TRAIL-Magazin-4/16

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TRAIL MAGAZIN

REPORT SRI LANKA / REVIER: SIEBENGEBIRGE / LAUF-WOCHENENDE IN BOLOGNA

DAS LAUFMAGAZIN NR.1 F Ü R T R A I L - R U N N E R

5.2014 DEUTSCHLAND ¤ 4,50

JULI AUGUST 2016

16 TRAILOUTFITS FÜR DEN SOMMER.

VON OBEN BIS UNTEN GUT AUSSEHEN.

ÖSTERREICH ¤ 5,20 SCHWEIZ SFR 8,80 LUXEMBURG ¤ 5,30 ITALIEN ¤ 6,10 SPANIEN ¤ 6,10 FRANKREICH ¤ 6,10

W W W. T R A I L - M A G A Z I N . D E

4

TRAININGSTIPPS! FÜR DIE ULTRAS DES SOMMERS

MEDIZIN WIESO WIR ALLE TRAILS LAUFEN SOLLTEN.

WIESO MAN LAUFIDOLE BRAUCHT!

g n u t s ü r s Au

! t e t s gete

S INTERVIEWON IDA NILSS NET KILIAN JOR K E N, REGENJAC AUFSTÖCKE, L E & RUCKSÄCK HE TRAILSCHU


SAVE

STUBAI ULTRATRAIL - URBAN2GLACIER | 62,5 KM | 5127 HM [START INNSBRUCK | ZIEL STUBAIER GLETSCHER]

30.06. BIS 01.07.2017

STUBAI BASICTRAIL – NEUSTIFT2GLACER | 28,6 KM | 2713 HM [START NEUSTIFT | ZIEL STUBAIER GLETSCHER]

THEDATE

DER STUBAI ULTRATRAIL IST DIE ULTIMATIVE HERAUSFORDERUNG IM HERZEN DER ALPEN. UNTER DEM MOTTO "URBAN2GLACIER" GILT ES, INNERHALB EINES TAGES VON DER OLYMPIASTADT INNSBRUCK, INMITTEN TIROLS, BIS AUF 3.150 METER SEEHÖHE AUF DEN STUBAIER GLETSCHER ZU LAUFEN – VON DER STADT INS EWIGE EIS.

WIN

WIN

EVENT COMPANY

S T U B A I - U L T R A T R A I L . C O M


Story Nummer 1 Dieses Cover ist anders. Ganz eindeutig zu erkennen – keine Fotografie, kein Starläufer im Blitzlicht, keine Trailrun-Lady in neuem Outfit und auch kein neues Schuhmodell, das sich auf den Titel geschlichen hat. Eine Zeichnung. Eine bunte Illustration von einem Künstler, der ein eingeschworener TRAIL-MagazinLeser ist und zu uns sagte: "Ich will für euch was malen und ich bin sicher, es kann das neue Cover werden!" Wir berieten uns intern und waren begeistert, wir befragten unsere Community und die sagte "Spitze!". Etwas kritischer war hingegen unser Vetrieb. "Nun ja, schick, aber ob sich das verkauft? Am Ende steckt die Dame vom Kiosk euer Heft zu den Comics!" Philipp Jordan vom Podcast-Blog FATBOYSRUN hat diesen drahtigen "Krupicka-Fake" auf Papier gezaubert und wir sagen DANKE! Wenn Philipp nicht über Laufsport redet und den Stift schwingt, liest er übers Laufen. Das sind seine aktuellen Favoriten:

Scott Jurek: "Eat & Run"

Es ist einfach unglaublich motivierend, diesen Menschen bei seinen Abenteuern zu begleiten und nebenbei viel über vegane Ernährung zu lernen.

Rich Roll: "Finding Ultra"

Rich Roll erzählt seine packende Lebensgechichte vom Alkoholiker zum Ultra-Athlet.

Dean Karnazes: "Ultramarathon Man"

Kein Buch beschreibt die hohe Kunst des Leidens vom Western States 100 bis zum Badwater Ultramarathon so gut wie dieses.

Philipp Jordan

ist einer der beiden FATBOYSRUNPodcast-Hosts und kann viele Fragen stellen, aber eben auch toll zeichnen!

EDITORIAL

Nach mehr als 27 Vorwörtern, Editorials und Intros sollte ich mir als Hefteinstieg endlich mal was anderes einfallen lassen. Hey, das mit dem anderen Cover hat funktioniert – haben wir einfach mal gewagt. In der Vergangenheit hatte ich an dieser Stelle meist geschrieben, was im Heft steckt, die einzelnen Themen skizziert oder Menschen vorgestellt, die irgendwas und irgendwie mit dem Heft zu tun haben. Wir haben immer wieder erklärt, was so toll am Laufsport ist und was die Profis alles können und warum sie so krass und schnell sind. Blablabla. Einmal, nur einmal will ich schreiben, was die Trailer alles falsch machen. Ich lege los und wünsche danach viel Spaß mit einer Ausgabe, in der viel steckt und die euch in den besten Trailrun-Sommer der Geschichte schicken wird.

16 Fehler, die Trail-Runner ständig machen ... Schnelle Rennen laufen wollen, aber langsam trainieren Sich in der Auswahl der Trailschuhe zu sehr einschränken Nicht erholen, keine Ruhephasen gönnen und nicht konsequent faulenzen

Die Umwelt ständig mit Geschichten übers Laufen nerven Sich beirren lassen und nicht beibehalten was eigentlich gut funktioniert Zu viele Wettkämpfe laufen und echte Highlights riskieren Immer die selben Trail-Strecken laufen Sich neuen Dingen gegenüber verschließen Halbherzig mit Verletzungen umgehen Nichts dem Zufall überlassen Müll wegwerfen und danach allen erzählen, wie sehr wir Läufer auf die Umwelt und Natur achten Ständig über die 10-km-Bestzeit reden, aber chilliger Trailläufer sein wollen Vor lauter wichtigem Alternativsport nicht mehr laufen Aus Laufschuh-Technologie eine Wissenschaft machen An schönen Orten und Stellen vorbeilaufen, ohne einen Stopp zu machen Die Sportuhr stoppen, wenn man pinkelt oder an einer Ampel wartet

Euer Denis Wischniewski Herausgeber TRAIL


KINABALU ENDURO

ALL TERRAIN KOMFORT NO SHORTCUTS*

SCOTT-SPORTS.COM © SCOTT SPORTS SA 2016 | Photo: Fabio Menino


INHALT

4/2016

IMPRESSUM ››97 INHALT ››5 EDITORIAL ››4

64 LICHTENSTEIN TRAIL

Alles über unser Festival des Trails im schwäbischen Lichtenstein aus Sicht des Veranstalters.

74 WARUM WIR IDOLE BRAUCHEN Nolle über Laufidole und wieso es gut ist, welche zu haben.

78 PRAXISTEST

Geprüft und gelaufen: Berg Outdoor, La Sportiva, Marmot, Icebug, Salomon, ...

80 TRAINING: ULTRALAUF

ZUT-Sieger Michael Arend verrät seinen Trainingsplan und gibt die besten Tipps für die Ultratrails des Sommers.

84 SOMMERMODE

06 TRANSGRANCANARIA

Unser Autor Dr. Torsten Niecke war früh im Jahr bei einem ersten Highlight unterwegs und wurde natürlich behandelt.

Mit diesen Outfits kann man auch diesen Sommer stilgerecht überleben.

12 REPORT SRI LANKA

90 MÜNCHEN - ISTANBUL

Rafael Fuchsgruber ist der deutsche Wüstenläufer schlechthin. Für TRAIL begab er sich exklusiv in ein Abenteuer nach Sri Lanka.

Die Vorbereitungen zum Mammutlauf von München bis Istanbul.

20 JOURNAL / NEWS

94 KILIAN JORNET

Transvulcania, Kolumne, Produkte, Bleilochlauf, Salzburg, Medizin, Skyrunner-Serie 2016, Lesercamp Garmisch ...

Endlich hatten wir ihn vor dem Aufnahmegerät – Kilian Jornet war in Stuttgart und wir bei ihm.

32 PRAXISTEST STÖCKE / REGENJACKEN

Für die Trailsaison in den Alpen sind Stöcke und Wetterschutzjacken eine Pflicht. Wir haben beides ausgiebig getestet.

42 DAS ERSTE MAL ...

... in Sandalen gelaufen. Wie es sich anfühlt ganz ohne Dämpfung.

44 LESERCAMP GARDASEE

Das Lesercamp am Gardasee eröffnet seit vielen Jahren unsere Saison und verliert nie seinen Reiz. Diesmal passte wirklich alles!

48 INTERVIEW MIT IDA NILSSON

Plötzlich im Rampenlicht der internationalen Trail-Szene. Ida Nilsson gewinnt die Transvulcania und wir konnten mit ihr reden.

