BIZZ energy today - September-Ausgabe

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porträt

Analyse

KolumneN

Interview

Sigmar Gabriel sitzt als Bundeswirtschafts- und Energieminister auf dem falschen Stuhl

Warum die Gefahr von Hacker-Angriffen auf Fahrzeuge steigt – besonders bei Elektroautos

Ferdinand Dudenhöffer über die Malaise der IAA, Gerard Reid über Siemens und das PV-Geschäft

Senvion-CEO Andreas Nauen über sein neues Leben mit dem US-Finanzinvestor Centerbridge

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seiten 62 und 22

seite 56

Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft

bizzenergytoday.com

Regen oder Rückenwind? Läßt die Bundesregierung kleine Windmüller im Regen stehen? Oder erzeugt sie Rückenwind für den Ökostromausbau? Unser Dossier analysiert Chancen und Risiken des neuen Strommarktdesigns weiter auf seite 30

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Juli/August 2012DOSSIER kolumne reportage Kolumne interview analySE analy SE analyse kolumne IntERvIEw interview reportage kOlumnE INTERVIEW dossier interview KOLUMNE interview INTERVIEW DOSSIER Kolumne dossier TECHNOLOGY dossier INTERVIEW ANALYSE DOSSIER

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DOSSIER MÄR APR

Warum Telekom-Boss René sich E-Bikes Thüga-Chef Matthias Kurth, Ex-Präsident Ein Blick in die Forschungslabors Warum so gut Ewald Armin NachSandhövel, der Finanzkrise: CEO Warum der Warum Biosprit Matthias anAlstom-Chef der Kurth, Börse Ex-Präsident Alf „Abenteuer Henryk mit Die vielen dritte Auto-Papst RisiEU-Energiekommissar Generation Dudenhöffer Keine derWie Energiewende über Energie ohne Autopapst aus demFerdinand Keller oder Die neue Welt des Gasmarkts: Sachsens Ministerpräsident Bilfinger-Chef Autopapst Roland Koch Ferdinand Recycling: Energie deutsche technik: Offshore-Wind: Wer in Umweltbundesamts-Präsident Autobauer mit spritGreen Finance: Welche ökoloBundesnetzagentur-Chef Auto-Papst Ferdinand Green IT undWie Smart Woste wagt den Allianz-Klimasparte, der Bundesnetzagentur, von Offshore-Wind, Daimler und Evonik zeigt Obermann für seinen Angriff und Elektroautos versiegt. über Finanzanalysten der Bundesnetzagentur, Wulf über ken“.Jochen beGE-Vorstand Photovoltaik enttäuschte Stephan Günther kommt. Oettinger Energieeffizienz. Einsparenden und über dasMotoren Doch der Wüste das Dudenhöff –über welche er über Kraftzusätzliche Quellen, Pipeverkaufen die Landesbanken jetzt den ihre Tillich über das dieWas Management Dudenhöffer überUnternehmen dieWie Pioniere Effiziente mit InnovaAnlagenEuropa und den Ausbau auf Flasbarth über Mit-Hersteller undStanislaw gischen Geldanlagen Banken, Jochen Homann Dudenhöffer über SUVsder Home: auf den Energiemarkt gut noch auf der Helikopterblick aufEinstieg warnt vor bewerten „nebulösem der Batteriebisher Strecke Chancen in erneuerbaren der Versicherungsdie Chancen schreibt Konkurrenten der denFortschritte programmierten Reimelt und bei kritisiert Dresdner drohende OffshoreAtomendlager, Start-up Ende ist Potenzial der ganz deutschen Kernfusion bleibt weitgehend werkekommunale die ZukunftWiderstände und Flüssiggas-Tanker Strompreisbremse und lines fatalen undfür eigene Folgen derihren tionen Innovationen auf dem smarte Weltmarkt Steuerunghoher für die See vorantreibt – nahmeeff ektedie beim Ökostrom Superkondensatoren ihre Fondsund undEnergiewende Finanzinvestoren Investoren, Renditen Super-Credits mit aufgestellt ist. die Energiewende. riesen entwicklung für insZweckoptimismus“. Stromnetz. KrachKapazitätsmärkte um die EEG-Umlage. Pläneund derE-Autos. Bundesregierung. vorneElektromobilitäts-Träume mit und dabei. Europas ungenutzt. Importe dominieren gegen Elektroautos werden verändern bleiben. Energien suchenHersteller skeptisch. sein Quotenmodell Zukäufe Diesel -Subventionen punkten Energiewende den Weltklimagipfel Absatzkrise meistern wollen bevorzugen 02/2012 Ausgabe 03/2012 Ausgabe 04/2012 Ausgabe 01/2013 und warum Ausgabe Ausgabe 05/2012 undAusgabe Offshore-Anschlüsse deutsche Hersteller die Branche aufmischen Ausgabe 02/2013 Jahrgang €seite seite seite 54 seite 28 seite 22 1. Jahrgang 1. 42 Jahrgang € seite 44 seite 9,80 1. 38 Jahrgang € seite seite 9,80 € 2. Jahrgang 9,80 € seite 48 2. Jahrgang seite 14 und seiteseite 52 24 seiteseite 21 24 seite seite 32 32seite 36seite 54 36 seite 60 321. seite 46 44 seite 569,80 42 62 1. Jahrgang 9,80 € seite 48 seite 34 seite seite seite 409,80 seite 44

