.81 P.B.B. — 11Z038861 M — 1060 WIEN KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR AUSGABE 81 — OKTOBER/NOVEMBER 2022. WWW.BIORAMA.EU –ÖSTERREICHAUSGABE WIR BEWUSSTJETZTLEBEN WHY ON EARTH? Go to Mars: Ein kleiner Perspektivenwechsel kann Leben retten. Welcome to Planet B: Überleben heißt anpassen. — 14 Sehnsucht nach der Dunkelheit: Die »Paten der Nacht« mögen es zappenduster. — 26 Mensch gegen Tier: Wie wollen wir den Planeten teilen? — 39
Damit Wien vorwärts kommt, braucht es keine verstaubten Straßenbau-Großprojekte.
Was es jetzt braucht, sind der rasche Ausbau von Öffis und Soforthilfen gegen die Teuerung. Denn was der Umwelt hilft, hilft uns allen.
UNSER KLIMAKAMPF GEHT WEITER! #NOBAU
MIRJANA
SURVIVAL OF THE FITTEST
DieErde kann einen schon so richtig runterzie hen. Schwer zu sagen, ob es mehr am menschen gemachten Klimawandel und den damit verbun denen Perspektiven von Krieg, Kollaps des Er nährungssystems oder der Unbewohnbarkeit der Erde liegt – oder an der Unsicherheit, wann genau was davon eintritt.
Wenn man nun von der Erde aus nach einem neuen Zuhau se im All sucht und ein Mensch ist, kommt eigentlich gar kein anderer Planet dafür infrage. Es stehen einem so gut wie alle wissenschaftlichen Erkenntnisse im Weg. Aber: Die Letzten werden die Letzten sein. Da ist es völlig klar, dass Alterna tiven, die es noch überhaupt nicht gibt, an Anziehungskraft gewinnen.
Der Mensch ist nicht umsonst so weit gekommen – sondern mit Neugier, Mut und ErfinderInnengeist. Setzen wir unsere klügsten Köpfe drauf an, wie er im Weltall überleben kann!
So hoch hüpfst du auf anderen Planeten!
Wir wünschen gute Reise & gute Lektüre!
Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu
Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber
IMPRESSUM
HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Samantha Breitler, Barbara Fohringer, Florian Jauk, Martin Mühl, Ursel Nendzig, Jürgen Schmücking, Thomas Weber GESTALTUNG Stefan Staller LEKTORAT Mattias Feldner ANZEI GENVERKAUF Herwig Bauer, Tanja Grossauer-Ristl, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühl gasse 9 / 14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien.
BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. BIORAMA erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erschei nen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.
COVERBILD ISTOCK.COM/NURU LANGA,
JOVIC 3 BIORAMA 81 EDITORIAL, IMPRESSUM
INHALT
03 Editorial
08 Bild der Ausgabe
11 Street Talk
12 Global Village
14 Planet B
Wann sind wir da?
20 Kosmische Ordnung
Ein Gespräch mit Ulrich Köhler hilft bei der Orientierung im Sonnensystem.
24 ExpertInnen meinen … 1 Frage, 4 Expertisen.
26 Tausend Monde hell
Die »Paten der Nacht« kämpfen gegen exzessive Beleuchtung.
30 Artenschutz
Welche Insekten sind durch Licht bedroht?
31 Lichtverschmutzung
»Das Gegenteil von hell ist sternreich.«
34 Flutlicht
Sportplätze müssen nicht den Nachthimmel ausleuchten, um bespielbar zu sein.
39 Wolf in unserer Welt Wie sollen sich Mensch und Tier künftig den Planeten teilen?
43 Stadtentwicklung
Spaziergang in die Stadt der Zukunft
50 Kochbuchempfehlungen
Zwei KöchInnen, drei vegane Rezepte.
60 Rezensionen
Empfehlungen, Warnungen
62 Geschenkideem
Die Redaktion schenkt
MARKTPLATZ
48 Marktplatz Baby
LICHTVERSCHMUTZUNG
58 Marktplatz Food KOLUMNEN 64 Aus dem Verlag 66 Elternalltag 81
26
AktivistInnen kämpfen für Mensch und Tier gegen exzessive Beleuchtung und taghelle Nächte – mit leuchtenden Vorbildern. BILD WERNER KLUG, NASA/JPL-CALTECH/UNIV. OF ARIZONA, FAT GREEN STUDIOS BIORAMA 81 AUFTAKT
WELTRAUMFORSCHUNG ExpertInnenmeinung: Wozu in die Ferne schweifen? alternativen im Fetttest. DER WOLF UND DIE WELT Wie sollen sich Mensch und Tier künftig den Planeten teilen? 39 58 24
LIEFERKETTE
BILD: HANSEL SATO
Die Montage »Artefakte des Kapitalozäns« (in Abgrenzung zum Anthro pozän) ist Teil der Serie »Indulgence Trade« von Hansel Sato zur imperi alen Lebensweise. Sato bezieht sich explizit auf das diesbezügliche Kon zept von Ulrich Brand und Markus Wissen, das 2017 mit dem Untertitel »Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus« als Buch vorgestellt wurde. Die Auseinandersetzung mit dem Wachstumsim perativ und den Alltagspraktiken und Konsumgewohnheiten thematisiert die Unsichtbarkeit der damit verbundenen Ausbeutung.
Die Serie war Teil der Ausstellung »Von Pflanzen, Steinen und Gewäs sern lernen: Gegenerzählungen von Erdbewohner:innen inmitten multi pler Krisen« in der Wiener SOHO-Studios im Rahmen des Festivals SOHO Ottakring. Die SOHO Studios arbeiten ganzjährig, »in, mit und für die Nachbarschaft« und laden zum Besuch der Projektwerkstatt ein. sohostudios.at
Geboren in Trujillo, Peru, kam Sato 1998 mit dem Unesco-Aschberg-Sti pendium für Kunst an die Akademie der Bildenden Künste nach Wien, wo er inzwischen künstlerisches Lehramt unterrichtet. Er ist Teil des Kurato rInnenteams von SOHO Ottakring. hanselsato.com
IRINA ZELEWITZ 6 BIORAMA 81 BILD DER AUSGABE
BILD HANSEL SATO
7
2015wurdedie biogastrotrophy von bioaustria inKooperationmit Biorama insLebengerufen,umbesondersambitionierteBioGastronomiebetriebeauszuzeichnen.Rund50Betriebestellensichheuer wiederdemVotingdurchdasPublikumundeinerFachjury.DiePrämierung erfolgtindenKategorienGold-,Silber-undBronzepartner,zudemwird durchdieJuryeinSonderpreisfürbesonderesEngagementverliehen. Votenundgewinnen Bis 31.Oktober2022 kannaufwww.biogastrotrophy.atfürden Lieblingswirt,dieLieblingswirtinabgestimmtwerden. UnterallenTeilnehmerInnenwerdenwertvollePreiseverlost. MitfreundlicherUnterstützungvon Österreichsbeste Bio-Gastronomie 2022 bioaustria prämiert
© bioaustria /DavidFaber
»WENN UNSERE ERDE ZERSTÖRT IST, WANN UND WO BEZIEHEN WIR DEN PLANETEN B?«
DAGMAR 65, Beraterin
Das weiß ich nicht. Ich bleibe lie ber so lange da, wie die Erde uns noch aushält.
JOHN 30, Softwareentwickler
Ich denke, wir werden in 50 Jah ren auf dem Mars leben. Ich den ke, das ist ein realistischer Zeit punkt, an dem manche Menschen einen neuen Planeten besiedeln können. Allerdings nur die we nigsten und wohl die Reichsten. Vielleicht wird Elon Musk der erste sein.
MIRIAM 25, auszubildende Psychotherapeutin
Ich hoffe, dass wir nicht noch ei nen Planeten zerstören. Ich den ke, am ehesten würden wir den Mars besiedeln, allerdings erst in 150 Jahren. Die ersten Super reichen könnten vielleicht noch in diesem Jahrhundert dorthin gebracht werden. Aber die nor malen Menschen unter uns wer den das nicht mehr miterleben, denke ich.
NEDIM
36, Tischler
Wenn es einen zweiten Planeten für uns geben würde, wäre das natürlich super, es ist aber unre alistisch. Ich habe gehört, dass der Mars noch am ehesten eine vergleichbare Lebensgrundlage wie die Erde bieten könnte. Ich bin auch dafür, dass wir uns im Hier und Jetzt für eine bessere Zukunft bemühen. Ich bin jedoch dagegen, dass sich Menschen zum Beispiel aus Protest vor Au tos werfen und andere daran hindern, zur Arbeit zu kommen. Das ist übertrieben und führt zu nichts. Realistischer wäre es, Plastikmüll zu vermeiden, bei E-Autos die fehlenden Ladesta tionen zu errichten. Das wird schwieriger.
STREET TALK WIR FRAGEN, ZEHN VISIONÄRE ANTWORTEN.
INTERVIEW UND BILD FLORIAN JAUK
9 BIORAMA 81 STREET TALK
WOLFGANG
60, Segelmacher
Wir zerstören unsere Lebens grundlagen, der Planet wird froh sein, wenn er uns los ist. Der war schon einmal eingefroren, ein mal ausgetrocknet, die CO2-Belas tung und der Meeresspiegel waren schon einmal höher. Also ich den ke, der Planet Erde wird sich ohne uns bestimmt regenerieren. Ich glaube, wir haben im Moment an dere Probleme, wir zerstören uns bestimmt selbst. Wir schauen zu, wie Menschen verhungern und im Elend leben, und beginnen Kriege. Uns ist das alles egal, ich denke, wir sind schlichtweg zu dumm.
NICOLE 30, Friseurin
Ich glaube, das ist nicht in diesem Jahrhundert, und wenn doch, dann am ehesten auf dem Mars. Aber natürlich könnten wir uns jetzt schon bemühen, diesen Pla neten zu retten. Ich denke, jede Person kann ihren Beitrag dazu leisten und beispielsweise Plastik vermeiden und das Autofahren stark einschränken.
CHRISTINE
27, Musicaldarstellerin
Das soll gar nicht passieren. Wenn wir so weitermachen, denke ich, ist unser Planet schon in diesem Jahrhundert vollkommen zerstört.
Ich denke auch nicht, dass wir danach einen Planeten B finden werden, sondern dass wir alle hier gemeinsam mit der Erde unser Aussterben beobachten werden.
Die wenigen Reichen, die es sich leisten können, werden aber be stimmt einen anderen Ort finden.
TAMARA
33, Musikerin
Die Frage für mich ist eher: Was können wir im Hier und jetzt tun, um die Erde zu retten? Ich denke, wir sollten jetzt das Beste tun und nicht erst später nach ei ner neuen Lösung suchen. Wenn etwas falsch ist, mach es richtig!
RUBEN 36, Koch
Es gibt keinen anderen Ort, wir müssen hierbleiben. Um die Chancen zu erhöhen, weiterhin auf der Erde leben zu können, sollten wir gute Menschen sein. Wenn wir damit starten, ist das ein guter erster Schritt.
MAYANK
22, Referent im Sozialministerium
Ich denke, es gibt keinen Planeten B. Der hört sich zwar schön an, ist aber nicht realistisch. Wir sollten beschützen, was wir haben. Das ist einerseits die Umwelt, aber auch das Miteinander. Es kann sein, dass wir uns selbst zerstören, be vor wir die Umwelt zerstören. Wir sollten uns mehr Mühe geben, uns untereinander zu verstehen, denn dafür ist es niemals zu spät.
BIORAMA 81 STREET TALK
Ruck Zuck.
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VEVEY UND CHAM VOR DEM KLIMA SCHÜTZEN
Kaffeeschutz, was sonst? Nestlé-CEO ruft private und staatliche AkteurInnen dazu auf, endlich was zu tun.
Spätestens seit George Clooney diesen Herbst begonnen hat, leicht gequält mit einer leeren Tasse von den Plakat wänden der Welt zu mahnen »It’s time to think outside the Cup«, ist der Ernst der Sache mit dem Klimawandel allen klar. Denn: Die international beliebteste und best beleumundete Kaffeesorte, Arabica, reagiert sensibel auf Klimaveränderungen. Während sich der weltgrößten Nah rungsmittelkonzern für die »Pionierarbeit« für nachhaltige Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit der wegen nied riger Standards oft kritisierten »Rainforest Alliance« lobt, hat er sein Ziel klar verständlich ausgegeben: »Protect Cof fee from Climate Threat«.
Das Klima vor konventionellem Kaffeeanbau zu schüt zen wäre auch eine Option. Dazu empfiehlt sich Kaf fee, der durch Biolandwirtschaft, Agroforstprojekte und Fair-Trade-Prinzipien die Wirtschaftsgrundlage der Ara bica-LandwirtInnen erhalten. Gleichzeitig gibt es For schung (etwa durch Aron P. Davis an den Kew Royal Bo tanical Gardens) an und schon Kaffee aus »Raritätensor ten«, die in wärmerem Klima zurechtkommen – Liberica, Eugenioides und Stenophylla heißen etwa drei, denen gro ßes Potenzial zugeordnet wird. Und die allgemein gestie genen Kaffeepreise sorgen dafür, dass der bisher häufig zu Instantkaffee verarbeiteten Sorte Robusta eine zweite Chance gegeben wird.
IRINA ZELEWITZ kew.org/science
BILD ISTOCK.COM/ARTRACHEN01
BERLIN THE FUTURE IS FEMALE
»Hodenlos an die Macht« als Vorbote für »Hyäne Fischer – das totale Musical« an der Volksbühne in Berlin.
Seit einiger Zeit sorgt Bürgerkurator Marlene Engel für widerspenstigen Wind im musikalischen Programm der Volksbühne Berlin. Und so steht auch Hyäne Fischer aus dem Umfeld der Wiener Burschenschaft Hysteria nach dem Versuch, mit »Im Rausch der Zeit« für Öster reich beim Songcontest des Jahres 2019 anzutreten, im November 2022 glorreich als Musical wieder auf: »Im totalen Musical treten die wahren HeldInnen einer einzig gültigen Kulturgeschichte auf – Lebende und Tote. He roisch und lächelnd skalpieren sie die NeofaschistInnen, besingen den Weg raus aus gesellschaftlichen Misslagen und formulieren so im 22. Jahrhundert den ersten Klas siker ›der neuen Zeit‹«.
Das Libretto hat Lydia Haider geschrieben, die Mu sik Eva Jantschitsch (Gustav). Als Vorboten gibt es mit »Hodenlos an die Macht« eine auch musikalisch wenig zurückhaltende Helene-Fischer-Paraphrase. Regie beim Video führte Kurdwin Ayub, die jüngst in ihrem Film debüt »Sonne« Schülerinnen aus muslimischem Um feld auf Popkultur treffen ließ. Unter der künstlerischen Leitung von Engel versammeln sich unter anderem Florentina Holzinger (Kampf-Choreografie) und Marian ne Vlaschits (Bühnenbild) zum »antifaschistischen Hel dInnen-Epos, das den Weg ins goldene Matriarchat be singt«.
MARTIN MÜHL volksbuehne.berlin
BIORAMA 81 GLOBAL VILLAGE BILD ELSA OKASAKI
Deshalb stecken in unseren Mischungen 100 % Arabica-Bohnen aus nachhaltigem
das Lebensgefühl der Wiener Kaffee-
www.sonnentor.com
TEXT Irina Zelewitz
RAUM FÜR VERBESSERUNG
»There ist no Planet B«, das steht auf vielen Demoschildern bei Kli maprotesten und soll ausdrücken, dass man sich um diese eine Erde besser kümmern soll und wir nicht so weiter leben können, als gäbe es einen Plan B, zu dem wir umschwenken könnten, wenn wir unseren Planeten zerstört haben: einen Planet B. Denn den gibt es nicht, das weiß jedeR, deswegen funktioniert der Spruch.
Gleichzeitig beschäftigt sich die Wissen schaft doch einigermaßen konkret mit diver sen Fragen des (Über-)Lebens im All – und schlagzeilenfähig ist hier neben spektakulä rer Technik vor allem das, was die menschli che Sehnsucht nach Antworten auf die Frage befriedigt, ob wir denn wirklich ganz allein in den unendlichen Weiten des Universums
sein können. Seit geraumer Zeit kommen hier zu auch Fragen nach der Möglichkeit unseres Überlebens auf anderen Planeten. Ob nun frei willig oder gezwungenermaßen, weil unsere Erde unbewohnbar wurde.
Immerhin hat der Physiker Stephen Hawking 2017 in der BBC-Dokumentation »Tomorrow’s World« prognostiziert, dass die Menschheit womöglich nur mehr 100 Jah re überleben könnte, und den Klimawandel, Asteroideneinschläge, Epidemien und Be völkerungswachstum als größte Gefahren identifiziert.
Damit hat er seine eigene Prognose aus dem Jahr zuvor auf einen Bruchteil korrigiert: 2016 war er noch der Meinung gewesen, es blieben 1000 bis 10.000 Jahre für uns auf dem Blauen Planeten. Der vielzitierte Imperativ, der sich
Auf der Erde ist noch Luft nach oben da.
Analogastronautinnen des ÖWF auf dem Analog-Mars, in der Wuste Negev.
14 BIORAMA 81 ROCKET SCIENCE
für Hawking daraus ergab: Sofort die Su che nach dem Planet B intensivieren!
WER SUCHT ERNSTHAFT NACH PLANET B?
Man könnte den Eindruck bekommen, dass mindestens die Wissenschaft da längst dran ist: Diskussionen über Nutzungs rechte von am Mond abgebauten Roh stoffen lassen die eine oder den anderen vielleicht zweifeln, was machbar und was Zukunftsmusik ist. National Geographic fragte etwa im Sommer 2022: »Rohstoff knappheit: Gibt es 2050 erste Minen auf dem Mond?«
Die Nasa etwa erklärt indes auf Ihrer Website, auf der Seite zum Thema »Space Colonisation«: »Die dringende Notwen digkeit, die Menschheit als Multi-Plane ten-Spezies zu etablieren, wurde durch das Aufkommen einer weltweiten Pande mie bestätigt, einer von mehreren Gründen neben Naturkatastrophen und menschlich verursachten Katastrophen, die schon lan ge in der Pro-Kolonialisierungs-Argumen tation ins Treffen geführt werden.« (über setzt aus dem Englischen) Derzeit simu liert die Nasa auf Übungsgeländen auf der Erde, zum Beispiel mit Analogastronau tInnen, Bewegungsabläufe auf dem Mars. Auch AnalogastronautInnen des Öster reichischen Weltraumforums (ÖWF) wa ren 2020 in der Negev-Wüste in Israel auf »Mars-Mission«: Die simulierte Mission dient der Suche nach Fehlern in Arbeits abläufen und bei Geräten, damit diese nicht erst am Mars entdeckt werden und dort zu Problemen führen.
Und dann tauchen da auch noch Figuren auf, die alle staatlichen Weltraumorganisationen in ihren Ankündi gungen, bemannte Marsmissionen zu starten, überholen. Darunter allen voran Elon Musk, Gründer und CEO von SpaceX, dem ersten privaten Anbieter von Weltraumausflügen. Derzeit positioniert sich SpaceX gerade auch als Durchführungsunternehmen für die AstronautInnen flüge der staatlichen Weltraumorganisationen zu Raumsta tionen. Von eher wenig gesellschaftlich diskutierten Fra gen nach den ethischen Implikationen solcher Private-Pu blic-Partnerships in Weltraumaktivitäten hat man sich hier nicht aufhalten lassen. Im August sind übrigens Reste einer Dragon-Kapsel von SpaceX von australischen Farmern auf deren Gelände gefunden worden.
Mittelfristig ist Musks Ziel aber nicht die Raumstation ISS. Für 2022 kündigte er den ersten Orbitalflug seines »Starship« an – jenes Raumschiffs, mit dem er dann bis
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zur Mitte des 21. Jahrhunderts eine sich selbst versorgende – »nachhaltige« – Stadt auf dem Mars aufbauen möchte.
