ANALYSE
KOLUMNEN
INTERVIEW
DOSSIER
Genuss und Risiko: Was die Prokon-Pleite für die Finanzierung grüner Kraftwerke bedeutet
Gerard Reid über Stromriesen im Stress, Friedbert Pflüger über falsche Prioritäten
Wie Topmanager Henning Kagermann den Markt für Elektroautos und die neue Regierung bewertet
Grüne Mobilität: Endlich greifen die deutschen Autobauer mit frischen Modellen an
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FEB
3. Jahrgang
9,80 ¤
Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft
bizzenergytoday.com
Wie Google den Wärmemarkt kapert Frustrierte Unternehmer, zaudernde Politiker: Der Wärmemarkt in Deutschland wird viel zu wenig befeuert. Innovative Impulse kommen jetzt ausgerechnet aus den USA weiter auf seite 30
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FINANCE MEETING von BIZZ energy today
Top-Referenten. Klare Standpunkte. 16. und 17. Juni 2014 im Hotel Adlon, Berlin Innovative Finanzierungsformen und neue Rahmenbedingungen für Energieprojekte stehen im Fokus des FINANCE MEETING von BIZZ energy today. Die Konferenz bringt Topmanager der deutschen Kernbranchen mit potenziellen Investoren und politischen Entscheidungsträgern zusammen.
ENERGIEWENDE – DIE NEUEN RAHMENBEDINGUNGEN FÜR INVESTOREN Anmeldung und Vorabinformationen: Ronney Menze +49 (0) 30 762 392 245 menze@ringvier.com
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Folgende Referenten (neben anderen) haben ihr Kommen bereits zugesagt: Dr. Armin Sandhövel CEO, Allianz Climate Solutions
Alf Henryk Wulf Vorstandschef, Alstom Deutschland
Prof. Dr. Claudia Kemfert DIW Berlin und Hertie School of Governance
Stephan Reimelt CEO, GE Energy Germany
Thomas Krupke CEO, ALEA Energy Solutions
Ivo Gönner VKU-Präsident und Oberbürgermeister der Stadt Ulm
Jutta Kleinschmidt Energie-Unternehmerin, Rallyestar und Sportlerin des Jahres
Gerard Reid Partner, Alexa Capital und Imperial College London
Martin Heimes Geschäftsführer, Ventus Ventures
Kathrin Werner Wall StreetKorrespondentin, BIZZ energy today
Fotos: Allianz, Fotodesign Schilling, Paul Ripke, Stadt Ulm, jutta-kleinschmidt.de
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Euphorie und Tristesse Solarfirmen sind sehr beliebt – an der Wall Street. In Deutschland hingegen sind Ökostrom-Investoren verunsichert; dazu trägt auch die Prokon-Pleite bei _von JOACHIM MÜLLER-SOARES
Titelbild: Illustration: Inga Sineux; Foto: depositphotos.com
Foto: Roy von Elbberg
Liebe Leserinnen und Leser,
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Sigmar Gabriel drückt aufs Tempo. Der neue Wirtschafts- und Energieminister reformiert die Ökostromförderung und nutzt dabei die Steilvorlage von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia aus Brüssel. Widerstand ist so gut wie aussichtslos, schreibt unser Reporter Jakob Schlandt ab Seite 58. So forsch Gabriel in seinen ersten Wochen im neuen Amt beim Strom agiert, so zögerlich wirkt er im Wärmemarkt, obwohl der doch nach seinen eigenen Worten ein „schlafender Riese“ ist. Bekanntlich stammt ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen aus Gebäuden, in denen zudem 40 Prozent der Primärenergie verbraucht wird. Dieses große – ökologische und ökonomische – Potenzial hat der US-Gigant Google erkannt. Mit der Übernahme des Thermostat-Herstellers Nest in Silicon Valley will Google jetzt den Wärmemarkt erobern – auch in Deutschland. Unsere Titel-geschichte dazu beginnt auf Seite 30. Auch die Solarbranche tickt in den USA ganz anders. Während in Europa bei den verbliebenen Modulherstellern Tristesse herrscht, entfachen Photovoltaikfirmen wie Solarcity an der Wall Street eine regelrechte Euphorie, die