50 PERFEKTES WOCHENENDE IN BOLOGNA

Die Band Wanda singt "Bologna, meine Stadt" und unser Autor folgt dem Titel ohne Zögern. Ein Wochenende zum Nachmachen.

56 REVIERGUIDE SIEBENGEBIRGE

Bei Bonn liegt das das Siebengebirge und wir durften dort zu Gast sein, um mit vielen Lesern ein Fest des Traillaufs zu feiern.

50 BOLOGNA LAUFEN, KULTUR, GUTES ESSEN. WIE MAN LÄUFERISCH EIN WOCHENENDE GESTALTEN KANN.


FOTOSTORY / TRANSGRANCANARIA TEXT: TORSTEN NIECKE FOTOS: CARLOS DIAZ RECIO

Früh im Jahr, eigentlich viel zu früh, startet der TRANSGRANCANARIA! Für unseren Autor Torsten Niecke war der Trip auf die Insel aber viel mehr als nur ein Rennen, es war eine echte Therapie. Der Arzt aus Hamburg behandelte sich also selbst. Die Eigendiagnose – "Läuferische Winterdepression".

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DA WAR DOCH WAS!


REPORT / SRI LANKA

ALLES AUSSER GEWÖHNLICH. 12 / 13 TRAIL MAGAZIN


Er ist der deutsche Wüstenläufer schlechthin – Rafael Fuchsgruber ist seit Jahren Dauergast bei den Etappenrennen der 4 DESERTS SERIE und ein erfolgreicher Buchautor. Für TRAIL machte er sich diesmal auf den Weg nach Sri Lanka und kam mit vielfältigsten Erinnerungen im Gepäck zurück. TEXT: RAFAEL FUCHSGRUBER FOTOS: RACING THE PLANET


FOTOSTORY REPORT / SRI / DAMIEN LANKA ROSSO

Nachtlager auf Echtholz. Hier schlafen die Teilnehmer und erholen sich von den Strapazen der Etappe.

Wenn ich im Flieger meine Sitznachbarn auf ihren verschmähten Nachtisch anspreche, ist mein Hunger wohl größer als meine guten Manieren. Wenn die Flugbegleiterin dieser ob einer gewissen Nobelesse gerühmten Fluglinie aus den Vereinigten Emiraten mich dabei beobachtet und mir anbietet, eine zweite Mahlzeit zu organisieren, scheine ich wohl auch rein visuell eine gewisse Bedürftigkeit auszustrahlen. Die 250 km über die höchsten Berge Sri Lankas, durch den Dschungel und die Tee- und Zuckerrohrplantagen, vorbei an Reisfeldern und runter zum indischen Ozean – ja, die hatten es in sich. Eine Woche zurück: Es gibt ein fröhliches Stelldichein in Kandy, der höchsten Stadt im Zentralgebirge Sri Lankas. Einige der aus aller Welt angereisten Ultra-Trailer kenne ich schon gut von anderen großen Läufen. Auch die Crew vom Veranstalter 4deserts ist für mich über die Jahre fast zu einer kleinen Familie geworden. Wettervorhersage: 130 Liter Regen pro Tag Check-in Prozedur im Hotel: Es werden Pflichtausrüstung und Gesundheitsunterlagen kontrolliert. Jeder Teilnehmer ist für seinen Rucksack und die darin befindliche Verpflegung, Klamotten, Schlafsack, Sicherheitsausrüstung selbst verantwortlich. Vom Veranstalter kommen Zelt, Wasser und alle 10 km 14 / 15 TRAIL MAGAZIN

ein Checkpoint. Wir leben in Camps und werden die Strecke in sechs Etappen zurücklegen. Wir starten auf 2000 m Höhe in den Bergen, in denen es nachts schon empfindlich kühl wird, und kommen am indischen Ozean an, wo wir es satt heiß haben werden. Aber vor allem die angekündigten Niederschlagswerte sind abenteuerlich – da werden schon mal als Niederschlagsmenge für den nächsten Tag vollkommen unlustige 130 Liter prognostiziert. Dementsprechend haben wir das mit den Hardshells sehr, sehr ernst genommen. Und unsere Rucksäcke wiegen so statt der anvisierten acht schon mal zehn oder zwölf Kilogramm. Aber Dschungel heißt ja nicht umsonst auch Regenwald. Wir sind knapp 80 Starter, gemeinsam mit der Crew geht es in vier Bussen durch die Berge zum ersten Camp. Normalerweise keine große Story. Hier und heute aber schon. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände auf Sri Lanka sind einige Jahre her, aber das Thema Sicherheit sollte im Inselstaat im Indischen Ozean noch immer sehr ernst genommen werden. Der Veranstalter 4deserts tut dies definitiv. Und so begleitet eine Polizeieskorte und hintendran zwei große Geländewagen mit bewaffneten Militärs unsere Fahrt. Apropos: Der Verkehr auf Sri Lanka ist das gleiche Chaos wie in Neu Delhi oder Mumbai. Tuk-Tuks, die sich wie Schwärme bewegen und viel zu viele Autos für die engen Straßen in den engen Städten in den Bergen. Der Verkehr funktioniert wie der Wilde Westen: Wer


schneller zieht, überlebt. Unsere Phalanx aus Polizeimotorrädern, Einsatzwagen und nachfolgenden Bussen schneidet einen Weg durch das Chaos: ein Anblick wie umherfliegende Römer, wenn Obelix die Schildkrötenformation von Cäsars Heer angreift. Meine Freunde und Bedenkenträger der political correctness – jaaaha! – hat aber leider doch Spaß gebracht. Ein außergewöhnliches Rennen wartet auf uns. Und mindestens im Unterbewusstsein beginnen wir zu ahnen: Die Ausfallquote bei dieser Veranstaltung wird höher sein als sonst, obwohl die meisten Teilnehmer sehr erfahren sind. Schon am ersten Tag steht im Roadbook zu jedem Streckenabschnitt das selbe Wort: difficult. Am Ende werden es rund 37 km und 1300 hm, die wir nur bergab laufen. Der darauffolgende Tag hat 2200 m im Downhill, die 1000 m Anstieg nehme ich da schon als Erholungsphase. Nur gehen davon große Teile durch den dichtesten Dschungel. Heißt: kein Weg – an einigen Stellen kaum mehr als mit der Machete freigeschlagene Pfade. Überall steht etwas im Weg, liegt etwas im Weg, hängt von oben etwas im Weg – nur Weg hat es keinen. Das erste Mal, dass ich in 3.000 Wettkampfkilometern im Dschungel oder der Wüste Streckenabschnitte auf allen vieren hinter mich gebracht habe. Von Schlamm, Wasser und Stolperfallen ganz zu schweigen. Einen überwucherten viereckigen Betonschacht kann ich nicht sehen und stürze mit einem Bein in die Tiefe. Mit dem ande-

ren stehe ich noch draußen. Mit meinen dazwischen befindlichen Weichteilen setze ich auf der Betonkante auf. Tut weh, aber die werden diese Woche eh nicht mehr gebraucht. Als wir aus dem Dschungel rauskommen, geht es wahlweise senkrecht den Berg rauf durch die Plantagen, oder noch schlimmer, senkrecht durch diese bergab. Man kann sich das in etwa so vorstellen wie das Anbaugebiet vom Kröver Nacktarsch – jener nicht nur ob seines Namens legendären Steillage in den Weinbergen der Mosel. Übernachtung in einer ausgedienten Teefabrik Nun hatte der Herr Fuchsgruber 2014 eine Knieoperation und überhaupt schon länger Beef mit eben jenem Körperteil. Ein Grund, warum ich mich – obwohl ich die Berge liebe – nie bei UTMB, Transalpine oder dem Tor der Geants blicken lasse. In der Vorbereitung zu Sri Lanka hatte ich mir allerdings das Streckenprofil zu spät angeschaut, dem musste ich nun Tribut zollen. Bergrunter überholen mich viele. Einige habe ich bergan wieder gekriegt – aber längst nicht alle. So reicht es die ersten beiden Tage nur für Platz 8. Schwerwiegender ist die Tatsache, dass sich das Knie aufgrund der Strapazen entzündet. Obwohl bei 4deserts immer ein erfahrenes Ärzteteam am Start ist, hatte ich genau diese Situation mit meinem Orthopäden Frank Schmähling und Physio Christian Bils im Vorfeld zum Thema gemacht. Es traf mich somit nicht unvorbereitet, und von speziellen


JOURNAL 4/2016 LAUFEN IST DIE WUNDERWAFFE!

