Marlis Maehrle
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Marlis Maehrle
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Fundstßcke und Sammlungen in Kästchen inszenieren
Haupt Verlag
Inhalt
Willkommen in der Welt der kleinen Dinge . . . . . 6 Werkzeug . . . . . 8 Material . . . . . 10 Ein paar kleine Tipps vorab . . . . . 12
Anleitungen & Anregungen Kapitel 1
Fertig gekaufte Kästchen aus dem Künstlerbedarf . . . . . 16
Kapitel 2
Stabile Schachteln und Schachteldeckel . . . . . 40
Kapitel 3
Alte und neue Kästchen aus Holz . . . . . 58
Kapitel 4
Doppelkästchen und Miniaturen zum Aufklappen . . . . . 90
Kapitel 5
Eigenbau von Behausungen . . . . . 106
Galerie Gesammelte Kästchenvielfalt . . . . . 127 Künstlerbiographien und Kästchenphilosophien . . . . . 166
Anhang Bezugsquellen . . . . . 174 Literatur & Inspiration . . . . . 175
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Willkommen in der Welt der kleinen Dinge
Frühwerke
und die Entdeckung der Magie.
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Wunderkasten, 3-D-Collage, Miniatur-Installation, Erinnerungsbehausung, Guckkasten, Assemblage, Bühne zur Inszenierung von Details, Sammelbox, Wunderkammer und Raritätenkabinett … All diese Bezeichnungen umfassen eine faszinierende Welt und eine Vielfalt an Ausdrucksformen, die nur ungenügend unter dem Titel »ART in a BOX« zusammengefasst werden können. Denn auch viel Unabsichtliches gehört dazu, wie so manche Schublade, Schachtel oder Erinnerungsecke, die als Vorbild für eigene Kästchengestaltungen dienen kann: Das Gesamtbild fasziniert durch die Anordnung der Dinge und die Geschichten, die sie erzählen. Das kann man auch von den »Wunderkammern« sagen, die ab dem 16. Jahrhundert in Europa entstanden. Nicht nur die Dinge, die dort gesammelt und gezeigt wurden, erzählen eine Geschichte, sondern auch ihre Auswahl und Anordnung, die eine Mischung aus Neugierde, Sehnsucht und romantischen Illusionen erahnen lassen, womit sie sehr menschliche Bedürfnisse ausdrücken – und so ist das »Kästchenthema« immer noch aktuell und höchst lebendig. Schon als Teenager habe ich Kästchen gebaut (und meist verschenkt), die kleine Dinge zu bestimmten Themen oder Anlässen versammelten. In den 1980er-Jahren fiel mir dann in einem Tübinger Antiquariat der Ausstellungskatalog »JOSEPH CORNELL« aus dem Museum of Modern Art (New York) in die Hände. Verblüfft und entzückt schleppte ich das Buch heim – und fand eine mir seltsam vertraute (Kästchen-)Welt aus Magie und surrealer Romantik, für die der damals in Europa relativ unbekannte Künstler inzwischen deutlich mehr Anerkennung bekommen hat. Denn er war der Wegbereiter für viele, Meister des philosophischen Spiels mit poetischen Zitaten, Sehnsüchten nach fernen Orten und anderen Zeiten – ein unabhängiger Forscher mysteriöser, unsichtbarer Verbindungen jenseits der künstlerischen Konventionen. Die Ermutigung durch die Arbeiten Joseph Cornells trägt mich noch heute. Die Art und Weise, wie er über Jahrzehnte seine ganz persönlichen Themen – von Astronomie über Ballett, Vögel, Medici-Porträts, Oper, Hollywood-Starlets bis zur Naturgeschichte – verfolgte und in geheimnisvolle Welten verwandelt hat, ist eine Einladung, sich in ganz eigener Form ebenfalls über das Dekorative hinauszuwagen. Dabei sind natürlich antike Kästen mit antikem Inhalt immer ein wirkungsvoller Blickfang. Aber wer die Trödelläden des New Yorks der 1930er-Jahre nicht zur Verfügung hat, orientiert