unsere New Yorker Korrespondentin Kathrin Werner auf Seite 24 schildert. In Deutschland herrscht in Bezug auf die Energiewende viel Verunsicherung. Die spektakuläre Insolvenz des Windparkbauers Prokon trug dazu ihren Teil bei. Doch diese Pleite birgt auch Chancen: „Ein reinigendes Gewitter“ erwartet der Berliner Venture-Capital-Investor Volker Weber vom Forum Nachhaltige Geldanlagen. Die Folgen des Falls für Investoren und Finanzierungsmodelle von Ökostromanlagen analysieren wir ab Seite 18. Wer ganz tief einsteigen will, scannt das Layar-Symbol auf Seite 20 und gelangt so zu der denkwürdigen, 35-minütigen Pressekonferenz des Prokon-Insolvenzverwalters. Mehr zu Layar-Anwendungen steht auf Seite 9. Bei der Lektüre dieser Ausgabe wünsche ich Ihnen in jedem Fall neue Erkenntnisse und natürlich auch Lesespaß. Ihr Herausgeber und Chefredakteur P.S.: Ihre Anregungen sind willkommen, unter muellersoares@ringvier.com
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MIT GENUSS INS RISIKO
COVER EINGENISTET Der deutschen Wärmewende fehlt die Energie. Jetzt bringt sich Google mit Lifestyle-Produkten in Stellung seite 30
STROM AUS DEM DRUCKER In einem Potsdamer Forschungsinstitut spuckt ein Hightech-Drucker kein Papier aus, sondern organische LEDs und Solarzellen seite 40
Was die Insolvenz des Windparkbauers Prokon für Finanzwirtschaft und erneuerbare Energien bedeutet seite 18 WALL STREET INSIDE Die Macht der Sonne: PhotovoltaikUnternehmen wie Solarcity stehen bei US-Anlegern hoch im Kurs seite 24 KOLUMNE GERARD REID Warum die Geschäftsmodelle der europäischen Energiekonzerne auch 2014 unter Druck bleiben seite 26
KOLUMNE FRIEDBERT PFLÜGER Keine Energiewende ohne Wärmewende seite 38
GAS & WÄRME GAS- UND WÄRMEMARKT: 100 TOP-ADRESSEN Die wichtigsten Gasversorger, Heizungsanlagenbauer und Contracting-Firmen seite 63
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GRÜNE MOBILITÄT Deutsche Autobauer entdecken den Markt für umweltfreundliche Antriebe und führen neue Modelle ein seite 44
NUR NICHTS ÜBERSTÜRZEN Versorger kommen auch ohne Kapazitätsmärkte aus. Ein Gastbeitrag von EWI-Chef Marc Oliver Bettzüge seite 54 ABRASIERT
„CHINA INVESTIERT MÄCHTIG“ Interview mit Topmanager Henning Kagermann über das Potenzial der Elektromobilität seite 50
Die Reform der Ökostromförderung wirbelt ganze Märkte durcheinander – mit heftigen Folgen für Anlagenhersteller seite 58 und stromintensive Betriebe
AUF- UND ABSTEIGER DES MONATS Matthias Zachert (Lanxess) und Johannes Teyssen (Eon)
tages NEWS akt New uelle Neue Chefs bei Shell s au bizze nergy f und VNG und ein today . prominenter Abgang com bei Suntech seite 80
IM FOKUS: NETZSICHERHEIT Wolfram Geier, oberster Wächter über die Sicherheit der Infrastruktur, warnt vor Blackouts seite 14 FRAGE DES MONATS Kommt 2014 die Wärmewende? EDITORIAL FOTO DES MONATS ZAHL DES MONATS INNOVATION DES MONATS IMPRESSUM MAL GANZ GRUNDSÄTZLICH GEFRAGT
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Strom aus dem Drucker In einem Potsdamer Forschungsinstitut steht ein Drucker, der statt Dokumenten OLEDs und organische Solarzellen ausspuckt. Damit lassen sich Musterserien herstellen – der letzte Schritt vor einer Massenproduktion