NENNE EIN THERAPEUTIKUM, DAS GEGEN FOLGENDE LEIDEN HILFT: ERKRANKUNGEN DES HERZ-KREISLAUF-SYSTEMS, BLUTHOCHDRUCK,HERZMUSKELSCHWÄCHE, KORONARE HERZKRANKHEIT, STOFFWECHSELSTÖRUNGEN WIE ZUCKERKRANKHEIT UND HYPERCHOLESTERINÄMIE, OSTEOPOROSE, DEPRESSION, KREBS, DEMENZ UND ALZHEIMER. DIE ANTWORT: BEWEGUNG.

Dieses Wissen ist, so unglaublich es klingt, erst in den letzten Jahren wissenschaftlich durch viele Studien zweifelsfrei gesichert worden. Eine Erkenntnis, die dringend notwendig ist. Denn das Leben im 21. Jahrhundert ist arm an körperlicher Bewegung. Aus den Erfahrungen der Menschheitsgeschichte, aus körperlicher Schinderei und Hunger hat sich ein Schutzverhalten in den Köpfen festgesetzt: Schonung und kräftiges Essen. Das war lange Zeit ein guter Plan. Die Verbreitung des Autos und anderer Gehund Steighilfen reduzierten die alltäglichen körperlichen Betätigungen gewaltig. Die Menschen in den industriellen Ländern veränderten sich. Die Muskelmasse schwand und das Gewicht stieg an. Neue Krankheiten nahmen den Platz der besiegten Seuchen ein. Nach einigen Jahrzehnten der Ratlosigkeit ist sich die Wissenschaft nun hundertprozentig sicher, ein wesentlicher Teil der Behandlung dieser neuen Krankheiten ist die Bewegung. Ein Co-Therapeutikum. Unabhängig von speziellen Fragestellungen hat sich das Ausdauertraining in Kombination mit Intervall- und Krafttraining als am effizientesten erwiesen. Jedes Licht hat seine Schattenseiten. Unfälle und Verletzungen trüben die positive Bilanz. In vielen Lebensbereichen überschreiten wir die strukturellen und mentalen Belastungsgrenzen des menschlichen Körpers. Das ist Teil des Programms der Zivilisation. Wir können mit einem Flugzeug

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so schnell fliegen, dass wir ein Hindernis sehen, dies aber nie erfahren werden, da die Zeit bis zur Kollision kürzer ist als unsere Übertragungszeit vom Auge zum Gehirn. Wir können auf einem perfekten Fußballrasen auf über 20 km/h beschleunigen, um dann mit unseren perfekten Fußballschuhen spontan auf null abzubremsen. Dummerweise fehlt uns die perfekte Bremse, das Kniegelenk lässt grüßen. Und wenn wir bei 50 km/h vom Rad katapultiert werden, kann schon einiges zu Bruch gehen. Oder wir schnallen uns lange Hebel (Ski) an die Füße. Diese Hebel wirken dann wie eine Brechstange. Hier grüßt meist das vordere Kreuzband. Ich möchte hier nichts schlechtmachen. Auch ich fahre Ski und Rad. Nur, wir sollten uns der Risiken bewusst sein. Risikomanagement! Denn vieles ist auch nach einer perfekten medizinischen Behandlung nicht mehr so gut wie von der Natur gegeben. Ausdauertraining in Kombination mit Intervall- und Krafttraining! Da war doch was! Vor einigen Jahrhunderten, als wir unserem Essen noch hinterherjagten. Ausdauernd verfolgen, sprinten, das Tier erlegen, zerteilen und dann über viele Kilometer nach Hause schleppen. Über Generationen sind wir in diese Anforderungen hineingewachsen. Viele hunderttausend Jahre war das Laufen eine überlebenswichtige Fähigkeit. Und was wichtig ist: Wir haben uns an die Verletzungsrisiken dieser „Sportart“ adaptiert. Die Zeitspanne, seit der es Ackerbau, Viehzucht und Supermärkte


Das Magazin rollt wieder ...

2 1 . - 24 . s e pte m b e r

Im September rollt zum zweitenmal das TRAIL-Magazin-Mobil durchs Land, macht hier und da einen Stopp, nimmt euch auf einen Trailrun mit und liest euch im Anschluß was vor. Partner SCOTT stellt Test-Trailschuhe zur Verfügung und so nennen wir das einfach ROADSHOW. Kommen und mitlaufen. 21. September NTC Obersdorf 22. September Sport Kiefer Freiburg 23.September Mein Ausdauershop Niedernberg 24.September Sport Schneider Lennestadt

gibt, ist ein Wimpernschlag in unserer Entwicklungsgeschichte. Unsere Genetik hinkt der Zivilisation hinterher. In vielen Bereichen sind wir noch auf Urzeit programmiert. Für die Behandlung von Zivilisationskrankheiten ist der Laufsport, abgesehen vom individuellen Einschränkungen, das beste Bewegungstherapeutikum. Aber das Beste mit Stern ist Trailrunning! Abgesehen von der Freiheit und dem Naturerleben besitzt diese Form des Laufens einen besonderen Aspekt. Der Lauf auf einem anspruchsvollen Trail schult und stärkt das Nervensystem und insbesondere das Gehirn. Das Laufen auf zwei Beinen ist an sich schon eine komplexe biologische Leistung. Fast 16 Monate brauchen Menschenkinder, um Laufen zu lernen. Richtiges Rennen, was im sportlichen Sinne das Laufen ist, können Kinder mit zwei Jahren. Ab da gibt es kein Halten mehr. Es wird mehr gerannt als gegangen. Erwachsene rennen nicht. Jedenfalls nicht im regulären Leben. So verlieren viele Kinder mit dem Erwachsenwerden die Freude am Rennen. Im Erwachsenenalter wird kontrolliert gerannt, gejoggt oder gelaufen. Teils aus Freude an der eigenen Leistung, teils wegen der Körpermasse oder der Gesundheit. Die Wege sind logischerweise zivilisiert - eben oder asphaltiert. Sie sind künstlich. Was aber bedeuten für uns Wege, die krumm, uneben, rutschig, steil und voller Überraschungen sind? Nicht nur unsere Muskeln müssen rackern, sondern unser Gehirn leistet Schwerstarbeit. Jeder Schritt ist neu zu berechnen, der Körper ist zu balancieren und ganz nebenbei sind auch die nächsten 10 m zu planen. Darum sollten wir Trailrunner uns bei einem heißen Downhill auch nicht ablenken lassen. Im Gegensatz zum Straßenlauf ist jeder Schritt auf dem Trail eine Herausforderung für unser Gehirn. Was vor einigen Jahren noch als unmöglich angesehen wurde, ist heute Gewissheit. Das erwachsene Gehirn kann in jedem Alter trainiert werden. Es passieren nachweislich Substanzveränderungen. Ganz nebenbei, so wird vermutet, werden nicht nur die mentalen Fähigkeiten für das Trailrunning, sondern auch viele andere mentale Fähigkeiten mittrainiert. Bewegung ist das Co-Therapeutikum gegen viele Zivilisationskrankheiten. Laufen ist die ursprünglichste Bewegungsform. Trailrunning ist ursprüngliches Laufen. Trailrunning ist Hirn- und Körpertraining!

VIBRAM® MEGAGRIP

Dr. Torsten Niecke vibram.com


JOURNAL 4/2016

TEST/ TRAIL-SCHUHE 2016

DINGE, DIE MAN WILL, ABER NICHT UNBEDINGT BRAUCHT ... UM TRAIL-RUNNER ZU SEIN, BRAUCHT IHR DAS ZEUGS NICHT. NEIN. ABER SONST SO? MMHH. WÄRE DOCH NETT.

