NEWS & JOURNAL / MEINUNG / PRAXISTEST: HIGHLIGHTS FÜR DEN WINTER
TRAIL MAGAZIN
DAS LAUFMAGAZIN NR.1 FÜR TRAILRUNNING
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2024 Januar Februar
DEUTSCHLAND € 8,40 ÖSTERREICH € 9,20 SCHWEIZ SFR 13,50 LUXEMBURG € 9,70 ITALIEN € 11,30 SPANIEN € 11,30 FRANKREICH € 11,30
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SPÄTE RACE HIGHLIGHRTEMSE
LIMONE EXT DES FOUS DIAGONALE IL FINALS GOLDEN TRA
WELCHER TRAININGSREIZ
PASST ZU MIR?
Der richtige Umfang Die perfekte Belastung
Nach der Schwangerschaft Sylvie stärker denn je! Ein ganzes Jahr im Einsatz!
DIE LIEBLINGSPRODUKTE DER REDAKTION 2023
ALL DAS IST TRAILRUNNING:
Von Vertical K und Speedtrail bis Etappenlauf
SCHUHE, GPS-UHREN, RUCKSÄCKE, ENERGYFOOD UND MEHR
FOTOS
Zwischensaison: Wenig Licht, ganz viel Spaß
TEST
Lange Tights: Enge Hosen für alle Wetter
TYPEN
Flo Grasel und sein spezielles UTMB-Leben
REISE
Die ultimative Auszeit auf Sardinien
Thundercross
www.salomon.com
EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Alle,
mit dieser Ausgabe geht wieder einmal ein Jahr zu Ende und wir befinden uns in einem Winter, den manche "Off-Season“ nennen, andere hingegen ganz einfach als eine Jahreszeit erleben und ungetrübt weiterlaufen – vielleicht etwas weniger alpin und etwas wärmer gekleidet. Es bleibt auf ein Jahr zurückzublicken, das vermutlich das expansivste Jahr im Trailrunning-Sport überhaupt war. Bei aller Bewegung erleben wir auch eine Szene und Community, die sich unterschiedlich entwickelt. Die einen ziehen sich in und mit dem Sport zurück, die anderen konsumieren die Möglichkeiten in vollem Umfang, reisen zu Wettkämpfen, trainieren mit Coach, sammeln UTMB-Stones und rüsten sich mit neuestem Material aus. Der wohl größte Teil lebt und läuft irgendwo zwischen den Extremen. Was wir als Redaktion und Beobachter nach über 15 Jahren feststellen: bei allen Veränderungen bleibt doch vieles so wie es immer war und deshalb ist Trailrunning auch so beliebt. Es kann eine Schulter zum Anlehnen sein, eine Säule, die das mit sich bringt, was es immer versprochen hat. Es ist noch immer der Gruppenlauf mit Freunden am Sonntag, der Kurzurlaub in einem Mittelgebirge, das man noch nicht kannte, und vor allem ständig die Auszeit vor all dem Wahnsinn, der uns umkreist und einzingelt. Nun ist hier der Platz, um wieder DANKE an alle Euch zu sagen. DANKE, dass ihr uns lest und kauft, dass ihr sogar ein etwas teureres CLUB-Jahresabo abgeschlossen habt und ein Projekt wie das gedruckte TRAIL Magazin so selbstverständlich unterstützt. Verzeiht uns kleine Fehler, aber niemals unsere eigenen Meinungen.
4 Menschen dieser Ausgabe
Björn Kafka
Schreibt künftig für TRAIL über Training und wird so manch Neues aus dem Radrennsport hinüber auf die Trails lenken. Der Weltmeister-Coach mit seiner Premiere zum optimalen Trainingsreiz. Ab Seite 56
Rebecca Muwanga
Die Londonerin war auf unserem letzten Cover zu sehen und läuft für die Black Trail Runners Community. Wir haben mit ihr über die Ziele der Laufcrew gesprochen. Ab Seite 38
Flo Grasel
Der Österreicher gilt seit Jahren als die Ultratrail-Instanz seines Landes überhaupt und lief als ausgesprochener Nicht-Profi unter die Top 10 des UTMB. Seine Story abSeite 90
TRAIL-Herausgeber Denis Wischniewski Blickt eigentlich voller Freude ins Jahr 2024, weil die Zeichen auf eine schöne und gesunde Trailrunning- und Berg-Saison echt gut stehen. Er hat sich was vorgenommen und das sind keine Platzierungen und Altersklassensiege, sondern was anderes: er will Genuss und Genügsamkeit in seinen Laufschritt bekommen. Er möchte mit Demut oben auf den Gipfeln stehen und mit dem besten Lauffreund oder seiner Frau das Energygel teilen.
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Heini Albrecht
War neulich zu Gast in unserem Podcast und die Resonanzen auf den Gründer des Transalpine Run und ZUT waren riesig. Deshalb haben wir alles noch einmal zusammengefasst. Ab Seite 48
INHALT
STANDARDS EDITORIAL 3 INHALT 4 NEWS 12 MYVIRTUALTRAIL.DE 90 IMPRESSUM 87 PRAXISTEST 94 MORALFRAGE 98
15 Jahre Trail 2008 - 2023
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46 6 FOTOSTORY
Kein Sommer mehr, der Herbst ist vorüber aber Winter ist das doch auch noch nicht wirklich. Wir laufen trotzdem!
16 44 ULTRA!
Sandra wollte es wieder wissen! Wie fühlen sich 100 Meilen an? Ein Lauf gegen alle Zweifel beim KAT 100 in Kitzbühel.
12 NEWS/JOURNAL Denis Kolumne, Produkte, Pro & Contra, Events, Lange Tights im Test, Musiktipps der Chefredaktion, Kilian Jornet, ...
50 ALLE DISTANZEN 62 PORTRÄT 32 EVENTS
Vom knackigen Vertical K bis hin zu einem Etappenlauf, vom Trail-Marathon zum 100 Meiler. Ein Erfahrungsbericht in zwei Teilen.
Das Skyrace-Highlight in Limone, Traumfinale in Kapstadt beim UTCT, der Grand Raid auf Reunion.
72 DIE ROOKIES
Zwei Jahre lang liefen fünf junge Menschen als Nachwuchsteam für das TRAIL Magazin. Nun geht das Programm in eine neue Runde.
56 TRAINING
38 INTERVIEW
Mit Rebecca und Phil von den Londoner Black Trail Runners über ihre Laufcommunity und die Ziele dahinter.
Michael Kalisch trainiert an der Ostsee auf schwere, alpine Ultratrails und nutzt dabei alle Möglichkeiten.
Star-Trainer Björn Kafka im ersten von drei Teilen über den optimalen Trainingsreiz und wie Du Dein persönliches Limit ermitteln kannst. Meinung 42 Heini Albrecht 48 Golden Trail Finale 80 Moral 98
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84 SYLVIE
Sylvie Geissler rannte schnell und viel und wurde schwanger. Eine beeindruckende Story über ein Comeback, das nie eines war.
90 FLO GRASEL
Österreichs erfolgreichster Ultratrail-Läufer der letzten Jahr ist ein Jongleur und akribischer Planer. Ein Bericht über einen Alltag aus Training, Familie und Job.
Wenn du das
abonnierst,
bekommst du 6 Ausgaben und eine Prämie dazu.
MULTITUCH TRAILSOCKEN PRE-RACE KAFFEE Jahres/Geschenkabo 44 Euro
CLUB-Abo 59 Euro
Miniabo 22 Euro
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RUN FOTOREPORT In der Zwischenzeit Text : DENIS WISCHNIEWSKI
Fotos: Philipp Reiter, Michael Müller
Es ist die Zeit zwischen den Saisons. Es ist Winter und es ist eine lange Phase bis der Sommer wieder ums Eck kommt. Laufen tun wir trotzdem, denn irgendwie ist die trübe Zeit mit den kurzen Tagen garnicht so übel ...
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FOTOREPORT In der Zwischenzeit
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Fotos: Philipp Reiter, Michael Müller
9 1/24 Foto: Martina Valmassoi
FOTOREPORT In der Zwischenzeit
Fotos: Hendrik Aufm´kolk, Michael Arend
Communityruns und Lauftreffs kennen keine Saison und gute Laune braucht auch keine Jahreszeiten. Nutzt auch trübe Tage um mit anderen die Trails zu entdecken.
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Nö,
es stimmt nicht! Die Tage sind nicht kürzer im Dezember. Immer genau 24 Stunden lang. Also genug Zeit, um zu laufen. Draußen. Wie immer, wie in all den anderen Monaten eben auch. Es mag dunkel sein, es mag kälter sein, aber bitte kommt mir jetzt nicht auf die absurde Idee, von der "Off-Season" zu sprechen. Die könnt ihr machen, die kann man konstruieren, aber geben tut es sie nicht. Diese Fotos sprechen vom Trailrunning zwischen November und März, von einer Natur, der das Grün abhanden kam, oder es noch nicht wieder zurück hat. Doch seht nur, die Sonne hat noch oder schon wieder Kraft und im Anstieg ist es doch sowieso fast immer zu warm. Vielleicht haben wir uns allesamt getäuscht und den letzten Sommer viel zu sehr über den Klee gelobt und glorifiziert. Dieser Winter, meist mit wenig und keinem Schnee, ist nicht übel. Ich liebe das Licht! So kurz die Sonne auch scheinen mag, so tief sie jetzt steht, so weich und besonders erscheint sie uns. Nie war sie mehr Gold. Die eiskalten Regentage gehören auch dazu. Die langen Läufe an einem Sonntag, die einem in Mark und Bein kriechen, die uns zusetzen, die Muskeln verhärten und mehr Energie aus uns saugen als wir es gewohnt sind. Zu Hause angekommen ist es am Ende wie ein Zieleinlauf bei einem Ultratrail-Rennen. Kälte bezwungen, Schweinehunde erlegt und alles dafür getan, dass die Form da bleibt, wo sie noch im Spätsommer war. Kommt gut durch diese spannende Zeit!
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PRAXISTEST Lange Tights Text: TOM STETTER, DENIS WISCHNIEWSKI
JETZT WIRDS ENG! Die Herbst/Wintersaison rollt sich so langsam ein und mit jedem Tag, den wir dem Winter näher kommen, wird es enger mit der gewohnten Kurz/KurzKombination, welche wir aus den lauen Sommernächten gewohnt sind. Während wir obenrum längst auf ein Longsleeve oder eine dünne Jacken gewechselt haben, können wir doch erstaunlich lang mit kurzer Hose laufen. Ob das der Muskulatur, den Bändern und Sehnen zuträglich ist, wird von Typin zu Typ unterschiedlich sein. So manchem läuft auch bei Minusgraden bereits nach wenigen Kilometern das salzige Nass Richtung Gesäß… auch bei slowen Grundlageneinheiten. Andere wiederum benötigen mehrere Lagen Funktionswäsche, um ohne Erfrierungen wieder Heim zu kommen. Wie man es jedoch dreht und wendet. Eine gemütliche Tight hat wohl den meisten von uns schon dieses wohlige Kaminfeuergefühl beschert, was einen mental wieder in eine ungeahnte Liga wuchten kann… vor allem in klirrend kalten oder verregneten Nächten. Kurz ist Trumpf, aber lasst uns nicht vergessen, dass wir gerade mit kalten, unaufgewärmten Beinen mit erhöhter Verletzungsgefahr unterwegs sind. Also… nur Mut und rein in die zweite Haut!
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RABBIT POCKET TIGHT, Preis 110,95 Euro
Eine Tight wie aus einem Guss. So könnte man diese Laufleggins aus dem Hause Rabbit kurz und knapp beschreiben. Haptik und Aussehen stehen neben einer hervorragenden Funktion bei der kalifornischen Marke mit dem Hasen, an oberster Stelle. Die Verarbeitung der Rabbit Pocket Tight ist makellos. Ein etwas breiterer Bund, welchen man mit Schlaufen perfekt am Körper fixieren kann, sorgt auch im flotten Tempo für Halt. Die Tight bleibt dort, wo sie hin gehört. Wer viel schwitzt, wird in der Rabbit Tight seine Freude haben. Die Luft kann auch in der Bewegung einwandfrei zirkulieren, so dass auch Feuchtigkeit problemlos und zügig trocknen kann. Zwei Taschen an den seitlichen Oberschenkeln, bieten Stauraum für Gels, Riegel oder Schlüssel. Eine weitere größere Tasche mit Zipp befindet sich über dem Gesäß. Dort finden problemlos Handy, Windbreaker oder eine kleine Flask ihren Platz. Ein nicht unwichtiges Feature sind zudem die reflektierenden Außennähte und Applikationen. Ein rundum gelungenes Teil, diese Pocket Tight.
Run WTF Run Pants Brick, 115,00 Euro
Dynafit Reflective Tight, 130,00 Euro
Salomon Cross Run Tight. 80,00 Euro
Anita Sport Tight Massage, 99,95 Euro
Gore R5 GTX I Tights, 129,95 Euro
Helly Hansen Roam Legging, 75,00 Euro
Einer der beliebtesten Läufer Deutschlands gründet mit RUN WTF seine Bekleidungsmarke und setzt mit einer lässigen Laufhose, die garnicht mal so "tight" ist, ein Ausrufezeichen! Klasse Pants, super Schnitt und schönes Material mit cleveren Details, wie Belüftungs-Perforation und aufmerksamen Bundabschlüssen. Die RUN PANTS BRICK ist keine Hose für allzu frostige Winterläufe, aber für alle flotteren Ausflüge dennoch ein universelles Teil mit extrem viel Komfort. Durch den relativ relaxten Schnitt könnte man bei Temperaturen im Minusbereich natürlich auch problemlos eine dünne Merinowolle-Tight darunter anziehen und wäre somit im 2-Lagen-Business bestens ausgestattet. Hut ab jedenfalls auch sehr vor der Fabauswahl, die erfrischend anders ist und aus der Hose auch eine Option für Freizeit, Pre- und Postrace-Momente macht. Glückwunsch zu diesem Einstand an das Ehepaar Neuschwander.
Raffiniert diese Tight…viele clevere und vor allem komfortable Features, die es einem nicht schwer machen, diese Hose zu einem neuen Lieblingsteil werden zu lassen. Egal ob zum Laufen oder beim Yoga, der Tragekomfort ist wie eine zweite Haut, ist einfach unschlagbar. Ich liebe diesen breiten Bund, der auch gut weit hoch geht und mir das Gefühl gibt, dass der untere Rücken und Bauch gut einepackt sind und nicht auskühlen. Ultraflache Nähte stehen im direkten Kontrast zu den eingearbeiteten 3-D-Noppen und sorgen für eine konstante, leichte Beinmassage. Das Material trocknet schnell und die atmungsaktive Faserstruktur sorgt für optimale Luftzirkulation, auch im kalten Winter. Die Leggins aus dem Hause Anita in Oberbayern, die vor allem bekannt für ihre passgenauen (Sport)-BH’s sind, kann sich wirklich sehen und erst recht tragen lassen!
Eine echte Ansage in Sachen Tights, kommt aus Südtirol. Dynafit hat das Thema „mit Tempo durch die Berge“ fest in ihrer FirmenDNA verankert. Die Alpine Reflective Tight bietet trotz straffem Sitz, genügend Bewegungsfreiheit, um auch problemlos für längere Zeit aufs Gas zu gehen. Die sehr gut durchdachte Tight bietet über dem Gesäß viel Platz, um in zwei kleineren Fächern Gel oder Riegel zu verstauen. Das Hauptfach, das sich mit Zipp reibungslos öffnen und schließen lässt, hält genug Stauraum für dünne Windbreaker oder Mütze und Handschuhe bereit. Für ein Handy ist die Tasche aber dann doch zu klein. Auch wenn die Alpine Reflective für die Übergangszeit und kühleren Tage entwickelt wurde, kommt man auch bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt sicher trocken ans Ziel. Der Name „Reflective Tight“ ist Programm. Die Hose ist vielfältig mit reflektiereden Details versehen.
Die wetterstabilste Tight in diesem Test ist ganz sicher diese warme und wasserabweisende Tight von Gore, die sich hier mit allen Details befasst haben. Das bekannte Windstopper-Material macht sie fest und nicht zu einer leichten Laufhose. Nein, sie will echtes Schmuddelwetter und durchaus frostige Temperaturen. Bei Plusgraden könnte es einem schnell zu warm darin werden, wenngleich die Atmunsgaktivität auffallend gut ist. Das 3-lagige WINDSTOPPER® Laminat ist der bewährte Schutz vor schneidigem Wind und peitschendem Schneeregen. Gänzlich wasserdicht ist sie hingegen ausgesprochen nicht! Eine Seitentasche und kippbare Rücktasche sind obligatorisch. Fazit: Die Passform und der Tragekomfort sind klasse. Gore sind längst Profis und sehr erfahren in diesem Genre!
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Echte, ehrliche und bodenständige Hausmannskost. Die Salomon Cross Run! Das ist keineswegs negativ gemeint, im Gegenteil. Die Salomon Cross Run Tight ist was die Preis/Leistung angeht, die wohl fairste Tight im Test. Auch ein schmaler Geldbeutel bekommt hier die gewohnte Top Qualität der Franzosen. Salomons Talent, sich mit sehr minimalistischen Produkten aufs Wesentliche zu konzentrieren, spiegelt sich auch hier wieder. Eine kleine Seitentaschen reicht! Überflüssige Nähte oder Zipper? Fehlanzeige! Auch auf reflektierende Details wurde weitgehend verzichtet. Wer diese Tight möchte, bekommt eine Tight. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Passform und Schnitt sind perfekt. Wer Größe L trägt, kann auch hier ruhigen Gewissens auf Large zurückgreifen. Das 4-Wege Strechmaterial erlaubt es, sowohl schlanken, als auch stabileren Läuferinnen und Läufern in den Genuss dieser Tight zu kommen, ohne sich verloren oder zu eingeengt zu fühlen.
Helly Hansen, werden sich einige Fragen. Die gibt’s noch? Ja, die gibt es bereits seit über 145 Jahren. Wie es sich für eine norwegische Marke gehört, ist Helly Hansen gerade im Bereich „Wetterschutz“ sehr stark. In unserem Test zeigen die Skandinavier auch, dass sie verstehen, was Sportler:innen brauchen. Mit der „Roam Legging“ schmeißt Helly Hansen ein ziemliches Multitalent auf den Markt. Der Name ist durchaus wörtlich zu nehmen. Der Sitz ist tatsächlich sehr Tight, was aber dafür sorgt, dass die Hose da bleibt, wo man sie mit der Schnüre fixiert. Die Gesäßtasche ermöglicht es, Gels oder Riegel zu transportieren, mehr aber auch nicht. Der breite Bund erinnert fast an eine Yoga- oder Turnhose. Jetzt sind wir auch bei ihrer wohl größten Stärke. Bei Yoga, Pilates oder Dehnübungen zeigt sich die Helly Hansen Roam Legging als komfortable Wohlfühltight, die weniger Atmungsaktivität, aber dafür viel Gemütlichkeit verspricht.
TICKER +++ Am 9.2.2024 werden in München die Trailrunner*in des Jahres geehrt und gefeiert
NEWS&JOURNAL UTMB worldseries
ELLBOGEN-MENTALITÄT?
„Unser Sport ist an einem Scheideweg angekommen. Es ist Deine Entscheidung, wie die Zukunft unseres Sports aussehen soll“, steht in Großbuchstaben auf der Social Media Plattform der ehemaligen Western-States-Siegerin Ellie Greenwood. Markige Worte, die einen Konflikt umreißen, der den Sport Trailrunning schon seit vielen Jahren begleitet: Tradition versus Kommerzialisierung, Szene versus Konzern. David gegen Goliath. Tatsächlich geht es dieses Mal um nicht weniger, als die Frage: Wem gehört dieser Sport? In diesem speziellen Fall: Wem gehört das Trail-Race Whistler Alpine Meadows im Westen Kanadas? Wie nicht anders zu erwarten, ist es wieder mal der UTMB, der eine der Hauptrollen in diesem Konflikt ein-
nimmt. Ende Oktober launchte die UTMB World Series ihr erstes Event in Kanada: Den neuen Ultra Trail Whistler by UTMB. Aber wo ist das Problem dabei? Naja, ganz so neu war dieses Event genau genommen nicht. Kein Geringerer als Gary Robbins, ein bekannter und sehr beliebter Trailrunner, veranstaltet schon seit Jahren an diesem Ort sein über die Grenzen Kanadas beliebtes Trail-Event Whistler Alpine Meadows (WAM). In den letzten Jahren hatte der UTMB mehrmals bei Robbins Interesse bekundet, aus seinem Event ein UTMB World Series Rennen zu machen. Nach einer ersten Absage seinerseits ließ dieser sich 2021 doch noch auf ein Gespräch mit
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den Organisatoren aus Chamonix ein, die inzwischen unter dem Dach der Ironman Group agierten. Nachdem der vollbärtige Race-Direktor aber einige unverhandelbare Bedingungen darlegte, (es ging um die Freiwilligen- und Community-Programme) hörte er lange Zeit nichts mehr vom UTMB. Damit, dachte er, wäre das Thema erledigt. Bis er 2022 versuchte die Genehmigung für sein Rennen im Sommer 2023 zu bekommen. Zuständig dafür war das Ski-Resort Whistler Blackcomb, welches zum größten börsennotierten Skiebiets-Unternehmen der Welt gehört: Vail Resorts besitzt 41 Skigebiete in vier Ländern. Was Gary auch versuchte, trotz der 5-jährigen sehr positiven Race-Historie, gelang es Robbins und seinem Partner Geoff Langford nicht, die Genehmigung zu bekommen. Laut Robbins ignorierte Whistler Blackcomb sie über lange Zeit und stellten später unüberwindbare Hindernisse, das Sicherheitskonzept betreffend, auf. Schließlich mussten die beiden Veranstalter im Frühjahr das „Aus“ des WAM Trail Race verkünden. Am 25.10.2023 bekam Robbins eine Nachricht von der UTMB World Series und nur einen Tag später folgte das öffentliche Announcement des Ultra Trail Whistler by UTMB. Ein Rennen, das nicht nur am gleichen Datum, sondern auch zu sehr großen Teilen auf identischer Strecke stattfinden wird, wie das Rennen von Robbins. Hatte der UTMB also von Anfang an seine Hände mit im Spiel? Hatte der Konzern Vail Resorts von Beginn an im Hintergrund
Fotos: Thomas Bekker
Ende Oktober ging ein Aufschrei durch die Trailrunning Szene: Beruht die Verkündung des Rennens „Whistler by UTMB“ in Kanada auf einer unsportlichen Verdrängung eines beliebten Szene-Events?
mit dem UTMB verhandelt und Robbins und Langford mit Absicht Steine in den Weg gelegt? Für Gary Robbins zumindest ist die Sache klar: Wie eine Alt-Mieterin aus dem urbanen Kiez wurde sein von der Szene sehr respektiertes Rennen aus Whistler verdrängt. Ganz anders stellt sich das Ganze für Paul Huddle, Senior Director Global Trailrunning Operations der Ironman Group, dar: „Im Februar hat jeder die News mitbekommen, dass das WAM eingestellt wird und es war ziemlich eindeutig aus Gary’s Statement zu lesen, dass sie raus sind und nicht zurückkehren werden. Natürlich haben wir in diesem Moment unsere Kontakte, die wir über unsere langjährigen Triathlon Veranstaltungen nach Whistler hatten, genutzt und nachgefragt, ob sie Interesse hätten, ein UTMB Rennen nach Whistler zu bringen.“ Es ist wohl auch Gary Robbins großer Bekanntheit (2018 verpasste er auf spektakuläre Weise das Finish beim Barkley Marathons um wenige Sekunden) zu verdanken, dass diese Geschichte einen großen Aufschrei der Szene zur Folge hatte. Besonders in Nordamerika solidarisierten sich viele Trailrunner:innen, darunter auch zahlreiche EliteAthleten, mit den Veranstaltern des WAM und zeigten sich erschüttert vom Verhalten des UTMB. In Europa und der hiesigen Trail-Szene fiel das Echo etwas zurückhaltender aus. Ob wir wirklich an einem Scheideweg stehen, der nur zwei sich gegenüberstehende Optionen zulässt, wie es Ellie Greenwood in ihrem Statement („Du entscheidest, welches Rennen Du läufst und somit auch in welche Richtung sich unser Sport entwickelt“) erklärte, ist fraglich. Die Teilnehmer:innen werden dem UTMB wohl kaum ausgehen. Vielmehr ist es das laute Aufstehen von Greenwood und Co. selbst, welches am Ende den größten Erfolg versprechen könnte. Denn auch Unternehmen wie der UTMB und die Ironman Group werden kaum die Ohren verschließen können vor dem lauten Widerhall der Trailrunning-Szene, welcher Ihnen Ende Oktober überraschend entgegenschlug.
4 GRUNDSATZ FRAGEN
Unsere Antworten auf Fragen rund ums TrailRunning die man nicht stellen muss, aber die uns trotzdem in den Kopf kommen ... ⓿ Muss man als Trailrunner tätowiert sein? Das stimmt - das Startfeld wird bunter, die Haut kunstvoller, aber all das ist kein Phänomen des TrailrunningSports, sondern schlicht ein Trend der Gesamtgesellschaft, der bei uns auch sichtbar wird. Von "Müssen" beim Tätowieren kann nicht die Rede sein, aber es kann durchaus schick aussehen. Tipp: Groß anfangen!
⓿ Muss man nach einem Rennen seine Platzierung kennen? Klares Ja. Auch wenn einem die persönliche Platzierung egal ist, macht es doch Freude zu wissen, wie man innerhalb eines großen Teilnehmerfeldes liegt. Das hat nichts mit einem monumentalen Ego zu tun, sondern weit mehr mit einer gesunden Neugier und einem Drang, sich ein wenig zu vergleichen.
Tage wie diese ... Im ersten von insgesamt sechs Hausbesuchen war Trail-Herausgeber Denis bei Profi-Trailrunnerin Ida-Sophie Hegemann in Innsbruck. Wie lebt eine junge Frau, die Profisport auf höchstem Niveau mit einem Architektur-Studium verbindet? Wie denkt Sie über ihren Sport und wie läuft so ein Tag bei ihr überhaupt ab? www.youtube.de/TRAILMagazin2021
⓿ Muss ich im Ziel die mit mir Einlaufenden umarmen? Nein. Auf keinen Fall. Die stinken in aller Regel wie nasser Iltis. Bloß nicht anfassen! Wem das egal ist und wer wohlmöglich selbst nicht mehr frisch daherkommt, darf grundsätzlich alles und jede:n im Ziel herzlich in die Arme schließen. Am Ende kommt es natürlich auch auf die Größe der Veranstaltung an - bei einem Stadtmarathon würde das Umarmen vermutlich inflationär werden, aber bei einem netten Ultratrail erscheint es eine lösbare und rundum schöne Aufgabe zu sein. Na los mach schon.
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⓿ Muss man die schmutzigen Trailschuhe putzen? Du meinst so, wie ein matschiges Gravel- oder Mountainbike? Nein, sicher nicht in dieser Akkuratesse, aber durchaus, wenn es besonders "muddy" war. Die Schuhe werden es dir nämlich danken, wenn du sie mit warmem Wasser reinigst. Je schneller, desto leichter löst sich der Dreck aus Mesh und Schnürsenkel-Ösen. Wer hingegen Matsch eintrocknen lässt, riskiert Bruchstellen am Schuh.
NEWS&JOURNAL MEINUNG
PRO/CONTRA
Viele Profis trainieren mit einem Coach und auch reine Hobbyläufer buchen immer öfter eine Trainerin oder Trainer, um schneller zu werden. Ist das für uns Amateure eigentlich notwendig oder doch eher elitärer Luxus?
PRO Tom
CONTRA Denis
Eine der wohl genialsten Fähigkeiten unseres Körpers ist die, zur richtigen Zeit Alarmsignale zu erhalten. So auch im täglichen Leben als Sportlerin oder Sportler. Die meisten von uns trainieren intuitiv, verlassen sich auf ihr Gefühl, überhören aber häufig diese Signale. Ob wir Warnzeichen bewusst oder unbewusst ignorieren, müsste jeder für sich selber beantworten. Frei nach dem Motto „Training in der Komfortzone ist kein Training“, schinden sich viele von uns durch die Saisonvorbereitung, um pünktlich zum Start des wichtigsten Rennens so kaputt zu sein, dass eine mehrwöchige Pause ratsamer wäre als einen Wettkampf zu laufen. Spätestens jetzt haben wir ein Thema und der zugegeben elitäre Luxus eines privaten Trainers, hätte sich dann doch rentiert. Hinter Wochenplänen und oft sehr theoretisch wirkender Steuerung des Trainings, steckt im Idealfall sehr viel Expertise. Ambitionierte Trainerinnen und Trainer haben meist durch Studium und jahrelange Erfahrungen einen Wissensschatz, den sie gegen ein meist nicht ganz günstiges Endgeld an ihre Kunden weitergeben. Der große Vorteil liegt für den Laien ganz klar im zielgerichteten Fokus auf seine Wünsche. Sei es ein bestimmtes Rennen, sportliche Fortschritte oder Struktur. Ein guter Trainingsplan ist etwas individuelles. Auch und vor allem Menschen mit potentiellem Suchtverhalten bekommen mit professioneller Begleitung klare Grenzen, um auch eine Art Selbstschutz zu betreiben. Durch Auswertung der Entwicklung sämtlicher Fort- oder auch Rückschritte, ist es äußerst wertvoll ,ein klares Feedback zu bekommen. Unterm Strich sind Trainingspläne sehr sinnvoll, sofern die eigenen Ziele klar definiert sind. Luxus bleibt es unterm Strich aber allemal. Auf seinen eigenen Körper zu hören und ihm zu vertrauen, das gibt’s am Ende des Tages umsonst und ist unbezahlbar!