MIT LAYAR SCANNEN
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„Unsere Drucker sind nicht viel komplizierter als der Drucker in Ihrem Büro“, erklärt Boeffel Besuchern. Sie ist gerade auf dem Weg zu jenem Raum, in dem sich die Geräte befinden. In großen Glasboxen stecken Boeffels Maschinen. Aus den Fensterscheiben der Kästen ragen luftdicht abgeschlossene Handschuharme in die Boxen rein. Die Glaskästen sind mit Stickstoff gefüllt. So können die Wissenschaftler ausschließen, dass Wasser und Luft die Druckergebnisse unbrauchbar machen. Trotz dieses Aufwands ist das Verfahren, das die Wissenschaftler in Kooperation mit dem Garchinger Maschinenbauunternehmen M-Braun entwickelt haben, vergleichsweise kostengünstig: Boeffel und ihre Mitarbeiter dampfen nämlich nicht – wie sonst bei der Herstellung von OLEDs und organischen Solar-
Foto: depositphotos.com
C
hristine Boeffel hat einen schönen Arbeitsweg. Die Forscherin fährt jeden Morgen an den idyllischen Stadtrand der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam – in den Stadtteil Golm, hinein in eine Landschaft aus Wäldern, Flüssen und Seen, die gerade oft im gleißenden Wintersonnenlicht glitzern. Doch Boeffels Interesse gilt ganz anderen Lichtquellen. Und die kommen aus dem Inneren eines Druckers. Die Wissenschaftlerin ist Chefin der Abteilung für Funktionsmaterialien und Bauelemente am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP). Dort werden organische Leuchtdioden (OLED) einfach ausgedruckt. Und nicht nur das: Auch organische Solarzellen lassen sich mittels des neuen Verfahrens herstellen.
Illustration: Benyamin Rahmani
_Text DÖRTE THYES
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zellen üblich – die Schichten auf eine Folie. Das funktioniert nur in einer Vakuumumgebung und kostet entsprechend viel Geld. Zudem ist der Materialverlust bei der Aufdampftechnologie sehr hoch – mehr als 50 Prozent der eingesetzten Rohstoffe gehen verloren. Beim Drucken hingegen sind es gerade mal zehn Prozent. Verschiedenste Druckverfahren werden am IAP auf ihre Tauglichkeit getestet – von der Rotationsbeschichtung bis zu klassischen Techniken wie Sieb- und Tintenstrahldruck. Welche davon benutzt wird, hängt auch vom Anwendungsbereich ab. „Tintenstrahldruck kommt beispielsweise dann zum Einsatz, wenn ich etwas individuell strukturieren will – egal, ob in der Dicke oder in der Fläche“, erklärt Boeffel. So können zum Beispiel beschriftete, leuchtende Schilder hergestellt werden. Oder auch organi-
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sche Solarzellen, die wie Blätter aussehen und auf Fensterglas aufgebracht werden. Christine Boeffel läuft weiter ins nächste Labor. Dort steht eine Vitrine, die voll ist mit schwarzen Platten in vielen verschiedenen Größen. Es handelt sich um Prototypen der ganz besonderen Art: Gedruckte leuchtende Flächen aus OLEDs, deren Informationen sichtbar sind, wenn der Strom angeknipst wird. Boeffel nimmt eine der Platten heraus und schließt sie mit zwei Klemmen an eine Stromquelle an. Sofort leuchtet ein Bild auf – mal ein einzelner Buchstabe, mal das Portrait eines Mitarbeiters mit Schattierungen. Diese Schattierungen ließen sich erzeugen, indem „das aktive Material in der Dicke
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technology.
