INTERVIEW
PORTRÄT
KOLUMNEN
FRAGE DES MONATS
Klaus Töpfer über CO2Preise, Finanzinvestoren und den kommenden Weltklimagipfel in Paris
Wie EU-Kommissar Günther Oettinger das Digitale forciert– zuweilen ganz schön hemdsärmelig
Gerard Reid über verlorene Vermögenswerte, Ferdinand Dudenhöffer über Wachstum in China
Werden Speicher bald die Energiewelt revolutionieren – oder sind die Erwartungen übertrieben?
seite 14
seite 22
seiten 20 und 62
seite 12
SOMMER
2015
4. Jahrgang
9,80 €
Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft
bizzenergytoday.com
Die Baustellen der Energiewende Unser Dossier analysiert den Stand des historischen Systemumbaus anhand der Schlüsselbegriffe – von A bis Z weiter auf seite 28
MIT
RTEIL E D N M SO VAKUU
LUFT, DRUCK IZIENZ GIEEFF & ENER
BIZZ energy FINANCE MEETING 2015 DIE NEUEN CHANCEN FÜR INVESTOREN
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27. OKTOBER 2015
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editorial. seite 3
Wirtschaft ohne Kohlenstoff Der G-7 Beschluss zur Dekarbonisierung wird die Divestment-Bewegung weiter befeuern. Ex-Umweltminister Töpfer warnt indes vor „Augenwischerei“ _von JOACHIM MÜLLER-SOARES
Foto: Roy von Elbberg
Titelillustration: Valentin Kaden
Liebe Leserinnen und Leser,
zwei Worte mit „D“ haben auf dem G7-Gipfel im oberbayerischen Elmau an Popularität gewonnen: Die „Dekarbonisierung“ und das „Divestment“. Wie reagieren die Finanzmärkte auf den Beschluss der wichtigsten Industriestaaten, ihre Treibhausgasemissionen gegen Null zu fahren? Diese Frage beantwortet ab Seite 20 unser Finanzkolumnist Gerard Reid. Er glaubt nicht an kurzfristige Kursstürze, wohl aber an weiteren Zulauf für die Divestment-Bewegung, gerade auch in Europa, wo Energiekonzerne zu den größten Börsenwerten gehören. So will etwa der norwegische Staatsfonds künftig nicht mehr in kohlenstofflastige Unternehmen investieren – ähnlich wie US-Starinvestor Warren Buffett. Die Notwendigkeit globaler CO2-Preise unterstreicht Klaus Töpfer im Interview mit BIZZ energy today ab Seite 14. Der frühere Bundesumweltminister und ranghöchste UN-Klimaschützer plädiert für ein „durchdachtes Ordnungsrecht“ zur Unterstützung von Umweltund Klimazielen. Den EU-Emissionshandel dagegen bezeichnet Töpfer als glatten Misserfolg. Er bezweifelt, dass eine Rettung überhaupt möglich ist und warnt vor „Augenwischerei“.
Für die Malaise des Emissionshandels ist der langjährige EU-Energiekommissar Günther Oettinger mitverantwortlich. Inzwischen widmet sich der schwäbische Kommissar in Brüssel lieber Digitalem und warnt vor den Gefahren durch Datenkraken wie Google. Dabei pflegte der Mann selbst einen riskanten Lebenstil, den unser Porträt „Schwätzet Se doch net“ ab Seite 22 nachzeichnet. Unser Dossier ist diesmal im Heft mit 25 Seiten doppelt so lang geworden wie gewohnt – der Größe des Themas angemessen. Wir nennen die „Baustellen der Energiewende“ und die Reparatur-Zeitpläne in alphabetischer Reihenfolge der Fachbegriffe – inklusive „Dekarbonisierung“ und „Divestment“ . Bei der Lektüre von BIZZ energy today wünsche ich Ihnen in jedem Fall neue Erkenntnisse und natürlich auch Lesespaß. Ihr
Herausgeber und Chefredakteur P.S.: Unser Heft feiert seinen dritten Geburtstag. Mehr Infos unter www.bizzenergytoday.com
„BUSINESS STATT CHARITY“ Klaus Töpfer, Grandseigneur der Umweltpolitik, über Kohlendioxid-Preise, Finanzinvestoren und den kommenden Weltklimagipfel seite 14
KOLUMNE GERARD REID Was der Beschluss der G7 für die Finanzmärkte bedeutet und wie Investoren auf die Dekarbonisierung der Wirtschaft reagieren können seite 20
DIE BAUSTELLEN DER ENERGIEWENDE
Von A wie „Anreizregulierung“ bis Z wie „Zubau Erneuerbarer“: Unser Dossier gibt einen Überblick über die wichtigsten Themen des historischen Systemumbaus. Wir nennen die anstehenden Entscheidungen und Termine – sowie Fallgruben für die Kanzlerin seite 28
„SCHWÄTZET SE DOCH NET“ Günther Oettinger, jetzt EU-Kommissar für Digitales, will Energie- und IT-Welt fusionieren und agiert dabei schon mal hemdsärmelig. Ein Porträt seite 22
KOLUMNE FERDINAND DUDENHÖFFER
AUF- UND ABSTEIGER DES MONATS António Mexia (Eurelectric) und Peter Terium (RWE)
FRAGE DES MONATS Werden Speicher die Energiewelt revolutionieren?
