KOLUMNE
INTERVIEW
ANALYSE
DOSSIER
Autopapst Ferdinand Dudenhöffer über den Streit um neue Klimaanlagen und Importverbote
Eric Schweitzer, Alba-Chef und DIHK-Präsident, über Chancen und Risiken der Energiewende
Warum Private Equity für deutsche Ökostromprojekte knapper wird – und wer die Lücke füllen kann
Batterie, Hybrid, Brennstoffzelle: Auf der AutoLeitmesse IAA geht es auch um grüne Antriebe
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Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft
bizzenergytoday.com
Grüne KonzernInvestoren Daimler-Chef Dieter Zetsche lässt seine Forscher an Konzepten zur nachhaltigen Mobilität tüfteln. Beim kalifornischen Elektroautobauer Tesla ist er zudem Finanzinvestor - und steht damit für den Trend zum Corporate Venture Capital weiter auf seite 16 und 46
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SEP Ausgabe 2. Jahrgang
06/2013 9,80 ¤
BIZZ energy
GREEN MOBILITY MEETING Die Konferenz zur Zukunft der Mobilität am 03. Dezember 2013 in Berlin
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editorial. seite 3
Gretchenfrage für Investoren Wie radikal die EEG-Reform ausfallen wird, hängt vom Bundestagswahlergebnis ab. Unternehmer und Finanzinvestoren ziehen bereits jetzt Konsequenzen _von JOACHIM MÜLLER-SOARES
Titelfoto: Andreas Pohlmann
Foto: Roy von Elbberg
Liebe Leserinnen und Leser,
steuert Deutschland auf einen „Verteilungskampf zwischen Bürgern und Unternehmen“ zu ? Davor warnt Eric Schweitzer im Interview mit BIZZ energy today eindringlich. Der DIHKPräsident, im Hauptberuf Vorstandschef des Alba-Konzerns, begründet das mit den explodierenden Gesamtkosten der Energiewende und des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG) : „Allein in diesem Jahr müssen 20 Milliarden Euro EEG-Umlage gezahlt werden, das entspricht dem Haushalt des Landes Berlin“, rechnet er vor. Der Streit, wer diese Last schultern soll, sei programmiert. Schweitzer will diese Kosten durch gestaffelte Zuschüsse auf den Börsenstrompreis in den Griff bekommen. Mehr ab Seite 33. Wie weitreichend die Reform des EEG in der kommenden Legislaturperiode ausfallen wird, hängt natürlich vom Ausgang der Bundestagswahl ab. Aus Sicht von Finanzinvestoren lautet die Gretchenfrage: Werden bestehende Solarund Windparks rückwirkend belastet ? Das hatte Bundesumweltminister Peter Altmaier im Rahmen seiner vielzitierten Strompreisbremse im Frühjahr vorgeschlagen – und damit bei Banken, Versicherungen und Private Equity Fonds
für viel Unruhe gesorgt. Diese ziehen, auch nach bösen Überraschungen in Spanien und Großbritannien, vorsichtshalber schon jetzt Konsequenzen: „Wir werden darauf achten, dass Geschäftsmodelle ohne Subventionen tragfähig sind“, beschreibt CEE-Chef Detlef Schreiber den Strategiewechsel seiner Branche, von der unsere Titelgeschichte ab Seite 16 handelt. Grüne Mobilität muss integraler Bestandteil der Energiewende werden, diese Einsicht ist inzwischen Konsens. Und so wird die kommende Legislaturperiode wohl auch neue Emissionsvorgaben sowie Förderkonzepte für Batteriemotoren, Brennstoffzellen und Erdgasautos bringen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Dossier zur IAA ab Seite 47. Bei der Lektüre wünsche ich Ihnen in jedem Fall neue Erkenntnisse und natürlich auch Lesespaß. Ihr Herausgeber und Chefredakteur P.S.: Ihre Anregungen sind willkommen, unter muellersoares@ringvier.com
