Das NEUE Magazin für Ultratrail, Long-distance Running & Etappenläufe Eine Sonderausgabe von
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Eigenwillig: Backyard Ultra Marathon / Tipp: Schuhempfehlungen der Redaktion / Fernwanderwege zum Nachlaufen
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Typen Zach Bitter, Eva Sperger, Felix Weber
Dämpfung: weich, hart, viel oder wenig? Medizin Wo sind die Grenzen des Ultralaufens? Laufschuhe
Kultrennen
Der Western States 100 in 22 Stunden & alle Wettkampf-Highlights 2019 im Rückblick ...
Report
• Badwater: Heißer Asphalt • Trend: Staffelrennen • Alpin: Tor des Géants
Training
Lange laufen - schnell bleiben! Als Ultraläufer den Speed behalten
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VORWORT Liebe Leser*innen, Ultrarunner und Freunde der langen Distanzen,
Ultrarunning ist heutzutage Extrem- und Breitensport zugleich. Das liegt daran, dass dieser Sport sehr weit in seinen Disziplinen ist, bei 50 flachen Kilometern beginnt und in mehrtägigen, hochalpinen Nonstop-Läufen endet. Die einen verlängern im Prinzip den klassischen Straßenmarathon um ein paar Kilometer, die anderen umrunden die halbe Erde, überwinden Berge und durchqueren Wüsten. Ultra ist gesellschaftsfähig geworden und irgendwie jetzt das, was vor vielen Jahren der Marathonlauf war. Wer etwas auf sich hält, läuft mal einen Ultra. Muss man nicht. Kann man aber. Sollte man mal probieren. Man erlebt schon so manches während solch einer langen Laufstrecke. Man lernt mit Tiefen umzugehen und die Höhen nicht überzustrapazieren. Ein Ultralauf ist ein bisschen wie ein Leben in sehr komprimierter Form. In dieser dritten Ausgabe von ULTRARUNNING versuchen wir wieder den Sport in vielen Geschichten, Bildern und Ausprägungen zu zeigen und seine Faszination zu transportieren. Der Herausgeber selbst lief ganze 357 km bei der legendären Tor des Géants im Aostatal. Wir berichten zudem über den Trend der Staffelläufe und beleuchten mit fünf Experten, wo denn nun die Grenzen des Ultralaufens sind. Dieses Heft soll euch motivieren und animieren, den Longrun als den schönsten Teil des Laufsports anzunehmen, denn in ihm stecken für uns die größten Möglichkeiten. In diesem Sinne: the longer the better.
INHALT 4 Report: Tor des Géants
357 Kilometer durch das Aostatal. Ein Ultratrail, der beim Autor noch lange nachwirkt
16 Training: lange laufen, aber schnell bleiben Micha Arend gibt Tipps, wie ihr trotz Ultradistanzen flotte Beine bekommt.
22 Schuhtest: 3 Typen, die Ultraschuhe suchen Wir geben ihnen je 2 Tipps: Altra, Adidas, Salomon, Brooks, Hoka One One, Scarpa
28 Porträt: Eva Sperger Die beste Ultratrailläuferin Deutschlands läuft mit Köpfchen. Auch von Berufs wegen
34 Medizin: 5 Experten beantworten Fragen Wo müssen die Grenzen liegen für Ultraläufer*innen?
42 Weitwanderwege für Ultra-Etappenläufer HW1, Stubaier Höhenweg, GR20 auf Korsika und Alpe Adria Trail
50 Journal / News Meisterschaften, Innsbruck Alpine Trail, GGUT, News, Produkte
54 Report: Badwater Ultra Tyler Tomasello begleitet zwei Freunde vom tiefsten zum höchsten Punkt der USA.
62 Report: Western States 100 Endurance Run
Euer Denis Wischniewski
Unser Redakteur Carsten war beim kultigsten 100-Meiler am Start.
3 Vorwort & Inhalt 50 News/Journal 16 Training 78 Interviews 61 Impressum
72 Report: Staffelläufe Ein Trend erobert den Laufsport und macht sich auch an die Ultradistanzen.
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REPORT Tor des Géants T E X T: D e n i s W i s c h n i e w s k i F O T O S : J e a n te t S te fa n o
Lassen wir einfach die Zahlen sprechen – 357 km, 30.000 Hm und 150 Stunden Zeit. Die TOR DES GÉANTS im italienischen Aostatal ist eine irrwitzige Aneinanderreihung an Auf- und Abstiegen und für Ultratrailrunner eine Reifeprüfung oder Unternehmung, die irgendwann auf der langen To-do-Liste steht. Unser Autor war für 124 Stunden dabei.
Die TOR zum Himmel 4
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REPORT Tor des Géants
Ich renne hinter einem englischen Paar durch die Dunkelheit. Sie reden sehr viel und wirken unheimlich locker und stark. Der Mann um die 50 gibt das Tempo vor und die Frau hinter ihm, um die 30, folgt ihm und erzählt sehr viel. Sie sprechen über ihr Training, die Rennen, das Skyrace in Tromsö und darüber, wie es sonst so im Leben läuft. Ganz nebenbei erfahre ich in dritter Position, dass sie beide im Vorjahr hier erfolgreich gefinisht haben. Ich fühle mich plötzlich sicher und gut aufgehoben. Ich lasse sie ziehen. Sie sind mir zu schnell. Powernapping in einem kleinen Zelt auf 1.657 m. 23 Uhr. Ich erkämpfe mir einen Sitzplatz und schlafe für drei oder vier Minuten ein. Ich träume sehr intensiv von etwas ganz anderem als vom Laufen und umso erschreckender ist es wieder aufzuwachen und zu wissen, dass dies hier nicht der beste Platz für einen langen Schlaf ist. Ich reiße mich zusammen, stehe auf und schreite nach draußen. Meine Stöcke sind weg! Zur Erklärung: Das ist so ziemlich das Schlimmste, was passieren kann. Das ist ungefähr so, als wenn man der Polizei den Schäferhund oder das Polizeiauto nimmt oder dem Piloten noch in der Luft das Flugzeug. Irgendwie so halt. In meiner Not nehme ich mir andere und denke, dass es sich am Ende ausgleicht. Zumindest bleibe ich bei meiner Hausmarke. Nun bin ich seit 60 Stunden unterwegs. Ich bin an dem Punkt, an dem ich weiß, auf was ich mich hier eingelassen habe und nun holt mich die Müdigkeit ein, die Nacht raubt mir Kraft. Ich versuche wach zu bleiben, nach vorne zu gehen, die Konzentration zu halten. Mit dem ersten Licht des neuen Tages kommt leider kein heller Moment bei mir zurück. Ich lege mich nur 2.000 m vor der Station in Niel neben dem Trail in einen laubbedeckten, ebenen Teil des sonst abschüssigen Waldes. Ich sitze, um nur Sekunden später nach links wegzukippen. Ich schlafe. 30 Minuten später wache ich wieder auf.
