BIZZ energy today 06/2014

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ANALYSE

DOSSIER

INTERVIEW

PORTRÄT

Vehikel für Erneuerbare: Warum Exchange Traded Funds (ETF) bei Investoren beliebter werden

Mobile Zukunft: Carsharing erobert die Städte, füllt Lücken und verändert den Verkehr nachhaltig

Klimaökonom Ottmar Edenhofer über die Fehler des Emissionshandels und Chinas neue Kohlestrategie

Rainer Baake, grüner Wirtschafts-Statssekretär, ist der stille Architekt der Energiewende

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Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft

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Wind für die Welt Kanzlerin Angela Merkel hält die Fahne der Erneuerbaren hoch. Tatsächlich boomen intelligent gesteuerte Wind- und Solaranlagen weltweit. Wie stark der deutsche Export davon profitieren wird, weiter auf seite 40 entscheidet sich gerade

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der Börse verdrängen Bullen die gilt bei der Finanzierung derMilliardengeschäft Gas-Turbinen, Solar-Wechselrichter oder Netztechnik: Biogasfi lter, die wie aussehen. An Nachdem Wall-Street-Legende Warren den Atlantik nachSpaghetti Europa, weiter auf seite 16 schwappt Bären. Inentwickeln diesem Umfeld sind gesteu auch verwalten 1.350 Versicherungskonzerne stehen über Energiewende Die als Schlüsselfigur. Deutsche Versicherer Deutsche Unternehmen intelligent gesteudieeinen auf SauerBatterien undBuff Dämmstoff ett große,in kalifornischen prognostizieren Handelsprofis. Das als Finanziers Im Exklusiv-Interview spricht im Offshore-Bereich Fonds wieder begehrt, die Euro. sich auf Jetzt nehmen sie Winderte Produkte für eineSolargrünereMilliarden Wirtschaft. Mit diesen stoff basieren.Solarpark Der Wandelinvestierte, zu einer grünen schossen macht – wenn die Regierung dortden Betrieb von Gaskraftwerken Schröder über bereit die Vertrauenskrise gienGasnetze und Cleantech erneuerbare Ener und Stromleitungen ins ökologischen Schlüsseltechnologien Sie auch Lebensundlukrativer. Wirtschaftsweise birgt werte weltweit in diefür Höhe. Typisch fürparks,können in Deutschland wieder diebeschreibt, unterschiedlichen der Banken und welche Interessen spezialisieren spezialisieren der weiter auf auf seite 43 Suche nach sicheren Renauf dem punkten Visier, Riesenchancen –Weltmarkt aber denWindTrend 2013: Grüne Großanleger Und die sind die als Chemiebranche Partner von austariert. Mehr ab Seite 16. anderen Finanziers als Investoren weiter auf seite 18 diten. Doch der gesetzliche Rahmen für weiter auf seite 16 weiter auf seite 18 auch Risiken machen Stimmung unverzichtbar. Außerdem: Unser Dossier und zum Solarparks für Großprojekte in Frage kommen. Investments ist zum Teil noch nebulös weiter ab seite 16 Windmarkt Schröder hofft internationalen auf einen weiter auf seite 18 und dem Kampf um die „grünen Kapitalismus“. weiter auf seite 12 Spitzenposition.