COVER: BRÖCKELNDES KAPITAL Warum Private Equity für Wind- und Solarprojekte in Deutschland knapper wird und Finanzinvestoren ihren Blick nach Brasilien und Indien richten seite 16
„KNALLHARTE POLITIK“
DIHK-Präsident Eric Schweitzer über die EEG-Reform, Exportschancen, Kostenrisiken – und Recycling seite 32
WALL STREET INSIDE US-Präsident Obama lässt neue Kernkraftwerke bauen. Die Börse reagiert skeptisch auf diese Wende seite 26 UNTERNEHMENSCHECK Wie Kasper Rorsted Henkel zu grünen Produkten führt seite 28 KOLUMNE GERARD REID Warum der Börsenwert von Energieriesen wie Eon so niedrig ist seite 30
KOLUMNE FRIEDBERT PFLÜGER Wie die Öl- und Gasvorkommen im Nordirak Begehrlichkeiten und neues Selbstbewusstsein fördern seite 38
LUFT UND SCHWEFEL Lithium-Ionen, Lithium-Luft oder Lithium-Schwefel? Forscher basteln an der Zukunft der wiederaufladbaren Batterie seite 40
ELEKTROMOBILITÄT ÖKOLOGISCH AUS DER KRISE Die Autobranche blickt zur IAA wieder optimistischer in die Zukunft. Auf der Leitmesse wollen die Hersteller auch mit grünen Modellen punkten seite 46 „NICHT UMSONST LADEN“ Hubject-Chef Andreas Pfeiffer über Geschäftsmodelle für Stromtankstellen
STROM AUS DEM BERGIDYLL
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Die Alpen locken Wasserkraftinvestoren mit guten Renditen. Doch der Widerstand seite 56 gegen neue Projekte wächst
AUF- UND ABSTEIGER DES MONATS Klaus Probst (Leoni) und Ditlev Engel (Vestas)
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tages akt New uelle s au bizze nergy f today . com
IM FOKUS: GRÜNER STAHL Frank Schulz, Deutschland-Chef von Arcelormittal seite 12
WASSERSTOFF HEBT AB Die Brennstoffzelle ist älter als der Benzinmotor – nun könnte sie ihren Durchbruch erleben seite 52
FRAGE DES MONATS Kommen Kapazitätsmärkte? KOLUMNE FERDINAND DUDENHÖFFER Warum der Streit um Klimaanlagen und Importverbote eskaliert seite 60
EDITORIAL IMPRESSUM FOTO DES MONATS INNOVATION DES MONATS ZAHL DES MONATS MAL GANZ GRUNDSÄTZLICH GEFRAGT
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FRAGE DES MONATS:
… Kommen
die Kapazitätsmärkte?
Wie lässt sich der Neubau und Betrieb von konventionellen Kraftwerken in einem Energiesystem mit hohen Anteilen an Erneuerbaren gewährleisten? Schon jetzt sind viele Anlagen nicht mehr im Geld, Versorger drohen mit Stilllegung. Die vielzitierten Kapazitätsmärkte kehren wohl nach der Bundestagswahl auf die energiepolitischen Agenda zurück. Sind sie eine gute Lösung ? Kritiker warnen vor solchen Markteingriffen.
GERO LÜCKING Vorstand Lichtblick
Wir erleben in Europa eine massive Fehlsteuerung der Energieerzeugung. Ausgerechnet die Kohle erlebt eine Renaissance. Grund für den Kohle-Boom ist der Preisverfall bei den CO2-Zertifikaten. Die Lenkungswirkung des EU-Emissionshandels, der den Klimakiller Kohle teuer und damit auch den Weg für flexible Gaskraftwerke frei machen sollte, ist derzeit nicht gegeben. Die Lösung liegt auf der Hand: Europa muss seine Klimaziele ambitionierter gestalten und die Zahl der CO2-Zertifikate drastisch senken. Von höheren Börsenpreisen profitieren vor allem flexible Gaskraftwerke. Erst danach kann die Politik sinnvollerweise entscheiden, inwieweit es eines Kapazitätsmarktes bedarf.
