BIZZ energy today 01/2013

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FEB

INTERVIEW

KOLUMNE

DOSSIER

EU-Energiekommissar Günther Oettinger über Atomendlager, Kernfusion und Europas Importe seite 32

Autopapst Ferdinand Dudenhöffer über kommunale Widerstände gegen Elektroautos seite 56

Die neue Welt des Gasmarkts: Was zusätzliche Quellen, Pipelines und Flüssiggas-Tanker verändern Ausgabe 2. Jahrgang seite 42

Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft

bizzenergytoday.com

Investmentmotto: Big is beautiful Nachdem Wall-Street-Legende Warren Buffett groß in einen kalifornischen Solarpark investierte, schossen Solarwerte weltweit in die Höhe. Typisch für den Trend 2013: Grüne Großanleger weiter auf seite 18 machen Stimmung

01/2013 9,80 !


1. FINANCE MEETING von BIZZ energy today

Top-Referenten – klare Standpunkte Beim 1. FINANCE MEETING von BIZZ energy today am 22./23. April 2013 im Hotel Adlon, Berlin Treffen Sie die Entscheider und Finanziers der Energiezukunft. Diskutieren Sie ßber das Thema

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editorial. seite 3

Big is beautiful Großinvestoren nutzen die Geschäftschancen, die Solar- und Windparks sowie neue Netze bieten _von JOACHIM MÜLLER-SOARES

Titel: Bloomberg/gettyimages

Foto: Roy von Elbberg

Liebe Leserinnen und Leser,

das „Orakel von Omaha“ – so wird Wall-Street-Legende Warren Buffett in Anspielung auf seine Geburtsstadt genannt – kann nicht irren. Als Buffett zu Jahresbeginn 2,5 Milliarden Dollar in einen kalifornischen Solarpark pumpte, schossen prompt weltweit die Solaraktien in die Höhe. Buffett, drittreichster Mann der Welt, steht für einen Trend: „Big is beautiful.“ Großinvestoren nutzen die Geschäftschancen der Erneuerbaren, insbesondere im Bereich der Infrastruktur. Dazu gehören Parks und natürlich neue Leitungen. Beim Netzausbau gewährt die Bundesnetzagentur neun Prozent Vorsteuerrendite. Das ist üppig in der aktuellen Niedrigzinsphase. „Small is beautiful“, diesen Titel wählte einst der deutschstämmige Ökonom Ernst Friedrich Schumacher, enger Mitarbeiter des Briten John Maynard Keynes, für seinen Bestseller. Der Buchtitel impliziert auch: Weniger wäre mehr. Das spüren derzeit die Hersteller von Solarmodulen und Windparkkomponenten: Sie leiden unter der weltweiten Überprodukion. Deren Ende ist vorerst nicht in Sicht, und so vergeht kaum eine Woche ohne Hiobsbotschaften.

Unterdessen geht es den Projektierern großer Solar- und Windparks prächtig, ähnlich übrigens wie den Betreibern deutscher Braunkohlekraftwerke. Deren Rekordproduktion gehört zu den Ungereimheiten der Energiewende (siehe S. 58). Was hält das „Orakel von Omaha“ für Barack Obama in petto? Das hängt von den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab, die der US-Präsident in seiner eben begonnenen zweiten Amtszeit für Energieprojekte setzten wird. Details beschreibt unsere New Yorker Korrespondentin Kathrin Werner ab Seite 26. Ihre Wall-Street-Kolumne gehört zu den Neuerungen von BIZZ energy today im Jahr 2013. Bei der Lektüre dieser Ausgabe wünsche ich Ihnen in jedem Fall neue Erkenntnisse und natürlich auch Lesespaß.

Ihr Herausgeber und Chefredakteur P.S.: Ihre Anregungen sind auch 2013 willkommen, unter muellersoares@ringvier.com


TITEL: BIG IS BEAUTIFUL

„KERNFUSION HAT ZUKUNFT“ Interview mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger über Atommüllendlager, europäische Risikovorsorge und Energieimporte seite 32

Wie und warum Großinvestoren in die deutsche Energiewende seite 18 investieren

Das Berliner Start-up Younicos will auf einer Azoreninsel eine autarke, rein regenerative Stromversorgung aufbauen – mit seite 38 Hilfe von Hybrid-Batterien

„MILLIARDEN FÜR OFFSHORE“ Interview mit Vincent Policard vom Finanzinvestor KKR seite 24 WALL STREET INSIDE Die nächste Klippe

seite 26

KOLUMNE GERARD REID Über den Angriff auf Intel

seite 28

UNTERNEHMENSCHECK Aurubis

seite 30

INSELLÖSUNG

KOLUMNE FRIEDBERT PFLÜGER Über Richtungskämpfe beim russichen Staatskonzern Gazprom seite 36