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editorial. seite 3

Amerikas Ambitionen Obamas Klimaschutzpläne stiften neue Hoffnung. Auch in Berlin, wo die Regierung den Ökostromausbau künftig über Auktionen steuern möchte _von JOACHIM MÜLLER-SOARES

Foto: Roy von Elbberg

Titelbild: RWE

Liebe Leserinnen und Leser,

Barack Obama geht jetzt in die Offensive. Auf seinem dreitägigen Trip Anfang September nach Alaska warb der US-Präsident vor schmelzenden Gletschern für seine Klimaschutzpläne. Die sind ambitioniert, zumindest im Vergleich zu den Plänen früherer US-Präsidenten und auch denen des republikanischen Kandidaten Donald Trump, der nicht an den Klimawandel glaubt und ihn gar für eine Erfindung Chinas hält. „Die Pläne Obamas liegen auch im deutschen Interesse, weil sie die Chancen für ein ambitioniertes Klima-Abkommen in Paris verbessern“, antwortet Bundesumweltministerin Barbara Hendricks auf unsere Frage des Monats ab Seite 12. Und Solarworld-CEO Frank Asbeck betont, dass „Deutschland und die EU noch etwas von den USA lernen“ können. Zumindest sind Amerikaner keine Fans der Braunkohle. An deren Lobby hierzulande biss sich Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel die Zähne aus. So musste der SPD-Chef und Vizekanzler seinen Plan, alten Kohlemeilern durch eine Klimaabgabe den Garaus zu machen, inzwischen begraben. Zur Profilierung gegen (Klima-) Kanzlerin Angela

Merkel taugt das Thema ohnehin nicht. Unser Gabriel-Porträt „Auf dem falschen Stuhl“ beginnt auf Seite 24. Immerhin bekommt Gabriel von Fachleuten Anerkennung für sein Weißbuch zum künftigen Strommarktdesign. Den Weg dorthin gestalte Gabriel „mit viel Augenmaß“, lobt Senvion-Chef Andreas Nauen in Interview ab Seite 56, in dem er auch über sein neues Leben mit dem US-Finanzinvestor Centerbridge berichtet. Künftig sollen Auktionen den Wettbewerb beim Ökostrom anheizen. Ob und wie das etwa im Wind- und Solarbereich funktionieren kann, beschreibt unser Dossier ab Seite 30. Bei der Lektüre von BIZZ energy today wünsche ich Ihnen in jedem Fall neue Erkenntnisse und natürlich auch Lesespaß. Ihr

Herausgeber und Chefredakteur P.S.: Anregungen sind willkommen, unter muellersoares@ringvier.com