DEATH ON MARS
Genauso, wie das Ausmaß des Größenwahns dieser Pläne diskutiert wird, scheint man sich in Foren und Fachpresse auch noch nicht ganz einig, ob der Mars überhaupt die beste Wahl für das Schmieden von Planet-B-Umzugsplänen ist. Es besteht gewisser Konsens, dass ein Mix aus dem Vorhandensein einer Atmosphäre, erdähn lichen Temperaturen und dem Vorkommen von Wasser in irgendeinem Aggregatzustand mit neutralem pH-Wert hier vorteilhaft wäre, Er reichbarkeit binnen weniger Millionen Kilome ter auch.
Zu wählerisch dürfen wir angesichts der zur Verfügung stehenden Auswahl aber nicht wer den. Denn in unserem Sonnensystem schaut es düster aus: Bewohnbar im oben genannten Sinn ist keiner. »Venus ist eindeutig zu heiß, Mer kur hat seine Atmosphäre durch seine starke Wechselwirkung mit dem Sonnenwind verlo ren; als der Mars möglicherweise bewohnbarer war, war es die Erde noch nicht«, sagt Christi ane Helling, Direktorin des Instituts für Welt raumforschung der Österreichischen Akade mie der Wissenschaften. Den Zeitraum, als der Mars möglicherweise bewohnbar war, haben ForscherInnen kürzlich ausgedehnt, allerdings immer noch auf eine Zeitspanne, die vor 3,5 Mil liarden Jahren geendet hat.
Um herauszufinden, ob er bewohnbar ge macht werden kann, dazu braucht vor allem Grundlagenforschung – und mit der wurde nicht erst gerade begonnen. Ganz im Gegen teil, betont Christiane Helling: »Im Wesentli chen bauen Musks Projekte und ähnliche aber auf jahrhundertelanger Grundlagenforschung auf. Johannes Kepler (1571–1630), der in Graz Mathematik unterrichtete und die grundle genden Gesetze der Planetenbewegung ent wickelte, lebte vor rund 400 Jahren.« Auch er hatte wohl keine Anwendung seiner Erkennt nisse in Form von Reiseplänen im Sinn – und doch: »Ohne seine Erkenntnisse könnten wir den Mars nicht einmal erreichen. Letztendlich sind die unterschiedlichen Entwicklungswege von Venus, Erde und Mars bis heute noch nicht zufriedenstellend geklärt. Ohne unsere For
schung ist es unmöglich, zu verstehen, ob Mars bewohnbar gemacht werden kann«, sagt Hel ling. Während die einen Grundlagenforschung betreiben, befassen sich die anderen mit eher anwendungsorientierten Szenarien – und blen den aus, dass dafür die Grundlagen fehlen.
MUSK IST NICHT ALLEIN
Bei einem von der Internationalen Mars-Ge sellschaft 2020 ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung einer Marskolonie für eine Million Menschen wurde neben 174 anderen Entwürfen einer eines internationalen Teams von Wissenschaftlern eingereicht, die sich unter dem Namen Sustainable Offworld Net work (Sonet) für die Projekteilname zusam mengeschlossen haben. Einer von ihnen Phi lipp Hartlieb, Senior Scientist am Lehrstuhl für Bergbaukunde, Bergtechnik und Bergwirt schaft an der Montanuniversität Leoben. Er und das Team des Leobener Lehrstuhls für Ber gbau seien da wie viele andere im interdiszip
Die erste SpaceX-Mission namens »Inspiration 4«, auf der vier Weltraumtouris tInnen in den Orbit flogen, emittierte alleine beim Start laut Berechnungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) 380 Tonnen CO2.
Das entspricht pro Welt raumtouristIn etwa 100 Transatlantikflügen.
Red Planet Radio
10 Folgen des Video-Pod casts auf Youtube der Inter national Mars Society sind bisher verfügbar. radio.marssociety.org
Die Erde (und den Mond) vom Mars aus betrachten: Das können bisher nur Roboter.
»Ich war auch schon in Diskussionen, wo gesagt wurde: ›Ihr habt die Erde zerstört und jetzt verkündet ihr, ihr geht zum Mond.«
Philipp Hartlieb, Montanuniversität Leoben
17 BIORAMA 81 ROCKET SCIENCE BILD NASA/JPL-CALTECH/UNIV. OF ARIZONA
Die Nasa listet zum Thema Space Colonisation neben Medienberichten und Bü chern folgende Quellen zur weiterführenden Lektüre: Nasa: nasa.gov
National Space Society –Space Settlement: space.nss.org/?s=space+ settlement
The Mars Society: marssociety.org The Planetary Society: planetary.org
Die Digitalplattform Onteco ist online zu besuchen auf onteco.com
linären Sonet eher »hineingerutscht« über das Spinn-off-Potenzial: »Wir beschäftigen uns zum Beispiel damit, wie man auf der Erde Gesteinsabbauprozes se effizienter gestalten kann oder alternative Methoden zu den herkömmlichen verwen den kann. Wir machen auf der Erde sehr viel durch Bohren und Sprengen. Und dazu gibt es auch Alternativen, mechanische Methoden, die deutlich weniger Impact haben, die allerdings nicht für alle Gesteinsschichten geeignet sind. Durch diese Suche nach nachhaltigeren Me thoden sind wir in den Weltraum gekommen, denn im Weltraum haben wir keine ausreichen de Gravitation. Wir können daher nicht bohren und sprengen, verfügen nicht über Chemikali en, wir haben kein Wasser und ähnliche Werk zeuge, die wir zu bedienen gelernt haben.« Der interdisziplinäre Austausch mit anderen, die sich mit dem Weltraum beschäftigen, und das Tüfteln an der Umsetzung der Marsstadt Nüwa bringen dann mitunter die entscheidenden Ide en ein. Dahinter steht der Gedanke, diese Tech nologien auf der Erde zu verwenden und hier mit den dementsprechenden Voraussetzungen oder verbesserten Prozessen Abbau zu betrei ben. Seine Motivation zur Teilnahme sei klar: »Ich sehe schon auch sehr starkes Potenzial in
diesen Entwicklungen für uns und unser Leben auf der Erde.«
UNENDLICHE MÖGLICHKEITEN FÜR ENDLICHE ROHSTOFFE?
Bezüglich der Rohstoffe zur Umsetzung dieser Entwicklungen gilt es allerdings auch, am Boden zu bleiben. Davon, dass wir perspektivisch Berg bau auf Nachbarplaneten betreiben müssen, um die Erde mit Rohstoffen zu versorgen, geht Hart lieb jedenfalls nicht aus »Ich sehe kein Potenzial, Bergbau im All zu betreiben und die Rohstoffe zur Erde zurückzubringen. Das ist schon allein aufgrund der Massebilanzen nicht vernünftig.« Aber, gibt er für eine hypothetische Zukunft zu bedenken: »Wenn sich die Menschheit auf ei nem extraterrestrischen Körper, etwa dem Mars, niederlassen möchte, dann wird sie nicht darum herumkommen, auch dort für Rohstoffe zu sor gen. Denn diese von der Erde auf den Mars zu transportieren wäre unmöglich.«
Von der Umsetzung Nüwas ist Hartlieb näm lich nicht vollends überzeugt: »Nüwa ist eine Konzeptstudie, deren potenzielle Realisierung noch einige Jahre in der Zukunft liegt.« Wor an die Errichtung Nüwas scheitern würde? An allen Fronten: am Transport von ausreichend Material und Treibstoff genauso wie an der Ab
Die ArchitektInnen der Abiboo Studios waren Teil des Netzwerks »SoNet« und haben die Renderings für das Konzept der Marsstadt Nüwa gestaltet.
18 BIORAMA 81 ROCKET SCIENCE
STUDIO/SONET (GONZALO ROJAS)
schirmung der Marskolonie gegen die auf dem Planeten vor herrschende Strahlung. Der Entwurf zu Nüwa sieht daher vor, die Stadt großteils unter Tage anzulegen, trotzdem fehlt jede Vorstellung zum Überleben in dieser tödlichen Umge bung. »Wo ich mir vielleicht am wenigsten Sorgen mache, ist, dass man die richtigen Algen und Lebensmittel züchten kann. Aber der Rest rundherum sind vor allem Unsicherheiten.«
DER MARS IST NICHT DAS ZIEL ALLER MARSFORSCHUNG
Auch an die rasche Besiedlung des Mars glaubt Hartlieb eher nicht, sondern eher an die Errichtung von einer Art Außen posten auf Mond oder Mars, auf denen sich AstronautInnen vorübergehend aufhalten: »Für mich persönlich ist es nicht die zentrale Frage, ob wir Planet B besiedeln werden, son dern es geht vor allem um die technische Fragestellung im Hintergrund: Ist es möglich?« In diesem Kontext forschen und imaginieren die Mitwirkenden an Nüwa bereits in Fol geprojekten weiter.
Einer von ihnen ist Alfredo Muñoz, Gründer eines Archi tekturstudios – »ABIBOO Studio«. Er hat schon die Visuali sierungen von Nüwa verantwortet und betreibt jetzt Onteco, eine Weiterentwicklung des Konzepts zum Metaverse. Be tritt man die Projektwebsite, bekommt man den Eindruck, man sollte längst dabei sein, wenn man nicht zurückgelassen werden möchte. Für Hartlieb ist das »Futurverse« Onteco als Spielfeld spannend, weil es den technischen Zugang, der in Nüwa gesucht wurde, um psychische und politische Aspekte erweitert: »Alfredo versucht wirklich, Szenarien aufzubau en, die sich damit beschäftigen, wie wir mit dem Leben auf dem Mars umgehen würden. Wie könnte diese Community funktionieren, wie würden Stimmrechte vergeben? Ich fin de, das ist ein sehr spannendes Spiel.«
Demokratie unter neuen Gesichtspunkten, wo die Res sourcen knapp sind und Fehlentscheidungen fatal. Wo die politische Berücksichtigung von wissenschaftlicher Exper tise und ein funktionierender Konsens über gesellschaftli che Regeln das Überleben der Spezies bestimmen. Ganz an ders als auf dem Planet A.
»Ich war auch schon in Diskussionen, wo gesagt wurde: ›Ihr habt die Erde zerstört und jetzt verkündet ihr, ihr geht zum Mond.‹ Das soll definitiv nicht das Ziel des Ganzen sein, sondern es geht darum, zu schauen, ob und wie man etwas schafft oder nicht. Und das ist meine persönliche Motiva tion.« Wenn wir wissen, wie man was schafft, könnten wir es ja mal auf Planet A ausprobieren. »Die Erkenntnisse, die wir über Planeten außerhalb des Sonnensystems gewinnen, werden helfen, die Bewohnbarkeit unseres Heimatplaneten zu erhalten«, ist Helling überzeugt. »Die Suche nach dem Leben auf anderen Planeten, das Studium der Entstehung und Entwicklung von Planeten, bringt ForscherInnen aus allen Forschungsrichtungen über Ländergrenzen hinaus zu sammen«. Nur zum Üben, für Planet B.
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»PLANETENFORSCHUNG KOSTET NICHT DIE WELT«
Ulrich Köhler erforscht seit 30 Jahren unseren und andere Planeten –und blickt zuversichtlich ins Universum.
INTERVIEW
BIORAMA: Welches ist Ihr liebstes Bild im Universum?
ULRICH KÖHLER: Da geht es mir wie so vielen: das Bild, das Heiligabend 1968 von der Crew von Apollo 8 aufgenommen worden ist, als die Erde über dem Mondhorizont stand. Das ist das ikonenhafteste Bild, das die Menschheit je ge macht hat, denn es zeigt so viel. Es zeigt die Verletzlichkeit der Erde, dieser kleinen blauen Murmel mit ihrer dünnen Atmosphäre. Es zeigt die Trostlosigkeit anderer Himmelskörper am Beispiel des Mondes, auf dem es keine Atmo sphäre, keine Meere, kein Leben gibt. Bis jetzt haben 24 Menschen die Erde als Kugel aus der Distanz des Mondes gesehen. Und alle haben sie gesagt, dadurch wurde ihnen erst klar, wie
unermesslich groß das Universum ist und wie zerbrechlich die Erde. Und der Mond ist nur lausige 400.000 Kilometer weit weg und ande re Sterne sind noch viel, viel, viel, viel, viel, viel weiter entfernt.
Aber wir leisten uns die Raumfahrt nicht nur, um uns die Zerbrechlichkeit der Erde vor Augen zu führen?
Der Mensch will seine kosmische Umge bung erkunden. Er macht das hauptsächlich mit automatischen Raumsonden, das kostet weniger als mit Astronautinnen und Astronau ten, deren Leben zu schützen recht aufwendig ist. Es gibt freilich viele andere Anwendungen, auch die kommerzielle Raumfahrt. Zumindest
BILD NASA/WILLIAM ANDERS CC-0 –GEMEINFREI
Irina Zelewitz
Das Foto »Earthrise« wurde am 24. Dezember 1968 vom Astronauten William Anders geschossen.
20 BIORAMA 81 UNENDLICHE WEITEN
in Europa und bei der Nasa steht bei der Raumfahrt schon der Nutzen für die Menschheit groß im Vordergrund.
Ein ganz wichtiger Aspekt der Raumfahrt ist gerade im Hinblick auf den Schutz der Erde der Umgang mit dem Klimawandel. Nur weil wir Forschung aus dem Weltall ha ben, können wir überhaupt einschätzen, wie es um unse ren Planeten steht. Den globalen Blick auf die Erde gibt es erst seit 50 Jahren und der ist unermesslich wichtig bei der Einschätzung dessen, was wir jetzt tun müssen.
Es gibt natürlich dann auch noch Planetenforschung –mein Spezialgebiet –, die ist ein Randaspekt und kostet nicht »die Welt«. Das ist halt Grundlagenforschung. Das macht man, um herauszufinden: Warum ist die Erde so, wie sie ist? Warum gibt es gerade hier Leben und nicht auf der Venus und auf dem Mars? Oder gibt es doch Leben? Welche Planeten gibt es sonst noch? Erst kürzlich hat der Mensch zum ersten Mal einen kleinen Himmelskörper, einen Ast eroiden, in seiner Bahn beeinflusst, indem er ihn mit einer Raumsonde gerammt hat.
Wie viel wissen wir darüber, was da noch auf uns zukommt?
Etwa die Hälfte der Asteroiden, die größer als 100 Meter sind, glaubt man entdeckt zu haben. Die andere Hälfte fehlt noch. Lange war das eher ein Tabuthema: den Menschen ja keine Angst einjagen! Vor rund 15 Jahren hat im Uno-Aus schuss für Weltraumangelegenheiten in Wien der amerika nischer Apollo-9-Astronaut Rusty Schweickart gesagt: Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass die Erde mal von einem Asteroiden getroffen werden kann. Jetzt gibt es au tomatisierte Suchprogramm mit Teleskopen. Denn wenn man nichts dagegen unternehmen kann, wird man halt getroffen. Und jedes Jahr ist am 30. Juni der »Asteroidentag«, an dem darauf hingewiesen wird.
Denken Sie beim Stichwort »Leben auf anderen Planeten« zuerst an Aliens oder ans Auswandern?
Weder noch. Wenn man in unserem Sonnensystem überlegt, wo Leben möglich sein könnte, dann wissen wir ziemlich genau, dass es auf dem Mars wohl so gewesen sein konnte, vielleicht gibt es dort sogar noch ein paar Mikroorganismen. Aber intelligentes Leben – so wie wir? – sicher nicht. Wir sind auf dem Planeten Erde, der in der richtigen Entfernung zur Sonne ist und wo sich vor gut 3,7 Milliarden Jahren Leben ent wickelt hat. Und das war lange Zeit ganz primitiv. Dann kam die Photosynthese und hat die Atmosphäre umgewandelt. Dann kam vor 540 Millionen Jahren die kambrische Explo sion und dann ging die Artenvielfalt wie verrückt los. Und erst vor vielleicht 2 Millionen Jahren kam der Mensch dazu. Und seit 100 Jahren können wir uns – theoretisch – elektronisch mit Radiowellen mit jemandem austauschen.
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ist Planetengeologe am Deutschen Zen trum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof und Buchautor.
Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen: Unser Stern ist einer von 200 Milliarden Sternen in der Milchstraße. Und die Milchstra ße ist eine von Milliarden von Galaxien. Und wenn man das Ganze statistisch betrachtet, wird es sicherlich irgendwo anders auch einen Him melskörper geben, der ähnliche Voraussetzun gen hat wie die Erde und einen ähnlichen Stern hat wie die Sonne. Warum hat sich gerade auf unserer Erde Leben entwickelt? War es Zufall oder war das zwingend?
Dafür habe ich keine Frage vorgesehen, aber falls Sie die beantworten können …
Ja, das ist in der Wissenschaft auch das Faszi nierende, dass wir so Zentrales noch nicht wis sen. So ein Bänkchen unter orangen Lärchen wie das, auf dem ich grade sitze und das Telefonin terview gebe – gibt es das irgendwo anders noch mal im Universum?
Sollten wir uns mit Ressourcen und Hirnschmalz der technischen Vorbereitung des Umzugs auf einen anderen Planeten widmen, während wir den, auf dem wir leben können, zerstören ?
Es ist absolut abwegig, in diesem Jahrhun dert daran zu denken, irgendwo erste Kolonien auf anderen Himmelskörpern aufzubauen. Das wird noch lange dauern und es wird sicherlich nicht die Lösung sein, um die Erde wieder in die Spur zu bringen und vor ihrem Untergang zu be wahren. Wir haben definitiv keinen Planet B!
Außerdem: Die riesige Erde werden auch wir Menschen nicht zerstören. Wir zerstören, wenn wir uns weiter so richtig dumm anstellen, unse
re Lebensgrundlagen. Die Erde wird es nicht ju cken, wenn es uns nicht mehr gibt.
Welche von Elon Musks Ankündigungen nehmen Sie wie ernst, wenn er verkündet, wir siedeln Mitte des Jahrhunderts auf den Mars?
Der Eindruck, den manche »Visionäre« ver mitteln, wir könnten auf dem Mond permanen te Siedlungen errichten, das ist schon sehr, sehr ehrgeizig. Da wird sich in den nächsten zehn Jahren ein bisschen was tun, ein paar Menschen werden ein paar Wochen da oben bleiben. Aber Siedlungen auf dem Mars, wo sich Menschen auch fortpflanzen, sind in dem Jahrhundert na hezu unrealistisch.
Die Raumfahrt ist noch lange nicht so weit, dass sie das kann. Es war etwas anderes, was Musk gemacht hat, ein fundamentaler Schritt: Nämlich, dass er gesagt hat, wir müssen endlich mal dahin kommen, dass Komponenten von den Trägerraketen wiederverwendbar werden – und nicht einfach in den Ozean stürzen und weg sind. Und das wurde geschafft. Das sind die kleinen großen Sprünge, die man so macht.
Zum 50 Millionen Kilometer entfernten Mars überhaupt mal Menschen hinzuschicken wird eine Riesengeschichte werden in den 30er- und 40er-Jahren. Der Mensch wirds machen – weil er alles macht, was er machen kann. Er war auf dem Mount Everest und im Marianengraben, auf dem Mond. Da wird er auch zum Mars flie gen. Und das wird er verdammt gut vorbereiten.
Vor paar Jahren bin ich noch davon ausgegan gen, die Raumfahrt wird immer globaler und alle helfen sich gegenseitig, einschließlich Russland und China. Jetzt ist das alles viel schwieriger geworden.
Technisch, finanziell?
Ist es das wert, dass der Westen, sagen wir, 100 Milliarden dafür ausgibt, drei Hanseln zum Mars zu bringen? In diesen Zeiten? Da muss man nicht besonders umweltbewusst sein, um zu merken: Damit du das politisch und ge sellschaftlich durchbringst, brauchst du gute Argumente.