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GASMARKT DIE NEUE WELT Wie gelangt Erdgas ins Zentrum Europas? Unterschiedliche Pipeline-Projekte konkurrieren untereinander – und mit Flüssiggas-Tankern seite 42

REVOLUTION AUS MÜNCHEN Autobauer BMW könnte mit seinen i-Modellen für neue Euphorie in der Elektromobilitätsbranche sorgen seite 52

AUF- UND ABSTEIGER DES MONATS Güler Sabanci (Siemens) und Willi Balz (Windreich) seite 64

„EIN AUSLAUFMODELL“ Interview mit Klaus Schäfer, Vorstandschef bei Eon Ruhrgas, über das Ende der Ölpreisbindung seite 48 HEHRES ZIEL Die Bundesregierung will den Einsatz von Biomethan forcieren. Doch die Einspeisung ins Gasnetz stockt seite 51

OBAMAS ADERLASS Erst ging seine Vertraute Lisa Jackson, jetzt ist Energieminister Steven Chu amtsmüde seite 65

KOLUMNE FERDINAND DUDENHÖFFER Wie kommunale Ordnungsämter die Pläne der Kanzlerin durchkreuzen

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IM FOKUS: NETZAUSBAU Interview mit TransnetBW-Chef Rainer Joswig über seine Rolle als Buhmann der Energiewende seite 14

seite 56

BRILLIANTE BROCKEN Ausgerechnet Braunkohle: Warum der Klimakiller eine Renaissance erlebt seite 58

FRAGE DES MONATS Steht das Smart Home vor dem Durchbruch? EDITORIAL IMPRESSUM FOTO DES MONATS INNOVATION DES MONATS ZAHL DES MONATS MAL GANZ GRUNDSÄTZLICH GEFRAGT

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LETZTER TANGO FÜR BIODIESEL Der Import von billigem Soja-Diesel aus Argentinien macht den deutschen Herstellern schwer zu schaffen. Die Auslastung der Anlagen sank im letzten Jahr auf 65 Prozent. Die Unternehmen schreiben Verluste, sie müssen sich mit dem Verkauf von Nebenprodukten wie Futtermittel über Wasser halten. Zwar ermittelt die EU-Kommission wegen des Vorwurfs der Exportsubventionierung gegen Argentinien, doch das Verfahren dauert für viele Unternehmen in Deutschland zu lange. 2012 mussten Hersteller wie Biodiesel Wittenberge und die Rheinische Bio Esther Insolvenz anmelden. Der Ausblick ist getrübt, denn die EU-Kommission will den Anteil von reinen Biokraftstoffen generell begrenzen. „Wenn das umgesetzt wird, haben Biokraftstoffe in Europa keine Zukunft mehr“, warnt Elmar Baumann, Chef des deutschen Biokraftstoffverbandes, gegenüber BIZZ energy today.

IMPRESSUM HERAUSGEBER UND CHEFREDAKTEUR:

Dr. Joachim Müller-Soares (V.i.S.d.P.) BERATER DES CHEFREDAKTEURS:

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Peter Poppe

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Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Matthias Kurth, Prof. Dr. Friedbert Pflüger REDAKTION:

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Fotos: Verbio; Liufuyu/depositphotos; Chesapeake/Statoil

CHEFÖKONOM:


Smartes Monopol

Für die künftige Smart-Metering-Infrastruktur schlägt der Software-Riese SAP einen zentralen Datenpool vor. Sein Argument: Verbraucherdaten müssten nicht mehr von jedem einzelnen Netzbetreiber gesammelt, sondern könnten auf einer zentralen Service-Plattform abgerufen werden. Das spare Kosten von bis zu 30 Prozent, verspricht SAP. Prompt hagelt es Kritik: Der Vorschlag sei ein Rückfall in überholte Monopolstrukturen und würge Wettbewerb ab. „Die Stadtwerke können dann weder die Daten selber sammeln und verarbeiten, noch den günstigsten und besten Dienstleister dafür beauftragen“, warnt Rüdiger Winkler, Chef des Bundesverbandes Energiemarkt & Kommunikation. Dieses Geschäft entfiele dann auf den neuen Datenmonopolisten.

US-FIRMEN FÜRCHTEN SCHIEFERGAS-EXPORTE Die neu gegründete Initiative ‚America‘s Energy Advantage‘ spricht sich gegen unbeschränkte Exporte heimisch geförderter Schiefergasvorkommen aus. Diese seien „desaströs für die US-Wirtschaft“, sagt Peter Molinaro, Vizepräsident des Chemiekonzerns Dow Chemical und Sprecher der Initiative. Die Industrie fürchtet, dass die Ausfuhr die heimischen Gaspreise nach oben treibt. In Washington tobt nun ein Lobbykampf, denn die Explorationsfirmen setzen auf das zusätzliche Geschäft. Sie verweisen auf eine Studie, die bei unbeschränkter Gasausfuhr unter dem Strich Gewinne für Amerikas Wirtschaft und Haushalte prognostiziert. Der scheidende US-Energieminister Steven Chu arbeitet derzeit an einem Genehmigungsverfahren für Schiefergasexporte.

