierend, oder? Ich dachte mir: Ist führen, wie die Geduld mit Kindern im Alter das vielleicht der Erziehungskniff der Knifoffensichtlich die Östrogene ersetzt. fe? Ist es die Godmother of Manipulation, die Lösung aller Fragen, der Stein der Weisen und Der Erziehungskniff der Kniffe das einzig wahre Gebot? Kann es wirklich so Jedenfalls hat meine Mama ein Keyboard. einfach sein: alles erlauben, weil es dann ganz (Die Buben immer, ehrfürchtig flüsternd, so: von alleine uninteressant wird? Und was be»Die Oma hat ein echtes Klavier!«) Dieses deutet das jetzt für mich und meinen neuen, ab jetzt total einfach gestrickten Erziehungsalltag? Keyboard kann nicht nur ein Klavier, sondern auch Menschen, Tiere, Fahrzeuge, Kann ich den Effekt nicht sogar verstärken, inGruselschlösser und Landschaften imitiedem ich es nicht nur erlaube, sondern die Buben ren. Sehr große Liebe. Der erste Tag, den zu den Dingen zwinge, die ich ihnen austreiben wir kürzlich dort verbrachten, begann will? »Nein, du bekommst erst deinen Apfel, wenn vor dem ersten Kaffee (in Deutschland du alle Snickers aufgegessen hast.« »Was soll das mit kurzem e) mit Oma-gehst-du-bitteheißen, ›Ich bin müde‹? Du bleibst jetzt auf bis Mitmit-uns-Klavier-spielen-Gejammer. ternacht!« »Nein, du schaust dir jetzt die 26. Folge Weil es mich nichts anging, griff ich von Lego Ninjago auch noch an, danach kannst du zum Regionalteil der Zeitung (das das Buch lesen.« »Wir fahren aber mit dem Auto, verist in Deutschland echt super) und dammtnochmal, wir gehen nicht zu Fuß.« dachte mir: Die Arme. Nach einer Das wird genial. Bevor ich aber zur praktischen geschlagenen Stunde waren die BuAnwendung an den Kindern schreite, werde ich mich ben endlich fertig mit Pferdegetrapselbst von meiner Paprika-Chips-Sucht heilen. Reichen pel, Türengequietsche, Babylachen, 14 Sackerln, Mama?
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die welt, die wir uns wünschen
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von wolfgang smejkal
als landidyll und lieferant für erneuerbare energien steht das dorf vor einer renaissance. künftig wird es wieder sehr viel enger mit der stadt vernetzt sein. 2050 werden nur noch 16 Prozent der Deutschen auf dem Land wohnen, aktuell sind es knapp 25 Prozent. Zudem berechnet das statistische Bundesamt, dass 2050 insgesamt zwölf Millionen Menschen weniger in Deutschland leben als heute – und das vor allem auf dem Land. Katalysatoren für diese Schrumpfung der ländlichen Bevölkerung sind die Urbanisierung und die Überalterung. Mittelfristig sind zahlreiche Dörfer in ihrer Existenz gefährdet. Die historische Funktion von Dörfern war immer die Nähe zum ländlichen Arbeitsplatz. Doch ländliche Arbeitsplätze gibt es in dieser Form nicht mehr. Der wirtschaftliche Strukturwandel schafft zwar neue Arbeitsplätze – aber diese entstehen vor allem in den Metropolregionen. Besonders junge Menschen folgen daher dem Ruf der großen Städte, nur die Alten bleiben zurück. Hat das Modell Dorf also ausgedient? Wer recherchiert, der stößt nicht nur auf düstere Vorhersagen über das kommende Sterben der Dörfer, sondern auch auf zahlreiche mutige Konzepte, die dem ländlichen Raum durchaus eine alternative und positivere
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Zukunft bieten, wo die Grenze zwischen Urbanität und Dörflichkeit verschwimmt. Das Comeback des Dorfes ist allerdings langsam und leise. Und findet auf sehr heterogene Weise statt. Rund 150 demente Menschen leben im holländischen Demenzdorf Hogeweyk zusammen. Die Bewohner können sich in den Straßen und Häusern des Dorfes frei bewegen. Wer selbst nicht mehr zurückfindet, wird von einem Betreuer zurückgebracht. Wer im Supermarkt das Bezahlen vergisst, darf seinen Einkauf trotzdem mitnehmen. Ziel des Projektes ist es, eine neue Normalität zu schaffen, in der die Erkrankten Zuflucht finden. Auch andere europäische Länder planen, nach außen abgeschlossene Siedlungen aufzubauen, um Dementen und Alzheimerkranken eine Alternative zur üblichen Heimbetreuung zu bieten.