Freut es Sie dann trotzdem, wenn Milliardäre ihr Vermögen in den Weltraum schießen, statt die nachhaltigen, selbst
BILD DLR
»Ist es das wert, dass der ›Westen‹, sagen wir, 100 Milliarden dafür ausgibt, drei Hanseln zum Mars zu bringen?«
Ulrich Köhler, Planetengeologe
Ulrich Köhler
22 BIORAMA 81 UNENDLICHE WEITEN
versorgenden Städte vielleicht mit demselben Budget hier zu bauen?
Das ist eine schwierige Frage. Generell bin ich ein Anhän ger von liberalem Gedankengut: Alle sollen mit ihrem Geld machen, was sie wollen. Aber ich denke mir natürlich auch: Was soll das? Fliegt man einmal um die Erde rum und dann vielleicht sogar mal bald zum Mond? Es müsste eigentlich je dem intelligenten Menschen klar sein, dass das Geld zurzeit besser investiert ist in Nachhaltigkeitsprojekten jeglicher Art, in Bildung in Afrika oder Südamerika oder in Gleichberech tigung im Iran. Womöglich öffnet der Ausflug ins All auch manchen MilliardärInnen die Augen und sie geben ihre ver bleibenden Milliarden dann für Sinnvolleres aus.
Auf der anderen Seite bin ich ein bisschen Evangelist und trage das Wissen, das wir erworben haben, gerne in die Öf fentlichkeit weiter, vor allem für Kinder und Jugendliche, da mit sie sich für Technik und Wissenschaft begeistern. Weil das Allerwichtigste ist, dass wir junge Professionals haben, die jetzt das, was meine Generation mit verbockt hat, wieder geraderichten.
Was antworten Sie jemandem, der sagt, dass technologische Innovation schon viele Probleme der Menschheit gelöst hat und auch das mit dem Klimawandel lösen wird?
Jeder Mensch auf der Erde muss sich seinen Zeiten mit sei nen Möglichkeiten anpassen. Dass man den Säbelzahntiger vor der Höhle mit einer Fackel verjagt und, wenn es kalt ist, einen zweiten Bären erlegt und sich eine schöne Jacke draus macht, ist auf Dauer nicht genug.
Ich hatte auch andere Jahre, aber mittlerweile glaube ich, dass das Glas halb voll ist: Dass die junge Generation begrif fen hat, was los ist, und dass man was tun muss.
Wie sind Zitate wie jenes von Stephen Hawking einzuordnen, dass wir dringend nach bewohnbaren Planeten suchen müssen, weil die Erde schon in 100 Jahren unbewohnbar sein könnte?
Mitunter quatschen auch WissenschaftlerInnen ein biss chen. Prinzipiell hatte er recht damit, dass wir hier nicht ewig leben werden. Die Sonne wird in 5.000.000.000 Jah ren nicht mehr da sein. Jetzt sprechen Sie mal mit Evoluti onsbiologInnen darüber, was aus Menschen in 5 Milliarden Jahren geworden sein wird. Da kann keineR auch nur an satzweise eine vernünftige Antwort geben.
Was wir bis dahin übrigens auch »dringend« besprechen sollten, ist die ethische Komponente: Denn die erste Gene ration steigt meinetwegen noch freiwillig in ein Spaceshutt le zum Mars ein. Die Kinder, die dann dort geboren werden, die gucken zurück auf einen kleinen blauen Punkt, die Erde, und sagen: Mit uns war das aber nicht ausgemacht!
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Ein großer Schritt für die Menschheit? Die Beforschung des Weltalls und die Suche nach Leben auf anderen Planeten folgt einem sehr grundsätzlichen Erkenntnis drang des Menschen, gleichzeitig treibt viele Wissen schafterInnen der Wunsch an, die Welt ein Stück besser zu machen. Und während spektakuläre Pläne zur Besiedelung anderer Planeten die mediale Berichterstattung zum The
TEXT/INTERVIEWS
Irina Zelewitz
ma Weltraum dominieren und sich nach Jahrzehnten der internationalen Kooperation wieder stärker ein Charakter des Wettrennens zu diversen Zielen im All abzeichnet, fra gen sich manche womöglich, ob diese Energie nicht auch in die Lösung irdischer Probleme fließen könnte. Wird die Menschheit, derzeit eher auf Planet A festgenagelt, durch die Beforschung der unendlichen Weiten gerettet werden?
»Was wird die Weltraumforschung in den kommenden Jahren zum Überleben der Menschheit beitragen?«
Astrophysikerin am Europäischen Weltraumforschungsund -technologiezentrum (ESTEC) in den Niederlanden und für die Wissenschaftliche Abteilung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA)
»Weltraumforschung trägt tatsächlich zum Über leben der Menschheit bei: zum einen durch Tech nologieentwicklung, die dann auch in anderen
Bereichen Anwendung findet, zum Beispiel in der Klimawissenschaft, in der Medizin oder im Tierschutz. Zum anderen, weil sie einen Perspek tivenwechsel erzwingt. Im Vergleich zu dem Uni versum als Ganzes wird klar, wie sehr unser ei genes Sonnensystem nur ein kleines Staubkorn in den unendlichen Weiten des Weltraums ist, aber auch wie einzigartig und fragil unsere Erde und ihr Ökosystem sind.«
BILD ISTOCK.COM/AGOR2012, ONYXPRJ, FRIEDHELM ALBRECHT/UNIVERSITÄT TÜBINGEN,
Victoria Grinberg,
1 Frage, 4 Expertisen
24 BIORAMA 81 EXPERT TALK
BILD CHRIS SCOTT, P. HARTLIEB, DLR
Christiane Helling,
Direktorin des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
»Unsere Grundlagenforschungen tragen zum Ver ständnis von Planetenatmosphären bei. Zum Bei spiel führte das Studium der Venusatmosphäre dazu, dass man den kausalen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des UV-absorbierenden Ozons (»Ozonloch«) und der Zunahme von FCKW-Gasen in der Atmosphäre herstellten konnte.
Wichtige Themen sind auch Space Weather und Weltraumschrott. Ein Sonnensturm kann ganze Satellitenkonstellationen nutzlos werden lassen, Warndiensten vor Naturkatastrophen würden die Daten fehlen und es würde eine Menge zusätzlicher Weltraumschrott entstehen.«
Ulrich Köhler,
Planetengeologe am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
»Wir kennen 1 Million Asteroiden, davon haben 27.000 Bahnen, die sich mit der Erdbahn kreu zen. Etwa die Hälfte derer, die größer als 100 Me ter sind, glaubt man entdeckt zu haben. Die andere Hälfte fehlt noch. Es gibt automatisierte Suchpro gramme mit Teleskopen, um vorherzusehen, wel che man versuchen muss, abzuwenden. Denn wenn man nichts dagegen unternehmen kann, wird man halt getroffen.
Lehrstuhl für Bergbaukunde, Bergtechnik und Bergwirtschaft in der Abteilung Mineral Resources Engineering der Montanuniversität Leoben
»Das Spin-off-Potenzial ist ein enormes. Von Tele kommunikation bis zu Strahlungsschutz und Pflan zenwachstum. Auch im Bergbau – die Beschäfti gung bringt etwa Erkenntnisse dazu, wie wir Roh stoffe weniger invasiv gewinnen und langfristiger heißt nachhaltiger nutzen können. Sehr viel For schung, die für den Weltraum betrieben wird, hat dann auf der Erde unmittelbare Konsequenzen.«
Das würde als Antwort wohl reichen, aber es gibt einen genauso wichtigen weiteren Aspekt: Wir se hen dank unglaublich genauer Messgeräte auf den Satelliten, die die Erde beobachten, etwa sehr detail liert, dass die Eisschmelze auf der Arktis schnel ler passiert als prognostiziert, während das auf der Antarktis teilweise anders ist.
Diese Beobachtung der Erde wird uns ermöglichen, bessere Schlüs se zur Rettung unseres Planeten ziehen zu können.«
Philipp Hartlieb,
25
TEXT Thomas Weber
TAUSEND MONDE HELL
AktivistInnen wie die »Paten der Nacht« kämpfen gegen exzessive Beleuchtung und taghelle Nächte – vor allem mit Aufklärung und durch leuchtende Vorbilder, die freiwillig verdunkeln.
Zu viel ist zu viel, da sind sich alle einig. Aus genommen vielleicht diejenigen, die vom Verkauf von Laternen und Leuchtreklame leben. Wie viel aber ist zu viel? Welcher Lichtschein angenehm ist, wie viel Leuchtkraft ausreichend, das lässt sich nicht allgemeingül tig sagen. »Das ist persönliche Ermessenssache und lässt sich nicht messen«, weiß Manuel Phi lipp, »der Mensch reagiert nicht rational, was Licht angeht.« Dabei entspräche es dem Natu rell des bayerischen Physikers, der mit seiner Diplomarbeit einst ein erstes mobiles Mess gerät für den UV-Index entwickelt hat, klar mit Zahlen, Richt- und Grenzwerten zu arbei
ten. Als Aktivist aber hat er sich angewöhnt, in Gleichnissen zu sprechen und sein Gegenüber emotional zu erreichen. Denn Dauerlicht, Blen dung und grelles Blinken empfinden alle als störend. Und dass die Zahl der Lichtquellen in den vergangenen Jahren massiv zugenommen hat – Hotels mit LED-Schläuchen als Hänge beleuchtung, Scheinwerfer vor Supermärkten, ausgeleuchtete Autohäuser, blinkende Weih nachtsdeko oder im Strahlenschein inszenier te Baumskulpturen –, das ist niemandem ent gangen. Auch dass wirkliche Dunkelheit selten geworden ist, selbst abseits der Hauptverkehrs wege. »In der Praxis«, sagt der Physiker, »wer
BILD ISTOCK.COM/ELLEON
BIORAMA 81 NACHTSCHUTZ 26
den in Deutschland Wohnstraßen mit 15 Lux beleuchtet. Das entspricht 75 Vollmondstär ken. Hauptstraßen leuchten wir mit 60 bis 80 Lux aus, also mit mindestens 300 Vollmond stärken.« Solche Zahlen würden sein Gegen über oft erstaunen, sagt er, schaffen aber einen Konsens: Das ist zu viel, viel zu viel. Und gehört zurückgedreht.
An die 50 Gleichgesinnte hat Manuel Philipp bereits um sich geschart. Als »Paten der Nacht« engagieren sie sich in Deutschland und Öster reich für den Schutz der Nacht. Gemeinsam kämpft man gegen Lichtverschmutzung, ge gen die unbedachte Verschwendung von Ener
gie und für einen bewussten Einsatz von Licht; zum Wohlbefinden aller – auch der Flora und Fauna, die durch den verrückten Tag-NachtRhythmus zumindest beeinträchtigt ist.
Am augenscheinlichsten ist Lichtverschmut zung in Ballungsräumen. »In Gegenden mit viel Industrie, etwa im Ruhrpott, und in Städten, die etwas sind oder die was sein wollen, wie Berlin, München, Köln oder Hamburg, dort ist es am hellsten«, sagt Philipp. Doch auch der ländliche Raum ist betroffen. Light Pollution Maps, für die Satellitendaten über Google-Kar ten gelegt werden, zeigen das immer deutlicher. In Nordrhein-Westfalen nennt der Bericht des Landesamts für Natur-, Umwelt- und Verbrau cherschutz neben Innenstädten und Industriegebieten beispielsweise auch »große nicht abgeschirmte Treibhäuser« als »besonders lichtintensiv«. Sogar die Landwirtschaft zählt also zu den VerschmutzerInnen.
WO DEUTSCHLAND AM HELLSTEN STRAHLT
Wirkliche Fortschritte im Kampf gegen die taghelle Nacht gibt es bislang vor allem aus Sternenparks zu vermelden. Das sind Regionen wie beispielsweise der Biosphärenpark Rhön, die sich ganz dem Schutz der Nacht widmen. Dort wird die Dunkelheit geradezu zelebriert. In Ballungsräumen tut man sich offensichtlich schwerer. Vielleicht auch, weil Licht als Sym bol der Moderne für Urbanität steht und – nicht zu unterschätzen – ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. In Nordrhein-Westfalen, einem der hellsten Punkte auf Deutschlands Light Pollu tion Map, engagiert sich Kerstin Schnücker als Referentin für Stadtnaturschutz des lokalen BUND gegen Lichtverschmutzung. Erfolgspro jekte kann sie keine nennen: »Daran arbeiten wir noch.« Seit Jahren fordere man eine lan desweite Einführung von Lichtmanagement plänen. Bislang vergebens.
»Beim Thema Lichtverschmutzung gestal tet sich die Arbeit unserer Aktiven vor Ort mit
Paten der Nacht
Gemeinnützige Organisation und Plattform ehrenamtli cher NachtschutzaktivistInnen aus Deutschland und Öster reich. 2021 ausgezeichnet mit dem Umweltpreis der Bayerischen Landesstiftung. paten-der-nacht.de
»In Gegenden mit viel Industrie und in Städten, die etwas sind oder die was sein wollen, wie Berlin, München, Köln oder Hamburg, dort ist es am hellsten.«
— Manuel Philipp, Pate der Nacht
27
den Kommunen leider oft eher konfrontativ als kooperativ«, berichtet Schnücker. »Die Bereit schaft, überflüssige Beleuchtung abzustellen, ist oft nur aus Kostengründen gegeben. Auch wenn auf der Sachebene nichts dagegenspricht, wird wegen des subjektiven Sicherheitsempfin dens leider meist mit der Lichtverschmutzung fortgefahren.«
Um positive Vorbilder zu schaffen, haben die »Paten der Nacht« deshalb vergangenen Mai die Aktion »22 Uhr – Licht aus« gestartet. Fir men, die frühestmöglich, aber spätestens ab 22 Uhr freiwillig und bewusst auf Werbebeleuch tung verzichten, werden ins mediale Schein werferlicht gestellt. Neben vielen kleinen Fa milienunternehmen beteiligt sich etwa der Ha gebaumarkt mit seinen Filialen. Dann kamen die kriegsbedingte Energiekrise und die Ver ordnung des Bundeswirtschaftsministers, die Beleuchtung von Anfang September bis Ende Februar 2023 ab 22 Uhr flächendeckend ganz abzudrehen. Vorübergehend pausierte man deshalb, die Vorbilder zu kommunizieren. Von der Effektivität der bundesweiten Verordnung ist man nicht ganz überzeugt. »Gut gemeint«, seufzt der Physiker und Aktivist Manuel Philipp. Aber die Verordnung sei völlig an der Praxis vorbei umgesetzt. »Weder Zuständigkei ten noch Konsequenzen bei Nichteinhaltung sind geklärt. Vielleicht greift sie ja noch. Aber dort, wo ich in Bayern unterwegs bin, da wur den keine Lichter ausgemacht. Wir wissen aus der Praxis, dass es bei kleinen Geschäften zu weilen mehrere Monate braucht, bis die ihren Elektriker gerufen haben, um die Zeitschaltuhr
der Beleuchtung umzuprogrammieren.«
Dabei ist auch der oberste Pate der Nacht überzeugt, dass Freiwilligkeit langfristig nicht reichen wird, um erfolgreich gegen die Licht verschmutzung vorzugehen. Ohne klare Vor gaben werde es nicht gehen. »Vorher brauchen wir aber Aufklärung und eine breite Sensibili sierung für das Problem«, ist er überzeugt. Als Beispiel nennt er Bayern, wo ein landesweites Immissionsschutzgesetz unter anderem »ver meidbare Lichtemissionen« regelt. Seit 2019 ist in Bayern von 23 Uhr bis zum Morgengrauen mit der Außenbeleuchtung von Kirchen und öf
fentlichen Gebäuden Schluss. Zumindest laut Gesetz. »Tatsächlich leuchten auch drei Jah re nach Inkrafttreten des Gesetzes spätnachts noch viele Kirchen und Amtsgebäude. Das klappt also nicht einmal bei den Gemeinden, obwohl hohe Strafen vorgesehen wären.« In Baden-Württemberg ist es in der Hauptflugzeit der Insekten von April bis September mittler
BUND
Erinnerungsort im Halbdunkel der Rhön: der Grenzturm Point Alpha, als Nato-Beobachtungsturm bis 1990 Schauplatz des Kalten Kriegs.
BILD FALK ZIEBARTH, SCHNÜCKER
Kerstin Schnücker
Referentin für Stadtnaturschutz des lokalen BUND gegen Lichtverschmutzung
»Jedes Fahrzeug muss ohnehin beleuchtet sein. Die Dunkelheit der Nacht ist kein regelwidriger Zustand.«
— Sabine Frank, Nachtschutzbeauftragte im Sternenpark Rhön
28 BIORAMA 81 NACHTSCHUTZ
weile sogar ganz verboten, Gebäude nachts zu beleuchten. Ausgenommen sind Kirchen. Sonst gibt es in Deutschland nirgendwo eine landes weite Lichtregulierung. Um weiterzukommen, fordert Philipp: »Wir brauchen da zuerst brei te Bewusstseinsbildung und dann statt des dro henden Flickenteppichs an Gesetzen und kom munalen Verordnungen eine einheitliche Rege lung, im Idealfall EU-weit.«
DUNKELHEIT IST NICHT VERBOTEN
Eine allgemeine Pflicht zur Beleuchtung gibt es in Deutschland jedenfalls nicht. »Die Kom munen haben immens großen Handlungsspiel raum«, weiß Sabine Frank aus ihrer Praxis als Nachtschutzbeauftragte im Sternenpark Rhön. Als solche führt sie im Dunkeln BesucherIn nen durch den nächtlichen Biosphärenpark und berät tagsüber Gemeinden und Unterneh men, wie sie Licht behutsam und sinnvoll ein setzen können. Theoretisch, sagt Frank, wäre es rechtlich sogar gedeckt, die Lichter nachts zur Gänze auszumachen: »Die Verkehrssiche rungspflicht liegt prinzipiell beim Verkehrsteil nehmer, der oder die sich an Sichtverhältnisse anpassen muss. Jedes Fahrzeug muss ohnehin beleuchtet sein. Die Dunkelheit der Nacht ist kein regelwidriger Zustand.«
SPENDEN GEGEN DAS BURNOUT
Zu viel droht es indes auch den Nachtschutzak tivistInnen selbst zu werden. Sabine Frank, de ren Sternenpark europaweit als vorbildlich gilt, wird für Vorträge gebucht und ist als Beraterin gefragt. Sie hofft, dass es bald auch in anderen Regionen und Städten Nachtschutzbeauftragte gibt. In Düsseldorf beispielsweise wurde das be reits wiederholt im Stadtrat debattiert. »Ich be rate wirklich gerne, aber ich kann das als Person alleine bald nicht mehr leisten«, sagt sie. Öffent lich finanzierte Fachleute mit fundiertem Wis sen würden die Sache wesentlich voranbringen.
Die »Paten der Nacht« wurden 2021 mit dem Umweltpreis der Bayerischen Landesstiftung ausgezeichnet. Finanziert wurde das Engage ment bislang aber im Wesentlichen von Manu el Philipp. »Alles aus privater Tasche zu zah len, kann und will ich mir nicht mehr leisten«, sagt der Physiker und Nachtpate. Da das Netz werk der Nachtschutzaktiven nun auch offizi ell als gemeinnützige Organisation eingestuft ist, kam er seinem Ziel, MitarbeiterInnen gegen
Bezahlung anzustellen, einen wichtigen Schritt näher. Für Aktionen wie »22 Uhr – Licht aus« sucht er nun SpenderInnen und Stiftungen –um die gemeinsame Sache voranzubringen. Da bei ist Manuel Philipp insgesamt optimistisch: »Im Gegensatz zu anderen Umweltproblemen lässt sich die Lichtverschmutzung verhältnis mäßig leicht eindämmen.« Was allerdings das Schlimmste wäre: im Kampf gegen Lichtver schmutzung selbst auszubrennen.
Im Mai 2022 starteten die PatInnen das Projekt »22 Uhr – Licht aus«. Es setzt auf die Vorbildwirkung von Unternehmen. 22uhr.net
Wo es zu hell ist, bleibt sie unsichtbar: die Milchstraße (hier fotografiert bei der Wasserkuppe am Kreuzberg, der höchsten Erhebung Hessens).