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monats

Die chinesische Regierung will die Grünstrom-Kapazitäten des Landes deutlich ausbauen. In diesem Jahr sollen Anlagen mit einer Leistung von 49 Gigawatt (GW) entstehen, das entspricht etwa der Kapazität von 40 Kernkraftwerken. China dürfte damit für knapp die Hälfte des globalen Zubaus an erneuerbaren Energien verantwortlich sein. Mit 21 GW sollen die meisten Kapazitäten in der Wasserkraft entstehen, gefolgt von der Windenergie und der Solarenergie, die zehn GW beisteuern soll. Jetzt will Bundesumweltminister Peter Altmaier gemeinsam mit China ein Bündnis von Energiewende-Staaten gründen. Ohne Neid und voller Lob spricht Altmaier dem Reich der Mitte die Vorreiterrolle zu: „China wird zum Pionierland für erneuerbare Energien.“

ZAHL DES

Chinas neue Pioniere

Energiefachkräfte mit Berufsausbildung kommen auf 100 gemeldete Stellen. Das zeigt die neue Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die den Fachkräfteund Spezialistenmangel im Bereich Energietechnik erfasst. Der hohe Fachkräftebedarf im Zuge der Energiewende führe zu Engpässen, teilte die Agentur auf Anfrage mit. Es fehle vor allem an nicht-akademischem Personal. Bei Berufen, die einen Universitätsabschluss benötigten, sei die Situation allerdings umgekehrt. Hier gilt: „Der Ingenieur hat‘s schwör.“ Auf 100 Stellen in der Energietechnik kommen 171 arbeitssuchende Ingenieure. Zum Vergleich: Im Durchschnitt buhlen 21 Juristen um einen Job.


kurz & gut. seite 12

DEUTSCHE BANK GOES AFRICA Mit einem neuen internationalen Förderprogramm will die Deutsche Bank den Export erneuerbarer Energien vorantreiben. Zu diesem Zweck startet sie dieses Jahr ein Pilotprojekt in Uganda. Die Idee: Unternehmen aus Industrieländern bauen Anlagen in Entwicklungsländern. Dafür garantieren die Regierungen vor Ort einen stabilen Rechtsrahmen und Einspeisetarife. Sie sorgen gleichzeitig dafür, dass diese Tarife auch bezahlt werden. Für den Erfolg des Projekts soll ein spezielles Fondskonzept unter dem Namen ‚Get-Fit‘ (Global Energy Transfer Feed-in Tarifs for Developing Countries) sorgen. „In den Entwicklungsländern ist das Investitionsklima häufig sehr viel unattraktiver als zum Beispiel in Deutschland“, sagt Silvia Kreibiehl, zuständige Projektmanagerin bei der Deutschen Bank. Die britische Regierung hat für Uganda bereits16 Millionen Euro in den Fonds eingezahlt.

innovation DES MONATS

Eine anhaltende Dürre bedroht die Energieversorgung in Brasilien, denn das Land gewinnt rund 80 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft. Experten beurteilen die aktuelle Situation als sehr kritisch. Der Wasserstand in den Stauseen sei so niedrig wie zuletzt im Jahr 2001. Damals litt selbst der wirtschaftlich starke Süden des Landes an einer Unterversorgung mit Strom. Die Wasserkraftwerke sind derzeit lediglich mit rund 30 Prozent ausgelastet, doch eine Stromrationierung würde das Wirtschaftswachstum stark bremsen. Deshalb muss Brasilien Flüssiggas aus dem Ausland importieren: Der Strom aus Gaskraftwerken ist jedoch fünf Mal teurer als aus Wasserkraft. An der Börse stiegen die Strompreise innerhalb einer Woche um 60 Prozent – und sind dem Rekordniveau von 2001 jetzt gefährlich nah.

TUNING FÜR DIE TURBINE Supraleiter sollen künftig die Leistung von Offshore-Windenergieanlagen erhöhen. Bei dem von der EU geförderten Projekt Superpower sollen in neuartigen Generatoren bis 2016 Tieftemperatur-Supraleiter zum Einsatz kommen. Diese leiten Strom verlustfrei ohne elektrischen Widerstand, wenn sie auf minus 253 Grad Celcius gekühlt werden. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln dafür ein im Generator rotierendes Kühlgerät, den Kryostaten. Für Offshore-Windparks können Supraleiter das Geschäft erleichtern. Herkömmliche Turbinen werden ab einer bestimmten Leistungsgrenze zu schwer, um sie auf hoher See auf Türme zu installieren. Mit den neuen supraleitenden Generatoren sollen Leistungen von 10 Megawatt und mehr möglich sein. Windparks könnten bei gleicher Anlagenzahl deutlich mehr Strom liefern.