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NEWS Mario Mehren hat den Vorstandsvorsitz der BASF-Tochter Wintershall übernommen. An der Nordex-Spitze wird der Däne Lars Bondo Krogsgaard Nachfolger von Jürgen Zeschky seite 65
tages akt New uelle s au bizze nergy f today . com Warum China dauerhaft schneller wächst als der Rest der Welt – und was die Kanzlerin daraus seite 62 lernen kann
EDITORIAL FOTO DES MONATS ZAHL DES MONATS INNOVATION DES MONATS INSERENTENVERZEICHNIS IMPRESSUM MAL GANZ GRUNDSÄTZLICH GEFRAGT
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Foto: Europ채ische Kommission
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„Schwätzet Se doch net“ Günther Oettinger, jetzt EU-Kommissar für Digitales, will Energie- und IT-Welt fusionieren und en passant die Macht von Google brechen. Dabei wird er manchmal ganz schön hemdsärmelig. Ein Porträt _Text hans peter schütz
governance. seite 24
kurzvita günther oettinger 15.10.1953: Geb. in Stuttgart 1972: Abitur in Korntal-Münchingen, danach Studium in Tübingen 1982: Zweites juristisches Staatsexamen 1983 bis 1989: Landesvorsitzender der Jungen Union 1991 bis 2005: Chef der CDULandtagsfraktion 2005 bis 2010: Ministerpräsident von Baden-Württemberg 10.02.2010: Amtsantritt als EU-Kommissar für Energie 01.11.2014: Amtsantritt als EU-Kommissar für Digitalwirtschaft
Internet-Kommissar bei der geplanten Internetreform verhindern wolle, dass Informationen über ihn „aus Versehen“ gelöscht werden – etwa, dass er einmal seinen Führerschein wegen 1,4 Promille im Blut habe abliefern müssen. Oder dass Oettinger einmal den NS-Marinerichter Filbinger zum Nazi-Gegner stilisiert habe. Vor allem aber solle er diese Fragen auf Englisch beantworten. Oettinger verzog keine Miene und konterte: „Ich habe die Absicht, Ihre Fragen zu beantworten, aber Ihre Befehle nur eingeschränkt zu befolgen.“ Und auf Deutsch setzte er hinzu, dass er den Führerschein vor einem halben Jahrhundert verloren habe. Zum Thema Filbinger fügte er gelassen an: „Wer in der Politik ist, muss sich sein Leben lang an seinen Erfolgen und Misserfolgen messen lassen.“ Auch die ihm in der Anhörung gestellte Testfrage, wie er denn von
Der Volljurist pflegte einen einigermaßen riskanten Lebensstil, zuweilen in Schieflage Hackern in den USA verbreitete Nacktfotos von Prominenten künftig im Netz verhindern wolle, beantwortete er eindeutig : „Wenn jemand so blöd ist und als Promi ein Nacktfoto von sich selbst macht und ins Netz stellt, kann der doch nicht erwarten, dass wir ihn schützen.“ Man kann Oettinger bestimmt nicht vorwerfen, dass er sich stur an herrschende Sprachregelungen im politischen Geschäft hält, um nirgendwo anzuecken. So ließ er schon mal einen Besucher, der sich auf einer öffentlichen Veranstaltung in Stuttgart über den angeblich schon wieder zu hohen Ölpreis beklagte, mit den Worten abblitzen: „Schwätzet Se doch net so en Scheiß naus!“ Auch Regierungschefs bekommen ihr Fett weg. Über den griechischen Regierungschef Tsipras und dessen Finanzminister Varoufakis befand Oettinger: „Diese Staatsschauspieler machen jeden Fehler, der nur möglich ist.“ So hatte auch die brave, gutbürgerliche CDU-Politikerin Annette Schavan nie eine Chance, als sie Ende 2004 gegen Oettinger antrat, um den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel zu beerben. Die Rheinländerin