Ein Freund, der nie niemals an Wettkämpfen teilnimmt, hatte sich vor einigen Jahren entschlossen, den Coach zu buchen, der auch den aktuell besten deutschen Trailrunner trainiert, also ein echter Profi. Ich dachte im ersten Reflex "Wie dekadent!" Doch der Freund hatte nicht vor, seine Leistung zu optimieren und wollte auch kein Profi werden, sondern lediglich das Gefühl haben, dass jemand mit Wissen auf sein "Laufen" schaut und ihm sagt, ob er grundsätzliche Dinge falsch angeht. Desweiteren würden ihn die Trainingsanweisungen schlicht motivieren, überhaupt regelmäßig zu laufen. Dazu bräuchte es keine Renneinsätze. Nach rund zwei Jahren kündigte er seinen Vertrag mit dem Trainingsbüro und lief wieder "für sich". Er bräuchte die Anleitung nun nicht mehr, wüsste nun, was er beachten muss und hätte beruflich auch nicht mehr den Freiraum und die Zeit, so viel zu laufen, wie es der Plan ihm vorgab. Mit einem Zeitbudget von vier Stunden pro Woche wäre der Coach wohl unterfordert. Wer klare Ziele vor Augen hat kann mit einem Coach ganz sicher schneller vorankommen und vor allem fatale Fehler erst garnicht machen. Man spart sich somit viel Ärger. Für mich bleibt Trailrunning aber ein Sport, der maximalen Independenz und somit ein Hobby, das nur wenig oder keinen Einfluss von Außen bekommen sollte. Ein Coach und Trainingsplan würde mir viel Freiraum nehmen, viele Möglichkeiten, just in dem Moment so zu laufen, wie ich es fühle und einfach aus dem Gefühl heraus möchte. Ich liebte schon immer mehr den Aufsatz als das Diktat.
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Foto: Ian Corless
Stufen zum Glück? Es ist ein steiler und zunehmend beschwerlicher Weg zu UTMB
TICKER +++ Eleanor Davis und Jim Walmsley gewinnen die 100 Kilometer des Nice Côte d’Azur by UTMB
SIND WIR DENN IM WALD HIER?
Künftig könnte die Aufzeichnung Eures Trailruns via Komoot oder Strava illegal sein. So will es jedenfalls eine Novelle des Bundeswaldgesetzes. Diese Debatte geht im Kern um die Frage: Wem gehört die Natur? Stellt Euch vor, das Trail Magazin kommt zu Euch zu Besuch. Und Ihr würdet später im Internet eine ziemlich gute Beschreibung Eurer Wohnung finden. Anhand der Strava-Aufzeichnungen unseres Redakteurs, der die Wege vom Klo zum Sofa und zum Balkon genau aufgezeichnet hat. Das wäre aber verboten. Schließlich ist Eure Wohnung Eure Privatsphäre. Ganz ähnlich und doch ganz anders argumentiert der derzeit debattierte Paragraf 33 des derzeit in Überarbeitung befindlichen Bundeswaldgesetzes: Erstmals wird dort auch das Aufzeichnen von digitalen Routen mit Outdoor-Apps wie Komoot, Strava oder artverwandten Apps verhandelt. Künftig könnten solche digitalen Routen nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung des Grundstücksbesitzers erlaubt sein. Schon ist vom "Komoot-Paragraphen“ die Rede. In der Praxis würde dies das Ende für das Aufzeichnen und Weitergeben von Tracks im Wald bedeuten. Zumal gerade Besitzer von kleinen Waldstücken in der Praxis nicht einmal wissen, welche Parzelle ihnen nun genau gehört. Tatsächlich geht es in dieser Debatte aber gar nicht um die Privatsphäre von Waldeigentümern. Eine Parzelle deutschen Mischwalds ist ja keine Vier-ZimmerWohnung und wird vor dem Gesetz auch anders behandelt als beispielsweise ein
Getreideacker. Der Wald, egal ob Staatsforst oder in privatem Besitz, ist für alle da. Und darf als "Erholungsraum“, auch das steht im Bundeswaldgesetz, von allen betreten werden. Auf der Gassi-Runde, mit dem Mountainbike oder eben in Trailrunningschuhen. Es geht also kurz gesagt, um die Lobby-Arbeit der Forstindustrie und der Eigentümerverbände, die sich in das Bundeswaldgesetz nicht zuletzt über die der Waldlobby nahestehenden Parteien CDU und FDP auch deshalb überproportional einbringen kann, weil wir alle den Wald zwar leidenschaftlich nutzen, aber kaum Partei für ihn ergreifen. Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben, ein Freund der Bäume wie auch der Menschen, die sich unter ihnen wohlfühlen, rät deshalb dazu, sein "persönliches Recht auf Wald“ institutionell einzufordern. Sportvereine, Bürgerinitiativen oder eben auch ein Traillauftreff könnten diesbezüglich ihre Stimmen erheben. Darüber hinaus dürfte die Nivellierung des Bundeswaldgesetzes auch rechtlich auf dünnem Eis stehen. Betont man nämlich die Eigentumsrechte derart stark, könnte ein Waldbesitzer künftig auch haftbar gemacht werden, wenn ein:e Läufer:in über eine Wurzel stolpert. Wurzeln sind im Wald aber üblich. So wie es üblich bleiben sollte, dass unsere Wälder eben allen gehören.
NEWS
Neuschwander startet durch Tausendsassa Flo Neuschwander hat das "Ballern" erfunden und ist eines der berühmtesten Gesichter des Laufsports in Deutschland. Grenzen kennt er innerhalb des Sports nicht, läuft vom schnellen 10er bis hin zum alpinen Ultratrail. Für alle Fans und Follower und natürlich darüber hinaus hat Flo zusammen mit seiner Frau Constanze nun "Run WTF" gegründet, ein feines und freshes Laufklamottenlabel, das den bislang renomierten Herstellern in die Fersen ballern soll. www.run-wtf.com
Disqualifizierte Löuferin Die Athletin Joasia Zakrzewski kürz einen Ultra im Pkw ab – und wird für zwölf Monate gesperrt. Ein Drama in drei Akten. Erster Akt: Die durchaus international bekannte, schottische Athletin Joasia Zakrzweski steigt während eines australischen 50-MeilenUltras in ein Auto. Zweiter Akt: Vier Kilometer später klagt sie an einer VP über Schmerzen im Bein und ihren Jetlag. Sie will das Rennen beenden, wird von den Streckenposten aber ermutigt, weiterzumachen. Dritter Akt: Zakrzewski lässt sich, auch auf ihrem Insta-Kanal, für ihren dritten Platz feiern. Ein halbes Jahr später wurde die Platzierung nun aberkannt und die 47-Jährige für ein Jahr gesperrt. Zwar konnten sich die Streckenposten an jene strauchelnde Athletin erinnern, nicht aber, dass diese gesagt haben wolle, bereits im Auto zur VP gekommen zu sein. Eine leidige Geschichte, die leider auch an jenem Grundvertrauen rüttelt, ohne das etwa FKT-Projekte künftig weniger glaubhaft wären.
NEWS&JOURNAL
DENIS’ KOLUMNE Liebe Freunde, liebe Freundinnen, liebe Alle, ich versuche unserem CampingplatzNachbarn in einfachster Ausführung zu erklären, was ich gerne als Sport treibe. Er würde gerne Wandern und er würde gerne Tennis spielen. Er lebt in Kornwestheim, also vermutlich beim TC Kornwestheim oder vielleicht in einer Betriebssportgruppe – ich habe das nicht nachgefragt. Ich sage zu ihm: "Ich laufe. Ich bin gerne in den Bergen. Also Berglauf. Also ich wandere auch gerne. Halt dann eher schneller.“ Er schaut mich an. Er schaut auf meine vier Paar Trailrunningschuhe, die inszeniert in einer Reihe vor dem Wohnmobil stehen. "Du meinst Trailrunning!“ Ja. Das meine ich. Ich dachte nur mal wieder nicht, dass da mein Umfeld schon so weit ist. Mal wieder überrascht. Der Sport scheint angekommen zu sein. Er wusste vom UTMB und, dass es eine WM in Innsbruck gab. Also landen wir an einem Abend voller Stechmücken schnell bei Menschen, die alles hinter sich ließen und um die Welt wandern. Irgendwann ist es in dieser Unterhaltung völlig egal, ob diese Leute rennen, laufen, hiken oder fastpacken – es geht nur darum, was sie tun, wo der Weg hinführt, welche Route oder Distanzen sie bewältigen. In meiner Vorstellung geht es dabei um das, was sie auf ihren langen Wegen sehen und erleben. Ich stelle fest, dass momentan viel gespalten wird, aber auch sehr viel zusammenkommt. Der Respekt zwischen Menschen, die in geringer Geschwindigkeit und fast meditativ tausende Kilometer wandern und Leuten,
die in irrer Akrobatik und Athletik einen Berg hoch und wieder hinunter rasen, ist groß und schön. Dass ich als erklärter Läufer und Trailrunner auch immer öfter einfach nur wandere oder einen Tag lang in ruhigem Schritt durch Berge schleiche, macht mir längst keinen Kummer mehr oder kratzt an meinem Ego. Ich möchte dabei auch zu den Schwächen kommen. Lasst uns doch über Schwächen sprechen. Ich war mit lieben Freunden ein Wochenende lang auf einer Hütte in Tirol. Eine illustre Gruppe, Menschen, die wirklich erfolgreich laufen, Berufe ausüben, die wichtig sind, eine Ärztin, die Lungen transplantiert, ein Kerl, der Menschen aus brennenden Häusern rettet oder ein Frau, die Leuten hilft, die den Kompass völlig verloren haben. In diesem Kollektiv schienen mir Schwächen nicht zulässig, aber wir redeten dann doch überraschend offen über Unzulänglichkeiten, die jeder von uns mehr oder weniger hat und das tat gut. Es brachte alle näher. Beim gemeinsam 20 Kilometer Lauf (mit 1.350 hm) war ich dann der eindeutig Schwächste. Zu Beginn versuchte ich mich gegen die Tatsache zu wehren, aber nach 15 Kilometern hatte es einfach keinen Sinn mehr. Ich konnte das Tempo nicht halten und ließ abreißen, fiel zurück. Der Rest hüpfte fröhlich vor mir her, redete dabei und sie wurden immer kleiner. Es war okay. Sie sind jünger, sie trainieren mehr, sie investieren mehr in ihren Sport – wie könnte ich mit ihnen mithalten. Dann ließen sie sich zu mir zurückfallen und schoben und zogen mich über diesen letzten langen Berg, der viel mehr ein stumpfe, steile Rampe war als eine besondere Landschaft. Meine Schwäche war bei diesem Gruppenlauf keine Sache, die ein Problem war. Nicht für mich. Nicht für alle anderen. Im Gegenteil. Es brachte uns irgendwie zusammen, es sorgte für den ein oder anderen Lacher und brachte ein Stück weit auch das normale Leben in den Sport hinein.
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Im Zeitalter der Optimierung sind Schwächen, die man zugibt und die man gegenwärtig annimmt eine sympathische Sache. Ich würde mich selbst sogar als ein Trailrunner der Schwäche bezeichnen. Seit Jahren muss ich mich weit mehr mit meinen Schwächen befassen als mit meinen Stärken. Wieso sollte ich mich auch ausschweifend mit meinen Stärken befassen? Ich bin froh, wenn sie da sind, wenn ich auf sie zurückgreifen kann, aber es ist auch nichts, womit ich besonders angeben mag. Würde mich jemand fragen, was denn bitte mein „Läuferischen Stärken“ sind, müsste ich zunächst lange nachdenken, bei den Schwächen würde ich sprudeln. Also ist dies hier auch ein Aufruf an alle Schwächlinge. An alle, die am Berg abreißen lassen, an alle, die ihre Bestzeit ziemlich klar verfehlen, an alle die sich bei einem Wettkampf verlaufen und die Markierung verpasst haben, an alle, die an der VP viel zu lange pausieren müssen, weil die Muskeln streiken. Ich sage Euch "Macht weiter so! Es hat einen Sinn!“ Es muss einen Sinn haben.
Zweite Runde in Zegama
Man munkelt, dass NIKE in den kommenden Jahren ein gewichtiges Wort im Trailrunning-Markt sprechen wollen. Sie möchten den aktuellen Top-Sellern den Kuchen nicht überlassen. Dass sich das langsam, aber dennoch merklich auch in der Produktentwicklung zeigt, kann man daran erkennen, was 2024 in die Shops kommt - der ZEGAMA erhält ein radikales Update, verbesserten Fit und eine agressive Aussenshole von VIBRAM. Ab Mai 2024.
TICKER +++ Auf Schnee: am 8./9. März finden die SkySnow Weltmeisterschaften in Tarvisio/Italien statt
AUF DIE OHREN
Uns war doch garnicht bewusst, dass in einem Laufmagazin die Musiktipps der Redaktion so gut ankommen. Auf viele Nachfragen kommt hier mal wieder das, was wir so hören.
The Beatles NOW AND THEN
Will Epstein WENDY
The Specials TOO MUCH TOO YOUNG
Brutus FROM NOTHING EP
Drain CALIFORNIA CURSED
Enforced WAR REMAINS
Madness THEATRE OF THE ABSURD...
Madlib CHAMPAGNE FOR BREAKFAST
Der letzte Song der BEATLES ist auf Platz 1 der Charts eingestiegen - ich rede vom Jahr 2023 und nicht von 1967! Die beiden längst verstorbenen John Lennon und George Harrison sind wieder dabei und der Song ist wundervoll und schlicht schön. KI hat es möglich gemacht. Schaut auf YouTube unbedingt auch das Video dazu an. Dass Ringo Star und Paul McCartney den Song gänzlich einspielten, macht alles am Ende doch zu einem physisch realen Beatles-Song. Ja - den Letzten der Geschichte!
Diese eher noch junge Hardcore-Band aus Santa Cruz ist nah an Wasser gebaut - nein, sie sind nicht heulerisch unterwegs, aber doch immer mit Bezug zum Pazifik auf der Bühne. Das scheint, neben den tanzbaren Grooves, markigen Stimmen und Metalparts, der rote Faden der aktuell sehr angesagten Westcoast-Band zu sein. Der Mix aus agressivem Sound und durchweg positiver Stimmung macht Spaß und brachte Drain eine große Fan-Community ein. Anspiel-Tipp: California Cursed
Da ist er. Schau nur - Will Epstein, der vielleicht einzig wahre Nachfolger Bob Dylans´. Der junge Mann aus New York jongliert förmlich mit der Leichtigkeit der Instrumente, um mit süßer Stimme zwischen Hoffnung und Wehmut zu tanzen. Die Arrangements auf WENDY sind frisch, anders und überraschender, als was heute sonst aus dieser Singer-Songwriter-Ecke kommt. Das Unbequeme Will Epsteins wird nach nur zwei Songs zu einem sehr logsichen roten Faden, dem man gerne folgt.
Wahrlich kein neues Album. Ein Klassiker des Ska! The Specials, die sich bereits 1997 in Coventry in Englang gründeten und im vergangenen Jahr ihren charismatischen Sänger Terry Hall zu Grabe tragen mussten, sind die Mitbegründer eines Genres, das Generationen prägte. Das Compilation-Album Too Much Too Young ist dabei ein perfekter Mix ihres Schaffens bis Mitte der 90er-Jahre. All das, was bei Madness irgendwann zu sehr in Pop schweifte, bliebt bei den Specials immer sehr am Kern.
Hell Yeah! Das bewegt sich mit Sie waren meine Helden und ich knallharter Gitarre, Bass und für einige Monate in diesen früSchlagzeug zwischen frühen hen 1990er-Jahren ein Ska-Fan. Suicidal Tendendies, 80er-JahIch besuchte Skinhead-Konzerre-Thrash und Slayer, um schnell te, Skapunk-Partys und immer, Zara klarzumachen, dass es dannwenn immer, immer waren damals Interessant, ausgerechnet doch eine gegenwärtige Hard- Fast-Fashionirgendwie MADNESS dabei. Richein spanischer coreband ist. ENFORCED aus woran tig gut Riese liefert, vielegefielen sie mir später, Virginia spielen sich durch das als siescheitern: Pop in ihren Sound ließen, Sportartikelhersteller Crossover-Thrashmetal dennund sie konnten "Gefühl" und Slicke,Genre, unaufgeregte als ob es kein Morgen gäbe und Lovesong besser als Garageunifarbene Looks mit zeitgemäßer gehen über 33 Minuten hinweg sound. Die 1976in gegründete Band Silhouette. Für die Trailschuhe praktisch nie vom Gaspedal. hat Musikgeschichte geschriezeitgenössischem Rocker-Style Das ist DER Sound für Eure Interben entzückt mein Herz mit arbeitet Zara mit derund spanischen valle! Besser für die Sportmarke Kurzen. einem neuen Joma – und die Album und einer angehängten wiederum mit Vibram. Sieht Tour 2024.
Auf dieser enorm intensiven Produktion finden sich die drei Top-Hits des 2022er Album Unisin Life der belgischen Indi-Band BRUTUS um Ausnahmesängerin Stefanie Mannaerts, die zu den eindrucksvollen Vocals auch die Drums verantwortet. BRUTUS gehören zu den Bands, die Tempo, Härte und Intensität auf eine unfassbar geniale Art und Weise mit Tiefgang und Melancholie verbinden. Ein Wunder, dass diese Band im kommerziellen Sinne nicht breiter ankommt.
Multitalent Madlib aus Kalifornien treibt seit rund 25 Jahren sein Unwesen zwischen Hip-Hop und Funk und hat dabei ein internationales Publikum erobert und junge Künstler beeinflusst. Das unaufgeregte, fast souveräne Album Champagne for breakfast überrascht mit jedem Track neu, zeigt Madlibs vielseitiges Talent in allen Facetten und ist der Beweis, dass Hip-Hop der 90er Jahre den Übertrag nach 2023 bestens verkraftet hat. Für Fans der alten Schule.
alles sehr stylish und durchaus vielversprechend aus. www.zara.com
Letzte Plätze! das LESERCAMP am Gardasee gehört zum Trail Magazin und der Redaktion wie dieses Heft selbst. Seit über zehn Jahren treffen wir uns immer im Frühjahr mit Leserinnen und Lesern, um in den Bergen rund um den Lago di Garda zu laufen. Diesmal sind wir später dran, aber haben dafür bestimmt wärmeres Wetter. Es sind nur noch wenige Plätze übrig. Es lohnt sich. Mehr Infos unter: www.trail-magazin.de
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NEWS&JOURNAL
177 AUF EINEN STREICH
Text & Fotos: TOM STETTER, LYMBUS
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Wenn Kilian Jornet eine Reise mit seiner eigenen Geschichte tut, dann muss er sogar davon erzählen! Ein Heimatbesuch des Wahlnorwegers, vollgepackt mit Gipfelglück und Größenwahn. Alles im Stile eines echten Siegers. Was wir brauchen sind Idole! Menschen, die uns inspirieren und anspornen. Was uns fehlt, sind echte Helden! Menschen, die mehr Machen und weniger Reden. Schon klar, das klingt verdächtig nach nem Marvel Comic. Wenn man den Namen „Kilian“ hört, ist zumindest davon auszugehen, dass echte Superkräfte im Spiel sind. Ein Spanier, der sich das Prädikat „Idol“ mehr als verdient hat! Wir sollten zuallererst vorausschicken, dass sich nicht alles zum Nachmachen eignet, was Kilian Jornet so treibt. Kilian ist nicht nur Läufer. Er ist wahrscheinlich einer der erfahrensten und sichersten Alpinisten, die man auf diesem Planeten finden kann. Der Mann hat Fähigkeiten, die ihm, sollte es ihn wirklich geben, wahrscheinlich der Herrgott persönlich in die Wiege gelegt hat. Wie diese Fähigkeiten ausschauen, hat der sympathische Katalane jüngst in seiner eigenen Heimat zum besten gegeben. Sein Projekt taufte er selber „Die Pyrenäen neu Entdecken“. Was klingt wie eine abendliche Unterhaltungssendung im öffentlich Rechtlichen, ist ein echtes Lebensprojekt und ein Liebesbeweis an die Heimat. Allein die nackten Zahlen rauben einem den Atem: 8 Tage, 485 Kilometer, 43.000 Höhenmeter, 177 Gipfel
über 3.000 Meter Seehöhe! Was für die meisten von uns in einem Leben nicht zu erlaufen ist, setzte Kilian Jornet in sage und schreibe acht Tagen in die Tat um. Der Antrieb, dieses Monsterprofil erfolgreich zu meistern, war eine weniger erfolgreiche Saison. Eine Verletzung des Kreuzbeines zwang ihn letztlich auch, den UTMB abzusagen und nicht beim Gigantenduell gegen Jim Walmsley, Mathieu Blanchard und Zach Miller teilzunehmen. Folglich kurierte Kilian seine
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Verletzung aus und nutzte die Zeit, sich seinem eigenen Herzensprojekt zu widmen und die Pyrenäen neu zu entdecken. In Zusammenarbeit mit einigen Experten plante er sein „schwerstes und härtestes Abenteuer“, wie Kilian selber über sein Projekt spricht. Zum Start, am Fuße des 3.055 Meter hohen Frondella Anfang Okotber, standen nicht weniger als 177 Gipfel über 3.000 Meter Höhe auf dem Plan, verteilt auf 485 Kilometer und
TICKER +++ Das TRAIL Magazin ist 2024 offizieller MEDIENPARTNER des ULTRTRAIL FRÄNKISCHE SCHWEIZ
Der neue Mann für das Detail!
43.000 Höhenmeter. Seine Idee, die 3.000er seines Heimatgebirges miteinander zu verbinden, sollte in den kommenden acht Tagen in die Tat umgesetzt werden. Wandern, Laufen, Klettern. Einige Abschnitte musste der viermalige UTMB Sieger mit dem Fahrrad verbinden, bevor er am 10. Oktober 2023 pünktlich zum Sonnenaufgang den Gipfel und Zielpunkt des
3.143 Meter hohen „Des Pica d‘Estats“ erreicht hatte. Rückblickend erwähnte Kilian, dass er nicht sicher war, ob es überhaupt realisierbar war oder einfach nur Wahnsinn. Wenn wir ehrlich sind, ist solch ein Projekt absoluter Wahnsinn und ziemlich unrealistisch. Nicht aber für Kilian Jornet. Er zeigte wieder einmal, dass er der One and Only ist! Ein echter Held. Die verlangsamt werden.
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Kilian kurierte seine Verletzung aus und nutzte die Zeit, sich seinem eigenen Herzensprojekt zu widmen und die Pyrenäen neu zu entdecken.
Einige von Euch kennen TOM STETTER bereits aus diesem Magazin, denn erst vor einigen Ausgaben habe wir seine Lebensgeschichte erzählt. Es ist die Story vom 200 Kilogramm schweren jungen Mann hin zu einem fast radikal veränderten Ultratrailrunner, der 120 Kilogramm Körpergewicht verliert und sich in einem neuen Kosmos wiederfindet. Der Finisher schwerer Rennen wie dem Eiger Ultra 250 ist uns seit langem bekannt als ein Experte für Trail-Ausrüstungen aller Art, bei der er top informiert auch kleine Details kennt und studiert. Für uns war es nur eine Frage der Zeit, bis wir als Fachmagazin auf seine Expertise zurückgreifen würden und nun ist es so weit. Tom wird künftig für das TRAIL Magazin vor allem die Produkttest und Vorstellungen des vielfältigen Equipments schreiben und recherchieren. Das freut uns sehr und macht das Heft weiter zu einem unabhängigen Meinungsbildner. Willkommen im Team lieber Tom! Deine Redaktion.
NEWS&JOURNAL
TOM EVANS ÜBERFALLEN Eigentlich wollte Western States 100 Sieger Tom Evans (Adidas Terrex) seine Saison in Südafrika mit einem Sieg beim Ultratrail Capetown beenden und dort mit der berühmt-rührigen TrailCommunity das späte Jahr feiern. Es kam noch vor dem Start leider alles anders: Der Brite wurde bei einem Trainingslauf überfallen, zusammengeschlagen und mit einer Stichverletzung zurückgelassen. Am Ende wohl noch Glück im Unglück - er hat es überlebt! Alles Gute Tom!
NUMMER 3
Top-Trailrunner Kilian Jornet und sein Brand NNORMAL gehen mit Bedacht ihre Releases an. Mit dem KBOIX erscheint nach KJERAG und TOMIR nun der dritte Schuh.
Was, wie, warum ist Trailrunning für Dich?
Nach Jornets eigener Aussage soll der KBOIX bestehende Hürden einreißen und eine neue Ära in Sachen Trailschuhe einläuten - zumindest was die Nachhaltigkeit der Materialien angeht. Um auf möglichst alle Läufer:innen-Typen einzugehen, kann man aus drei verschiedenen Mittelsohlen wählen und somit den Schuh auf Distanz und Terrain modelieren. Bevor der KBOIX in Serie geht, stehen rund 150 Prototypen zur Verfügung, die vermutlich längst verteilt sind. Wir werden also bis ins Frühjahr hinein Geduld üben, um zu wissen, wie innovativ dieser zweifellos schön-schlichte Schuh mit Vibram-Außensohle ist. www.nnormal.com
Seit vielen Jahren ist immer zum Jahreswechsel hin unsere große LESERUMFRAGE die wohl aussagekräftigste und repräsentativste Befragung im Sport überhaupt. Zwischen 3000 und 4000 Menschen nehmen daran teil und klicken sich in wenigen Minuten durch die rund 50 Fragen, die sich in verschiedene Kategorien teilen. Dabei geht es natürlich um das TRAIL Magazin und seine Inhalte, Wettkämpfe und Events, Produkte und Ernährung. Aber auch das Training oder die Sozialen Medien interessieren uns sehr. Die Resultate sind übrigens von Jahr zu Jahr durchaus divers - Trailrunning und das Magazin entwickeln sich also rasant. Wir bitten Euch alle herzlich, wieder daran teilzunehmen, denn die Erkenntnisse helfen uns und auch den Partnern sehr. Den Link findet ihr unter: www.trail-magazin.de/leserinnenumfrage2024 vom 15. Dezember bis 15. Januar online. 5/2023 22 1/24 22
FOTO DER AUSGABE
Fotos: IMAZ PRESS REUNION GRAND RAID
IM NATUR-PARADIES LEIDEN Der Grand Raid auf La Reunion ist seit 1989 einer der ältesten und vielleicht der schwerste Ultratrail im internationalen Rennkalender. Die berühmte Querung der Insel im Indischen Ozean über 100 Meilen und satten 10.000 Höhenmetern ist ein Highlight für alle Einheimischen und in diesem Jahr auch für die Deutsche Eva Sperger, die im hochklassigen Damenfeld Platz 4 belegte. Der für unser Rookie-Team startende Timon Günther eroberte Rang 43 und war zudem einer der jüngsten Teilnehmer. Die Siege gingen an Katie Schide aus den USA und Aurélien Dunand-Pallaz aus Frankreich.
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PRODUKTE Lieblingsteile 2023 der Redaktion
ANS
gew
Eine ganze Redaktion, ein volles Jahr und ein Rückblick auf genau diese Produkte, die uns ganz besonders gut gefallen haben und sich einen festen Platz im Schrank und auf dem Trail gesichert haben. Lieblingsprodukte "passieren" manchmal einfach so, aber wir versuchen es hier trotzdem zu erklären ...
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Denis Wischniewski
Salomon S/LAB Genesis Preis: 200,00 Euro
Dieser Schuh kam völlig unverhofft in mein Läuferleben und hatte sich 2023 herzlichst in meinen Kader gelaufen. Ich kann und will den Genesis nicht mehr missen. Er ist DER Schuh für alle meine alpinen Trails geworden und dabei ist die Distanz unerheblich. Ich nutze ihn als Trainer und für tagesfüllende Aufgaben. Ein echtes Aha-Erlebnis in ihm hatte ich im Mai beim Chiemgau Trailrun: am ersten steilen Anstieg war es durch heftigen Regen in der Nacht matschig und schmierig. Nahezu alle um mich herum hatten größte Probleme, Bodenhaftung zu bewahren, aber die Contagrip-Außensohle führte mich ohne auch nur einen Fehltritt wie ein Caterpillar nach oben. Dass er dazu auch noch ein wirklich dynamischer Laufschuh in der Ebene sein kann, sei am Rande erwähnt. Courtney Dauwalter wird mir in allem zustimmen!
