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Kiloweise Lesestoff

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Leerstand lässt sich auch in bäuerlich geprägten Gegenden gut für die Allgemeinheit nutzen.

Die für die allgemeinheit errichtete infrastruktur sollte auch weiterhin für alle nutzbar sein. so wurde aus der brückenwaage eine offene bibliothek.

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tExt Thomas Weber auch an Schönkirchen-Reyersdorf ist die Zeit nicht vorübergegangen. Ja, ein paar bäuerliche Betriebe gebe es natürlich noch, erklärt Bürgermeister Alexander Gary am Telefon. Mit dem Amtsleiter im Hintergrund zählt er – »Staringer, Feigl …« – alteingesessene Namen durch. Auf zehn Höfe kommen sie gemeinsam. Knapp 2000 Menschen wohnen insgesamt in der kleinen Marktgemeinde. Das beschreibt den Strukturwandel gut, der auch das nördliche Marchfeld mit seinen vergleichsweise großen Äckern und fruchtbaren Feldern erfasst hat. Dennoch wähnt sich in einem Bauerndorf, wer durch die Ortschaft fährt. Das weithin bekannte Parkbad – 1968 zu seiner Eröffnung das modernste Freibad Österreichs – liegt versteckt im weitläufigen Schlosspark. Das Ortsbild prägen immer noch Scheunen, die Straßenfronten der Streckhöfe, der eine oder andere Bauerngarten. Selten wird Leerstand so augenscheinlich wie bei der alten Schönkirchner Brückenwaage. »Schon seit 1996 wurde die nicht mehr genutzt«, erzählt Gary. »Das Getreide wiegen heute die Lagerhäuser oder die Mühlen.« Drei Brückenwaagen hatte die Gemeinde ursprünglich ihren LandwirtInnen zur Verfügung gestellt, in jedem Ortsteil eine und eine dritte direkt am Rübenplatz.

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Irgendwann, nachdem er hunderttausend Mal an der nicht mehr genutzten Waage vorbeigekommen war, hatte der Politiker plötzlich eine Idee: Das Bauwerk ist praktisch zentral gelegen, gut einsehbar und war immer für die Allgemeinheit gedacht. Warum also nicht eine offene Bibliothek daraus machen? Man bringt Ausgelesenes und holt sich selbst neuen Lesestoff. »Ich hab die Idee einer Tauschbücherei dann einfach im Kulturausschuss präsentiert«, sagt der Bürgermeister. Kurze Zeit später wurde die Waage innen und außen neu gestrichen; die Mitarbeiter des Bauhofs haben Regale montiert. Eine Aufschrift erinnert auch die Jungen im Ort an die einstige Bestimmung des Gebäudes. Doch auch wenn die Bücherwaage gut genutzt wird und angenommen wurde – das höchste zulässige Gesamtgewicht von 20 Tonnen wird man wohl nicht einmal annähernd erreichen.

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