Sowohl Stromversorger als auch industrielle Nachfrager zeigen aktuell ein hohes Interesse an Kapazitätsmärkten. Dahinter steckt eine Subventionierung von eigentlich unprofitablen Kraftwerkskapazitäten, wie auch immer diese Subventionen im Detail ausgestaltet sind. Die Notwendigkeit wird zumeist weniger mit einem Marktversagen im volkswirtschaftlichen Sinn begründet als mit der Tatsache, dass es solche Diskussionen auch in Nachbarstaaten gebe. Ob Subventionen für Kraftwerkskapazitäten volkswirtschaftlich sinnvoll sind, ist sehr fraglich. In jedem Fall verhindern sie, dass durch Preisspitzen Anreize zu Investitionen in Kraftwerkskapazitäten als auch für eine nachfrageseitige Flexibilisierung entstehen. Während Subventionen den Empfängern direkt helfen und für niedrige Strompreise für die Industrie sorgen, muss vermutlich der Verbraucher noch einmal mehr bezahlen. Zwei weitere Probleme drohen zudem: Erstens werden die Vorteile der Europäischen Marktintegration durch nationale Alleingänge allzu leicht verschenkt und eine erneute Zersplitterung des zusammenwachsenden Energieinnenmarktes leichtfertig in Kauf genommen. Und zweitens zeigt die internationale Erfahrung, dass es bisher weltweit kein stabiles Kapazitätsmarktdesign gegeben hat. Dem Lobbyismus wird Tür und Tor geöffnet, und die Regeln werden immer wieder verändert und adjustiert. Gerade bei sehr langfristigen Investitionen ist jedoch genau das kontraproduktiv.
Fotos: (PR (5), Illustration: Valentin Kaden
JUSTUS HAUCAP Direktor, Düsseldorf Institute for Competition Economics und langjähriger Vorsitzender der Monopolkommission (bis 2012)
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ALF HENRYK WULF Vorstandsvorsitzender Alstom Deutschland
Stromerzeugung muss klimaschonend geschehen, aber sie muss auch sicher sein und finanzierbar bleiben – für Privatkunden ebenso wie für die Industrie und Produzenten. Daher ist es unerlässlich, die Bereitstellung von Leistung und Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems zu Eckpfeilern des Strommarkts zu machen. In Konsequenz ist die volatile Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gekoppelt mit konventioneller Kraftwerkstechnik und zukünftig mit Speichertechnolgien zu betrachten. Dabei darf keine Rolle spielen, mit welcher Technik Strom erzeugt wird, sondern wer ihn sauber, kosteneffizient, flexibel, bedarfsgerecht und zuverlässig bereitstellt. Der wirkungsvolle Handel mit CO2-Emissionszertifikaten würde bei diesem Marktmodell auch zur Einhaltung der Klimaschutzziele beitragen.
PETER REITZ CEO EEX (European Energy Exchange, Leipzig)
Beim Umbau des Energiesystems hin zu überwiegend erneuerbaren Energien werden auf absehbare Zeit noch flexible, konventionelle Erzeugungskapazitäten als Backup notwendig sein. Ein solcher Kapazitätsmechanismus ist aus Sicht der EEX aber grundsätzlich ein regulatorischer Eingriff, dessen Auswirkungen heute nicht vollständig absehbar sind. Daher stellen Kapazitätsmechanismen für die EEX die Ultima Ratio dar. Sie sollten nur nach äußerst gründlicher Abwägung aller Folgen und erst dann eingeführt werden, wenn andere, marktwirtschaftliche Mechanismen mit geringerer Eingriffsintensität nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen. Zuerst sollten die Potenziale des Energy-Only-Markts durch die Flexibilisierung der Nachfrage, die Integration der erneuerbaren Energien und die Vollendung des Europäischen Strombinnenmarkts vollständig erschlossen und ausgeschöpft werden.
FLORIAN BIEBERBACH Vorstandsvorsitzender Stadtwerke München
Der starke Zubau von Erneuerbaren sowie niedrige CO2-Preise verhindern auf Jahre hinaus notwendige Kraftwerksneubauten. Die Netzhöchstlast kann aufgrund der hohen, volatilen Erzeugung technisch mit eigenen Anlagen nicht mehr gedeckt werden. Die Lösung sind Kapazitätsmärkte bzw. Märkte für gesicherte Leistung. Anzustreben ist dabei ein europäischer Wettbewerbsmarkt für gesicherte Leistung, der die Entwicklung des EU-Binnenmarktes unterstützt. Planwirtschaftliche Ansätze, wie sie sich z.B. in der Reservekraftwerksverordnung ausdrücken, sind abzulehnen. In einem ökonomisch effizienten Markt, in dem nur noch Kraftwerke gebaut werden, die wirtschaftlich sind, erhält gesicherte Leistung als knappes Gut zwangsläufig einen Wert und wird gehandelt werden. Daher verbietet es sich auch, in diesem Zusammenhang von dauerhaften Subventionstatbeständen zu reden. Die volle Inanspruchnahme gesicherter Leistung erfolgt nur bei Erzeugungsknappheit und zur Vermeidung eines Versorgungsausfalls.