Fotos: Ute Grabowsky/KFW Bildarchiv; Tecnalia

Ebbe am Zuckerhut


Wir versorgen unsere Kunden mit Erdgas und Strom und greifen dabei auf einen breiten Mix konventioneller und erneuerbarer Energieträger zurück. Unsere Produkte kombinieren wir mit intelligenten, praxisnahen Dienstleistungen und schaffen so integrierte und nachhaltige Energielösungen. Unser Anspruch: Energie für heute. Mit Verantwortung für morgen. Enovos Energie Deutschland GmbH ausgezeichnet mit dem Daimler Supplier Award 2011. enovos.eu


„Kernfusion hat Zukunft“ EU-Kommissar Günther Oettinger über Atommüllendlager, europäische Risikovorsorge und Energieimporte

GÜNTHER OETTINGER ist seit Februar 2010 EU-Energiekommissar. Zuvor stand der CDU-Politiker fünf Jahre lang als Ministerpräsident an der Spitze der badenwürttembergischen Landesregierung. Nach der Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 ordnete der studierte Jurist einen Stresstest für alle europäischen Kernkraftwerke an.

_BIZZ energy today | Finnland hat gerade den Baustart eines Endlagers für nukleare Abfälle verkündet. Freut Sie das? _Günther Oettinger | Das macht Mut. Die Finnen haben an diesem Standort bereits seit einem Jahr ein Demonstrationsprojekt entwickelt und sind jetzt in einem transparenten, demokratischen Verfahren zum Ergebnis gelangt, dass sie dort mit hohen Sicherheitskriterien nukleare Abfälle einlagern können. Ich habe die Erwartung, dass alle anderen EU-Staaten dem finnischen Beispiel folgen und Pläne für die Endlagerung ihres Atommülls vorlegen, entlang unserer EU-Richtlinie über die Entsorgung radioaktiver Abfälle. _BIZZ e.t. | Wird in diesem finnischen Endlager eines Tages auch deutscher Atommüll landen? _Oettinger | Europarechtlich sind Kooperationen innerhalb der EU möglich. Aber ich halte es für Länder, die eine nennenswerte Zahl von Kernkraftwerken haben, für politisch notwendig und logisch sich selbst um die Endlagerung innerhalb ihres Territoriums zu kümmern. Zu diesen Ländern zähle ich Frankreich und Großbritannien, aber auch Deutschland. _BIZZ e.t. | Wir halten fest: Zumindest recht-

lich wäre es zulässig, einen Teil des deutschen Atommülls im Ausland einzulagern. _Oettinger | In der Tat ist es europarechtlich zulässig, dass ein Mitgliedstaat einem anderen auf Vertragsbasis seinen Abfall zur Endlagerung verbringt. Alles Weitere ist allein Sache der Mitgliedstaaten und ihrer Regierungen. Nuklearabfälle gibt es ja nicht nur in Ländern, die Kernkraftwerke haben. In jedem Klinikum entstehen kernenergetische Abfälle. Für ein Land wie Luxemburg oder Portugal macht es keinen Sinn, deswegen ein Endlager zu bauen. Es wird also Länder geben, die ihren Abfall auf Vertragsbasis in andere EU-Staaten verbringen. _BIZZ e.t. | Experten streiten derzeit über das Kriterium der Rückholbarkeit. Finden Sie es sinnvoll, Endlager so zu bauen, dass der Atommüll zurückgeholt werden kann? _Oettinger | Ja, die Rückholbarkeit der Nuklearabfälle finde ich sinnvoll. Dann kann man ihn zu einem späteren Zeitpunkt, in Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten, intelligenter entsorgen oder verwerten. Die Finnen haben diesen Weg gewählt: Sie lagern den Müll in hartem Gestein, quasi in einer Art Tiefgarage,

Foto: Philippe Sautier/European Union 2010

_Interview JOACHIM MÜLLER-SOARES und KARSTEN WIEDEMANN


„Nicht jedes Land braucht ein eigenes Endlager.“

aus der sie ihn später zurückholen können. Die Alternative zu dieser finnischen Lösung ist das Verbringen in Salz, also in Tieflagern, die aus Salzschichten bestehen. Das Salz wächst zu und damit ist das Tieflager vor jedem Missbrauch von Menschenhand gefeit. _BIZZ e.t. | Ist Gorleben als Endlager nur zweite Wahl, weil Atommüll dort nicht rückholbar wäre? _Oettinger | Zumindest muss in Deutschland diese Frage einmal fachlich diskutiert und politisch entschieden werden. Erst danach ist die Frage, ob das Salzlager Gorleben geeignet ist, überhaupt entscheidungsreif. _BIZZ e.t. | In Laborversuchen wurden Nuklearabfälle bestrahlt, um ihre Halbwertzeit deutlich

zu verringern. Glauben Sie, dass solche oder ähnliche Transmutationsverfahren in der Praxis zur Anwendung kommen? _Oettinger | Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahrzehnten wissenschaftliche und technologische Fortschritte gelingen, mit der die Halbwertszeit erheblich verkürzt werden kann. _BIZZ e.t. | Die nationalen Atomaufsichtsbehörden in der EU überwachen neben der Mülllagerung insbesondere die Kernkraftwerke. Sind Sie mit der Performance dieser Behörden zufrieden?