Genosse Strom Im Bereich der Erneuerbaren spielen Energiegenossenschaften eine wichtige Rolle, nicht nur als Investoren. Sie sorgen für Akzeptanz in der Bevölkerung seite 14

Kolumne Gerard Reid Warum der gebeutelte WechselrichterHersteller SMA wieder interessant ist – auch für den Siemens-Konzern seite 22

Auf dem falschen Stuhl

Im verminten Terrain der Energiepolitik kann sich SPD-Chef Sigmar Gabriel kaum gegen die Kanzlerin profilieren. An seinem Ruf als Merkel-Herausforderer kratzen auch Genossen aus den seite 24 eigenen Reihen

feind fährt mit Immer öfter gelingt es Hackern, aus der Ferne in die IT von Autos einzudringen. Dort greifen sie in die Steuerung der Fahrzeuge ein seite 48 Mit Power ins büro Comeback des Trendsportgeräts: Tretroller mit Elektromotoren ebnen Wege durch die Großstadt seite 54


der neue strommarkt Eine Glaubensfrage Die Bundesregierung hat entschieden: kein Kapazitätsmarkt für fossile Kraftwerke. Geht das gut? Schon bahnt sich Streit um die Details des neuen Strommarktgesetzes an seite 30

„Portfolio diversifizieren“

Senvion-Vorstandschef Andreas Nauen über künftige Strategien, geplante Ausschreibungen und sein neues Leben mit dem US-Investor Centerbridge seite 56

Auf- und Absteiger des Monats Klaus Schäfer (Eon) und Ryan S. seite 64 Lance (ConocoPhillips)

tages news akt New uelle Paul Coffey übers au bizze nergy f nimmt die Führung today bei der britischen . com RWE-Tochter Npower. Klaus-Dieter Maubach leitet ab November Capital Stage seite 65

Kolumne ferdinand Dudenhöffer SUV stehen auf der IAA im Fokus, Elektroautos leider im Abseits. Das kann sich ändern – wenn wir nur wollen seite 62 Sonnenflächen unterm Hammer Per Auktion will das Bundeswirtschaftsministerium den Marktpreis für Grünstrom ermitteln. Die Branche sieht Nachbesserungsbedarf seite 44 Sorgen der Windmüller Ausgerechnet die boomende Windbranche sorgt sich ums Geschäft. Zu Recht ? seite

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frage des Monats Was bedeuten Obamas Klimaschutzpläne für Deutschland? seite 12 editorial foto des monats zahl des monats innovation des monats inserentenverzeichnis impressum mal ganz grundsätzlich gefragt

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Foto: Sabine Vielmo / Greenpeace Energy


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Genosse Strom Im Bereich der Erneuerbaren spielen Energiegenossenschaften eine wichtige Rolle, nicht nur als Investoren. Sie sorgen fĂźr Akzeptanz in der BevĂślkerung _Text jochen bettzieche


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gründeten Energiegenossenschaften. Einige davon haben bis heute überlebt und sich zu etablierten Versorgern entwickelt. So startete das Alb-Elektrizitätswerk Geislingen-Steige 1910 mit zwei Getreidemühlen, die aus nicht benötigten Kapazitäten Strom für die Region lieferten. Nach wie vor gehören die Werke in erster Linie Familien aus der Region. „Unsere Anteile werden nicht verkauft, sondern vererbt“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Hubert Rinklin. Noch sorgen Kernenergie und fossile Quellen für mehr als 40 Prozent am Strommix, aber das Unternehmen baut seine RenewablesKapazitäten aus. So beteiligt es sich unter