Foto: DIHK / Thomas Kierok
„Neue EnergieTechnologien weltweit vermarkten“ Eric Schweitzer, DIHK-Präsident und Alba-Vorstandschef, über Geschäftschancen und Kostenrisiken der Energiewende _Interview JOACHIM MÜLLER-SOARES und KARSTEN WIEDEMANN
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_BIZZ energy today | Herr Schweitzer, sind Sie ein Fan der Energiewende? _Eric Schweitzer | Ja, ich bin sogar ein großer Befürworter der Energiewende, weil sie viele Geschäftschancen bietet, gerade für die deutsche Industrie. Diese Chancen basieren darauf, dass wir die neuen Energie-Technologien weltweit vermarkten können. _Gelingt das derzeit? _Schweitzer | Wir sind auf einem guten Weg: Im Bereich der Green Economy, zu dem insbesondere Energie-Technologien gehören, hat die deutsche Industrie bereits einen globalen Anteil von 15 Prozent erreicht – während der Anteil über alle Branchen gerechnet nur bei sieben Prozent liegt. Damit der Export solcher Energiewende-Produkte weiter floriert, müssen wir aber aufpassen, dass die Strompreise in Deutschland wieder international wettbewerbsfähig werden. Sonst werden Unternehmen und Verbraucher dramatisch überfordert. Und die Energiewende könnte wie der Transrapid enden: Sie wäre nicht exportfähig. _Ist die Energiewende exportfähig? _Schweitzer | Sie kann für andere Industriestaaten grundsätzlich als Vorbild dienen – aber
nur, wenn die Kosten in Deutschland nicht aus dem Ruder laufen. Das Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) war zwar als Anschub für das Thema richtig. Jetzt werden aber die Folgekosten immer teurer. Allein in diesem Jahr müssen 20 Milliarden Euro EEG-Umlage gezahlt werden, das entspricht dem Haushalt des Landes Berlin. So darf das nicht weitergehen. Wir brauchen eine grundlegende Reform des EEG, eine marktwirtschaftliche Architektur. _Was schwebt Ihnen vor? _Schweitzer | Wir arbeiten an einem neuen Modell: Im Zentrum stehen dabei technologiespezifische, zeitlich gestaffelte Zuschläge für den Verkauf des Ökostroms an der Börse. Denn da müssen wir auch mit dem Ökostrom so schnell wie möglich hin. Wenn neben konventionellem Strom immer mehr grüner Strom produziert wird, aber die Nachfrage in etwa gleich bleibt, sinkt der Börsenpreis. Das ist dem Produzenten von Ökostrom derzeit egal, weil seine Einspeisevergütungen bis zu zwanzig Jahre lang garantiert sind. Die Differenz zwischen Einspeisevergütung und Börsenstrompreis, die über die EEG-Umlage ausgeglichen wird, wächst stetig an. Wirtschaft- und Privatverbraucher müs-
ERIC SCHWEITZER ist seit März 2012 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Der studierte Betriebswirt stieg 1990 in das von seinem Vater gegründete Recycling-Unternehmen Alba in Berlin ein. Zusammen mit seinem Bruder Axel baute der 48-Jährige die Alba-Gruppe zu einem weltweit agierenden Unternehmen mit einem Jahresumsatz von drei Milliarden Euro und 9.000 Mitarbeitern aus.