Zwei Welten

1994 rannte Forrest Gump mit Vollbart durch die Kinos und Kurt Cobain ging von uns. In New York wurde in diesem Jahr das Label SUPREME gegründet und bis heute steht es für ultimativen Streetwear-Style. Die lässige Meshcap TERRY macht sich auf dem Trail gut und geht in Optik und Funktion als Laufmütze völlig in Ordnung. Ca. 50 Euro. www.supremenewyork.com

Blaues Blüht

Die ist tatsächlich einmalig: eine Limonade aus (von Hand gesammeltem) Enzian. Schmeckt wie ein Purzelbaum auf einer Almwiese und sprudelt wie ein quirliger Gebirgsbach. Bezugsadressen unter www.enzoalpin.com

Neu erfunden

Die klassische Laufmütze wird neu erfunden. Sie ist aktuell zu einem echten Stilmittel im Laufsport geworden. Die Radcap tut neuerdings ihre Dienste auch auf Trails, Basecaps sind ohnehin nicht mehr vom Kopf der modebewussten Runnern wegzudenken. Ein eigener Stil wird von Patagonia mit der DUCK BILL kreiert. Teamläufer wie Krissy Moel oder Jeff Browning rennen in dieser luftigen Mütze über endlos lange Bergrücken und sehen dabei natürlich unheimlich gut aus. Die DUCK BILL kostet 29 Euro und ist in diversen Farben und Mustern zu bekommen. www.patagonia.de

Fashion follows Function

Dass „Trail Sneakers" also „the next big hype" seien – davon hat das in modischen Dingen für gewöhnlich gut unterichtete Blog Highsnobiety in diesem Frühjahr erzählt. Längst wurde der Salomon Speedcross auf der Tokyo Fashion Week gesichtet. Und überhaupt passt es ja zu diesen rauheren Zeiten, dass die Mode grobe Stollen trägt. Die in funktionallen Dingen für gewöhnlich gut aufgestellte Marke Arc`teryx geht bereits seit 2014 den umgekehrten Weg – und transportiert die aus dem Bergsport bekannten Techniken der Laminierung und der Membrane in die High Fashion. Arc'teryx Veilance heißt die Produktlinie, die durchaus die nähe zur Männermode eines Helmut Lang oder Dries van Noten und vor allem zu den japanischen Modeminimalisten sucht. Kann man jetzt manieristisch finden – oder aber edel, slick und ziemlich großartig. Gut, das alles hat seinen Preis, der abgebildete via caliroots.de zu beziehende Mantel kostet 819 Euro. Wer sich aber ein wenig mit der Mode auskennt, der weiß, dass es viel weniger Funktion auch schon für deutlich mehr Geld gibt. Tolle Sachen, bitte dran bleiben, Arc'teryx! www.veilance.arcteryx.com

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Stoff geben

wir ab jetzt unter www.trail-magazin.de/shop. Wer also nach dem Trailrun klar Stellung zu seinem Lieblingssport bezieht, kann diese mit einem Shirt, Sweatshirt oder Longsleeve aus unserer "Call of the wild-Serie" tun. Zukünftig findet ihr im TRAIL-Magazin-Shop auserwählte Produkte.


Musik im Rückblick

Punkmusik ist ja sowas von out, und ähnlich wie Skateboarden scheint diese Kultur in einem ständigen Auf und Ab unterwegs zu sein. Fünf Herren mit musikalischen Wurzeln tief in den frühen 1990er-Jahren haben nun den Sound ihrer Teenager-Zeit wieder aufleben lassen und unter dem Bandnamen WORLD BE FREE ein Album veröffentlicht, das lässig mit den OriginalSounds der Gründerjahre mithalten kann. Das alles erinnert sehr angenehm an Bands wie Judge, Youth of Today oder Gorilla Biscuits. Intervall-Läufe? Ja, aber nur damit.

Steuerbar

Die neue REACTIK + von PETZL mit maximal 300 Lumen Lichtkraft ist ein Technikwunder und lässt sich dank Bluetooth über eine App mit dem Smartphone verbinden. Dort kann man die Lampe dann bequem nach persönlicher Aktivität einstellen. www.petzl.com

VIBRAM® MEGAGRIP

Eiger-Trailcamp mit Andrea Huser

Vom 17. bis 19. Juni schicken wir gemeinsam mit MAMMUT sechs glückliche Sieger nach Grindelwald, um dort die Trails des Eiger Ultra Trails zu entdecken. Profiläuferin Andrea Huser gibt Tipps und führt durch das Programm. Mit dabei und nicht ganz unwichtig: Hotelübernachtungen inklusive Frükstück und Mahlzeiten. Mit dabei sind laut unserem Losverfahren per Trommel: Antonia Rick, Julia Severiens, Miroslav Kolev, Marc Richter, Tilo Epting und Jennifer Müller.

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TEST / STÖCKE

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HASELNUSSERBEN.

Am Anfang war es ein Stock aus dem Haselnussstrauch. Heute sind es High-Tec-Produkte aus Carbon und Aluminium, fast ohne Gewicht und auf ein Minimaß zerlegbar. Wer glaubt, dass Laufsport mit Stöcken eine Sache für Walker, Wanderer und Reha-Patienten ist, der täuscht sich. Wir haben die neuesten Stöcke für ambitionierte Trail-Läufer getestet und sind dabei auf den Geschmack gekommen – die Teile geben Extrapower und Sicherheit. Meistens läuft es doch genau so ab: Fünf Berge liegen vor uns und wir denken, dass wir vier davon im Stile eines de Gasperi oder Wyatt „nehmen“. Wir denken also vier und es ist oft nur einer – danach marschieren wir zügig, krümmen den Oberkörper nach vorne und stützen unsere Hände auf den Oberschenkeln ab und schnappen nach Sauerstoff. Wer Glück hat, schnappt sich jetzt einen Ast, der aber nicht an jeder Strecke liegt, oder befasst sich endlich mal mit dem Thema „Lauf- und Trekkingsstöcke“, denn was da heute auf dem Markt Position nimmt, ist so leicht, stabil und klein, dass es nur hilft und eigentlich nie stört. Im klassischen Berglauf sind und waren Stöcke verboten und verpönt, im internationalen Skyrunning hingegen schon immer anerkannt. Dort wo Laufsport alpine Gene trägt hat so ein Stock auch seine sportliche Berechtigung. Heute rennen topfite Skibergsteiger im Sommer ihre Berge schneefrei nach oben bis zum Gipfel, und die denken im Leben nicht daran, auf ihre Stöcke zu verzichten – im Gegenteil –, die suchen sich die Stöcke sogar noch viel länger aus als von der Industrie und der übrig gebliebenen Nordic-Walking-Wissenschaft empfohlen. Für Läufer ab 1,80 m Körpergröße sind Stöcke um 130 cm Länge ideal. Bergauf hat man eine tolle Hebelwirkung und kann sich auch im Doppelstock-Stil kraftvoll nach oben drücken. Zerlegbar oder fix? Zerlegbare oder zusammenschiebbare Stöcke sind praktisch und schnell im oder am Rucksack zu verstauen, wenn man sie nicht mehr benötigt. Das kann auf langen Flachpassagen der Fall sein, oder während langer Abstiege. In der Praxis hat man die Stöcke dann oft doch immer in Gebrauch und der Fixstock wird interessant, spart man hier Gewicht ein und gewinnt an Steifigkeit.

LEKI MICRO TRAIL PRO

Von 105 cm, in 5-Zentimeter-Einheiten, bis 135 cm Länge, gibt es diesen Stock aus 100% Carbon. Das TriggerShark-Schlaufensystem sitzt handschuhartig bequem und überträgt die Kraft perfekt auf den Stock und damit auf den Boden. Zusammengelegt messen die 4 Teile bei einer Stocklänge von 115 cm lediglich 37 cm und passen somit praktisch in oder an den Laufrucksack. Beeindruckend ist letztlich das Gewicht. Der Einzelstock wiegt weniger als 200 Gramm. Fazit: High-Tec auf kleinstem Maaß und sehr steif. Gewicht: 340g Preis: 149 € www.leki.com Erhältliche Längen: 105 cm bis 135 cm


INTERVIEW / IDA NILSSON Ein Sieg, der ein neues Kapitel ihrer Karriere aufschlägt

»DANN GING ES NUR NOCH DARUM, ZU PUSHEN UND WEITERZUMACHEN. VORBEI ALLE TAKTIK.«

ich war dann jahrelang als Crossläuferin auf kurzen Distanzen unterwegs. Ich mag einfach alle mögliche Arten zu rennen.

Wo wird man dich in dieser Saison noch treffen?

WER IST IDA NILSSON?

Eine 35-jährige Ultratrail-Novitzin gewinnt die Transvulcania. Wir haben uns mit der Frau unterhalten, die sich vom Leistungssport verabschiedet hatte – bis Emilie Forsberg kam Hallo Ida, erstmal natürlich herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten großen Sieg in deinem, und jetzt kommt's, ersten großen Trailrennen. Wie fühlst du dich eine Woche nach der Transvulcania?

Danke sehr! Ich fühle mich okay. Gemessen daran, dass ich eine Transvulcania in den Beinen habe, fühle ich mich sogar richtig gut. Klar bin ich körperlich ziemlich erledigt. Aber ich habe keine Schmerzen, das ist schon mal sehr gut. Manchmal ist es ja so, dass man kleinere Verletzungen in der physischen und mentalen Euphorie nach so einem Rennen gar nicht mitbekommt und sie Tage nach dem Rennen dann umso heftiger spürt. Ich habe die Systeme jetzt aber auch ziemlich runtergefahren und lasse erst mal alles easy angehen.

In allen Prognosen über möglichen Favoriten wurdest du nicht einmal unter ferner liefen erwähnt. Warst du von deinem Sieg am Ende genauso überrascht wie all diese „Experten“?