sich lieber an den eigenen Sammlungen und schärft den Blick für poetische Objekte – oder den Skurrilitätswert alltäglicher Dinge, sobald sie ihren gewohnten Zusammenhang verlassen haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass das Hauptanliegen dieses Anleitungsbuchs nicht darin besteht, zum bloßen Nacharbeiten vorgegebener Objekte einzuladen, sondern zur Entdeckung der persönlichen Fundstücke und individuellen Gestaltungsthemen zu inspirieren. Die hier vorgestellten Techniken und Gestaltungsmuster dienen als Anregung, in den vorhandenen eigenen Kästchenformaten umgesetzt zu werden. Ebenso versteht es sich von selbst, dass persönliche Erinnerungsstücke nicht als zwingend zu verwendendes Material vorgegeben werden können. Jedoch sind die im Muster abgebildeten Beispielobjekte zu Erläuterungszwecken auch in den Materiallisten aufgeführt. Die Entdeckungsreise führt dann in vielfältigen Projekten von einfachen Beispielen für die Anordnung, Einteilung und Befestigung über Gestaltungen mit anspruchsvollen Papierstrukturen bis zum Eigenbau von Kästen in Hausform. Zur weiterführenden Inspiration sind nach dem Anleitungsteil in einer umfangreichen Galerie ganz unterschiedliche Arbeiten versammelt. Dass ich allein in meinem Netzwerk so viele Kästchenliebhaber/-innen gefunden habe, die ich dazu einladen konnte, zeigt schon, wie weitverbreitet diese Freude am Sammeln und am kleinen, geschützten Raum ist. Auch werden die anschließenden Statements zur persönlichen Kästchenphilosophie sicherlich vielen verwandt vorkommen. Ich wünsche allen, die mit diesem Buch arbeiten, dass sie daran ebenso viel Freude haben wie ich beim Tüfteln und Beschreiben, und hoffe, dass die Galerie eine Vielzahl an Anregungen bietet, die der Definition des Dichters Octavio Paz nahekommen, welcher die Kästchen seiner Frau Marie José Paz mit folgenden Worten beschreibt: »Marie Josés Gebilde und Kästen sind dreidimensionale Objekte, kraft ihrer Fantasie und Sensibilität verwandelt in visuelle Ideen, gedankliche Rätsel, die mal bizarre, beunruhigende Bilder transportieren, mal ironische Betrachtungen. Es sind weniger Objekte zum Anschauen als Flügel zum Reisen, Segel zum Schweifen und Abschweifen, Spiegel zum Durchschreiten.« Marlis Maehrle
»Absichtslose Kästen«,
die mir beim Umzug meines Ateliers
in die Hände fielen.
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Fertig gekaufte Kästchen aus dem Künstlerbedarf Holzmaltafeln (Malkörper) sind, mit der Rückseite nach vorne, als Kästchen verwendbar und in vielen Formaten erhältlich. Mit einer Außenleiste von meist 3 cm sind sie nicht sehr tief, was eine gute Ausleuchtung des Inhalts ermöglicht. Fertige Objektkästen, die bereits mit einer Glasscheibe ausgestattet sind, haben mehr Tiefe und werden nur in wenigen Formaten angeboten.