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sen diese EEG-Umlage letztlich zahlen. Das geht nicht mehr lange gut. Wir brauchen eine marktwirtschaftliche Reform und eine Entlastung. _Bitte geben Sie mal ein konkretes Rechenbeispiel für solch einen Zuschlag auf den Börsenpreis. _Schweitzer | Nehmen wir ein Windrad an Land: Hier sind wir mit den Kosten recht nah am Börsenpreis, aber noch ist eine kleine Zulage notwendig, damit Investitionen in Neuanlagen sich rechnen. Heute erhält der Investor für seine Anlage um die 6 Cent/kWh über 20 Jahre. Nach unserer Vorstellung könnten künftig rund 1,5 Cent/kWh Zuschlag auf den Börsenpreis für eine begrenzte Strommenge zeitlich degressiv gestaffelt sein. Mit dieser Zu-
lage können wir besonders innovative Formen der Windenergie fördern. Denn wir setzen einen Anreiz, in Anlagen zu investieren, die nicht allein die erzeugte Strommenge optimieren, sondern mit denen die Erzeuger möglichst viel Geld an der Börse verdienen können. Und das kommt dem Verbraucher zugute, denn durch ein Mehrangebot an Strom in teuren Zeiten sinkt der Börsenpreis. Zusatzerlöse kann der Windanlagenbetreiber erzielen, indem für die Stromerzeugung die Vergabe von Grünstromzertifikaten ermöglicht wird. _Würden solche Zuschläge jedes Jahr gezahlt? _Schweitzer | Der Zuschlag für neue Anlagen wird nach unserer Vorstellung auf fünf Jahre befristet und jedes Jahr um 20 Prozent reduziert. Gleichzeitig ist die Menge der Stromeinspeisung, für die diese Subvention gezahlt wird, gedeckelt. Das ist ein wichtiges Detail unseres Modells. Wer in Deutschland eine bestehende Subvention abschafft, wird von den bisherigen Empfängern beschimpft – obwohl diese dem Subventionsgeber doch eigentlich dankbar sein müssten. Diese Situation wird vermieden, wenn man die Zuschläge auf den Börsenpreis von Anfang an zeitlich sowie mengenmäßig limitiert und degressiv ausgestaltet. _Die SPD will Versorger zwingen, den gesunkenen Börsenpreis an Endkunden weiter zu geben. Was halten Sie davon? _Schweitzer | Gefragt ist nicht mehr staatliche Regulierung, sondern mehr Markt. Die Verbraucher können heute bereits aus einem vielfältigen Angebot den für sie günstigsten Tarif wählen und darüber auch von gesunkenen Börsenstrompreisen profitieren. Trotzdem sind 40 Prozent der Verbraucher noch im Grundversorgungstarif. Eine Preisregulierung des Grundversorgungstarifs würde vor allem die Wechselbereitschaft der Verbraucher reduzieren und den Wettbewerb auf dem Strommarkt blockieren. _Wollen Sie den Einspeisevorrang für Ökostrom abschaffen? _Schweitzer | Den Einspeisevorrang für Ökostrom sehe ich sehr kritisch. Wir brauchen keinen Einspeisevorrang mehr, wenn das
Handelsraum: Windund Solarenergie sorgen zeitweise für ein Überangebot an der Strombörse EEX
Foto: Christian Hüller
„Der Zuschlag für neue Anlagen wird nach unserer Vorstellung auf fünf Jahre befristet.“
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ENERGIEWIRTSCHAFT
IM
WANDEL
kongress
künftige System wirklich wettbewerblich wirkt. Ökostrom hat auch einen wirtschaftlichen Mehrwert. Er wird mit Sicherheit von vielen Verbrauchern und Unternehmen mit Präferenz nachgefragt. Zudem arbeiten Photovoltaik oder Windräder ohne Brennstoffkosten und können deshalb für kurze Zeit zu sehr niedrigen Preisen produzieren. Ich bin daher sehr optimistisch, dass wir auf Vorrangregelungen verzichten können. _Die EU-Kommission hat ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil die Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage, aus Sicht der Brüsseler Wettbewerbshüter, eine unerlaubte Beihilfe darstellt. Rechnen Sie damit, dass die EEG-Befreiung kippen wird? _Schweitzer | Die Bundesregierung kämpft in Brüssel leidenschaftlich für die EEG-Befreiung energieintensiver Unternehmen, und ich bin zuversichtlich, dass sie Erfolg haben wird. Und ist wirklich nur die deutsche EEG-Be-
„Hinter solchen Diskussionen steckt immer auch knallharte Industriepolitik.“ freiung eine Subvention? Andere EU-Staaten unterstützen ihre Industrie auf andere Weise. Man darf sich nicht täuschen: Hinter solchen Diskussionen steckt immer auch knallharte Industriepolitik. Andere EU-Staaten blicken neidisch auf den Industrieanteil an der deutschen Bruttowertschöpfung. Der liegt aktuell bei gut 25 Prozent, würde aber zwangsläufig sinken, wenn die – sachlich begründeten – EEG-Ausnahmeregeln fallen. _Allerdings fordern auch deutsche Politiker, über Parteigrenzen hinweg, dass die Anzahl der vom EEG befreiten Unternehmen sinken müsse ... _Schweitzer | Die Zahl der von der EEG-Umlage befreiten Unternehmen hat sich gegenüber 2012 fast verdreifacht; die damit verbundene Strommenge ist aber nur um rund 10 Prozent gestiegen. Man sollte also die Kirche im Dorf lassen. Auch wenn man sich immer einige