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INTERVIEW

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ANALYSE

Warum Telekom-Boss René sich E-Bikes Thüga-Chef Matthias Kurth, Ex-Präsident Ein Blick in die Forschungslabors Warum so gut Ewald Armin NachSandhövel, der Finanzkrise: CEO Warum der Warum Biosprit Matthias anAlstom-Chef der Kurth, Börse Ex-Präsident Alf „Abenteuer Henryk mit Die vielen dritte Auto-Papst RisiGeneration Dudenhöffer Keine derWie Energiewende über Energie ohne aus demFerdinand Keller oder EU-Energiekommissar Autopapst Sachsens Ministerpräsident Bilfinger-Chef Die neue Autopapst Roland Welt des Koch Ferdinand Gasmarkts: Recycling: Energie deutsche technik: Offshore-Wind: Wer in Umweltbundesamts-Präsident Autobauer mit spritGreen Finance: Welche ökoloBundesnetzagentur-Chef Auto-Papst Ferdinand Green IT undWie Smart Obermann für seinen Angriff und Elektroautos Woste wagt den Allianz-Klimasparte, der Bundesnetzagentur, von Offshore-Wind, Daimler und Evonik zeigt verkaufen die Landesbanken versiegt. über jetzt den ihre Finanzanalysten der Bundesnetzagentur, Wulf über ken“.Jochen beGE-Vorstand Photovoltaik enttäuschte Stephan kommt. Energieeffizienz. Einsparenden und dasMotoren Doch der Wüste das –über welche KraftGünther Oettinger über Dudenhöff er über Tillich über das dieWas Management zusätzliche Dudenhöffer Quellen, überUnternehmen PipedieWie Pioniere Effiziente mit InnovaAnlagenEuropa und den Ausbau auf Flasbarth über Mit-Hersteller undStanislaw gischen Geldanlagen Banken, Jochen Homann Dudenhöffer über SUVsder Home: auf den Energiemarkt gut noch auf der Helikopterblick aufEinstieg warnt vor bewerten „nebulösem der Batteriebisher Strecke Chancen der in Versicherungserneuerbaren die Chancen schreibt Konkurrenten der denFortschritte programmierten Reimelt und bei kritisiert Dresdner drohende OffshoreStart-up Ende ist Potenzial der ganz deutschen bleibt weitgehend werkekommunale die ZukunftWiderstände Atomendlager, Kernfusion und Flüssiggas-Tanker Strompreisbremse und lines fatalen undfür eigene Folgen derihren tionen Innovationen auf dem smarte Weltmarkt Steuerunghoher für die See vorantreibt – nahmeeff ektedie beim Ökostrom Superkondensatoren ihre Fondsund undEnergiewende Finanzinvestoren Investoren, Renditen Super-Credits mit aufgestellt ist. die Energiewende. riesen entwicklung für bleiben. Energien insZweckoptimismus“. Stromnetz. suchenHersteller skeptisch. KrachKapazitätsmärkte um die EEG-Umlage. Pläneund derE-Autos. Bundesregierung. vorneElektromobilitäts-Träume mit und dabei. ungenutzt. dominieren werden Europas Importe gegen Elektroautos verändern sein Quotenmodell Zukäufe Diesel -Subventionen punkten Energiewende den Weltklimagipfel Absatzkrise meistern wollen bevorzugen 02/2012 Ausgabe 03/2012 Ausgabe 04/2012 Ausgabe 01/2013 und warum Ausgabe Ausgabe 05/2012 undAusgabe Offshore-Anschlüsse deutsche Hersteller die Branche aufmischen Ausgabe 02/2013 Jahrgang €seite seite seite 54 seite 28 seite 22 1. Jahrgang 1. 42 Jahrgang ¤ seite 44 seite 9,80 1. 38 Jahrgang ¤ seite seite 9,80 ¤ 2. Jahrgang 2. Jahrgang 9,80 ¤ seite 48 seite 14 und seiteseite 52 24 seiteseite 21 24 seite seite 32 32seite 36seite 54 36 seite 60 321. seite 46 44 seite 569,80 42 62 1. Jahrgang 9,80 € seite 48 seite 34 seite seite seite 409,80 seite 44

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Atomare Stiftung 36 Milliarden Euro steuerfreie Rückstellungen für die nukleare Endlagerung haben die Stromriesen in ihren Bilanzen. Gretchenfrage: Wie lange noch ? _von JOACHIM MÜLLER-SOARES

Titelbild: Valentin Kaden

Foto: Roy von Elbberg

Liebe Leserinnen und Leser,

sollte der Staat den Rückbau von Kernkraftwerken und die Endlagerung übernehmen? So lautet diesmal unsere Frage des Monats. Die Antworten auf den Seiten 12 und 13 belegen, dass bei diesem Reizthema nach wie vor starke Emotionen hochkochen. Mehrheitsfähig scheint nach unserer Umfrage jedenfalls der Vorschlag, die 36 Milliarden Euro steuerfreie Rückstellungen der Betreiber in eine öffentliche Stiftung zu übertragen – zur Sicherung der Finanzmittel im Fall von Insolvenzen bei den Betreibern Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Die vier Stromriesen hüllen sich indes in Schweigen und haben auch dem von ihnen finanzierten Deutschen Atomforum einen Maulkorb verpasst. Das ist ein Armutszeugnis, reflektiert aber auch die tiefe Verunsicherung auf den Vorstandsetagen dieser Konzerne. In jedem Fall ist das Thema heiß. Die Fachebene im Bundeswirtschaftsministerium arbeitet mit Hochdruck an einer Lösung. Der grüne Wirtschafts-Staatssekretär Rainer Baake, der bereits den Atomausstieg für die Regierung Schröder organisierte, könnte sicher auch eine

solche Stiftungslösung managen. Ohnehin halten ihn viele Insider für den eigentlichen Strippenzieher und Architekten dieser Energiewende. Unser Baake-Porträt „Der Community Organizer“ beginnt auf Seite 34. In der Branche herrschen zunehmend raue Sitten. Ein Opfer war in diesem Monat Ewald Woste, der zum 31. Oktober seinen Hut als Vorstandschef der Münchner Thüga-Gruppe nehmen muss. Als Präsident des Branchendachverbands BDEW war er in weiser Voraussicht bereits Ende Juni abgetreten. Apropos: Sein Nachfolger als Verbandspräsident, Johannes Kempmann, war mal grüner Spitzenpolitiker und ist schon lange großer Verfechter einer Stiftungslösung für die atomare Endlagerung. Beim Lesen von BIZZ energy today wünsche ich Ihnen in jedem Fall neue Erkenntnisse und natürlich auch Lesespaß. Ihr Herausgeber und Chefredakteur P.S.: Ihre Anregungen sind willkommen, unter muellersoares@ringvier.com