Salomon Die S/LAB SPEED 2-in-1-Shorts Preis: 120,00 Euro
Und viele würden jetzt sagen, dass es ja nur eine kurze Sporthose ist und ich stelle hingegen seit Jahren fest, dass ich nur selten so 100% happy mit einer Laufshorts bin. Irgendwas fehlt immer, irgendwas passt nicht. Hier ist es ein Volltreffer! Ich liebe diese durchdachte Hose der S-Lab-Reihe, denn sie sitzt so elegant und bequem, wie man es sich nur wünschen kann. Die Verbindung der Innenhose mit der Shorts selbst ist durch flache Druckknöpfe gelöst und das komplette Setting wiegt nur 104 Gramm. Vielfältige Seitenfächer und ein herrlich dünnes Material machen sie zur perfekten Hose für alle Einsätze.
achsen
Denis Wischniewski
Denis
Rabbit Run EZ Tee Perf ICE Wischniewski Dieses Oberteil hat einen Großteil meiner Läufe 2023 begleitet. Das hat sich übrigens einfach so ergeben. Es kam im Frühjahr bei mir an, ich sollte es testen und habe es, ohne zu Zögern, in meine engste Auswahl aufgenommen. Die ist bei mir sehr klein - ich hasse Sportklamotten-Lager und inflationäres Sammeln von Laufshirts. Selten trug ich solch ein perfektes Laufshirt, denn die Idee der feinen Perforation funktioniert ohne Wenn und Aber! Es ist atmungsaktiv, beeindruckt durch effektive Zirkulation und passt sich durch den cleveren Nylon-ElasthanMix lässig dem Oberkörper und der Bewegung an. Rabbit Run entwickeln und produzieren ihre Produkte in Kalifornien. Mief und Muff lässt das EZ Tee Perf Tee nicht zu und ist bei kalter Handwäsche direkt nach dem Einsatz schnell wieder frisch und für neue Einsätze fertig.
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Foto: Martina Valmassoi
Preis: 49,00 Euro
PRODUKTE Lieblingsteile 2023 der Redaktion
Denis Wischniewski Tom Stetter
Wrightsocks Coolmesh 2 Preis: 18,95 Euro
Schuhe, Regenjacken, Midlayer, Primaloftjacke… Die Liste der wichtigsten Utensilien für Geländeläufer:innen ist mittlerweile schier grenzenlos. Den größten Schnickschnack gibt es käuflich zu erwerben. Alles, um uns das Leben in den Bergen so wohlig und angenehm wie möglich zu machen. Mir fiel die vergangenen Jahre allerdings eines auf. Niemand schaut so richtig, was Mann und Frau unten rum benötigen. Schon klar, eine gemütliche und schnell trocknende Unterhose ist wichtig, aber was ist mit Socken? Was ist mit dem bisschen Stoff, das des Läufers wichtigstes Handwerks- oder viel mehr Fußwerkszeug schützt? Die Wahl der Socken sollte mindestens genauso wichtig sein, wie die der Schuhe. Nur eine harmonierende Schuh/Sockenkombination kann uns so lang wie möglich schmerzfrei über die Trails bringen. Eine Blase oder schlecht behandelte Wunden am Fuß können ein Rennen positiv oder eben auch negativ ausgehen lassen. Die Wrightsocks mit dem Doppelmash haben mich annähernd Blasenfrei durch die gesamte Saison gebracht. Selbst 250 Kilometer um das Aletschmassiv haben das Kaufversprechen des Herstellers "reibungslos“ zu keiner Sekunde in Frage gestellt. Ein großartiges Produkt vor allem für die Langstrecke.
Garmin Enduro 2 Tom Stetter Preis: 1049,00 Euro Das wohl teuerste aller Ausrüstungsutensil für Läuferinnen und Läufer ist die Uhr. Meine erste Sportuhr, die Garmin Instinct, kostete mich sage und schreibe 199€. Heute transportieren wir echte Wertgegenstände über die Trails. Da stehen horrende Geldwerte am Start, die aber auch zu weit mehr in der Lage sind, als ihre Vorgänger und Vorvorgänger. Der Lebenszyklus einer Sportuhr gleicht etwa dem eines Smartphones. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass die Investition in diese Garmin Enduro 2 für mich ein voller Erfolg war. Nicht nur, dass ich nun problemlos 60 Stunden und mehr durch die Berge rennen kann, ohne einmal an den Akku denken zu müssen. Die Qualität der Navigation ist einfach toll und macht richtig Spaß. Mit dieser Uhr fürchte ich keine unmarkierten Langstreckenrennen mehr. Bei dem Kartenmaterial ist auch ein Verlaufen fast unmöglich. Ich denke allein dieser Sicherheitsaspekt ist jeden Euro wert. Einzig die doch sehr umfangreiche Technik, die hinter der Garmin steht, ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Sie ist nicht die intuitivste Uhr, aber wenn man sich mal reingefuchst hat, möchte man keine andere Uhr mehr haben. Ob diese Enduro 2 letztendlich "besser“ ist als seine Konkurrenten aus Finnland und den Staaten, kann ich nicht beurteilen. Ich bin mir nur sicher, dass ein Invest in reibungslos funktionierende Technik immer Sinn macht, vor allem in unserem Sport.
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Houdini Orange Jacket
Preis: 300,00 Euro Ohne jede Frage gibt es leichtere und wetterfestere Regenjacken auf dem Markt, aber diese Jacke des Stockholmer Kultbrands HOUDINI schützte mich 2023 vor so manchem Niederschlag. Ich mag den schlichten Stil, den lässigen Schnitt, der sie von der Pflichtausrüstung eines Ultratrails auch souverän in meinen Alltag führte. Eine Jacke, die einfach klasse aussieht, perfekt passt und für ein astreines Gewissen sorgt, wenn es um Nachhaltigkeit und darum geht, ein Produkt eines Herstellers gekauft zu haben, der die Umwelt und sein Umfeld als Freunde wahrnimmt.
Denis Salomon Wischniewski ADV SKIN 5 RACE FLAG Preis: 140,00 Euro
Hoka Mafate Speed 4 Tom Stetter Preis: 180,00 Euro
Handelt es sich um den heiligen Gral, womöglich die eierlegende Wollmilchsau, von der alle Reden? Dieser Hoka Mafate Speed 4, hat mich in der Saison 23 ziemlich begeistert, er hat mich besser gemacht! Nicht nur, dass mich gerade mal zwei Paar dieser Langstreckenschlappen durch weit mehr als 1000 Wettkampfkilometer getragen haben. Der Mafate Speed 4 hat mir mein gänzlich verloren gegangenes Selbstvertrauen in technischen und blockigen Downhills wiedergeschenkt! Drei heftigere Stürze in der Vorsaison haben mir meine gesamte, geschwollene Läuferbrust zu einer Hühnerbrust schrumpfen lassen. Wie ein verängstigter Hundewelbe schlich ich die letzten Rennen im Jahre 2022 auf den Trails entlang. Eine Rippenprellung, ein verstauchtes Steißbein, ein kaputtes Handgelenk und zwei offene Handflächen, die ich meinem eigenen Unvermögen und Müdigkeit zu verdanken hatte, hinderten mich, wieder in die Spur zu finden, um zügige Downhills und technische Passagen rennen zu können. Im Januar war es dann soweit. 100 Meilen, Corsa della Bora!. Der Schuh hielt, was er während meiner Vorbereitungen versprochen hatte. Absolute Sicherheit im Gelände und eine Lauffreudigkeit, die man diesem robusten Arbeitstier auf den ersten Blick nicht ansieht. Ich denke, dass ich auch 2024 auf diese Wunderwaffe zurückgreifen werde!
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Es gibt viele Laufrucksäcke und Racevests, aber nicht alle sind gut und noch weniger Produkte auf dem Markt sind perfekt. Wunschlos glücklich machte mich der ADV SKIN 5 RACE FLAG von Salomon, denn er überzeugte durch eine Passform, die ihn nahezu unbemerkt an den Oberkörper schmiegt. Auch die intuitiv simplen Unsere Vize-WeltmeisZugriffe auf diverse Taschen und Hartterin: Katharina Fächer zeigen, wie sehrlebt Salomon seit und muth in Zürich gewinnt für das Deustche über einer Dekade an dieser Produktsensationell kategorie arbeitetTeam und immer weiter eine Medaille im Long Trail. feilt. Überraschend ist letztlich auch, wieviel Ausrüstung man in einen 5 Liter Rucksack bekommt, wenn man klug packt und seine enorme Dehnbarkeit nutzt.
PRODUKTE Lieblingsteile 2023 der Redaktion
Soar Clemens Niedenthal Hot Weather Shirt Preis: 95,00 Euro
Zugegeben, es kommt jetzt reichlich antizyklisch rüber, ausgerechnet in den dunkelsten, nasskühlsten Tagen des Jahres ein Laufshirt für die wirkliche Hitze zu empfehlen. Indes: Es werden auch im kommenden Jahr wieder 30 oder 35 Grad und dann ist das Hot Weather Short der Boutique-Running-Marke Soar das Beste, was einem (abseits eines Singlets) passieren kann. Klar, luftiges Waffle-Mesh mit einem überzeugenden Feuchtigkeitstransport kennt man auch von anderen Herstellern, dort aber zumeist mit einer ruppigen, sehr synthetischen Haptik. Das Hot Weather Shirt ist hingegen herrlich weich, es trägt sich wie ein Traum.
All Black Clemens Niedenthal OnPreis:Cloudultra 189,00 Euro Dieses Update hat sich mit ganz viel Understatement in mein Herz gelaufen. Weicher abgestimmt und aus sympathischeren (fast gänzlich recycelten) Materialien gefertigt, sieht die zweite Generation des Cloudultra seinem Vorgänger zwar ähnlich, nach drei, vier Läufen war aber klar: Das ist aber ein komplett neuer, sehr viel besserer Schuh. Spätestens in dieser komplett farblosen Variante sieht er zudem auch unglaublich gut aus. Und ist deshalb aktuell mein bevorzugter Commutingschuh für die Läufe ins Büro. Ich kann aber versichern: Trails kann er auch, nicht nur jene im Berliner Grunewald.
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Marie Meixner-Brunnhuber
La Sportiva Jackal 2 Boa Preis: 199,95 Euro
Wir Redakteure haben ja vor jedem Lauf das Luxusproblem, dass wir meist aus einem vollgefüllten Schuhregal auswählen müssen, welches Exemplar denn nun den Zuschlag erhält. Nach einem kurzen Kopfkino, wie sich wahrscheinlich das Terrain der geplante Strecke verhält, erfolgte bei mir trotz zögerlicher Annäherung am Anfang der Saison sehr sehr oft der Griff zum Jackal 2 mit dem doppelten Boa-System. Die sockenartige Gamasche umschließt meinen Fuß einfach perfekt, die Drehverschlüsse saugen den Schuh regelrecht an. Auch wenn ich nicht immer hochalpin oder ultralang damit unterwegs bin, das Paket aus Dämpfung, Stabilität und Komfort hat mich wirklich überzeugt.
Clemens Niedenthal
Marie Meixner-Brunnhuber
Asics Fujitrail Shorts Preis: 75.00 Euro
Als Redakteur dieses Magazins hat man so seine Erfahrungswerte. Einer davon: Die Klamotten der US-amerikanischen und japanischen Laufschuhuniversalisten werden eher so nebenbei produziert. Im vergangenen Frühjahr aber kam Asics mit diesen Shorts um die Ecke, die fantastisch präzise sitzen, von einer sympathischen ultraweichen Textur sind und die – aufreizend hoch geschlitzt – die Vorzüge einer Split-Shorts mit der Silhouette typischer Trailshorts verbinden. Zudem hält der integrierte Belt das Smartphone und sogar eine Windjacke fest. Perfektes Teil.
Patagonia Women’s Strider Pro Shorts 3 ½ Preis: 72,00 Euro
Diese Hose habe ich gefühlt den ganzen Sommer nicht mehr ausgezogen. Und wenn ich sie mir jetzt anschaue, sieht man dem Produkt nicht einmal an, dass es jemals benutzt wurde. Das weiche Material ist so angenehm auf der Haut, dass man beim Tragen der Shorts nicht einmal merkt, dass man etwas anhat. Die Innenhose hat für mich genau die richtige Länge, um ein Aufreiben meiner Oberschenkel zu verhindern, damit hab ich tatsächlich sonst bei fast allen anderen Shorts immer Probleme. Auch das Design ist wirklich ansprechend und die Nachhaltigkeitsstrategie der Marke mit Zuschlägen für die Naher:innen hat mich definitiv auch überzeugt.
Leki Neotrail FX. One Superlite Preis: 154,95 Euro
Marie Meixner-Brunnhuber
Ich kann diese Stöcke nicht oft genug loben. Sie sind für mich neben den Schuhen und Rucksack das essenziellste Equipment auf meinen Laufrunden. So leicht und trotzdem stabil, so einfach im Handling und technisch durchdacht. Die Fixlängenstöcke sind aus superleichtem Weltcupcarbon (HRC Max) hergestellt und können mit einem sehr minimalistischen Push-Button-System schnell und einfach superklein zusammengefaltet werden, wobei ich tatsächlich nicht nur im Uphill auf die Kraftübertragung schwöre, ich benutze sie auch sehr gerne zum Ausbalancieren des Gleichgewichts auf Downhills.
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PRODUKTE Lieblingsteile 2023 der Redaktion
Scratch Labs Super High Carb Drink Mix Benni Bublak Ich war lange Zeit ein Verfechter der Maxime, Kohlenhydrate und Flüssigkeit strikt zu trennen. Dies bedeutete, ich trank Wasser einerseits und aß Gels oder Riegel andererseits. Dies bringt viele Vorteile mit sich (man kann zum Beispiel die Menge von Beidem unabhängig voneinander variieren). Seitdem ich das hochkalorischen Kohlenhydratpulver von Scratch kenne, musste ich diesen Grundsatz aber über Bord werfen. Zu einfach war es mit dem Super High Carb Drink Mix, Kohlenhydrate in sehr großer Menge zu sich zu nehmen. Dank eines neuartigen Moleküls namens Cluster Dextrin (im Prinzip verzweigtes Maltodextrin) und seiner niedrigen Osmolarität lassen sich unglaubliche 100 Gramm Kohlenhydrate in 500 Milliliter Wasser lösen. Wer befürchtet, dass dieses Getränk letztendlich furchtbar süß schmeckt, wird eines Besseren belehrt. Der von mir genutzte Geschmack Lemon/ Lime ist eher leicht sauer und erinnert an Zitronen-Soda. Scratch Super High Carb Mix ist ab sofort meine erste Wahl bei Wettkämpfen und hochintensiven Trainingseinheiten..
Blackroll Recovery Kissen
Benni Bublak
Mit Recovery-Produkten ist es so eine Sache. Teilweise kann man sehr viel Geld ausgeben, um Resultate zu erzielen, die sich eher im Promille-Bereich bewegen. Einen sehr großen Impact auf die Erholung haben hingegen zwei ganz simple Dinge: Stressreduktion und guter Schlaf. Um letzteres zu verbessern, gibt es viele Wege. Einer davon kann durchaus ein geeignetes Kissen sein. Ich nutze das Recovery Kissen von Blackroll nun seit mehreren Monaten und schlafe wie ein Baby. Der äußerst formstabile Memory-Schaum ist angenehm weich und stützt dennoch auf natürlich Art und Weise Kopf und Nacken, da es sich an die individuelle Schlafposition anpasst. Durch viele Belüftungslöcher ist volle Atmungsaktivität gegeben. Letztendlich ist es nur ein Kissen, aber vielleicht gerade deswegen eines meiner effektivsten Recovery-Tools. Ich jedenfalls möchte es auf keinen Fall mehr missen und packe es teilweise sogar mit ein, wenn ich „auswärts“ schlafe.
NNormal Kjerag
Benni Bublak
Es ist jedes Mal ein kleiner Kampf. Heut Morgen erst wieder bin ich ihn gelaufen. Das Top-Modell von Kilian Jornet’s neuer Bekleidungsmarke. Das schwierigste war wieder mal das Anziehen des Nnormal Kjerag. Nach einigem Ziehen und Zerren war ich endlich drin. Ist diese Hürde aber einmal überwunden, entfaltet der Schuh sein großes Talent. Die Passform ist perfekt: Während im Zehenraum überraschend viel Platz bleibt, sitzt der Kjerag von Mittelfuß bis Ferse bombenfest und ist dennoch irgendwie bequem. Mir gefällt besonders, dass der Kjerag zwar ein High-Performance Schuh ist, es aber nicht übertreibt. Die Dämpfung ist reaktiv, aber nicht zu üppig. Eine Platte gibt es nicht. Der Schuh behält damit ein natürliches Laufgefühl, macht großen Spaß und verzichtet auf das teilweise abstrakte Laufverhalten anderer Top-Modelle. Anders als Kilian blieb ich mit ihm im moderaten Terrain (für Grob-alpines hat er zu wenig Schutz) und bei moderaten Distanzen (für lange Ultras zu wenig Dämpfung). Ein weiteres Versprechen hält er bis jetzt: Abnutzungserscheinungen kann ich nach einigen hundert Kilometern noch keine erkennen.
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EVENTS Späte Wettkampf-Highlights Links: Full speed im Downhill. Lousion Coiffet aus Spanien belegt Rang 6 - auch weil er seine Bergab-Skills auspackte. Rechts: Sara Alonso ist zurück! Sie gewinnt das große Finale am Gardasee. Bei den Herren gewinnt Roberto Delorenzi knapp vor Manuel Merillas.
Text: BENNI BUBLAK
DIE SPÄTEN SPITZEN LIMONE EXTREME SKYRACE Limone und Skyrunning. Diese beiden Wörter scheinen verheiratet. Autor Benni Bublak startete zum wiederholten Male beim Finale der Skyrunning World Series und lief sich, dank Rekonvaleszenz, in einen regelrechten Rausch. Trailrunning ist ein einfacher Sport. Man kann es nicht oft genug betonen: Es braucht nicht viel. Ein paar Schuhe, gesunde Beine, eine schöne Route und los gehts. Ich mag das. Was ich
außerdem mag? Das Limone Extreme Skyrace. Das mit dem einfachen Sport scheinen sie am Westufer das nördlichen Gardasees ähnlich zu sehen. Selten, nein eigentlich noch nie habe ich so ein simpel und geradlinig umgesetztes Trailrunning-Event erlebt, wie im Oktober 2023 in Limone. Dabei ist das Limone Extreme nicht irgendein Dorflauf. Im Gegenteil, die Geschichte dieses Rennens ist vollgepackt mit großen Trailrunning-Namen. Einmal mehr war das Rennen dieses Jahr das Finale der Skyrunning World Series. Das war es schon damals im Jahr 2013, als ich das Rennen das erste Mal bewusst wahrnahm. Der Sieger seinerzeit: Kilian Jornet. Die Hubschrauber
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Aufnahmen vom Downhill des Katalanen sind bis heute unangetastetes Trailrunning-Kulturgut bei YouTube. Genauso wie selbiger Strava-Rekord auf dem 2,1 Kilometer langen SchlussDownhill. 4:00 Minuten Pace – jeder, der diesen super-steilen und tierischtechnischen Downhill einmal gelaufen ist, kann nur den Kopf schütteln ob dieser Pace. Diese 22 Kilometer mit ihren knapp 2.200 Höhenmetern halten genug Herausforderungen für die Läufer:innen bereit, dachten sich die Veranstalter wohl, da sollte der Rest der Veranstaltung so hürdenlos wie möglich erfolgen. Für schlappe 35 Euro Start-
Limone und Skyrunning. Diese beiden Wörter scheinen verheiratet. Autor Benni Bublak startete zum wiederholten Male beim Finale der Skyrunning World Series und lief sich, dank Rekonvaleszenz, in einen regelrechten Rausch. geld darf ich am Rennmorgen gemütlich ausschlafen und um acht Uhr das Frühstücksbuffet im Hotel wahrnehmen. Denn Start ist erst um 11 Uhr. Anschließend bleibt mir noch genug Zeit, um meine Startnummer abzuholen. Auch dies ist bis eine halbe Stunde vor Rennbeginn möglich. Ohne Wartezeiten bekomme ich gegen die Nennung meines Namens ein weißes Kuvert mit Nummer und Sicherheitsnadeln ausgehändigt. Ein Pasta-Party-Gutschein liegt noch drin, sonst nichts. Keine Werbe-Broschüren, keine Startergeschenke, keine langen Race-Briefings. Einfach herrlich. Da sich auch die Pflichtausrüstung auf eine Windjacke beschränkt, muss ich nicht
mal meinen Rucksack packen. Jacke, Gels und Flasks in die Shorts gestopft. Fertig ist die Rennvorbereitung. Für mich ist es erst das zweite Rennen der Saison. Meine post-thrombotischen Probleme (ich berichtete in den vergangenen Ausgaben) haben sich über den Sommer weiter verbessert, was alles andere als selbstverständlich ist. Beim Eiger Ultra Trail im Juli reihte ich mich ganz hinten im Feld ein und begann das Rennen aufgrund meiner Beschwerden in für mich äußerst moderatem Tempo. In Limone bin ich schon mutiger und wage mich zumindest in das vordere Drittel des Feldes. Es ist meine insgesamt fünfte
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Für schlappe 35 Euro Startgeld darf ich am Rennmorgen gemütlich ausschlafen und um acht Uhr das Frühstücksbuffet im Hotel wahrnehmen.
EVENTS Späte Wettkampf-Highlights Teilnahme am Limone Extreme. Kein anderes Rennen hatte ich öfter bestritten. Ich wusste also, was mich erwartete. Skyrunning pur nämlich. Nach zwei Kilometern flach bis welligem warmlaufen, steigt man 1.000 Höhenmeter eine steile, der Sonne ausgesetzte Südflanke hinauf. Oben angekommen geht es immer wieder auf und ab, stets schmal, eher selten gut laufbar. Stattdessen meist auf super-schmalen Pfaden, die nur als solche zu erkennen sind, weil sie mit Fähnchen versehen sind. Wenn man sich trotzdem kurz Zeit nimmt, den Kopf zu heben, wird man mit atemberaubenden Blicken über den Gardasee belohnt, welcher gen Süden die endlosen Breiten eines Meeres annimmt. Irgendwann ist er dann da: Der 1.400 Höhenmeter lange Schluss-Downhill. Ein tückischer Downhill. Nicht nur, weil er immer wieder mit kleinen Gegenanstiegen aufwartet. Sondern vor allem, weil er untypischerweise im oberen waldi-
Sara Alonso wie man sie kennt: Sie gibt alles, riskiert viel und ist nach langer Verletzung zurück mit einem wichtigen Sieg
Situationen einer Woche UTMB: Start des PTL im Regen, Angermund mit Nachwuchs, Blanchard in der VP und Dakota Jones glücklich im Ziel des CCC
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gen Abschnitt noch ganz gut laufbar ist, nach unten hin aber immer anspruchsvoller und steiler wird. Ihr merkt, schon bei der Streckenbeschreibung gerate ich ins Schwärmen. Vielleicht ist es tatsächlich das Flair dieser Route, vielleicht aber auch die guten Erinnerungen, die ich mit diesem Kurs verbinde… Was auch immer, es zeigte Wirkung: Nach einem moderaten Anfangstempo im Flachstück merke ich, wie sich meine Beschwerden im rechten Bein nach und nach in Wohlgefallen auflösen. Was nun folgt, ist schwer zu beschreiben. Ich laufe mich in einen regelrechten Rausch. Zugegeben, meine Erfahrungen was stimmungsaufhellende Mittel angeht, sind begrenzt, doch ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es synthetische Substanzen gibt, die es mit dem Hormon-Cocktail, den mein Körper dort oben über dem Gardasee produziert, aufnehmen können. Wie ein Junkie, bei dem nach 18-monatigem Entzug der erste Trip die dreifache Wirkung entfaltet, laufe ich also über die schmalen und technischen Trails. Mal leise grinsend, mal laut jubilierend. Nach knappen drei Stunden ist es vorbei. Knapp hinter Sara Alonso, der Siegerin, laufe ich ins Ziel. Ein Ergebnis, mit dem ich vorher nicht in meinen kühnsten Träumen gerechnet hätte. Letztendlich aber doch nur ein Ergebnis, eine Zahl, welche die nachhaltigen Glücksgefühle, die dieser dreistündige Serotonin-Rausch erzeugte, nur unzureichend umschreiben. Limone – du hast mal wieder geliefert. Vor allem den Beweis, dass es nicht mehr braucht, als ein puristisches, auf das Wesentliche reduzierte Trailrunning-Rennen, um ganz große Emotionen zu produzieren.
GRAND RAID LA REUNION Katie Schide aus den USA gewinnt nach dem UTMB ihr zweites großes 100-Meilen-Rennen und eine Deutsche läuft fast auf das Podium. Es war auch das Jahr der Katie Schide. Die UTMB-Siegerin 2022 und aktuelle OCC-Zweite beendete eine außergewöhnliche Saison mit einem weiteren Sieg eines renomierten 100-Meilers. Die The North Face-Athletin konnte zum November hin ihre Form noch einmal so sehr aufbauen, dass sie beim Grand Raid keine Konkurrenz fürchten musste. Camille Bruhas lief rund 1,5 Stunden nach Schide ins Ziel ein, die Deutsche Eva Sperger eroberte Rang 4, wobei die jetzt in Garmisch lebende, ehemalige Deutsche Meisterin im Ultratrail, lange Zeit auf Podiumskurs war. Bei den Herren war es Schides´ Lebensgefährte German Grangier, der auf Sieg lief, um am Ende doch deutlich Aurelian Dunand-Pallaz den Vortritt zu lassen. Der Franzose lag nur knapp hinter der ehemaligen Bestzeit der Ultratrail-Legende Francois D´Haene, der die wilde Inselquerung auf Rang 7 abschloss und nach einer langen Verletzungspause mehr als nur solide ins Wettkampfgeschehen zurückkam. Diese 30. Austragung der Diagonale des Fouls, wie die Einheimischen das Rennen rufen, war zudem das bislang größte Abenteuer unseres Rookie-Team-Läufers Timon Günther. Der erst 25 Jahre alte Student, belegte nach einem routinierten und klugen Rennen Platz 43 in einem Feld, bei dem insgesamt 2046 Leute diese anspruchsvollen und mit 10.000 Höhenmetern gespickten 165 Kilometer bezwangen und finishten. Der Grand Raid ist im Kosmos der UTMB-Worldserie ein weiterer Beweis, dass es noch immer Events gibt, die bestens ohne das Label aus Chamonix klarkommen.
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EVENTS Späte Wettkampf-Highlights
Fotos: Sportograf
Aus deutscher Sicht? Lisa Wimmer und Johannes Löw erkämpfen sich Top 10 Plätze auf ihren topbesetzten Distanzen.
Ultratrail Capetown Manche sagen es wäre das absolute Paradies für Trailrunning und wenn man den Berichten und Bildern des UTCT glaubt, dann muss es so sein. Aus internationaler Perspektive mausert sich da in Südafrika immer zum Jahresende hin ein Wettkampf, der große Anziehungskraft ausstrahlt. Der UTCT, Ultratrail Capetown, wird zu einem Highlight und gewinnt an Prestige. Verantwortlich dafür ist ganz sicher auch der einheimische Trailprofi Ryan „Sandman“ Sandes, eine Ikone des Sports, ein Star in Südafrika und Promi über die Grenzen des Sports hinaus. Seine Ehefrau ist eine berühmte Schauspielerin des Landes und das Paar unter Beobachtung sowie medial in der Dauerschleife. Durch Sandes´ globale Trailrunning-Karriere, den Sieg beim Western States 100, wurde der Sport rund um Kapstadt beliebt. Ganz sicher war er ein Beschleuniger der rasanten Entwicklung, denn heute ist Trailrunning rund um den Tafelberg ein Massenphänomen. Dass der UTCT nun auch die ganze Welt anlockt, ist nicht verwunderlich - die Strecken sind sagenhaft schön und in dieser Form sogar weltweit einzigartig. Vorweg: der Deutsche Johannes Löw lief über die klassischen 100 Kilometer, dem best besetzten Rennen des Events, richtig toll und belegte am Ende noch vor dem Lokalhelden Ryan Sandes Platz 7. Gratulation. Er blieb unter der 12-StundenMarke. Den Sieg holte sich abermals der Russe Dmitry Mityaev, der im Vorjahr den Erfolg mit Hannes Namberger teilte. Aufgrund der Regelung, dass Russische Sportlerinnen und Sportler bei UTMB, der UTMB Serie und Weltmeisterschaften nicht starten dürfen, finden sie abseits dieser Events trotzdem Möglichkeiten, mit Startnummer und gegen gute Konkurrenz zu laufen. Bei den Damen belegte Mityaevs Frau Ekatarina Platz 3 und ließ Marianna Hogan aus Kanada und der bärenstarken Ruth Croft aus Neuseeland den Vortritt. Dünn besetzt war wiederum die schwere 100 Meilen-Strecke. Rund 120 Teilnehmer nahmen im späten Jahr daran teil und es siegte der Russe Aleksey Tolstenko in einer unglaublich starken Art und Weise. Bei den Damen gewann die Lokal-
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Yngvild Kaspersen siegt beim CCC über 100 Kilometer und zeigt keine Schwäche dabei
heldin Nicolette Griffioen unter dem Jubel Ihrer Freunde und Familie. Doch beim UTCT ist vor allem die 55 Kilometer Strecke, die im Küstenort Llandudno startet, um in einer wilden Schleife in Capetown selbst zu enden, ein Highlight. Diesmal war quasi das komplette Event ein Adidas Terrex Team-Saisonabschlusstreffen - wenig verwunderlich, dass nahezu alle Siege an diese Adresse gingen. Robbie Simpson siegte bei den Herren vor einer wieder einmal superschnellen Toni McCann, die im Gesamtklassement Dritte wurde. Die Deutsche Lisa Wimmer eroberte sich Rang 7! Ganz allgemein waren die Leistungen der Damen beim UTCT mehr als nur beeindruckend. Überschattet wurde der Event vom Überfall des favorisierten Briten Tom Evans, der bei einem Trainingslauf ei-
nige Tage vor Beginn der Wettkämpfe ausgeraubt und verletzt wurde. Der Deutsche Profiläufer Marcel Höche und die neue Salomon-Team-Läuferin Laura Hampel wollten ihre guten Saisons 2023 ebenfalls in Südafrika
Sieg Nummer zwei beim zweiten Start: Dmitry Mityaev wiederholte den Erfolg von 2022. Diesmal noch stärker!