Ryan Sandes auf eine Tasse Kaffee mit US-Trailstar Jeff Browning.
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Es ist bitterkalt. Ich marschiere weiter und komme in der Station an. Carsten erkennt die Situation schnell. Er reagiert sehr souverän und steckt mich für 60 Minuten in den Kofferraum seines Vans. Vermutlich ist das gar nicht erlaubt, aber es interessiert uns nicht. Nicht jetzt. Carstens Wecken ist unfair. Ich hasse ihn dafür, um ihn irgendwann später dafür wie ein Bruder zu lieben. „Denis, das Wetter wird ab heute besser. Da oben scheint die Sonne. Es wird warm und du wirst wieder Energie bekommen!“ Er hat recht. Ich verlasse Niel mit einer Polenta Bolognese im Magen, laufe aus dem Tal hinauf in die Sonne, die mich wärmt, mir neues Leben einhaucht. Ab hier, ab dieser Station, Kilometer 192, wird alles besser. Der Sommer kommt zurück in das Aostatal, und ich bin ein Sommermensch. Ich habe Kraft und fresse die Höhenmeter mit viel Hunger. Ich komme gut voran, und etwas später in Gressoney, einer perfekten Life-Base, wird alles noch einmal auf null gestellt. Eine
große Halle, gutes Essen. Ich dusche 20 Minuten lang sehr heiß und schlafe in einer leeren Kletterhalle auf einer herrlich weichen Turnmatte ein. Es ist still, keine Chinesen schnarchen. Nach drei Stunden verlasse ich Gressoney. Ich umarme Carsten zum Abschied und mir wird immer bewusster wie wichtig er ist, wie sehr mir sein Support hilft. Er findet immer die richtigen Worte und gibt mir ständig das gute Gefühl, dass ich hier etwas ganz Besonderes leiste und gut unterwegs bin. Die Tor des Géants ist längst kein Rennen mehr. Es ist kein Wettkampf. Ich bin in einem Abenteuer angekommen, in einer verrückten Aneinanderreihung von 25 hohen Bergen weit über 2.000 und 3.000 m, durch zwei Nationalparks und 34 Gemeinden. Die Höhenwege Via Alta 1 und 2 sind zu meiner lifetime experience geworden. Für mich und einige hundert andere aus 77 Nationen. Schon alleine diese Tatsache macht die Tor zu etwas Besonderem: Die Welt trifft sich hier. Es
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gibt keinen Neid, keine Differenzen. Ein Sport, die Natur, die Berge und ein großes Ziel einen uns alle. Vor mir liegt in Schnee gehüllt das Monte-Rosa-Massiv. Beeindruckend. Zwei wilde Hunde begleiten mich hinauf zum Col Pinter auf über 2.700 m Höhe. Maruki ist wieder da. Ich wusste längst nicht mehr, ob der Japaner weit vor oder weit hinter mir war. Nun ist er jedenfalls gleichauf und er nickt mir nüchtern zu. Gemeinsam blicken wir von dort oben hinab in den Abstieg und verfolgen mit unseren Blicken den Trail, der sich winzig klein irgendwo verliert. Ein weiter Weg liegt vor uns. Auch das ist die Tor des Géants: Alles bleibt über viele Stunden genau gleich. Meine Bewegungen, mein Tempo, meine Griffe in den Rucksack, die Abstände, in denen ich esse, trinke oder stehen bleibe. Und alles verändert sich ständig: Die Landschaft wechselt ihre Farbe, sie wird hell, sie wird dunkel. Es ist ein großartiges Gefühl. Der späte Sommer taucht das Tal und die Berge in ein warmes Licht, ich laufe nach
FOTOSTORYSchnell TRAINING Alexisbleiben Berg T E X T: M ichael A rend F O T OS: @UTM B
Diese Männer haben Tempo und Ausdauerfähigkeiten: Kilian Jornet und Tim Tollefson beherrschen 100-Meiler und haben garantiert gute Kilometerzeiten.
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SPRITZIG BLEIBEN
Auch wir Ultra- und Marathonläufer wollen schnell sein. Wir wollen nicht den Nimbus eines Dieselmotors oder des stoisch vorankommenden Kamels. Was nur tun, um ganz lange laufen zu können und trotzdem Sprintfähigkeiten aufzubauen? Muss ein Ultramarathonläufer schnell sein? Die einfache Antwort ist „nein“ und damit könnten wir den Deckel auf den Artikel machen und ich könnte mich wieder hinlegen. Glaubt man den geltenden Vorurteilen, dann sind das auch die maximalen Gedanken, die wir Ultraläufer uns zu dem Thema machen. Die korrekte Antwort ist leider wie immer nicht ganz so einsilbig und einfach. Um sich Ultramarathonläufer nennen zu können muss man einen Ultramarathon finishen, die Zeit spielt dazu erst mal keine Rolle. Klar ist aber auch, dass die Probleme mit der längeren Dauer zunehmen und gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit zu finishen abnimmt. Schnell im Ziel sein und Schnelligkeit sind aber natürlich nicht das Gleiche. Deswegen sollten wir erst mal klären was gemeint ist, wenn wir davon sprechen schnell zu bleiben oder schnell zu werden. Schnelligkeit meint - rein sportwissenschaftlich - das Tempo, das man für ca. 30 m aufrechterhalten kann: die eigene maximale Geschwindigkeit. Alles, was danach passiert hat eine Ermüdungs- und damit auch eine Ausdauerkomponente. Wenn wir Ultraläufer von Schnelligkeit sprechen, dann meinen wir aber viel mehr so was wie unser Tempo über 5 km. Auch wenn das sportwissenschaftlich eindeutig eine Ausdauerdisziplin ist, ist es für uns Ultraläufer eine klare Unterdistanz und somit verbunden mit dem Begriff Schnelligkeit. Interessanterweise hängen aber die Distanzen zwischen 30 m und UItramarathon ganz schön eng zusammen. Das verwundert auf den ersten Blick, wird aber auf den zweiten durchaus logisch: Der berühmte Autor von ‚Lore of Running‘, Tim Noakes, führte eine Studie durch, in der er die maximale Geschwindigkeit der Läufer als Vorher-
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CARSTEN SCHNEEHAGE, 44, aus Bad Feilnbach Carsten ist ein kräftiger Typ. Nein, wir meinen nicht das umschreibende „kräftig“, sondern Kraft im eigentlichen Wortsinn. Er selbst nennt es „Kampfgewicht“ und plädiert kokettierend für die Einführung von Gewichts- statt Altersklassen bei Laufwettbewerben. Schuhe mit wenig Dämpfung kommen für den Bad Feilnbacher dementsprechend nicht infrage. Es muss schon bequem sein - sowohl beim Laufen als auch beim anschließenden Einkehrschwung in die Almwirtschaft. Wenn Carsten nicht gerade Kuhglocken-schwingend beim TAR als Vorläufer unterwegs ist, verbringt er seine Bergsommer am liebsten in Skandinavien. Die einsame Natur der schwedischen und norwegischen Berge und die oft mit Navigation verbundenen Wettkämpfe haben es dem ehemaligen Orientierungsläufer angetan. Jedes Frühjahr gibt es diesen Turning Point. Zu wenig Schnee für die Tourenski und zu viel für die Trailschuhe. Für Herrn Schneehage der Zeitpunkt, ein altes Ritual zu pflegen. Er schnappt sich die Straßenschuhe und rennt einmal um den Chiemsee.