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Aufteilung und Struktur durch einen Zickzackfalz
Material
+
Werkzeug
Malkörper, 30 x 20 cm
Ich liebe Herbarien, aber nicht alle Pflanzen vertragen es, beim Trocknen gepresst zu werden. Kopfüber hängend können Samenschoten und Pflanzen mit gekrümmten Stielen jedoch schonend getrocknet werden und behalten ihre dreidimensionale Form. Diese »Pflanzenskulpturen« nur in ein Kästchen einzukleben, würde ihnen nicht gerecht. Viel schöner ist ein Zickzackfalz aus Papier als »Rückwand mit Unterteilung«, die jede Pflanze in einem eigenen Raum zur Geltung kommen lässt und trotzdem alle miteinander verbindet. Zudem steht das weiße Papier in einem feinen Kontrast zum Naturholz des Rahmens. Das Material für den Zickzackfalz sollte der Größe des Kastens angemessen stabil, aber nicht schwer zu falzen sein (für diese Größe ist z. B. Fotokarton ungeeignet). Die Laufrichtung des Papiers prüfen (s. Seite 20), dann den Bogen in der Höhe um 1 mm kleiner als das Innenmaß des Kästchens (hier: 28,2 cm) zuschneiden, also mit einer Höhe von 28,1 cm. Die Falzung darf je nach Laune unregelmäßig sein und auch gerne vorne über den Rahmen hinausgehen. Nur die Breite der beiden seitlichen Teile sollte möglichst der Tiefe des Kastens entsprechen (hier beträgt das Innenmaß z. B. 2,3 cm).
kräftiges Papier oder dünner Karton, ca. 150–200 g/m2, 30 cm hoch, mindestens 40 cm breit, mit der Laufrichtung parallel zur kürzeren Seite Lineal, Cutter und Schneideunterlage Falzbein Ahle zum Vorstechen Nadel und Faden doppelseitiges Klebeband oder Weißleim getrocknete Pflanzen
Innenmaß = Seitenstreifen
W 30 x 20 x 3 cm
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Fertig gekaufte Kästchen
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Falzen von Papier: Durch die Laufrichtung des Papiers oder Kartons (siehe Pfeil) lässt sich ein Bogen mit etwas Druck in eine Richtung [1] deutlich leichter biegen als zur anderen Seite hin [2]. In dieser Richtung, [1] = mit der Laufrichtung, sollte auch der Falz verlaufen. Um ohne Abmessen Falze zu erhalten, die alle gleich breit sind, hat man die Möglichkeit, den Papierstreifen vor dem Falzen auf das Vieroder Achtfache der geplanten Falzbreite abzuschneiden. Dann genau auf Mitte falzen [3] und beide offenen Enden auf die Kante des Mittelfalzes anlegen und falzen [4]. Damit ist ein vierseitiger Zickzackfalz entstanden [5]. Um einen Zickzackfalz mit acht Seiten zu erhalten, werden nun wieder die offenen Kanten an die nächste Falzkante angelegt [5]. Danach den Mittelfalz in die Gegenrichtung umschlagen [6] und zur nächsten Falzkante anlegen [7]. Darauf noch die letzte Falzkante – und fertig ist der achtseitige Zickzackfalz.
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Fertig gekaufte Kästchen
Mit einer feinen Ahle oder dicken Nadel jeweils einen oder zwei Befestigungspunkte genau in der Talfalte unter den Pflanzenstielen vorstechen. Dann von der Rückseite mit der Nadel durchstechen, den Faden über den Stiel führen und durch denselben Einstich wieder auf die Rückseite ziehen. Auf der Rückseite verknoten. Zuletzt die äußeren Streifen mit Weißleim oder doppelseitigem Klebeband an den Innenseiten des Kästchens befestigen. Falls das Papier nicht ganz so stabil ist und droht, sich mittig auszufalten, können auch die Talfalten auf der Rückseite mit Kleber versehen und damit an der Rückwand fixiert werden.
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Fertig gekaufte Kästchen
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Neutraler Hintergrund durch weiße Grundierung
Material
+
Werkzeug
Malkörper, 20 x 20 cm
Die erste Veränderung, die man an einem fertig gekauften, naturfarbenen Kästchen vornehmen kann, ist ein Anstrich. Besonders gut eignet sich dafür Gesso, da diese kreidehaltige Grundierung ein eigenes Volumen hat und Pinselstriche plastisch abbildet. Das kreidige Weiß ist sehr schön, bei langfristiger Aufhängung aber durch die offene Oberfläche staub- und schmutzempfindlich. Dann ist eine zusätzliche Schicht weißer Acrylfarbe zu empfehlen. Statt geklebt können die gezeigten Objekte mit kleinen Nägelchen fixiert oder an Fäden aufgehängt werden. Nur die Hintergrundabbildung – auf saugfähigem, nicht glänzendem Papier – wurde mit Kleister auf die Rückwand tapeziert.