Foto: Europäische Kommission
G
enau 30 Minuten referiert Günther Oettinger über „Digitalisierung aus europäischer Sicht“. Dann genießt der EU-Kommissar aus dem Schwabenland lächelnd den Beifall des Publikums im Haus der MercatorStiftung am Hackeschen Markt in Berlin. Robert Busch, Geschäftsführer des gastgebenden Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft, ist beeindruckt: „Dieser Mann redet akzentuiert und amüsant und ohne jede Risikoscheu.“ Oettinger punktet mit unterhaltsamen Thesen, oft garniert mit einem Schuss Selbstironie. „Ich bin kein Digital Native“, gesteht der 61-Jährige etwa und nennt seinen 16-jährigen Sohn als wichtigsten Berater in IT-Fragen. Dann beschwört er das Zusammenwachsen der Sektoren Energie und Telekommunikation. Die digitale Revolution sei keine Gefahr, sondern eine Chance. Allerdings müsse die Wirtschaft begreifen: „Wer die Daten hat, hat die Macht.“ Gegen Google und Co. müsse Europa „mit einer Stimme sprechen“ – nur dann lasse sich in einem digitalen Binnenmarkt auch „die Energieunion als Vision realisieren.“ Wer Oettingers souveräne Auftritte in diesen Wochen verfolgt, mag kaum glauben, dass 2010 seine Ernennung zum EU-Kommissar – zunächst für Energie – höchst umstritten war. Die Kanzlerin, so das damals weitverbreitete Urteil, wolle bloß einen notorischen Quertreiber loswerden, dabei sei Oettinger allenfalls ihre „dritte Wahl“ hinter Ex-Bundesumweltminister Norbert Röttgen und dem früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Der damalige EU-Kommissar Günther Verheugen (SPD), zuständig für Unternehmen und Industrie, reagierte mit ungezügelter Polemik. Er äußerte sein „blankes Entsetzen“ über die Personalie und sprach Oettinger jegliche Fachkompetenz ab. Zudem könne der Mann kein verständliches Wort Englisch sprechen, sondern nur „Schwänglisch“. Ähnliche Empörung gab es, als der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Herbst 2014 Oettinger als künftigen EUKommissar für „Digitale Wirtschaft und Gesellschaft“ nominierte. Der Satiriker Martin Hans Sonneborn, früher Titanic-Chefredakteur und seit 2014 EU-Abgeordneter, testete Oettinger in einem Hearing mit der Frage, wie er als nächster
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Schavan musste sich vorhalten lassen, nicht einmal richtig das schwäbische Wörtchen „oagnehm“ aussprechen zu können. Die Machtstrukturen in Baden-Württemberg, die Oettinger als Regierungschef zwischen 2005 und 2010 trugen, hatte sein Vor-Vorgänger Lothar Späth gelegt. Mit dem verstand sich Oettinger blendend. Beide forderten etwa den Rücktritt von Helmut Kohl als Kanzler. In der Ära Teufel verfiel das Bundesland zwischen 1991 und 2005 in einen Dornröschenschlaf. Politisch fand es auf Bundesebene erst wieder unter Oettinger hörbar statt. Dass manche Aktion die Kanzlerin ärgerte, war ihm egal. Der Volljurist pflegte einen einigermaßen riskanten Lebensstil, der ihn zuweilen in Schieflage brachte. Rotlicht und Alkohol gehörten als Betriebsmittel dazu. Lichtgestalt wollte er eben nie sein. Auf CDU-Parteitagen überließ er anderen für diese Rolle die Bühne. Oettinger zog es vor, auf den Fluren zu intrigieren, Schultern klopfend durch die hinteren Reihen der Presse zu ziehen oder Auto-Bosse wie den damaligen