BILD WERNER KLUG
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WELCHE INSEKTEN SIND DURCH LICHT BEDROHT?
TEXT Thomas Weber
Das Uferaas, eine Eintagsfliege, ist ein Ex trembeispiel. Ephoron virgo – im Volks mund auch als »Vergängliche Jungfrau« bekannt – wird negativ von Licht beein flusst wie wahrscheinlich wenige Arten sonst. »Die Tiere werden sehr stark von künstlichem Licht angelockt und leben nur wenige Stunden, sodass sie in der Regel gänzlich darunter veren den«, erklärt Thomas Hörren, seit 2022 Vorsit zender des Entomologischen Vereins Krefeld.
Studie des Entomologischen Vereins Krefeld
Die Studie zum Thema Insektensterben erschien 2017 im Journal »PlosOne« unter dem Titel »More than 75 percent decline over 27 years in total flying in sect biomass in protected areas«.
journals.plos.org
Als Insektenforscher mit Fachgebiet Käferkun de an der Universität Duisburg-Essen ist er spe zialisiert auf Insektendiversität und Biodiversi tätsschäden und sagt: »Fakt ist auch, dass viele aquatische Insekten im überwiegenden Maße nachts an künstliches Licht fliegen.« Darüber hi naus ist er vorsichtig, was den tatsächlichen Im pact von nächtlichem Licht auf Insekten angeht. Leugnen möchte er ihn nicht, »aber dazu exis tiert faktisch nichts, das ihn irgendwie generell gewichtet betrachtet«.
Das Thema Lichtverschmutzung hält er im Zusammenhang mit dem Insektensterben ins
gesamt dennoch für überbewertet. Einzelstu dien seien nicht vergleichbar, negative Effekte auch schwer messbar. Was macht Licht genau mit einzelnen Arten? »Ich bin da persönlich im mer sehr skeptisch. Licht ist aber mit Sicherheit ein Nebenschauplatz und kein Hauptaspekt –dafür gibt es zu viele Standorte mit Biodiver sitätsverlusten in der Nähe beleuchteter Sied lungen oder aber gänzlich fernab davon.« Weit über die Fachwelt hinaus berühmt wurde der Entomologische Verein Krefeld, als er nachwei sen konnte, dass die Biomasse an Fluginsekten in 63 deutschen Naturschutzgebieten zwischen 1989 und 2016 um 75 Prozent zurückgegangen ist. Laut dem Magazin »Economist« war die Stu die das am dritthäufigsten wissenschaftlich zi tierte Paper des Jahres 2017. Als Ursache für den alarmierenden Rückgang vermuteten die Stu dienautorInnen die starke Intensivierung der Landwirtschaft in diesem Zeitraum. Genannt werden neue Pflanzenschutzmethoden (Pesti zide) sowie das Verschwinden von Feldrändern und -rainen.
Über die Anziehungskraft von Licht auf Insekten ist wenig bekannt.
BILD ISTOCK.COM/MICHAL RENEE
30 BIORAMA 81 ARTENSCHUTZ
»DIE LEUTE GUCKEN ZU VIELE KRIMIS!«
Alles blinkt, leuchtet, strahlt. Das vergeu det Ressourcen und geht auf Kosten von Lebensqualität wie Biodiversität. Im Ster nenpark Rhön im Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen verdunkelt und dimmt man deshalb ganz bewusst. Und die natürlichen Nachtlandschaften des Schutzgebiets gelten be reits weit über das Unesco-Biosphärenreservat hinaus als leuchtendes Beispiel für die Vermei dung von Lichtverschmutzung. Sabine Frank, Koordinatorin des Sternenparks, ist eine ge fragte Vortragende und auch in der Region selbst tagsüber wie nachts aktiv. Nach Sonnenunter gang führt die Kulturwissenschafterin und Ama teurastronomin Interessierte durch die sternen helle Nacht. Tagsüber berät sie Gemeinden und Unternehmen dabei, Licht nur sinnvoll einzu setzen. Im Gespräch mit BIORAMA erklärt sie, was jede und jeder Einzelne gegen Lichtver schmutzung tun kann.
BIORAMA: Viele Menschen, die sich gegen Lichtverschmutzung engagieren, haben ein Faible für Astronomie oder beschäftigen sich beruflich mit dem Sternenhimmel.
SABINE FRANK: Das sind diejenigen, die auch nachts draußen sind und nicht einfach nur schnellstmöglich nach Hause wollen. Ihnen fällt der schleichende Verlust der Nacht auf. Aber durch den Artenrückgang und das Insek tensterben ist Lichtverschmutzung auch in den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fo kus gerückt. Mittlerweile muss ich nicht mehr erklären, was Lichtverschmutzung ist. Das war schon mal anders.
Sie leben im Unesco-Biosphärenreservat Rhön, das 2014 von der International Dark-
Sky Association (IDA) als Internationaler Sternenpark anerkannt wurde. Das klingt nach einer touristischen Positionierung … Aus unserer Sicht ist es eine Strategie, Licht verschmutzung klar entgegenzutreten und damit den Naturschutz ganzheitlich zu machen. Viele Maßnahmen sind einfach zu fokussiert. Aber die besten Insektenhotels bringen nichts, wenn wir den Lebensraum nachts mit Licht fluten.
Welche Menschen suchen denn gezielt die Dunkelheit? Sind das nur Sternenbegeisterte?
Nein, aber oft verpasse ich denen einen Ster nenvirus. Ich habe Astronomie früher selbst als sehr männlich dominiert erlebt. Nach dem Mot to: Wer das größte Fernrohr hat, ist der tollste Kerl. Demgegenüber habe ich eine Sternenfüh rung entwickelt, die mit maximaler technischer Unterstützung durch ein Fernglas auskommt, die aber die Nachtlandschaft miteinbezieht: Wolken, Schatten, die Kulturgeschichte der Nacht – alles wird berücksichtigt. Auf unserem Breitengrad ist es oftmals bewölkt. Da kann ich eine Führung nicht jedes Mal absagen, wenn oben am Himmel Wolken sind. Dabei geht es auch immer um den Schutz der Nacht.
Lässt sich objektiv messen, dass es uns in einer Umgebung, die nachts dunkler ist, besser geht?
Es gibt Tausende Untersuchungen, die zeigen, dass es etwa für Insekten große Un terschiede macht. Wir reden ja über natürli che Beleuchtungsstärken: Das Sonnenlicht tagsüber hat 120.000 Lux. Das hellste Licht der Nacht ist der Vollmond. Was schätzen Sie, wie stark der leuchtet?
Sternenpark Rhön Seit 2014 ist der UnescoBiosphärenpark auch als Internationaler Sternen park anerkannt. Sein Motto: »Licht aus! Sterne an!«
INTERVIEW Thomas Weber
Deutschlands lauteste Stimme gegen Lichtverschmutzung stellt klar: »Das Gegenteil von hell ist sternreich, nicht dunkel.«
BILD UNSPLASH.COM/THOR ALVIS, STERNENPARK RÖHN
Sabine Frank koordiniert den Sternenpark Rhön im Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen.
biosphaerenreservat-rhoen.de
31 BIORAMA 81 LICHTVERSCHMUTZUNG
Sternenpark Attersee-Traunsee
Auch Österreichs erster Sternenpark ist von der International Dark-Sky Association anerkannt: ein Nacht-Landschaftsschutzge biet mit dem Ziel, die Dun kelheit des Nachthimmels zu erhalten. naturpark-atterseetraunsee.at
Gute Frage, vielleicht mit 40.000 Lux? Ha! Mit maximal 0,3 Lux! Da ist es kein Wun der, dass sich Tiere bei Neumond ganz anders verhalten als bei Vollmond. Viele paaren sich zum Beispiel lieber bei Neumond, weil sie da von Fressfeinden nicht gesehen werden. Das zeigt, wie stark wir alles verändern. Auch für uns Menschen ist der Tag-Nacht-Wechsel der natürlichste Rhythmus des Lebens. Durch un seren verschwenderischen Umgang mit Licht schaffen wir aber ganzjährig ein nächtliches Dauerlicht, oft stärker als der Vollmond. Da durch gerät die Natur aus dem Takt! Das heißt, funktionierender Naturschutz muss den Faktor Dunkelheit berücksichtigen.
Übernutzung von Licht. Statistisch sind Frauen im öffentlichen Raum von Gewalt nicht betrof fen, sondern eher Männer. Frauen sind eher in Gefahr durch ihre Partner oder Expartner. Im öffentlichen Raum ist Alkohol das Thema, nicht Dunkelheit. Helles Kunstlicht kann Aggression sogar aufschaukeln und auch die Aufenthalts dauer unerwünscht verlängern.
Es geht mir beim Thema »gefühlte Sicher heit« nicht darum, Licht aus dem öffentlichen Bereich zu verbannen. Aber der Einsatz von Kunstlicht bei Nacht muss einfach besser ge lingen; auch in Bezug auf das Thema Sicherheit. Eines steht aber auch fest: Die Leute gucken zu viele Krimis, die Welt ist gar nicht so böse.
Die hohen Energiepreise haben die Politik veranlasst, schnell gegenzusteuern. Deutschlands grüner Wirtschaftsminister verordnete etwa, dass Leuchtreklame nur zwischen 16 und 22 Uhr eingeschaltet sein darf. Was wird das bringen?
Sternenweg Großmugl
Auch die niederösterreichi sche Gemeinde Großmugl schützt die Dunkelheit der Nacht. Eine eigene App führt entlang des Sternenwegs. sternenweg-grossmugl.at
Viele Menschen fühlen sich weniger sicher, wenn es dunkler ist. Machen es sich viele AktivistInnen nicht zu leicht, wenn sie das einfach als »subjektives Sicherheitsempfinden« aburteilen? Können Sie nachempfinden, dass sich viele in der Dunkelheit unwohl fühlen? Wissen Sie, ich saß gestern Abend mal vor dem Fernseher. Ich habe mir drei Krimis an geschaut, die alle damit begannen, dass ein Mensch allein in der Dunkelheit ist und ihm et was zustößt. Die Dunkelheit wird also stark stig matisiert. Denn die Kriminalitätszahlen belegen das nicht. Eigentlich könnte man sich an richtig dunklen Orten sicherer fühlen, weil man nicht gesehen wird. Es geht also auch um konstruierte und damit unbegründete Angst, die gesellschaft lich und umwelttechnisch mit hohen Kosten verbunden ist. Der Schaden übersteigt den Nut zen oftmals. Das »Gefühl der Angst« kann man nur damit erklären, dass sich jemand allein und schutzlos fühlt. Der Glaube, dass Licht automa tisch Schutz bietet, führt zu einer kompletten
Das sieht man sofort am Himmel: mehr Ster ne, weniger Energieverschwendung, dadurch weniger CO2 in der Atmosphäre, mehr natür licher Lebensraum. Das Gegenteil von hell ist sternreich, nicht dunkel. Das sehen wir jetzt schon ganz deutlich.
Lässt sich verhindern, dass wir als Gesellschaft nach Ende der Energiekrise einfach wieder die Lichter anmachen?
Ich hoffe schon. Wir sehen anhand der aktuel len Maßnahmen, wie unnötig das alles war. Wir lassen ja gerade bloß das Unnötige weg, nichts davon ist ein massiver Einschnitt oder wäre gar gefährlich. Ich habe die Hoffnung, dass wir das beibehalten. Ich merke das bei meinen Stern wanderungen: Die Leute haben eigentlich die Schnauze voll davon, überall reizüberflutet zu werden, dazu gehört auch Dauerlicht.
Was kann ich als BürgerIn selbst gegen die Lichtverschmutzung in meiner Umge bung unternehmen?
Ganz klar: nur funktionale Außenbeleuchtung anbringen – und sehr sparsam mit Licht umge hen. Vor allem: kein Licht im Garten. Wenig Licht hilft uns übrigens auch dabei, besser zu sehen. Das wird Ihnen jeder Augenarzt bestätigen.
»Jedes Fahrzeug muss ohnehin beleuchtet sein. Die Dunkelheit der Nacht ist kein regelwidriger Zustand.«
— Sabine Frank, Nachtschutzbeauftragte im Sternenpark Rhön
BILD UNSPLASH.COM/THOR ALVIS 32 BIORAMA 81 LICHTVERSCHMUTZUNG
Bio-Heumilch
Bio-Heumilch von den Tiroler Bergbauern
Tierwohl hat auch etwas mit der Betriebsgröße zu tun. Auf der Mannerstätter Alm im Tiroler Unterland haben die Milchkühe Familienanschluss. Bio-Berglandwirtschaft wie wir sie verstehen ist kleinstrukturiert. Für den Tiroler Ursprung bürgt das Gütesiegel „Qualität Tirol“.
biovomberg.at
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LICHTFLUT
Flutlicht ist für Fußballspiele am Abend essenziell, doch es sorgt auch für ein Ungleichgewicht in der Natur und beim menschlichen Schlafrhythmus.
90.000 Euro kostet der Flutlichtumbau einer kleinen Sportstätte der Beleuchtungsklasse 3 laut dem Onlinerechner sportstaettenrechner.de
Flutlichtspiele sind bei Fußballfans beson ders beliebt, ein beleuchtetes Stadion ist auch noch kilometerweit erkennbar, wo mit Flutlicht noch zu einem Werbeeffekt beiträgt. Doch die hohen Beleuchtungsinten sitäten, die von Sportplätzen ausgehen, sind ein Störfaktor für Mensch und Natur. »Schon in geringen Dosen und zur falschen Zeit scha det insbesondere kurzwelliges Licht uns selbst, aber auch Lebewesen unserer Umgebung«, er klärt die Tiroler Naturschutzbeauftragte Stefa nie Suchy in einem Video der Initiative »Helle Not«, die vor 20 Jahren von der Tiroler Umwel tanwaltschaft gegründet wurde, um über die Auswirkungen falscher Beleuchtung aufzuklä ren, und dabei helfen soll, Lichtverschmutzung zu vermindern. Weil sich Fußballstadien häu fig am Siedlungsrand befinden, tragen sie nicht nur zur Lichtverschmutzung, also der Überla
gerung von natürlichem Licht durch Kunst licht, bei, sondern stören auch nahe gelegene Ökosysteme und Tiere wie Nachtinsekten, die vom Flutlicht angezogen werden. Sie halten die künstliche Lichtquelle für den Mond und ge hen nach einiger Zeit nahe der Lichtquelle ent weder erschöpft zu Boden oder verbrennen am künstlichen Licht. Doch nicht nur für Tiere ist die Aufhellung der Umwelt ein Problem. Auch der menschliche Schlafrhythmus kann durch Lichtverschmutzung gestört werden.
LICHT AN, KAMERA AN!
Um eine Sportstätte optimal auszuleuchten reicht es nicht, die Fläche von oben horizon tal zu bestrahlen, auch eine vertikale Ausleuch tung ist vor allem für Fernsehübertragungen wichtig. Die Flutlichtbeleuchtung von Sport plätzen wird in Europa durch die DIN-EN-
TEXT
Florian Jauk
BILD ISTOCK.COM/EFKS
34 BIORAMA 81 BELEUCHTUNG
12193-Norm geregelt, bei der Flutlichtanlagen in drei Beleuchtungsklassen aufgeteilt werden. Berücksichtigt wird hierbei neben der durchschnittlichen horizontalen Beleuchtung in Lux und der Gleichmäßigkeit des Lichts auch die maximale Blendung.
Ein beleuchteter Trainingsplatz muss beispielsweise über eine geringere Beleuchtungsklasse mit einer gerin geren Beleuchtungsstärke und -gleichmäßigkeit verfü gen als die Flutlichtanlage eines Stadions, das für den in ternationalen Spielbetrieb mit TV-Übertragungen aus gelegt ist. Für die Lichtverschmutzung sind aber nicht nur große Stadien mit hohen Beleuchtungsstärken ver antwortlich, sondern auch kleine Sportplätze. Bei ihnen wird die Flutlichtanlage im Vergleich zu der in Bundes ligastadien häufiger genutzt, da der Platz nicht nur für Spiele, sondern auch ganzjährig für Trainingseinheiten beleuchtet wird. Zudem dringt das Licht in geschlosse nen oder halb offenen Stadien, wie sie viele Profivereine besitzen, weniger nach außen als bei offenen Trainings plätzen. Das größte Problem der Lichtverschmutzung durch Fußballstadien ist aber die Art der Beleuchtung. Vor allem kleinere Fußballplätze haben noch Flutlicht anlagen mit Halogen-Metalldampflampen und strah len damit nicht nur kaltweißes, kurzwelliges Licht auf das Spielfeld, sondern auch in die Umgebung. Kaltes Licht hat eine hohe Farbtemperatur, die in Kelvin aus gedrückt wird, und damit einen hohen Anteil an blauem Licht, wodurch die Lockwirkung auf Insekten größer wird. Kaltweißes Licht, wie man es von Handybild schirmen und LEDs von Leuchtreklamen kennt, wirkt wie Tageslicht und sorgt für Lichtverschmutzung. Um Flutlichter in Fußballstadien umweltschonender zu be treiben, braucht es also nicht nur die richtigen Leucht mittel, sondern auch ihre richtige Ausrichtung und Farbtemperatur.
WENIGER HELLES LICHT HEISST NICHT WENIGER SEHEN
Wie das funktionieren kann, zeigt ein kleines Fußballsta dion in Tirol. Im 8000-EinwohnerInnen-Ort Zirl wurde im Sommer 2021 die Flutlichtanlage der Heimstätte des FC Zirl modernisiert. Im Umbau involviert war auch die Initiative »Helle Not«. Ziel des Flutlichtumbaus war, eine umweltverträglichere Beleuchtung zu schaffen, die vor allem das sich östlich der Sportanlage befindliche Waldstück möglichst wenig mitbeleuchtet. Dafür wur den die alten Halogen-Metalldampfstrahler durch neue LED-Fluter mit einer warmweißen Farbtemperatur von 3000 Kelvin ersetzt. Die gezielte Beleuchtung mit ei nem Lichthöhepunkt von 18 Metern geht nicht über das Fußballfeld hinaus und wird um 22 Uhr abgeschaltet. Vor und nach dem Umbau der Flutlichtanlage wurden
Es geht auch anders!
Johannes Gutmann, SONNENTOR Gründer
Voll-Sonnenstrom, Richtung enkeltaugliche Zukunft.
Wenn wir die Klimaziele erreichen und nicht nur darüber reden wollen, müssen wir da ansetzen, wo viel CO2 ausgestoßen wird: zum Beispiel beim Verkehr. Der Transport von Gütern auf unseren Straßen ist für eine Menge CO2-Emissionen und dreckige Abgase verantwortlich. Viele Köpfe in unserem Haus haben lange getüftelt und optimiert, um den CO2-Abdruck des Transports unserer Kräuterschätze zu verbessern: Wege einzusparen, Gewicht und Volumen von Verpackungen zu reduzieren … und vieles ist gelungen! Doch von unserem Standort aus lässt sich die Ware schwer auf Schiene bringen. Wir sind auf LKW-Transporte angewiesen. Deshalb fahren wir seit kurzem unseren ersten E-LKW. Er ist vorerst in der Region unterwegs und bereits Teil unseres Kreislaufs. Getankt wird er mit der Kraft der Sonne, die auf unsere Dächer scheint. Auf diesem Weg können wir schon 50% unseres Energiebedarfs selbst decken. So kann auch die restliche E-Flotte sauber geladen werden. Auch wenn diese Technologien noch verbessert werden müssen – wir freuen uns über alle, die es wagen, zu den Ersten zu gehören, und nicht warten, bis es alle machen. Denn wer sich jetzt nicht bewegt, trägt zur Zerstörung unseres Planeten bei. Wir fahren mal vor, unser Ziel: eine enkeltaugliche Zukunft.