GÜNSTIGE SATELLITEN Mit Exchange Traded Funds (ETF) können Investoren preiswert auf grüne Energien setzen seite 14

BRÜSSELS MACHTÜBERNAHME

GRÜNSTROM FÜR DIE WELT Schwellenländer werden die wichtigsten Märkte für erneuerbare Energien – und derzeit entscheidet sich, ob Deutschland daran groß mitverdient seite 40

„WETTBÜRO FÜR POLITIK“ Ökonomieprofessor Ottmar Edenhofer über die Fehler des Emmissionshandels, eine Klima-Zentralbank und Chinas neue Strategie gegen die Kohle seite 20 Die Ukraine-Krise hat die Grenzen der Kleinstaaterei in der Energiepolitik deutlich gemacht. EU-Kommissionspräsident seite 26 Juncker will das nutzen PORTRÄT RAINER BAAKE Der grüne Wirtschafts-Staatssekretär soll die Öko-Szene in die Energiewende einbinden. Für die Aufgabe vertraut er vor allem einem: sich selbst seite 34 WALL STREET INSIDE Flüssiggas-Exporte per Tanker aus den USA nach Europa stehen bevor – und an der Börse wird schon mitverdient seite 24

KOLUMNE FRIEDBERT PFLÜGER Warum die Abhängigkeit der EU von russischem Gas bestehen bleibt seite 32

GREEN MOBILITY 100 TOP-ADRESSEN Die wichtigsten Adressen deutscher und multinationaler Elektroautobauer, Batteriehersteller und InfrastrukturLieferanten seite 65


KOLUMNE FERDINAND DUDENHÖFFER Warum deutsche Autobauer plötzlich dem Emissionshandel huldigen seite 56 OPERATION HEIZKÖRPER Heißer Herbst: Russlands Rohstoffbranche leidet unter Sanktionen – und unter hektischer Tagespolitik seite 58

CARSHARING Elektroautos sind schwer verkäuflich, als Mietwagen in Städten wie Dortmund und Berlin aber heiß begehrt seite 48

AUF- UND ABSTEIGER DES MONATS Irina Lucke (EWE) und Wladimir Jewtuschenkow (AFK Sistema) seite 81

tages akt New uelle s au bizze nergy f today . com

NEWS Nachfolger von EWE-Chef Werner Brinker wird 2015 Matthias Brückmann. Paul van Son leitet künftig die RWE-Geschäfte im Nahen Osten. Ewald Woste verlässt die Thüga seite 80

FRAGE DES MONATS Sollte der Staat die Endlagerung des Atommülls übernehmen? EDITORIAL FOTO DES MONATS ZAHL DES MONATS INNOVATION DES MONATS INSERENTENVERZEICHNIS IMPRESSUM MAL GANZ GRUNDSÄTZLICH GEFRAGT

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kurz & gut. seite 12

FRAGE DES MONATS:

… Sollte der Staat

die Endlagerung übernehmen? Vor der Sommerpause sorgten Pläne von Eon, RWE und EnBW zur Gründung einer öffentlichen Stiftung, zuständig für Kernkraftwerks-Rückbau und Endlagerung, für hitzige Debatten, wenig Zuspruch und große Empörung. Das Thema verschwand zwar aus den Medien, ist aber nicht vom Tisch. Im Gegenteil: Die Fachebene des Bundeswirtschaftsministeriums arbeitet mit Hochdruck an einer Lösung und erhält dabei von einem ehemaligen Dienstherren Ratschläge: Werner Müller, heute Vorstandsvorsitzender der Essener RAG-Stiftung, die als Vorbild dienen könnte.

DR. NINA SCHEER Ausschuss für Wirtschaft und Energie SPD Bundestagsfraktion

Laut Gesetz sind die Betreiber eines Kernkraftwerkes für Rückbau und Entsorgung verantwortlich. Dies entspricht dem allgemeinen Verursacherprinzip. Dafür müssen die Konzerne Rückstellungen bilden. Betrieb und Rückbau sind ein Gesamtpaket. Daran gilt es grundsätzlich festzuhalten. Bevor wir über einen Staatseinstieg reden, sollten wir uns die ordnungspolitischen Grundsätze ins Gedächtnis rufen. Es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, für die Endlagerung die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Daher darf die Endlagerfrage nicht auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden; sonst stellt sich tatsächlich die Frage nach einer Staatsbeteiligung.

