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Schultern nach hinten-unten?

Stimmt's?

„Schulterblätter nach hinten-unten!“

Dies war einer der ersten Coaching-Cues, die ich in meiner Ausbildung lernte. Dieser Cue soll Trainierenden helfen, in die richtige Position für Zugübungen zu kommen bzw. bei Drückübungen die Schulterblätter zu stabilisieren. Damit sich der Oberarm geschmeidig im Schultergelenk bewegen kann, benötigen wir vier Gelenke: die eigentliche Schulter, die Verbindung vom Schlüsselbein zur Schulter sowie zum Brustbein und die Schulterblätter. Damit der Arm über den Kopf gehoben werden kann, müssen alle Gelenke zusammenarbeiten. Dabei kommen bei einer Schulterflexion von 180 Grad etwa 120 Grad aus dem glenohumeralen Gelenk und die restlichen 60 Grad aus dem Schulterblatt (Carvalho et al. 2019). Ziehe deine Schulterblätter einmal fest nach hinten-unten. Halte sie dort, während du versuchst, deinen Arm über den Kopf zu heben. Das funktioniert nicht, oder?

Leider wird vor allem bei Klimmzügen häufig empfohlen, erst die Schulterblätter nach hinten-unten zu ziehen und sich dann hochzuziehen. Jedoch entsteht dabei eine Zwangslage im Schultereckgelenk. Diese kann zu verschiedenen Problemen in der Schulter führen (Page et al. 2011). Besser: im Hang die Schultern entspannen und in der oberen Position aktiv die Schulterblätter nach unten ziehen. Dann arbeiten wir mit dem natürlichen skapulothorakalen Rhythmus. Ebenso verhält es sich bei Druckbewegungen. Wenn die Schulter eine Flexion ausführt, wie es bei Übungen wie Bankdrücken oder Liegestütz der Fall ist, macht das Schulterblatt natürlicherweise eine Protraktion. Diese Bewegung würde vom Serratus anterior ausgeführt werden. Jedoch legt der Cue „Schulter nach hinten-unten“ den Fokus stark auf die Retraktion und die Gegenspieler des Serratus anterior: die Rhomboiden. Zusätzlich ist es eine gute Idee, auch Übungen auszuführen, die den Serratus anterior beanspruchen, z. B. Liegestütz Plus, Wall Slides oder Torch Presses.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bewegungen der Schulter komplexer sind, als es oft den Anschein hat. Dieser Komplexität gerecht zu werden, sprengt leider den Umfang dieser Kolumne. Wenn jedoch eines deutlich geworden ist, sollte es Folgendes sein: Den Cue „Schulter nach hinten-unten“ pauschal für alle Übungen zu benutzen, steht der natürlichen Bewegung des Körpers entgegen. W

FELIX KADE

Der Autor ist Personal Trainer mit dem Schwerpunkt Rückenschmerzen. Seit 2016 gibt er modernes und evidenzbasiertes Wissen in seinem Blog weiter. Weiterhin hilft er gemeinsam mit Sebastian Schäfer, Trainern und Therapeuten beim „Assess & Correct“-Seminar, selbstbewusster an den Eingangscheck heranzugehen www.felixkade.de

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