„Die Rückholbarkeit der Nuklearabfälle ist sinnvoll.“


governance.

_Oettinger | Diplomatisch formuliert: Einige EU-Länder haben noch Nachholbedarf. Im Rahmen unserer überarbeiteten EU-Richtlinie über nukleare Sicherheit, die wir dieses Jahr vorlegen werden, wollen wir die Unabhängigkeit der nationalen Atomaufsicht stärken. Dabei werden wir in einem Vergleich aufzeigen, dass es schon jetzt einige nationale Aufsichtsbehörden gibt, die in völliger Unabhängigkeit und mit hoher Autorität ihre Aufgabe ausüben. _BIZZ e.t. | Welche Staaten sind Vorbilder? Deutschland etwa? _Oettinger | Ich halte die französische Atom-

„Die Entscheidung für den Atomausstieg ist endgültig.“

„Ich fordere eine Generalrevision des ErneuerbarenEnergienGesetzes.“

aufsichtsbehörde für die beste in der EU. Aber auch die deutsche hat einen guten Standard. _BIZZ e.t. | Wird es neue Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke in der EU geben? _Oettinger | Ja. Wir wollen die Erkenntnisse unseres europäischen Stresstestes nutzen und in einer Novelle unserer EU-Richtlinie über nukleare Sicherheit höchstmögliche Sicherheitsstandards für den Bau und den Betrieb von Kernkraftwerken vorschlagen. Die müssen dann von allen EU-Staaten national umgesetzt werden. _BIZZ e.t. | Bitte werden Sie da ein bisschen konkreter: Welche Vorgaben planen Sie zum Beispiel für das Risikomanagement? Wie sollen Regierungen bei Atomunfällen reagieren? _Oettinger | Solche Risikomanagementpläne müssen grenzüberschreitend entwickelt werden. Die EU-Kommission wird die Mitgliedstaaten untereinander zur Kooperation verpflichten. Die Verantwortung beim Betreiber und bei der nationalen Regierung bleibt zwar bestehen; aber Sicherheit ist unteilbar und macht nicht an der Staatsgrenze halt, übrigens auch nicht an den Grenzen zu den Nachbarstaaten der EU. _BIZZ e.t. | Wie werden Sie die Haftung und den Anspruch auf Schadensersatz bei Atomunfällen regeln? _Oettinger | Wir haben innerhalb der EU höchst unterschiedliche Regeln für die Versicherungshaftung. Wir werden uns anschauen, wie wir die Standards bei der Absicherung von finanziellen Risiken und auch bei möglichen Schäden verbessern können. _BIZZ e.t. | Im Klartext: Wenn es in Frankreich einen Atomunfall gäbe, hätten zum Beispiel Deutsche und Belgier den gleichen Anspruch auf Schadensersatz wie die Franzosen selbst? _Oettinger | Die Versicherungspflicht muss einen europäischen Mindeststandard haben. Ob dann einzelne Mitgliedstaaten noch mehr machen, ist ihre Sache. Aber es darf kein Sicherheits- und Haftungsgefälle nach unten geben. _BIZZ e.t. | Werden in Deutschland jemals neue Kernkraftwerke gebaut werden? _Oettinger | Ich glaube, dass die Entscheidung für den Atomausstieg endgültig ist – egal, wer die nächsten drei Bundestagswahlen gewinnen wird. Aber umgekehrt haben wir einen Strombinnenmarkt, wir haben keine Zollkontrollen und wir haben 140 Kernkraftwerke