variiert“ werde, erklärt die Wissenschaftlerin und lächelt stolz. Sie sind im abgeschalteten Zustand nicht sichtbar. Damit eigne sich die Technik dafür, erklärt Boeffel, elektronische Wasserzeichen zu erzeugen, die nur sichtbar werden, sobald Strom fließt. Es lassen sich allerdings auch Leuchtdioden herstellen, die Bilder ohne dauerhafte Stromzufuhr erzeugen. Dazu wird die inaktive Elektrodenschicht in unterschiedlicher Materialstärke gedruckt. So bleiben Schatten der Bilder selbst dann noch sichtbar, wenn längst der Saft abgedreht worden ist. Ein wenig anders als Bürodrucker sind sie dann doch, Christine Boeffels Maschinen. „Der kleinste Drucker, den wir verwenden, druckt nur mit einer Düse, der größte gar mit 256 Düsen“, erläutert die Forscherin. Ein herkömmlicher Tintenstrahler bringt es dagegen gerade mal auf vier Farbspritzen. Die Wissenschaftler können mittlerweile Strukturen drucken, die lediglich 100 Mikrometer breit sind – das entspricht dem Durchmesser eines Haares. Doch solche haarfeinen Ergebnisse sind erst ein Zwischenziel. Boeffel will die Druckbreite auf 20 Mikrometer reduzieren: „Damit ließen sich Leiterbahnen drucken.“ Komplette elektronische Schaltkreise könnten dann im Ausgabefach eines Printers liegen. Für organische Solarzellen allerdings muss es genau
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Foto: Fraunhofer IAP / Till Budde;
Haltestelle in die Zukunft: Für gedruckte organische Leuchtdioden und Solarzellen gibt es viele Einsatzmöglichkeiten – wie das Modell eines interaktiven Bus-Wartehäuschens zeigt
in die andere Richtung gehen. Wie weit man damit bereits gekommen ist, lässt sich in den Niederlanden besichtigen. An der renommierten Technischen Universität der Stadt Eindhoven wird heute schon einiges ausgedruckt, was man mit der Drucktechnologie kaum in Zusammenhang bringen würde: künstliches Fleisch, menschliche Organe. Und jetzt auch organische Solarzellen. Je größer dabei die Druckbreite, desto besser. „Bei 1.024 Düsen pro Druckkopf schaffen wir fast sieben Zentimeter“, erklärt Ronn Andriessen von dem eigens dafür aus der Taufe gehobenen Forschungsverbund Solliance. Die Wissenschaftsallianz, zu der unter anderem der wichtigste niederländische Technologiekonzern Philips gehört, entwickelte jüngst eine Solarzelle, die vollständig per Tintenstrahldrucker hergestellt wurde. Der Demodrucker spritzt aus jeder Düse ein anderes Ausgangsmaterial, ähnlich flüssig wie Tinte, auf einen Träger. So entstehen Schicht für Schicht Solarzellen. Am Ende ist der aktive Teil zwischen zehn und 400 Nanometer groß – ein Nanometer ist ein Milliardstel eines Meters. Die „Tinten“ sind komplexe Kombinationen aus vielen Stoffen. „Alle Parameter müssen dafür gleichzeitig stimmen“, sagt Andriessen, „Stabilität, Konzentration der aktiven Substanz, Oberflächenspannung, Viskosität und so weiter“. Als Trägermaterialien dienen in der Regel Kunststoffe. Allerdings druckten bereits 2011 Wissenschaftler des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) funktionsfähige Solarzellen auf einfaches Papier. Selbst zusammengefaltete Taschentücher und Papierflugzeuge können damit Strom erzeugen. Nur der Wirkungsgrad ist fast Null: Mit ein oder zwei Prozent lag er weit unter allen anderen bekannten Solarzellen-Technologien. Die
Illustration: Benyamin Rahmani
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Amerikaner nutzten allerdings das ineffektive Aufdampfsystem und nicht flüssige Tinte wie jetzt die Niederländer oder ihre Forscherkollegen vom Potsdamer Fraunhofer-Institut. Ihren größten Vorteil haben allerdings alle Druckverfahren gemeinsam. „Kein Herstellungsverfahren ist kostengünstiger“, sagt Alexander Colsmann. Der Wissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gehört zur Kernmannschaft eines weiteren Forschungsprojekts rund um den Solarzellendruck, das einen besonders sperrigen Titel, dafür aber eine griffige Abkürzung hat: „Entwicklung neuer Materialien und Devicestrukturen für konkurrenzfähige Massenproduktion und Anwendungen der organischen Photovoltaik“, kurz: POPUP. Ende 2013 gestartet, versammelt darin das KIT große Namen der Industrie: Außer dem KIT gehören Merck, Siemens, Centrosolar Glas, PolyIC, Kurz, Belectric sowie weitere Partner zu der Arbeitsgruppe. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit acht Millionen Euro. Ziel: Entwicklung von Grundstoffen und Verarbeitungsmethoden für gedruckte „flüssigprozessierte Zellen“.