PorscheLenker Wendelin Wiedeking zu einem Gläschen Trollinger einzuladen. Unvergessen bleibt jener Abend in der Brüsseler Landesvertretung von Baden-Württemberg, auf dem er sich an einem mit Weinflaschen und Biergläsern völlig überladenen Tisch fotografieren ließ, auf den Augen zwei Teesiebe als Brille und offenbar so reichlich alkoholisiert, dass er am frühen Morgen „mehr oder weniger ins Bett getragen“ werden musste. Da ihn eine Pressedelegation in die Brüsseler Landesvertretung begleitet hatte, war eine detaillierte Berichterstattung über
Kämpft um den digitalen Durchblick und gegen US-amerikanische Datenkraken : Günther Oettinger im April auf der diesjährigen Hannover-Messe
seinen Alkoholgenuss an diesem Abend garantiert. Auf einer Pressekonferenz in Stuttgart erklärte Oettinger dazu ein paar Tage später sehr cool, er habe weiterhin die Absicht, „außerhalb der Kernarbeitszeit gesellig zu bleiben, leutselig und bürgernah.“ Außerdem habe er sich auf diesem amtlichen Termin in Brüssel nicht anders verhalten als 80 andere Gäste auch. Solche Auftritte quittierten Weggefährten mit Kopfschütteln: „So isch halt onser Günther. Er macht aus seinen Chancen einfach z‘wenig.“ Aber die CDU-Familie im Ländle schätzte ihn dennoch ob seiner unbestreitbaren politi-
Ganz er A aktue rtikel im von B llen Heft IZZ e n today ergy
_Text JANA KUGOTH, JOACHIM MÜLLER-SOARES und JAKOB SCHLANDT
Illustration: Valentin Kaden
Von A wie „Anreizregulierung“ bis Z wie „Zubau Erneuerbarer“. Unser Dossier analysiert Fallgruben und Reparatur-Zeitpläne beim historischen Systemumbau
Foto: depositphotos.com
Die Baustellen der Energiewende
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In den zwölf Jahren als Präsident der Bonner Bundesnetzagentur trimmte Matthias Kurth die Anreizregulierung ganz auf Kostensenkung. An diesem Ansatz zur Festlegung der Netznutzungsentgelte hat sein Nachfolger Jochen Homann nicht gerüttelt – zum Ärger vieler Verteilnetzbetreiber, vorwiegend Stadtwerke. Die Eigenkapitalverzinsung vor Steuern liegt für Netzinvestitionen zwar offiziell bei 9,05 Prozent, was üppig klingt, gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld. Aber Stadtwerke klagen, dass ihr Eigenkapital de facto weniger als vier Prozent Verzinsung bringt. Woran liegt das? „In der Praxis dürfen wir teilweise sechs Jahre keine Abschreibungen vornehmen und müssen die Investitionen vorfinanzieren, bis wir die Kosten in der folgenden Anreizregulierungsperiode anerkannt bekommen“, antwortet Thüga-Vorstandssprecher Michael Riechel. Zudem klagen Betreiber über den „Produktivitätsfaktor“, mit dem Homann ihre Erlösobergrenze jedes Jahr um 1,5 Prozent reduziert, um Wettbewerb zu simulieren. Wohlgemerkt: Für Übertragungsnetzbetreiber wie Tennet gelten diese beiden Renditekiller nicht. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) fordert daher Gleichbehandlung. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats präsentierte bereits Mitte 2013 das vom VKU unterstützte Instrument der Investitionskostendifferenz (IKD), in dem es keinen Zeitverzug gibt. Chefregulierer Homann lehnt das IKD-Modell ab, er fürchtet stark steigende Netzentgelte. Mehr noch: Homann will wegen des historischen Zinstiefs auch die offizielle Eigenkapital-Rendite drücken – von neun auf vier Prozent.