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON SONNENTOR
www.sonnentor.com/esgehtauchanders
lichttechnische Messungen vorgenommen. Das Ergebnis zeigt zwar kaum Unterschiede in der Ausleuchtung des Spielfelds, aber in der Aus leuchtung neben dem Spielfeld. Waren es mit der veralteten Flutlichtanlage noch 40–50 Lux, mit denen das rund 14 Meter vom Spielfeld ent fernte Waldstück künstlich erhellt wurde, sind nach dem Umbau nur noch 4 bis 5 Lux fest stellbar. Auch die Anlockwirkung für Insekten ist durch den Umstieg auf die warmweißen LED-Strahler geringer geworden.
FÖRDERUNG FÜR NEUES FLUTLICHT
LED-Flutlichter sorgen nicht nur für weniger Lichtverschmutzung und locken weniger Tie re an, sondern sind auch im Vergleich zu Ha logen-Metalldampfstrahlern energieeffizienter und langlebiger. Doch das hat seinen Preis. Für eine LED-Flutlichtanlage in einem Stadion der Beleuchtungsklasse 3, also einer kleinen Sport stätte wie etwa dem Fußballplatz in Tirol, müs sen Vereine bis zu 90.000 Euro zahlen. Das sind um etwa 30.000 Euro mehr als bei einer Flut lichtanlage mit Halogen-Metalldampflichtern.
In Österreich und Deutschland gibt es staatli che Förderungen für den Umbau auf LED-Flu ter. Diese liegen für Sportstätten im Außenbe reich laut der österreichischen Umweltför derung bei 150 Euro pro Lichtpunkt, also pro einzelner LED-Leuchte. Dazu kann auch noch ein Zuschlag von 30 Euro pro Lichtpunkt beim Umbau für Stadien für Trainings- oder Wett
kämpfe kommen. Die Förde rungsobergrenze pro Projekt liegt bei maximal 4,5 Milli onen Euro. Voraussetzung für die Förderung ist un ter anderem, dass durch die LED-Anlage mindestens 30 Prozent an elektrischer Leis tung bei gleichem Beleuch tungsniveau gespart werden, auch die Lichtverschmut zung wird miteinbezogen. So darf die ULOR, die Upper Light Output Ratio, die be schreibt, wie viel Lichtstrom vom Leuchtkörper nach oben hin abgegeben wird, nur maximal 0,5 Prozent betragen. Und auch das deutsche Umweltmi nisterium fördert die Umrüstung einer alten Flutlichtanlage hin zu LED-Flutern laut der Website des Bayerischen Fußballverbands mit bis zu 35 Prozent der Bruttoinvestitionssum me. Darüber hinaus gibt es noch die Möglich keit, die Förderungsquote mit Unterstützungen durch regionale Sportverbände zu kombinie ren und sie so auf insgesamt bis zu 95 Prozent der Investitionskosten zu erhöhen. Vorausset zung ist, dass die neue Technik eine Reduzie rung der Treibhausgasemissionen von mindes tens 50 Prozent bewirkt. Eine Voraussetzung für die Mindestreduktion der Lichtverschmut zung durch LED-Flutlichtanlagen gibt es in Deutschland nicht.
Um Flutlichtanlagen auf Sportplätzen um weltfreundlicher zu betreiben, reicht also nicht nur die Umstellung von alten Beleuchtungsfor men auf LED-Fluter, wichtig sind außerdem eine gezielte Beleuchtung, bei der kein Lichtan teil über die Horizontale nach oben strahlt, und LED-Leuchtmittel mit einer warmweißen Farbtemperatur. Der Umbau verlangt nicht nur Geld, sondern auch genaue Planung. Wie wichtig Flutlichtanlagen im modernen Fußball sind, zeigte Anfang Juni der Stromausfall vor der Partie Österreich gegen Dänemark in Wien. Das Spiel musste aufgrund des Flutlichtausfalls rund eineinhalb Stunden später angepfiffen werden.
Vorher – Nachher: Durch den Umbau der Stadionbeleuchtungsanlagen von Metallhalogendampf-Strahlern hin zu LED-Flutern am Fußballplatz Zirs konnten die gemessenen Beleuchtungsstärkewerte im angrenzenden Waldstück um 45 bis 90 Prozent reduziert werden.
BILD TIROLER UMWELTANWALTSCHAFT 36 BIORAMA 81 BELEUCHTUNG
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ALS DIE TIERE DEN TRUPPENÜBUNGSPLATZ VERLIESSEN
Ausgangspunkt seiner Ausbreitung waren Truppenübungsplätze, in Deutschland wie in Österreich: Ein Jahrhundert nach der Ausrottung des Wolfs gab es 2000 erstmals in der sächsischen Oberlausitz wieder Nachwuchs von aus Polen eingewanderten El terntieren; 2016 schließlich auch im niederös terreichischen Allentsteig – wo abgewanderte Jungtiere aus Brandenburg ein Rudel gegrün det hatten. Bereits als die ersten Tiere die Trup penübungsplätze verließen, mehrten sich nicht nur Sichtungen. Bald kam das Raubtier auch den Schafen, Ziegen, Mutterkühen und Ponys des Menschen ins Gehege. Mittlerweile gibt es in Deutschland mindes tens 158 Wolfsrudel, 26 Wolfspaare und 19 Ein zelwölfe (Monitoring-Stand 2020/2021). Das von der Bundesregierung in Wien eingerich tete Österreichzentrum Bär Wolf Luchs geht von 50 Wölfen aus, die sich 2022 im Bundes gebiet aufhielten (4 Rudel, 30 Einzeltiere). In
der gesamten Europäischen Union dürfte es derzeit 17.000 Wölfe geben. Zwar wurden die von der Large Carnivore Initiative zusammen getragenen Zahlen methodisch nicht einheit lich erfasst. Da der Wolf vielerorts ausgerottet gewesen war, gilt seine Rückkehr aber eindeu tig als Erfolgsgeschichte des europäischen Ar tenschutzes. Von der Weltnaturschutzunion IUCN, die auch die Rote Liste der gefährdeten Arten erstellt, wird er bereits seit einigen Jah ren nicht mehr als gefährdet (»least concern«) geführt. Von der Jagd ausgenommen bleibt er allerdings in fast allen Ländern der EU. Das re gelt deren Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Vor allem von der Landwirtschaft wird immer öf ter beanstandet, dass dieser strenge Schutz status nicht mehr gerechtfertigt sei. Der Her denschutz von Weidetieren ist teuer und auf wendig – und zumindest in den norddeutschen Deichlandschaften und höher gelegenen Alm regionen schwierig. Bislang blitzten die Agrar
Mensch vs. Wildtier –ein globaler Konflikt
In Mitteleuropa beschäf tigt uns die Rückkehr von Wolf, Bär, Luchs, aber auch Fischotter, Reiher, Kormo ran oder Biber. In anderen Weltgegenden sind es Puma, Löwe, Tiger, Elefant oder Eisbär.
TEXT Thomas Weber
Wie sollen sich Mensch und Tier künftig den Planeten teilen?
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politikerInnen der Alpenländer aber mit all ihren Ansinnen, den Schutzstatus des Wolfs herabzusetzen, ab. Dafür wäre ein einstimmi ger Beschluss im Europäischen Rat Voraus setzung. Der ist derzeit – noch – unrealistisch. Auch Abschussbescheide einzelner Bundes länder für einzelne »Problemwölfe« werden nach Einsprüchen von Naturschutzorganisati onen wie dem WWF immer wieder aufgehoben. Das Land Tirol wandte sich deshalb zuletzt an den Europäischen Gerichtshof und forderte eine Stellungnahme in Bezug auf den Gleich heitsgrundsatz. Denn einige EU-Länder sind vom strengen Schutz ausgenommen. Schwe den beispielsweise setzt jährlich eine Quote für Abschüsse fest und verhindert, dass sich ganz im Süden (Weidetierhaltung) und ganz im Norden (Rentierhaltung) des Landes dau erhaft Wolfsrudel bilden. Einzeltiere werden überall toleriert. Der österreichische Landwirt schaftsminister Norbert Totschnig schmiedete im September deshalb eine »Schutz vor dem Wolf«-Allianz: 16 Länder – darunter Alpenlän der wie Italien, Frankreich und Slowenien, aber auch Kroatien, Finnland, Rumänien oder Dä nemark – unterstützten seinen Antrag auf An passung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie im Agrarrat. Auffällig: Das grün geführte deutsche Agrarressort war nicht darunter. Auch in Ös terreich bleibt fraglich, ob das formal dafür zu ständige, von der grünen Ministerin Leonore Gewessler geführte Klimaschutzressort einem geänderten Schutzstatus zustimmen würde. Auszuschließen ist ein Kuhhandel freilich nie. Immerhin würde es nicht bedeuten, dass der
Wolf einfach willkürlich erlegt wer den darf, wenn er vom Anhang IV in den Anhang V der Fauna-Flora-Hab itat-Richtlinie rutscht.
»ÖKOLOGIE IST KEINE MATHEMATIK«
Strittig bleibt der in beiden Anhän gen als Ziel angeführte sogenannte günstige Erhaltungszustand der Art. Die einen sehen diesen längst er reicht, die anderen noch lange nicht. Harte Zahlen, wann dieser genau erreicht ist oder wäre, gibt es nicht. »Ökologie ist keine pure Mathematik. Manche Fragen sind auch nicht al lein naturwissenschaftlich zu beant worten, sondern werden gesellschaftlich aus verhandelt«, sagt Albin Blaschka, Geschäfts führer des Österreichzentrums Bär Wolf Luchs. Letztlich sei die Beurteilung über den günstigen Erhaltungszustand einer Art immer eine Einschätzung von ExpertInnen. Derzeit sind diese uneinig. »Vom Aussterben bedroht ist der Wolf nicht«, sagt Blaschka, stellt aber klar: »Die derzeit 50 Tiere in Österreich sind für die Erfüllung der FFH-Richtlinie zu we nig.« Auf eine Zahl festlegen möchte Blaschka sich nicht. Stattdessen verweist er auf die Stu die »Wolf in the Alps« der Schweizer Stiftung für Raubtier- und Wildtiermanagement KORA aus dem Jahr 2016. Diese sah in Österreich wie in Italien jeweils einen prinzipiellen Lebens raum für 39 Wolfsrudel (»minimum number«).
Dass es so weit kommt, scheint derzeit un realistisch. Für ein dauerhaftes flächendecken des Wolfsvorkommen fehlt die Akzeptanz – ei nerseits weil Bäuerinnen und Bauern drohen, die Freilandhaltung ihrer Weidetiere oder gar die Almwirtschaft zur Gänze aufzugeben; an dererseits, weil populistische PolitikerInnen gezielt die Angst vor dem Wolf schüren. In Ös terreich müsste es längst deutlich mehr Wölfe geben. Selbst hohe Jagdfunktionäre gehen hin ter vorgehaltener Hand von schwarzen Scha fen in den eigenen Reihen und illegalen Ab schüssen aus.
GEHÖRT DER WOLF REGULIERT?
»Die Gesetze hinken der Realität hinterher«, sagt Klaus Hackländer, Leiter des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der Wiener
Die Tiroler Rap-Crew »Von Seiten der Gemeinde« schaffte mit »Wolfsfreie Zone« einen kleinen Youtube-Hit.
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Universität für Bodenkultur und Vorstand der Deutschen Wildtierstiftung. Dass der Wolf in den Anhang V der EU-Richtlinie wandert, er achtet er als »aus meiner Sicht alternativlos«. Auf der Basis eines fundierten, transparenten Monitorings könnten die Mitgliedsstaaten da durch die Wolfspopulationen besser regulie ren. Der Wolf bliebe dabei geschützt – wie bei spielsweise Gams, Schneehase oder Baummar der. Gefahr für den Menschen gehe vom Wolf derzeit keine aus, stellt der Wildbiologe klar. »Damit das auch so bleibt, plädiere ich dafür, den Wolf durch geregelte Bejagung scheu zu halten – nicht in Österreich, da gibt es noch zu wenige, aber in Deutschland.«
MYTHOS »WOLFSFREIE ZONE«
Immer wieder sind auch Forderungen nach »wolfsfreien Zonen« zu hören, vor allem aus Landwirtschaft und Tourismus; zuletzt bei spielsweise im Tiroler Landtagswahlkampf. Daran werden vielfach falsche Erwartungen geknüpft. Weidetiere müssen nämlich auch in wolfsfreien Zonen geschützt werden. Denn
dort wird nur verhindert, dass sich dauerhaft Wölfe etablieren. Durchwandernde Jungtiere wird es auch dort immer geben. »In der Pra xis würde das bedeuten, dass wolfsfreie Zo nen eine ganzjährige Bejagung der Wölfe mit sich bringen. Muttertierschutz fällt ohne Ru del ja aus«, erklärt Hackländer. Erlegt würden nur Tiere, die sich dauerhaft an einem Ort auf halten. »Es bleibt aber die Frage, wer das um setzen soll«, meint der Wildbiologe: »Will und kann das die Jägerin oder der Jäger vor Ort? Eventuell freut sie oder er sich über den Wolf im Revier.« Immer wieder hat sich auch gezeigt, wie schwierig es ist, ein von den Behörden als »Problemwolf« zum Abschuss freigegebenes Tier auch wirklich zu erlegen.
Aus wildbiologischer Sicht kommt Öster reich als Wolfsland besondere Bedeutung zu. Derzeit stammen etwa zwei Drittel der durch DNA-Tests im Bundesgebiet identifizierten Tiere aus der italienischen Population. Der Rest entstammt der Tieflandpopulation Deutsch lands und Polens, einzelne Tiere dem Balkan raum. Dass diese in Österreich aufeinandertref
»Schickats’n zruck! Schlitzats’n auf! Stopfats’m Stoarn in Bauch! Schmeißats’n in Brunnaschåcht, sonscht weard då no a Rudel draus!« – In ihrem Mundart-Rap samplen und zitieren sich »Von Seiten der Gemeinde« durch Märchen, PolitikerInnenstatements und wütende Wortmeldungen der Tiroler Landbevölkerung. Aktuelles Album: »Almen aus Plastik«.
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Im Paper »Wolf attacks predict far-right voting«, im Juli 2022 im US-amerikanischen Journal PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) veröffentlicht, konnte ein Zusammenhang zwischen Wolfsrissen und dem Stimmanteil rechtsradi kaler Parteien in Deutschland festgestellt werden.
fen, ist also wichtig für die genetische Vielfalt des Eurasischen Wolfs.
Manche lehnen die Regulierung auch grund sätzlich ab, etwa Kurt Kotrschal, der renom mierte Verhaltensforscher und Gründer des niederösterreichischen Wolf Science Center.
Die Zahlen gerissener Weidetiere aus Frank reich, wo »nach EU-Regelungen illegal jedes Jahr etwa 10 Prozent aller Wölfe» abgeschossen werden, oder auch Daten aus den USA würden eindeutig zeigen, dass Bejagung die Nutztier verluste eher erhöht. Denn durch sie werden Rudelstrukturen gestört und somit das in Wolfs rudeln gelernte und weitergegebene Verhalten, sich vor allem von Wildtieren zu ernähren, un terbunden. »Im Interesse eines konfliktarmen Zusammenlebens mit Wölfen sollte man sie in der Regel also nicht bejagen und gleichzeitig auf Herdenschutz setzen«, sagt der Forscher. »Etablierte Rudel, die gelernt haben, dass sie Nutztiere besser in Ruhe lassen, sind der beste Schutzfaktor für lokale Weidetiere.« Nicht zu letzt weil Rudel mit durchziehenden Einzeltie ren kurzen Prozess machen – und sie töten.
BEDINGUNG UND NOTWENDIGKEIT: HERDENSCHUTZ
Es gibt allerdings auch klare Nutznießer von Wolfsrissen: rechtsextreme Parteien. Zumin dest für Deutschland wurde das in einer im Juli veröffentlichten Studie nachgewiesen. Da
rin haben der auf Misinformation spezialisierte Sozialforscher und Datenjournalist Bernhard Clemm von Hohenberg und der Sozialwissen schafter Anselm Hager (Humboldt-Universität Berlin) herausgefunden, dass in Deutschland von vom Wolf verursachten Nutztierrissen auf lokaler und Landesebene stets Rechts-au ßen-Parteien wie die AfD profitierten – die in ihren Wahlkämpfen auch beharrlich auf dieses Thema setzten. Aus nachvollziehbarer Angst und Ohnmacht, die ein Teil der Landbevölke rung empfindet, wenn es um eigene Tiere und damit zusammenhängende wirtschaftliche In teressen geht, drohen diese in Parallelwelten voll von Halbwahrheiten, einfachen Lösungen und Wissenschaftsfeindlichkeit zu geraten. Die Studienautoren sehen durch den Zuspruch für rechtsradikale Parteien nicht nur Natur- und Artenschutzmaß, sondern auch den Kampf gegen den Klimawandel insgesamt gefährdet. Denn oftmals lehnen sie Umweltschutzmaß nahmen ab und leugnen, dass für den Klima wandel der Mensch mitverantwortlich ist.
Die derzeitige Situation ist allerdings auch für moderate Kräfte unbefriedigend und auch für den Artenschutz perspektivlos. Denn dass es in vielen Fällen keine praktikablen Lösungen für von einzelnen Tieren verursachte Probleme gibt, fördert die Selbstjustiz mit dem Schießgewehr. Dass berechtigte Anliegen des Schutzes der Bio diversität von der unmittelbar betroffenen Be völkerung vor allem mit Bürokratie in Verbin dung gebracht werden, die sich für lokale Aus wirkungen nicht zuständig zu fühlen scheint, liegt auch daran, dass von der politischen Lokalund Landesebene bei heiklen Entscheidungen stets auf die EU-Ebene verwiesen wird.
Zumindest auf eines können sich aber alle einigen: Ohne Herdenschutz – durch Zäune, Herdenschutzhunde, HirtInnen, nachts ein gepferchte Schafe und Ziegen und durch mög lichst wohlerzogene Rudel rundum – wird es nicht mehr gehen. Dass die Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen Ländersache bleibt, stark variiert und einzelne Bundeslän der (in Österreich beispielsweise Kärnten) die se bislang ganz verweigern, könnte langfristig schwerer wiegen als einzelne »Problemwölfe«. Wer von Wolfsrissen hingegen profitiert, wird auch weiterhin wenig Interesse an Herden schutzmaßnahmen zeigen.
BILD MARTIN KLINGLER
Mit Mahnfeuern machen Bergbauern im Alpenraum auf ihre Ablehnung aufmerksam. Weithin sichtbar ihre Forderung: »Alm ohne Wolf«.
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»HAUSROTSCHWANZ, NICE!«
Sie sind seltsam leblos und selten mitrei ßend: die künstlichen Renderings und Illustrationen, mit denen uns Stadtpla nungs- und Architekturbüros die Zukunft von Stadtvierteln vermitteln wollen; zweidi mensionale Bildschirmidyllen, in denen Klein familien ihre Kinderwägen zwischen frisch gesetzten Alleebäumchen schieben und Senio rInnen auf Parkbänken plaudern. Wie sich das Geplante einmal anfühlen könnte, erahnen wohl nur beruflich damit Beschäftigte.
Einen gänzlich anderen Ansatz haben Clara Hirschmanner und Philipp J. Ehmann vom Verein Play Vienna gewählt: ein Hörspiel zum Gehen. Etwas mehr als eine Stunde lang führt »Bird Watch« spielerisch durch den öf
fentlichen Raum und vermittelt dabei ein Ge fühl für das Stadtleben im Wien von morgen. Ausgerüstet mit MP3-Playern, Kopfhörern und Opernguckern folgen wir den Audioauf zeichnungen von Selma, einer jungen Vogel kundlerin, Jahrgang 2022. En passant entde cken wir im Gebüsch und auf Bäumen Rot kehlchen, einen Blutspecht, Wiedehopf und Mönchsgrasmücke. Anfangs irritiert, wie sehr sich, was wir sehen – im Wesentlichen Asphalt, Autos, eine Stadt aus Beton –, von dem unter scheidet, wovon Selma erzählt: von weitläufi gen Parks, Grünflächen und begrünten Rück zugsräumen der Stadtwildnis; von Picknick plätzen und einer – bis auf Durchzugsstraßen – autofreien Stadt. Indem wir hören, was hier
Weitere Termine für »Bird Watch« – auch für ande re Stadtteile und andere Städte – werden demnächst bekannt gegeben. playvienna.com
TEXT Thomas Weber
Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Ein Hörspiel zum Gehen führt durch das Wien des Jahres 2049.