Für den Handrührer reicht die Stromausbeute noch nicht. Aber für Kleingeräte wie Sensoren könnten gedruckte organische Solarzellen bald genug Energie liefern
Diese organischen Solarzellen sind ein ausgesprochenes Nischenprodukt. Und mit einem Wirkungsgrad von zehn Prozent im Labor liegen die gedruckten Zellen auch noch weit unter den 15 bis 20 Prozent klassischer Siliziumsolarzellen. Aber im Unterschied herkömmlichen Zellen eignen sich die gedruckten für viele Einsatzgebiete, bei denen die Verwendung etablierter Technologien nicht möglich ist: Bei Smartphones, Bildschirmen, Beleuchtungsanlagen und sogar auf Kleidungsstücken wie Uniformen könnten die Folien als flexible MiniKraftwerke eingesetzt werden. Bis 2022 soll der Markt für die gesamte organische Photovoltaik immerhin auf 630 Millionen Dollar Umsatz anwachsen, schätzen die Branchenexperten des britischen Analysehauses Idtechex in einer Studie. Doch ganz weit vorne sehen die Marktforscher einen anderen Bereich, der auch durch Drucktechnologien seinen neuen Schub erhält: den der organischen Leuchtdioden. 2023, erwarten die Marktexperten von Idtechex, sollen mit den organischen Lichtspendern 1,3 Milliarden Dollar umgesetzt werden – bei einem durchschnittlichen Marktwachstum von 50 Prozent im Jahr. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Hersteller ihr „einzigartiges Verkaufsargument“ deutlich definierten und damit einen „Nischenmarkt herausarbeiten“, so die Marktforscher. Vielleicht entwickelt sich die organische Solarzellentechnologie ähnlich wie jene der 3D-Drucker: Waren sie anfangs zu teuer für den Hausgebrauch, gibt es mittlerweile erste Modelle mit moderatem Preis als Spielzeug für zu Hause auf dem Markt. Wer weiß: Eines Tages muss man womöglich nur noch die Tintenpatronen auswechseln – und schon ließe sich die eigene Solarzelle je nach individuellem Bedarf am heimischen Schreibtisch herstellen. Strom wie gedruckt. Das wäre eine ganz persönliche Energiewende.
WWW.GETEC-FREIBURG.DE
11.–13.4.2014 MESSE FREIBURG ÖKOLOGISCHE BAUKOMPONENTEN HEIZUNGS- UND ANLAGENTECHNIK REGENERATIVE ENERGIEN ENERGIEDIENSTLEISTUNGEN
©DEPI
Flexible organische Solarzellen können selbst auf Kleidungsstücken Strom erzeugen
Sonderschauen auf der GETEC 2014 „Elektromobilität und Speichertechnologien“ Neue Mobilitätskonzepte und die gesamte Bandbreite elektrisch betriebener Fahrzeuge „Barrierefrei leben, wohnen & arbeiten“ Generationenfreundlich, komfortabel, ökologisch, sozial gerecht und nachhaltig
VERANSTALTER
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MITVERANSTALTER
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KOLUMNE
Keine Energiewende ohne „Wärmewende“ Die Bundesregierung konzentriert sich zu sehr auf Strom und übersieht den Heizungssektor. Das hat paradoxe Folgen
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ie zu schnelle Energiewende in Deutschland hat eine Vielzahl nicht intendierter Konsequenzen. Dazu zählen der starke Anstieg der Energiepreise und die Schließung vieler – jetzt unrentabler – Gaskraftwerke. Am meisten überrascht wohl der Anstieg der deutschen CO2-Emissionen um zwei Prozent im Jahr 2013, obwohl im gleichen Zeitraum der Ökostrom-Anteil am deutschen Strommix deutlich gestiegen ist. Die Politik muss diesen negativen Effekten der Energiewende dringend begegnen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist mit seiner Kabinettsvorlage vom 17. Januar einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Allerdings bleibt das Potenzial des Wärmemarktes in der schwarz-roten Koalition nicht ausreichend berücksichtigt.