Zeitplan Im zweiten halbjahr 2015 soll die „anreizregulierungsverordnung“ novelliert werden
Atomausstieg Ein wichtiger Termin steht fest: Eon will am 27. Juni sein Kernkraftwerk im unterfränkischen Grafenrheinfeld außer Betrieb nehmen, das erste von neun „modernen“ Kraftwerken, die nach dem Abschalten der acht ältesten Meiler 2011 noch in Betrieb bleiben durften. 2017 folgt Gundremmingen B, 2019 Philippsburg 2, 2021/22 schließlich die verbleibenden sechs Anlagen. Dieses Jahr wird zudem das Bundesverfassungsgericht darüber urteilen, ob die 2011 eingeführte Sondersteuer auf Brennelemente verfassungsgemäß ist. Der Europäische Gerichtshof hatte kürzlich grünes Licht gegeben. Bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll sind keine Fortschritte absehbar; Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bekräftigte jüngst, dass Gorleben als Endlager ausscheide. Aber Alternativen sind rar, auch innerhalb der Endlagerkommission im Bundestag. Und wer trägt die Kosten für den Rückbau der Meiler? Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will dieses Jahr einen „Stresstest“ über die 36 Milliarden Euro Bilanz-Rückstellungen der vier Betreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall präsentieren. Die Verstaatlichung der Gelder wird weiter diskutiert – etwa nach Vorbild der RAG-Stiftung für den Steinkohle-Bergbau.
Zeitplan Am 27. Juni soll Grafenrheinfeld vom Netz. DANACH kommt regierungsstresstest für atomrückstellungen
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Anreizregulierung
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biokraftstoffe Zehn Prozent des europaweiten Kraftstoffverbrauchs sollen bis 2020 aus erneuerbaren Quellen kommen, fordert die 2009 erlassene EURichtlinie zur Förderung von Biokraftstoffen. Viele Bauern verwandelten in Folge ihre Weizenfelder in gelbe Rapslandschaften. Und es hagelt Kritik: Die Menschen in wenig entwickelten Ländern müssten hungern, weil man in der Ersten Welt ökologisch sauber Auto fahren wolle. US-Forscher warnen vor Klimaschäden. Jetzt will die EU das Tank-oder-TellerProblem lösen. Maximal 70 Prozent der alternativen Kraftstoffe dürfen demnach künftig aus Nahrungsmittelpflanzen wie Mais, Raps oder Palmöl stammen. Die Mitgliedsstaaten sind zusätzlich angehalten, den Anteil an recycelbaren Materialien wie Algen, Bakterien oder Abfall auf bis zu 0,5 Prozent am Gesamtkraftstoffverbrauch zu steigern. Der von Biokraftstoffgegnern geforderte Einbezug indirekter Emissionen – zum Beispiel durch Regenwald-Abholzung für neue Anbauflächen – wurde abgelehnt. Das freut den Industrieverband VDB, der indes auf Nachhaltigkeitskriterien für Agrarstoffe aller Industriezweige drängt.
Zeitplan mitte 2015 wird die Zustimmung ZUr EU-Richtlinie über die förderung von biokraftstoffen im EUropäischen Parlament erwartet
blockheizkraftwerk siehe KWK (Seite 40)
Ganz er A aktue rtikel im von B llen Heft IZZ e n today ergy
Biodieselabsatz in Deutschland inlandsabsatz 2010-2014 in millionen tonnen 2,5
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1,5 2,555
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Quelle: BAFA
C
*Schätzung UFOP
ccs/CCU
In Deutschland ist „Carbon Capture and Storage“ (CCS) vorläufig gescheitert. Gegen das Vorhaben, Kohlendioxid aus Kraftwerksgasen abzuscheiden und in unterirdische Lager zu pressen, regte sich früh erheblicher Widerstand. Die Politik stellte alle Lichter auf rot, vergangenes Jahr ging deshalb die Versuchsanlage von Vattenfall beim Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe außer Betrieb. Der Konzern gab sein Wissen nach Kanada weiter, wo nach wie vor Interesse an CCS besteht – genau wie in der EU. Dort werden insbesondere CCU-Projekte gefördert, bei denen das CO2 nicht unterirdisch eingelagert wird, sondern in Industrieprozessen weiterverwendet werden kann. U steht für „Usage“. Die ersten Ergebnisse über Einsatzmöglichkeiten und Wirtschaftlichkeit werden für den Sommer dieses Jahres erwartet, kündigte die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) der EU-Kommission kürzlich an. Auch der deutsche Industriekonzern Linde ist an CCU-Projekten beteiligt.
Zeitplan Noch diesen Sommer will die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission Ergebnisse über CCU-Perspektiven veröffentlichen