ALTRA ESCALANTE 2
HOKA ONE ONE EVO MAFATE
Ihr könnt mit euren Zehen Ballett tanzen? Wenn ihr nicht barfuß am Strand unterwegs seid, habt ihr wahrscheinlich gerade einen Altra-Schuh am Fuß. Neben der nicht vorhandenen Sprengung ist, wie bei allen Altra-Schuhen, auch beim Escalante die ultra-geräumige Zehenbox das sofort erkennbare Markenzeichen. Auch wenn dieses Maß an Zehenfreiheit in der Ultrarunning-Redaktion nicht für alternativlos gehalten wird, konnten wir uns mit dem Escalante schnell anfreunden. Denn von Ferse bis Mittelfuß sitzt der Schuh durchaus straff. Das gestrickte Obermaterial macht hier einen guten und sehr angenehmen Job. Seine enorme Flexibilität im Vorfußbereich erhöht gar nochmal die Möglichkeiten der Zehengymnastik. Wie schaut es mit der Dämpfung aus? Die Altra-Ego-Zwischensohle ist komfortabel, fällt aber nicht übermäßig voluminös und weich aus. Ein Ultraschuh ist der Escalante aber allemal. Wer es nicht gewohnt ist, muss sich mit Sicherheit an die Null-Sprengung-Philosophie der Amis gewöhnen. Unsere Waden kamen bei den Testläufen zumindest ganz schön ins Schwitzen. Ist der Bewegungsapparat aber einmal umgepolt, läuft sich der 280 Gramm leichte Zero-Drop-Schuh so natürlich und ursprünglich wie es eben nur ein Altra vermag. Im Altra Escalanate schicken wir Carsten daher mit gutem Gewissen auf seine Chiemsee Umrundung.
Eine Rennsemmel ist der EVO MAFATE nicht. Auch nicht nach einer ordentlichen Überarbeitung und dem Update 2.0. Er ist nun schlanker, leichter und flinker, aber noch immer der HOKA für grobes Gelände und lange, alpine Ultratrails. Ein Mann wie Carsten findet in ihm einen zuverlässigen, sehr gedämpften Schuh für tagesfüllende Trail-Abenteuer, Alpenüberquerungen und Ultratrails. Die nur 4 mm Sprengung stehen ihm gut zu Gesicht und man ist trotz der massiven Dämpfung erstaunlich sicher in ihm unterwegs. Der Mafate wurde ursprünglich für ein 100-Meilen-Rennen quer über die Insel La Réunion entwickelt und ist nun ein verlässlicher Supporter für alle langen und wilden Kanten. Wer etwas mehr Dynamik möchte ist mit dem Speedgoat oder Torrent besser unterwegs - wer Robustheit und viel Schutz mag, sollte aber hier die Suche beenden. Ein filigraner Tänzer ist er nicht. Ein langes Fazit: Schwere Läufer hatten es viele Jahre schwer, einen guten Trailschuh für lange Strecken zu finden, denn meist waren die Modelle zwar gedämpft, aber steif und undynamisch. Heute ist die Auswahl besser, und ein Schuh wie eben jener von HOKA ist trotz seiner Robustheit lauffreudig, agil und bequem zu tragen. Die Vibram-Außensohle darf man durchaus als Herzstück sehen – sie macht aus ihm eine Lebensversicherung auf Fels, Schotter und losem Untergrund.
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Backyard Ultra – Last Man Standing Das Konzept
Ein Rennen, bei dem es keine Führenden und keinen Letzten gibt. Klingt nicht nach einem besonders harten oder spannenden Konzept. Doch weit gefehlt. Beim neuen Trend Backyard Ultra geht es nicht um Schnelligkeit, sondern einfach nur darum, im Rennen zu bleiben. Länger als alle anderen. Wir stellen euch diese neue Spielart des Ultrarunning vor.
Last Man Standing: Mit diesen drei Worten könnte man das Prinzip des Backyard Ultra relativ schnell beschreiben. Etwas mehr steckt aber doch dahinter. Das Rennen findet auf einer Runde statt, die genau 6.706 m lang ist. Die Läufer haben jeweils eine Stunde Zeit, um die Runde zu beenden, dürfen in dieser Stunde aber auch wirklich nur eine Runde laufen. Jede Stunde starten also alle Läufer gemeinsam zu einer neuen Runde. Wer es nicht mehr schafft die Runde in unter einer Stunde zu beenden oder eine neue Runde rechtzeitig zu starten, ist ausgeschieden. Der letzte verbleibende Läufer ist der Sieger. Weitere Platzierungen gibt es nicht. Alle anderen Läufer bekommen das Label DNF. Warum die krumme Rundenzahl von 6.706 m? Läuft man diese Distanz 24-mal (also 24 Stunden) hat man genau 100 Meilen geschafft.
Der Erfinder
Schöpfer dieses Formats ist, wie könnte es anders sein, Gary „Lazarus Lake“ Cantrell. Der Träger des unverkennbaren Rauschebarts ist vorrangig bekannt als der Mann hinter dem nicht weniger extravaganten Barkley Marathons. 2012 veranstaltete er erstmals den Big's Backyard Ultra auf seiner Farm (Backyard) in Tennessee. „Big“ ist der Name seines Hundes.