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Der Heizungssektor steht allein für etwa 40 Prozent des deutschen Primärenergieverbrauchs und 30 Prozent der CO2-Emissionen – und wurde dennoch im Koalitionsvertrag weitgehend übersehen. Zwar hat sich die Große Koalition darauf geeinigt, die KfW-Förderung zur Häusersanierung aufzustocken und zu vereinfachen. Doch bei der Schlüsselfrage – der steuerlichen Absetzbarkeit von Öko-Investitionen im Gebäudesektor – gab es keine Einigung. Die jährliche Gebäude-Modernisierungsrate in Deutschland stagniert seit Jahren bei etwa einem Prozent. Mindestens das Doppelte wäre nötig, um die Energie- und Klimaziele zu erreichen. Daneben gelten nur etwa 25 Prozent der 20 Millionen in Deutschland installierten Heizungssysteme als effizient. Zwei Millionen Heizungen müssten pro Jahr modernisiert werden, aber nur 650.000 wurden im Jahr 2012 erneu-
Illustration: Valentin Kaden
_Text FRIEDBERT PFLÜGER
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ert. Durch technische Neuerungen im Heizungssektor könnte Deutschland seinen Energieverbrauch um 15 Prozent reduzieren. Das staatliche Zögern bei der Gebäudesanierung muss erstaunen: Deutschland ist weltweit führend bei der Entwicklung effizienter Heizungstechnologien. So wurden einige der CO2effizientesten und innovativsten Gasheizungssysteme, die mit Biogas und Solarenergie kombiniert werden können, hierzulande entwickelt. Daneben sind ausreichend private Investitionen verfügbar, um Effizienzsteigerungen ohne staatliche Subventionen zu erreichen. Das sind eigentlich gute Nachrichten für den Steuerzahler, besonders in Anbetracht der hohen Energiepreise in Deutschland. Allerdings brauchen wir zur Förderung von Heizungsmodernisierungen ein größeres öffentliches Bewusstsein und einen offeneren gesetzli-
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chen Rahmen. Dazu zählen zum Beispiel Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen im Heizungssektor. Wir brauchen allerdings keinen staatlich verordneten „Modernisierungs-Masterplan“, sondern an der jeweiligen Wohn- und Vermögenssituation orientierte Fördermaßnahmen. Diese bergen zudem wirtschaftlichen Nutzen für deutsche Firmen sowie großes Potenzial für neue Arbeitsplätze. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass der ausschließliche Fokus auf den Stromsektor nicht ausreicht, um Deutschlands ambitionierte Energie- und Klimaziele zu erfüllen. Auf das große Potenzial des Heizungssektors, der signifikante Fortschritte ohne unverhältnismäßige Belastung öffentlicher oder privater Kassen ermöglichen würde, kann nicht verzichtet werden. Fazit: Ohne Wärmewende wird die Energiewende nicht funktionieren!
FRIEDBERT PFLÜGER ... ist Professor am King‘s College London und dort Direktor des European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS). Er ist Senior Fellow des Atlantic Council of the United States und geschäftsführender Partner zweier Unternehmensberatungen. Pflüger war CDU-Bundestagsabgeordneter (1990-2006) und Staatssekretär der ersten schwarz-roten Regierung Merkel.
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Foto: depositphotos.com; Kai Hartmann Photography/BaFin
Die Bonner Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) reguliert die Frankfurter Bankenwelt – und künftig womöglich auch viel mehr
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Mit Genuss ins Risiko Was die Insolvenz des Windparkbauers Prokon für die Finanzwirtschaft und die erneuerbaren Energien bringen könnte _Text
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THOMAS BAUER
und JOACHIM MÜLLER-SOARES
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MIT LAYAR SCANNEN
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on der spektakulären Insolvenz des Windparkbauers Prokon aus Itzehoe fühlen sich in diesen Tagen viele bestätigt: Energiewende-Skeptiker und Kritiker des grauen Kapitalmarktes, aber auch jene, die in der Prokon-Pleite eine Verschwörung von Banken und Medien gegen die Energiewende wittern. Man kann es aber auch ganz nüchtern betrachten, so wie der Berliner Venture-Capital-Investor Volker Weber: „Prokon hat gegen eine zentrale Finanzierungsregel verstoßen: Langfristige Investitionen müssen mit langfristig im Unternehmen gebundenem Kapital finanziert werden.“ Weber führt die Firma Mama Sustainable Incubation in Berlin, einen auf ökologische Investments spezialisierten Investor mit prominenten Aufsichtsräten, darunter der gut vernetzte Medienmanager Fred Kogel und Professor Carlo Jaeger vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Vorstand Weber ist in der Szene ein alter Hase: Nach dem BWL-Studium arbeitete er für die Deka-Bank und die Züricher Fondsgesellschaft Swisscanto, für die er acht Nachhaltigkeitsfonds mit einem Volumen von mehr als vier Milliarden Euro managte.