Illustration: Valentin Kaden

DR. JOACHIM PFEIFFER Wirtschaftspolitischer Sprecher CDU/CSU Bundestagsfraktion

Fotos: PR

Die Verantwortung für den Rückbau der Atomkraftwerke, die Entsorgung und Endlagerung des atomaren Abfalls liegt bei den AKW-Betreibern. Dies betrifft in allererster Linie die Verantwortung für die finanzielle Grundlage zur Deckung der zukünftigen Kosten. Ein frühzeitiges „Herauskaufen“ aus dieser Verantwortung kann nicht in Frage kommen. Mit den Einnahmen und Gewinnen aus dem jahrzehntelangen Stromverkauf (mit Kraftwerken, die niedrige Grenzkosten aufweisen) sowie mit den besonderen steuerrechtlichen Regelungen zur Bildung von Rückstellungen in Milliardenhöhe, haben die AKW-Betreiber alle Möglichkeiten, entsprechende Rücklagen zur Deckung der künftigen Kosten zu bilden. Der Staat kann und sollte jedoch durch Rahmenbedingungen gewährleisten, dass diese finanziellen Mittel auch zum notwendigen Zeitpunkt sicher zur Verfügung stehen. Dies gilt auch mit Blick auf drohende Insolvenzen der Energie-Konzerne oder das Auslaufen von sogenannten Beherrschungsverträgen zwischen Mutter- und Tochter-Unternehmen. Die Schaffung eines öffentlichen-rechtlichen Fonds, der die Atom-Rückstellungen verwaltet, ist die „Ultima Ratio“, um die Gelder vor einer Insolvenz zu sichern.


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DR. GREGOR GYSI Vorsitzender der Bundestagsfraktion Die Linke

Der Vorschlag der AKW-Betreiber birgt gewaltige Risiken für den Bund. Die Kosten für den Abriss der Atommeiler lassen sich kaum kalkulieren. Vorsichtige Schätzungen gehen von 20 bis 40 Milliarden Euro allein für den Rückbau aus. Auch Erkundung, Bau und Betrieb der Endlager sind extrem teuer. Wie viel Geld dafür nötig ist, lässt sich nicht ernsthaft vorhersagen. Jahrzehntelang wurde die Atomwirtschaft in Deutschland mit Steuergeld unterstützt. Greenpeace schätzt die Subventionen auf 200 Milliarden Euro. Selbst das Umweltbundesamt geht von bis zu 60 Milliarden Euro aus. Dafür haben die Konzerne enorme Gewinne eingefahren. Doch jetzt, da sich wegen des Atomausstiegs kein Geld mehr verdienen lässt, soll die Allgemeinheit ran. Sie soll die Haftung für die unkalkulierbaren Risiken auf ewig übernehmen. Das ist der Kern des Angebotes der Konzerne. Dagegen wehrt sich Die Linke. Sie fordert, dass die Atomkonzerne ihre Rückstellungen, die sie für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung anlegen mussten, in einen staatlichen Fonds überführen. So soll dieses Geld vor einer möglichen Unternehmenspleite gerettet werden. Darüber hinaus sollen die Konzerne weiterhin uneingeschränkt für zusätzliche Kosten haften.

BÄRBEL HÖHN Stellv. Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Bei den Endlagerstätten für radioaktives Material ist der Staat schon heute in der Pflicht und die Verursacher müssen zahlen. Für den Rückbau der AKWs sind die Betreiber zuständig und müssen dafür Rücklagen bilden. Aktuell belaufen sie sich auf rund 36 Milliarden Euro. Hier besteht dringender Handlungsbedarf! Nicht bezüglich der Verantwortlichkeit beim Rückbau, sondern hinsichtlich Transparenz und Verfügbarkeit dieses Geldes. Angesichts der Umbrüche im Energiemarkt ist nicht ausgeschlossen, dass die Rückstellungen der Konzerne – investiert in Kraftwerke, Netze oder ähnliches – nicht mehr werthaltig sind. Die Bundesregierung besitzt nach eigener Darstellung keinerlei Informationen über die Werthaltigkeit und die Angemessenheit der Rückstellungen und vertraut blind auf die Zusagen der Konzerne. Hier brauchen wir schnellstmöglich eine Überprüfung! Und es gilt die vorhandenen Rückstellungen für den AKW-Rückbau zu sichern und vor (weiterem) Wertverlust zu schützen. Die Pleite von Energieversorgern und damit der Verlust der Rückstellungen ist kein ausschließbares Szenario mehr. Deswegen wollen wir die bis dato angelaufen 36 Milliarden Euro in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführen. Solche öffentlich kontrollierte Stilllegungs- und Entsorgungsfonds existieren bereits in der Schweiz und in Schweden.