Oh ja, das war ich! Das war ich wirklich, das ist jetzt keine Tiefstapelei. Natürlich 48 / 49 TRAIL MAGAZIN

will ich immer mein Bestes geben. Ich will Rennen gewinnen! Aber es war ganz ehrlich so, dass ich selbst meine Leistung und meine Möglichkeiten vor dem Rennen nicht wirklich realistisch einschätzen konnte. Einerseits fühlte ich mich richtig gut. Andererseits waren da die Zweifel und das Gefühl, mich auf etwas absolut Neues einzulassen. Ich meine, die Transvulcania war ja mein allererstes Ultrarennen in den Bergen.

Was also war unerwartet? Und was hast du dir umgekehrt genauso vorgestellt?

Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass ich bereits nach dem ersten Berg, in El Pilar, in Führung liege. Der Plan war, dass das eigentliche Rennen für mich viel später beginnen sollte, ich wollte erstmal ins Laufen kommen. Aber du kennst ja den chaotischen Start bei der Transvulcania. Da ist es es kompliziert genug, überhaupt rauszukriegen, auf welcher Position man überhaupt liegt. Als ich es irgendwann rausgekriegt habe, war es der erste Platz. Dann ging es nur noch darum, zu pushen und weiterzumachen. Vorbei alle Taktik.

Bist du jetzt also eine Ultratrail-Läuferin? Ich denke doch ja, fürs Erste zumindest. In diesem Sommer jedenfalls werde ich vor allem Trailrennen laufen und ziemlich sicher werde ich für den Rest meines Lebens irgendwo in den Wäldern und auf den Bergen umherrennen. Es kann aber durchaus sein, dass ich irgendwann mal für etwas anderes trainiere. Ich komme von der Bahn und vom Hindernislauf,

Ich folge der Skyrunning World Series, ohne jetzt schon ganz genau sagen zu können, bei welchen Rennen ich über welche Distanzen starten werde. Aber beim Tromsø Sky Race bin ich ziemlich sicher dabei, schließlich war es ja Emilie (Forsberg Anm. d. Red.), die mich auf den Ultratrail gebracht hat. Außerdem werde ich beim Ultravasan starten. Ich lebe selbst in Nordschweden, in Åre, diese Landschaften sind Heimat für mich.

Du hast Emilie Forsberg erwähnt. Was hat sie nach dem Sieg zu dir gesagt?

Emilie war eine große Unterstützung. Sie hat immer an mich geglaubt und mich gepusht. Ich hatte ja, ausgehend von mehreren Verletzungen, sieben Jahre lang keinen Wettkampfsport mehr gemacht. Jetzt glaube ich an Emilie, sie wird zurückkommen, na klar.

STECKBRIEF IDA NILSSON Ida Nilsson hat sich zwischen 2003 und 2006 insgesamt zehn schwedische Meistertitel über 5000 Meter, 3000-Meter-Hindernis und diverse Crosslauf-Distanzen erlaufen. Sie gehörte zum schwedischen Team bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Helsinki 2005, im selben Jahr lief sie den schwedischen Rekord über 3000-Meter-Hindernis. Eine Serie von Verletzungen, darunter eine chronische Ermüdungsfraktur der Hüfte führten 2009 zu einer Pause und 2013 zum Abschied vom Wettkampfsport, den die inzwischen 35-Jährige erst in diesem Winter mit der Teilnahme bei einigen Skicross-Rennen revidieren sollte. Ihre Freundin Emilie Forsberg hatte Ida Nilsson vom Skicross überzeugt – wie auch von der Teilnahme bei der Transvulcania.


FIRST EDITION OF

LEOPARD UTML

MÜLLERTHAL LUXEMBOURG 10.09.2016 16.09.2016 REGISTER NOW IN ANY OF THE FOUR UTMB® QUALIFYING RACES VIA:

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35 km

75 km

112 km

112KM

2 points

3 points

4 points

TEAM

2 points


PERFEKTES WOCHENENDE / BOLOGNA

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BO ME


OLOGNA, EINE STADT. TEXT & FOTOS: CLEMENS NIEDENTHAL

Andere Länder haben auch schöne Mittelgebirge. Aber nur Italien hat Bologna. Diese Stadt aus diesem Lied. Und jene von der Pastaparty, Spaghetti Bolognese. Apropos: Ums Laufen ging es natürlich im Eigentlichen. Durch die Stadt, übers Land und über den Apennin. Na gut, auch das Carboloading zwischen den Läufen macht in Bologna mehr Spaß als anderswo.

Weswegen wir mit dem Essen anfangen könnten. Im Scacco Matto beispielsweise. Authentische und vor allem sehr gute Bologneser Küche. Schachmatt heißt dieser Laden ins Deutsche übertragen. Aber matt sollte ich mich erst zwei Tage später fühlen. Noch ist die Beziehung jung zwischen uns und Bologna. Vor nicht einmal zwei Stunden ist der Flieger gelandet. Zeit genug, um ins Hotel einzuchecken und für eine Dreiviertelstunde im Trubel der Stadt abzutauchen. Als Straßenläufer, zugegeben. Und auf ungewohntem Terrain. Denn die Terrazzoböden unter den Arka-

den, ganz Bologna besteht gefühlt aus solchen Arkadengängen, sind gemacht für Bestzeiten. Oder für kapitale Kurvenstürze. Blank gewienert von den Jahrhunderten, wie in Bologna überhaupt vieles von den Jahrhunderten, den Jahrtausenden erzählt. Dabei ist die Stadt auch jung, gut 90.000 Studenten. Drei Synonyme kennen die Italiener für diese Stadt. „La Rossa – die Rote“, wegen der roten Ziegel. Und wegen der politischen Haltung, die in Bologna – im Widerspruch zum in politischen Dingen so wechsellaunigen Italien – schon immer die richtige war. „La Dot-


KOLUMNE / WIESO WIR LAUFIDOLE BRAUCHEN TEXT & FOTOS: DENIS WISCHNIEWSKI, CLEMENS NIEDENTHAL

Laufen nicht nur für sich selbst – Laufidole Kilian Jornet, Emelie Forsberg, Karl Meltzer und Dean Karnazes.

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HELDEN GESUCHT!

TEXT: NOLLE FRIED

Vorbilder haben wir ein Leben lang vor der Nase. Erst hießen sie Mama und Papa. Dann war es ein Torschützenkönig oder der Gitarrist dieser einen kalifornischen Band. Aber braucht man das überhaupt: Idole? Wir haben uns mal umgehört – in unserem Sport. Aus ganz Deutschland sind sie nach Stuttgart gekommen. Nun sitzen sie da und staunen, bei einigen funkeln regelrecht die Augen. Der Grund? Mal kein Revierguide, Skyrace oder Steckentest. Ein Termin, mal ganz ohne Dreck an den Sohlen und Wind im Gesicht. In Reih und Glied sitzt eine versammelte Meute, die sonst nicht zu bändigen ist, schaut und staunt. Salomon hat zur Movienight in die Wagenhallen geladen. Die Stars mal echt und in Farbe, live erleben – darum sind sie alle hier. Peter Schlickenrieder führt durch das Programm. Bei „Paradise Lost“ herrscht Totenstille im Saal. Anna Frost erzählt die Geschichte einer, ihrer Lebenskrise, echt und ungeschminkt. Erzählt vom großen Zweifel und vom großen, kleinen Glück. Alle Blicke sind auf die Leinwand gefesselt. Sie hat ihren Weg gefunden, lebt Ihren Traum, ist bescheiden und zufrieden. Eine bemerkenswerte Frau. Ein echtes Vorbild. Später an diesem Abend folgt die Deutschlandpremiere von „Langtang“– und der Auftritt von Kilian Jornet. Ein Film über eine Fastest-Known-Time am HighestKnown-Berg sollte es werden.