Bio-Landwirtschaft belebt das Land Der Gesundheitstrend stärkt einer weiteren Entwicklung den Rücken, die die Überlebenschancen des Konzepts Dorf drastisch erhöht: dem Bio-Boom. Mehr als zehn Prozent der gesamten deutschen Landwirtschaft wirtschaftet biologisch, 1996 war es gerade mal ein Prozent. Die Hochkonjunktur von biologisch erzeugten Lebensmitteln führt zu mehr landwirtschaftlich genutzter Fläche und kann dadurch ländliche Regionen reaktivieren. Der Bio-Landbau bevorzugt die Regional- und Direktvermarktung, wie etwa den Hofverkauf, und zieht damit Käufer aus den Städten aufs Land. Zudem ist die Herstellung und Verarbeitung von biologischen Lebensmitteln aufwendiger als die konventionelle Produktion. Eine höhere Arbeitsintensität bedeutet mehr Arbeitsplätze. Dadurch entstehen neue Beschäftigungsmöglichkeiten auch jenseits der landwirtschaftlichen Tätigkeiten, denn Biohöfe entwi-
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ckeln sich zu kleinen Knotenpunkten des Austauschs, Lernens und nachhaltigen Konsums. Diese neuen BioDörfer funktionieren am besten, wenn sie im Speckgürtel von Metropolen angesiedelt sind. Die Bio-Landwirtschaft trägt auch noch auf andere Weise zur Entwicklung der Dörfer bei: Dörfer können hier zu einem Versuchsraum für intelligente Verschaltungen mehrerer regenerativer Energiequellen werden. In Dörfern können jene Modelle von Effizienz und Nachhaltigkeit erprobt und optimiert werden, die global gefragt sind. Viele Dörfer in Europa haben die wirtschaftliche und infrastrukturelle Basis, um zukunftsfähige Modelle zu entwickeln und zu testen, die später auch im ländlichen Raum von Entwicklungs- und Schwellenländern angewendet werden können. Nebenbei ist die Nutzung von Biomasse, Erdwärme, Wind- und Sonnenenergie eine potenzielle Grundlage für neue Wertschöpfung in ländlichen Regionen. Außerdem steht das Dorf für ein Gemeinschaftsgefühl, das in Städten oft fehlt. So manche Großstadtfamilie verbringt ihre Ferien heute auf dem Land, und besonders Städter blättern gerne in Magazinen wie Landlust oder kaufen vom Biobauern aus der ländlichen Umgebung. Urlaub auf dem Land erfreut sich großer Beliebtheit. Stadtnahe ländliche Gebiete erleben im Gegensatz zu entlegenen Orten sogar einen Aufschwung – der steigenden Mietpreise in den Metropolen sei Dank. New-Work-Konzepte wie Home Office und dezentrales Arbeiten nehmen dem Pendeln seinen Schrecken. Voraussetzung für diese neuen Arbeitsmodelle ist die weiter voranschreitende digitale Vernetzung der räumlichen Peripherie. Das gilt auch für die Niederlassung von Unternehmen oder die Gründung von Start-ups in ländlichen Gebieten – Zukunftslabore für erneuerbare Energien enstehen.
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Inzwischen gibt es eine Vielzahl dieser Ökodörfer auf der ganzen Welt. In diesen diy-Communities spielen fast immer Nachhaltigkeit, biologische Landwirtschaft und eine ausgeprägte Kommunikationskultur eine zentrale Rolle. Meist wird ein Teil des Eigenbedarfs an Lebensmitteln selbst erzeugt. Auch politische Mitbestimmung und Basisdemokratie gehören in den Ökodörfern zur Tagesordnung. Von den historisch gewachsenen Dörfern unterscheiden sich diese modernen Dörfer, neben ihrem hohen moralischen Anspruch, vor allem durch ihre hervorragende Vernetztheit. Das internationale »Global Ecovillage Network« verbindet Ökodörfer auf dem ganzen Globus. Die Vergemeinschaftungsform des Dorfes fasziniert nicht nur Menschen, die sich für ein Leben im Ökodorf entscheiden. Auch in Städten wird nach CommunityPrinzipien gesucht. Selbst Unternehmen greifen auf dorfähnliche Strukturen zurück, um ihre Mitarbeiter zu einer Gemeinschaft zu machen. Durch zunehmende Konnektivität ist der physische Ort zweitrangig geworden, und die Grenze zwischen Urbanität und Dörflichkeit verschwimmt: Während Städter nach dörflichen Vergemeinschaftungsformen suchen, halten urbane Lebensstile und Themen Einzug in die Dörfer. Viele Charakteristika des Städtischen lösen sich vom physischen Lebensraum Stadt. Weltoffenheit, Kreativität, digitale Vernetztheit und Diversität sind längst nicht mehr nur urbanen Zentren vorbehalten. Inzwischen beschäftigen sich auch Designer mit der Frage, wie das Dorf von morgen aussehen soll. Design kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, um das Land lebenswerter zu gestalten. Dörfer haben eine mannigfaltige Zukunft: die Chancen müssen nur rechtzeitig erkannt und von mutigen Pionieren vorangetrieben und umgesetzt werden.