Im Ehrenamt führt Weber das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) und sucht die Tuchfühlung zur Bundesregierung. Praktischerweise sitzt der neue Justizminister Heiko Maas (SPD) nur ein paar Hundert Meter entfernt von Webers Büro in der Berliner Charlottenstraße am vornehmen Gendarmenmarkt. Für den Justizminister, sagt Weber, ist die Insolvenz von Prokon „eine Steilvorlage, um gesetzliche Konsequenzen zu ziehen, die längst überfällig sind“. Mit deutlichen Reaktionen rechnet Weber auch bei deutschen Privatinvestoren, die 2013 nach Erhebung seines Verbandes drei Milliarden Euro in Ökostrom-Anlagen investiert haben. „In diesem Jahr wird dieses Niveau nicht zu halten sein“, sagt Weber. Immerhin sei die ProkonPleite nach dem Insolvenzantrag der schwäbischen Firma Windreich „die zweite große Hiobsbotschaft innerhalb weniger Monate“. Für Öko-Projekte sei die langfristige Finanzierung in diesen Tagen wichtiger denn je, argumentiert Weber. Dazu dienten Aktien, Anleihen und Bankkredite, normalerweise auch Genussrechte. Die Crux bei den Genussrechten von Prokon liegt laut Weber in „der ungewöhnlich kurzen Kündigungsfrist von nur vier Wo-
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chen“. Es sei erstaunlich, dass es Prokon überhaupt möglich war, 1,4 Milliarden Euro bei über 70.000 Privatanlegern einzusammeln, obwohl die Firma selbst auf den Worst Case massenhafter Kündigungen hinwies. Der Münchner Anwalt Klaus Rotter sieht das ähnlich: „Dass Prokon nicht zahlen kann, wenn alle ihre Genussrechte kündigen, war schon immer klar“, sagt der auf Banken- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Jurist. Rotters Kritik geht jedoch weiter. Prokon ist seiner Meinung nach kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors, sondern als Emittent von Genussrechten „ein Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuches“, wie er es formuliert. Demnach hätte Prokon sich den rigiden Bestimmungen der Bonner Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) unterwerfen müssen. Doch die staatlichen Finanzaufseher erklärten sich selbst für nicht zuständig: „Prokon betreibt keine erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte und untersteht damit nicht der Aufsicht der Bafin.“ Verbraucherschützer fordern jetzt mehr staatliche Kontrolle für den grauen Kapitalmarkt, insbesondere durch die Bafin. Der aktive
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Vertrieb unseriöser Produkte müsse unterbunden werden: „Kleinanleger dürfen nicht mit Werbung überhäuft oder in Verkaufsveranstaltungen gelockt werden“, fordert Dorothea Mohn, die das Finanzteam beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin führt. Die Strategie von Prokon war gleich in mehrfacher Hinsicht eigentümlich: Der Windparkbauer warb offensiv mit der besonders flexiblen vierwöchigen Kündigungsfrist der Genussrechte, schuf damit selbst aber die Grundlage für die eigene Finanzkrise und die massive Kapitalflucht der Anleger. Dazu kommt: Während Unternehmen gewöhnlich ihre Finanzierung auf möglichst viele Beine – also Bankkredit, Anleihe, Beteiligungsveräußerung oder Aktien – stellen, setzte Prokon-Chef Carsten Rodbertus alles auf eine Karte: Er finanzierte seine Firma zu 95 Prozent mit Genussrechten. Generell sind Genussrechte am grauen Kapitalmarkt ähnlich gang und gäbe wie im staatlich regulierten Bankensektor. Sie haben durchaus ihre Existenzberechtigung. Eine ganze Reihe von Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien arbeiten