Foto: Dirk Wilhelmy / Greenpeace Energy

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berhalb von Seeheim-Jugenheim, keine 20 Kilometer südlich von Darmstadt auf der Neutscher Höhe, dreht sich eine Repower MM 92 mit einer installierten Leistung von zwei Megawatt. 100 Meter Nabenhöhe, 92 Meter Rotordurchmesser: ein Gigant im nördlichen Odenwald. Als die Pläne bekannt wurden, kam es zum üblichen Widerstand der Anwohner, der durch die Berichterstattung in der Lokalpresse noch angeheizt wurde. Doch plötzlich drehte sich die Stimmung ins Positive – weil die Bürger der angrenzenden Gemeinden die Gelegenheit erhielten, sich an dem Projekt zu beteiligen. Die Energiegenossenschaft Starkenburg machte es möglich. Vorstand Micha Jost formuliert das Motto so: „Wer draufschaut, soll auch den Nutzen haben.“ Bürgerwindparks, Bürgersolarparks, Bioenergiedörfer. Solche Projekte wählen oft die Gesellschaftsform einer Genossenschaft. Meist werben sie in erster Linie um Beteiligungen aus der Region. Großinvestoren wie Banken und Versicherungen kommen kaum zum Zug. Einzeln betrachtet, handelt es sich zudem oft um vergleichsweise geringe Anlagesummen. Aber in der Summe spielen sie durchaus eine wichtige Rolle im Markt für erneuerbare Energien. Zumal sie oft dort weiterkommen, wo Ortsfremde an Widerständen aus der Bevölkerung scheitern. Mittlerweile spielen Genossenschaften außerdem in der professionellen Beratung von Kommunen und Landkreisen eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Gretchenfrage nach Akzeptanz. Genossenschaften sind eine Idee aus dem 19. Jahrhundert. Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen gelten als die Väter dieser Idee. Ihr Motto lautete: Durch Zusammenschluss gewinnen Einzelpersonen mit vergleichbaren wirtschaftlichen Interessen größere Marktmacht, beispielsweise beim Einkauf. Migros und Coop in der Schweiz basieren auf diesem Modell, die Volks- und Raiffeisenbanken sind daraus hervorgegangen. Zu Beginn der Elektrifizierung waren zum Beispiel ländliche Regionen zu zersplittert, als dass sie als Kunden für größere Elektrizitätswerke interessant gewesen wären. Also griffen Bürger dieser Regionen zur Selbsthilfe und


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anderem am Windpark Lauterstein, dem größten zusammenhängenden Windpark Süddeutschlands. Viele Energiegenossenschaften nutzen schon heute weder fossile Quellen noch die Kernkraft. Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) verzeichnet seit 2006 einen solchen Schub im Bereich Energiegenossenschaften, dass er Neugründungen seitdem mit einer eigenen Kategorie statistisch erfasst und Ende 2014 immerhin 772 Energiegenossenschaften zählte. Die haben insgesamt 1,67 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investriert und eine installierte Leistung von 933 Megawatt erreicht. Diese Zahlen wären sicher noch höher, würden

nicht unklare rechtliche Rahmenbedingungen für Genossenschaften, dazu hitzige Diskussionen um Kleinanlegerschutz und geplante neue Kapitalmarktregeln abschreckend wirken. So wurden allein 2013 nach DGRV-Schätzung Investitionen in Höhe von 300 Millionen Euro zurückgestellt. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) beteuert zwar, dass Deutschland die Energiegenossenschaften brauche. Als er aber im vergangenen Jahr die Novelle des ErneuerbarenEnergien-Gesetzes (EEG) auf den Weg brachte, schlug ihm harsche Kritik entgegen. Der Vorwurf lautete: Gabriel würge gerade die bürgerbewegten Projekte ab. Weil die im EEG festgeschriebenen Einspeisevergütungen für Wind- und Solarparks

Ganz er A aktue rtikel im von B llen Heft IZZ e n today ergy

Mit der Rechtsform der Genossenschaft wird die Energieversorgung zum Gemeinschaftsprojekt


Foto: RWE


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Eine Glaubensfrage Wirtschaftsminister Gabriel hat entschieden: kein Kapazitätsmarkt für fossile Kraftwerke, aber Privilegien für die Braunkohle. Geht das gut? Die Meinungen gehen weit auseinander. Der Streit um Gesetzes-Details mit vermeintlich großer Wirkung hat bereits begonnen _Text jakob schlandt