BILD ISABELLA HEWLETT, BIRDWATCH
43 BIORAMA 81 STADTENTWICKLUNG
und jetzt in naher Zukunft möglich wäre, stellt sich sofort ein konstruktives Gefühl von Man gel ein. Die Gegenwart wird unzulänglich. Man möchte sich engagieren: zum Beispiel in dem Teil des Wiener Bezirks Floridsdorf, den die Gamedesignerin und der Theaterregisseur für ihren Audiowalk wohl nicht ganz zufällig ge wählt haben. Liegt er doch vor dem Floridsdor fer S-Bahn-Hof des ansonsten vergleichsweise autoabhängigen Flächenbezirks im transdanu bischen, nördlichen Teil Wiens, wo bis vor we nigen Jahrzehnten noch Wiesen und Äcker das Landschaftsbild geprägt haben.
Heute ist es ein Stadtbild, in dem es für das sensibilisierte Ohr aber einige Natur zu entde cken gibt. Das Hörspiel führt, unterstützt von der Kulturabteilung der Stadt, in seinen zwölf Stationen Schritt für Schritt durch eine konkre te Utopie. Die Artenvielfalt ist durch die vom Menschen aufgebrochenen Asphaltflächen zurück in unsere Umwelt gekehrt. Vieles ha ben »die Verfassungsänderungen von Mitte der 20er-Jahre« bewirkt – in welchen die Natur als Rechtssubjekt anerkannt wurde. Eine Forde rung, die wir in der Gegenwart beispielsweise aus der Fridays-for-Future-Bewegung kennen. Rein vom Alter her könnte Greta Thunberg Selmas Mutter sein. Bleibt daher zu hoffen, dass auch die EntscheidungsträgerInnen der Bezirks- und Stadtregierung Zeit für einen »Bird Watch«-Spaziergang finden.
NISTKÄSTEN IM GEMEINDEBAU
Wenn es im April 2049 überall blüht, zwit schert, frisches Grün sprießt: Nie vergessen wir, dass wir uns gerade durch das Rote Wien be wegen; durch eine bunte, diverse, soziale Stadt. Wir passieren den Schlingermarkt – wo sich Selma ein Baklava gönnt und zwischendurch auf Türkisch flucht – und beobachten Mauer segler, »die im Fliegen schlafen können«, wie sie über dem Gemeindebau ihre Kreise ziehen. Dabei ist »Bird Watch« nicht nur liebevoll er zählt und dramaturgisch durchdacht, sondern strotzt auch vor Optimismus. Während wir im Floridsdorf des Jahres 2049 ein gutes Dutzend verschiedener Vogelarten beobachten, bekom men wir dort an einem trüben Sonntagnach mittag Anfang Oktober 2022 gerade einmal Tauben und Nebelkrähen zu Gesicht.
Die Botschaft der Vogelattrappe aus der Zukunft: Wenn es im Jahr 2049 alte Bäume geben soll, in denen Spechte brüten, dann müssen sie jetzt gesetzt werden.
BILD ISABELLA HEWLETT, BIRDWATCH 44 BIORAMA 81 STADTENTWICKLUNG
Urbanes Wohngefühl zwischen Stadt und Land
Das BUWOG-Projekt Barany&me in Wien-Donaustadt bietet moderne und hochwertige Mietwohnungen für Menschen, die das Wohnen am grünen, naturbelassenen Stadtrand mit allen Vorzügen des urbanen Lebens verbinden möchten.
DAS BESTE AUS BEIDEN WELTEN
BewohnerInnen von Barany&me können einerseits die Natur genießen, denn weitläufige Wiesen und Felder sowie der Nationalpark Donau-Auen sind praktisch vor der Haustür, andererseits ist die Innenstadt dank optimaler Verkehrsanbindung in 30 Minuten erreichbar. Die 126 Wohnungen bieten gut durchdachte Raumkonzepte, sind mit hochwertiger Einbauküche und Dielenparkettböden ausgestattet und vermitteln ein harmonisches Wohngefühl. Ob Personenlift, außenliegender elektrischer Sonnenschutz oder Split-Kühlung im Dachgeschoß: Komfort zieht sich durch die gesamte Wohnanlage. Dank Smart Living lassen sich Fußbodenheizung, Rollläden und Sonnenschutz-Raffstores mit Funk-Fernsteuerung zentral steuern. Zudem bieten großzügige private Freiflächen Raum für gemütliche Zusammenkünfte mit Freunden und Familie und zum Entspannen. Für die jüngsten BewohnerInnen stehen ein
Kinder- und Jugendspielplatz zur Verfügung. Ein Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile bietet zudem die Möglichkeit, Familienfeiern oder Kindergeburtstage auszurichten.
NATÜRLICH WOHNEN MIT HOLZ
Wie bei allen BUWOG-Projekten spielt das Thema Ökologisierung auch bei Barany&me eine bedeutende Rolle. Besonderes Augenmerk wurde hier neben dem seit Jahren präsenten Thema Energieeffizienz auf den Einsatz ökologischer Baumaterialen gelegt: So wurde ein Bauteil mit zwölf Wohneinheiten in energiesparender Holzbauweise errichtet. Dies kommt einerseits dem ökologischen Aspekt zugute, da Holz ein natürlicher nachwachsender Rohstoff ist, darüber hinaus kommt zudem seine feuchtigkeits- und klimaregulierende Eigenschaft zum Tragen. »Wir haben in der Baranygasse nicht nur hochattraktiven Wohnraum im Grünen geschaffen, der die Vorzüge von Stadtund Landleben vereint, sondern setzten damit zugleich wichtige Impulse für das nachhaltige Bauen der Zukunft. Durch das Nebeneinander von Massiv- und Holzbauweise können wir wichtige Erkenntnisse generieren«, freut sich Andreas Holler, Geschäftsführer der BUWOG Group GmbH.
Weitere Informationen unter barany.buwog.com
BILD UBM DEVELOPMENT AG ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER BUWOG
JURYVOTING:
WASSERMOMENTE«
GewinnerInnen des
JURYVOTING:
Unterwasserblumen von Sandra Kuschei
Wasserdiamanten von Sandra Romic
Mäandernder Gletscherbach von Alexander Müller
Die
Wasseraktiv-Fotowettbewerbs 2022. »MAGISCHE
1.PLATZ
2.PLATZ JURYVOTING: 3.PLATZ
PUPLIKUMSVOTING:
7.PLATZ
10.PLATZ
WASSERAKTIVFOTOWETTBEWERB 2022
Über 600 Einsendungen gab es heuer zum Wasseraktiv-Fotowettbewerb unter dem Motto »Magische Wassermomente«.
Drei GewinnerInnen wurden vom Publikum in einem Voting gekürt, zehn Bilder kürte eine Jury von Wasseraktiv, an der auch BIORAMA teilnahm.
Alle Einsendungen und die GewinnerInnen unter www.wasseraktiv.at
Altaussee von Christopher Riedler-Tomasin
Stromjuwel Kaprun von Andreas Tackner
Karenzzeit von Christopher Riedler-Tomasin
Wenger Moor von Josef Hinterleitner
magic moments von Ludwig Schmid
Tanz auf dem Wasser von Kerstin Strutz Almsee von Josef Hinterleitner
Bergsee von Michaela Vondruska
Schlegeisspeicher von Sandra Hammerl
Meerauge Bodental von Christian Reiner
5.PLATZ 6.PLATZ
8.PLATZ 9.PLATZ 1. 2. 3.
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES BML
4.PLATZ
KINDERKRAM
Klassiker zur Entspannung für Babys und Eltern – in Bioqualität.
Der riesigen Produktwelt rund ums Baby entkommen werdende und frischgebackene Eltern fast so schwer wie den Antworten auf die Frage, welche davon wirk lich unverzichtbar sind. Die werden hier ausgespart. Ein paar Anregungen für alle, die in puncto Schadstofffrei heit auf Nummer sicher gehen wollen.
TEXT Irina Zelewitz
BILD Stefan Staller
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Ein Mix aus ätherischen Ölen unter an derem von Anis, Koriandersamen, Ka mille und Majoran in Bitterorangenöl bei Bauchschmerzen von Kindern wie Erwachsenen. Ab einem Alter von 6 Monaten auch bei Babys anwendbar, indem es tropfenweise in ein Massa geöl oder in Meersalz zum Baden ge mischt wird, hier ist allerdings peni bel darauf zu achten, die Dosier- bzw. Verdünnungsempfehlungen einzuhal ten. Zertifiziert nach Natrue-Standard. Hergestellt in Deutschland.
primaveralife.com
Erui Rose Belly
Bio Körperbutter & Schwangerschaftspflegeöl
Luxuriöse Öle, darunter Rosenöl, Bee renwachs und Vitamin E in Shea- und Kakaobutter sind genau das Richtige für die Bäuche von werdenden Müt tern. Aber eigentlich auch für den restlichen Teil des Körpers und der Bevölkerung kaum verkehrt. Wie alle Produkte von Erui im biologisch ab baubaren Holztiegel. Biozertifiziert nach Austria Bio Garantie & herge stellt in Österreich.
erui-cosmetics.com
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ODER OHNE?
Wer möchte, kann versuchen, zu verzichten. Auf Milchprodukte zum Beispiel. Oder auf Verpackung. Oder auf beides.
TEXT Irina Zelewitz
Z wei der italienischen Küche verschriebe ne Kochbücher, die typisch italienisches gemeinsam haben: Reduktion auf weni ge Zutaten. Durch den ein oder anderen Twist werden trotzdem ungewöhnliche Er gebnisse erzielt.
ten Rezepte vor, Auswahlkriterium hierbei: dass sie möglichst viele Geschmäcker treffen und mit günstigen Zutaten zuzubereiten sind. Hier folgen sein Rezept für vegane DIY-Alter nativen zu Butter und Käse.
REZEPTE AUS:
Der Koch Max La Manna versteht sich auch als Aktivist mit dem Ziel, jede Verschwendung von Lebensmitteln zu vermeiden und trotz dem »köstlich und gesund« zu essen. In sei nem ersten Kochbuch stellt er 80 seiner bes
AQUAFABA-BUTTER
TIPP: Im Supermarkt gibt es Butter nur in Plastikverpa ckung. Diese vegane Butter ist umweltfreundlicher und eine leckere Möglichkeit, das Einweich oder Dosenwasser von Kichererbsen zu verwenden. Kichererbsenwasser kannst du übrigens zu weiteren Köstlichkeiten wie Baiser und Mar zipan verarbeiten. Offiziell heißt es »Aquafaba« – eine
Alessandra Dorigato kocht sortiert nach Sai onen, mit dem, was gerade (im weiteren Sin ne) regional verfügbar ist, meist vegetarisch, manchmal vegan. Aus ihrem Buch »A Modo mio« folgt eine vegane Variante des Deserts Biancomangiare.
Zusammensetzung aus den lateinischen Wörtern »Was ser« und »Bohne«. Aber ich erspare dir die Geschichts stunde, damit du gleich mit dem Rezept loslegen kannst. Beachte, dass du vorher deine Utensilien in kochendem Wasser sterilisieren solltest, um die Haltbarkeit deiner Butter zu verlängern.
BILD ISTOCK.COM/LARISA ILINA, VERLAG BLUMENBAR
»TOTAL VEGAN ZERO WASTE«, von Max La Manna. Blumenbar/Aufbau Verlag, 2022.
50 BIORAMA 81 KOCHBUCHEMPFEHLUNG
ZUTATEN FÜR 120 GRAMM:
ZUBEREITUNG:
Das Kokosöl in einem Topf bei mittlerer Hitze schmelzen. Vom Herd neh men und einen Moment abkühlen lassen. Das Rapsöl einrühren, dann auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. Das Aquafaba, das Salz, die Hefe flocken und den Essig mit einem Stabmixer in einer Schüssel verquir len. Während der Mixer läuft, langsam einen Teil des Öls hinzufügen und vollständig einarbeiten, dann wieder etwas Öl dazugeben. Wenn das gesamte Öl verarbeitet ist, sollte die Mischung eindicken. Die Schüssel in eine tiefe, mit Eis gefüllte Schüssel stellen und weiter mit dem Stab mixer verquirlen. Das Eis, das die Schüssel umgibt, hilft beim Eindicken der Öle. Sobald die Masse die Konsistenz einer Mayo oder Aioli hat, he rausnehmen und in ein sterilisiertes Gefäß füllen. Ein kleines Tuch über die Öffnung legen und das Glas für bis zu 6 Stunden in den Kühlschrank stellen. Sobald die Masse fest geworden ist, das Glas verschließen. Diese Butter hält sich im Kühlschrank bis zu 7 Tage.
TIPP: Für aufgeschlagene Butter die gewünschte Menge in einer Schüs sel mit einem Schneebesen oder einem Stabmixer langsam aufschlagen, bis du mit der Konsistenz zufrieden bist.
SAY CHEESE
Wenn du Menschen, die sich pflanzlich ernähren, fragst, was sie am meis ten vermissen, sagen viele: »Käse« – ich bin da keine Ausnahme. Keine Käsepizza mehr, kein geriebener Parmesan auf einer großen Schüssel Spaghetti, kein Brie, kein Feta, kein Halloumi ... Wie sollte das gehen? Also begann ich, mit der Herstellung von einfachem pflanzlichen Ersatz zu experimentieren. Vielleicht hat der nicht den Biss von Halloumi oder den Duft von Feta, aber es macht mir große Freude, schnell eine Käseso ße herstellen zu können. Du brauchst dafür nur wenige Zutaten und die Soße passt zu fast allem. Verfeinere damit Salate und Ofengemüse oder serviere sie als Dip.
• 75 g natives Kokosöl • 4 TL Raps oder Olivenöl • 3 EL Aquafaba • (Kichererbsenwasser) • 1/2 TL Salz • 1 1/2 TL Hefeflocken • 3/4 TL ApfelresteEssig oder Zitronensaft Überblick behalten. Mit unserem Newsletter. Energiewende? Klimaklagen? Mehrweg? Sauberes Wasser? Ökologische Landwirtschaft? Mitmachen! Deutsche Umwelthilfe e.V. | info@duh.de | www.duh.de Fritz-Reichle-Ring 4 | 78315 Radolfzell | 07732 9995-0 Unser Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft Köln IBAN: DE45 3702 0500 0008 1900 02 | BIC: BFSWDE33XXX © byrdyak/stock.adobe.com; kostenlose Freianzeige Jetzt kostenlos anmelden! l.duh.de/ newsletter umwelthilfe
Max La Manna ist in den USA geboren und wurde von der Küche seines italienischen Vaters (ebenfalls Koch) und seiner französischen Mutter geprägt. Auf Instagram folgen 1 Million Menschen seinen Ideen zur veganen Zero-Waste-Küche.
ZUTATEN UND ZUBEREITUNG FÜR 120 GRAMM:
• Beginne mit einer Basis aus Nüssen oder Kernen (Wähle 1) 100 g Cashewkerne, Mandeln, Haselnüsse, Walnüsse oder Kür biskerne, in kochendem Wasser eingeweicht (min. eine Stunde lang) und dann abgespült
• Etwas Öl dazu 2 EL natives Olivenöl extra, Rapsöl oder Sonnenblumenöl
• Etwas Flüssigkeit 35 ml Wasser, Kokosmilch, Hafermilch oder Gemüsebrühe
• Dann etwas Säure 1 EL Limetten-, Zitro nensaft oder Apfelessig
• Und ein wenig Geschmack eine Prise schwarzer Pfeffer, Agavendicksaft, Kreuzkümmel, Paprika, Knoblauch oder italienische Kräuter
• Ein paar Kräuter (optional) Petersilie, Thymian, Salbei, Dill, Fenchelgrün, Basilikum oder Koriander
• Ein bisschen rohes oder gebackenes Gemüse (optional) rote Paprika, Karotten, Grünkohl oder Zucchini
• Abschliessend 20 g Hefeflocken
Die gewählten Zutaten in einer Küchenmaschine 1–2 Minuten lang pürieren, bis sie glatt und cremig sind. Bei Bedarf etwas Wasser hinzugeben, um die Masse aufzulockern. Über deine Lieblingssalate träufeln, als Beilage zu Ofengemüse servie ren oder auf die Pizza geben. Du wirst viele Anlässe finden, diese Käsesoße in deinem Essen zu verwenden.
BILD ANDREW BURTON, RAETIA VERLAG
52 BIORAMA 81 KOCHBUCHEMPFEHLUNG
BIANCOMANGIARE
Der Legende nach wurde das Biancomangiare beim Versöhnungsmahl zwischen Papst Gregor VII. und dem römisch-deutschen Kaiser Heinrich IV. aufgetischt. Zuvor hatte der Papst den Bittsteller, der im Winter 1076/77 nach Canossa gekommen war, angeblich drei Tage in der Kälte vor der Burg knien lassen. Das leichte Mandeldes sert wird in der kälteren Jahreszeit traditionell mit Zimt und Nüssen angerichtet. Probiere es auch einmal mit fri schen Früchten oder einer Fruchtsoße.
ZUTATEN:
• 500 ml ungesüßte Mandelmilch
• 1 unbehandelte Zitrone, Schale
• 100 g Zucker
• 1 Pkg. Vanillezucker
• 75 g Speisestärke
• Zimt oder Vanillepulver
REZEPT AUS:
»A MODO MIO. LIEBLINGSGERICHTE UND KÜCHENGESCHICHTEN
AUS ITALIEN«, von Alessandra Dorigato. Raetia, 2022
ZUBEREITUNG:
Ca. 100 ml der Mandelmilch beiseitestellen. Den Rest in einen Topf geben. Von der Zitrone nur die gelbe Schale dünn abziehen. Zitronenschale, Zucker und Vanillezucker in die Mandelmilch geben und langsam erhitzen. — Spei sestärke sieben und in der zuvor beiseitegestellten kalten Mandelmilch lösen. — Die heiße Mandelmilch-Mischung durchsieben und die Zitronenschalen ent fernen. Dann mit der kalten mischen und im Topf bei niedriger Temperatur einige Minuten eindicken lassen. — Die fertige Creme in leicht angefeuchtete Förmchen oder in eine angefeuchtete Puddingform füllen, auf Raumtemperatur abkühlen las sen und mindestens 5 Stunden in den Kühl schrank stellen. Das Biancomangiare vor dem Servieren aus den Förmchen stürzen und mit einem Hauch Zimt oder Vanillepul ver garnieren.
TIPP: Zur Herstellung einer schnellen und einfachen Fruchtsoße 500 g frisches Obst (Marillen, Pfirsiche, Erdbeeren) in einem Mixer pürieren und mit einem Sirup aus 50 g Zucker oder Honig und 1/2 Glas Was ser (ca. 125 ml) vermengen. Die Soße auf kleiner Flamme eindicken lassen und mit 1 Esslöffel Likör verfeinern.
Alessandra Dorigato ist in der Lombardei und im Trentino aufgewachsen – bei zwei großartigen Köchinnen, wie sie sagt: bei ihrer Mamma und ihrer Nonna. Inzwischen lebt sie in Wien.
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Mehr Tofu, mehr Tierwohl
Im September eröffnete Billa mit dem »Pflanzilla« auf 200 Quadratmetern einen eigenen Plant-based-Store im Gerngroß auf der Wiener Mariahilfer Straße. Wie viele der dort erhältlichen 2500 veganen Produkte stammen denn von Ja! Natürlich?
Klaudia Atzmüller: Der Ansturm auf den Billa Pflanzilla war noch größer als erwartet. Rund 180 der dort erhältlichen Produkte stammen von Ja! Natürlich. Das Sortiment wird aber stetig erweitert und überarbeitet. Großartig sind auch die »Rezepte des Monats« im Billa Pflanzilla, bei denen alle benötigten Zutaten bereits als Paket gesammelt erhältlich sind. Ja! Natürlich ist mit vielen Zutaten vertreten. Eine schöne Inspiration, um neue vegane Rezepte auszuprobieren.