STEPHAN KOHLER Vorsitzender der Geschäftsführung Deutsche Energie-Agentur (dena)

Auf diese Frage gibt es eine klare Antwort, nämlich nein. Ein andere Frage ist, ob die Rückstellungen der Energieversorgungsunternehmen für die Stilllegung der Atomkraftwerke und die Sicherstellung der Endlagerung in eine öffentliche Stiftung überführt werden sollten? Hier lautet die Antwort: ja! Die Verantwortung für den Betrieb und die Stilllegung der Anlagen müssen weiterhin klar bei den Besitzern und Betreibern liegen. Die Stiftung hätte die Aufgabe, die entsprechenden Vorhaben und Arbeiten der Unternehmen zu finanzieren. Damit könnten Synergieeffekte und Kosteneinsparungen erzielt werden, die bei getrennten Verfahren nicht realisierbar wären. Durch die Überführung der Rückstellungen wären die Finanzmittel gesichert, die für die Durchführung der Arbeiten erforderlich sind. Denn das Ausfallrisiko bei den betreibenden Unternehmen steigt immer mehr, je deutlicher ihre Geschäftsfelder durch die Energiewende beeinträchtigt werden. Ein gutes Vorbild für ein Stiftungsmodell ist die Kohlestiftung, die die Finanzierung der Ewigkeitsaufgaben übernommen hat, ohne sie selbst zu erledigen. Eine ernsthafte Diskussion über ein Stiftungsmodell ist sehr sinnvoll, ohne damit die Unternehmen aus ihrer Verantwortung zu entlassen.


Brüssels Machtübernahme Die Ukraine-Krise hat den EU-Mitgliedern vor Augen geführt, dass Kleinstaaterei in der Energiepolitik nicht weiterführt. Kommissionspräsident Juncker will das nutzen

Illustration: Benyamin Rahmani

_Text JAKOB SCHLANDT


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elbst Brüssel-Insider waren überrascht über die Reihenfolge: Als der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jüngst die fünf Prioritäten seiner Amtszeit vorstellte, fand sich an zweiter Stelle eine „grundlegende Reform“ der Energiepolitik. Die anvisierte europäische Energie-Union möchte er nicht nur besser vernetzen und weniger abhängig von Importen machen, sondern Europa auch zum „Weltmeister erneuerbarer Energien“ machen. Juncker fiel bisher nicht gerade als Energieenthusiast auf, aber er weiß: Die Zeit ist günstig wie nie für eine Revolution in der europäischen Energiepolitik – und könnte der EU einen unverhofften Machtzuwachs bescheren. Bislang hatte Brüssel das Nachsehen. Energiepolitik, so steht es in den Verträgen, ist Sache der Mitgliedsstaaten. Sie können den Energiemix des Landes bestimmen. Die scheidende EU-Kommission versuchte, über die wenigen verfügbaren Hintertüren trotzdem Einfluss zu nehmen. Das Verfahren gegen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz ist so ein Fall. Doch dabei zeigte sich auch, wie begrenzt die Möglichkeiten sind, sich gegen


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den Willen der Nationalstaaten durchzusetzen: Subventionskürzungen für die Strompreise der deutschen Industrie wehrte Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) ab. Nunmehr könnte Brüssel jedoch einen Machtschub erreichen. Der Einmarsch der Russen auf der Krim und der hart geführte Konflikt um die Ukraine haben den Eigenbrötlern in den Hauptstädten klar gemacht, wie verletzlich sie sind. 30 Prozent des in der EU verbrauchten Gases stammen aus Russland. Die Importabhängigkeit quer durch alle Energieträger liegt bei 50 Prozent. Kein Erdteil hängt bei der Energieversorgung so am globalen Tropf wie die Europäer. Bislang galt das vor allem als Kosten- und Umweltproblem, schließlich werden teure fossile Brennstoffe eingeführt. Die Ukraine-Krise hat den Fokus auf die Energiesicherheit geschoben. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündete schon im März nach der Eskalation des Krim-Konflikts eine „neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik“ an. Damals war zu ahnen, was ein deutscher Vertreter in Brüssel heute sagt: „Wer die Problemliste durchgeht, stellt schnell fest: Eine nationale Lösung ist fast in keinem Fall mehr möglich.“

Foto: Europäische Kommission

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EU-ENERGIEIMPORTE IN PROZENT 60 Sonstige 50

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Erdgas Die 28 Mitgliedsstaaten der EU müssen seit zehn Jahren mehr als die Hälfte ihres Energiebedarfs durch Importe decken. Besonders die Abhängigkeit von Gaslieferungen hat zugenommen. Das kostet Geld – und birgt politische Risiken. Die neue EU-Kommisison will gegensteuern.