Die Wettbewerbe
Neben dem schon erwähnten Big‘s Backyard Ultra entstanden in den letzten Jahren viele weitere Rennen gleichen Formats auf der ganzen Welt. Das Rennen von Lazarus Lake in Tennessee fungiert seitdem als großes Finale. Ein Golden Ticket verdient sich jeder Läufer, der ein solches „Affiliate Race“ gewinnt. In Deutschland gibt es seit diesem Jahr zwei dieser Rennen. Den Bienwald Backyard Ultra und den Schinder Trail. Michael Ohler ist Veranstalter des Bienwald Backyard. „Wir übernehmen die Flugkosten und den Startplatz für unseren Golden-Ticket-Gewinner“, verspricht er. Stellt aber gleichzeitig klar, dass Backyard Ultras auch für weniger Ambitionierte geeignet sind: „Meiner Meinung nach hat das Format enormes Wachstumspotenzial. Unerfahrenere Läufer können sich hier ohne Druck an längere Strecken (erster Marathon oder Ultra) herantasten.“
Die Rekorde
Der aktuelle Rekord wurde beim letztjährigen Big's Backyard aufgestellt. Der Schwede Johan Steene lief 68 Runden und war damit „Last Man Standing“. Dies entspricht einer Entfernung von 283 Meilen bzw. 455 km. Der Zweitplatzierte, den es eigentlich nicht gibt, wird im Fachjargon „Assist“ genannt. Mit einer Runde weniger war dies bei jenem Rennen keine Geringere als die UTMB Siegerin Courtney Dauwalter. Beim diesjährigen Bienwald Backyard drehten zwei Männer 19 Stunden länger ihre Runden als alle anderen Teilnehmer. Harald Menzel (45 Runden) musste sich am Ende nur knapp gegen Andreas Löffler (46 Runden) geschlagen geben. Angesichts dieser Leistung machte Lazarus Lake eine Ausnahme und stellte beiden Läufern ein Golden Ticket aus.
Die Psychologie
„Wenn du nicht außergewöhnlich langsam bist, ist es kein Problem, jede Stunde das Zeitlimit zu erreichen. Daher gewinnt nicht unbedingt der schnellste Läufer, sondern der mit dem stärksten Kopf“, sagt Lazarus Lake über sein Rennen. Angesichts der Tatsache, dass quasi jede Stunde wieder alle gemeinsam an der Startlinie stehen unabhängig davon, wie schnell sie die letzte Runde absolviert haben, dürften taktische Überlegungen bei diesem Rennformat nicht unerheblich sein. Ein Teilnehmer bringt es auf den Punkt: „Du musst eigentlich nur über die nächste Runde nachdenken. Da es kein vordefiniertes Ziel gibt, weißt du ohnehin nicht, wie lange du noch laufen musst.“ Ob diese Tatsache eher Segen oder Fluch ist, darf am Ende jedes Läuferhirn, das sich an den Start eines Backyard Ultras stellt, für sich selbst entscheiden.
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TYPEN Eva Sperger T E X T: Denis Wisch niewsk i
F O T O S : H a r a l d W i s t h a l e r, M a r c o F e l g e n h a u e r
Was er wohl so spricht? „Ja, Schatz, ich brauch noch bis ins Ziel!“ Oder doch: „Hey, ich bin etwas früher da als gedacht!“
Deutschlands beste Ultratrail-Läuferin Eva Sperger aus München ist sich sicher, dass es beim Laufen, vor allem wenn es lange wird, mehr auf den Kopf als auf die Beine ankommt. Die Diplom-Psychologin startete in diesem Sommer erstmals beim UTMB und lernte ihre Grenzen kennen.
Für Eva Sperger ist Trailrunning ein kleines bisschen mehr als nur Sport oder Ausgleich zu ihrem Beruf. Würde man Ultratrailrunning verkaufen müssen und man bräuchte eine Person, die für den Sport stehen soll, dann wäre Eva wohl genau die richtige. Sie lebt den Sport, sie unterwirft sich ihren Zielen und strahlt trotz eines zweifellos harten Hobbys immer Freude und positive Energie aus. In den letzten vier Jahren wurde die 39-jährige Münchnerin zur besten Ultratrail-Läuferin Deutschlands und aus dem anfänglichen Hobby ist eine Passion und Leidenschaft gewachsden, die ihr seitdem 15 Siege einbrachte und in diesem Sommer eine Teilnahme beim Ultra-Trail du Mont-Blanc. Ein Start, mit dem viele Hoffnungen, Wünsche und Träume verbunden waren. Als Eva Sperger vor rund vier Jahren zur Trail- und Bergläuferin wurde, trat sie durch ein Tor, das sie vielleicht unbewusst gesucht hatte. Dass die Erfolge sofort kamen war eigentlich nicht verwunderlich, denn sie betrat die Trails mit einer Ausdauersport-Grundlage, die massiv war. Mit dem Rennrad fuhr sie, lange vor der Laufkarriere, von München an den Gardasee. Nonstop. Sie war acht Jahre lang im Kampfsport aktiv und überhaupt – in den Bergen war sie schon immer zu Hause. Nein, das mit dem
Trailrunning und dem offenen Tor war mehr als nur logisch. Also lief Eva. Zunächst kurz, dann ganz schnell auch länger und dann ganz bewusst mit einem Trainingsplan, denn sie wollte ganz schnell besser werden.
Erstes Ausrufezeichen an der Zugspitze Mit dem ersten Anbringen einer Startnummer siegte Eva fast sofort. 2016 gewann sie den Ultra Trail Lamer Winkel, das Innsbruck Trailrunning Festival, den Arberland Ultra, den Kinitrail und erstmals einen 100-km-Lauf. Einen Sommer später war die Diplom-Psychologin dann erstmals so richtig im Gespräch. Im Rahmen des Zugspitz Supertrail XL wurde sie Deutsche Meisterin im Ultratrail - und ab hier geht die Geschichte so richtig los. Ein Winter mit viel Training, vielen Kilometern an der Isar und in den Bergen. Nächstes Ziel: 125 km beim Transgrancanaria. Ihr zweites internationales Rennen, der erste Wettkampf, den sie auch eine ganze Nacht führen sollte und bei dem viele andere Läuferinnen ihres Niveaus starten. Nach knapp 17 Stunden ist die Feuertaufe auf der Kanareninsel beendet und die in Regensburg gebürtige Wahlmünchnerin glücklich auf Rang 5 im Ziel. Vor ihr: die weltbesten Damen des Sports. Hinter ihr: die weltbesten Damen des Sports.