Ja! Natürlich führt zwar viele Plant-based-Produkte, setzt als ganzheitliche Biomarke aber stark auf Tierwohl und steht seit jeher für Tierwohlstandards weit über dem gesetzlich Vorgeschriebenen. Welche Bedeu-
tung hat denn der Trend zu einer verstärkt pflanzlichen Ernährungsweise für eine Marke wie Ja! Natürlich? Atzmüller: Es gibt viel Innovation und Bewegung in der Marktentwicklung von pflanzenbasierten Produkten und sie sind aus dem heutigen Lebensmittelhandel nicht mehr wegzudenken. Für uns ist der allgemeine Trend zu einer verstärkt pflanzlichen Ernährungsweise nicht überraschend und wir setzen schon seit vielen Jahren auf einen Mix von rein pflanzenbasierten und tierischen Produkten. Ja! Natürlich ist eben keine rein pflanzenbasierte Marke, aber wir bieten sehr viele pflanzliche Produkte an. Als Marke für alle verkaufen wir aus Überzeugung auch Biofleisch. Uns ist es seit jeher wichtig, dafür auch ein Bewusstsein zu schaffen: lieber weniger Fleisch, dafür aber aus biologischer, nachhaltiger Landwirtschaft. Den ÖsterreicherInnen ist das Tierwohl ein großes Anliegen: Laut einer Umfrage, die wir im letzten Herbst in Auftrag gegeben haben, sind es schon 80 Prozent, die bereit sind, einen höheren Preis für Biofleisch zu bezahlen. Und ein ebenso großer Prozentsatz ist überzeugt, dass Bio auch bessere Haltungsbe-
Wohin entwickelt sich Bio? Klaudia Atzmüller und Andreas Steidl, beide GeschäftsführerInnen von Ja! Natürlich, über Biomilch und die wachsende Bedeutung pflanzlicher Alternativen.
BILD ROBERT HARSON, REWE
dingungen bedeutet. Uns freut es sehr, wenn wir sehen, dass unsere Botschaft ankommt. Wir verstehen es als Teil unserer Aufgabe, Wissen und Fakten zu vermitteln. Diese volle Transparenz spiegelt sich auch auf unserer Verpackung wider. Dort bieten wir unseren KundInnen die optimale Orientierung mit allen Infos zur Herkunft der Produkte.
Andreas Steidl: Innovation war für uns schon immer wichtig und das bleibt sie auch weiterhin. Ab Oktober bekommen wir ein neues rein pflanzliches Produkt ins Sortiment – den Ja! Natürlich Tofu. Das Besondere dabei ist, dass die Sojabohnen des Tofus zu 100 Prozent aus Wien stammen, es sich bei allen um dieselbe Sorte handelt und die Bohnen jedes Landwirts separat verarbeitet werden. Der jeweilige Wiener Bauer und die Sorte werden auch auf der Verpackung klar ersichtlich sein. Damit ist dieses Produkt nicht nur ein pflanzenbasiertes Bioprodukt, sondern auch ein 100 Prozent regionales Produkt und somit besonders klimaschonend.
Eines der ersten Produkte von Ja! Natürlich war vor bald 30 Jahren Biomilch. Wie hat sich denn das Segment der Molkereiprodukte zuletzt entwickelt?
Atzmüller: Genau, vor fast 30 Jahren haben wir mit Biomilch begonnen und seitdem hat sich sehr viel getan und unser Sortiment ist stark gewachsen. Auch die Verpackung hat eine große Entwicklung gemacht – vom klassischen Tetrapak über den umweltfreundlichen »Natural Brown Board« bis hin zur Wiedereinführung von Mehrwegglas vor einigen Jahren. Neben unseren tierischen Milchsorten, wie beispielsweise Vollmilch, Ziegen- oder Schafheumilch, bieten wir aber auch pflanzenbasierte Alternativen wie unseren Mandel-, Dinkel- oder Haferdrink an. Der Trend zu pflanzlichen Milchalternativen wirkt sich natürlich auf den Absatz von Trinkmilch aus: 2022 gingen die Biomilchmengen laut AMA im Vergleich zu 2021 um 4,5 Prozent zurück.
Steidl: Milch bleibt aber für Österreichs Biolandwirtschaft ein ganz zentrales Produkt und es hat sich in den bald 30 Jahren Ja! Natürlich Geschichte bei Milch- und Milchprodukten besonders viel getan. Gestartet haben wir mit fünf Produkten, wir haben diese gemeinsam mit unseren lang-
BEST OF BOTH WORLDS: MEHR TIERWOHL, MEHR PLANT-BASED
Die Ansprüche an das Tierwohl werden bei Ja! Natürlich laufend erhöht. Aber auch das Sortiment an rein pflanzlichen Produkten wächst laufend. Sieben wegweisende Produkte.
1 STREICHFEIN – MISCHFETT AUS BUTTER UND SONNENBLUMENÖL
Weniger ist mehr, zum Beispiel bei diesem Mischfett aus bester österreichischer Biobutter (80%) und Sonnenblumenöl (20%), ebenfalls aus österreichischer Biolandwirtschaft. Durch seine cremige Konsistenz ist es besonders streichfähig. Pur wie mit Schnittlauch drauf – ein streichfeiner Genuss zum Frühstück oder zur Jause.
2 HAFERDRINK IM MEHRWEGGLAS
Vielseitig verwendbar – als vegane Alternative zum Frühstück, im Kaffee oder als Drink für zwischendurch. Der Biohafer für Ja! Natürlich wächst in Niederösterreich und im Burgenland. Als Haferdrink landet er ungesüßt im nachhaltigen Mehrwegglas.
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TOFU – GERÄUCHERT ODER NATUR
Die Sojabohnen für den Tofu von Ja! Natürlich stammen von Wiener Biobetrieben. Eingelegt in Salzlake schmeckt er gebraten wie roh. Der über Buchenholzspänen geräucherte Tofu überzeugt mit intensiver Würze. Eine geschmackvolle vegane Proteinquelle, regional hergestellt, in feinster Bioqualität.
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON JA! NATÜRLICH
»Bei Tomaten ist die Klimabilanz von konventioneller im Vergleich zu Bioware fast drei Mal so hoch.«
— Andreas Steidl,
Ja! Natürlich
JA! NATÜRLICH
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
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TOMATEN UND GURKEN AUS GEINBERG
Regional ist gut, bio ist besser – und regionales Bio am besten. Wärme aus dem Boden verlängert am Biohof Geinberg die Saison für die Tomaten und Gurken von Ja! Natürlich vom zeitigen Frühjahr bis in den späten Herbst. Knackig, frisch – und dank Geothermie CO2-neutral im Glashaus gewachsen.
5 PASTAMEHL AUS ÖSTERREICHISCHEM DURUM
Hartweizen, bekannt auch als Durum, ist eine der ältesten Getreidesorten überhaupt und wächst auch in Österreich. Durch seinen besonderen Glutenreichtum ist das auffällig gelbe Durummehl ideal für Pasta-, Pizza- und Brotteige geeignet. Die Basis zum Selberbacken.
6 KURKUMA UND INGWER AUS DEM BURGENLAND
Ihr Anbau ist hierzulande nicht ganz einfach, seit ein paar Jahren aber möglich. Ob sie zum Würzen für Currys, Wok- und Gemüsespeisen oder Smoothies verwendet werden: Kurkuma und Ingwer aus dem burgenländischen Seewinkel haben deutlich kürzere Transportwege als die sonst übliche Ware aus Südamerika oder Asien.
7 MINUTENSTEAK VOM WEIDERIND
Ein Leben, ohne jemals angebunden zu werden, garantierter Weidegang im Herdenverband, muttergebundene Aufzucht vom Kalb zum Jungrind und 100% Biofutter aus Österreich – dieses Minutensteak lässt sich mit gutem Gewissen genießen. Und für Bolognese oder Burger gibt’s das frische Faschierte vom Weidejungrind.
jährigen PartnerInnen ständig weiterentwickelt. So konnten wir auch unsere strengen Qualitätsstandards schrittweise anheben. Ja! Natürlich ist die einzige österreichweit vertretene Biomarke, die sich in der Tierhaltung dahingehend abhebt, dass die Tiere nie angebunden werden dürfen. Das reicht aber noch nicht aus: Neben der Weidehaltung ist der ständige Zugang zu einem Auslauf im Freien sicherzustellen. Organisatorisch bedeutet dies, dass diese einzigartige österreichische Biomilch separat gesammelt und verarbeitet wird. Nur so gelingt es nachweislich, ausschließlich Biomilch mit dem höchsten Standard in die Packung zu bringen. Das gibt es eben nur bei Ja! Natürlich. Die grüne »Gras-Kuh« auf unseren Verpackungen ist das Erkennungsmerkmal für den höchsten Milch- und Futterstandard, wo zusätzlich ein Fütterungsverbot von Silagen besteht. Dies hat positiven Einfluss auf die Verarbeitungs- und Produktqualität. Nach einer fast zehnjährigen Vorbereitungszeit haben wir diese Ausrichtung auf den höchsten Tierwohlstandard erreicht –das war ein bedeutender Meilenstein. Auf solche Pionierleistungen dürfen wir auch stolz sein, denn sie haben die gesamte Branche geprägt. Als erste und einzige Biomarke konnten wir Auslauf für Milchkühe an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr, garantieren.
Mittlerweile ist das Angebot an pflanzlichen Produkten so groß wie nie. Ja! Natürlich betreibt viel Marktforschung: Wie pflanzlich und wie flexitarisch werden wir uns in den nächsten Jahren ernähren?
Atzmüller: Mit 4,6 Millionen FlexitarierInnen in Österreich erfreut sich diese Ernährungsweise immer größerer Beliebtheit und ein großer Teil unserer KundInnen fühlt sich bereits der Gruppe der FlexitarierInnen zugehörig. Diese Menschen verzichten nicht strikt auf eine Lebensmittelgruppe, aber achten beim gelegentlichen Fleischkonsum auf sehr hohe Qualität, regionale Herkunft und verantwortungsvolle Haltung der Tiere. Das passt genau zu den klaren Werten von Ja! Natürlich. Es ist uns in dieser Diskussion besonders wichtig, den KonsumentInnen bewusst zu machen, dass hinter jedem Stück Fleisch ein Lebewesen steht und dass es entscheidend ist, wie es gehalten und gefüttert wurde, bevor es auf dem Teller landet. Die Massentierhaltung ist für den Klimawandel mitverantwortlich und ohne eine Richtungsumkehr wird die Bewältigung der Klimakrise nicht machbar sein.
Zwischen zwanzig und dreißig Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Österreich lassen sich letztlich unserer Ernährungsweise zuschreiben. Welchen Unterschied macht es wirklich, wenn ich im Supermarkt Biolebensmittel kaufe anstatt konventioneller Ware regionalen Ursprungs?
Atzmüller: Genau zu diesem Thema haben wir 2021 gemeinsam mit Greenpeace eine Studie beim Forschungsinsti-
ROBERT HARSON, REWE
BILD
VON
tut für biologischen Landbau (FiBL) in Auftrag gegeben, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Lebensmittelkonsum und Klima beschäftigt. Die Studie hat den Klima-Impact verschiedener beliebter Lebensmittel untersucht und evaluiert, wie noch klimaschonender produziert werden kann. Die Studie hat klar gezeigt, dass Bioprodukte durchschnittlich eine 25 Prozent geringere THG-Emission verursachen als konventionelle Produkte. Wenn die Bioprodukte dann auch noch aus der Region stammen, können bis zu 31 Prozent der THG-Emissionen eingespart werden. Die Formel ist einfach: Mehr Bio ist immer auch mehr Klimaschutz und regionale Bioprodukte sind für das Klima noch besser. Wir haben auch schon einige Produkte auf Basis der Studienergebnisse verbessert. Unser neuester Zuwachs im Sortiment in diese Richtung ist unser Ja! Natürlich Haferdrink in der Mehrwegglasflasche. Nicht nur die Mehrwegflasche ist nachhaltiger, sondern auch der für das Produkt gewonnene Hafer stammt aus Bioanbau in Niederösterreich und dem Burgenland. Mit solch nachhaltigen Produktlösungen schaffen wir einfache und praktikable Lösungen, Klimaschutz in den Alltag zu integrieren – denn Klimaschutz beginnt direkt auf dem Teller.
Bei welchen Produkten ist denn der CO 2 -BilanzUnterschied zwischen Bio und konventioneller Ware am offensichtlichsten?
Steidl: Der CO2-Abdruck alleine reicht hier für einen Vergleich nicht aus. Ja! Natürlich sorgt dafür, dass die Hauptfutterbasis für ein Rind Gras ist. Gras können wir Menschen und unsere Hühner und Schweine kaum bis gar nicht verwerten. Jetzt heben sich Ja! Natürlich Kühe gegenüber den konventionellen Kühen dahingehend ab, dass nur 10 bis 15 Prozent des Futters von Ackerflächen stammen dürfen und somit kaum Lebensmittelkonkurrenz zum Menschen besteht. Das ist ein zentraler Aspekt in der Klimaschutzdiskussion, der bei der reinen CO2-Bilanzierung unberücksichtigt bleibt. Bei Tomaten ist die Klimabilanz von konventioneller im Vergleich zu Bioware fast drei Mal so hoch. Der enorme Energiebedarf wird bei Tomaten vor allem im Glashaus durch die Beheizung und Beleuchtung verursacht, daher haben wir bei Ja! Natürlich bis vor Kurzem auch auf
Gemüse aus einem Gewächshaus gänzlich verzichtet und tun dies auch weiterhin in den Wintermonaten. Mit Innovationen kam es zu einer entsprechend verbesserten Weiterentwicklung: Am Biohof Geinberg in Oberösterreich ist es mit der bestehenden Geothermie im Ort gelungen, die Saison von heimischem Biogemüse klimaschonend auszudehnen. Das im März eröffnete Gewächshaus des Ja! Natürlich Partnerbetriebs liefert nun unter anderem heimische Ja! Natürlich Tomaten, Paprika und Mini-Gurken von März bis November.
Dem Engagement von Ja! Natürlich ist es zu verdanken, dass es wieder Milch aus Mehrwegflaschen gibt. Mittlerweile haben viele MitbewerberInnen nachgezogen. Wie entwickelt sich denn der Mehrwegmarkt? Atzmüller: Uns freut es sehr, dass wir mit unserer Initiative ein Umdenken am Markt starten konnten, denn den Kampf gegen den Klimawandel kann man sicher nicht allein gewinnen. Daher begrüßen wir es, dass viele in der Branche jetzt auch Mehrweg anbieten. Wir konnten die Mehrwegglasflaschen zuletzt auch auf weitere Produkte ausweiten und sehen der Entwicklung positiv entgegen, die auch in den kommenden Jahren durch entsprechende gesetzliche Anpassungen sicher noch weiter Aufwind bekommen wird. Was die Rückgabequote betrifft, sehen wir allerdings noch Potenzial. Man merkt noch, dass Österreich traditionell kein Mehrwegland ist. Mit regelmäßigen Aktionen wie zum Beispiel dem Mehrwegdeckel auf den Joghurtbechern schaffen wir weiter Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema. Wir wollen ein stärkeres Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft schaffen.
VON JA! NATÜRLICH
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
»Die Formel ist einfach: Mehr Bio ist immer auch mehr Klimaschutz und regionale Bioprodukte sind für das Klima noch besser.«
— Klaudia Atzmüller, Ja! Natürlich
Schmücking
…THE BETTER (?) BUTTER
Vegane Streichfett- und Butteralternativen im Fetttest.
Butter ist nicht nur ein Aufstrich fürs Brot. Klar, ein Buttersemmerl hat seinen Fixplatz in der ewigen Rangliste kulinarischer Köstlichkeiten. Wir brau chen reichlich Butter unterm Schnittlauch, um dem Schnittlauchbrot nicht nur Geschmack, sondern auch Halt zu geben. Butter ist aber viel mehr. Sie ist (in der Küche) überall. Fernand Point, einem der Grandseigneurs der fran zösischen Küche, wird der Ausruf »Du beurre, du beur re, du beurre« zugeschrieben. »Mehr Butter« wurde zum Schlachtruf der Nouvelle Cuisine. Joël Robuchons Erdäp felpüree bestand zum Beispiel zur Hälfte aus Kartoffeln und zur anderen Hälfte aus Butter. Und es war grandios. Jetzt hat dieser Butterexzess (in Frankreich liegt der But terkonsum bei geschmalzenen 8 Kilo pro Jahr, in Öster reich bei knapp unter 6) mehrere Haken. Die beiden we sentlichen sind Bauchumfang und Klima. Starten wir mit Letzterem. Das Problem dabei ist die Konzentration. Für die Produktion eines Kilogramms Butter braucht man knapp 20 Liter Milch. Das bedeutet, dass viele Kühe erfor derlich sind, um unseren Milchfettfetisch zu befriedigen. Ein komplexer und energieintensiver Produktionspro zess, eine notwendige (bis zum Konsum geschlossene) Kühlkette. Da kommt einiges zusammen. Am Ende sind es 24 Kilogramm CO 2 pro Kilogramm But ter. Das ist stattlich. In Sachen Klimarelevanz geht die Runde eindeutig an die veganen Al ternativen. Bei pflanzlichen Streichfetten sind es zwischen 0,7 und 1,3 Kilo CO2 pro Kilo Butter. Zu den Alternativen: Für Milch und Joghurt gibt es bereits seit geraumer Zeit viel fältigen und ausgezeichneten Ersatz. Beim Streich- und Backfett gab es lange nur Margarine: die »Kunstbutter«, die auf Anregung von Napoleon III. zurückgeht, der ein günsti geres, haltbareres und butterähnliches Streichfett für Ma rine und Armee haben wollte. So gesehen kann man Mar
garine als direkten Vorläufer der veganen Butter sehen. Ihr werden wie auch den pflanzenbasierten Butteralternativen Eigenschaften zugeschrieben, die der Gesundheit förder lich sind. Die pflanzlichen Fette werden vom Körper leich ter aufgenommen und erleichtern es auch anderen gesun den Nährstoffen, ihren Job zu machen.
Der Unterschied liegt im Anspruch: Sensorisch soll die vegane Butter näher am Original, der Nutztiermilchbut ter, liegen. Dass sich hier das Angebot weiterentwickelt, ist auch notwendig, denn Margarine hat einen eigenen, eher dumpf-tranigen Grundton. Die Auswahl an veganer Margari ne und Butteralternativen in Bioqualität ist nach wie vor über schaubar – zu Unrecht, denn sie könnten Butter in Funktion und Geschmack großteils echte Konkurrenz machen.
TEXT UND BILD Jürgen
1 2 58 BIORAMA 81 MARKTPLATZ FOOD
margarine also. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Alsan der Methusalem unter den Butteralternativen ist. Streichfähigkeit top, Geschmack ebenso. Einziger Nachteil. So alt, dass es (noch) nicht palmfettfrei ist.
kos, Mandel. Der Vegan Block ist aus gesprochen streichfähig, gut haltbar und sehr gut in der Küche einsetz bar. Die frische und dezent exotische Note gibt Gerichten einen spannen den Twist.
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BIO STREICHZART, NATURLI
Wieder Kokos, Shea, Man deln und Raps. 100 Prozent palmölfrei. Schmeckt frisch aus dem Kühl schrank wie aufgeschlagene und leicht gesalzene Butter. Sollte eigent lich in keinem Kühlschrank fehlen.
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BIO PLUS 3, LAND KRONE
Als Zusatzbezeichnung steht »Omega-3-reiches Streichfett« auf dem Deckel. Raps-, Walnuss-, Kokos- und Palmöl. Letzteres, so steht es auf der Verpackung, aus »nachhaltigen Pro jekten«. Das größere Problem ist aber ein anderes: Es schmeckt – leider –nach wenig bis nichts. Immerhin – man könnte problemlos ein Spiegelei damit braten. Oder eine vegane Bratwurst. Als Aufstrich ist es aber schade ums Brot.