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mit Top-Platzierungen abrunden, aber auch daraus wurde nichts - Hampel fing sich eine Grippe kurz vor dem Start ein, Höche brach sich im Vorfeld des Rennens bei einer Lauftour den Arm. Gute Besserung an alle!
PRODUKT STOCK-TIPPS INTERVIEW Black Trail Runners London Text : BENNI BUBLAK
dir
„Wir werden erstaunt sein, wer alles durch die Tür kommt.“
Text & Fotos: DENIS WISCHNIEWSKI
Hand auf Herz, Trailrunning ist noch immer ein sehr weißer Sport. Die Black Trail Runners wollen das ändern. Und plädieren für eine Laufkultur, die endlich allen offensteht.
UTMB: Das Puzzle-Theorem
Ein Ultratrail ist wie ein großes Puzzle! Behauptet zumindest eine große Ultratrail-Läuferin. Wir haben diese Hypothese aufgenommen, weiter gedacht und tatsächlich viele Gemeinsamkeiten gefunden. Eine kleinteilige Charakterisierung des Sportes Ultratrail anhand des großen UTMB.
Rebecca Muwanga bei den Adidas Infinite Trails im Gasteiner Tal
Rebecca Muwanga und Phil Young sind Teil einer politischen Bewegung. Und einer Run Crew. Den Black Trail Runners. Denn auch in Großbritannien, einem Land, das seit dem 19. Jahrhundert darin geübt ist, eine diverse Gesellschaft zu sein, ist das Laufen abseits der urbanen Parkwege noch immer ein sehr weißer Sport. Die Black Trail Runners wollen das ändern. Überhaupt stehen sie für mehr
Inklusion in einem Sport, der sich noch viel zu oft daran macht, seine vermeintliche Offenheit und Niederschwelligkeit zu betonen. Auch zum Trailrunning braucht es aber mehr als nur Shorts, ein Shirt und ein paar Schuhe. Zutrauen zum Beispiel, und Vorbilder, die den eigenen Lebenswirklichkeiten entsprechen. Hey Rebecca, hey Phil, bevor wir 4/2023 38 1/24 38
"Die Tatsache, dass man sie nicht sieht, bedeutet nicht, dass schwarze Trailrunner:innen nicht existieren".
Puzzelt gerne: Courtney Dauwalter weiß wie komplex lange Trails sein können
"Es bedeutet mir wirklich viel, People of Color auf dem Cover des Trail Magazins zu repräsentieren".
Fotos: Ian Corless, Pettr Engdahl
ausführlicher über die Black Trail Runners reden, sollten wir nochmal erzählen, wie es überhaupt zu diesem Interview gekommen ist. Du, Rebecca, warst auf dem Cover unserer vergangenen Ausgabe … Rebecca: … und es bedeutet mir wirklich viel, People of Color auf dem Cover des Trail Magazins zu repräsentieren. Ich war selbst ein sportinteressiertes Kind, sah bei den Sportübertragungen im Fernsehen aber nur wenige Menschen, die so aussahen wie ich. Jetzt bin ich selbst Mutter und möchte, dass es meinen Kindern anders geht. Ich möchte, dass junge Menschen das Gefühl haben, zu ihrem Sport zu gehören – egal, für welchen Sport sie sich entscheiden. Um auf das Cover zurückzukommen: Es war tatsächlich das allererste Mal, dass bei den Adidas Terrex Infinite Trails ein reines Team aus People of Color angetreten war. Nebenbei bemerkt war es auch mein erster Lauf in den Alpen überhaupt. Ich habe erst im Januar 2021 mitten in der Pandemie mit dem Laufen begonnen, um meinem stressigen Alltag als berufstätige Mutter Struktur zugeben und um Stress abzu-
bauen. Im Frühjahr 2022 habe ich dann die Black Trail Runners kennengelernt. Also lasst uns über die Black Trail Runners reden. Wie kam es zu Eurer Community? Und worum geht es Euch genau? Phil: Ganz einfach darum, Trailrunning auch für schwarze Menschen sichtbar zu machen und möglichst allen Interessierten diesen Sport zu ermöglichen. Die Community wurde während des Lockdowns von einer Gruppe von Läufer:innen als möglichst diverse Gruppe ins Leben gerufen. Wir machen Communityruns und öffentliche Vorträge, veranstalten ein eigenes Rennen,das „Black to the Trails“, bieten aber zum Beispiel auch einen Ausrüstungsverleih an. Laufen ist zwar ein relativ günstiger Sport, was aber immer noch nicht heißt, dass ihn sich jede:r leisten kann. Adidas Terrex ist da ein wichtiger Partner für uns. Warum sieht man, nicht nur in Europa, so wenige schwarze Menschen auf den Trails? Phil: Du hast es schon ganz richtig formuliert: Die Tatsache, dass man sie nicht 4/2023 39 1/24 39
sieht, bedeutet nicht, dass schwarze Trailrunner:innen nicht existieren. Es ist aber schon ein verstörendes Gefühl, bei einem Rennen oder einem Community Run die einzige Person of Color zu sein. Und, ja, man erlebt Mikroaggressionen bis hin zu einem unterschwelligen Rassismus. Die Mehrheit der People of Color ist in Städten aufgewachsen, dort haben sie ihre Communities. Die ländlichen Regionen, die Landschaft des Trail Runnings, sind fast überall in Europa, sehr weiß. Deshalb ist es so wichtig, dass etwa die Hersteller und Marken möglichst diverse Bilderwelten produzieren, die jungen schwarzen Menschen signalisieren, hey, das könntest Du sein. Es ist schwierig mit einem Sport zu beginnen, der einem das Gefühl vermittelt, ein absoluter Außenseiter zu sein. Vielleicht eine dumme Frage: Könnte ich denn auch bei den Black Trail Runners mitmachen? Phil: Klar. Die Black Trail Runners schließen niemanden aus. Wir haben viele nicht-schwarze Läufer. Sie sind Freunde, Partner, Verbündete. Rebecca, wie bist Du zum Trailrunning gekommen? Rebecca: Ich bin mit Mannschaftssportarten aufgewachsen, aber wie das bei den meisten so ist, war damit nach der Jugend Schluss. Nach der Geburt meines ersten Kindes bin ich dann in ein richtiges Loch gefallen. Ich habe mich gefragt, was mich früher immer glücklich gemacht hat, und mir fiel der Sport wieder ein. Ich habe also eine OutdoorFitnessgruppe für Mütter besucht, und es hat wirklich geholfen. Ich habe aus erster Hand gesehen, welche Vorteile Bewegung für die psychische Gesundheit hat. Dann kam der Lockdown. Und das Einzige, was wir in Großbritannien wirklich machen durften, war laufen. Also fing ich an. Dass aber Trailrunning etwas für mich ist, hätte ich nie gedacht. Ich komme aus einer ländlichen Kleinstadt und da gibt es diesen einen Hügel, um den ich immer eine große Kurve gemacht habe. Außerdem wirkten die örtlichen Laufvereine so ernst und einschüchternd auf mich. Im Frühjahr 2022 bin ich dann aber doch bei meinem ersten Trailrennen gestartet, 16 Kilometer im Lake District. Ein halbes Jahr später war es dann schon ein Trailmarathon.
EVENT Dynafit Transalpine Run Start FOTOREPORT Vor dem Du hast den Hügel angesprochen, wie und wo trainiert Ihr für Eure Trailläufe? Rebecca: Ich habe das Glück, in einer ländlichen Gegend in Nordengland zu leben, ich habe die Trails vor der Haustür. Allerdings sind die umliegenden „Berge“ vielleicht 400 m hoch, also nicht vergleichbar mit dem Gasteinertal. 1.800 Höhenmeter auf gut 20 Kilometern, das kann ich dort nicht trainieren. Juliette und Rachel, meine beiden Mitläuferinnen bei den Infinite Trails, leben in London. Die haben die Höhenmeter auf dem Stepper imitiert. Allerdings haben die Black Trail Runners auch schon mehrere Trainingswochenenden organisiert, in Snowdonia in Wales etwa, und sogar in Chamonix. BTR ist noch eine recht junge Community, was sind Eure Ziele? Phil: Vereinfacht gesagt, eine Bewegung wie unsere überflüssig zu machen. Unser Ziel ist ein Sport, der Empathie für alle Menschen zeigt und für jede:n gleich zugänglich ist. Darüber hinaus feiern wir einfach Trailrunning und die Möglichkeit, durch diesen Sport die Natur zu erleben. Das ist also durchaus eine Kritik an den bestehenden Rennveranstaltungen, Vereinsstrukturen, Blogs und Magazinen …? Phil: Es gibt nun einmal strukturelle und systemische Ungleichheiten in unserer Gesellschaft, mit denen alle minorisierten Gruppen konfrontiert sind und die spiegeln sich auch im Trailrunning. Uns geht es aber weniger darum, Vorwürfe zu machen als darum, Dinge zu ändern Also, womit könnten wir alle diesen Wandel unterstützen? Phil: Indem wir akzeptieren und feiern, dass Trailrunning viele Definitionen hat und jede:r seine eigene finden darf. Im Sport gibt es oft Torwächter, die definieren wollen, was „echtes“ Trailrunning ist. BTR hat gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die gerne Teil des Trailrunnings wären, aber nicht in die von der Werbung und den Magazinen vorgegebene Norm passen. Wenn wir die Tür nur ein wenig weiter öffnen, werden wir angenehm überrascht sein, wer alles durch diese Tür kommt.
Wenn wir die Tür nur ein wenig weiter öffnen, werden wir angenehm überrascht sein, wer alles durch diese Tür kommt.
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ÜBER 3.500 TEILNEHMER:INNEN · 50 NATIONEN · 6 DISTANZEN · 16 —106 KM · 760 — 5.080 HM
GARMISCH-PARTENKIRCHEN TRAIL
FINISH
13-15 JUNI 2024 #ZUT #WESHAREYOURPASSION ZUGSPITZ ULTRATRAIL
106 KM
5.080 HM
EHRWALD TRAIL
86 KM
4.080 HM
LEUTASCH TRAIL
68 KM
2.870 HM
MITTENWALD TRAIL
44 KM
1.860 HM
GAPA TRAIL
29 KM
1.440 HM
GRAINAU TRAIL
16 KM
760 HM
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zugspitz-ultratrail.com
MEINUNG UTMB /// Off-Season
Ruhe bewahren
Die Stimmen werden lauter, je größer der Sport wird. Der UTMB und seine Machenschaften sind in der Kritik, die Kommerzialisierung zeigt in alle Richtungen ihre Wirkung - doch der Kolumnist sagt: "Bleibt mal auf dem Boden bitte!" Text: DENIS WISCHNIEWSKI
Der große UTMB fährt seit Jahren seine Schultern aus und nun frisst sich die dazugehörige UTMB-Worldserie durch die globale Event-Landschaft, kauft bestehende Rennen auf und drängt somit, gewollt oder ungewollt, auch kleinere Rennen vom Kalender. Die Golden Trail World Serie, die wohl zweite international renomierte Laufserie für Trailrunning, hübscht sich nicht erst seit diesem Jahr ganz speziell für die Livestream-Kameras auf. Da werden Strecken dann so angelegt, dass es sich auch möglichst gut übertragen lässt. Wohlmöglich auch ein Empfehlung für künftige Olympia-Teilnahmen. Kritische Stimmen beschwören gar den Untergang des Sports, so wie wir ihn kennengelernt haben, herbei. Darunter findet man teils düstere Prophezeihungen, die Trailrunning in einem Atemzug mit Inlineskaten nennen, einem Sport, der Anfang der 1990er riesig war und quasi plötzlich wieder weg war. Gekommen, um zu gehen. So wird es Trailrunning nicht gehen. Wieso auch? Der Sport ist keine Blase mehr, die er einmal war. Er wird heute von der Industrie groß geredet, um sich dahinter nicht mehr peinlich berührt zu verstecken, denn er ist es jetzt auch! Trailrunning ist auf einem solch festen und unerschütterlichen Fundament unterwegs, eine Bewegung, die tief in der gesamten Gesellschaft verankert ist und nahezu in jedem Land der Welt als Sport, Hobby und Selbstverwirklichung betrieben wird. Der UTMB hat sein Momentum und er wird vielleicht weiter den Sport prägen im Guten und oft auch Bösen, aber er wird ihn nicht aus den Fugen heben. Auch die UTMB Worldserie wird in naher Zukunft an ihre Grenzen stoßen, denn einige Veranstalter werden aus teils unterschiedlichsten Gründen einfach nicht mitmachen und die Angebote dankend ablehnen. Dahinter muss man dann aber nicht jedesmal einen kleinen Krieg erkennen wollen. Der Transgrancanaria, die Transvulcania, der Zugspitz Ultratrail oder das legendäre französische Les Templiers, beweisen gegenwärtig, dass noch immer alles in bester Ordnung ist. Sie ziehen Massen an, sie sind für die weltbesten Athletinnen und Athleten weiterhin wichtige Rennen und all das, ohne auch nur irgendeiner Serie, einem Verband oder Richtlinie zu unterliegen. Es sind Formate, die duch eine tolle Organisation, tolle Landschaft, schöne Routen und einer lebendigen Community ihre Teilnehmer anziehen. Die angebliche radikale Veränderung innerhalb des Trailrunning-Sports und seiner Community kann ich im Übrigen auch nicht feststellen. In den Grundsätzen ist der Sport nicht so sehr anders als vor zehn Jahren. Auch damals war der UTMB in Chamonix ein echt dickes Ding, auch damals liefen Leute im Rahmen von geschenkten Laufschuhen bei Communityruns zwischen Asics, Salomon und Brooks. Das alles mag 2023 etwas mehr sein, aber so ganz anders ist es nicht.
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Beim Transgrancanaria ist nun laut Pressemeldung Jim Walmsley am Start. Der US-amerikanische UTMBSieger läuft dort mit, weil es ein Rennen ist, das ihm offenbar gefällt, das gut in seinen Kalender passt. Einer der besten Ultratrailrunner der Welt ist weit davon entfernt, sich einer bestimmten Serie zu unterwerfen - fast alle Eliterunner, die mir einfallen, laufen nur dort, wo sie Lust haben zu laufen und auf eigenen Wunsch. Kaum ein Sponsor übt hier Druck aus. Das würde auch keinen Sinn machen. By the way: wenn innerhalb dieses Trailrunning-Business auch mal nach außen hin sichtbar wird, dass da Unschöne Dinge passieren, dass es da um Budgets, Geld, Macht und Gier geht, dann sollten wir Ruhe bewahren und uns in Erinnerung rufen, dass es nicht der Sport selbst ist, der sich da gerade eine hässliche Maske aufsetzt, sondern einige Leute und Machenschaften im Umfeld. Genau DAS passiert überall und ohne Ausnahme. Das passiert in anderen Sportarten, in Umweltschutzund Menschenrechtsorganisationen, ja sogar in Kirchen seit tausenden Jahren. Weshalb sollte ausgerechnet das Outdoor-Business mit multinationalen Konzernen im Nacken eine weißwestige Ausnahme spielen? Wir müssen ohne jede Frage die Augen offen haben, genau hinsehen, reagieren wenn nötig, aber die Kirche im Dorf lassen. Sammelt Stones oder sammelt keine.
Den Schnee feiern, wie er fällt Die Form für den Sommer wird im Winter gemacht? Mag schon sein. Unser Redakteur Clemens Niedenthal läuft im Winter aber vor allem um des Winters Willen. Text: CLEMENS NIEDENTHAL
In diesem Jahr kam der Winter früher als sonst. Vor allem kam er überhaupt. Sogar in Berlin. Nun ist das mit dem Wetter aber wie mit der Mode, man muss es tragen können. Berlin kann vieles tragen. Den Winter nicht. Berlin verstolpert den Winter im Wortsinn, die ganze Stadt kommt aus dem Takt, kommt aus dem Tritt. Alle, die eines haben, fahren plötzlich mit dem Auto. Immerhin sind das in Berlin aber weniger als überall sonst in der Republik. Irgendwo dazwischen: die Ganzjahresradler:innen, Rebellen des Eigensinns. Und irgendwo zwischen ihnen: ein Läufer mit Kaschmirmütze, Merinoshirt und nachtgrauer Isolationsjacke. Ich liebe die Läufe durch den Winter in Berlin. Unter Läufer:innen, und ich bin nun einmal relativ häufig unter Läufer:innen, häufen sich spätestens ab Mitte Oktober diese Gespräche. Es geht um die Laufsaison und ihre Pausen oder zumindest die Zeit, in denen es weniger oder zumindest anders läuft. Da sind dann beispielsweise jene beiden, sie sind auch noch ein Paar, die sich beim Filterkaffee nach dem Sonntagslauftreff über die große Freiheit unterhalten, auf einmal einfach nur Laufen zu dürfen. Nach den ganzen Verpflichtungen der vergangenen acht Monate, vom schnellen Zehner, zum RunCrew-Event, zu den Ultratrails in Garmisch und auf einer Kanareninsel, zum Berlin Marathon. Nach den acht Monaten, in denen Laufen auch und vor allem Training war. Was auffällt: Jetzt im November müssen sie ihre Läufe zu einer Achtsamkeitsübung verklären, zur Selfcare. Einfach nur Laufen, um des Laufen Willens, kommt ihnen nicht in den Sinn. Oder die beiden, die schon wissen, dass die Form jedes Laufsommers im Winter gemacht wird. Umfänge, Umfänge, Umfänge. Oder doch Intervalle? Kennt jemand ein Laufband, das so leise ist, dass es auch in einer hellhörigen, dielenknarzigen Altbauwohnung funktioniert? Und natürlich jene, die beim Filterkaffe nach dem Sonntagslauftreff in diesen Tagen fehlen. Der Berlin Marathon manifestiert verlässlich das Ende der Laufsaison, egal ob man denn nun mitgelaufen ist oder nicht. Ein Freund, ein Sportmediziner, meint nur lakonisch, dass der Körper solche Laufpausen schon auch mal mag. Ich mag das Laufen. Und ich mag den Winter. Auch und sogar in Berlin. Vor allem aber mag ich die langen Läufe, die mich hinausführen aus dem Schneematsch der Stadt. Und: Ich kann im Winter langsam laufen. Das fällt mir im Frühjahr, im Sommer und im Herbst sehr schwer. Ich mache Longruns, die sich wie Spaziergänge anfühlen. Manchmal unterbrochen von einem Espresso, keinem Filterkaffee, unterwegs. Ich freue mich auf den Lichtkegel meiner Petzl, bereits nachmittags um halb Fünf. Hinter Köpenick am Bachlauf der Erpe. Oder im Spandauer Forst, in Eiskeller, wo es in Berlin verlässlich am kältesten sein soll. Daher auch der Name. Nichts wie hin. Ich vermisse die Sauna, die ich nicht habe, und freue mich auf die Badewanne
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nach dem Lauf. Ich denke nicht an die trainingsphysiologische Wirkung solcher Einheiten. Ich bereite mich auf gar nichts vor. Höchstens darauf, möglichst lange lange laufen zu können. Immer. Vor allem aber im Winter. Nun laufe ich ja nicht nur zum Spaß. Obwohl ich, wie bereits angemerkt, mich dem Ernst einer Laufveranstaltung nur noch sehr selten stelle. Aber ich bin Redakteur eines Laufmagazins. Und in dieser Funktion nicht gefeit davor, altkluge Winterlauftipps zu geben. Merino! Lagenlook! Dehnen und überhaupt die Aufwärmphase verlängern! Flacher atmen, am besten durch die Nase! Laufschuhe mit gutem Grip! Ist ja auch alles richtig. Darüber hinaus: Wir sind hier nicht in Alaska. Oder auf dem Zugspitzblatt. Wo wir sind, ist der Winter ein guter Freund, den wir leider viel zu selten sehen. Wir sollten sie also feiern, unsere gemeinsame Winterzeit!
EVENT KAT 100 / 100 Meilen Text : SANDRA MASTROPIETRO
Die Frau im roten Regenmantel
Der KAT 100 – oder ein kurzer Bericht über eine lange Reise durch die Kitzbüheler Alpen, den Regen und die Nacht .
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Fotos: Ian Corless
Ich rufe mir immer wieder die „40-Prozent-Regel“ der US Navy Seals in Erinnerung, während ich, nach längst mehr als 100 Kilometern, durch eisigen Regen, dicken Nebel und knöchelhohen Matsch in meine zweite Nacht hineinmarschiere. Diese Regel besagt, dass man in dem Moment, in dem der Körper signalisiert, dass er nur noch aufgeben möchte, erst rund vierzig Prozent seines Potentials ausgeschöpft hat. Gut, vielleicht sollte man Thesen des Militärs generell mit Vorsicht genießen. In diesem Moment aber genieße ich die Hoffnung, die in dieser Aussage steckt. Aber von Anfang an: Es ist das erste Augustwochenende 2023. Das war übrigens jenes, an dem es so unendlich viel geregnet hat, auch schon in
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den Tagen davor. Und an den Tagen danach. Egal. Es sollte die erste Austragung des bislang eher beschaulichen KAT100 sein, das unter der Dachmarke des UTMB ausgetragen werden sollte. Dementsprechend groß war plötzlich nicht nur das Teilnehmerfeld, sondern auch die kollektiven wie individuellen Erwartungen. Dem Wetter war das ziemlich egal. Aber, wie haben wir es schon in unserer Kindheit gelernt: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung. Und die haben wir Trailrunnner:innen ja bekanntlich nie. Also: Pflichtausrüstungs-Check absolvieren, stolz die hochwertigen Fasern präsentieren und rein in die Startbox. Die Wolken schmecken Ich persönlich liebe diesen Moment, kurz bevor es losgeht – die magischexplosive Mischung aus Anspannung, Vorfreude, Innerlichkeit und dem
EVENT KAT 100 / 100 Meilen inneren Auge, das schon einmal das gesamte Rennen projiziert. Hat das Training gereicht? Klar hat das Training gereicht! Man bestärkt sich, dass es schon gut werden wird. Und klopft dem inneren Schweinehund auf die Schulter. Punkt 18:00 Uhr werden wir von einem Startschuss, gemeinschaftlichem Jubeln und einer gut gelaunten Truppe mit brasilianischen Trommeln auf die Strecke geschickt: Lasset die Reise durch die wunderschönen Kitzbüheler Alpen beginnen! Und während wir uns vertikal in Richtung Baum- und Wolkengrenze bewegen, wächst nicht nur das Freiheitsgefühl, sondern auch meine Freude ins schier Grenzenlose. Ich liebe, was ich tue! Jeden Schritt im Regen; durch Matsch, an Felsen entlang – mittendrin im Hier und Jetzt. Ruhe. Luft, die nach Regen riecht. Ich kann die Wolken schmecken. Und während sich das Pillerseetal mit seinen – für gewöhnlich – aussichtsreichen Gipfelgraten immer mehr in Dunkelheit hüllt, leuchtet das Jakobskreuz auf der Buchensteinwand im hoffnungsspendenden Grün durch die Nacht und weist uns den Weg. Die ersten 60 Kilometer scheinen nur so vorbeizufliegen, heraus aus der Nacht, hinein in den Freitagmorgen, hinauf zum Kitzsteiner Horn. Ein brutal steiler Anstieg auf knapp 2.000 Meter Höhe bei brutal nassen Wetterbedingungen nach 85 Kilometern – mit dem leicht abnehmenden Sauerstoffgehalt der Luft, scheinen auch erstmals meine Euphorie und Zuversicht den Zweifeln zu weichen. Ist das heute wirklich der Tag, an dem ich hundert Meilen „nach Hause” bringen werde? Bin ich, jetzt gerade und überhaupt, stark genug? Den Schatten abschütteln Mein Blick fällt auf die Uhr, ich versuche zu rechnen. Wie auch immer es ausgeht: Sollte ich die Ziellinie erreichen, dann sicher nicht mehr an diesem Tag. Eine zweite Nacht wird un-
ausweichlich. Und auch wenn mir das eigentlich doch schon vor dem Startschuss klar war, bringt mich diese Erkenntnis (in Kombination mit dem starken Wind und den matschigen Trails) nun sprichwörtlich wie buchstäblich ins Wanken. Mir ist kalt, ich habe Hunger und die Müdigkeit klebt wie ein Schatten an mir. Schritt um Schritt bahne ich mir meinen Weg durch den Nebel und versuche, meine negative Gedankenspirale auszutricksen. Ich bemühe mich, positive Bilder als persönlichen Wegweiser zu nutzen; rufe in Erinnerung, was ich bislang alles geschafft habe und ermahne mich, den Wunsch nach Bequemlichkeit zu überwinden. Grenzen verschieben, neue Horizonte entdecken und dieser ganze Krams. Das kleine Einmaleins des Mentaltrainings klappt erstaunlich gut. Ich „schleppe” mich nicht mehr, ich marschiere wieder – das Ziel fest im Blick. Die Kilometeranzahl in meinen Beinen wird dreistellig, der Regen wieder stärker und die Trails durch die vorangegangenen Niederschläge sehr unwegsam. Jeder Schritt durch den knöchelhohen Schlamm ist ein Kraftakt. Da ich schon seit vielen Stunden allein unterwegs bin, beginne ich mit Einbruch der zweiten Nacht laut zu singen. Zum einen, weil ich plötzlich tatsächlich Angst vor wilden Tieren habe (wer lange wach ist, hat komische Gedanken, ja) und zum anderen, weil ich versuche, meine eigene Stimmung zu heben. Plus: Singen wärmt! Ist wirklich so. „Into the unknown” schmettere ich den Titelsong von Schneekönigin Elsa in Gedanken an meine Töchter, während ich versuche, dem Eisregen in meinem Gesicht zu trotzen. „Vierzig Prozent Sandra, Du bist gerade mal bei 40 Prozent!”, sage ich mir immer wieder, während Matsch von oben in meine Schuhe dringt und feine Sandkörnchen wie Schmirgelpapier meine Füße aufreiben. Irgendwann aber ist dann auch diese zweite Nacht vorbei. Durchgelaufen. Einfach
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„Into the unknown” schmettere ich den Titelsong von Schneekönigin Elsa in Gedanken an meine Töchter, während ich versuche, dem Eisregen in meinem Gesicht zu trotzen.
schreit mich eine Frau im roten Regenmantel aus voller Kraft an, nickt mir anerkennend zu und klatscht enthusiastisch in ihre Hände. „Mama, wer ist das und warum wow? Was hat die gemacht?“, höre ich ihre kleine Tochter ungeduldig fragen, während sie der Mutter am Saum des roten Mantels zupft. „Diese Frau da, ist gerade 170 Kilometer durch die Berge gelaufen. Durch Tag und Nacht und durch ganz viel Regen. Das ist eine ganz starke Frau, so wie du auch mal eine sein wirst", erklärt sie ihrer Tochter und klingt seltsam berührt dabei. „Aber Mama, wieso kann ein Mensch so weit laufen und warum machen die das?“ fragt das Kind verwundert. Die Antwort darauf kann ich leider
durchgelaufen. Weiter. Immer weiter. Und ehe ich mich versehe, befinde ich mich auch schon im letzten Abstieg in Richtung Zielgerade. In Fieberbrunn, da, wo alles vor knapp zwei Tagen gestartet ist. Nach Hause bringen „Super, wow – einfach nur wow. Weiter, immer weiter, gleich geschafft!“
nicht mehr hören, zu laut schallt mir die Stimme des Moderators entgegen. Und in dem Moment, in dem ich die Ziellinie nach mehr als 42 Stunden quere, wird mir bewusst, dass ich diese hundert Meilen vielleicht genau deswegen „nach Hause” gebracht habe – weil ich es nicht nur mir beweisen wollte, sondern auch allen da draußen, die an sich zweifeln. Ja, es ist möglich. Ja, auch Du kannst es schaffen. Ja, es tut weh. Und nein, es macht nicht immer nur Spaß. Aber das ist es wert. Absolut. Weil wir im Herzen, im Kopf und im Körper alle mehr als vierzig Prozent unseres Potentials tragen. In diesem Sinne: Es sind nicht unsere Füße, die uns bewegen, es ist unser Denken. Ach, ja: Häufig assoziieren wir Langdistanz-Leistungen wie eben ein Hundert-Meilen-Finish, mental und physisch, als eine absolut individuelle Leistung. Doch hinter solch einem Kraftakt steckt selten nur eine Person. Viel mehr steht da ein ganzer Stab. Ein großer Dank geht an dieser Stelle an alle Familien, die „ den Rücken freihalten”, an Betreuer:innen, die schlaflose Nächte verbringen, an Helfer und Organisatoren, die allen Wetterbedingungen trotzen, und an die Freunde und Freundinnen, die müde schmunzelnd hinnehmen, dass es wochenlang kein anderes Thema gibt.