Gipfelbesteigung am Mount Everest. Stattdessen erzählt „Langtang“ von jenem Erdbeben das Nepal im vergangenen Jahr erschüttert hatte. Und von einem, nein, dem Weltklasse-Trailläufer, der sich plötzlich mit ganz anderen Dingen konfrontiert sieht, als mit jener nach der nächsten Höchstleistung in unserem Sport. Ehre, Respekt und Bewunderung liegen in der Luft. Den großen Idolen mal so nah sein, dafür hat sich die Reise gelohnt. Aber halt. Große Helden, Vorbilder, Idole - braucht es so etwas auf dem Trail? Da geht man doch raus und rennt. Schmale Wege, rauf und runter. Ohne Regeln, ohne Vorgaben, so lange und wohin man gerade möchte. Da ist doch jeder sein eigener Herr, sucht eigene Herausforderungen, macht eigene Erfahrungen - anstelle fremdgesteuert irgendeinem Ideal hinterherzueifern. Und überhaupt - sind Vorbilder nicht doch Kinderkram? Okay, vielleicht wenn es gerade einmal gar nicht läuft – dann könnten sie hilfreich sein. In einer solchen Situation jemanden zu haben, an dem man sich orientieren kann, anhand dessen Hand-

lungen oder Taten man neue Motivation schöpft. Das mag funktionieren. Aber genauso gut könn(t)en wir uns unsere ganz eigenen Werte und Ziele vor Augen halten und verfolgen, uns daran aufbauen. Nun, Fakt ist: Wir sind ja alle irgendwie Menschen. Veränderung und Weiterentwicklung gehören einfach zu unserer Natur, Nachahmung ist eine uns quasi von der Evolution mitgegebene Art der Optimierung. Nach anderen zu schauen, sich zu orientieren – das passiert automatisch. Wir haben Ziele, wollen uns weiterentwickeln und manchmal auch miteinander messen. Wozu schnallen wir uns sonst Startnummern um? Studieren Ergebnislisten oder besuchen Workshops? Hey – wer von uns hat keines davon schon getan? Trotzdem noch lange kein Grund, die eigenen Handlungen an denen anderer auszurichten. Im Gegenteil: den Spieß einfach rumdrehen. Es ganz bewusst anders machen als die anderen. „Bloß nicht werden wie die eigenen Eltern“ - der Klassiker! Helden reverse? Negativbeispiele. Vorbilder, nur von der anderen Seite betrachtet.

Wir kommen also irgendwie nicht ohne sie aus? Wahrscheinlich ist es wie immer und die Dosis macht‘s. Wahrscheinlich sollten wir nicht einem großen Idol hinterhereifern. Wahrscheinlich reicht es, wenn es hier und da jemanden gibt, der in einem entscheidenden Moment ohne Wimpernzucken gesagt oder getan hat, wovor wir zögern. Jemand, der uns inspiriert. Ganz egal, ob die Großmeister der Trails, ehrwürdige Legenden, Chuck Norris oder Oma Liesel. Nach HELDEN gefragt. Florian Reichert, deutscher Top-Trail-Läufer und Lehrer: „Mein absolutes Vorbild in Jugendjahren war Sebastian Coe, britischer Mittelstreckler in den Achtzigerjahren und Olympiasieger über 1500 Meter 1980 und 1984. Er hat einfach den allerschönsten Laufstil, den ich je bei einem Läufer gesehen habe. Außerdem hat mich seine Leidenschaft und absolute Leidensfähigkeit sehr beeindruckt. Seine Rolle als IAAFPräsident führt aber dazu, dass dieses Idol gerade ziemlich bei mir „bröckelt“. Auch als Lehrer, der ich ja in meinem Brotberuf bin, halte ich es für absolut wichtig und richtig, Vorbilder zu haben. Besonders für junge Menschen ist das sehr hilfreich. Auf dem Trail muss ich gestehen, dass ich keine Vorbilder habe. Klar, Kilian finde ich auch toll – wer auch nicht?! Aber ich habe mittlerweile so viel erlebt und gesehen, dass ich das Gefühl habe, ich brauche da keine zusätzlichen Motivationshilfen. Michael Arend, Sieger Zugspitz UltraTrail 2015: „Vorbilder sind für meine Motivation sehr wichtig. Ich habe aber nicht ein Idol, welchem


TRAINING / ULTRA-TRAIL TOPFORM Um solche, oft endlos wirkende Schotterpisten zu laufen, muss man viele Trainings-Kilometer in den Beinen haben.

FIT FÜR ULTRAS! TEXT: MICHAEL AREND FOTOS: JORDI SARAGOSSA

Zugspitz-Ultra-Trail-Sieger Michael Arend kennt das Geheimrezept um besser und schneller bei den kommenden Wettkämpfen zu sein – du musst ganz einfach fitter werden und endlich aufhören, langsam zu laufen!

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Wahrscheinlich trainierst du falsch! Woher ich das weiß? Weil fast alle Ultratrail-Läufer falsch, oder zumindest ineffizient, trainieren! Als Ultratrail-Runner bis du ein erfahrener Läufer und weißt, wie man grundsätzlich trainiert. Du machst mindestens einen langen Lauf in der Woche, manchmal sogar zwei, du bist früher nicht so lange gelaufen, aber nun bist du Ultraläufer und dein Fokus liegt auf deiner Fettverbrennung, damit du im Wettkampf möglichst lange laufen kannst. Vielleicht hast du früher mehr Tempo trainiert, aber nun läufst du so viel, dass du einfach keine Kraft hast, um noch zweimal in der Woche Intervalle zu bolzen. Außerdem ist Tempotraining ja nicht wirklich das, was du für deine Ultras brauchst, richtig? Du könntest kaum falscher liegen! Klar hast du recht, man kann nicht einfach den Umfang (Dauer) erhöhen, ohne die Intensität (Anstrengung) zu verringern, und natürlich brauchst du den Umfang, um Ultratrails laufen zu können. Genau hier liegt dein Problem. Ich sag dir mal was: Der beste Weg, einen Ultramarathon zu finishen ist es, fitter zu werden. Klingt logisch, wird aber so häufig nicht beachtet. Der Läufer, der für den Wettkampf nur zehn Stunden benötigt, hat einfach weniger Probleme, als derjenige, der doppelt so lange läuft. Es ist außerdem einfacher schneller zu werden, als deinem Körper zu erklären, dass er gefälligst 20 Stunden laufen soll, ohne zu schmerzen. Wenn du jetzt glaubst, dass du durch langsames, langes Laufen irgendwann schon auf den langen Distanzen schneller wirst, dann liegst du leider falsch; wer nur lange und langsam läuft, der wird auch im Wettkampf lange, aber eben langsam laufen. Um fitter zu werden reicht es irgendwann nicht mehr aus, länger oder mehr zu laufen. Jeder, der genau das tut, erreicht früher oder später ein Plateau und entwickelt sich nicht mehr weiter. Stell dir ein Haus mit vier Stockwerken vor. Wenn das Dach auf gleicher Höhe bleibt und du willst die Decke des Erdgeschosses anheben, dann geht das bis zu einem bestimmten Punkt, aber irgendwann musst du das Dach und die anderen Geschosse mit anheben. Genauso funktionieren die Energiebereitstellungssysteme in deinem Körper. Das Dachgeschoss ist die VO²max, deine maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit bei maximalem Tempo. Das darunter liegende 2. OG ist dein Tempo an der sogenannten Laktatschwelle, bei dem genauso viel Laktat verstoffwechselt werden kann, wie es angehäuft wird. Ein Tempo, das du ca. eine Stunde aufrecht halten kannst, z. B. bei anstrengenden Anstiegen. Im 1. OG ist dein maximales aerobes Tempo zu Hause, in diesem läufst du längere Anstiege und einen Marathon und dein Erdgeschoss ist dein Ultratrail-Tempo, wie schnell dies auch immer sein mag. Für deinen Ultratrail-Wettkampf ist es völlig egal, wie hoch dein Dach ist, solange dein Erdgeschoss so hoch wie möglich ist. Es macht also keinen Sinn, schnelle Intervalle in den Wochen vor dem Wettkampf zu laufen, sie sind sehr wenig spezifisch und bringen für deinen Wettkampf tatsächlich nichts. Vor dem Wettkampf kümmere dich um genau das, was du im Wettkampf brauchst und um nichts anderes. Das Dach und die oberen Geschosse hebst du weit vor dem eigentlichen Wettkampf an, damit du in der Wettkampfvorbereitung auf das eigentlich wichtige Tempo konzentrieren kannst und genug Platz für den Ausbau des Erdgeschosses hast. Die einzige Möglichkeit, diese Prinzipien sinnvoll umzusetzen, ist eine Phasenperiodisierung, die sich nacheinander auf die vier unterschiedlichen Systeme (Geschosse) konzentriert. Beginnend bei dem am wenigsten spezifischen, welches bei Ultratrail-Läufern das maximale Tempo ist, und endend mit einer möglichst genau auf den Wettkampf angepassten Vorbereitungsphase. Diese Planung klingt zunächst mal unkonventionell, aber unsere benötigten Umfänge lassen sich halt schwer mit Tempotraining verbinden, zumindest gleichzeitig.

Interview mit Florian Reichert Der 34-jährige Ultratrail-Läufer lebt in Göttingen und hat 2016 neben seinem dritten Sieg bei der Brocken-Challenge auch seinen ersten deutschen Meistertitel im Ultratrail gewonnen. Gerade bereitet er sich auf den Transvulcania Ultratrail auf La Palma Anfang Mai vor.