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Quelle: EU-Kommission

Zwei Beispiele unterstreichen das – ein positives und ein negatives. Wenn die Europäer nur wollen, können sie gemeinsam erstaunlich viel erreichen. So wurden die Russen kalt erwischt, als die EU-Staaten das Verhandlungsmandat für die Gespräche mit Moskau über die durch die Ukraine-Krise bedrohten Gaslieferungen an die Kommission übertrugen. Sie wollten nach dem Prinzip „divide et impera“ ihre Macht ausspielen. In einem Notfallplan ist nun festgelegt, wer im Krisenfall wem helfen muss. So konnte verhindert werden, dass die besonders verletzlichen Osteuropäer einknicken. Und die Ukraine erhielt durch einen schnellen Umbau an einigen Pipelines sogar noch vor dem Winter Lieferungen aus dem liquiden EU-Markt. Der Strommarkt dagegen zeigt, dass jahrelange Integrationsbemühungen ins Leere laufen können. Zwar sind Strom- und Gashandel durch die Reformen des dritten Energiepakets seit 2009 immer besser aufeinander abgestimmt. Deutscher Strom wird längst auch in Paris gehandelt. Diverse Transparenzvorschriften liefern in Echtzeit ein gutes Bild über die europäische Stromversorgung . Doch ein gemeinsamer Markt lässt sich nicht simulieren, wenn die physischen und politischen Realitäten in

eine völlig andere Richtung drängen. So haben sich trotz allem die deutschen Stromhandels-Großpreise im Vergleich zu vielen Nachbarn nach unten abgekoppelt, weil die Preise hierzulande durch den Ausbau erneuerbarer Energien gedrückt werden. „Der Energiepreis für ein Stahlwerk hängt stärker davon ab, auf welcher Seite des Rheins es steht als von seiner Energieffizienz“, so Georg Zachmann vom Brüsseler Think-Tank Bruegel. Die Synchronisierung der europäischen Energiepolitik hat Grenzen. Kaum vorstellbar ist etwa, dass atomfreundliche Briten und Franzosen die Deutschen auf ihren Kurs zwingen. Doch in vielen Bereichen ist Kooperation möglich. So bastelten viele EU-Länder lange Zeit an isolierten Modellen für nationale Kapazitätsmärkte, um defizitäre, aber systemnotwendige fossile Kraftwerke zu stützen. Inzwischen ist klar: Solche Alleingänge verzerren Märkte und provozieren Subventionsspiralen. Deutschland will sich nun eng mit Frankreich abstimmen, das 2015 einen Kapazitätsmarkt einführt. Die Kommission hat bislang nur vorsichtige Empfehlungen ausgesprochen – doch bald könnte sie sich lauter einmischen. Der neue EU-Energiekommissar Miguel Arias Cañete machte in seiner Heimat Spanien die


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? NEU GEMISCHTE KARTEN IN BRÜSSEL

Miguel Arias Cañete| Der Spanier wird Nachfolger des deutschen Kommissars Günther Oettinger – und Insider erwarten, dass der Chef des Energieressorts weiterhin bei diesem Thema der

stärkste Mann in Brüssel bleiben wird. Im Gegensatz zum Energie-Unions-Kommissar verfügt er über einen schlagkräftigen Verwaltungsapparat und damit eine Hausmacht. Cañete war ebenfalls umstritten, weil er mit der Ölindustrie verbandelt ist und bis vor kurzem sogar Aktien aus der Branche hielt. Dennoch winkte ihn das Parlament am Ende durch. Der ehemalige spanische Umweltminister konnte glaubhaft machen, dass ihm am Ausbau der erneuerbaren Energien viel gelegen ist. Fachlich steht er voll im Stoff. Jean-Claude Juncker| Der Luxemburger Kommissionspräsident räumt dem Thema Energie höchste Priorität ein – und kann aufgrund der UkraineKrise darauf hoffen, mehr Macht in Brüssel zu ballen. Die Regierungschefs sind dafür deutlich offener als noch vor einem Jahr. Einige Personalien vermiesten ihm allerdings den Start etwas.

Margrethe Vestager | Die sozialliberale Dänin hält als neue Wettbewerbskommissarin einen Schlüsselposten auch für den deutschen Energiesektor. Vestager, die bislang als Wirtschaftsministerin in Kopenhagen arbeitete und ein politisches Schwergewicht ist, wird zum Beispiel über die Regeln für Ausschreibungen für erneuerbare Energien, die ab 2017 starten, wachen. Sie wird vermutlich ähnlich marktliberal agieren wie ihr Vorgänger Joaquín Almunia. Günther Oettinger | Themen wie ECommerce und eine einheitliche digitale Infrastruktur stehen für den neuen deutschen Digital-Kommissar im Vordergrund. Oettinger will aber auch Verbindungen zu seinem Ex-Ressort Energie aufrechterhalten – im Kommissarskollegium wird er sich beim diesem Thema einmischen. Und es gibt sogar einige direkte Schnittstellen, zum Beispiel Smart Grids und Meter.

