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Kinder und Jugendliche

Krafttraining im Kindes- und Jugendalter

Sinnvoll oder gefährlich?

Das Krafttraining mit Kindern und Jugendlichen wird häufig kritisch hinterfragt. In der Forschung wurde dieser Thematik in den letzten Jahrzehnten immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Demzufolge lässt sich die Sinnhaftigkeit des Krafttrainings in dieser Altersgruppe heute adäquat bewerten.

Betrachtet man die Studienlage zum Thema „Krafttraining im Kindes- und Jugendalter“ umfassend, so lässt sich ein relativ einheitliches Forschungsbild erkennen. Die Anzahl der Publikationen in „PubMed“, einer wissenschaftlichen Datenbank mit Fokus auf medizinische Artikel, stieg ab der Jahrtausendwende deutlich an. Während es 1999 nur sieben Publikationen waren, gibt es aktuell durchschnittlich 50 bis 60 wissenschaftliche Veröffentlichungen pro Jahr zu diesem Thema.

Dieses Wachstum an Wissen führte zu einem Umdenken in der Sportwissenschaft. Vor der Jahrtausendwende wurden in Studien die Wirksamkeit und die Sicherheit des

Krafttrainings im Kindes- und Jugendalter meist infrage gestellt. Ist Krafttraining für Kinder sicher genug? Bewirkt das Krafttraining einen Fortschritt oder hemmt es gar das

Knochenwachstum? Die Quintessenz neuerer Forschungsarbeiten ist, dass Krafttraining auch schon im Kindes- und

Jugendalter empfohlen werden kann.

ABGRENZUNG DER LEBENSPHASEN

Für die Trainingsplanung und -steuerung spielt es eine große Rolle, in welcher Entwicklungsphase sich Kinder und Jugendliche gerade befinden und wodurch diese Phase gekennzeichnet ist. Für die Unterscheidung der Phasen wird in der sportwissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl an unterschiedlichen Abstufungen vorgestellt. Wichtig ist, eindeutig zwischen Kindes- und Jugendalter zu unterscheiden, denn nach Eintritt in die Pubertät verändern sich die körperlichen Voraussetzungen deutlich. Die folgende dreistufige Abgrenzung der Lebensphasen gibt einen guten Überblick über die Besonderheiten der einzelnen Entwicklungsstufen (modifiziert nach Güllich & Krüger, 2013):

1. Kleinkind- und Vorschulalter

• Alter: 1–6 • Motorische Entwicklung: gezielte Bewegungsformen und

Feinmotorik • Besonderheit: Aneignung vielfältiger Bewegungsformen

2. Schulkindalter

• Alter: 6–12 • Motorische Entwicklung: Koordination von Wahrnehmung und Bewegung • Besonderheit: höchste motorische Lernfähigkeit

3. Jugendalter

• Alter: 12–18 • Motorische Entwicklung: Größen- und Breitenwachstum • Besonderheit: fortschreitende Individualisierung

HORMONELLE ENTWICKLUNG

Wie schon im letzten Abschnitt beschrieben, verändern sich die Kraftverhältnisse nach dem Eintritt der Pubertät im Jugendalter beträchtlich. Kraftunterschiede zwischen Mädchen und Jungen werden nach der Pubertät deutlich messbar. Diese Unterschiede entstehen durch die erhöhte Produktion des Hormons Testosteron bei den männlichen Jugendlichen. Mädchen steigern ihre Muskelmasse überwiegend in der unteren Extremität und auch weniger stark als Jungen. In der oberen Extremität besteht zwischen den Geschlechtern ein großer Kraftunterschied. Durch den anabolen Effekt des Testosterons liegt die Maximalkraft bei Jungen nach der Pubertät um 30 bis 40 Prozent höher als bei Mädchen. Auch in der Explosivkraft haben Jungen deutliche Vorteile. Grund hierfür ist, dass die Hypertrophie der FT-Fasern bei Jungen ausgeprägter ist. Diese unterschiedliche Kraftentwicklung zwischen den Geschlechtern spielt bei der Trainingssteuerung eine große Rolle.

TRAININGSEFFEKTE

Eine Fülle an Forschungsarbeiten belegt eminente Kraftzuwächse in der Kraftausdauer und Maximalkraft bei einem altersgerechten Krafttraining mit Kindern und Jugendlichen. Das Training kann Verbesserungen der Maximalkraft, der Schnellkraft, der Kraftausdauer, der Reaktivkraft

und der Körperzusammensetzung herbeiführen. Abhängig vom Trainingszustand der Probanden, der Belastungsintensität, -häufigkeit und -dauer sowie den trainierten Muskelgruppen beträgt die trainingsbedingte Krafterhöhung zwischen 13 und 40 Prozent. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der relative Kraftgewinn bei Kindern sogar höher ausfällt als bei Erwachsenen. Hierbei besteht kein erhöhtes Verletzungsrisiko, solange die Heranwachsenden richtig angeleitet und betreut werden. In einer Studie von Büsch et. al. (2007) wurde die Verletzungsinzidenz bei angeleitetem Krafttraining für Kinder und Jugendliche im Vergleich zu anderen Sportarten untersucht. Bei 100 Stunden Krafttraining lag die Verletzungsinzidenz bei lediglich 0,003. Das heißt, pro 100 Stunden Krafttraining wurden in der Studie nur 0,003 Verletzungen beobachtet. Im Vergleich dazu lag der Wert beim Fußball bei 6,2 (Büsch et. al., 2007).