Flo, du warst schon als Jugendlicher bei den deutschen Meisterschaft über 1500 m, jetzt bist du deutscher Meister im Ultratrail. Wie hat sich dein Training in den Jahren verändert?

Für mich war der entscheidende Faktor sicherlich, dass ich 2013, nach dem Mannschaftstitel bei den deutschen Meisterschaften im Marathon, weg von der Bahn und der Straße und auf den Trail gegangen bin. Irgendwie fühlte sich das als ganz natürlich Entwicklung an ... Und Bahn und Straße hatten für mich ihren Reiz verloren. Das bedeutet nicht, dass ich nicht immer noch gerne harte Intervalle im Stadion laufe. Aber der Fokus hat sich einfach verschoben: Ich wollte mehr raus in die Natur! Und damit wurden dann die Distanzen auch immer länger. Während ich früher „nur“ um die 100 bis 120 km in der Woche gelaufen bin, können es jetzt auch schon mal 180 km werden.

Trainierst du noch immer schnelle Einheiten, oder kannst du da auf deine Fähigkeiten aus deiner Straßenlauf- und Crosslauf-Zeit zurückgreifen?

Ich trainiere tatsächlich relativ wenig im sogenannten Wettkampfspezifischen-Ausdauerbereich (WSA), der bei ca. 95% der maximalen Herzfrequenz liegt. Während ich zu Straßenlaufzeiten mindestens eine Einheit in der Woche in diesem Bereich absolviert habe, verzichte ich mittlerweile komplett darauf. Was ich jedoch vermehrt tue ist, dass ich Tempodauerläufe an der aerob-anaeroben Schwelle in mein Training einbeziehe. Das habe ich früher auch schon getan, da habe ich diese Läufe aber eher zu schnell gemacht. Es geht aber darum, einen Grenzbereich zu trainieren: Es soll schon unangenehm sein, darf aber noch nicht zu sehr wehtun und zur Ermüdung führen. Das ist gar nicht so einfach hinzubekommen.

Du wohnst in Göttingen, läufst aber auch den Transalpine-Run, Zegama und den Transvulcania, wie sieht da deine Vorbereitung aus?

Ich versuche natürlich, jeden Höhenmeter bei mir mitzunehmen. Da es davon aber in der Tat nicht allzu viele gibt, muss ich schon kreativ werden. So laufe ich dann meine kleine 130-m-Steigung im Göttinger Wald auch schon zehnmal und bekomme immerhin 1300 hm zusammen ... Es stimmt aber schon, auf den „laufbareren“ Strecken mit weniger Höhenmetern sind meine Leistungen im Verhältnis immer noch deutlich stärker. Aber genau das reizt mich auch an den sehr alpinen und technischen Wettkämpfen: Ich möchte mich da einfach verbessern.

Welche Einheiten sind für dich die absoluten Schlüsseleinheiten, die dich besonders voranbringen?

Natürlich zu allererst einmal der lange Lauf. Wenn ich mich auf einen Wettkampf vorbereite, zähle ich die Wochen bis zum Wettkampftermin. Diese teile ich mir dann in Blöcke auf - meistens vier Belastungswochen und eine Ruhewoche - wobei ich schaue, dass die langen Läufe am Wochenende dem Trainingsprinzip der kontinuierlichen Belastungssteigerung folgend immer länger werden. Eine weitere „Schlüsseleinheit“ sind für mich 10 x 1000 m, die ich in Göttingen auf einer Rasenrunde absolviere. Obwohl diese komplett flach ist, gibt mir diese Einheit immer einen recht guten Aufschluss über mein derzeitiges Fitnessniveau.

Was denkst du sind die größten Fehler, die die meisten Ultraläufer im Training machen?

Ich denke immer noch, dass die langen Läufe nicht zu langsam gemacht werden sollten. Das heißt nicht, dass ich jetzt rausgehe und jeden 30-km-Lauf unter einem 4erSchnitt laufe. ... Aber ein 4:30er darf‘s schon sein. Außerdem bin ich immer wieder überrascht, dass viele Läufer auf die Verpflegung der Veranstalter bei wichtigen Wettkämpfen zurückgreifen.


VORSCHAU / MÜNCHEN BIS ISTANBUL

SUMME DER EINZELNEN

Von München bis Istanbul in 50 Tagen. Das sind 50 Marathons täglich und viel Planung und Vorbereitung. TRAIL-Herausgeber Denis Wischniewski und sein Lauf des Lebens.

TEILE TEXT: DENIS WISCHNIEWSKI FOTOS: OLIVER SOULAS

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Ab dem 12. Juni ist das der Redaktionsalltag von TRAIL-Redakteur Wischniewski. Er wird irgendwo und irgendwie auf dieser gelben Linie laufen. Oder gehen und mal stehen.

Es ist zu spät. Ich muss mir jetzt keine Fragen mehr stellen oder womöglich mein Vorhaben anzweifeln. Ich hätte ja unheimlich viele Möglichkeiten, genau jetzt alles zu stoppen, einfach abbrechen, bevor es losgeht. Mein Größenwahn bringt mich am Ende dann wohl doch zum Start meines Laufabenteuers. Größenwahn ist im Zusammenhang mit dem, was ich da vorhabe, vermutlich das richtige Wort, denn auf die Fragen meiner Freunde, „ob ich denn fit genug sei, um 2400 km in 50 Tagen zu laufen?“ oder „ob ich denn dafür auch trainiert habe?“, antworte ich zögerlich und meist mit so etwas wie, „Der Lauf selbst ist ja mein Training und ich gehe untertrainiert in diesen Lauf, um mich gegen Ende in Topform zu bringen!“ Der Druck wächst. Ein Filmteam wird mich begleiten. Sie werden an 15 der insgesamt 50 Tage meinen Zustand dokumentieren und sie hoffen, dabei auf die kleinen großen Storys innerhalb des Ganzen. Sie fragen mich, was man denn alles so erwarten könne und ich erzähle ihnen von meinem Wunschtraum, dass ich nach zehn oder 14 Tagen in einen tranceartigen Zustand fallen könnte, der mich quasi automatisch jeden Tag ein Stück näher in Richtung Istanbul bringt. Ja, das wäre schön, wenn ich alles genießen könnte, ohne Verletzungen und irgendwelche körperlichen Verworrenheiten. In einem Interview zur Film-Doku wird mir dann die Frage gestellt, wie ich denn

nun darauf kam, von München nach Istanbul zu rennen? Ich erzähle dann von diesem inneren Drang, einfach mal für fast zwei Monate nur das zu tun, was mir seit vielen Jahren am meisten Spaß macht. Laufen. Laufen. Laufen. Und das in dieser völligen Konsequenz und mit einem Ziel vor Augen. Ich berichte von der Lust, einfach voranzukommen und davon, dass ich mir selbst so nahe komme, wie es im Alltag nie passiert. Ich hoffe auf so viele Dinge an diesen 50 Tagen. Wenn Lachen, Weinen, Erschöpfung und das Gefühl, bärenstark zu sein, so eng beieinander liegen. Und diese Spannung, dieses vollkommen Ungewisse, was vor meinen Füßen liegt, wer mir begegnen wird und wann sich wo welche Grenzen aufbauen. Am 12. Juni laufe ich los. Ich verlasse München in Richtung der Alpen und kämpfe mich gut eine Woche bis Richtung Slowenien. Was danach kommt, ist eigentlich erst dann einen Gedanken wert, wenn ich wirklich dort bin. Klar, die Route ist bis ins Detail geplant, mein Vater lenkt ein Begleitfahrzeug und ist damit auch die zweite Story, in der eigentlichen Geschichte. 1993 flog ich ja mit Pauken, Trompeten, einem Irokesenschnitt und grünen Haaren aus der elterlichen Wohnung. Drei Tage später traf ich meine Mutter, die meinte, dass der Vater sich wieder beruhigt habe, und ich könne

wieder kommen. Es kam nicht dazu. Das ist jetzt fast 25 Jahre her und in all dieser Zeit, in diesem Vierteljahrhundert, hatte ich zwar Kontakt zu meinem Vater, ich wurde Vater, er Großvater, aber wir waren niemals länger als ein übliches Wochenende zusammen. Nun also, 50 Tage mit meinem alten Herrn in einer Sache vereint. Ich laufe, er fährt. Ich renne einsam auf Trails unter sengender Julisonne, er fährt über Landstraße, um mich zu verpflegen und wie er sagt, „um auf dich aufzupassen!“ Das Filmteam macht aus mir und meinem Papa keinen Hehl – ihnen ist für die Story, für den Inhalt dieses Films die Beziehung Vater-Sohn ja fast wichtiger als alles andere. Nun ja, da gebe es vielleicht auch andere Dinge. Die Motivation, meine Motivation zum Beispiel und meine Gründe, von München bis nach Istanbul zu laufen. Wie ich überhaupt darauf komme, so etwas zu schaffen. 50 Tage, jeden Tag eine Marathondistanz, nicht flach wie in Berlin und ohne diese Capri-SonneSchirmchen unter denen freundlich lächelnd Gels, Banane und Iso gereicht wird. Der direkte Weg, über die Alpen, über die Karawanken, durch das Gelände hindurch. Ach ja, der Größenwahn wird mich treiben. Und die Lust. Die verdammte Lust, zu laufen. Wird das nicht langweilig, fragen die Leute, die nicht laufen alleweil, und ich stelle nicht fest, dass mir nach all den Jahren die Lust abgeht, wobei ich nicht bestreiten will, dass ich mir vorstellen könnte, nach sa-