Fotos: Europäische Kommission; depositphotos.com

Die Unbekannte | Die Slowenin Alenka Bratušek sollte nach dem Willen von Jean-Claude Juncker, dem Chef der neuen EU-Kommission, Vize-Präsidentin werden und die Energieunion vorantreiben. Doch Bratušek, die in Slowenien als Ministerpräsidentin kürzlich die Wahl verlor, ist vom Europaparlament abgelehnt worden. In der Anhörung konnte sie nicht überzeugen und wiederholte Wortstanzen. Dass Juncker es auf einen Bruch mit dem Parlament ankommen lässt und versucht, sie trotz der Ablehnung durchzudrücken, gilt als unwahrscheinlich. Als Ersatz gehandelt wurde bei Redaktionsschluss unter anderem Sloweniens derzeitige Entwicklungsministerin Violeta Bulc.


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bittere Erfahrung, dass unabgestimmte Energiepolitik ins Chaos führt. Bei der Ökostromförderung vollzog Spanien nach einem überteuerten Boom eine Vollbremsung – der die Investoren vergraulte und zu einer langen Kette an staatlichen Eingriffen führte. In Berlin wird Cañete misstrauisch beäugt, kommt er doch aus der Ölbranche und ist sicher kein Feind der Kernkraft. Auf der anderen Seite hat europäische Integration für jedes EU-Mitglied seinen Preis. So, wie sich Deutsche an der Atomkraft stoßen, ärgern sich Polen über die EU-Klimapolitik, die ihren Kohlestrom verteuert. Dennoch: Der Gewinn an Sicherheit durch bessere Abstimmung ist für alle groß. Zum ersten großen Prüfstein für Brüssel werden die Verhandlungen um die Klimaziele für 2030. Schon beim Gipfel der EU-Regierungschefs am 23. und 24. Oktober könnte in Brüssel eine Entscheidung fallen. Noch im Frühjahr befürchtete man, dass eine gemeinsame Strategie für den UN-Klimagipfel in Paris Ende 2015

an den Osteuropäern scheitern könnte. Doch nun scheint ein gemeinsames Ziel möglich: 40 Prozent weniger Treibhausgase in der EU bis 2030. Auch der Wille, den Emissionshandel wiederzubeleben, ist spürbar. Sogar ein verbindliches Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren, die 2030 rund 27 Prozent des Bedarfs decken sollen, könnte vereinbart werden – ebenso wie ehrgeizige, wenn auch nicht verbindliche, Effizienzvorgaben. Ärmeren Mitgliedern wie Bulgarien, Rumänien und Polen will EU-Kapitän Juncker die Zustimmung mittels großzügiger Finanztransfers abkaufen. So würde die Klimapolitik unter dem Motto „Effort-Sharing“ eine breit aufgestellte gemeinsame Finanzierung der Energieinfrastruktur einläuten. Wenn der große Deal beim Klimaschutz unter Dach und Fach ist, würde Junckers Kommission mit einem starken Mandat bei der Energiepolitik in ihre Amtszeit starten. Sie kann dann ihre historische Chance nutzen, die sie Wladimir Putin zu verdanken hat: Der Kontrollgewinn über die europäische Energiepolitik.

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KOLUMNE

Das PingPong-Spiel Deutschlands Autobosse huldigen plötzlich dem Emissionshandel – aus eigennützigen Motiven. Sie sollten sich besser an China orientieren

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er hätte gedacht, dass deutsche Autobosse einmal positiv über den Emissionshandel reden würden? 2008 hatte das CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen in einer Studie unter meiner Federführung vorgeschlagen, die Automobilindustrie in den Emissionshandel einzubeziehen und die dazu notwendigen Schritte aufgezeigt. Sofort wischten der Branchendachverband VDA und andere Lobbygruppen diesen Vorschlag vom Tisch: Alles viel zu theoretisch, praxisfern, völlig untauglich – basta. Stattdessen setzten die Autobosse technische Vorgaben für Neuwagen auf die Agenda, mit denen der CO2-Ausstoß begrenzt werden sollte.