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eht es auch eine Nummer kleiner? Als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Anfang Juli vor die Presse tritt, um die Einigung auf ein neues Design für den deutschen Strommarkt zu verkünden, ist kein rhetorisches Bild zu groß. Die im Weißbuch des Ministeriums formulierten Umbauten am regulatorischen Rahmen der deutschen Energiewirtschaft sind für ihn nicht weniger als die „Blaupause für die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie in einer modernen Industriegesellschaft“, ja ein „historisches Paket für neuen Wohlstand“. Weit sachlicher präsentierte sein nüchterner Staatssekretär das Weißbuch zu den Reformvorhaben der Bundesregierung. Rainer Baake (Grüne) formuliert die beiden entscheidenden Ausgangsfragen für das Weißbuch so: „Wie schaffen wir genügend Flexibilität, die wir brauchen, weil die Energiewende in Deutschland mit wachsender Produktion von Windund Solaranlagen funktionieren muss?“ Und: „Wie stellen wir sicher, dass wir zu allen Zeiten genügend steuerbare Kapazitäten haben, damit die Stromversorgung gesichert bleibt?“ Antwort: Die Bundesregierung lehnt Prämien-Zahlungen an fossile Kraftwerke ab. Stattdessen plant sie einen Strauß an Reformen und Reförmchen. Im sogenannten Energy-Only-Markt (EOM) 2.0 sollen die Kräfte des Wettbewerbs dort entfesselt werden, wo sie dem großen Ganzen nützen – und hart kontrolliert und eingeschränkt werden, wo es nötig scheint. Die meisten fossilen Kraftwerke werden weiterhin nur über den Verkauf ihrer Megawattstunden auf dem Markt Geld verdienen. Der große Kraftakt, die Einführung eines Kapazitätsmarkts, auf dem es allein für das Vorhalten von Leistung etwas zu verdienen gibt, bleibt aus. Die Folge ist ein neuer Glaubenskrieg in der Energiewirtschaft. Während Ökostrom-Händler und Entwickler von neuen, meist digitalen Geschäftsmodellen an

die Innovationskraft des neuen Marktes glauben, sind Manager der alten Energiewirtschaft skeptisch: Sie befürchten Investitions- und schließlich Versorgungskrisen. Staatssekretär Baake behauptet, die Entscheidung der Koalition gegen den Kapazitätsmarkt sei eine „völlig eindeutige“, das Maß an Übereinstimmung in der schwarz-roten Koalition hoch. Selbst aus der Opposition kommt bislang nur verhaltene Kritik am neuen Strommarktdesign. Oliver Krischer von den Grünen etwa drängt eher auf schnellere Umsetzung als auf inhaltliche Korrekturen. Auch das Gros der konsultierten Verbände und Unternehmen unterstützt das Vorhaben, das zeigen die seit Ende August vorliegenden Stellungnahmen zum Weißbuch. Doch es gibt eine klare Trennlinie: Wer selbst fossile Kraftwerke betreibt, ist enttäuscht, das machen etwa der Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Stadtwerke-Verband VKU deutlich. Als vernunftgetriebene Lobby-Gruppen sichern sie dennoch ihre Bereitschaft zu, am neuen Strommarkt mitzuarbeiten, ohne wirklich an ihn zu glauben. Vor allem Stadtwerke sind schwer angefressen. Der Strommarkt 2.0 habe keine Perspektive, behauptet der VKU. Ab 2020 sei sogar die Versorgungssicherheit gefährdet. Und die dem freien Strommarkt als doppelter Boden verordnete Kapazitätsreserve, die etwa vier Gigawatt Leistung umfassen soll, mache das ganze Paket sogar teurer als den sogenannten dezentralen Leistungsmarkt; so nennt sich die vom VKU favorisierte Form der Kapazitätsprämie. Auch der Dachverband BDEW rechnet im neuen Strommarktdesign nicht mit dem an sich notwendigen Bau neuer, flexibler Kraftwerke. Noch liegt die gesicherte Leistung in Deutschland in den kommenden Jahren laut den Betreibern der Übertragungsnetze bei etwa zehn Gigawatt. Laut BDEW-Schätzung geht sie in Deutschland jedoch bis zum Abschalten der letzten Atommeiler 2022 um