INTERVIEW / KILIAN JORNET

INTERVIEW: CLEMENS NIEDENTHAL FOTO: MONICA DALMASSO

»Mich interessiert nicht, wie lange ein Rennen ist« Wie denkt eigentlich der Mann, der für unseren Sport seit beinahe zehn Jahren der Vordenker ist. Der neue Zeiten hat anbrechen lassen mit jeder neuen Bestzeit. Irgendwann nicht mehr nur in Zegama oder beim UTMB – sondern auf dem Mont Blanc und dem Matterhorn. Kilian Jornet über die perfekte Linie, den perfekten Schuh und über die Freiheit, die unserem Sport nicht verloren gehen darf.

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STECKBRIEF KILIAN JORNET Wer darüber erzählen möchte, was und wer Trailrunning eigentlich ist, kommt am 1987 geborenen Katalanen nicht vorbei. Kilian Jornet hat, ausgehend von seinem UTMB-Sieg als 21-jähriger Trail-Rookie im Jahr 2008 alle wichtigen Rennen und Rennserien gewonnen. Er hat Fastest-Known-Times aufgestellt und diesen Sport in hochalpine, schwindelerregende Höhen getrieben. Vor allem aber hat er definiert, was Trailrunning ist: eine Herzensangelegenheit und keine von Orgainisationen und Verbänden. Wie wichtig und richtig es für unseren Sport ist, dass einer wie Kilian Jornet darin der Beste ist, kann nicht hoch genug bewertet werden.

war es das Rennen, das mir gezeigt hat, dass da draußen ein Sport wächst, über den es lohnt, ein Magazin zu machen.

Rückblickend ist mein erster UTMB vermutlich ja auch für mich immer noch immer das wichtigste Rennen, dass ich je gelaufen bin. Mit dem UTMB fing alles an. Nicht nur, weil damals in Chamonix die Sponsoren auf mich aufmerksam geworden sind. Alles, was danach passiert ist, fußt zumindest mittelbar in diesem Rennen. Ich meine, ich lebe inzwischen ja sogar in Chamonix, so viel zur Bedeutung, die dieser Ort für mich hat.

Tatsächlich ist viel passiert seitdem. Für dich, für unser Heft, für Trail-Running im Allgemeinen. Ihr sagt es. Alles ist gewachsen die Veranstaltungen, die Teilnehmer, die Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt ist die Welt, in der Trailrunning stattfindet, größer geworden.

Vermisst du den Pioniergeist dieser Jahre?

»Ich sehe auch Symptome, dass verschiedene Bewegungen in unserem Sport gegeneinander ausgespielt werden. Das hat so gar nichts mehr mit dem Geist dieses Sports zu tun.«

Ich bin kein Fan von Nostalgie, ich gucke lieber nach vorne: Wenn man jetzt nach Asien geht, kann man diesen Spirit, dieses Gefühl, noch einmal nachspüren. In Hongkong, in China, in Singapur gibt es jetzt die Rennen, die Athleten und mehr noch viele, junge Menschen, die diesen Sport für sich entdecken. Oder denkt an Mira Rai. Nepal hat die höchsten Berge der Welt, von dort müssen doch auch gute Trailrunner kommen. Ich war jetzt zweimal mit dem Salomon-Team in Asien und habe die Euphorie dort als anstecken empfunden.

Also umgekehrt gefragt, fehlt diese Euphorie zunehmend in der europäischen Trailszene?

Wenn ich mir angucke, was etwa die ITRA (International Trailrunning Association, Anm. d. Red.) so will, bin ich zumindest besorgt. Ich hoffe inständig, dass da nicht versucht wird, unseren Sport zu sehr zu strukturieren und zu normieren und ihm seien freien Geist zu nehmen.

Woran machst du diese Tendenzen fest?

Zum Beispiel an dieser komischen Sehnsucht nach einer Vergleichbarkeit, spätestens wenn es darum geht, Weltmeisterschaften auszutragen oder am Ende sogar zu einer olympischen Disziplin zu werden. Bitte nicht! Ich sehe auch Symptome, dass verschiedene Bewegungen in unserem Sport gegeneinander ausgespielt werden. Das hat so gar nichts mehr mit dem Geist dieses Sports zu tun.

In der Leichtathletik gibt es den Marathon – im Trail sehnen sich manche auch nach dieser einen, objektiven Maßeinheit. Ist es das, was du meinst?

Vermutlich, ja. Ich erlebe das immer wieder bei Athleten, die von der Leichtathletik oder vom Berglauf kommen, die suchen diese Vergleichbarkeit. Ist das ein 100-km-Rennen? Ist das ein 100-mi-Rennen? Ich komme vom alpinen Klettern, vom Alpinismus im Generellen. Ich frage mich, ist diese Linie da, diese Route durch die Felsen nicht wunderschön? Eben, weil sie ganz natürlich ist. Solche Rennen möchte ich laufen. Rennen mit einem Kurs der sich ganz natürlich aus der Landschaft ergibt. Du guckst auf eine Karte, liest die Höhenlinien, und siehst intuitiv, was sich daraus für ein Kurs ergibt. Da interessiert mich nicht einmal, wie lange die Strecke jetzt ganz exakt ist. Kilian Jornet wirkt kleiner aus der Nähe. Im physischen wie im metaphysischen Sinne. Beinahe zart sogar, was seine prägnanten, ausdrucksstarken Gesichtszüge noch einmal mehr betont. Im Untergeschoss eines Stuttgarter Kongresshotels wirkt er zudem seltsam deplatziert. Bisher haben wir den unbestritten besten unseres Sports ja immer in höheren Sphären getroffen. Nach oder vor seinen Siegen zumeist. Die sind zuletzt weniger geworden, in Europa zumindest. Kilian Jornet hatte sich rar gemacht auf den Trails. Lieber ist er noch höher in den Bergen verschwunden. Oder hat mit Emilie Forsberg, seiner Lebensgefährtin, ein eigenes Rennen aus der Taufe gehoben: das Tromsö Sky Race. „Summits of my Life“ nennt Jornet seinen ganz eigenen Wettlauf mit den Bergen, der ihn in diesem Jahr auf das Dach der Welt, auf den Mont Everest, führen soll. Ist da also einer ganz schön abgehoben? Aber zum Trailrunning hat der 28-jährige Katalane überraschend bodenständige Gedanken.

Kilian, für uns ist das ein ganz besonderes Interview. Nicht nur weil du Kilian Jornet bist, klar, sondern weil wir in der Vorbereitung zu diesem Interview noch einmal gemerkt haben, wie sehr deine Karriere mit unserem Heft verwoben ist. Der Ultra-Trail du Mont-Blanc im Jahr 2008 war dein erster großer Sieg, für mich

Die Transvulcania ist dafür vielleicht das beste, vor allem das schönste Beispiel ...

Ja genau. Über Jahre hinweg wurde ja nicht einmal so genau kommuniziert, wie lange die Transvulcania eigentlich ist. 73 km? Oder doch 83 km? Oder irgendwas dazwischen? Es fühlt sich einfach total logisch an, über die Insel La Palma auf genau dieser Route zu rennen. Und diese Route ist unglaublich schön. Sie ist auch so schön, weil sie eben so logisch ist.

A natural way of running sozusagen.

Ich denke, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist. Wir dürfen diesen Sport nicht normieren. Ob ein Kurs jetzt 100 km lang ist oder „nur“ 97 km – this doesn't make the race. Was zählt ist die Linie – the line.

Ist das ein Grund, warum du, zumal in Europa, immer weniger Rennen läufst?

Rennen war für mich immer die natürlichste Art, mich auszudrücken. Aber tatsächlich bin ich immer weniger motiviert, bei Wettkämpfen zu starten. Ich spüre nicht mehr den Druck und vielleicht sogar nicht mehr den Antrieb, dieses oder jenes Rennen noch einmal zu gewinnen. Ich meine, es ist immer schön zum UTMB zu gehen und erst recht



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