Im Jahre 2011 versuchte die EU-Kommission, in Europa eine Energiesteuer einzuführen. Sie schlug vor, Kraftstoffe nicht mehr willkürlich, sondern nach Energieinhalt und CO2-Ausstoß zu besteuern. Das Ziel lautete: Wer energiesparend fährt, bezahlt weniger Steuern. Solche Vorschläge führen zur De-Industrialisierung, behaupteten die deutschen Autobosse und riefen die Bundeskanzlerin um Hilfe, die tatsächlich in Brüssel intervenierte. Also wanderte auch dieser Vorschlag in den Papierkorb. Stattdessen schrieb die EU-Kommission Grenzwerte vor: Bis zum Jahre 2015 dürfen die in der EU verkauften Neuwagen im Schnitt nicht mehr als 130 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. Das entspricht für den Durchschnitts-

Illustration: Valentin Kaden

_Text FERDINAND DUDENHÖFFER


Neuwagen etwa 5,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer oder 5,1 Liter Diesel. Wer das nicht erreicht, muss Strafe bezahlen. Da CO2-Standards nicht für die Ewigkeit bestimmt sind, sondern den technischen Fortschritt berücksichtigen sollen, wurden nach langen Diskussionen und einem erneuten Einsatz der Bundeskanzlerin der Standard von 95 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer für Neuwagen für das Jahr 2022 festgelegt. Bis dahin ist zwar noch etwas Zeit, aber die Autohersteller müssen den Boom der sportlichen Geländewagen (SUV), der mit ständig wachsenden CO2Ausstößen verbunden ist, kompensieren, um den EU-Normen zu genügen. Dazu müssen sie nach dem Jahr 2022 am besten ein paar Elektroautos verkaufen, die aber bekanntlich teuer sind und zu wenig Anklang bei den Käufern finden. Das

vorfährt. Die Reaktion der Autofahrer wäre vorprogrammiert: Keine. Die Reaktion der Energiepreise in Deutschland ist auch klar: Strom wird teurer, weil die Emissionszertifikate im Preis steigen. Das wäre kein Unglück, aber im Übergangszeitraum bei den hohen deutschen Strompreisen zumindest unangenehm. Richtig unangenehm würde es dabei übrigens für die alternativen Antriebe: Elektroautos, Plug-in-Hybride, Erdgas-Autos… – von der Brennstoffzelle ganz zu schweigen. Ihre Programme zur Produktion alternativer Antriebe könnten die Autobauer dann getrost einmotten und wie bisher komfortabel im großen Stil ihre Diesel-SUV verkaufen.

Autobauer könnten die Arbeit an alternativen Antrieben einstellen

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ist ein Problem, zumal die EU-Kommission schon plant, den technischen Fortschritt auch nach dem Jahr 2022 zu weiteren CO2-Einsparung zu nutzen und die Emissionsnormen für Neuwagen weiter zu verschärfen. Das könnte unangenehm werden. Just zu diesem Zeitpunkt hat nun Opel-Chef Karl-Thomas Neumann die Vorzüge des Emissionshandels auf einer USA-Reise entdeckt. Neumanns Fazit lautet: „Die Amerikaner haben durch die Beispiele im eigenen Land angeregt, den Straßenverkehr insgesamt in den Emissionshandel einzubeziehen.“ Offenbar soll also der Opel-Slogan „Umparken im Kopf“ jetzt auch beim Klimaschutz gelten. Der mächtige Verband der Automobilindustrie (VDA) diskutiert intern bereits, ob er sich den Neumann-Vorschlag zu eigen macht. Was steckt hinter diesem plötzlichen Sinneswandel? Der Trick dabei ist: Der Emissionshandel würde Benzin und Diesel zwar verteuern, aber nur zwischen einem und zwei Cent pro Liter bei den derzeitigen Ramschpreisen für Emissionszertifikate. In diesem Szenario würden die Hersteller fleissig ihre heutigen Autos weiterbauen; der Kunde würde dann an der Tankstelle etwas mehr bezahlen, wenn er mit dem SUV

Wer wenig mit Elektroautos im Sinn hat – dazu zähle ich den Opel-Chef – wird eine solche Entwicklung kaum bedauern. Er verkauft nur in Europa und eben nicht in China, wo man derzeit sehr deutlich auf Elektroautos umsteuert. Wer in China verkaufen will, braucht innovative Elektroautos. Der Emissionshandel erlaubt zwar, CO2 zu den geringsten Kosten einzusparen. Trotzdem darf man nicht opportunistisch zwischen Systemen hin- und herspringen, nach dem Motto: Wenn‘s mal gerade passt, sind wir für den Emissionshandel, wenn es den Verkauf von Diesel-Pkw beeinträchtigt, wollen wir eben keine Energiesteuer. Ja, wir sollten unser System verbessern. Aber richtig. Die Energiebesteuerung der EU-Kommission war ein vernünftiger Ansatz. Die Autoindustrie ist für Deutschland enorm wichtig. Innovationen sind das Lebenselexier dieser Branche. Auch deshalb sollten wir nicht Ping-Pong mit Systemen spielen, sondern die Entwicklung im wichtigsten Automarkt der Welt genau verfolgen – das ist nicht Nordamerika, sondern China. Dort wird das System langfristig in Richtung klimaschonende Mobilität gelenkt. Der OpelChef sollte das nächste Mal lieber nach China fahren und sich dort inspirieren lassen.

FERDINAND DUDENHÖFFER ... ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.


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