Wo: Fiebrunn in den Kitzbühler Alpen Wann wieder: 1. -3. August 2024 Distanzen: 172 Kilometer, 9.929 positive Höhenmeter 81 Kilometer, 4.860 positive Höhenmeter 48 Kilometer, 3.220 positive Höhenmeter 24 Kilometer, 1.640 positive Höhenmeter
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PORTRÄT Heini Albrecht /// Podcast Text: BENNI BUBLAK Fotos: Text : DENIS WISCHNIEWSKI Heini Albrecht wie ihn die Meisten kennen - im Hintergrund bei den eigenen Events, mit Ruhe und oft am Telefon oder Funkgerät.
Fotos: Klaus Fengler
Der Mann im Hintergrund 48 1/24
Heini Albrecht hatte in den 1980er-Jahren ein gute Idee – Menschen fahren mit dem kaum erfundenen Mountainbike hinauf auf Berggipfel und machen daraus ein Rennen. Heute dürfen wir alle froh sein, dass der Chef von Plan B Events diesen Einfall hatte.
Heinrich "Heini" Albrecht sitzt in seinem Büro in Sauerlach bei München und wirkt eigentlich ziemlich entspannt. Es ist Mitte November und die, nein "seine", Event-Saison ist vorüber. Also ist der 62-Jährige in einer seltenen und doch jährlich wiederkehrenden Ruhephase. Ein guter Tag, um mit dem Erfinder so großer Trailrennen wie dem Zugspitz Ultratrail oder dem legendären Transalpine Run zu reden. Albrecht ist kein Mann langer Worte, keiner, der bei eigenen Veranstaltungen auf der Bühne steht oder sich an ein Mikrofon drängt. Er beobachtet viel, er sucht Gespräche in kleiner Runde und scheint einfach damit zufrieden, wenn die Dinge rund laufen, wenn alles glatt läuft. Bereits 2005 hatte der am Schliersee aufgewachsene, ehemalige Fußballspieler, der das Laufen eigentlich selbst immer verteufelte, die Idee, einen Wettkampf zu organisieren, bei dem die Teilnehmer in acht Tagen über die kompletten Alpen laufen sollten. Heini erinnert sich: "Klar, das war verrückt. Ich hatte zuvor zwar etwas Ähnliches für Mountainbiker veranstaltet, aber die Strecke für die Läufer war viel schwerer, viel höher und alpiner! Zudem gab es im Prinzip auch keine Zielgruppe für solch einen Wettbewerb!" Und doch standen 78 Teams damals am Start, um bei einer Premiere dabei zu sein, die durchaus auch Potential gehabt hätte die Letzte zu sein. "Es ging aber weiter. Weil wir mit Gore-Tex einen Sponsor hatten, der mit einem langen Atem an das Ding glaubte, wie wir auch." Das zweite Jahr versprach kaum eine Steigerung, doch dann, im dritten
und vierten Anlauf wuchs der "TAR", wie er irgendwann in der Szene genannt wurde an. Das erste Trailrunning-Event mit einer echten Präsenz, Presseecho, mit internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, war in Deutschland geboren. Der Ursprung von Albrechts mutiger Event-Ideen liegt in den frühen 1980er Jahren. Der Student findet sich 1983 in Garmisch-Partenkirchen, inmitten der sehr frühen Mountainbike-Bewegung wieder. Die ersten sehr simplen Hardtail-MTBs sind aus den USA nach Europa verschifft und so recht weiß hier niemand genau, was man damit anfangen könnte. Es brauchte ein Spielfeld für dieses Gerät und Heini schmiedet ein Koalition mit Chester. "Der hatte in Garmisch damals einen Radladen und wir veranstalteten das erste MTB-UphillRennen hinauf zu Esterbergalm. Das kam bei den Leuten an und wir hatten schnell über 3.000 Anmeldungen." Kurze Zeit später kam eins zum anderen. Bei einem Gespräch in den Hallen der Paulaner-Brauerei über ein mögliches Sponsoring durften sie mit Ihren Event-Ideen nach nur zwei Minuten den Raum wieder verlassen. Aber einer der Anwesenden fing die Jungunternehmer ab und fädelte einen Kontakt zum damaligen Elektronik- und TV-Geräte-Riesen Grundig ein. Dies war der Beginn des ersten Mountainbike-Weltcups – Heini Albrecht sah sich in kürzester Zeit inmitten eines spannenden Zirkus, der einmal um die ganze Welt raste. Für viele Jahre war das Mountainbike der Dreh- und Angelpunkt seines Schaffens. Es folgten riesige Festivals, die er mit seiner Agentur und Verlagen auf die Beine stellte und ein Etappenrennen, das die Grundlage
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für den heutigen Transalpine Run liefern sollte. "Für viele Jahre sorgten wir dafür, dass Mountainbiker bei der Bike-Transalp sicher und zufrieden über die Alpen radeln konnten. Irgendwann liefen diese Verträge aus und meine Frau Uta und ich standen da und überlegten von Null an, wie wir als Event-Agentur weitermachen könnten. Die Idee, das Ganze ohne Bike, zu Fuß zu machen, war hochspannend." Die Albrechts setzten auf das richtige Pferd. Der Transalpine Run wuchs und wurde zum zentralen Wettkampf der noch jungen Trail-Community in Deutschland. Der Erfolg des TAR bestärkte die nun immer mehr auf "Trailrunning" fokussierte Agentur, auf weitere Laufwettbewerbe zu setzen. "Nicht alle waren ein Erfolg. Bei vielen Dingen blieb es oft bei der Premiere, aber das ist okay und gehört dazu", erinnert sich der Vater einer erwachsenen Tochter. Eine Sache schlug nur sechs Jahre nach dem ersten TAR jedoch ein – der Zugspitz Ultratrail ist heute das größte Trailevent in Deutschland und feiert mit fast 4.000 Teilnehmern jährlich ein riesiges Fest in Garmisch-Partenkirchen, genau dort wo vor über 40 Jahren die Geschichte begonnen hatte. Für Albrecht ist die Geschichte nicht zu Ende. Er hat neue Ideen und dabei übrigens auch meist einen eigenen Kopf. Die Anfragen des UTMB, ob er mit einem seiner Rennen ein Teil der berühmten Worldseries werden wolle, hörte er sich in aller Ruhe mehrmals an, um in Ruhe zu entscheiden, dass er seine Sachen weiterhin lieber ganz alleine macht. Es ist Mitte November. Albrecht ist in seiner Mitte.
REPORT Die Distanzen im Trailrunning 1/2
Über Distanzen
Noch nie war unter dem Dach des Begriffes TRAILRUNNING soviel an Sport und unterschiedliche Distanzen versammelt, wie heute. Einiges davon bin ich bereits gelaufen. Wie fühlt sich ein Vertical K an? Ist ein Etappenlauf schöner? Der Versuch einer Beantwortung zwischen kurz und ganz lang. Text : DENIS WISCHNIEWSKI Fotos : SPORTOGRAF
Vertical K
1.000 Höhenmeter ganz direkt nach oben - ich hatte Blutgeschmack im Mund und es war pures Leiden. Kurz danach war es aber toll, toll, toll ...
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Trail-Marathon/Halbmarathon
Die klassischen 42,195 km sind es auf Trails zwar nie ganz genau, aber diese legendäre Länge ist auch im Gelände sagenhaft gut und sagenhaft komplex.
wesen sein, als ich erstmalig bei einem traditionellen „Vertical K“ in den norditalienischen Alpen am Start stand. Links und rechts von mir sehnige Mädels und Jungs, die in ihren Singlets und Splitshorts vor allem körperlich in einer auffälligen Angleichung zur Felslandschaft im Gedächtnis bleiben sollten. Vom Start weg ging es los mit allem, was das Laktat hergab. In einer geraden Linie hinauf zum Gipfel. Stumpf. An besonders schönen Stellen standen Menschen, Familien, Angehörige, die so sehr jubelten, dass ich schneller voran kam als ich es sonst könnte.
Um zu wissen, was ganz lang ist, muss man doch auch erlebt haben, was als kurz gilt. Ich lief als Trailrunner so schnell es nur ging 1.000 Höhenmeter steil nach oben, einen Marathon durch wildes Gelände und in 41 Tagen und 50 Etappen von München bis in die Türkei. Wie umfangreich Trailrunning als Sport sein kann, wie sehr man sich in Distanzen und Kategorien finden
und verlieren kann, will ich Euch hier berichten. Prolog Ich dachte allen Ernstes, ich wäre der große Mac. Der Typ, der einen Ultratrail in einer heißen Wüste lief und jetzt mit so ziemlich allem anderen kurzen Prozess macht. Von wegen. Es muss in meinem dritten Laufjahr ge5/2023 51 1/24 51
Nach nur wenigen hundert Metern hing ich mit einem starren Blick, gebeugt über meine Stöcke, mitten im Grashang und blendete alles aus, was um mich herum passierte. Die Anfeuerungsrufe wurden blass und verloren ihre Farben, mein Atem hingegen dröhnte wie ein Bass durch meinen Körper. Das waren echte Schmerzen und ich war im Prinzip mit zwei Dingen beschäftigt - dem Unterdrücken der Schmerzen, dem Umgang mit ihnen und dem Vorankommen. All das soll einfach schnell vorüber sein. Irgendwann nach 50 Minuten war es das auch und ich stand da oben auf diesem Plateau, auf dem sie ein kleines Ziel aufbauten, das man mit einem Zielgelände eines Marathons nicht vergleichen kann. Blutgeschmack im Mund und eine Lunge die brannte. Nach einer Minute kam das Lachen zurück. Der Wechsel vom Leid zur un-
REPORT Die Distanzen im Trailrunning 1/2 sind, die aus Vereinen heraus passieren und lange Traditionen haben. Dass sich viele Bergläufe den bekannten Entwicklungen im Trailrunning verschließen, kann ich nicht nachvollziehen. Meine Idee wäre ja grundsätzlich: Bietet künftig immer zwei Rennen an - zum etablierten reinen Uphill auch eine Version, die oben nicht Ziel, sondern Halbzeit kennt und die Teilnehmer wieder nach unten schickt. Es wäre nur wenig Aufwand mehr und würde mich ansprechen. Nur mal so.
100 Kilometer / 100 Meilen Man darf die 100 Kilometer-Distanz niemals nie mit den 100 Meilen in einen Topf werfen. Der Charakter mag zwar ähnlich sein, aber die Story ist ganz anders.
gefilterten Freude passierte schnell. Das Gefühl, langsam zu sein und einen Sport absolut nicht zu beherrschen, hatte ich an diesem Tag sehr. Der Berglauf Von einem Vertical K zu einem klassischen Berglauf ist es kein enormer Schritt. Dreimal lief ich bei einem Berglauf in den Bayrischen Alpen mit und jedesmal war ich motiviert, um danach sehr enttäuscht zu sein. Ich fiel immer und immer wieder auf dieselben Fehler rein - ich bereitete mich nie darauf vor und dachte ich könnte es einfach aus meiner Grundkonstitution heraus laufen, diese Strecke einfach „wegkippen“. Jedesmal war ich enttäuschend langsam, wurde nach einem viel zu schnellen Start inflationär überholt - bei meiner letzten Teilnahme sogar von der Siegerin der AK70. Naja, und dann verbieten die Regularien auch noch das Einsetzen meiner geliebten Stöcke. Das lässt mich hilflos zurück. Und doch würde ich immer wieder und unter viel Meckerei an einem Berglauf mitmachen, weil es zumeist nette, kleine Events
„Ich kann im Uphill ganz gut pushen, bis ich das Blut auf der Zunge schmecke. Das macht ja schon auch Spaß.“
Kennt ihr den Speedtrail? Das sind diese Trails, die es noch nicht so lange gibt, weil sie quasi im Schatten der großen Ultratrails entstanden sind. Meist 12-25 Kilometer lang und einst dazu da, alle Beginner und Anfänger abzuholen. Mit der Geschichte des Sports und den Jahren liefen dort aber immer öfter junge und rasend schnelle Leute mit, die einfach „noch“ keine Lust auf Ultra-Distanzen hatten oder aus der Leichtathletik kamen. Ich lief auf Madeira beim MIUT einmal die 15 Kilometer Strecke. Das hatte durchaus auch im Rahmen solch einer auf den Ultratrail fokussierten Veranstaltung seine Reize. Man hat wenig Stress im Vorfeld, muss keine aufwendige Pflichtausrüstung bei sich tragen und ist entspannt im Ziel, um alle anderen der längeren Strecken zu begrüßen. Man ist im Ziel zwar ebenfalls ganz schön kaputt und gefaltet, aber nach ein oder zwei Tagen kann man wieder laufen und trainieren als ob nichts gewesen wäre. Das ist im Falle eines Urlaubes ziemlich praktisch, denn ich konnte nach dem Rennen die verbleibenden Tage nutzen, um kreuz und quer über die Insel zu rennen. Wäre ich die 105 Kilometer dort gelaufen, hätte mich nur noch der Strand oder ein Bett gesehen. Ich hatte tatsächlich Spaß auf diesen 15 Kilometern. Man läuft schneller, man weiß, dass es nach maximal 1,5 Stunden vorüber ist und rennt im Gegensatz zu einer längeren Distanz mit allem, was man hat, mit echtem
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100 Meilen Plus Risiko im Downhill, weil man weiß, dass das zwar bestraft werden kann, aber das Ziel in greifbarer Nähe ist und nicht vier Täler weiter liegt. Irgendwie sind diese schnellen, welligen Trails, mit einem oder maximal zwei Anstiegen genau das, was unseren üblichen Läufen im Training gleich kommt. Es steckt mehr Dynamik und Akrobatik dahinter als bei all den stoischen Marathon- und Ultratrails. Zu denen komme ich jetzt. Die Marathondistanz hat auf Trails eigentlich keinerlei Bedeutung. Diese 42,195 Kilometer werden vom Berg, vom Matsch, vom Geröll und Fels ausgeklopft wie ein Schnitzel vor dem Panieren. Diese historische Zahl kann in der Trailrunning-Version unendlich viel länger sein. Die Dimensionen sind komplett anders. Das bekam ich beispielsweise beim Ultraks am Matterhorn mit oder bei diesem wilden Marathon in Marokko im Atlas-Gebirge. Ich lief flott los und mit diesem Selbstbewusstsein, dass ich ja eigentlich einer bin, der 100 Kilometer läuft - was kann mir da also so ein Rennen anhaben? Beide Male waren die ersten 25 Kilometer wirklich gut, wirklich genußvoll und so flüssig, dass ich die Landschaften und alles um mich herum bewusst erleben konnte. Hätte ich nach 25 von 42 Kilometern entscheiden können jetzt ist Schluss, besser wird es nicht mehr werden - ich hätte es tun sollen. So geht das jedoch nicht. Es waren beides Male logische Runden und man würde im Nirgendwo das Rennen abbrechen. Ich kämpfte mich also durch und kam nach mehr als 7 (!) Stunden ins Ziel. Ich bin wahrlich kein schneller Straßenläufer, aber ich würde den flachen Stadtmarathon in 7 Stunden vermutlich sogar zweimal schaffen. Das nur als Randnotiz. Und doch liebe ich Trailrennen um die 40 Kilometer Länge. Sie sind lange genug, um in Schwierigkeiten zu geraten, um Höhen zu erleben und aus schier endlosen Tiefs zu kriechen. Sie haben alles, was einen guten Trail ausmacht mit der Sicherheit, dass das
Die Tor des Geants mit seinen 350 km und nahezu 25.000 hm ist eigentlich kein Laufwettbewerb, sondern eine Lebenserfahrung, Abenteuer, Lektion in Demut. Das hat mit einem 100 Meilen Ultratrail viel gemeinsam und auch nicht.
Ende letztlich doch absehbar und erreichbar ist. Anders. Ganz anders wird es nun ab hier. Ab hier und ab 42,195 Kilometer. Es geht in Richtung Ultra! Darauf blieb ich hängen. Das war irgendwann ziemlich schnell mein Ding geworden. Ich springe direkt zu den im Trailrunning beliebten 100 Kilometern. 100 Kilometer zu laufen, war ein Traum
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für mich und nach den ersten Straßenmarathons eine völlig angreifbare Geschichte. Ich lief die Distanz zuerst flach auf Asphalt und war komplett zerstört. Ein knappes Jahr später fand ich einen sogenannten „Bergultra“, denn der heutige Begriff „Ultratrail“ war damals noch nicht etabliert. Trotz der weit längeren Zeit fiel mir der Lauf in den Bergen viel einfacher. Er war
REPORT Die Distanzen im Trailrunning 1/2
Text & Fotos : CLEMENS NIEDENTHAL , DENIS WISCHNIEWSKI
Etappenrennen/Stageraces
Marathon des Sables oder Transalpine Run. Eine ganze Woche jeden Tag am Start stehen und täglich eine Marathonstrecke im wilden Terrain laufen, ist gnadenlos und einfach gnadenlos schön! kurzweiliger und ich fühlte mich getragen von einer Gemeinschaft, denn hier waren alle anderen keine Konkurrenten, sondern Freunde, Mitleidende, Sisters und Brothers. Die Erfahrungen bei all den folgenden 100 Kilometer-Trails, die dann schnell unter „Ultratrail“ abgespeichert waren, kamen oft lebensverändernden Umständen nahe. Ich kam gestärkt aus diesen Event, sie gaben mir Selbstbewusstsein, brachten mir eine gesunde Portion Demut ein und ließen mich komplexe Dinge des Alltags mit neuer Ruhe einordnen. Diese Läufe veränderten in mir mehr als mein halbes Leben zuvor.
Schmerzen und Leiden zu tun und das über viele Stunden hinweg. So sehr der Schmerz regiert, so sehr wechselt er sich mit Momenten der absoluten, vollkommenen Leichtigkeit ab. Ich lief 6 Stunden, 10 Stunden und litt, und plötzlich nach 13 Stunden rannte ich mit den besten Beinen wie auf Wolken. Nicht lange, aber dennoch. Das ist doch erstaunlich, oder? Ich war immer öfter fasziniert vom eigenen Körper und was da so abgehen kann. Ein 100 Kilometer Ultratrail ist im Prinzip das perfekte Format - man kann es urgemütlich angehen, man wird nämlich lange genug die Chance bekommen, viel Zeit auf der Distanz zu verlieren.
Es ging noch einmal weiter. Ich wollte eine weitere Stufe im Kosmos des Trailrunnings „erschweren“, denn mir fiel es oft nicht schwer, ganz bewusst in dieses Reich der Leiden einzutreten. Ja, Ultrarunning hat mit
Wer nun glaubt, dass 100 Kilometer und die berühmten 100 Meilen nahezu gleich sind, täuscht sich kolossal. Diese 70 Kilometer mehr sind für ein komplett anderes Rennen und Erlebnis verantwortlich. Es ist nun mal ein
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Das ist doch erstaunlich, oder? Ich war immer öfter fasziniert vom eigenen Körper und was da so abgehen kann.
LANDSCHAFT ZUM VERLIEREN
Fernwanderung/FKT-Abenteuer
Einen Begriff für diese Art des Ultraruns zu finden, ist schwer. Es sind Läufe über Wochen oder gar Monate mit einem fernen Ziel, die oft Ländergrenzen überschreiten. Bei mir zeigte die Uhr 2.400 Kilometer.
Unterschied, ob man 15, 16, 17 Stunden unterwegs ist oder gar 45. Je nach Höhenmeter und Terrain kann ein 100-Meilen-Ultratrail nämlich ein durchaus zwei Tage füllendes Programm mit allen Facetten des Draußen-Seins werden. Ist bei einem 100 Kilometer Trail meist eine Nacht inkludiert, lief ich bei meinen 100- oder 130 Meilen Wettkämpfen fast immer in eine zweite Nacht hinein und das ist ein Hammer für die Psyche. Es wird noch einmal kalt und dunkel, die
Müdigkeit schlägt gnadenlos zu. Diese zweite Laufnacht wird unfassbar lang und mächtig und ich habe mich einfach in sie hineingeworfen und mich von ihr durchwirbeln lassen. Im Ziel eines solch langen Laufes ist man aufgelöst und ich konnte zunächst garkeine Emotionen zeigen, was beim 100 Kilometer Ultra meist einfacher war. Lange lebt man in einer Post100-Meilen-Blase, um nach Tagen oder gar Wochen wieder am normalen Leben teilzuhaben.
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Ja, ja, es geht noch länger. Als wären 100 Meilen im Gelände nicht genug, hatten verrückte Italiener im Aostatal ein ikonisches Rennen erfunden. TOR. Bedeutet: Tor des Geants. Darüber aber mehr im zweiten Teil im nächsten Heft. Teil 2/2: in TRAIL #2/24 ab Februar 350 Kilometer nonstop, Etappenläufe und ein FKT-Abenteuer von München nach Istanbul.
TRAINING Dein richtiger Trainingsreiz
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Wo ist MEIN Limit? Wieviel soll ich trainieren? Was soll ich trainieren und zu welchem Zeitpunkt? Fragen über Fragen… Aber schauen wir uns erst einmal unseren Stoffwechsel genauer an, denn dort liegen schon einige Antworten vergraben. Text : BJÖRN KAFKA
Es gibt Lieder, die schmerzen so in den Ohren, dass man nicht weiß ob es lustig ist. Das hat selbst mein achtjähriger Sohn erkannt, als er das erste Mal den Neunziger-Hit „No Limit“ hörte. Seitdem ist dieses Lied für alles ein Running Gag, egal ob beim Wandern, der Länge der Hausaufgaben oder einer Autofahrt. Jede Situation hat dann ein “No Limit”. Solch ein Lied konnte nur eine Band kreieren deren Name Programm ist: 2Unlimited – klar. Und das muss man hier so schreiben, da die Sängerinnen und der Rap-Sidekick immer noch auftreten: VollgasTournee – zwei Unlimitierbare eben. Jetzt fragen Sie sich, was schreibt der für einen Käse, aber dieses Lied kommt mir immer ins Ohr, wenn ich mir Sportlerdaten anschauen. Wenn ich einen Blick auf die Trainingsstunden von Radprofis werfe, wenn ich Tour de France Daten wälze. Wo ist das Limit? Wie bewege ich mich auf dem immer schmaler werdenden Grat, der immer langsamer ansteigt, um noch etwas Leistungsverbesserung
herauszukitzeln? Wie vermeide ich Fehltritte, die mich vom Grat abstürzen lassen, in ein Über- oder Untertraining? Gibt es Möglichkeiten, das zu messen, jenseits des Bauchgefühls? Die gibt es in Form von Modellen, aber wie George Box einmal sagte: „Im Prinzip sind alle Modelle falsch, aber manche sind nützlich“. Als erstes will ich ein Modell vorstellen, das ich nützlich finde. Es zeigt mir, wieviel ich dem Sportler zumuten kann. Ich stelle es vor, da es für meinen Beruf (besonders in der Trainingsplanung) essenziell ist. Ich nenne dieses Modell ein ZukunftsModell, da es mir hilft, realisierbare Workouts zu berechnen. Werkzeuge zur Auswertung von Trainingsdaten selbst nenne ich Klarheits-Modelle, denn sie sollen mir sagen können, was passiert ist und wie ich in Zukunft weitermachen soll. Man sieht Zukunft und Klarheit gehen Hand in Hand, aber wir beschränken uns auf die Zukunft, sonst geht uns der Platz aus. „Ab jetzt Spaß mit Zahlen“. Meine Kinder verdrehen gern die Augen, wenn ich ihnen mit diesem Satz bei ihren Mathehausaufgaben helfe. Macht das lieber nicht, denn wir werden sehen: ein wenig Rechnerei und jeder versteht sich selbst besser. Statt Selbstoptimierung einmal Selbsterkenntnis. Dazu greife ich unser Zukunfts-Modell auf, das Folgendes beschreibt: wieviel kann ich trainieren, bevor ich schlechter werde. Anders ausgedrückt: wieviel Energiefluss kann mein Körper verkraften, bevor er eingeht. Professor Alois Mader hat dafür ein Proteinsynthese Modell entworfen, das einfach zu verstehen ist, denn am Energiefluss kann ich auch mit abschätzen,
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Alle Titel mit Björn Wir freuen uns auf Björn Kafka! Der Traningscoach aus München wird 2024 insgesamt drei Trainingsreportagen für das TRAIL Magazin schreiben und uns damit auch ein wenig auf das Fahrrad setzen, denn seine größten Erfolge hat Kafka als Coach von Radprofis (MTB, Bahn, Straße) gefeiert. Zusammen mit seinen Partnern betreibt er die Plattform www.aerotune.com
TRAINING Dein richtiger Trainingsreiz wieviel Proteine ich verbrauche und somit ersetzen sollte. Proteine, unsere Lebensbausteine, liefern hauptsächlich Baumaterial für Muskeln, Organe und Blut, aber auch für Enzyme und Hormone. Die Frage, die sich dabei stellt, ist: wie stark kann ich meine Protein-Synthese fordern, dass sie noch zu einer positiven Adaption führt. In der Grafik sehen wir, dass es bis etwa zehn Prozent (Ausschöpfung) noch zu einem positiven Wachstum kommt. Im Profiradsport nutzen wir aber eher fünf bis acht Prozent. Die Frage stellt sich: Prozent von was? Ich sage: von der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max, siehe Kasten). Ihr sagt jetzt: Danke für nichts, denn damit kann ich wenig anfangen. Ok, jetzt kommen die Zahlen ins Spiel. Wir müssen die Welt als großen Haufen Energie ansehen, die hin- und hergeschoben werden kann. Der Großteil unserer Energie kommt von der Sonne, die in verschiedenen Energiepaketen gespeichert wird. Sei es
VO2max
Die VO2max wird oft als der wichtigste Faktor für die Ausdauerleistung bezeichnet. Je höher, desto besser. Die VO2max gibt die maximale Menge (V) an Sauerstoff (O2) an, die vom Körper aufgenommen und während der Belastung in die Zellen transportiert werden kann. Sie wird in der Grundeinheit Volumen (Milliliter Sauerstoff ) pro Zeiteinheit (pro Minute) gemessen. Zur Vergleichbarkeit wird in der Regel das Körpergewicht berücksichtigt. Die VO2max gibt die max. Sauerstoffaufnahme an und ist damit das direkte Maß für den aeroben Energiestoffwechsel.
die PV-Anlage auf dem Dach (im Akku) oder unsere Nahrung, die wir aufnehmen. Wenn ich ein Mandelhörnchen esse, dann ist das nichts weiter als gespeicherte Sonnenenergie (Wie Photosynthese: Umwandlung in Glukose/ Stärke). Damit habt ihr verstanden, dass Energie ihre Form wechseln und somit in ein anderes System übertragen werden kann. Um die Energie zu messen, die wir beim Laufen benötigen, müssen wir die Leistung wissen, die wir aufbringen. Diese Leistung lässt sich berechnen, da alles Physik ist. Dafür gibt Messinstrumente (Stryd, Coros, Applewatch, Garmin etc.), aber selbst mit der Laufgeschwindigkeit, Streckenlänge und dem Gewicht lässt sich Leistung bestimmen. Die Leistung wird dabei in Watt angegeben. Ein Watt ist das gleiche wie ein Joule pro Sekunde. Aha, jetzt haben wir Leistung in Energie umgewandelt – in Form von Joule. Sagen wir mal ihr lauft mit 200 Watt eine Stunde lang, dann sind das
Schwelle = Schwelle?