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MEDIZIN Wo ist das Limit?
Grenzgänger 5 Experten beantworten brennende Fragen zum Ultralaufen und darüber, wann wir erkennen können, dass es genug ist und wir persönliche Grenzen erreicht haben. T E X T: Clemens Niedenthal
Der erste Ultratrail, oder vielleicht auch der vierzehnte, man hat sich endlich ein Wochenende freigeschaufelt und fest vorgenommen, sich für den ganzen Alltagsstress zu belohnen. Nur: Es läuft nicht so richtig. Der Magen streikt, der Rücken zwickt und dann kommt auch noch Schüttelfrost dazu. Kurzum: Was sind körperliche Erfahrungen, die so ein Ultra einfach mit sich bringen kann und wann wäre angeraten, tatsächlich aus dem Rennen auszusteigen? Was jede*r Läufer*in erst lernen muss: Auf dem Trail, zumal auf den Ultradistanzen geht es immer weniger um die Leistungsfähigkeit des Körpers als vielmehr um seine Belastbarkeit. Plötzlich wird das Knie dick oder ein Schienenbeinkantensyndrom taucht aus dem Nichts auf. Da kann man in der Ebene noch so mühelos seine Bestzeiten auf den Asphalt legen - ein Rennen in der Höhe, mit so vielen Höhenmetern und im technischen Terrain, ist für den Körper immer eine Provokati-
on, auf die man ihn strukturiert vorbereiten muss. Für einen Lauf wie dem Transalpine Run beispielsweise würde ich selbst einem ambitionierten Marathoni ein, eher zwei Jahre konsequente Vorbereitung mit auf den Weg geben. Im Rennen selbst muss es dann oft gar nicht um die Frage „aufgeben oder weitermachen“ gehen. Entscheidender ist, den Druck rauszunehmen und nicht mehr an irgendwelche Zeiten und Tempovorgaben zu denken. Ich bin bei meinem ersten Transalpine Run auch in einen Hungerast hineingelaufen, den ich erst überhaupt nicht einschätzen konnte. War mir kalt? Hatte ich Hunger? War ich erschöpft? Ich habe mich dann hingesetzt, eine Suppe gegessen, mir Zeit gegeben. Ich konnte weitermachen. Überhaupt: Zeit nehmen! Wer schon die Sekunden zählt, die es braucht eine Windjacke an- oder auszuziehen, macht garantiert etwas falsch. Wenn man aber pumpend und schwitzend aus dem Uphill kommt und dann meint, man würde bergab ohnehin nicht frieren, bei der oder dem ist die Unterkühlung vorprogrammiert.
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Genauso muss ich aber immer in der Lage sein zu erkennen, wann meine Grenzen erreicht sind. Wir haben in diesem Jahr beim Transalpine Run einer US-amerikanischen Läuferin dreimal auf die Beine geholfen und an ihre Vernunft appelliert. Beim vierten Mal stand sie nicht mehr auf, da war das Sprunggelenk gebrochen. Noch ein tatsächlich nötiger Appell: Schmerzmittel sind vor und während eines Wettkampfs absolut tabu. Der ganze Organismus ist ja ohnehin schon im Ausnahmezustand. Wenn überhaupt, dann erst nach dem Rennen und nachdem man wieder ausreichend hydriert ist. Ansonsten schädigt man die Nieren und die Magenschleimhaut und zwar – unmittelbar.
Robert Margerie ist 2013 und 2014 beim Transalpine Run gestartet und seitdem immer wieder gekommen – als Arzt der Medical Crew. Er lebt als niedergelassener Internist und Sportmediziner in Berlin und ist unter anderem der Antidopingbeauftragte des dortigen Landessportbundes.
Tor des Geants: Einen Ultra läuft man nicht auf Sekunden! Deshalb: wenn nichts mehr geht einfach schlafen und vorallem Druck aus dem Lauf nehmen.
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EVENT Wettkämpfe
Innsbruck geht steil Das Innsbruck Alpine Trailrun Festival (IATF) macht sich im fünften Jahr auf, auch international den Durchbruch zu schaffen. Mit einer neuen Strecke könnte es gelingen im Club der Großen mitzulaufen. Der Kick-off in die europäische Trailsaison wird 2020 noch attraktiver für alle Ultraläufer. Vom 30. April bis zum 02. Mai 2020 lockt das Innsbruck Alpine Trailrun Festival die internationale Trailrunning Community bereits zum 5. Mal in die Alpenmetropole Innsbruck, um gemeinsam in die neue Trailrunning-Saison zu starten. Nach nur vier Jahren ist das adidas TERREX Innsbruck Alpine Trailrun Festival das mit Abstand größte Trail-Event Österreichs und zählt mittlerweile auch zu den Top-TrailEvents Europas. Das Highlight zum 5-Jähri-
gen ist eine neue Ultra-Distanz: der K110 – Masters of Innsbruck. Mit 108 km und knackigen 5.400 Hm ist der Name Programm. Auf die Teilnehmer warten ansprechende Uphills und technische Downhills gepaart mit beeindruckenden Alpenpanoramen direkt zum Saisonstart. Zusätzlich wird auf dem extra Loop nun auch der Patscherkofel, der Hausberg Innsbrucks, in das Streckenkonzept integriert. Mir den anderen Ultra-Distanzen, dem K85 - Heart of the Alps Ultra (87 km & 3.400 Hm), sowie dem K65 – Panorama Ultra Trail (67,5 km & 3.200 Hm) bis zum K15 Rookie Trail ist das Ange-
bot an Distanzen reichlich und für jeden etwas dabei. Alles eingebettet in ein cooles mehrtägiges Festival Programm inkl. K7 Nighttrail als Prolog, Panorama-Festival und attraktivem Hot-Spot-Konzept für alle Begleiter (uvm.), entpuppt sich Innsbruck als Mekka für Ultra-Läufer. Das IATF ist eigentlich schon ein Klassiker zum Saisonstart und lohnt sich in jedem Fall. Anmeldung läuft unter www.innsbruck-alpine.at
GGUT macht 180 Grad Wende ÖSTERREICHS GROSSER ULTRATRAIL RUND UM DEN GROSSGLOCKNER ERFINDET SICH NEU. NICHT GANZ, ABER DOCH SO, DASS SICHERHEIT UND ERLEBNISFAKTOR ZUNEHMEN. EIN RICHTUNGSWECHSEL. Es muss sich was ändern, damit alles GGUT bleibt. Ein schönes Motto hat sich da das Team um Hubert Resch überlegt. Doch es bleibt nicht bei Sprüchen – der GROSSGLOCKNER ULTRA-TRAIL® – powered by DYNAFIT, erfindet sich nach fünf Jahren neu. Nun ja. Nicht ganz, aber zumindest macht er eine ordentliche Wendung und schickt 2020 seine Teilnehmer erstmals gegen den Uhrzeigersinn. Die Gründe hierfür sind aber ernsthafter, als man denken mag. „Entscheidend war, dass uns zum Veranstaltungszeitpunkt Ende Juli die Wärmegewitter beschäftigt haben – sie sind extrem schwer einschätzbar und können sehr heftig ausfallen. Natür-
lich hatten wir mehrere Schlechtwetter-Varianten geplant, aber zwangsläufig nur im Sinne einer Verkürzung des Rennens: Jeder, der das Gelände kennt, weiß, dass es keine sinnvolle alternative Streckenführung rund um den Glockner gibt“, so Veranstaltungschef Resch.