Foto: Georges Boulougouris/European Communities 2009

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in Europa. Neue Reaktoren werden innerhalb der EU geplant und gebaut. Deswegen wird es in Deutschland weiterhin Strom aus Kernkraft geben, der allerdings nicht in Deutschland hergestellt wird, sondern beispielsweise aus Frankreich oder Tschechien nach Deutschland fließt. _BIZZ e.t. | Gelegentlich wird in Deutschland ein Importverbot für Atomstrom gefordert. Was halten Sie davon? _Oettinger | Diese Diskussion kann ich nicht ernst nehmen. Wir haben einen Strombinnenmarkt mit freiem Austausch von Waren und Dienstleistungen. Nicht nur Juristen, sondern jeder Bürger und jeder Politiker muss sich an die Kompetenzordnung und die Rechtsgrundlagen halten. _BIZZ e.t. | Die Kernspaltung hat also in Deutschland keine Zukunft. Was aber ist mit der Kernfusion? _Oettinger | Die Kernfusion trägt in keiner Form die Risiken der Kernspaltung in sich. Wir forschen in Europa an der Kernfusion – bei EU-Projekten ist Deutschland stets ein starker Partner, zum Beispiel bei der Arbeit unseres ITER Entwicklungszentrums Cadarache in Südfrankreich. Ich baue darauf, dass Mitte des Jahrhunderts die Kernfusion einen – nicht unwesentlichen – Teil des weltweiten Stromverbrauchs sicherstellen könnte. Es ist aber noch deutlich zu früh, um über die Standorte von Kernfusionsanlagen in Europa zu beraten. _BIZZ e.t. | Bei der deutschen Energiewende spielt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine zentrale Rolle. Wird es erhalten bleiben? _Oettinger | Das EEG war für den Anschub, für die ersten Schritte der erneuerbaren Energien, ein hervorragendes Gesetz. Jetzt führt es zu Fehlallokationen. Daher fordere ich eine Generalrevision des EEG. Der weitere Aufbau des nicht grundlastfähigen Solar- und Windstroms muss an den weiteren Aufbau der Netzinfrastruktur und den weiteren Ausbau von Speicherkapazitäten gekoppelt werden. Erneuerbare Strommengen, die man nicht speichern kann, machen auch nur eingeschränkt Sinn. _BIZZ e.t. | Wechseln wir von Strom zu Gas. Das von der EU-Kommission politisch flankierte Nabucco-Projekt wurde immer wieder verschoben. Was bleibt denn jetzt noch davon übrig? _Oettinger | Ich bin sicher, dass der Südliche

Gaskorridor, also die direkte Pipeline-Verbindung aus Aserbaidschan und aus dem kaspischen Raum nach Europa, 2018 fertig sein wird. Früher wird man die entsprechenden Gasfelder nicht zur Produktion vorbereitet haben. Wir haben noch ein bis zwei Jahre Zeit, um im Detail zu entscheiden, welche Pipelines in welchen Dimensionen notwendig sind und aus welchen Pipelineverbindungen der Südliche Gaskorridor besteht: TANAP und TAP oder Nabucco West. _BIZZ e.t. | Russlands Präsident Wladimir Putin und sein Staatskonzern Gazprom forcieren jetzt die South Stream Pipeline als Konkurrenzprojekt. Gefährdet Russlands Vorpreschen die Gasmengen für den Südlichen Korridor? _Oettinger | Nein, denn durch South Stream ändert sich die Gasmenge nicht. Dann fließt eben weniger russisches Gas durch Weißrussland und die Ukraine und stattdessen mehr durch das Schwarze Meer. Das Gas aus Aserbaidschan wird erstmals 2018 verfügbar sein und dann mit Sicherheit nicht auf Umwegen fließen, sondern durch eine eigene Pipeline auf direktem Wege nach Europa kommen. _BIZZ e.t. | Was jetzt von den einst hochtrabenden europäischen Nabucco-Plänen übrig bleibt, ist aber doch enttäuschend, oder nicht? _Oettinger | Der Gasmarkt hat sich verändert. Aber die Türöffnung in den kaspischen Raum ist entscheidend. Es kommt nicht so sehr auf die Menge an, sondern auf die Öffnung einer direkten Beziehung. Mittelfristig kann das für Europa bestimmte Gas aus Aserbaidschan zum Beispiel durch Gas aus Turkmenistan oder dem Irak ergänzt werden. _BIZZ e.t. | Man munkelt, die EU-Kommission werde das russische South Stream Projekt durch gezielte Nadelstiche verzögern. _Oettinger | Wir wollen nicht verzögern. Wir wollen Europarecht anwenden. Sobald South Stream in EU-Hoheitsgebiet kommt, gelten unser EU-Umweltrecht, unser EU-Binnenmarktrecht und unser EU-Vergaberecht. Darauf werden wir achten. Das hat mit Verzögerung oder Blockade gar nichts zu tun.

„Das Gas aus Aserbaidschan wird 2018 verfügbar sein.“

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seite 51

Hehres Ziel

Biomethan hat eine optimale Ökobilanz, weshalb die Bundesregierung den Einsatz im Erdgasnetz forcieren will. Doch die Einspeisung stockt _Text NIELS HENDRIK PETERSEN

Foto: Dr. B. Vollrath (LWG)