Wer hat sich schon einmal gefragt, warum jemand mit der gleichen Schwelle und fast gleichem Körpergewicht schneller ist? Die Schwellenleistung setzt sich zum Teil aus der VO2max (dem aeroben Motor) und VLamax (dem anaeroben/ glykolytischen Motor) zusammen. Die VO2max wird oft als der Goldstandard der aeroben Fitness bezeichnet – je höher, desto besser. Aber die VO2max hat ein Gegenstück – die VLamax. Die VLamax (maximale Produktionsrate von Laktat) beschreibt den maximalen Fluss des anaeroben Laktatanteils im Energiestoffwechsel. 1/2023 58 1/24 58
900 Kilojoule (200Watt x 3600joule durch 1000). Mit diesem Wissen kommen wir zur VO2max zurück: nehmen wir an Eure VO2max Leistung liegt bei 400 Watt, dann wären das 1800 Kilojoule pro Stunde. Multiplizieren wir das mal 24 (für einen Tag), dann haben wir 43200kj. Davon rechnen wir jetzt fünf Prozent aus: 2160kj. Das wäre die Energiemenge, die zu einer positiven Adaption führen würde. Wenn Sie mit 200 Watt dahintraben, könnt ihr das fast 2,5 Stunden machen – jeden Tag (2160kj durch 900kj). Das ist viel Zeit und beim Laufen sieht man, das eher die Karosserie (Bänder, Sehnen etc.) ein Problem machen würden, bevor die Zelle platt ist. Bei höheren Grundlagengeschwindigkeiten sieht das aber schnell anders aus. Bei 300 Watt schmilzt die Zeit auf zwei Stunden täglich, also 14 Stunden pro Woche. Immer noch viel Stress auf den Stützapparat, bei dem man sich fragt: kann ein hohes Trainingsvolumen zum Bei-
VLamax – verstehe ich nicht?
Je höher die VLamax, desto mehr Sprintkraft (bis 2min) können Athlet:innen erzeugen (einfach gesagt), je niedriger sie ist, desto mehr Dieselmotor haben Athlet:innen. Hier ist ein Beispiel, um es deutlicher zu machen. Das Diagramm zeigt uns die maximale Leistungsabgabe über eine bestimmte Zeit. In kurzen Zeitspannen ist ein:e Sprinter:in stärker, aber wenn es länger wird, erzeugen beispielsweise Marathonlaufende aufgrund des sparsamen Umgangs mit Kohlenhydraten mehr Leistung.
spiel mit Radfahren, Rudern, Inlinern ergänzt werden? Ein Versuch wäre es wert, zumindest in der Vorbereitungsperiode, um eine möglichst hohe Sauerstoffaufnahme zu bekommen. Stoffwechselmodelle. Ihr habt jetzt einen Teil Eures Körpers kennengelernt (das aerobe System, die VO2max), aber es fehlt noch der Turbo, das glykolytische System. Die Phosphate lassen wir aus, da ein Trailrun selten im sechs Sekunden Sprint gewonnen wird. Das glykolytische System ist der anaerober Part, der Teil wo Kohlenhydrate zu Energie umgewandelt werden und Laktat entsteht. Das glykolytische System kann auch in der maximalen Laktatbildungsrate (VLamax, siehe Kasten) ausgedrückt werden. Damit lässt sich wiederum die Beschaffenheit der Muskelfaservertei-
Modell der aktiven Belastungsadaption der Proteinsynthese nach
Mader (1988 und 1990). Mit diesem Modell kann zum Beispiel das Trainingsvolumen (vor allem im Grundlagenbereich) berechnet werden. Hier zeigt sich auch schnell, wieviel zu viel ist. Dennoch, es ist nur ein Modell, das tägliche Wohlbefinden entscheidet immer vorrangig die Trainingsintervention. Nicht inkludiert ist hier der Substratverbrauch bei verschieden Belastungen. Denn dieser kann auch als Planungstool genutzt werden – besonders im Sinne des Kohlenhydratverbrauchs. Besonders dann, wenn ich lange und harte Läufe habe, kann die Kohlenhydratverfügbarkeit leistungslimitierend wirken.
lung und der Trainierbarkeit bestimmen. Wieso? Weil unsere Muskelfasern unterschiedlich arbeiten. Ganz, ganz simpel ausgedrückt: Schnelle Muskelfasern nutzen eher Glukose (Kohlenhydrate) als Treibstoff und langsame eher Fette. Mit dem Wissen der VLamax und der VO2max lässt sich die Faserverteilung abschätzen und damit die Trainierbarkeit. Jemand mit einer hohen VLamax und hohen VO2max braucht ein anderes Training als jemand mit einer gegenteiligen Verteilung. Ein weiterer Vorteil, den die VO2max und VLmax mit sich bringen: Jeder kann die individuelle Schwellenleistung berechnen. Bedenkt jedoch: Schwellenleistung bedeutet, dass wir in einem Übergangsbereich zwischen aeroben und anaeroben System arbeiten. Ein weiterer Vorteil der VO2max und VLamax: Die Berechnung des
TRAINING Dein richtiger Trainingsreiz Substratverbrauchs in den einzelnen Intensitäten: Wir wissen wie viele Kohlenhydrate, Fette und Proteine wir bei einem Lauf verbraucht haben. Alles Mathematik, die aber nicht beantwortet: woher bekomme ich meine VO2max und VLamax? Die meisten denken dabei an den Gang ins Labor. Klar, das geht. In meiner Funktion als Coach und Berater vieler Worldtour-Teams machen wir es anders. Natürlich machen wir Labortests, dennoch hat es sich etabliert, dass wir regelmäßig Leistungstests in Trainingseinheiten einbauen, alle sechs bis acht Wochen etwa. Diese Daten nutzen wir, um Anpassungen im Training vorzunehmen.
Meine Streckenprognosen
Die Macht der Kohlenhydrate: mit dem Wissen des Stoffwechsel-
profils lassen sich Rennprognosen genau berechnen. Zudem lässt sich simulieren wie die Menge an Kohlenhydraten (KH), die Laufgeschwindigkeit beeinflusst. In diesem Beispiel sehen wir, wie zum Beispiel die Marathonzeit bei einer KH-Aufnahme von 60gr pro Stunde, die Marathonzeit um 28 Minuten verbessert. Mein Energieverbrauch über die Leistung
Der Substratverbrauch gibt einen tiefen Ein-
blick in den Stoffwechsel des Körpers. Hier zeigt sich, welche Treibstoffe (Fette, Eiweiß, Protein) bei verschiedenen Laufgeschwindigkeiten (Leistungen) verbraucht werden. Grundsätzlich: an der Schwellenleistung werden fast nur Kohlenhydrate benutzt. Ergo: Wer hart trainiert, muss Kohlenhydrate in hohe Mengen aufnehmen, da sonst falsche Trainingsadaptionen stattfinden.
Die flexiblen Tests können indoor wie auch outdoor eingesetzt werden. Getreu dem Motto: Das, was im Radsport funktioniert, gilt ebenso fürs Laufen. Auch hier können wir über Laufleistungen, die über definierte Zeiträume stattfinden, VO2max (zum Beispiel über 4-5min) und VLamax (12-40min) berechnen. Wie das im Detail aussieht, kann man gern bei uns anschauen (www.aerotune. com). Mit einem solchen Testprotokoll kann man sofort sehen, was man kann und was nicht. Jeder erkennt wo die Stellschrauben sind: die VO2max oder VLamax? So sieht man schneller, wo das Limit ist, das verschoben werden muss, um eine Leistungssteigerung zu erreichen. Dazu aber beim nächsten Mal mehr. Zum Schluss nochmal textlicher Hochgenuss von 2 Unlimited, ich kann nicht anders: „No no limits, we'll reach for the sky. No valley too deep, no mountain too high.”
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25.-28.
JULI 2024
GROSSGLOCKNER
ULTRA-TRAIL® 110 km | 6.500 hm
Einer der härtesten Ultra Trails. Rund um den Großglockner.
OSTTIROL
TRAIL
GROSSGLOCKNER
TRAIL
84 km | 5.000 hm
57 km | 3.500 hm
Durch die schönsten Teile der Glocknergruppe.
Der Klassiker entlang des Großglockners.
GLETSCHERWELT
TRAIL
KAPRUN SCENIC
TRAIL
35 km | 1.500 hm
16 km | 1.000 hm
Eintrittstor in die Welt des GGUT.
Zu den schönsten Ausblicken im Kapruner Tal
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PORTRÄT Michael Kalisch Text & Fotos : BENNI BUBLAK
Das Fenster zum
Wie trainiert man an der Ostsee für einen alpinen 100er? Michael hat sich darüber keine großen Gedanken gemacht. Er hat es stattdessen einfach gemacht. Wie er durch das Laufen erstmalig vom flachen Norden in den bergigen Süden kam, berichtet uns der sympathische Ur-Schweriner.
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aus Mecklenburg-Vorpommern stammt, wohlvertraut und heimisch sind. Warum wir ausgerechnet mit ihm sprechen wollen, fragt er sich: „Ich bin ja schließlich nur ein ganz normaler Typ. Es gibt sicher noch tausend andere, die im Flachland wohnen aber trotzdem gerne alpin laufen.“ Vielleicht ist es wichtig, dass es in diesem Text auch mal genau darum gehen: Um
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Berg
Bescheiden, nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen, bodenständig, im ersten Moment manchmal etwas unnahbar – so sind sie, die Mecklenburger. So ist auch Michael Kalisch. Naja, zumindest erscheint es so, als wenn der Läufer aus Schwerin auch einige der Eigenschaften in sich trägt, die man den Ostsee-Anreinern klischeehaft so zuschreibt. Ja, auch Michael hat diese Unaufgeregtheit und diesen Pragmatismus in sich, welche dem Autor dieser Zeilen, dessen ganze Familie
wichtig. „Durch das Laufen hat sich schon viel verschoben in meinem Leben. Ich habe viele neue Leute und Freunde kennengelernt. Das Laufen ist mein Leben geworden“, berichtet Michael, der seit drei Jahren auch für das Brooks Run Happy Team unterwegs ist.
die Schönheit und die Bedeutsamkeit des scheinbar „Normalen“. Schließlich ist die bisherige Läuferkarriere von Michael Kalisch eine, mit der sich viele Leser:innen identifizieren dürften, ist sie doch das, was man gemeinhin als klassisch bezeichnen würde. Vor circa elf Jahren hörte der ehemalige Fußballer mit dem Rauchen auf und begann zu laufen. Immer entlang der vielen Seen rund um die Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns, in der Michael geboren und aufgewachsen ist. Fitter werden wollte er, ein paar Kilo abnehmen…Es stellte sich heraus, dass ihm die Laufbewegung nicht schwer fällt und er bleibt dran. Michael findet Spaß daran, seine Grenzen immer weiter auszuloten. Sein erster Wettkampf ist ein klassischer Halbmarathon. „21 Kilometer haste jetzt zehnmal gemacht, kannste auch mal probieren, 30 Kilometer zu laufen…“, denkt er sich kurz darauf. Logisch, dass da auch der erste Marathon nicht lange auf sich warten lässt. „Ich hatte bis dahin nie das Gefühl, so richtig krass fertig zu sein im Ziel“, berichtet Michael, der seine Leidenschaft neben einem 40 Stunden Job als Sozialversicherungsfac hangestellter betreibt. „Ich habe es vielleicht auch noch nicht drauf angelegt. Bin noch nie so richtig auf Bestzeit gelaufen.“ Bis zu einer Zeit von 3:09 hat ihn dieser Ansatz geführt. „Manchmal frage ich mich schon, was noch drin wäre, wenn ich so richtig ernsthaft trainieren würde, mit Trainingsplan und so“, sagt Michael und relativiert das Gesagt sogleich. Denn eigentlich sei dies nicht die Art, wie er den Laufsport betreiben möchte. Zu stressig, zu Ergebnis-orientiert. Freude haben am Laufen und jedes zweite Wochenende bei irgendeinem Event am Start sein und bekannte und neue Gesichter treffen. Das sei ihm
Aber wie kommt man als UrSchweriner nun eigentlich zum alpinen Trailrunning? Vielleicht ist der Weg garnicht so weit, wie es der Blick auf die Landkarte vermuten ließe. Denn wer in Schwerin oder der überhaupt im Gebiet der Mecklenburger Seenplatte laufen geht, läuft natürlich immer in der Natur. Nur die Höhenmeter fehlen eben. Auch hier, beim Einstieg ins Trailrunning, ging Michael den der wohl klassischsten aller Wege: Sein erster Ultra sind die 74 Kilometer beim größten Trail- und Landschaftslauf Deutschlands, dem Rennsteig Supermarathon. Dieses Erlebnis fixt ihn sofort an: „Jetzt brauchst du nochmal sowas Krasses. So richtig mit Urlaub und so.“ Gesagt, getan. Michael meldet sich beim Zugspitz Ultratrail an. Und wenn er schon die lange Reise auf sich nimmt, dann muss es natürlich gleich die große Runde sein. Die kompletten 100 Kilometer einmal um das Wetterstein-Massiv. Ob er denn vorher schonmal in den Alpen gewesen ist, will der Autor dieser Zeilen von ihm wissen, oder ob er zumindest in der Vorbereitung mal ins Mittelgebirge zum Trainieren gefahren ist? Beides verneint der Trailruning-Aspirant aus dem hohen Norden. Stattdessen hat er einfach unzählige Treppenwiederholungen in sein Training eingebaut. Auch im Alltag hat er jede Treppe mitgenommen, die er finden konnte oder machte Wadenheben während des Zähneputzens. Er meldet sich im Fitnessstudio an und freundet sich dort mit dem Stairmaster an. Seinen „neuen besten Freund“ nennt er gerne auch Höllengerät. Das Laufen auf dem Laufband hat er auch mal ausprobiert, aber schnell wieder sein lassen. Zum Laufen bevorzugte er dann doch die Weite der Mecklenburger Seenplatte. 50 Kilometer hat er dort in der Vorbereitung zum ZUT schon mal abgerissen. Ohne Nahrungsaufnahme! Ja richtig gehört. Nicht, dass dies eine bewusste Entscheidung von Michael gewesen wäre: „Ich hab einfach nie das Bedürfnis beim Laufen etwas zu mir zu nehmen. Meine Marathons bin ich alle ohne Gels oder dergleichen gelaufen. Gefehlt hat mir deswegen nichts“, zuckt er mit den Schultern.
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Dann war er also da, der große Tag an der Zugspitze. „Irgendwie war ich schon etwas überfordert. Die langen Anstiege und vor allem auch die steilen Downhills. Das hatte ich ja noch nie in meinem Leben gemacht. Aber ich war dann wie in einem Tunnel, habe mir das Rennen in kleine Abschnitte eingeteilt und habe einfach immer Schritt für Schritt weitergemacht.“ Nur manchmal hat Michael das Bedürfnis, einfach stehen zu bleiben und die wunderschöne Landschaft zu genießen. Nach gut 21 Stunden ist der Schweriner tatsächlich im Ziel seines ersten alpinen Laufwettkampfs und gleichzeitig seines ersten 100 Kilometer Laufs. „Es war das perfekte Erlebnis. Das Wetter, der Lauf, es hat alles gepasst“, schwärmt sogar der sonst so nüchterne Mecklenburger. Michael braucht ein paar Tage, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten und „erstmal darauf klarzukommen, was gerade passiert ist.“ Auch Muskelschmerzen begleiten ihn noch einige Tage. Aber eins ist für den Brooks-Läufer klar: Das wird wiederholt: „Inzwischen laufe ich viel lieber 80 Kilometer durch die Berge als einen Straßenmarathon. In den Menschenmassen und Häuserschluchten fühle ich mich verloren. Bei den familiären Ultras in der Natur fühle ich mich wohler.“ Beim ZUT wollte er eigentlich nicht noch einmal starten. Es gäbe ja noch so viele Events zu entdecken. Doch nach seinem Debüt im Jahr 2022 ist er im Folgejahr doch wieder am Start. Außerdem läuft er beim Ultraks in Mayrhofen und beim Mountainman im Großarltal. Die 70 und 50 Kilometer der letzten beiden Wettkämpfe lagen nur eine Woche auseinander. Wenn Michael nun einmal unten in den Bergen ist, muss das schließlich auch ausgenutzt werden. Das Ergebnis selbst ist ihm dabei garnicht so wichtig.
Aber eins ist für den Brooks-Läufer klar Das wird wiederholt! „Inzwischen laufe ich viel lieber 80 Kilometer durch die Berge als einen Straßenmarathon. In den Menschenmassen und Häuserschluchten fühle ich mich verloren.
Auf die Frage, ob Michael noch große Ziele hätte, was das Trailrunning betrifft, weiß das sympathische Nordlicht erstmal keine Antwort. Michael ist nicht der Typ für epische Pläne und vollmundige Ambitionen. Der ZUT wäre natürlich wieder Pflichttermin, beim Eiger hätte er sich beworben, aber leider keinen Platz bekommen. Bis zum nächsten Sommer reichen seine Gedanken. Aber darüber hinaus? Nö! UTMB? „Juckt mich überhaupt nicht. Ich hab mich damit auch noch nicht beschäftigt.“ Zumindest dieser Hype, hat den langen Weg nach Schwerin wohl noch nicht geschafft. Den langen Weg von der Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns in die Alpen wird Michael aber nächsten Sommer des Öfteren auf sich nehmen. So viel ist sicher.
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REISE Sardinien, die Dritte oder Vierte Text & Fotos : DENIS WISCHNIEWSKI
IRGENDETWAS MIT Unser Autor war schon wieder auf Sardinien. Ohne jede Frage eine schöne Insel, aber weit wichtiger: Hat er sich in den 2,5 Wochen denn wirklich gut erholt? Er sagt JA und es fühle sich wie 5 Wochen an. Wie hat er das nur angestellt?
FARBEN
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Um ehrlich zu sein, kann ich nicht oft genug nach Sardinien und kann nicht lange genug auf Sardinien sein. Die Insel wäre wohl der Ort, an dem ich einfach für immer und ewig bleiben wollen würde. Irgendwann kam das so. Es muss direkt nach dem ersten Urlaub dort geschehen sein, dass mein Körper und Geist an die Insel andockten und das für optimal befanden. Es war also nur eine Frage von Monaten, die Dinge zu wiederholen, zu packen, über den Brenner zu rollen, auf die Fähre zu rangieren, in die Kabine einzuchecken und an einem frühen Morgen anzulegen, um am Ziel der Sehnsucht anzukommen. Dieser vierte Trailtrip nach Sardinien sollte diesmal anders werden. Ich woll-
te alles genau so machen, um möglichst effektiv "runterzukommen", um erholt zurück in diesen grauen deutschen November zu stolpern und ihn zu bestehen. Ich fragte mich also vor der Abfahrt bereits, was müsste ich im Urlaub tun, um aus diesen 18 Tagen gefühlte 50 Tage zu machen? Ein Urlaub, der einer echten Auszeit gleichkommt. Ich notierte auf einem kleinen Block all das, was mit wichtig wäre, was mich glücklich macht und mit auf die Insel kann, denn nicht alles was mich fröhlich macht, kann ich ins Wohnmobil stecken und übers Mittelmeer transportieren. Ich hätte jetzt beispielsweise nicht den alten MGB GT mitnehmen können, aber ich hatte Fotos von ihm auf dem Handy und ich hätte das Münchner Museum Brandhorst auch nicht mitnehmen können. Das wäre nicht möglich gewesen. Mir fielen aber schnell Dinge ein, die
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sehr gut in das Gepäck passten. Meine Frau beispielsweise. Ohne die wäre ich nicht gefahren. Niemals nie. Die feine Hundedame natürlich auch. Meine Mal- und Zeichensachen. Check. Ein gutes Buch. Ach ja, und meine Laufsachen, aber das sollte ich nicht extra in einem Laufsportmagazin erwähnen. Laufsportsachen und Trailschuhe sind meine Währung, ein Anhängsel wie eine Bankkarte, eine Unterhose oder eine Lesebrille ab 45. Ich notierte weitere Dinge auf den Notizblock, den es damals nur liniert gab, obwohl ich weit besser mit dem karierten Muster zurechtkomme. Ich schrieb etwa unter "Malen & Zeichnen" noch "Kaffee trinken" und "Mittagschlaf in einer Hängematte". Der Gedanke daran, wie schön dieser Urlaub werden könnte, entspannte mich bereits lange vor der Abfahrt. Vorweg: Sardinien im Oktober ist das Beste überhaupt. Die Insel hat sich über einen Sommer lang hinweg aufgeheizt und verabschiedet sich meist souverän mit 25 bis 30 Grad ganz langsam in den Herbst hinein. Die Nächte sind noch immer mild, die Tage heiß und das Wasser so warm wie nie. Viele Restaurants und Campingplätze haben bereits geschlossen und doch findet man genügend, das noch offen hat. Die Menschenmassen haben Sardinien längst verlassen und alles findet sich hier in einer Ruhe und Entspannung wieder. Ich würde Sardinien immer besuchen, aber um ehrlich zu sein, hat eine höhere Macht dafür gesorgt, dass ich immer nur im Oktober
REISE Sardinien, die Dritte oder Vierte
Drei absolute TIPPS auf Sardinien Gute Essen: Wer sich in den Osten Sardiniens verirrt und bei Buggerus hungrig wird, sollte einen Tisch in der Trattoria del Sole e della Luna buchen. Es wird unter Garantie einer der besten kulinarischen Abende Eures Lebens. Zudem ist der Preis fair. Ein mehrgängiges Menü kostet inklusive Hauswein und Wasser rund 30 Euro, wer es um einen Fleischgang upgraded, wird um die 45 Euro bezahlen. Originaler sardischer kann man kaum essen. Tolle Zutaten und Lebensmittel, schöne Location. Camping: Der Campingplatz Cala Ginepri bei Orosei im Norden der Insel liegt ideal für alle, die in Olbia mit der Fähre ankommen und ist ein toller Ausgangsort für alle weiteren Trips auf der Insel. Der Platz ist groß, das Restaurant und die Anlagen sauber und der Staff auch am Ende der Saison noch extrem freundlich. Am Berg sein: Ihr müsst einmal nach Baunei. Das Bergdorf im südlichen Osten liegt optimal für alle Aktivitäten im Gebirge und zieht mehr und mehr junges Klettervolk an. Von hier lässt sich laufen, wandern, klettern oder einfach gut abhängen. Wenige Kilometer entfernt ist Santa Maria Navarrese mit einem langen Traumstrand.
dort bin. Mein Lieblingsmonat Oktober und diese Insel sind sozusagen ein Match. Alles begann diesmal schon auf der Fähre. Dieser Geruchs-Mix aus Hafenstadt, aus Salzluft und der ganzen dieseligen Maschinerie, die Nacht in der Kabine, die dicht an den Motoren vibriert und uns in den tiefsten und intensivsten Schlaf seit Wochen schüttelt. Am frühen Morgen rollen wir mit kleinen Augen vom Schiff, geben einmal Gas und trinken den ersten echten Cappuccino an der Tankstelle, die
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wir nun seit Jahren ansteuern und die wir im Herzen bei uns tragen, denn dort findet – so bilden wir uns das als Touristen ein – das wahre Leben der Insel statt. Hier treffen sich am frühen Morgen Handwerker, Geschäftsleute, Pendler und zwei Vögel wie wir. Es ist laut, die beiden riesigen La Marzoccos brühen auf Hochtouren, es wird gelacht und ich denke beim Blick hinaus in die weite Landschaft und aufgehende Sonne an diesen ersten Lauf. Es juckt in den Beinen. Ich bin soweit. Genug Schiff, genug Autobahn, genug Kaffee. Ich will laufen. Wir lenken das 5,40 Meter lange Sunlight-Wohmobil, das nun unser Zuhause ist, auf den ersten Campingplatz in der Nähe von Olbia, im Nordosten der
Insel. Freie Platzwahl. Nur 45 Minuten finde ich mich selbst auf dem ersten Gipfel wieder. 134 Meter hoch und ein perfekter Blick über das Mittelmeer und hinein in die Berge des Landesinneren. Der Wind pfeift wild und ich fühle mich mit ein paar echten Klettermoves dann doch ziemlich alpin. Es folgen Tage der puren Lässigkeit. Ich mach mir keinen Stress und auch das Laufen wird mir hier nicht zu einer Pflicht. Ich drehe kleine Runden, gebe mich in aller Regel weit mehr dem Strand und der Literatur hin. Diese ersten vier Nächte sind das einzig Plagende während der Zeit hier. Der Nachbar mit Dachzelt auf der alten C-Klasse, will den ganzen Winter hier verbringen. Job gekündigt. Kein Bock mehr auf den ganzen Mist. So sagt er mir das und dann identifiziert der Mann aus Böblingen die kleinen Biester als afrikanische Tigermücken, die immer stechen, auch am Tag und immer mit einer erstaunlichen Aggressivität. Ich zähle 128 Stiche an meinen beiden Beinen. Es wird mich für die erste Hälfte des Urlaubes juckend be-
gleiten, aber nie aus meinem chilligen Konzept bringen. Ich laufe manchmal sechs, manchmal zehn Kilometer, ich liege am Strand, beobachte meine Frau beim Baden und zeichne auf einem Block mit neuen Wachsfarben, die bei diesen Temperaturen und der Salzluft besonders schön auf das Papier fließen. Die Reise geht weiter. Wir wechseln die Küste und verbringen einige wilde
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Tage und Nächte bei Pistis im Westen, um dort in einer gänzlich verlassenen Gegend die Tage auf Trails zu verbringen, die entlang des Wassers oft so wirken, als ob Gott selbst sie mit seinem Finger in diese Landschaft gezogen hätte. Die Sonne ist dabei so intensiv und stark, dass selbst die Einheimischen lange zurücküberlegen müssen, um sich an solch einen heißen Oktober zu erinnern. Am dritten Spot der Reise erlebe ich dann den Kern dieser Auszeit. Bei Buggeru gönnen wir uns ein paar Nächte in einer Pension, weil es ja auch Flitterwochen sind. Nur zum Protokoll. Längst habe ich das ultimative Rezept für einen Urlaub gefunden, der nach nur acht Tagen eine Auszeit ist. Ich bin komplett in einer anderen Welt angekommen, weil ich in einer Konse-
REISE Sardinien, die Dritte ... quenz nichts an mich heranlasse, was mich auch nur irgendwie stören könnte. Ich verbringe die Tage in einer flüssigen und unaufgeregten Abfolge von Läufen, Standspaziergängen, Strandcafe-Besuchen und Mal-Attacken. Am Abend folge ich meiner Frau meist in ein Fischrestaurant, das bestens bewertet ist und verliere mich mit ihr in langen Gesprächen, die wir zu Hause so nicht immer führen können, weil der Freiraum und die Entspannung fehlen. Es ist gut. Es ist aber auch so perfekt, weil wir uns keine festen Programme auferlegt haben, weil wir die Dinge hier erleben, wie sie auf uns zukommen. Zwei Trailruns bleiben mir lange im Kopf. Ihr findet im Infoteil die GPX-Daten dazu, denn es wäre eine Schande, sie für mich zu behalten. Die eine kurze Runde durch eine der größten Dünen Europas, die sich vom Strand aus weit hinauf in den Berg zieht und mehr bewaldet ist als man denken könnte und die lange Runde, die mich über rund 30 Kilometer und 2.000 Höhenmeter ins Landesinnere, vorbei an einer Grotte, in eine herrliche Einsamkeit brachte und dabei all meine Navigationskünste forderte. Dieser Longrun ist kein Geheimnis – die Strecke gilt als Wettkampfroute und zieht immer im Mai viele Trailrunner Italiens nach Sardinien zu einem der beiden bekannten Trailraces der Insel. Der letzte längere Stopp führte uns gegen Ende in das Bergdorf Baunei. Dort war ich bereits vor vielen Jahren bei einem Rennen zu Gast und ich kannte einige Trails der Region, war diesmal jedoch überrascht, wie dann doch alles immer wieder ganz neu sein kann. Der vielleicht schönste Trail der ganzen Welt führt von Santa Maria Navarrese zur Pedra Longa, einem ikonischen Felsen inmitten des Meeres. Kein geringerer als der UTMB-Zweite Zach Miller könnte mir hier zustimmen. Auch UTMB-Sieger Pau Capell oder Western States Siegerin Stephanie Howe könnten jetzt sagen "ja, diese vier Kilometer sind die schönsten Trail-Kilometer der Welt!". Genau diese Typen kommen uns nämlich unverhofft und überraschend aus
dem absoluten Nichts an diesem Tag dort entgegen. Nach Stunden ohne eine Menschenseele, ballern uns nicht weniger als 15 Trailrun-Profis des The North Face Teams entgegen, die hier ihr Trainingscamp zum Saisonende feiern. Ich habe also auch noch einen echten Fanboy-Moment erlebt. Ich darf mich hier durchaus als Miller, Krar und Howe Fan outen. Die waren allesamt ganz schön überrascht, dass ich ihre Namen kannte und frenetisch diese an sich stille Natur für einige Sekunden in Jubel hüllte. Nach 18 Tagen rollten wir wieder zurück nach Germany. In einen grauen November hinein, aber mit einem so sehr vollen Akku, der mindestens bis nächsten Oktober reichen sollte. Zach, sehen wir uns dann da wieder?
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STUBAI ULTRATRAIL 28–29 JUNI 2024 STUBAI ULTRATRAIL K68 ↑ 5.110 HM ↓ 2.820 HM 67,0 KM
STUBAI K32 ↑ 2.630 HM ↓ 720 HM 31,0 KM
STUBAI K20 ↑ 1.796 HM ↓ 75 HM 18,0 KM
STUBAI K15 ↑ 700 HM ↓ 700 HM 15,0 KM
STUBAI K8 ↑ 1.210 HM ↓ 35 HM 7,5 KM
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INTERVIEW El Kott Helander El Kott Helander ACTION TrailLina Magazin Salomon/ Sana Rookie Team 2024
START HILFE Text: CLEMENS NIEDENTHAL Fotos: ALEXIS BERG
Fast zwei Jahre lang lief unsere erste Runde des "Trail-Rookie-Programmes". Nun suchen wir gemeinsam mit Salomon neuen Nachwuchs und ziehen eine freudvolle Bilanz, mit der wir Anna, Anne, Louis, Timon und Lukas in die weite Welt entlassen.