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So eindeutig wie die Bundesregierung die Zustimmung darstellt, ist sie nicht. Es gibt weiter Widerstand

Kann man den Märkten und ihrer Fähigkeit, zukünftige Entwicklungen vorherzusehen, vertrauen? Die Händler an der Strombörse EEX sehen jedenfalls auf viele Jahre keine Knappheit bei der deutschen Stromversorgung. Trotz der Entscheidung gegen Kapazitätsmärkte gibt es nur eine Richtung für die Preise zur Lieferung im Jahr 2020: Richtung Süden. Für 2022, wenn die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen und erste Engpässe befürchtet werden, gibt es allerdings noch keinen liquiden Markt

Strompreis im Grosshandel Deutschland/österreich (Baseload, lieferung im Jahr 2022) Angaben in euro 40

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Quelle: EEX

Stand: August 2015

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Investoren sehen keine Kalkulationsbasis mehr, um neue Kraftwerke zu finanzieren

16,7 Gigawatt zurück – auch, weil die meisten Neubauprojekte inzwischen auf der Kippe stehen. Eng wird es auch bei konservativer Kalkulation, mit Höchstlast von gut 80 Gigawatt und praktisch keinem Beitrag der wichtigsten erneuerbaren Energien Wind- und Solarkraft. Glaubt man allerdings an die aggregierte Intelligenz der Marktteilnehmer, wird sich an den Strompreisen auch Anfang der 2020er-Jahre kaum etwas geändert haben. Elektrizität zur Lieferung im Jahr 2021 kostet derzeit rund 32 Euro pro Megawattstunde, kaum mehr als für die Jahre davor. Der Preis ist zuletzt sogar noch heftig gefallen. Gabriels Entscheidung gegen Kapazitätsmärkte hat keine nennenswerten Spuren hinterlassen. Zurück zu den Investoren: Beim Großkraftwerk Mannheim (GKM), das mit rund zwei Gigawatt Leistung zu den süddeutschen Großversorgern zählt, schlägt dem Regierungsansatz offene Ablehnung entgegen. Es sei nicht einmal ansatzweise zu erkennen, dass der Strommarkt 2.0 gelingen werde, bestehende Kraftwerke im Markt zu halten oder gar den Bau neuer Anlagen auszulösen, warnt die Betreibergesellschaft, die dem Regionalversorger MVV und den Energieriesen RWE und EnBW gehört. Es fehle schlicht die „Kalkulationsbasis“, um Investitionen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro auszulösen. Das Weißbuch stelle die Lage „falsch bzw. stark beschönigend“ dar. Diese Einschätzungen basiert auf der Überzeugung, dass es eben in Zukunft doch noch viele fossile Kraftwerke braucht – die aber ohne Kapazitätsmarkt nicht gebaut werden. Zwar dreht der EOM 2.0 an vielen kleinen Stellschrauben. So sollen die Bilanzkreisverantwortlichen, die bei den Stromvertrieben dafür sorgen, dass der Verbrauch der Kunden und die eingekaufte Strommenge nicht voneinander abweichen, noch stärker in die Pflicht genommen werden. Wer nicht ausreichend Elektrizität beschafft und Reservekapazitäten braucht, muss mit ruinösen Kosten von 20.000 Euro pro Megawattstunde rechnen.