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ei der Energiewende wird viel zu oft über Wind- und Sonnenenergie gesprochen. Das meint zumindest Reinhard Schulz, Geschäftsführer des Biogasrats, einem Zusammenschluss größerer Unternehmen der Biogasbranche. „Dabei können unsere Anlagen rund um die Uhr Wärme und Strom produzieren“, schwärmt Schulz. „Mit Biomethan sind wir räumlich und zeitlich flexibel.“ Biomethan entsteht aus der Vergärung von nachwachsenden Rohstoffen wie Mais und Zuckerrüben. Auch organische Abfälle eignen sich zur Gewinnung. Die Bundesregierung will daraus verstärkt Biogas produzieren lassen, um die Konkurrenz mit der Lebensmittelproduktion und die daraus resultierende ,Teller-Tank-Diskussion‘ zu umgehen. Bis 2020 sollen sechs Prozent oder 60 Milliarden Kilowattstunden des jährlichen Erdgasbedarfs durch Biogas oder qualitativ besseres Biomethan gedeckt werden. Das ist ehrgeizig, denn aktuell liegt der Anteil unter einem Prozent. Nach einer Analyse des Branchenverbandes BDEW kann Biomethan bis 2030 immerhin zehn Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs ersetzen. Derzeit stehen in Deutschland 7.600 Biogasanlagen, ein Drittel davon in Bayern. Die installierte elektrische Leistung beträgt 3.400 Megawatt, das entspricht der Leistung von drei Atomkraftwerken. Rund 98 Prozent der Anlagen speisen nicht ins Erdgasnetz ein, sondern betreiben kleine Kraftwerke mit Kraft-Wärmekopplung, die das Gas in Strom und Wärme umwandeln. Der Grund: Rohes Biogas muss mit hohem Aufwand gereinigt werden, um dann als

98 Prozent reines Methan ins Erdgasnetz eingespeist zu werden. Nur durch die Speicherung lässt sich Produktion und Verbrauch zeitlich und örtlich voneinander entkoppeln. Laut der Deutschen Energieagentur Dena speisen jedoch erst 107 Anlagen mit einer Kapazität von insgesamt 67.000 Kubikmetern pro Stunde ins Gasnetz ein. Das entspricht etwa dem jährlichen Wärmebedarf von rund 300.000 Haushalten. Bei vielen Gasnetzbetreibern kamen die Einspeiseprojekte bisher nicht so gut an. Genehmigungen zogen sich oft in die Länge. Beobachter argwöhnten, die Gasnetzbetreiber wollen sich die neue Konkurrenz vom Leib halten. „Für das kommende Jahr versprechen wir uns hier allerdings eine enorme Verbesserung“, glaubt Carsten Steentjes, Manager beim Anlagenbauer Envitec. Die Netzbetreiber würden langsam ihre Hürden abbauen, dadurch werde die Netzeinspeisung beschleunigt. Um jedoch das Sechs-Prozent-Ziel der Bundesregierung bis 2020 zu erreichen, müssten je nach Größe durchschnittlich 150 bis 300 Anlagen pro Jahr ans Netz gehen. Damit rechnet in der Branche allerdings niemand.

Nur 107 der über 7.000 Biogasanlagen in Deutschland speisen Biomethan ins Erdgasnetz ein


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markets. seite 56

Jagd auf das E-Auto

Die Kanzlerin will mehr Elektroautos auf deutsche Straßen bringen. Doch manche Kommunalverwaltung stellt sich stur – und zeigt, wie zäh Innovationsprozesse sein können

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n Deutschland ist viel darüber philosophiert worden, wie unser Land zum Leitmarkt für Elektromobilität werden kann. Auf höchster Ebene lud Angela Merkel Industriekapitäne und Energieversorger zu Gipfeltreffen ins Kanzleramt ein. Im Regierungsprogramm Elektromobilität setzte sie eine klare Zielmarke: Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren. Doch die Bilanz ist bisher ernüchternd. Zieht man die von den Herstellern und Händlern im letzten Jahr selbst zugelassenen Elektroautos ab und schaut auf die „echten“ Verkäufe, wurden im Jahr 2012 nur 1.605 neue Elektroautos auf Deutschlands Straßen gebracht. Geht es in diesem Tempo weiter, kommen wir in den verbleibenden sieben Jahren auf insgesamt 15.000 Elektroautos. Das Ziel der Kanzlerin wäre um 98 Prozent verfehlt. Woran liegt das? Geld allein genügt nicht, das war von Anfang an politischer Konsens. Neben Investitionen in Forschung, Modellregionen und Schaufensterprojekte wollte die Bundesregierung daher Elektroautos durch Vorteile im Straßenverkehr besser positionieren. Diskutiert wurden die Nutzung von Busspuren durch Elektroautos, Sondergenehmigungen für Innen-