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Mit dem Umdrehen der Strecke vermeidet man nun viele Risiken. Ein weiterer Vorteil kommt hinzu – das mittlere Drittel des GGUT 110 ist für Zuschauer und Betreuer wesentlich einfacher und besser erreichbar. Die neue Streckenkonzeption ist ausschließlich davon bestimmt, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern möglichst unvergessliche Eindrücke in faszinierender Hochgebirgslandschaft zu bieten und dabei die höchsten Standards an Organisation, Logistik und Sicherheit zu gewährleisten. Die Anmeldung zum GGUT 2020 ist ab 5. November 2019 möglich: https:// www.ultratrail.at/deutsch/anmeldung-ergebnisse/anmeldung/
T E X T: Clemens Niedenthal
Neue ULTRA-Produkte Schuhe, ein T-Shirt, ein Energieriegel und ‘ne Lampe. Reicht zum Glücklichsein für Ultrarunner. La Sportiva macht aus dem Kaptiva nun den Jackal und spendiert mehr Dämpfung. Spannend!
Hoka One One Carbon X Als erster Laufschuhhersteller hat Hoka auf den Marathonweltrekord-Schuh von Nike reagiert und einen Schuh auf den Markt gebracht, dessen zentrales Element ebenfalls eine in der Mittelsohle verbaute Carbonplatte ist – und der sich dennoch ganz anders läuft. Vor allem läuft er sich für einen Wettkampfschuh überraschend komfortabel, besonders wenn die Haltemuskulatur der Füße nach langem Laufen bereits ermüdet ist. Trotz oder gerade wegen der verbauten Carbonplatte vermittelt der Schuh einen guten Bodenkontakt, er läuft sich nie schwammig und gerade im Vorfußbereich richtiggehend „pushy“. Hier greift die federnde Carbonkonstruktion zu. Unsere Testerin jedenfalls hatte das Gefühl „immer weiterlaufen zu können". Ihr Testlauf war der Spartathlon und damit immerhin rund 250 km lang. Schnell müsst ihr dennoch selbst sein: Der Carbon X ist eigentlich überall sofort ausverkauft.
Clifbar Peanut Butter Banana – eine echte Energiebombe!
T-Shirt Wir geben es doch zu! Ja, wir sind es. Kein Sorry! www.trail-magazin.de/shop 18,90 Euro
Im Frühjahr 2020: der Salomon Sense Ride 3! Es werde Licht: die Silva Trail Speed 4 XT mit 1200 Lumen
Jetzt mit Gore-Tex! Der Speedgoat 4 von Hoka One One in seiner Winterversion
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2020 limits
Dolomites Ultra Trail / 84 km 2 Athleten / Zeitlimit 20 h / Auf-Abstieg 4.728 m Wir kannten die einzelnen Teiletappen vom Wandern mit der Familie. Aber dass die Strecke dann doch so anspruchsvoll ist, hat uns etwas überrascht. Dieser Ultra ist wunderschön! Alexander Rabensteiner & Jimmy Pellegrini – ITA
www.brixenmarathon.com WINN DUT ER 2019
REPORT BADWATER ULTRA Die Salzkristalle leuchten heller Nun wissen wir ja, dass Absurdität ein sehr dehnbarer Begriff ist. Die Absurdität eines Ironman etwa ist heute längst eine anerkannte Form der körperlichen und mentalen Ertüchtigung, die offensichtlich auch Manager oder Fernsehmoderatoren einmal gemacht haben müssen, um von ihrer generellen Unerschütterlichkeit zu künden. Und auch die gelaufenen Ultradistanzen werden mindestens für jenen nicht gänzlich unsportlichen Teil der Gesellschaft vorstellbarer. Genau deshalb aber strahlen die Salzkristalle von Badwater nun nochmal heller. Mittags in Kalifornien, bei 50 °C, kein Baum, kein Strauch, kein Schatten weit und breit, gibt es nichts mehr zu relativieren. Bei einem Rennen, bei dem oft mehrmals die Schuhe gewechselt werden müssen, weil die Gummimischungen der Sohlen auf dem heißen Asphalt geschmolzen sind. Wüstenrennen gibt es viele. Aber der Badwater Ultramarathon ist das einzige, das doch vor allem ein Straßenrennen
ist. Es erzählt vom ur-amerikanischen Traum, sich die Welt anzueignen. Und genauso von den Grenzen dieser Mission. Im Death Valley jedenfalls haben sich damals im 19. Jahrhundert keine Siedler niedergelassen. Und dass Al Arnold vor mehr als 40 Jahren eben von Badwater auf den Mount Whitney gelaufen ist hatte mindestens auch den einfachen Grund, dass es keine abwegigere Idee gab. Von der wüstesten aller US-amerikanischen Wüsten, 50 °C, ganz zuletzt sogar noch in den Schnee. Aufnahmen in Zeitlupe Die Bilder, die uns Tyler Tomasello von seiner Reportage auf dem ursprünglichen Kurs des Badwater Ultra mitgebracht hat, sind in diesem Sinne anders als andere fotografierte Rennreportagen. Keine rasanten Bilder. Wobei gerade darin auch die Hitze sichtbar wird. Und im Outfit der Läufer*innen, viel Stoff, viel Weiß. Später dann noch Wollmütze, Daunenlayer, Gletscherbrille. Man sieht Sportler*innen in geradezu meditativen Bewegungen, beschäftigt mit der Sinn-
Zwei Läufer, ein Fotograf, der selbst gerne gelaufen wäre (ganz links) und zwei Supporter auf dem langen Weg von ganz unten nach ganz oben
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Mittags in Kalifornien, bei 50 °C, kein Baum, kein Strauch, kein Schatten weit und breit, gibt es nichts mehr zu relativieren.