Es erwarten Sie u. a.:
BM Peter Altmaier, Bundesumweltminister, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung, Stadtwerke München GmbH
Rune Bjørnson, Senior Vice President für Erdgas, Statoil
Frank Bsirske, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
Jochen Homann, Präsident, Bundesnetzagentur
Philip Lowe, Director-General for Energy, DG Energie, Europäische Kommission
Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)
Dr. Dieter Steinkamp, Vorstandsvorsitzender, RheinEnergie AG
Information und Anmeldung: Tel: 08191 / 125-136 oder
www.deutscher-energiekongress.de
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„Wenn das so weitergeht, steuern wir auf einen Verteilungskampf zwischen Bürgern und Unternehmen zu.“
Stoff für Neues: In jedem Windrad stecken 14 Tonnen Kupfer
Einzelfälle genauer anschauen kann, liegt hier nicht das eigentliche Problem. _Wo liegt das Problem dann? _Schweitzer | Die Gesamtkosten der Energiewende explodieren. Die EEG-Umlage lag vor einigen Jahren noch bei zwei Milliarden Euro, inzwischen haben wir zwanzig Milliarden Euro erreicht. Wenn das so weitergeht, steuern wir auf einen Verteilungskampf zwischen Bürgern und Unternehmen zu. _Wie das? _Schweitzer | Die Verbraucher werden sagen: Das überfordert uns, soll doch die Wirtschaft für die Energiewende zahlen. Bürger und Unternehmen werden darüber streiten, wer die Last schultern soll. Die Wirtschaft
wird argumentieren: Wenn die Strompreise weiter steigen und die Industrie nicht entlastet wird, sinkt zwangsläufig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen; die müssen dann Arbeitsplätze abbauen. Solche Misstöne zwischen Bürgern und Wirtschaft müssen wir unbedingt vermeiden. _Trotz aller Kostenrisiken: Als Vorstandschef eines Unternehmens für Umweltdienstleistungen, das vom Recycling lebt, ist die Energiewende für Sie doch eher ein Segen, oder? _Schweitzer | Gemach. Steigende Strompreise machen auch der Recyclingwirtschaft zu schaffen. Die Abläufe, etwa die Abfalltrennung mit Hilfe von Infrarotgeräten, sind
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hoch technisiert und damit energieintensiv. Die Kostenrisiken des EEG betreffen uns also unmittelbar. Aber natürlich bietet die Energiewende für uns auch neue Geschäftschancen. _Welche? _Schweitzer | Der ohnehin existierende Trend zum Recycling wird durch die Energiewende noch verstärkt. 14 Prozent der Rohstoffe für die deutsche Industrie stammen aus der Wiederverwertung, sind also Sekundärrohstoffe. Dieser Anteil wird deutlich steigen, das ist positiv. Zum Beispiel stecken in einem Windrad im Schnitt acht Tonnen Kupfer, ein international höchst begehrter Rohstoff. Für den Klimaschutz bringt das Recycling hohe CO2-Einsparungen. Dieser Effekt wird regelmäßig im Auftrag vom Fraunhofer-Institut untersucht. Zum Beispiel spart eine recycelte Tonne Aluminium gegenüber der gleichen Menge Primärrohstoff über 10 Tonnen CO 2. _Wie kann die Recycling-Quote gesteigert werden? _Schweitzer | Indem wir mehr Markt zulassen. Nehmen wir mal das Beispiel Siedlungsabfall. Da liegt die Recycling-Quote bei 64 Prozent. Die Bundesregierung will diese Quote in den kommenden zehn Jahren auf 65 Prozent erhöhen. Hier brauchen wir mehr Wettbewerb und weniger Regulierung. _Woran liegt es, dass die Bundesregierung hier die Ziele so niedrig steckt? _Schweitzer | Das Recycling steht in Konkurrenz zur thermischen Verwertung in Müllverbrennungsanlagen. Schon heute gibt es dort Überkapazitäten. In den kommenden zehn Jahren wird vielen Verbrennungsanlagen der Müll ausgehen. Eine hohe RecyclingQuote würde den Trend verschärfen – das ist politisch nicht gewollt. _Wie ist die Situation bei hochwertigem Elektroschrott? Der wird zuweilen illegal nach Afrika exportiert, anstatt hierzulande recycelt zu werden... _Schweitzer | Illegale Exporte sind eine Folge von Lücken im Elektronik-Altgerätegesetz, denn die Grenze zwischen Gebrauchtprodukt und Abfall ist fließend. Beim Elektroschrott setze ich auf die Neuregelung auf nationaler wie europäischer Ebene, die hoffentlich diese Grauzone verringern wird.