städte, kostenlose Parkplätze, kostenloser Strom und vieles mehr. In der Realität angekommen sind nach vielen Verwaltungsschleifen lediglich ein paar Schilder vor einigen wenigen Ladesäulen. Dort weist das Kleingedruckte darauf hin, dass der Parkplatz an der Ladesäule für Elektroautos reserviert ist. Im besten Fall, denn meistens sind diese Zusatzschilder nicht vorhanden. Aber selbst wenn die Schilder mit dem Kleingedruckten vorhanden sind, werden Ladesäulen gnadenlos zugeparkt. Was die Kanzlerin auf höchster Ebene propagiert, kommt nur langsam oder gar nicht auf der Ebene der Kommunalverwaltungen an. Dies zeigt sich etwa im Projekt ‚RUHRAUTOe‘ in Essen. Die Idee dahinter: Menschen ohne Verpflichtung mit der Technik vertraut zu machen und für das Elektroauto zu begeistern. Nur durch überzeugte Menschen kann die Vision der Kanzlerin realisiert werden. 20 Opel Ampera sind in Essen für kleines Geld im CarsharingEinsatz. Gemeinsam mit einer großen Wohnungsbaugesellschaft, den öffentlichen Verkehrsbetrieben, einem Carsharer und der Universität Duisburg-Essen startete das Projekt im November 2012. Nahezu alle Einzelhändler und Essener Unternehmen unterstützen dieses

Illustration: Valentin Kaden

_Text FERDINAND DUDENHÖFFER


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Innovationsangebot. Das ist die schöne Seite der Medaille. Weniger schön ist der Kampf mit der Stadtverwaltung. Relativ zügig hat der Ordnungsamtsleiter seine Politessen regelrecht auf die Jagd nach Elektroaus geschickt. Vergisst der Carsharing-Kunde, das Kabel anzuschließen, gibt es ein Verwarngeld. Oft ist die Ladebox zugeparkt und das Elektroauto steht deshalb ein paar Meter weiter – daraufhin kommt der Abschleppwagen. Wir baten das Essener Ordnungsamt, die Parkplätze mit etwas Farbe auffälliger gestalten zu dürfen, um der Abschlepperei vorzubeugen. Diese Bitte wurde an das Regierungspräsidium in Düsseldorf weitergeleitet. Dort liegt „der Vorgang“, wie es im Amtsdeutsch heißt, jetzt seit geschlagenen zwei Monaten. Ob und wann eine Antwort kommt, weiß niemand. Möglicherweise braucht es eine Grundgesetzänderung. Ein weiter Tiefschlag: Anfang dieses Jahres teilte die Essener Stadtmarketing – ein Tochter-

JAUSGEW

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betrieb der Stadt – mit, dass die Ansprache der Bürger und Informationen auf Postkärtchen auf Innenstadtplätzen kostenpflichtig sei. Zwei Stunden für 251 Euro. Mit Studenten hatten wir auf öffentlichen Plätzen für das Projekt geworben. Alle Studenten und Projektpartner sind selbstredend im höchsten Maße bestrebt, mit den Elektroautos nicht gegen die öffentliche Ordnung der Großstadt mit seinen 575.000 Einwohnern zu verstoßen. Dennoch rufen offenbar die 20 Elektroautos unter den insgesamt mehr als 200.000 Autos der Essener Bürger die geballte Mannschaft der Stadtverwaltung auf den Plan. Man wäre geneigt, das Ganze als Ruhrgebiets-Posse abzutun. Aber leider ist es mehr als das. Der Fall offenbart gnadenlos, wie komplex und widersprüchlich Innovationsprozesse in Deutschland verlaufen können – wenn lokale Verwaltungen ignorieren, was die Kanzlerin ausruft.

REFERENTEN Hans-Dieter Schloemer Leiter Engineering, Site Services and Development Bayer CropScience Aktiengesellschaft

Dr. Ing. Gerhard Straßer Referent Steuerung Energiemanagement BMW AG

André Podleisek Head of Corporate Sustainability Mettler-Toledo International Inc.

Energy masters Award 2013 Auszeichnung der besten EnergieeffizienzProjekte in vier Kategorien: > > > >

Einsatz erneuerbarer Energien Einsatz innovativer Technik Umsetzung der CO2 - Neutralität Energiemanagement Gesamtkonzept

Bodo Paul Technischer Leiter Unilever Deutschland Produktions GmbH & Co. OHG

JKERNTHEMEN > > > > > > > > > > >

ist Direktor des CARCenter Automotive Research an der Universität DuisburgEssen sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.

JAWARD

Hans Kloos Head of Investment and Energy Management Freudenberg Sealing Technologies GmbH & Co. KG

Peter Bosch Leiter Optimierung, Strategie, Prozesse, Strukturen Volkswagen AG

FERDINAND DUDENHÖFFER

Flexibles Verbrauchsmanagement Flexible Energieerzeugung Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung Kostensenkung durch CO2-Reduktion Wirtschaftlichkeit und Vorteile von BHKWs Energiemanagementsysteme nach ISO 50001 Kosten der Energiewende Amortisationszeit von Investitionen Nachhaltigkeitsstrategien im Betrieb Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette Fachkräftesicherung und Mitarbeitereinbindung

6. Jahreskonferenz

2013

ENERGY MASTERS Energieeffizienz in der Produktion

18.-20. März 2013 | Radisson Blu Berlin www.energy2013.econique.com


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