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EVENT Western States Endurance Run
Carsten und die wilde 100 T E X T: C a r sten Dr i l l i ng F O T OS: Kelv i n Traut ma n
Der Western States ist der älteste 100-Meilen-Ultramarathon der Welt. Genauso oder ähnlich fangen die meisten Geschichten und Laufberichte zu diesem Lauf an. Auch mich fesselte dieser Mythos seit Jahren.
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ezember 2018 – mein iPhone steht auf dem Tresen der Bar Bohemia in Zürich und ich verfolge mit einem Auge und im Gespräch mit meiner Frau Barbara die Auslosung zum Western States. Unvermittelt lese ich da auf dem kleinen Bildschirm meinen Namen! Ganz eigentümliches Gefühl - in kürzester Zeit erreichen mich zig SMS, WhatsApp und Messenger-Nachrichten. Krass, wie viele Leute diese Auslosung online mitverfolgen! Ich freue mich riesig, merke allerdings auch schnell, wie sich die Freude bei meiner Frau in Grenzen hält. Nicht dass sie es mir nicht gönnen würde, es ist eher die Sorge, dass sich jetzt wieder ein halbes Jahr alles nur um einen Lauf dreht. Nach einigem Hin und Her und der Gewissheit, dass die Kinder während der zwei Wochen gut versorgt sind, entscheiden wir uns die Reise nach Amerika zu zweit in Angriff zu nehmen. Gerne hätten wir auch die Kinder mitgenommen, aber leider ließ sich dies nicht mit den Schulferien vereinbaren. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Lil und Zoltan, Reinhard und Adriana, Ulrich und Ute! Im Juni 2019 befinden wir uns dann tatsächlich im Anflug
auf San Francisco. Am Flughafen nehmen wir unseren Mietwagen, einen fetten GMC, in Empfang und fühlen uns sogleich richtig amerikanisch, ready for road trip. Passend dazu verbringen wir die erste Nacht in einem Motel im schönen Ort Pleasanton mit kleinem Pool unter Palmen. Durch eine absolut großartige Landschaft cruisen wir in Richtung Yosemite National Park. Viele Leute erzählen uns, dass es dort im Sommer doch sehr voll ist und man schon am Eingang mit mehreren Stunden Wartezeit rechnen muss. Darauf haben wir natürlich wenig Lust, und die Motivation für einen Besuch des Parks sinkt. Zum Glück lassen wir uns am Ende doch nicht abhalten, frühmorgens fahren wir völlig ohne Stau entspannt in den Park ein. Unbeschreiblich schön. Übernachten können wir direkt hier leider nicht, da der Park in den Sommermonaten eigentlich immer komplett ausgebucht ist, d. h. außerhalb schlafen, frühmorgens in den Park fahren, wandern, wandern, wandern und am Abend wieder rausfahren. Egal, es ist super und die gefahrenen Autokilometer lohnen sich jeden Tag - einfach wunderschön, dieser Park. Wir würden es genau so wieder machen. Nach vier Tagen Yosemite geht es weiter Richtung Norden, nach Truckee. Die meisten Teilnehmer übernachten vermutlich hier oder in Lake Tahoe City. Am Mittwoch waren wir einige Kilometer
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SPEZIAL Staffelläufe Tex t: Clemens Niedenthal
FOTOS: @Ciele
Besser zusammen Von Los Angeles nach Las Vegas, bis nach Prag oder in die Berge rund um Bad Gastein: Relay Runs, Staffelläufe also, sind ein Laufevent der Stunde. Wir haben uns an die Fersen dieses Phänomens geheftet und geschaut was passiert, wenn die Ultradistanz zur Gemeinschaftserfahrung wird.
Eines Morgens Anfang März in Los Angeles. Einige hundert Stirnlampen illuminieren den Santa Monica Pier, wobei L.A. natürlich eine dieser Städte ist, in der es ohnehin nie richtig dunkel wird. Hell genug mindestens, um die coole Meute in Augenschein nehmen zu können. Gut 320 Läufer*innen. Dazu Filmteams, Fotografen, vorne an der Straße - tatsächlich ist es die legendäre Route 66 - parken einige Campingvans. Daran befestigt: die Banner und Logos von Run Crews beinahe aus der ganzen Welt.
haus ist, haben hier zweimal gestanden. 2017 und 2018 ist die Berliner Run Crew bei The Speed Project gestartet. Mit einem großflächig in Leuchtfarben getapten Van. „Der erste Gedanke bei solchen Trips ist immer der Spaßfaktor“, sagt Eugen Fink, einer der Initiatoren der Kraft Runners über ihre Teilnahme beim Speed Projekt, „aber gleich danach kommt dann: Hey, wir wollen schon auch richtig schnell sein.“ Also flink einen 3:40er-Schnitt auf den Asphalt geballert.
Auch die Kraft Runners, benannt nach einem Café im Prenzlauer Berg, das gleichzeitig so etwas wie ihr Club-
M it den G e sten ei ne s Guer i l la-Events Angefangen hatte alles mit einem, der ein wenig einsam war. Der Heidel-
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berger Nils Arend hatte sich an seinen amerikanischen Traum gewagt. Und war mit nicht viel mehr als einem Rucksack voller sieben Sachen nach L.A. gezogen. Heute arbeitet er als Art Director für große Player wie Nike. Damals hatte er viel Zeit und wenig Geld. Beides vertrug sich gut mit seiner Leidenschaft: dem Laufen. Nils Arend lief viel und zunehmend gemeinsam mit neuen Freunden. 2013 dann die Idee, nach Las Vegas zu fahren. Beziehungsweise zu laufen. Fünf Leute in einem Auto, wobei einer eben immer läuft. 360 Meilen vom Santa Monica Pier bis zum Las Vegas Strip. Bereits im Folgejahr war daraus das Speed Project geboren, wobei das Rennen noch heute ein strikter Einladungslauf ist, der mit den Gesten eines Guerilla-Events zumindest noch flirtet. Es gibt keine markierte, erst recht keine gesperrte Strecke und nicht einmal eine offizielle Homepage. Und
Fßnf Leute in einem Auto, wobei einer eben immer läuft. 360 Meilen vom Santa Monica Pier bis zum Las Vegas Strip.