Bild Hennadii Filchakov / Shutterstock.com
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biss zum Ende / Sina Trinkwalder
Seit knapp einem Jahr gehöre ich zu den begeisterten Läufern. Als ich zum ersten Mal die Laufschuhe schnürte, hing mir nach 800 Meter die Lunge bis zum Boden und der Puls am Anschlag.
illustration Nina Hübner, Mimibubu / Shutterstock.com
Läuft bei mir
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eute, ein Jahr und über 2.000 Kilometer später, habe ich mein Tempo und meine Strecke gefunden und sehr viel über mich selbst gelernt. Strecke und Tempo meines Laufs widerspiegeln sich in meinem Charakter. Meine Selbsteinschätzung, nämlich ein richtiger Langstreckenläufer zu sein, entpuppte sich als blanke Fehlannahme. Zwar laufe ich problemlos einen Halbmarathon und selbst einen Marathon bekomme ich auf die Füße, allein der Spaß fehlt mir ab Kilometer 15. So verhält es sich ebenso im Beruflichen. Nach fünf, sechs Jahren intensiver Aufbauarbeit innerhalb eines Projekts muss ich etwas Neues parallel beginnen, sonst wird mir langweilig. Kurzstrecke? Nein, ein Start-up- und Exit-Kind anders formuliert: Du musst für andere werde ich nie werden. Am liebsten ist mir eine laufen und zeigen, das du ein Gewinnertyp schöne, anspruchsvolle Mittelstrecke mit herbist. Das, was ich von Anbeginn beim Lauausfordernden Hürden. Beruflich wie privat. fen empfand, findet sich bei wenigen HobIm Business wie beim Hobby. Während ich byläufern: Spaß am Sport. Vielmehr werden mein berufliches Engagement ausschließlich über soziale Netzwerke, Ernährungsplan, Trainingseinheiten, Intervall-Empfehlungen, für andere treibe, gehört der Sport nur mir. Mir ganz allein. Und meinem Kopf. Morgens Eiweißshakes und Sportverletzungen geteilt – auf die Piste gehen heißt für mich Hirn lüfund zelebriert. Und prompt werden aus der Freizeitbeschäften, Energie tanken und regenerieren. Kraft sammeln, die ich im Alltag anschließend tigung, die der Regenerierung von Geist und wieder abgeben kann. Körper dienen sollte, Stress und Leistungsdruck. Der geht so weit, dass immer mehr Hobbyjogger Für sich selbst laufen dieselben Mechanismen nutzen, die sie im beruflichen Leben verurteilen: das Bescheißen. Vor »Welchen Trainingsplan nutzt du?« kurzem schrieb Christoph Cörn in der Welt über »Was ist dein nächster Wettbewerb?« Hobby-Marathon-Betrüger: Leibchentausch, Stre»Läufst du den Berlin Marathon mit?« – Fragen, die mich in letzter Zeit immer ckenverkürzung oder gleich eine andere Person für öfter erreichen. Jedesmal ist meine sich laufen zu lassen. Strava sei Dank – bekommt Antwort: negativ. Ich laufe für mich. man den Beschiss auch noch mit. Der Spaß weicht Leistungsdruck, lockere Aktivität knallhartem WettLangsam aber fällt mir auf, dass Laubewerb. Der eigentliche Zweck eines Hobbies geht fen bei vielen zu einer Profilierungsverloren. Man leistet sich keine Freizeit, sondern leissucht geworden ist. »Was auf Strava nicht ist, fand nicht statt«, heißt tet auch in der freien Zeit. Bis gar nichts mehr geht. Das muss anders laufen. Findet ihr nicht? eine der Sportler-2.0-Devisen. Oder,
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