Anna, Anne, Louis, Lukas und Timon. Das sind für uns eben nicht nur ein paar Namen junger Menschen, sondern "die Zukunft". Die Zukunft des Sports. All das, was viele Jahre in eine seltsame Überalterung zu geraten schien, löst sich mit unserem "Trail Magazin Salomon Rookie Team" in eine herzerfrischende Jugendlichkeit auf. Zu Beginn, vor rund zwei Jahren war die Frage: "wie würden denn Menschen unter 23 Jahren Trailrunning leben und wie würden sie diesen Sport in ihr Leben integrieren?". Mit der Auswahl dieser Fünf war für uns von Beginn an auch immer klar, dass es in erster Linie Persönlichkeiten sind, die noch andere Themen haben - Studium, Abitur, ein Auslandssemester, eine Verletzung, eine frische Beziehung. Und dann wurden es fast 48 Monate, in denen wir einiges mit unseren Rookies erleben durften. Alles startete mit einem Kennenlern- und Trainingscamp in den Chiemgauer Alpen, wo wir bei gemeinsamen Läufen zwischen Geigelstein und Breitenstein schnell feststellten, dass da nicht nur verdammt charmante Menschen zusammengekommen sind, nein, auch sehr talentierte, was Laufsport in den Bergen angeht. Jetzt schicken wir das Team weiter, lösen die fünf ab und wissen dabei genau, dass jede und jeder von ihnen den eigenen Weg im Sport finden wird. Mit dem Ende dieser ersten Staffel unserers Rookie-Team-Programms wollen wir einfach ein wenig zurückblicken auf das, was war, um am Ende Euch aufzurufen, Anna, Anne, Louis, Lukas und Timon zu folgen. Vielleicht beginnen wir einfach mit dem Kerl, der sich den längsten Distanzen verschrieben hat. Viele können nicht verstehen, wie man im zarten Alter von 20 bereits die ersten 100 Kilometer-Trails laufen kann, um nur
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Louis Wachsmann Kann sich quälen, alles rausholen und den Sport mit allen Facetten ausleben. Beim Marathon am Rennsteig, beim IATF oder den Golden Trails in Bad Reichenhall zeigte er sein Talent, das man weiter fördern sollte.
Tex : DENIS WISCHNIEWSKI
Anna Geistanger Die Jüngste im Team war zu Beginn erst 16 Jahre alt und lief immer in ihrem Flow und "noch" mit wenig Plan. Gut so. Jetzt ist sie erst einmal auf Backpacking Tour. Noch besser.
Anne Strujk War eine Zeit lang verletzt und musste sich in Geduld üben. Beim Basetrail an der Zugspitze zeigte sie eindrucksvoll was sie kann. Top 20! kurze Zeit später die 100 Meilen anzugehen. Timon Günther kam in diesen Sport und hat sich nie die Frage gestellt, wann er denn für einen Ultra bereit wäre, wann es vernünftig wäre. Er wollte von Beginn an nur dies. Trail-
running ist für Timon, der in Augsburg lebt und promoviert, das Abenteuer Ultratrail. In diesem Jahr finishte er den UTMB in Chamonix und erst kürzlich den Grand Raid Reunion. Bei allem was er richtig macht, hat er aber
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auch gelernt und mittlerweile einen Coach, denn er weiß, dass alles andere ein Schritt nach hinten wäre. Timon feierte seine ersten Siege, eine Top10Platzierung beim ZUT und einen Podiumsplatz beim Chiemgauer 100. "Dass wir uns als Team trotz der unterschiedlichen Distanzen dann doch immer wieder trafen und unterstützen, fand ich mit das Beste in dieser Zeit", erinnert sich Timon, der nach Ende der Rookie-Phase nun ins deutsche Salomon-Team aufgenommen wurde. Dort läuft er nun Schulter an Schulter mit Eva Sperger, Tom Wagner oder Laura Hampel. Die Jüngste im Quintett war Anna Geistanger aus dem Bayerischen Ort
ACTION Trail Magazin Salomon Rookie Team 2024
Neue Lässigkeit Das Wochenende nach dem legendären UTMB gehört dem Gasteiner Tal, denn dort treffen sich im nunmehr vierten Jahr Trailrunner:innen zu einem ikonischen Event. Die Terrex Infinite Trails begeistern mit Traumtrails und einer Organisation, die an Perfektionismus grenzt - alles für den Sport! Zwei deutsche Trios standen bei den Teamwertungen der adidas TERREX INFINITE TRAILS im SalzburgerLand ganz oben auf dem Treppchen Die adidas Runners Munich Energie Reisegruppe stellte das schnellste Mixed-Trio. Auch nach Heidelberg gingen drei goldene Medaillen, da die Bergziegen Heidelberg im Frauen-Wettbewerb das Maß der Dinge waren. Das Teamrennen über insgesamt 100 Kilometer ist der „Klassiker“ bei den adidas TERREX INFINITE TRAILS in Bad
Siegsdorf. Sie lief, sie machte ihr Abi und kam so sehr in einen Flow, dass sie beim von Papa Wolfgang organisierten 6-Stunden-Lauf die 50 Kilometer voll machte. Momentan verbindet sie Trailrunning mit ihren Reisen und Backpacking. Dann wartet das Studium. "Im Magazin einen Artikel über das Team und sich selbst zu lesen war echt sureal", sagt sie und tingelt derweil durch Portugal. Nicht aus Bayern aber auch aus einem Trail-Paradies kommt Louis Wachsmann, der sein Training im Thüringer Wald abspult und bei seinen Wettkämpfen in den Alpen so auftrat als wäre dieses Terrain seine Heimat. Louis hatte 2023 auch Lehrgeld bezahlt. "Ja, ich würde das so nicht wieder tun. Ich habe trainiert als ich krank war, zu füh begonnen oder die Verpflegung beim Rennen nicht vertragen. 2024 will ich kürzere Distanzen laufen. Den neuen Rookies kann ich nur raten, immer sich selbst treu zu bleiben und auf
Hofgastein. Über drei verschiedene Kurse mit Distanzen von 21, 35 und 44 Kilometern addieren die Teammitglieder ihre Gesamtzeit. Die dritten Sieger kamen aus Italien und der Schweiz, da die Besetzung von Ciao Bella nicht zu schlagen war. Aber irgendwie muss man um dieses Rennen zu erklären nicht die Resultate auflisten, denn es geht dabei weit mehr um das intensive Erleben der Landschaft, die im September golden und fast träumerisch wirkt. Die Idee der Gründer, dass man hier den oft so überzeichnet individuellen Laufsport in ein Teamwettbewerb wandelt ist immer öfter eine spannende, reizvolle, lässige und abwechslungsreiche Sache - gut ankommen tut es allemal und der Community tut solch ein Konzept gut. www.infinite-trails.com.
Lukas Schwella lief für Team Germany bei den Youth Skyrunning Championships und eroberte oft das Podium. Wir glauben er hat im Trailrunning sein Ding gefunden.
alle Signale im Körper sofort zu hören!" Lukas Schwella zieht ein rundum positives Fazit aus den Rookie-Jahren. "Jedes Rennen war für mich eine Bereicherung." Das mag aber auch an seinen Erfolgen liegen, denn der Schwabe, der aktuell in Reutlingen studiert, genießt an der Alb-Kante gute Trainingsbedingungen. Zweimal startete er bei der Skyrunning WM für Jugendliche und landete auf Platz 18., beim Gletscher Trailrun in Obergurgl lief er sogar auf das Podium. Für 2024 nimmt er sich viel vor. "Ich muss weiter an meinem Management der Energieaufnahme arbeiten, um meine Leistung auch abrufen zu können. Technische und schnelle Rennen liegen mir ganz gut. 6/2023 74 1/24 74
Da will ich dranbleiben!" Anne Strujk aus Innsbruck hatte mit einer Verletzung zu kämpfen und zeigte doch auf eine imposante Art und Weise, was bei optimaler Vorbereitung möglich wäre, denn ihr offensichtliches Talent kam im Juni beim Basetrail im Rahmen des Zugspitz Ultratrail zum Vorschein. Dort lief sie in die Top 20 und zeigte bei einem Golden Trail Series Race, dass sie das Zeug für Top-Platzierungen hat. Wir wünschen Anna, Anne, Timon, Louis und Lukas alles Gute, bedanken uns für die schönen Begegnungen und das immer charmante und professionelle Auftreten für das Magazin und das Team. Ach nein - wir bedanken uns vor allem bei Euch dafür, dass ihr so seid, wie ihr seid und in diesem Sport einen Platz gefunden habt. Wer sich nun fragt, wie es mit den Rookies weitergeht, wollen wir möglichst ehrlich eine Antwort geben. Ti-
Timon Günther war und ist der Mann für die langen Geschichten, denn er finishte für unser Rookie-Team so prestigeträchtige UltratrailRennen wie den UTMB in Chamonix oder die Diagonale der Verrückten, den Grand Raid Reunion. Seine Ruhe und Ausdauer wurden belohnt - er wurde ins Salomon-Team aufgenommen. mon wurde von Salomon ins nationale Team aufgenommen und erfährt dort weiter perfekten Support durch Ausrüstung, Training und Unterstützung bei Reisen und Wettkämpfen. Die anderen werden, auch mit unserer Hilfe, bei anderen Teams unterkommen oder Trailrunning auf eine andere Art und Weise leben. Es gibt da ja kein Richtig oder Falsch.
Werde Teil des TRAIL MAGAZIN SALOMON ROOKIE TEAMS 2024 Du bist zwischen 16 und 23 Jahren alt und hast Lust, in unserem Trailrunning-Team zu laufen? Dann folge Anna, Anne, Timon, Louis und Lukas und bewerbe Dich noch bis zum 10. Januar 2024. Du bekommst eine tolle Ausrüstung, Trainingsanleitungen, kostenlose Startplätze und ein Team-Trainingscamp. Alle Infos und Details: trail-magazin.de/trail-rookie-team-2024
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VIRTUAL TRAIL www.myvirtualtrail.de
MY,
WAS
Das dritte Myvirtualtrail-Jahr ist fast vorüber und die Idee, die Plattform auf 30 Strecken auszudehnen, war richtig - viele von Euch waren 2023 auf den von unseren Paten ausgesuchten Routen unterwegs und hatten dabei durchaus auch die Bestzeiten im Blick ... Text & Fotos : DENIS WISCHNIEWSKI
30 Strecken. Ein ganzes Jahr. Endlose feine Trail-Kilometer, die sich durch die gesamte Republik ziehen. Wer 2023 abseits von Wettkämpfen ganz alleine oder mit ein paar Freunden auf mehr oder weniger amtlichen Trails laufen wollte, war mit unseren Routen auf www.myvirtualtrail.de bestens beraten. Und auch nach Corona und der Zeit der verschärften Regeln war diese Plattform auch in diesem Jahr wieder enorm beliebt bei unseren Leserinnen und Lesern. Die wohl Meisten liefen
dort zum Spaß, um gut zu trainieren und fit zu werden, aber etliche nahmen es wieder so ernst, dass sie die Uhren nicht nur aufzeichnen ließen, sondern die Daten bei uns hochgeladen haben. So entstand ein durchaus formidables Ranking auf den einzelnen Strecken und in der gesamten Jahreswertung. Die Paten. Ein Dankeschön. Danke. Einfach nur Danke an alle Streckenpaten, also all denen, die vor rund einem Jahr ihre Strecken bei uns als
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Vorschlag einsendeten und über das komplette Jahr hinweg für ihre Routen auch vor Ort ansprechbar waren. Ausnahmslos alle 30 Trails waren perfekte Laufstrecken, die allesamt mit einzigartiger Natur, flowigen Trails und markanten Landschaften darboten. Wo war eigentlich am meisten los? Natürlich gab es auch 2023 Strecken und Gebiete, die mehr oder auch weniger Leute anzogen. Ein absolutes Highlight war das GOLDEN NEANDER SEGMENT, eine 27 Kilometer Runde östlich von Düsseldorf bei Erkrath. Dass der Trail-Hotspot dieser Laufserie einmal nicht in
den Alpen ist, finden wir ziemlich cool. Auch im Taunus war eine Menge los. Bei Oberursel war es Ronald Jahnke, der auf den 31 Kilometern mit 1.540 Höhenmetern der Schnellste war. Vor allem die Distanzen um 25 Kilometer Länge kamen gut an. Die eher alpinen Angebote am Spitzingsee oder am ikonischen Tegelberg bei Füssen waren natürlich den Sommermonaten vorbehalten. Viele waren dort unterwegs, aber nicht alle zeichneten ihre Aktivitäten dabei auf - es sollte der pure Genuss an der Umgebung und der Bewegung selbst sein. Wir können das gut verstehen. Krasse Leistungen. Ja, die gab es auch. Immer wieder, meist Montags, wenn wir die Uploads auf Echtheit prüften und freigaben, waren wir erstaunt, welche tolle Zeiten gelaufen wurden. Ein Beispiel: Ronald Jahnke lief das superschwere Spitzig Skyrace in 2:54 Stunden und damit in unter 3 Stunden. Eine Leistung, die kaum zu fassen ist. Auch der beste deutsche Trailrunner
Das sind die Siegerinnen und Sieger 2023 Rang Punkte Athletinnen 1 570 Nadine Pötz 2 546 Helén Schrötter 3 237 Sabine Eggers 4 216 Ramona Falk 5 212 Anne Muster 6 127 Jenny Labitzke 7 91 Maria Müller 8 61 Sarah Mangler 9 47 Rebecca Lenger 10 40 Isabelle König Rang Punkte Athleten 1 380 René Strosny 2 252 Ronald Jahnke 3 251 Michael Tesche 4 142 Christian Müller 5 128 Norbert Fasel 6 106 Fabio Seel 7 82 Armin Eichenhofer 8 79 Jörg Heinrichs 9 69 Clemens Rühlemann 10 64 Konstantin Shishkov
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COOLE
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VIRTUAL TRAIL www.myvirtualtrail.de Hannes Namberger nutzte Myvirtualtrail.de, um sich kurz nach der WM in Innsbruck auf den UTMB vorzubereiten. Auf der wohl eindrucksvollsten der 30 Strecken, rund um den Königsee, zeigte Hannes was für eine Zeit man mit seinen Möglichkeiten laufen kann. Die Uhr blieb nach 4:10 Stunden stehen. Für anspruchsvolle 36 Kilome-
ter und fast 3.000 Höhenmeter! Auf der schwäbischen Alb gab es noch ein Ausrufezeichen und Oha-Effekt. Sascha Chwalek legte beim Alb-Marathon so sehr vor, dass niemand auch nur in die Nähe dieser Endzeit kam. Nur beim Rin-Trail auf der westlichen Albtraum-Seite bei Balingen musste er sich dem Streckenpaten Andreas
Schindler selbst geschlagen geben. Am Ende nach rund 2 Stunden um nur 20 Sekunden. Alles gute Gründe auch 2024 mit der Plattform in eine weitere Saison zu gehen. Wir freuen uns auf neue Routen, Runden, Trails, Umrundungen und mehr.
Wir freuen uns auf eine neue Myvirtualtrail.de-Saison 2024 und auch, dass unser Partner und Titelsponsor CRAFT wieder unterstützend dabei ist. Ihr werdet die skandinavische Marke diesmal sicher auch öfter im Rahmen der Serie erkennen können, denn es wird hier und da Community-Runs geben und dabei die Chance, die neuen Trailschuhe zu testen. Wir wollen Euch und Eure Strecken! Macht bitte mit und sendet uns bis spätestens 10. Februar 2024 Eure Streckenvorschläge zu. Einfach eine Mail an redaktion@trail-magazin. de mit dem Betreff „MVT 2024“ und einigen Fotos sowie natürlich dem GPX-Track bzw. Link zu Strava. Wir werden dann bis Mitte Februar eine Auswahl festlegen und wiederrum 30 Strecken in die Plattform aufnehmen. Ihr als Streckenpaten solltet Euch ebenfalls kurz vorstellen und idealerweise an oder in der Nähe der Strecke leben.
Auch 2024 wird es unter den neuen 30 MVT-Trails eine Strecke auf der Schwäbischen Alb geben. Versprochen! Einfach zu schön da!
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DAS LEGENDÄRE TRAILRUNNING EVENT ÜBER DIE ALPEN ZU ZWEIT IM TEAM ODER SOLO SEPTEMBER 7 —13, 2024
ANMELDUNG AB 6. DEZEMBER 2023
EVENT Ultratrail UTMB Series Finale EVENT Eiger Golden TrailbyWorld
DAS NEUE LEVEL
Jedes Jahr aufs Neue zieht die Golden Trail World Series die schnellsten Trailrunner und Trailrunnerinnen der Welt an, um sich auf den ikonischsten Strecken der Welt zu messen. Alles kumuliert im großen Finale, dessen Setting dieses Jahr besonders viel Spannung versprach.
Text : CLEMENS NIEDENTHAL
Die Weltbesten in ihrem Business: Elhousine Ellazzaoui, Remi Bonnet und Philemon Kiriago.
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Beim Eiger Ultra Trail läuft unser Redakteur Benni Bublak nach 14 Monaten Pause Text : BENNI BUBLAK Fotos : THE ADVENTURE wieder einen Wettkampf. Wenn auchBAKERY unter anderen Voraussetzungen als bisher geDie Organisatoren der von Salomon wohnt. Über die Dialektik von Sturheit und Akzeptanz Text : BENNI BUBLAK
Fotos : SPORTOGRAF
Judith Wyder aus der Schweiz belegt Rang 2 beim großen Finale, aber auch Platz 2 in der Gesamtwertung. Ein phantastisches Rennjahr für die 5-fache Weltmeisterin im Orientierungslauf.
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gesponsorten Serie haben sich nämlich wieder etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Das kleine Örtchen Noli am Ligurischen Meer, wundervoll gelegen zwischen Genua und Finale Ligure, fungierte Mitte Oktober als Gastgeber des viertägigen Events. Ein neun Kilometer langer Prolog und ein 26 Kilometer langes Hauptrennen galt es zu bewältigen. Erstmalig rannten Frauen und Männer in verschiedenen Rennen an verschiedenen Tagen. Letztendlich eine gute Entscheidung. Denn die meisten von uns werden dieses Rennen über den hervorragenden Livestream aus dem eigenen Wohnzimmer verfolgt haben. Auch wenn es schön ist, wenn Frauen und Männer an ein und derselben Startlinie stehen, sind es doch zwei verschiedene Rennen in einem. Dem wurde durch die Trennung stattgegeben und die Live-Coverage musste nicht gleichzeitig zwei Wettkämpfe abbilden. Der Kurs selbst ist clever gestaltet. Es ist keine logische Runde und führt auch nicht über ikonische Gipfel, wie gewohnt. Die Route ist viel mehr auf die Bedürfnisse einer Live-Übertragung zugeschnitten, bleibt aber dennoch ein super anspruchsvoller, technischer Trailrunning Kurs. Flower Course nennen die Veranstalter dieses Konstrukt, das aus sechs unterschiedlichen Runden besteht, welche die Läufer:innen immer wieder am Start-Ziel-Gelände vorbei führt. Schmale Dorfgassen mit engen Kurven wechseln sich mit steilen und steinigen Up- und Downhills ab. Die Herausforderung für die Athleten und Athletinnen besteht hier im ständigen Rhythmuswechsel zwischen den sechs Uphills und den sechs Downhills, die jeweils durch kurze Flachpassagen unterbrochen werden. Ein Setting, das Spannung verspricht und die Karten aufgrund der speziellen Ansprüche an die Athlet:innen neu mischt. Schließlich geht es nicht nur um den Finalsieg, sondern auch um die hochdotierten Plätze in der Gesamtwertung. In einem unfassbar dichten und tiefen Feld kristallisierten sich drei Frauen und vier Männer heraus, die bei der
EVENT Golden Trail World Series Finale
Vergabe der Tages- und Gesamtsieger mehr als ein Wörtchen mitreden wollten. Wie vom Trailrunning nicht anders gewohnt, sind die Geschichten dieser Athlet:innen höchst unterschiedliche. Das Rennen der Frauen Sophia Laukli ging als Führende des Gesamtrankings ins Finale. Die 23-jährige US-Amerikanerin ist eine Skilanglauf-Olympionikin und seit zwei Jahren auch sehr erfolgreich auf den Trails unterwegs. Die Salomon-Läuferin ist eine kraftvolle Athletin, die besonders im Uphill ihre Stärken ausspielt. Die beiden GTWS Rennen Marathon du Mt. Blanc und Sierre Zinal gewann sie souverän. Judith Wyder ist mit ihren 35 Jahren eindeutig die Erfahrenste unter den drei Favoritinnen. Vom Orientierungslauf kommend, verbindet die Schweizerin die beiden Eigenschaften Speed und Technik in Perfektion. Im technischen Downhill ist sie derzeit wohl die schnellste Trailrunnerin der Welt. Nach einer Schlaganfall-Erkrankung
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hat die zweifache Mutter in diesem Jahr zu alter Stärke zurückgefunden. Madelina Florea ist die große Überraschung dieser Golden Trail-Saison. Die hochgewachsene Rumänin mit den langen Beinen kommt vom klassischen Straßenlauf. Mit einer Halbmarathonzeit von 1:11 bringt sie den nötigen Speed mit, hat sich aber erstaunlich schnell an das technische Laufen auf den Trails adaptiert. Beim letzten Rennen vor dem Finale (Mammoth Trails) überraschte sie alle und musste sich am Ende nur aufgrund zweier Verlaufer mit Rang drei begnügen. Der Prolog, bei dem die Athletinnen in Heats starteten, manifestierte diesen Dreikampf zwischen der USAmerikanerin, der Schweizerin und der Rumänin. Florea siegte knapp vor Laukli und Wyder. Auch am Samstag, dem Tag des großen Finales, setzten sich die drei Favoritinnen schnell von ihrer Konkurrenz ab. Die derzeit noch ungesponsorte Rumänin Florea legte ein unfassbares Tempo vor. Am Ende strafte sie sogar die sehr gut informierten und flinkzüngigen Moderatoren des englischen Livestreams lügen, die zu Beginn Zweifel äußerten, ob die schnelle Trailrunning-Novizin dieses Tempo durchhalten würde. Selbst Vize-Weltmeisterin Judith Wyder konnte sie trotz einer beherzten Aufholjagd durch die engen Gassen der italienischen Hafenstadt zum Ende des Rennens nicht mehr einholen und finishte mit nur 16 Sekunden Abstand auf Rang zwei. Mit vier Minuten Abstand folgte Sophia Laukli auf Rang drei. Das Gesamtranking gestaltete sich letztlich genau spiegelverkehrt, mit Laukli auf eins, gefolgt von Wyder und Florea.
Die derzeit noch ungesponsorte Rumänin Florea legte ein unfassbares Tempo vor. Am Ende strafte sie sogar die sehr gut informierten und flinkzüngigen Moderatoren des englischen Livestreams lügen
Elhousine Ellazzaoui kommt aus Marokko und gewann dieses Jahr sein erstes Golden Trail Series Rennen. Beim Dolomyths Run stellet er seine technischen Downhill-Qualitäten unter Beweis und ließ sogar Weltmeister Angermund hinter sich. In den letzten Monaten zeigte der Schnell-Starter, dass er im Bereich Renntaktik dazu gelernt hat.
Immer sehr cool: Sophia Laukli (USA) ist die Gesamtsiegerin der globalen Rennserie.
Das Rennen der Männer Remi Bonnet brach nur wenige Wochen vor dem Finale den legendären Pikes-Peak Rekord. Der Schweizer läuft bergauf in seiner eigenen Liga. Ob der wendige und abwechslungsreiche Kurs dem Skibergsteiger liegt, blieb aber abzuwarten. Philemon Kiriago siegte dieses Jahr in Sierre Zinal. Der erst 21 Jahre junge Kenianer hat sich auf Bergläufe spezialisiert. Leichte Schwächen im Downhill konnte er im Laufe des Jahres 2023 deutlich verbessern. Patrick Kipngeno läuft wie Philemon für das Run2Gether-Team und kommt aus Kenia. Der Wahl-Österreicher ist mit seinen 31 Jahren etwas erfahrener und verpasste den Sieg bei Sierre Zinal 2022 und 2023 (jeweils Platz zwei) knapp.
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So richtig hatte den Marokkaner Ellazzaoui keiner auf der Rechnung für die ganz vorderen Plätze. Doch beim Prolog überraschte er viele und sicherLouis Wachsmann te sich mit einer überragenden im AufstiegLeiszum tung den Sieg vor Remi Bonnet und Hochstaufen. den beiden Kenianern. Im mittleren Der Nachwuchläufer wurde am Ende Abschnitt des Hauptrennens waren es guter 52er. dann Kiriago und Ellazzaoui, die das unfassbar hohe Tempo noch einmal anziehen konnten und sich somit von ihren Konkurrenten absetzten. Bonnet kam nicht in die Lage, seinen Rennplan umzusetzen und auch Kipngeno machte der ständige Geländewechsel zu schaffen. Lange Zeit arbeiteten die beiden Führenden zusammen, bevor der Marokkaner im letzten langen Downhill zuschlug und ein paar Sekunden zwischen sich und den Kenianer brachte. Diese rettete er durch die engen Gassen von Noli ins Ziel und siegte, dicht gefolgt von Kiriago und Kipngeno. Der vierte Platz reichte Bonnet trotzdem für den Sieg im Gesamtranking. Kipngeno und Kiriago komplettierten das Podium. „This is Trailrunning at it’s best“ überschlug sich die Moderatorin das ein oder andere Mal während der hervorragenden Live-Übertragung, die nicht komplett frei war von wackligen Bildern und Verbindungsproblemen. In Kombination mit den schmalen Trails und Gassen dieses spektakulären Kurses und dem unfassbaren Speed der Athlet:innen sorgte dies aber nur dafür, dass die Bilder noch echter und packender wirkten und die Spannung und das Drama dieses Rennens ungefiltert in unsere Wohnzimmer transportiert wurden. Wir können es schon jetzt kaum abwarten, diese Bilder bei der Golden Trail World Series 2024 wieder zu sehen.
PORTRÄT Sylvie Geissler Text & Fotos : DENIS WISCHNIEWSKI
Sylvie Geissler siegte bei einem legendären 100 Kilometer Ultratrail, wurde schwanger, bekam die kleine Elfi und beobachtete Ihren Mann Marcel beim Siegen, um dabei den Entschluss zu fassen, dass der Weg zurück auf den Trail kürzer sein muss, als man ihn empfohlen bekommt. Eine Geschichte über eine Frau, die einfach gerne läuft.