Foto: RWE

Die größte Power-to-Gas-Anlage der Welt im Energiepark Mainz läuft seit Juli. Die Nutzung von Strom zur Gaserzeugung ist eine von vielen Flexibilitätsoptionen


PARK RIFFGAT D IN -W E R O H O F FS S JAHRES“ E D T K JE O R P R„ PREISTRÄGE WARD 2014 A S E L B A W E N GERMAN RE

Frischer Wind für erneuerbare Energien Innovative Windenergie-Projekte von EWE

Als eines der fortschrittlichsten Energieunternehmen Deutschlands machen wir uns auch für die erneuerbaren Energien stark. So bieten wir z. B. ein großes Leistungsspektrum für die Umsetzung erfolgreicher Windkraftprojekte sowohl im Offshore- als auch im Onshore-Bereich. Als Windkraftpionier sind wir am ersten deutschen Offshore-Windpark alpha ventus beteiligt und haben mit RIFFGAT bereits den ersten kommerziellen Windpark in der Nordsee realisiert. Und das sind nur zwei unserer Projekte für eine Zukunft mit der richtigen Energie.

Energie. Kommunikation. Mensch. | www.ewe.de


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Mancher Investor bezweifelt, dass der Strommarkt so frei bleibt, obwohl Baake verspricht, ihnen keine Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Ines Zenke, Juristin der Kanzlei Becker Büttner Held, stellt fest, dass ein sicheres Versprechen gar nicht in der Macht der Regierung steht. „Aus juristischer Sicht ist es schlicht nicht möglich, zu garantieren, dass Änderungen der Spielregeln am Strommarkt für alle Zukunft ausgeschlossen sind“, sagt sie. Das dritte „Paket“ des neuen Strommarkts betrifft vor allem die Flexibilisierung. So soll die Teilnahme neuer Anbieter wie zum Beispiel erneuerbare Energien, flexible Verbraucher („Lastmanagement“) und Speicher an den Märkten für Regelleistung vereinfacht werden. Kurz: Auch Windräder und Elektroautos sollen in den neuen Strommarkt hinein und damit den Bedarf an fossilen Kraftwerken, die für den Notfall bereitstehen müssen, reduzieren. Hier provoziert das Strommarktmodell eine Grundsatzfrage. Während die Versorger nicht daran glauben, dass stets bereitstehende fossile Kraftwerke in Zukunft deutlich weniger gefragt sein könnten, ist Carsten Pfeiffer, Chefstratege des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE), davon überzeugt, „dass es keine Kapazitätsprobleme geben wird, weder kurz- noch langfristig“. Sobald die Preise an den Strombörsen anzögen, würden neue, auf der Digitalisierung der Energiewelt basierende Geschäftsmodelle höchst attraktiv. Pfeiffer sagt: „Schon jetzt ist erkennbar, dass es gewaltige Potenziale gibt, um sich bei Erzeugung und Verbrauch den Schwankungen der Grünstromerzeugung anzupassen. In den kommenden Jahren wird der Markt von solchen Lösungen geradezu geflutet.“ Als Beispiel nennt er die Einbindung von Notstromaggregaten in die Stromerzeugung und Lastmanagement bei großen gewerblichen Verbrauchern, etwa Kühlhäusern.

Foto: GKM

Noch gehen neue Großkraftwerke in Betrieb – aber meist nur, weil viele Investitionen bereits vor dem drastischen Strompreisverfall beschlossen wurden und der „point of no return“ längst überschritten ist


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Holger Krawinkel, Stabsabteilungsleiter bei MVV Energie aus Mannheim, einem aus einem der großen Stadtwerke entstandenen Konzern, ist ebenfalls davon überzeugt, dass ein wettbewerblich ausgestalteter EOM 2.0 ausreichen kann. „Die Preise für flexible Optionen werden, wenn die Idee des neuen Strommarktdesigns konsequent umgesetzt wird, auf keinen Fall steigen, sondern eher fallen.“ Das könne zwar Probleme für die Betreiber fossiler Kraftwerke mit sich bringen, nicht aber für die deutsche Stromversorgung. Vor allem von der immer attraktiver werdenden Eigenerzeugung erwartet Krawinkel einen Schub hin zu mehr Flexibilität, ergänzt durch die Installation dezentraler

Die Grünstromer glauben nicht an Engpässe: „Weder kurznoch langfristig“ werde es die geben Ganz er A aktue rtikel im von B llen Heft IZZ e n today ergy

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