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INTERVIEW Typen Im vergangenen August ist Zach Bitter einen neuen Weltrekord über die 100 Meilen gelaufen. In der Halle. Immer im Kreis herum. Ein Gespräch über die Freuden des Erwartbaren, spezifische Trainingseinheiten und dem Glück, unter Ultraläufer*innen zu sein
Zach Bitter
RUNDE SACHE
Hallo Zach, und Gratulation erst mal zu deinem Weltrekord über die 100 Meilen. 11:19 Stunden, was einem Schnitt von 4:15 Minuten pro Kilometer entspricht. Aber zunächst einmal: Wie kommt man auf die Idee, so einen Rekord bei einem Hallen-Event aufzustellen?
Absolut. Und zwar mental wie physisch. Der ganze Bewegungsablauf eines Straßenoder eben Hallenrennens besteht ja quasi aus schier endlosen Wiederholungen. Ein Trail-Rennen verläuft hingegen in Wellen, ständig folgen Variationen und wechselnde Herausforderungen. Wenn es nun darum geht, einen Ultra möglichst schnell zu laufen, bin ich davon überzeugt, dass das nur mit einem spezifischen Training gelingen kann. Wenn es also ein flaches
Und die Kopfsache? Die Einstellung zum Rennen ist tatsächlich eine komplett andere. Auf der Straße oder der Bahn wirst du schnell zum Kontrollfreak, weil sich nichts ändert und sich deshalb nichts verändern darf. Wenn ich etwa nur eine Sekunde pro Runde langsamer geworden wäre, hätte im Hinterkopf sofort die Rechnerei angefangen. Genau das musst du aber ausblenden, sonst kontrollierst nicht du das Rennen, sondern das Rennen kontrolliert dich. Ich habe zum Glück ziemlich schnell in einen Flow gefunden. Das war tatsächlich eine ziemlich intuitive Sache, die Zeit verging - sofern man das von mehr als elf Stunden sagen kann - tatsächlich schnell. Ist es das, was du gemeint hast, als du die flachen Ultras einmal als „transparente Rennen“ bezeichnet hast? Genau, aber das heißt umgekehrt eben auch, dass selbst ein flacher Hundertmeiler schonungslos ehrlich ist. Wenn du zwischendurch auch nur für fünf Meilen das Tempo nicht aufrechterhalten kannst, gibt es keine Möglichkeit, das wieder reinzuholen. Ultratrails hingegen können auch mal Rennen sein, die immer wieder aufs Neue beginnen.
Puh, gute Frage. Die meisten Leute denken ja, dass das Laufen in der Halle für den Körper und den Kopf viel anstrengender ist. Wegen der stehenden Luft etwa und überhaupt der Monotonie. Ich hab da eine andere Perspektive drauf. Ich habe für meinen Rekordversuch nach Bedingungen gesucht, die ich so weit wie möglich kontrollieren konnte. Ich wollte nicht nach 50 oder 80 Meilen irgendwelche Überraschungen. In der Halle zu laufen bedeutete etwa konstante Temperaturen und Lichtverhältnisse über das gesamte Rennen. Von Wind und Wetter ganz zu schweigen ... Wir machen hier in München ja eigentlich das Trail Magazin. So gesehen sind auf Asphalt gelaufene Ultras ja beinahe schon Neuland für uns, geschweige den 100 Meilen auf einer Tartanbahn. Machst du da Unterschiede?
Rennen ist, sollten auch alle qualitativen Trainingseinheiten flach sein. Klar gilt bis zu einem gewissen Punkt, dass das Laufen im fordernden Terrain immer ein gutes Training ist. Wer ernsthaft einen schnellen Straßenultra plant, muss Straße trainieren.
Weltweit ist ein gesteigertes Interesse an den Ultradistanzen auszumachen. Jim Walmsley hatte ja in diesem Jahr bereits
Wenn ich etwa nur eine Sekunde pro Runde langsamer geworden wäre, hätte im Hinterkopf sofort die Rechnerei angefangen.
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einen neuen Weltrekord über die 50 Meilen aufgestellt. Wird der Ultra der neue Marathon? Ach wo, der Marathon ist nun mal der Darling der Läufer*innen und das wird er auch bleiben. Ich erwarte da jedenfalls keine signifikanten Läuferwanderungen. Was dennoch stimmt: Die Ultraszene wächst, und das Niveau gerade an ihrer Spitze ist sehr viel dichter geworden. Und es macht Spaß ein Teil dieser Bewegung zu sein. Darüber hinaus will ich aber nicht vergessen, dass es sehr viele Definitionen davon gibt, wie lange oder wie schnell ein Ultra ist. Und jede hat ihre Berechtigung. Dennoch reiben wir uns verwundert die Augen, wie schnell auch die ganz langen Läufe in den vergangenen Jahren geworden sind. Der UTMB®, um einen Ultratrail zu nehmen, ist heute vom ersten Schritt an ein Ausscheidungsrennen.
Am Ende des Tages suchen die meisten Leute einfach nach einer schönen Zeit mit netten Menschen. Man will schon seine persönlichen Grenzen kennenlernen, aber es geht schon auch ganz unbedingt um das entspannte Drumherum.
Ich laufe jetzt seit fast zehn Jahren Ultrarennen. Ich kann nicht für Europa sprechen, für die USA aber stimmt beides, das generell größere Interesse und auch die größere Leistungsdichte. Hier bei uns waren dabei zwei Bücher Initial, natürlich Born to Run von Christopher McDougall und Ultramarathon Man von Dean Karnazes. Apropos: Du hast die US-amerikanische Ultraszene einmal als „more adventure driven“ bezeichnet. Ich habe mich dabei vor allem auf die typische lässige Atmosphäre bei den Rennen bezogen. Klar gibt es da immer auch den kompetitiven Moment, zumal vorne an der Spitze. Am Ende des Tages suchen die meistens Leute einfach nach einer schönen Zeit mit netten Menschen. Man will schon seine persönlichen Grenzen kennenlernen, aber es geht schon auch ganz unbedingt um das entspannte Drumherum. Wie siehst du die zunehmende Popularität des Ultrarunnings? Siehst du Chancen oder umgekehrt Gefahren? Zunächst einmal ist es immer gut, wenn die Menschen etwas mit ihrem Körper anfangen. Wenn sie rausgehen und loslaufen. Darüber hinaus erlebe ich die Ultra Running Community - und ich denke das gilt für Europa genauso wie für die USA - als eine ziemlich lässige, offene Gemeinschaft. Es scheint mir auch über den Sport hinaus nicht gerade die schlechteste Gesellschaft, in der man sich aufhalten könnte.
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