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NEU ODER NOCH GUT
Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen. Von Neuentdeckungen und alten Perlen. Auf dass uns weghören und -sehen vergeht.
Gelesen für alle, die sich ernsthaft mit dem Gedanken spielen, selbst Bienen zu halten – und dabei sowohl Honig ernten als auch dem Wesen des Insektenstaats entsprechen möchten.
Bücher zu Bienen und vor allem auch zur Hobbyhaltung von Honigbienen sind in den vergangenen Jahren zuhauf erschienen. Kaum eines davon ist so brauchbar wie das vorliegende Taschenbuch. Sebastian Faiss, der mit seiner Frau und Koautorin im Raum Stuttgart eine Bioimkerei be treibt, hat es als Fachmann zu überregionaler Bekanntheit gebracht – über den YouTube-Kanal der Imkerei Goldblü te und diverse Webinare des »Deutschen Bienen Journals«. Diese seien hiermit ergänzend zur Lektüre (und den Videos in der kostenlosen App des Kosmos-Verlags) empfohlen, widmen sich aber eher Detailfragen, die EinsteigerInnen vermutlich überfordern. Denn anfangs stellen sich grund sätzliche Fragen; etwa was der Spaß kostet, wie viel Zeit ich mir für Bienenhaltung nehmen muss. Faustregel: 20 Stunden pro Jahr und Volk. Oder wie ich am besten loslege (mit zwei Völkern). Genau das ist die Stärke des Buchs: Gut strukturiert bietet es Orientierung, liefert klare Anweisun gen und vermittelt genau das richtige Maß an Hintergrund,
praktischen Tipps und wirklich Wissenswertem (beispiels weise in zwei Kapiteln zum Rechtlichen). Der Rest ist dann Learning by Doing …
THOMAS WEBER
Gelesen für Jugendliche und Erwachsene, die sich von ziemlich bunten Bildern eher ansprechen als ablenken lassen, wenn es um tendenziell an spruchsvolle Inhalte geht.
Roboter und Maschinen faszinieren zuweilen nicht nur Kinder und »Hallo Roboter!« beschäftigt sich darüber hi naus mit künstlicher Intelligenz und damit einem Bereich, der neben Automatisation vor allem jene digitalen Vorgän ge beschreibt, die auch ohne niedliche Gesichter Maschi nen menschenähnlicher erscheinen lassen. Der 2018 in Spanien gegründete Verein CosiCosa will Kindern über Bildungsprogramme und Lernerlebnisse Zugang zu Bil dung erleichtern und neben anderem Selbstständigkeit und soziale Kompetenz fördern. Das Kinderbuch »Hallo Roboter!« beschäftigt sich nach einem historischen Über blick über »intelligente Maschinen« in Literatur und Wis
BILD KOSMOS VERLAG,
KLEINE GESTALTEN, GRAF FILM, SAMSARA FILM
COSICOSA · ANA SEIXAS ¡HOLA!hAllo! HAllo roboter! Schlaue Maschinen und künstliche Intelligenz
COSICOSA, ANA SEIXAS / »HALLO ROBOTER! SCHLAUE MASCHINEN UND KÜNSTLICHE INTELLIGENZ« / KLEINE GESTALTEN, 2022.
KATRIN GRAF-FAISS UND SEBASTIAN FAISS / »IMKERN. MODERN, BIENENGEMÄSS, EFFIZIENT« / KOSMOS, 2022.
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senschaft engagiert und ernsthaft mit aktuellen Fragen: Es geht hier um Datensicherheit, die Automatisation und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, darum, dass Maschi nen und Algorithmen nicht neutral sind, sondern Vorurtei le tradieren können, die Filterblase oder auch darum, wie der Übergang zwischen Mensch und Maschine teilweise verschwimmt. In einfacher Sprache werden hier intelligent und mit klarem Verstand Chancen aufgezeigt, aber auch kritisch zu hinterfragende Zusammenhänge und Gefahren diskutiert. Illustriert wurde das Buch von Ana Seixas nicht nur bunt, sondern auch in der Formensprache kräftig – auf eine Weise, die von den Inhalten manchmal vielleicht sogar ablenkt. Inhaltlich ist »Hallo Roboter!« ein absolut gelun gener Einstieg, der auch den meisten Erwachsenen man ches nochmal verständlich näherbringt.
MARTIN MÜHL
Angesehen für alle, die sich über Scifi-Szenari en im Weltraum freuen, die nicht aus Hollywood kommen.
Im Jahr 2056 haben Unternehmen offiziell Staaten abge löst, auf der Erde herrschen eine angedeutete Klassengesell schaft von SoldatInnen, Kapital und Fußvolk und ziemliches Chaos. Auf einer Forschungsstation im Weltraum hat gerade ein Crewwechsel stattgefunden, als sich die Erdatmosphäre plötzlich zu verändern scheint und die Verbindung zur Erde abreißt. Zu dritt auf der Station werden nun in recht gerad linigen Dialogen die großen Fragen der Menschheit abgear beitet, ohne jemals Unsicherheit über die richtige Antwort aufkommen zu lassen. Ein Erdendrama, erzählt vom Welt raumgefängnis aus, ohne Sternenkrieg und doch mit klaren HeldInnen- und Feindbildern.
IRINA ZELEWITZ
Mit Unterstützung von Bund und Europäischer Union
»RUBIKON« / REGIE: LENI LAURITSCH /PRODUKTION: SAMSARA FILMPRODUKTION UND GRAF FILMPRODUKTION, 2022.
DAS KANNST DU SCHENKEN. DIR ODER AUCH ANDEREN.
Schenken ist schwierig – jedes Jahr aufs Neue. Wir versuchen es trotzdem.
BARBARA FOHRINGER
Passend für jene, die Zeug plastikfrei von A nach B tragen möchten: Papero produziert Rucksäcke und Taschen aus Zellstoff, wasserfest und leicht zu reinigen. papero-bags.de
Bei Sharedsheep kann man (ab 9 Euro/Monat) eine Patenschaft für ein Bio-Merinoschaf übernehmen, und jährlich erhält man auch fertig verarbeitete Meri no-Produkte aus der Wolle des eigenen Schafes. Ist man oder sind die Beschenkten im Besitz eines Gartens, ist es ebenso möglich, ein Schaf zur Rasenpflege zu mieten – auch bei dieser Option gibt es jedes Jahr Merino-Woll produkte obendrauf. sharedsheep.com
TANJA GROSSAUER-RISTL
Eisenbahn-Freaks bekommen von mir ein Interrailticket und dieses Spiel. Dann können sie sich schon mal mit Europas Schienennetz vertraut machen: Zug um Zug von Days of Wonder. daysofwonder.com
Eltern mit Kleinkindern beschenke ich mit dem Puppentragesack von Glücks käfer. Damit trägt der Nachwuchs Puppe oder Kuscheltier nämlich freudig selbst. Gibt’s z. B. im Nic-shop. nictoys.de
Der Mann mit Bart bekommt ein Pflegeset von Rosenrot. rosenrot.de
IRINA ZELEWITZ
Den Triggerbow bekommt heuer jemand, auf deren oder dessen Urteil ich vertraue.
Die besten Geschenke sind bekanntlich die, die man am liebsten für sich selbst kau fen möchte, aber noch nicht weiß, ob sie halten, was sie versprechen. Der Triggerbow besteht aus mit Phenolharz verleimtem Birkenholz, Nickel und Stahl und dient der Selbstmassage bei Verspannungsschmerzen. triggerbow.com
Kleinkinder kriegen eine Luftballonhülle. Mitwachsend insofern, als sie bei Verwendung durch die Kleinsten Kind und Ballon schützt (schwieriger zu zerbeißen – weniger laut, wenns doch passiert) und bei den etwas größeren Kindern die Ballspielumgebung. Die Ballonhülle wird von Anna Pollack mit einem kompostierbaren Naturlatex-Ballon verschickt. annapollack.com
62 BIORAMA 81 GESCHENKE
SAMANTHA BREITLER
Ich verschenke große Emotionen und Kultur-Highlights mit einem Gutschein für ein Programmkino. Damit überzeu ge ich nicht nur CineastInnen wie Blockbuster-Fans.
Here comes the sun – mit farbenfrohen Mustern und Printdesigns, die beim spanischen Label Thinking Mu oft in Zusammenarbeit mit KünstlerInnen entstehen, bringst du den Beschenkten mit einem Shirt ein Stückchen Sonne in den Winter. thinkingmu.com
Mit einem Do-it-yourself-Kurs für zwei schenke ich gemeinsame Zeit und nehme auch noch etwas Einzigartiges mit nach Hause. Meine Favoriten: Brauseminar und Parfum-Workshop.
THOMAS WEBER
Ein Feigenbaum wächst nicht nur pflegeleicht (auch auf dem Balkon), er lässt sich auch leicht vermehren: Einfach einen Ast (ca. 20 cm) abschneiden, zum Wurzelschlagen einwassern oder gleich in ein Gemisch aus Erde und Sand stecken. (Fertige Bäume unter schiedlicher Sorten führt der Wiener Biofei genhof.) Und weil so ein Feigenbaum im Win ter nicht besonders ansehnlich ist, gibt’s dazu ein Glas süßer Feigenkonfitüre, z. B. von La Selva. feigenhof.wien und laselva.bio
Nie verkehrt: ein gutes Buch. Zum Beispiel »Singe ich, tanzen die Berge« von Irene Solà . Das Leben, teilnahmslos erzählt aus der Perspektive von Wolken und Bergrücken. Pure Poesie. trabantenverlag.de
Und weil diesen Winter Stromsparen beson ders angesagt ist, bietet sich zum Lesen ein Sonnenglas an. sonnenglas.net
MARTIN MÜHL
Eine Watschelente aus Holz macht zwar Geräusche, die Kinder mehr freu en als ihre Eltern, aber in überhörbarer Laut stärke. Das Schönste an den Enten – von vielen Onlineshops großzügig als Unisex-Spielzeug eingeordnet – ist jedenfalls, dass sie Kinder mo tivieren, sich zu bewegen. Gibt es im gut sor tierten Öko-Kinderladen oder auch online bei Avaocadostore. avadostore.com
Die bisher großartigste Alternative zu Schaum wein ist Copenhagen Sparkling Tea aus Dä nemark (hergestellt in Deutschland) – bio und erhältlich mit wenig (5 Vol.-%) oder keinem Alkohol. Für die verschiedenen Sorten, die unter schiedlich trocken sind, werden zwischen 6 und 13 Sorten Tee gebraut und dann mit Trauben oder Wein versetzt und in der Flasche vergoren. Hier stimmt dann nicht nur das Moussieren im Glas und am Gaumen, sondern auch der schaumweintypische fruchtig-herbe Geschmack. Erhältlich im Fachhandel sowie im besser sortierten Onlinesupermarkt.
BILD ISTOCK.COM/BILLNOLL, KARO_PERNEGGER, BIORAMA, PAPERO, TRABANTENVERLAG, ANNA POLLACK, THINKING MU, COPENHAGEN SPARKLING TEA 63
UND SONST SO, IM BIORAMAUNIVERSUM ...
OUT SOON!
Die zehnte BIORAMANiederösterreich-Regionalausgabe Niederösterreich umgibt die österreichische Bun deshauptstadt Wien, da liegt es uns besonders nahe, schwerpunktmäßig darüber zu berichten, was dort nachhaltig bewegt. In der nächsten Re gionalausgabe dreht sich vieles um Produktion –was wir vor Jahrzehnten gebaut haben, was daraus wurde und werden kann. Wie wir neue Standorte für eine dauerhafte Nutzung planen – und warum uns das alle angeht.
OUT SOON! BIORAMA BIOKÜCHE 2023
Das BIORAMA-Bookazine für alle in Öster reich, die Wert auf biologische Küche legen, geht in die vierte Runde. Alles dreht sich um nachhaltige Lebensmittel und die Weiterent wicklung der hiesigen Biolebensmittelszene –von innovativen ProduzentInnen und Kon sumentInnen, den besten Biogastronomiebe trieben bis hin zu Rezepten, Küchentipps und Alltagshacks.
ENDLICH ZURÜCK!
Das Craft Bier Fest Wien ist da!
Zum bereits vierzehnten Mal finden am 18. und 19. November 2022 neben der Speerspitze der österreichischen Kreativbrauereien viele internati onale Größen der Bierwelt auf Einladung unserer KollegInnen aus dem Team Craft Bier den Weg in die Wiener Marx Halle. Kommt vorbei zum Verkosten, Kennenlernen, Fachsimpeln und um einfach gemein sam Bier zu genießen!
KOOPERATION
BIO-PRODUKTE DES JAHRES
Gesucht – gelistet
Auch heuer haben BIORAMA und die Messe Wieselburg wieder die Bio-Produkte des Jahres in sieben Kategorien gesucht: für »Farm & Craft«, »Retail & Big Brand«, »Beverages – Getränke und Drinks« sowie »Garten – Alles für den Biogarten« und die Regionalkategorien für das niederös terreichische und das oberösterreichische Bio-Produkt des Jahres sowie das »Bio Austria Produkt des Jahres«. Die Jury hat nun die Qual der Wahl, aus den (öffentlichen) Short lists die ihrer Einschätzung nach Besten zu küren. Der aus gesprochen diskussionsfreudigen Jury gehören unter an derem Food-Journalistin und Kochbuchautorin Katharina Seiser und Reinhard Gessl vom Forschungsinstitut für bio logischen Landbau an. Ihre Entscheidungen werden am 12. November bekannt gegeben, da werden die Bio-Produk te des Jahres 2023 auf der Messe Bio Österreich in Wiesel burg prämiert.
biorama.eu/bioprodukt-des-jahres
ALLES GUTE! WirwünschenNachhaltigkeitfürvieleJahre. Zurück in die Zukunft: JohannesGutmanndenktimKreislauf. 22 Nowopen:DerinternationaleKlimaschutzwettbewerbhatlängstbegonnen. 28 EwigeJagdgründe:WoliegendieHürdenimWappentierschutz? BIORAMA NIEDERÖSTERREICH AUSGABE JULI/AUGUST 2022 WWW.BIORAMA.EU 11Z038861 1060 WIEN KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR DIE NIEDERÖSTERREICH AUSGABE 9 raiffeisen.at/mein-elba WIR MACHT’S MÖGLICH. MEINELBA ONLINE BANKING AUCH DAS BESTE KANN MAN IMMER NOCH EIN BISSCHEN BESSER MACHEN. Impressum:Medieninhaber:RaiffeisenlandesbankNiederösterreich-Wien F.-W.-Raiffeisen-Platz Wien. Raiffeisen_MeinElba_Anzeige_Biorama_Koch_190x250_abf.indd BIORNoe9Umschlag.indd 2-3 05.07.22 18:07 MAGAZIN
MAGAZIN
craftbierfest.at EVENT 64 BIORAMA 81 AUS DEM VERLAG BILDER BIORAMA
BESONDERE DESIGNPRODUKTE
ZUM KAUFEN & VERLIEBEN Die BLICKFANG ist das Shopping-Event für Individualisten und Designfans, die auf der Suche nach einzigarten Produkten sind –abseits von Massenware und Mainstream. Und wenn du nicht bis zur BLICKFANGMesse warten willst, shoppe direkt online auf BLICKFANG-DESIGNSHOP.COM Jundado GARDEROBE ‚SPRING COATRACK‘ Result Objects SAVE THE DATE SCHAUKELSTUHL ‚MUISTA‘ muista 21 – 23 OKT 2022 WIEN 28 – 30 OKT 2022 HAMBURG 18 – 20 NOV 2022 ZÜRICH 10 – 12 MÄR 2023 STUTTGART 21 – 23 APR 2023 BASEL Jetzt Tickets für BLICKFANG DESIGNMESSE kaufen unter BLICKFANG.COM 129 € 390 € DESIGNMESSE 65
TEXT Ursel Nendzig
EIN SCHMALER GRAT
Elternsein war schon einmal leichter als heute. Wie gut, dass Optimismus im Lieferumfang enthalten ist.
Im Sommer haben wir eine Woche auf einer Alm hütte verbracht, es war herrlich. Dort oben gibt es kein bisschen Komfort, aber den vollen Luxus: Blick übers Tal, muhende Kühe nebendran, knisterndes Feuer, auf dem das Wasser für den Kaffee langsam, sehr langsam heiß wird, und eine Quelle, aus der kaltes, klares Wasser plätschert. Die Buben wa ren dort im Glück, ohne es gesagt zu haben, aber ich habe es gesehen. Wie sie morgens aus dem schon ziem lich verranzten Matratzenla ger hüpfen, sich die dreckigen Klamotten vom Vortag über ziehen und zuerst einmal die Kühe begrüßen, bevor sie Holz hacken, Wasser holen, auf Hei delbeerjagd gehen und das Ganze wieder von vorn. Sie sind auf eine so gute Art und Weise aktiv, dass mir das Herz ganz schwer wird.
Ja, schwer. Weil das so ist für Eltern. Die Kinder in dieser heilen Welt zu sehen ist nämlich so trügerisch. Weil: Zu wissen, dass die Quelle heuer so wenig Wasser führt wie in all den Jahren zuvor nie, macht mir das Herz unheimlich schwer. Auch, dass ich weiß, dass normalerweise Kühe nicht so herumstehen und den ganzen Tag frische Luft und frisches Gras bekom men und ihre Kälber allzeit zum Säugen ankommen können. Auch, dass ich sehe, wie hoch hinauf sich die Baumgrenze schon geschoben hat und auf den ganz, ganz hohen Gipfeln nur noch ein klei nes bisschen Schnee liegt.
Babybetten, denkbar beste medi zinische Versorgung – und Vernet zung mit anderen Müttern und Vätern, Informationen zu jeder Kleinigkeit nur einen Mausklick entfernt. Und gleich
Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.
Eltern waren schon lange nicht mehr in einer so schwierigen Situation wie heute. All diese Annehmlichkeiten – tausend Sorten Windeln, mehr als genug Säug lingsnahrung, warme, weiche
zeitig eine so unsichere Zukunft vor Augen zu haben. Als ich so alt war wie der kleine Sohn, das war 1990, ist für meine Eltern immer alles besser geworden, der Wäschetrockner, das geräumige Auto, Karriere für Frauen. Und das haben sie uns auch so weitergegeben: Alles wird gut. Wir Eltern müssen dagegen heute diesen schmalen Grat gehen: unseren Kindern, die im Pa radies leben, klarmachen, dass dieses Paradies ein Ende haben wird. Dass wir eine gravierende Kli maveränderung in Gang gesetzt haben, dass wieder Krieg in Europa ist und wir unseren Planeten an den Rand der Bewohnbarkeit wirtschaften.
Die Söhne wachsen auf mit dem Wissen »There is no Planet B« und dessen unsicherer Zukunft und ich kann nicht viel dagegenhalten. Außer vielleicht das: Wenn ich sie mir so ansehe, wie sie hacken und schleppen und gschafteln, wie sie lachen und sich kümmern, regt sich tief drin mein unerschütterlicher Optimismus und ein Vertrauen in die Kinder, mit dem alle Eltern ausgestattet sind (sein müssen!). Und dann denk ich mir: Es mag kei nen »Planet B« geben, aber eine Zukunft, die diese Kinder in die Hand nehmen werden. Mit genau dem Eifer, den ich da oben auf der Alm gesehen habe.
ILLUSTRATION NANA MANDL
»Wir müssen unseren Kindern, die im Paradies leben, klarmachen, dass dieses Paradies ein Ende haben wird.«
66 BIORAMA 81 ELTERNALLTAG
Ausstellungsinfos >>> museumnoe.at Wildnis Stadt Ausstellung bis 12.02.2023 Entgeltliche Einschaltung I Sujet: Perndl+Co, Fotos: Amelameli, S. Goruppa, E. Isselee, M. Paolino, B. Queenborough, Red Tiger; shutterstock.com
kann ja heiter werden
Das
Die Comedy Challenge Freitags 20:15