Dass bei Kindern und auch bei Jugendlichen die Knochenqualität und die motorischen Fähigkeiten durch Krafttraining verbessert werden, ist mittlerweile gesichert. Außerdem wurde in einer Vielzahl von Studien beobachtet, dass Krafttraining in jungen Jahren Angstzuständen und Depressionen entgegenwirken und somit das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen verbessern kann. In der Übersichtsarbeit „Wissenschaftliche Standortbestimmung zum Krafttraining im Nachwuchsleistungssport“ von der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) und weiteren Gesellschaften im Sport konnte gezeigt werden, dass Kinder durch regelmäßiges Krafttraining auch schon vor dem Eintritt in die Pubertät eine Muskelhypertrophie erreichen können (Horn et. al., 2012). Positive Effekte sind durch das Training also definitiv zu erwarten. Doch wie sollte ein Training strukturiert sein, damit Kinder und Jugendliche möglichst effektiv und sicher trainieren können?

TRAININGSEMPFEHLUNGEN

Im Folgenden werden Empfehlungen für Heranwachsende im Schul- und Jugendalter gegeben. Beim Krafttraining sind die altersbedingten entwicklungsspezifischen physiologischen und leistungsdiagnostischen Besonderheiten unbedingt zu berücksichtigen. Dabei sollten die wachstums-, reifungs- und entwicklungsbedingten Veränderungen, aber auch die psychologischen Besonderheiten der Kinder in die Trainingsplanung einbezogen werden. Daher sind hohe Belastungen, besonders maximale Stauchungen der Wirbelsäule, zu vermeiden. Denn die knorpeligen Wachstumszonen am Knochen und die Sehnenansätze sind bei Kindern noch nicht maximal belastbar.

Das Krafttraining sollte stets individuell an die Voraussetzungen der jungen Sportler angepasst und altersgerecht gestaltet werden. Potenzielle Verletzungsrisiken sind ein zu früher Einsatz von Zusatzlasten, zu hohe Gewichte und eine falsche Bewegungsausführung. Verletzungen können jedoch vermieden werden, indem der Trainer erst nach Beherrschung der korrekten Bewegungsausführung die Gewichte erhöht. In der sportwissenschaftlichen Literatur gehen die Empfehlungen bezüglich der Trainingsform teilweise auseinander. Während eine Forschungsgruppe aus der Schweiz (Menzi, Zahner & Kriemler, 2007) propagiert, dass nur Jugendliche an Kraftmaschinen trainieren sollten, stellt eine Freiburger Gruppe das Training mit Kraftmaschinen auch für Kinder als empfehlenswert dar (Granacher, Kriemler, Gollhofer & Zahner, 2009). Eine 1-zu-1-Betreuung sollte dabei in jedem Fall gewährleistet sein. Freihanteln und Kraftmaschinen haben gegenüber dem Training mit dem eigenen Körpergewicht den Vorteil, dass die Belastungsintensität besser dosierbar ist und daher Feinabstufungen im Training möglich sind. Demnach sind diese Trainingsformen für Kinder und Jugendliche zu empfehlen. Da das Freihanteltraining jedoch für Kinder und Jugendliche koordinativ sehr anspruchsvoll sein kann, sollte das Training in keinem Fall zu einer Überforderung führen. Hier gilt das didaktische Prinzip „Vom Leichten zum Schweren“. Beim Training an Kraftgeräten ist darauf zu achten, dass die jeweiligen Geräte kindgerechte Einstellungen im Hinblick auf Gelenkpositionen und Lastdosierung zulassen.

Beim Krafttraining sind die altersbedingten entwicklungsspezifischen physiologischen und leistungsdiagnostischen Besonderheiten unbedingt zu berücksichtigen.

FAZIT

Bei altersgerechter Anwendung und qualifizierter Aufsicht ist ein Krafttraining vor dem Erwachsenenalter definitiv sinnvoll und empfehlenswert. Das Training steigert die Muskelkraft der Kinder und Jugendlichen. Eine Erhöhung des Trainingsumfangs und der Trainingsintensität sowie der Einsatz von Zusatzgewichten sollten allerdings erst nach Eintritt der Pubertät erfolgen.

Quellen

Büsch, D., Gabriel, H., Granacher, U., Kriemler, S., Prieske O. & Puta, C. (2017). Krafttraining im Kindes- und Jugendalter: Bedeutung, Wirkung und Handlungsempfehlungen. Swiss Sports & Exercise Medicine, 65 (3), 34–42. Horn, A., Behringer, M., Beneke, R., Förster, H., Gruber, W., Hartmann, U., Hebestreit, H., Hohmann, A., Jöllenbeck, T., Mester, J., Niessen, M., Platen, P. & Schmitt, H. (2012). Wissenschaftliche Standortbestimmung zum Krafttraining im Nachwuchsleistungssport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 63 (2), 1–10. Granacher, U., Kriemler, S., Gollhofer, A. & Zahner, L. (2009). Neuromuskuläre Auswirkungen von Krafttraining im Kindes- und Jugendalter: Hinweise für die Trainingspraxis. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 60 (2), 41–49. Güllich, A. & Krüger, M. (Hrsg.) (2013). Sport. Das Lehrbuch für das Sportstudium. Berlin: Springer Spektrum. Menzi, C., Zahner, L. & Kriemler, S. (2007). Krafttraining im Kindes- und Jugendalter. Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie, 55 (2), 38–44.

Johannes Buchholz W

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