S
Sylvie Geissler gewann einmal einen 100 Kilometer langen Ultratrail. Davon hat ihre Tochter Elfi nichts mitbekommen, weil Elfi damals nicht nicht geboren war. Elfi ist sieben Monate alt und hält ihre Mama ganz schön auf Trab. Als sich Elfi zum er-
stenmal ankündigte, lief Sylvie gerade den Grossglockner Ultratrail und musste feststellen, dass das mit dem Finish nichts werden würde. „Ich war irgendwie seltsam schwach, hatte Schwindel und stand neben mir. Da wusste ich eigentlich sofort, dass ich schwanger bin.“ Sylvie Geissler und ihr Mann Marcel leben in Piding, nahe Berchtesgaden, also inmitten der Berge, im Grenzgebiet zu Österreich. Man könnte wohl sagen, dass dieser Flecken Erde für
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Foto: Alexis Berg
"Ich fühlte mich echt unsportlich"
Trailrunner der perfekte Ort ist. Dass die 37-Jährige heute eine Trailrunnerin ist, hat seine Ursprünge bei einem sogenannten Obstical-Race, einem Mud-Run. „Dort meldeten Marcel und ich uns einfach an und dann ging’s los.“ Aus den gemeinsamen Wanderungen, wurden gemeinsame Läufe und es kam zur Erkenntnis, dass man im Laufschritt plötzlich ganz ordentliche Distanzen an einem halben Tag hinter sich bringen kann. In diesem Sommer 2023 war Frau
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PORTRÄT Sylvie Geissler
Das gemeinsame Lauftraining, wie sie es vor Elfis´ Geburt erlebten, gibt es nur noch manchmal. „Sonntags schaffen wir endlich wieder den Longrun als Paar, weil Oma und Opa auf die Kleine aufpassen.“
Geissler zum vielleicht ersten Mal im Leben neidisch. Neidisch auf Herr Geissler. Auf den Vater von Elfi. Eine ganze Woche lang lief Marcel mit seinem Laufkumpel Patrick beim Transalpine Run auf Position 1. „Wir waren die komplette Woche dabei. Elfi und ich waren an der Strecke, warteten im Ziel. Jeden Tag. Wir fieberten mit, wir freuten uns mit und doch stellte ich fest, dass ich das auch gerne wieder hätte. Dieses Gefühl, wieder ein echtes Rennen zu laufen. Ich beobachtete zwangsläufig die anderen Frauen und fühlte mich unsportlich.“ In wohl dieser Gemütslage entstand die Idee, möglichst bald wieder selbst an einem Wettkampf mitzumachen. Nur vier Monate nach der Geburt der kleinen Tochter. Sylvie blieb die ganze Schwangerschaft über eine Läuferin, passte den Sport zwar entsprechend an, aber blieb bis vier Tage vor der Entbindung in Bewegung. „Dass ich während der Schwangerschaft weiter lief und auch, dass ich jetzt wieder fast täglich trainiere, stößt nicht überall auf Begeisterung.“ Viele in ihrem Umfeld können und wollen ihre Art und Weise, das Aktive, nicht verstehen. „Von Beginn an nahmen wir Elfi einfach mit. Bereits 14 Tage nach der Geburt gab es die erste Mama-Tochter-Wanderung und es ist total unkompliziert mit der Kleinen. Wenn sie müde ist, schläft sie eigentlich überall sofort ein und wacht mit einem Lachen wieder auf.“ 2023 sollte ein ganz besonderes Jahr für die Geisslers werden. Die Geburt, dieses unfassbare Glück. Und dann die Erfolge von Marcel, die Sylvie wie die eigenen feiert. „Ich freue mich wirklich sehr für ihn. Er ist da auch ein Vorbild für mich und ich sehe auch sehr, wie er dieses harte Training oft so in den Tag einbaut, dass ich es noch nicht einmal mitbekomme.“ Als Sportlerin konnte sie die Schwan-
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gerschaft, die Veränderung des Körpers intensiv erleben und erklären. „Ich nahm zu, ich merkte wie alles undynamischer wurde und musste als Zuschauerin bei den Events sehen, wie diese schlanken Mädels über die Trails fegten. Das war nicht einfach. Ich musste manchmal wirklich ganz bewusst zu mir selbst sprechen, dass ich noch vor wenigen Wochen ein Kind zur Welt brachte und die schnellen Mädels eher nicht!“ Heute ist Elfi sieben Monate alt. Sylvie, das kann man so sagen, ist zurück auf Trails und im Sport. Der erste erfolgreiche Wettkampf liegt hinter ihr und sie war vor dem Start des Limone Extreme Skyrace am Gardasee so aufgeregt, wie niemals zuvor. Was würde passieren? Hat das Training ausgereicht? „Es lief super. Ich fühlte mich stark. Vielleicht noch ein paar Kilo zu viel für solch ein steiles Rennen, aber ich hatte wirklich keine Schwäche.“ Ein Rennen wie vor der Schwangerschaft war es aber noch nicht. „Im Downhill war ich vorsichtig, setzte jeden Schritt mit Bedacht und ohne viel Belastung, denn der Beckenboden ist sicher noch zu wenig stabil.“ Familie Geissler ist auch ein System, das bestens funktioniert. Sylvia verrät, dass ihr Mann sein Training manchmal fast heimlich betreibt, früh um 4 Uhr startet und dafür um 21 Uhr schon auf der Couch einschläft. Um diese Zeit am Abend trainiert Sylvie den Beckenboden oder sitzt auf dem Rollentrainer. Das gemeinsame Lauftraining, wie sie es vor Elfis´Geburt erlebten, gibt es nur noch manchmal. „Sonntags schaffen wir endlich wieder den Longrun als Paar, weil Oma und Opa auf die Kleine aufpassen.“ Dass ihr Vater mehr als nur Verständnis für die Passion von Tochter und Schwiegersohn hat, hat Gründe „Der Papa war Bergführer und lief selbst viel am Berg!“ Für manche Einheiten hat sich das Ehepaar, längst Lösungen mit Elfi
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überlegt. Man hat ohnehin das Gefühl, dass bei den beiden vieles ziemlich überlegt und organisiert ist. Das Intervall-Training beispielsweise läuft nach einem Prinzip ab „Wir wandern gemeinsam hinauf auf eine Alm. Dort ist dann quasi unser Basislager für mehrere Stunden. Marcel und ich wechseln uns dann ab und laufen von dieser Zwischenhöhe an unsere Intervalle alleine. Das ist Zeit, die wir als Familie zusammen verbringen und doch kommt jeder zu seinem persönlichen Glücksmoment!“ So sehr Sylvie aus der Sport-Community der Zuspruch entgegen kommt, so sehr muss sie in ihrem Umfeld aber auch Kopfschütteln feststellen und damit umgehen lernen. „Die anderen verstehen nicht, was ich da tue und haben kein Verständnis dafür, dass ich von Beginn an mit Elfi fast nur drau-
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VORSCHAU TRAIL 2/2024 AB DEM 20. FEBRUAR 2024 AM KIOSK -Report: Sultanat Oman - wo Trailrunning Trendsport wird... - Training: Teil 2/2 der Serie "Perfekte Trainingsreize". - Produkte: Alles was 2024 auf Trails auffallen wird.
PORTRÄT Sylvie Geissler ßen bin. Sie denken es ist nicht gut und ich wäre vielleicht zu egoistisch, aber ich merke, dass Elfi immer dann fröhlich ist und schnell einschläft, wenn wir in Bewegung sind und frische Luft atmen.“ Es ist Dezember. Der erste Schnee ist im Berchtesgadener Land gefallen und
das Sport- und Lebenspaar Geissler steht wie bestellt auf Tourenski. Sylvie braucht die Höhenmeter in diesem Winter, egal ob in Trailschuhen oder in Skistiefeln, denn 2024 und 2025 hat sie viel vor. Dem Vorbild Ehemann folgen und beim UTMB starten - dazu braucht sie natürlich die Qualifikation-Stones und die will sie sich mög-
"Sie denken es ist nicht gut und ich wäre vielleicht zu egoistisch, aber ich merke, dass Elfi immer dann fröhlich ist und schnell einschläft, wenn wir in Bewegung sind und frische Luft atmen.“
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lichst locker im kommenden Sommer einsammeln. Den Grossglockner Ultratrail hätte sie dabei auch auf wieder dem Programm, auch wenn der keine Steine einbringt, wäre da doch ein Rechnung offen. Diesmal vermutlich nicht schwanger, aber mit großer Unterstützung einer kleiner Person.
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TRAILRUNNING TALK MIT DER TRAIL-REDAKTION
PORTRÄT Florian Grasel Text & Fotos : CLEMENS NIEDENTHAL
FLO LÄUFT Florian Grasel ist ein Profi als Unternehmer, ein Profi als Familienvater, ein Profi im IT-Bereich und nach seiner Einschätzung ein Amateuer als Ultra- und Trailrunner. Ein Porträt über den besten Ultratrailrunner einer Dekade in Österreich.
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Florian Grasel hat sich in den vergangenen zwölf Jahren auf ein Tauschgeschäft eingelassen. Der Niederösterreicher hat Trailrunning geprägt, wie das lange und noch längere Laufen in den hohen und noch höheren Bergen umgekehrt ihn geprägt hat. Sogar einen
Spitznamen hat dieser Sport ihm verliehen: „Trailbeard“. Wegen des imposant vollen Bartes. Und wegen eines Lebensstils, der vermeintlich nur das Up! kennt. Der seit Jahren beste österreichische Ultratrail Läufer hat dieser fahrlässig verkürzten Zuschreibung ein Hashtag
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entgegengesetzt: #worklifetrailbalance. Damals 2018, nach einem der vielen ziemlich perfekten Läufe seiner Karriere. 23:12 Stunden für die 170 Kilometer um den höchsten Berg Europas, ein neunter Platz beim Ultra-Trail du Mont-Blanc: „Ich bin hauptsächlich Unternehmer und Problemlöser im IT-Bereich. Noch mehr bin ich Fami-
PORTRÄT Florian Grasel lienvater. Als Ultraläufer aber bin ich weder Profi noch Halbprofi, ich bin ein Amateur.“ Dafür also steht #worklifetrailbalance. Für einen heute 41-Jährigen, der in der Woche 50 oder 55 Stunden arbeitet, der 15 oder 20 Stunden trainiert und der dennoch und vor allem auch ein Familienmensch ist: „Deshalb erzeugt der Zieleinlauf in Chamonix auch so eine Gänsehaut bei mir. Da stehen diese unglaublich vielen Leute aus unserem Sport, die ganz genau wissen, was für Entbehrungen man auf sich genommen hat und was für eine Unterstützung es braucht, damit man es überhaupt bis dorthin schafft.“ Seiner Frau, Mutter der gemeinsamen Zwillinge, hat er auf der Ziellinie des UTMB einen Heiratsantrag gemacht. Redet man mit Florian Grasel ein wenig länger über unseren Sport, redet man mit ihm über die Evolutionen und Revolutionen, die dieses Trailrunning gerade durchmacht, dann fallen zwei Dinge auf. Positiv auf. Einerseits erlebt man einen wachen Kopf, der die Dinge wendet, reflektiert und hinterfragt. Der diese Debatten so mindestens strikt verfolgt wie sein wöchentliches Trainingspensum. Andererseits ist Florian Grasel keiner, der eine eigene Meinung mit der absoluten Wahrheit verwechselt. Einer, der sich erlaubt, einmal keine Meinung zu haben. Oder sogar mehrere. „Ich freu mich für die Jüngeren, ich find‘s cool, dass der Sport jetzt eine immer größere Bühne bekommt, und dass ich mit meiner Art Trailrunning zu machen, vielleicht auch ein kleines Stücken dazu beigetragen habe, zumindest in Österreich“, sagt er einerseits. Aber andererseits „ist es natürlich schade, wenn dieses Trailrunning-Gefühl verloren geht, wenn
die Eigenheiten verwässern, die diesen Sport von vielen andern Sportarten unterscheiden. Klar wäre das geil, wenn meine Kinder einmal Trailrunning als olympische Disziplin erleben. Aber wäre das dann noch das Trailrunning, das ich die letzten zehn Jahre erleben durfte?“ Also, Flo, dann definiere für uns einmal Trailrunning: „Klar, bin ich viel in den Alpen unterwegs, im technischen Gelände, aber das ist meiner Meinung nach nicht einmal das Entscheidende. Ich bin ja andererseits selbst ein Flachlandtiroler, lebe und trainiere noch immer bei Wiener Neustadt, wo die höchsten Hügel auch nur knapp 400 Meter haben. Was Trailrunning für mich immer definiert hat und noch heute definiert, sind die Unterschiede zum klassischen Laufsport, die Verbindung mit der Natur, das Laufen abseits der ganzen Daten.“ So gesehen wäre Trailrunning auch und vor allem eine Haltung, die ein Läufer oder eine Läuferin zum Laufsport hat. Gefällt mir gut, diese Definition. Florian Grasel weiß, wovon er redet. Auch er ist damals erst Straßen- und dann Ultratrailläufer geworden. Und das ist noch gar nicht ganz so lange her. Und sollte Netflix einmal eine Serie über jemanden produzieren, der eben zum Ultratrailläufer wird, die karthatische Schlüsselszene könnte nicht stärker sein als diese: Ein junger Mann sitzt in seinem Audi. Er hat gerade ein wichtiges Meeting gerockt. Anerkennung, Schulterklopfen, das ganz große Business. Jetzt ist er auf dem Parkplatz einer dieser identitätslosen Formenzentralen gefangen. Die Schranke geht nicht hoch, weil die Kreditkarte so hoffnungslos überzogen ist, dass es nicht mal für die drei Euro Parkgebühren reicht. „Ich habe
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dann meine Frau angerufen und sie hat mich ausgelöst. Tatsächlich hat aber dieser Moment etwas in mir ausgelöst. Ich bin mit meiner Firma so schnell und in Momenten wie diesen eben auch unkontrolliert gewachsen. Ich hatte im Wortsinn die Haftung verloren. Ich musste etwas finden, was wieder mit mir zu tun hat.“ Und so ist Florian Grasel, der Mann mit den IT-Lösungen nicht nur für Großbauprojekte der Österreichischen Bundesbahn, also zum Läufer gewor-
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Klar wäre das geil, wenn meine Kinder einmal Trailrunning als olympische Disziplin erleben. Aber wäre dass dann noch das Trailrunning, dass ich die letzten zehn Jahre erleben durfte?
den. Hat die Laufschuhe geschnürt und ist, achtsam atmend, für fünf oder sechs Kilometer durch die Natur getrabt. Oder eben gerade nicht. Eigentlich nämlich war der damals knapp 30-Jährige ziemlich fix drauf, auf der Droge Trailrunning. „Wenn ich Dinge mache, dann mache ich sie richtig. Was nicht immer nur positiv ist. Also habe ich die Arbeitssucht gegen die Laufsucht ersetzt.“ Aber wie war das nochmal? #worlifetrailbalance. Mit der war es gerade zum Zeitpunkt von Florian Grasels großem UTMB-Erfolg nicht so weit her. „Laufen, Arbeit, Familie. Egal, was ich gemacht habe, ich war nie wirklich im Moment. Ich habe auf den Trails an irgendwelche Meetings gedacht und zuhause bei meiner Familie an die Trails.“ Ein Achtsamkeits-Workshop sollte ihm damals die Augen öffnen. Heute schnürt der „Trailbeard“ morgens um
halb Fünf die Trailschuhe, um im Familienurlaub in Kals einmal rauf Richtung Großglockner zu rennen und um Neun Uhr wieder bei der Familie und beim Brunch zu sein. Ohnehin ist der Glockner so etwas wie sein Lieblingsberg, nicht nur wegen der diversen Siege beim Großglockner Ultra-Trail. Und die Trailschuhe, das sei flink angemerkt, schnürt sich Florian Grasel natürlich nicht. Er schwört auf die Präzision des BOA-Systems, eine Partnerschaft, die längst freundschaftliche Züge angenommen hat. Was im Gespräch auffällt: Florian Grasel wechselt hier und da in die Vergangenheitsform. Er rekapituliert eine Karriere, die sich in wenigen Tagen schon auf 300.000 Höhenmeter akkumuliert haben dürfte: „Das ist mein kleines irres Projekt dieser Tage, aktuell bewege ich mich bei rund tausend Höhenmetern am Tag“. Den einzigen Hügel in seinem Wohnort, 80
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positive Höhenmeter, dürfte er bald schon 1200 Mal hinauf und wieder hinuntergelaufen sein. Was danach kommt? Eine Auszeit mit der Familie, zwei Monate USA. Und vielleicht doch noch einmal der UTMB: „Eigentlich hätte ich viel mehr Lust auf den Tor de Geants, aber in dieser Woche kommen meine Zwillinge in die Schule, das ist der deutlich wichtigere Termin.“ Dann wartet noch die Auslosung für den Hardrock100, damit wäre auch die Familienauszeit eine Frage der #worklifetrailbalance. Aber die #worklifetrailbalance wird ohnehin Florian Grasels Lebensthema bleiben:„Ich möchte für immer laufen. Ich möchte mich aber auch nicht zu Tode laufen. Ich möchte auch mit Sechzig noch mit meinen dann erwachsenen Kindern durch die Berge rennen.“ Ich möchte mal behaupten, dass Florian Gasel diesbezüglich auf einem guten Wege ist.
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Laufen, Arbeit, Familie. Egal, was ich gemacht habe, ich war nie wirklich im Moment.
PRAXISTEST New Balance Fresh Foam X More Trail v3 Preis: 170 Euro Sprengung: 7mm Gewicht: 322 g (43,5)
Allemal beeindruckend, wie es New Balance schafft, zwischen ernsthaftem Sportgerät und Lifestyle zu balancieren. Worstpiel. Stilsicher profitieren nun auch die Designs der Trailschuhe vom hohen optischen Anspruch der Firma. Der Fresh Foam X More Trail v3 könnte der perfekte Winterlaufschuh für viele Trailrunner sein, denn er bringt die Weichheit, Dämpfung und den Komfort, den man sich wünscht, wenn die Untergründe hart oder gefroren sind. Bei Minusgraden mag man ohnehin mit etwas Plus an Dämpfung gut beraten sein. Ich war beeindruckt vom Wohlfühleffekt, dem soften Obermaterial und Grip der neuen Vibram® Ecostep Außensohle, die wunderhaft sogar ohne Spikes auf Eis greift. Das Meshmaterial ist atmungsaktiv und in Kombi mit guten Merinowolle-Socken herrlich warm. Wasserdicht ist der Schuh freilich nicht und das bringt ihm letztlich das einzige Minus ein, denn so ein Winter in Europa kann eben immer öfter mehr nass als eiskalt sein. Fazit: Der ultimative Komfort-Trailschuh für Longruns auf gefrorenen Untergründen, für alle Fußformen und mit erstaunlich vielseitigem Laufstil.
Petzl Swift RL Preis: 95,95 1100 Lumen
Petzl hat seine überaus erfolgreiche Kompaktlampe Swift RL neu aufgesetzt. Neben einem Farbupdate gibt es noch handfestere Neuerungen: Statt 900 leistet die Lampe bei unverändert geringem Gewicht von 100 Gramm nun stattliche 1100 Lumen im Maximalmodus. Außerdem haben die Entwickler ihr noch ein Rotlicht verpasst. Dies kann nun zum Lesen im Nahbereich oder auch für starken Nebel genutzt werden. Im Blinkmodus ist das Rotlicht für Notfälle ein guter Signalgeber. Die Stärken des Vorgängers bleiben bei dieser Lampe natürlich erhalten: Das zweigeteilte Kopfband ist sehr komfortabel und sorgt für einen ausgezeichneten Sitz. Je nach Gusto kann zwischen Reactive Lighting (Lichtstärke wird automatisch über einen Sensor angepasst) und Standard Lighting gewechselt werden. Die Leuchtdauer ist für eine Kompaktlampe absolut akzeptabel. Im Reactive Lighting Modus werden bis zu sieben Stunden Laufzeit garantiert. Wem dies nicht ausreicht, kann sogar den Akku austauschen. Dies ist bei dieser Kompaktlampe etwas umständlicher als bei Stirnlampen mit externem Akku, aber in einigen Handgriffen dennoch fix erledigt. Wer eine leistungsstarke Kompaktlampe mit sehr vielseitigen Talenten sucht, ist mit der Swift RL mehr als gut beraten. Tipp: Die jetzt eventuell reduzierte Vorgängerversion ist immer noch eine sehr gute Lampe.
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PRAXISTEST Salomon Thundercross
Sprengung: 4mm Gewicht: 290g (42,5), 265g (38,5) Preis: 140 Euro
Dieser Schuh ist ja mal richtig Oldschool. Und damit meine ich nicht mal das wenig subtile Design mit seinen Details in PINK und ORANGE, das man so vielleicht eher von dieser einen, anderen alpinen Trailschuhmarke erwartet hätte. Ja, wer mag, der kann auch Elemente des gegenwärtigen Nineties-Revivals finden. Nein, retro, und zwar durchaus im guten Sinne, ist am Salomon Thundercross vor allem seine Positionierung: Wo gerade Trail-Allrounder zuletzt immer laufbarer, ja laufschuhiger geworden waren, pointiert dieser Schuh wieder selbstbewusst die Unterschiede zwischen Running und Trailrunning. Die fünf Millimeter tiefen Stollen beispielsweise stehen dem Thundercross nicht nur im Matschwetter der kommenden Wochen gut. Der Name deutet es ja bereits an: Die CrossFamilie steht bei Salomon fürs Grobe. War der Speedcross aber vor mehr als einem Jahrzehnt mal so etwas, wie die DNA eines alpinen Trailschuhs, liefen Modelle wie der Thundercross zuletzt nicht wirklich gut. Vor allem, weil sie sich einfach nicht gut liefen. Diese Zeiten sind vorbei. Flach gesprengt (4mm) und mit seiner Energy-Foam-Zwischensohle (bekannt etwa aus der Pulsar-Reihe) wählt der Thundercross zwar einen verbindlichen und stabilen Auftritt, vermag es aber durchaus, in der Ebene zu rollen. Das Dämpfungsgefühl ist komfortabel in der salomonischen Interpretation dieses Begriffs. Andere Marken mögen es sicher weicher, derart konkret aufgestellt vermittelt der Thundercross aber gerade Traileinsteiger:innen ein gutes Gefühl für das Terrain und damit diesen Sport. Weitere gelungene Details: der erwartungsgemäß präzise Sitz – trotz seitlich nicht vernähter Lasche – und der perfekt abgeschirmte Oberschuh, ein Komfortplus gerade beim Laufen abseits des Trails. Fazit: Der Thundercross ist ein Trailschuh im Wortsinne, der beherzt das Abwegige sucht und dem gegenwärtigen Trend der laufbaren "Es war sehr wichtig, eine und allzuProduktreihe laufbaren Trailallroundern ein paardie robuste zu entwickeln, sich nicht nur an Athlet:innen Argumente entgegensetzt. Echte Empfehlung für richtet, an trotz alle,fehlender die an MemNeulinge auf sondern den Trails und Ultraläufen teilnehmen, damit sie bran ein überzeugender Herbst- und Windie auch gleichen Produkte verwenden terschuh. können wie ich."
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Saucony Ride 15 TR GTX
Sprengung: 8mm Gewicht: 261g (42,5) 241g (38,5) Preis: 170 Euro
Wir vom Trail Magazin sind ja tendenziell skeptisch, wenn uns einzig eine Variante eines Straßenlaufschuhs vollmundig als Trailschuh verkauft wird. Dass wir beim Saucony Ride TR aber eine Ausnahme machen, liegt an der erwähnt exzellenten PwrrunDämpfung, die wie kaum ein zweiter Schaum ein reaktives und komfortbetontes Laufgefühl zu verbinden vermag. Vor allem aber liegt es daran, dass auch Saucony selbst den Mund nicht zu voll nimmt. Der Ride TR GTX will trotz des Trails im Namen und einigen protektiven Laminierungen nicht viel mehr sein, als ein Landschaftslaufschuh für die etwas raueren und kälteren Tage. Das Sohlenprofil ist dementsprechend wenig ausgeprägt, läuft sich aber im gegenwärtigen Schmuddelwetter gerade auf Asphalt oder laubbedeckten Waldwegen verlässlicher, als die auf Nässe tendenziell schwächelnden Trailsohlen von Saucony. Eine Sohle für Matsch oder Schnee ist es definitiv nicht. Die Passform ist komfortabel und dennoch präzise, allerdings fällt der Vorfuß eher schmal aus, je nach Fußform Ausschlusskriterium spätestens für explizite Ultradistanzen. Die Gore-Tex-Membran ist sauber verarbeitet, das Obermaterial wirft trotz des zusätzlichen Layers nie unangenehme Falten. Was für den Ride spricht, ist sein homogenes Dämpfungsverhalten, das gerade bei langen Trainingseinheiten hinreichend Laufkomfort, Stabilität und auch eine gewisse Dynamik bereithält. Ein Schuh, über den man sich auf den alltäglichen Runden keine Gedanken machen muss. Fazit: Der Ride 15 TR GTX rollt ermüdungsarm und ist eine echte Empfehlung für Landschafts- und Grundlagenläufe im unkritischen Terrain. Für einen Membranschuh ist der Ride TR GTX zudem ein überzeugendes Leichtgewicht mit schmeichelndem Tragekomfort.
Norda 002
Sprengung: 4mm Gewicht: 266g (42,5) Preis: 264,95 Euro
Nick und Willa Martire, das laufende Ehepaar hinter der kanadischen Boutique-Running-Marke Norda, haben ihren zweiten Schuh auf die Trails gestellt. Konsequenterweise heißt er auch so: Norda 002. Und, ja, der von mir innig geliebte und gelaufene Norda 001 ist ein enger Verwandter. Wieder ist das Obermaterial aus der extrem dünnen, gleichsam resilienten Textilfaser Dyneema gewebt. Wieder sorgt Vibram nicht nur für den sprichwörtlichen Megagrip. Auch die überzeugend reaktive, über die gesamte Länge homogen rollende Mittelsohle kommt aus dem Hause Vibram – und muss sich nicht verstecken hinter den Eigenentwicklungen der großen und ganz großen Laufschuhmarken. Die Ausgewogenheit aus Flexibilität und strukturgebender Stabilität überzeugt, fünf Millimeter flacher ausgeführt als beim Norda 001 läuft sie sich noch immer hinreichend gedämpft, aber mit einer ausgeprägteren Adaptierbarkeit und (im Guten wie im Schlechten, Stichwort: spitze Steine) mehr Gefühl für das Terrain. Schließlich will der 002 ja genau das sein: Der Norda-Schuh für die kürzeren und wilderen Läufe. Dazu passt das über seine gesamte Fläche präzise und vor allem gleichmäßig sitzende Dyneema-Upper. Die im Gegensatz zum Norda 001 nun konventionell unterfütterte Fersenkappe gibt zusätzliche Struktur, ohne allzu dick aufzutragen. Darüber hinaus kommen Sohle und Oberschuh ohne adaptive stabilisierende Elemente aus, was in einem absolut homogenen Lauf- und Tragegefühl resultiert. Erwähnenswert ist die aufwendig gearbeitete Einlegesohle aus thermoplastischem Polyurethan, die, mit zusätzlichen Kerben versehen, ihren Teil zum auch für längere Läufe komfortablen, aber präzisen Laufgefühl beiträgt. Fazit: Auch weil er auf eine derzeit scheinbar übliche Plattenkonstruktion verzichtet, ist der Norda 002 ein erfrischend intuitiver Trailschuh und wie schon der Norda 001 Beleg dafür, dass von einer Boutique-Running-Marke durchaus neue Impulse kommen können – und nicht nur ein distinguierter (und ästhetisch eigenständiger) Hipster-Schuh.
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MORALFRAGE Schuhfragen
NUR GUT GEMEINT
Da läuft einer in der Laufgruppe, der irgendwie anders ist als alle anderen. Und er hat anstatt technischer Laufklamotten eine Stoffhose und einen Sweater aus Baumwolle. Wegen der Schuh sollte man aber was sagen?
Der junge Mann um die Anfang 30 ist mir grundsympathisch. Er ist beim wöchentlichen TrailrunTreff immer der Erste vor dem lokalen Laufshop und er verpasst eigentlich auch nie einen Termin. Er ist manchmal zu laut, manchmal an Stellen zu neugierig, die unpassend erscheinen. Aber er ist nett und - wie sagt man - authentisch. Anders als der Rest der Gruppe kleidet er sich auffällig unsportlich. Manchmal kommt er in einer alten Stoffhose und einem Oberteil mit Löchern. Aus Gesprächen mit ihm weiß ich nun, dass das auch etwas mit seiner finanziellen Situation zu tun hat. Was mir nun auffällt sind seine uralten Schuhe, die keinerlei Dämpfung oder Außenprofil mehr haben. Damit kann man nicht laufen! Ich würde ihn gerne darauf ansprechen, aber habe Bedenken, dass es übergriffig oder gar arrogant wirkt. Roland P. aus Edenkoben
Lieber Roland, zunächst ist es ja ein gutes Zeichen und ein unwiderlegbares Dafür, dass der junge Mann trotz der offenbar schlechten, alten Ausrüstung in Eurer Laufgruppe mitmacht und er sich dort willkommen und wohl fühlt. Schlimm wäre, wenn er aus verschiedenen
Gründen nicht mit anderen laufen mag und sich zurückzieht. Der Blick auf Sportausrüstung ist natürlich individuell - was für die einen alt und nicht mehr zu gebrauchen ist, mag für andere ein Statement sein, das auch dem teilweise maßlosen Konsum entgegen stehen soll. Eine alte Laufhose, ein Shirt mit Löchern kann ein Symbol sein. Wenn jedoch eine Ausrüstung so sehr mangelhaft ist, dass sie nicht nur optisch auffällt, sondern echte Probleme macht, dann steht nichts dagegen, das direkt anzusprechen. Wenn der Trailschuh überhaupt kein Profil mehr an, keine Stabilität bietet oder Support leistet, kannst Du den Kollegen ansprechen und ihm - wieso auch nicht - Hilfe anbieten. Es kommt hier auch darauf an, wie man das tut. Wie direkt und in welcher Tonlage und Wortwahl. Ihm einfach und ohne jegliches Gespräch neue Schuhe hinwerfen? Sicher nicht. Charmant nachfragen, ob er keine neuen Schuhe braucht? Wieso nicht. Ihm anzubieten, dass man da noch welche hätte, die wenig gebraucht sind und ihm passen könnten ... so könnte man das doch angehen. Einfach mal herausfinden was denn die wahren Gründe sind, wieso er den Sport so ausübt wie er es tut und erst dann, nach Bildung eines Gesamtüberblicks, Hilfe anbieten. Oder auch nicht. Sollte sich herausstellen, dass er tatsächlich nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügt, mit einer "besseren" Ausrüstung zu laufen, dann darf eine integre Sportgruppe helfen, ohne dabei all zu sehr eine Diskussion daraus zu machen. Aber nochmals: Gratulation zu Deiner Überlegung und der Tatsache, dass sich im Laufsport mehr und mehr Menschen aus verschiedensten Schichten und Teile unserer Gesellschaft zusammenfinden. Wo gibts es das denn noch?
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