Energiezukunft durch Innovation
14. Internationale Fachmesse für Erneuerbare Energien & Energieeffizienz
26. – 29.09.2013 Messe Augsburg
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MAL GANZ GRUNDSÄTZLICH GEFRAGT ...
… platzt der Traum vom Wüstenstrom, Herr van Son ?
PAUL VAN SON leitet das Dii-Konsortium seit dessen Gründung 2009. Zuvor führte der Niederländer beim Stromversorger Essent die Handelssparte. Dii hat aktuell 19 Gesellschafter, u.a. ABB, Deutsche Bank, Eon, RWE, Munich Re und Unicredit. Die kürzlich ausgetretene Desertec-Stifung war Dii-Gründungsgesellschafter und hält weiterhin die Namensrechte an „Desertec“.
_BIZZ energy today | Herr van Son, Ihre Co-Geschäftsführerin wurde beurlaubt, die Desertec-Stiftung ist nicht mehr Gesellschafterin Ihres Dii-Konsortiums. Welche Folgen hat das? _Paul van Son | Bildlich gesprochen: Unser Schiff nimmt an Fahrt auf, jetzt bestimmt ein Kapitän den Kurs. Der Ausstieg der Desertec-Stiftung aus dem Kreis der Gesellschafter war keine wirkliche Überraschung. Sie hat sich dort als einzige Non-Profit-Organisation unter lauter Unternehmen schon länger nicht wohlgefühlt. Wir werden aber weiter miteinander über Sachthemen reden. _Wollen Sie den in Nordafrika produzierten Wüstenstrom dort verkaufen – oder nach Europa exportieren? _van Son | Wir sehen das ganz pragmatisch und marktorientiert: Beide Regionen sollen den Wüstenstrom beziehen, der Strom soll zwischen Europa und Afrika in beide Richtungen fließen. Dabei wird
Süd-Nord im Laufe der Zeit eine immer dominantere Rolle spielen. Momentan stellt sich die Frage noch nicht wirklich, weil es in Europa, insbesondere in Spanien und Italien, Strom-Überkapazitäten und somit keine Nachfrage gibt. _Wieviel zusätzliche Leitungen zwischen Europa und Nordafrika peilen Sie an? _van Son | Zwischen Spanien und Marokko bestehen bereits Kapazitäten in Höhe von 1,4 Gigawatt. Bis 2050 müssen wir das vervielfachen, auf rund 20 Gigawatt. Insgesamt reden wir von mehr als 160 Gigawatt an Leitungen zwischen Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten. Auch innerhalb Europas müssen dringend neue Leitungen gebaut werden, insbesondere zwischen Spanien und Frankreich. Sonst drohen Netzengpässe. Diese Botschaft ist bei der EU-Kommission in Brüssel angekommen. _Staaten wie Ägypten und Tunesien gehören zum Kern Ihres Projekts. Welche Folgen haben die Unruhen dort? Platzt der Traum vom Wüstenstrom? _van Son | Nein. Für viele nordafrikanische Staaten sind erneuerbare Energien alternativlos, nicht nur, weil fossile Quellen gar nicht zur Verfügung stehen. Diese Einsicht ist dort Konsens, unabhängig von Parteien und Religionen. Auch nach dem Sturz der Mursi-Regierung sind unsere Ansprechpartner in Ägypten geblieben. Die Ebene dieser technischen Spezialisten, die erneuerbare Energien in Ägypten und anderen Ländern vorantreiben, ist von der politischen Großwetterlage kaum betroffen.
Foto: Dii GmbH
_Interview JOACHIM MÜLLER-SOARES