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damit, wie die Tabelle auf dieser Seite zeigt. Aber in der Regel haben Genussrechte Mindestlaufzeiten von fünf oder mehr Jahren und Kündigungsfristen von zwölf Monaten. Firmen sichern damit die Finanzierung über viele Jahre ab. Die Tabelle zeigt: Das von Prokon gebotene Zinsversprechen in Höhe von sechs Prozent zuzügBEISPIELE FÜR AKTUELLE GENUSSRECHTE IN DEUTSCHLAND Unternehmen
Zins
Mindestanlage
Laufzeit
Kündigungsfrist
Emissionsziel
German Pellets
8 Prozent, ergebnisabhängig 6 Prozent + Gewinnbeteiligung 4 Prozent
2.500 €
6 Monate, jeweils zum Jahresende 12 Monate
60 Mio. €
12 Monate
3 Mio. €
6,25 Prozent 7 Prozent
1.000 €
mind. 5 Jahre, unbegrenzt mind. 5 Jahre, unbegrenzt mind. 6 Jahre mind. bis Ende 2015 mind. bis Ende 2017
EEV
Solarkomplex Enertrag Energie Zins Enertrag Energie Zins
1.000 €
1.000 €
1.000 €
38 Mio. €
2 Mio. € 4 Mio. €
Stand Ende Januar 2014. Quelle: Unternehmensangaben, eigene Recherchen
lich zwei Prozent Gewinnbeteiligung ist innerhalb der Branche durchaus üblich. Doch gerade Privatanleger verdrängen gerne, dass hohe Zinsen mit hohen Risiken einhergehen. Solide Emittenten müssen nicht mit hohen Zinsen locken. Der VWKonzern hat im Januar eine 1,25-Milliarden-EuroAnleihe mit zehn Jahren Laufzeit zum Zinssatz von 2,65 Prozent angeboten. Die Nachfrage war doppelt so groß wie das Angebot. Für die mittelständisch geprägte regenerative Energiewirtschaft in Deutschland ist Prokon dagegen ein weiterer Rückschlag. Anders als etablierten Konzernen fällt Ökofirmen die Finanzierung immer schwerer. Banken und Börsianer
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zeigen sich zugeknöpft seit den Kurseinbrüchen und Pleiten der Solarmodulhersteller nach der Finanzkrise. Mittelstandsanleihen galten noch bis Anfang 2013 als Finanzierungsinstrument mit Zukunft. Dann verloren viele Anleger ihr Geld mit Anleihen von FFK, Solarworld, Windreich und anderen. Viele Beobachter fürchten, dass nun auch der Markt für grüne Genussrechte versiegt. Der Fall Prokon befeuert deshalb die Diskussion um ein neues Gütesiegel für nachhaltige Geldanlagen. In Berlin hat der neue Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) den Ball schon mal aufgenommen. Er will die Kompetenzen der Finanzaufsicht stärken, um den Vertrieb fragwürdiger Produkte zu unterbinden oder sogar ganz zu verbieten. „Dort, wo Verbraucher sich nicht selbst schützen können, müssen wir dafür sorgen, dass sie geschützt werden“, sagt Maas. Zuspruch erhält er auch von der Opposition. So fordert etwa Alexander Bonde (Grüne), Verbraucherschutzminister in Baden-Württemberg, „die Schaffung eines Gütesiegels für nachhaltige Finanzprodukte“. Maas holte inzwischen zwei Experten als Staatssekretäre in sein Haus, die zusammen über geballtes Wissen verfügen: Ulrich Kelber war zuvor im Bundestag viele Jahre SPD-Fraktionsvize für Energie. Gerd Billen führte den Verbraucherzentrale Bundesverband. Er war in der vergangenen Legislaturperiode mit Venture-Capital-Investor Weber in vielen Detailfragen einer Meinung; beide traten als Sachverständige bei denselben Anhörungen im Bundestag auf. Auch deshalb ist Weber zuversichtlich, dass die Politik aus der Prokon-Pleite sinnvolle Konsequenzen zieht: „Wir brauchen viel mehr Transparenz bei nachhaltigen Geldanlagen“, sagt er. „Ich rechne mit einem reinigenden Gewitter.“
Fotos: Frank Nürnberger
Triumvirat für Anlegerschutz? Bundesjustizminister Heiko Maas (M.), Staatssekretäre Gerd Billen (li.) und Ulrich Kelber (re.)
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