weißes Gesso und Pinsel Kleister und Pinsel farblich und thematisch passende Abbildung für den Hintergrund Faden zum Aufhängen kleine Nägel mit Kopf (z. B. Shaker-Nägel) Ahle zum Vorstechen (die Buchenleisten sind hart und so kleine Nägel rutschen leicht weg) kleine Zange zum Festhalten der Nägel kleiner Hammer gesammelte Dinge wie alte Knopfkärtchen, Garnspulen, Textiletikett ...
W 20 x 20 x 3 cm
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Fertig gekaufte Kästchen
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Hintergrund, teils glatt tapeziert‚ teils gestaffelt mit Papierschindeln
Material
+
Werkzeug
Malkörper, 30 x 20 cm
Die Grundierung mit Gesso eignet sich nicht nur für den Kasten als Ganzes, sondern auch für die »Möblierung«, zum Beispiel für Miniatur-Podeste, auf denen kleine Objekte präsentiert werden können. Einfache Holzklötzchen, Teile von Kunststoffverpackungen oder wie hier Spielzeugbauklötzchen bekommen durch Gesso eine traditionelle Galerieanmutung und passen sich jedem Hintergrund an. Der Hintergrund ist hier zum Teil mit einer Seite aus einem Ausstellungsflyer tapeziert, der auf Naturpapier gedruckt wurde. Der übrige Teil ist mit gerissenen, sich schindelartig überlagernden Papierstreifen bedeckt. Dabei wird von unten nach oben gearbeitet, die Streifen werden immer nur mit der Oberkante angeklebt und nur die beiden jeweils obersten Blätter müssen an der Oberkante glatt beschnitten sein. An kleinen Nägeln können noch Fäden und Objekte auf dem Rahmen befestigt werden.
weißes Gesso und Pinsel Kleister und Pinsel Abbildung für den Hintergrund farblich passendes Papier für den Hintergrund Bauklötzchen dünner Faden und dickeres Garn kleine Nägel mit Kopf (z. B. Kammzwecken) Ahle zum Vorstechen kleine Zange zum Festhalten der Nägel kleiner Hammer Sammlung kleiner Dinge, die zur Atmosphäre der Abbildung passen
W 30 x 20 x 3 cm
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Fertig gekaufte Kästchen
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Bezugsquellen
Holzmalkörper, Foamboard, Objektkästen etc.:
Die Autorin Marlis Maehrle liebt Bücher, Papier, Zeichen und ... Kästchen. Ihr Lebensweg als Papiertraumforscherin begann im Kindergarten, danach kamen Bücher, Schrift und Zeichen dazu. Als Buchgestalterin in einer alten Buchdruckerei zu wohnen und im Lauf der Zeit fast nur noch Kinderbücher zu betreuen, war sehr hilfreich, um die Nähe zu magischen Welten zu bewahren. Als Sammlerin und Finderin sind Kästchen für sie wichtige Bestandteile ihres Archivs der Wunderdinge. Seit 1995 gibt sie Kurse zu Papier & Buch in den USA, Deutschland und der Schweiz. 2009 hatte sie die Ehre, drei Monate als Artist-in-Residence im Papierdorf Mino in Japan zu leben. 2014 erschien ihr erstes Buch im Haupt Verlag: »PAPIER-ATELIER«, 2016 folgte »UNIKAT – Handgemachte Bücher binden und gestalten«.
Gerstaecker Künstlerbedarf www.gerstaecker.de www.gerstaecker.ch www.gerstaecker.at boesner Künstlermaterial www.boesner.com www.boesner.ch www.boesner.at modulor – material total Prinzenstr. 85 D-10969 Berlin www.modulor.de Glanzbilder: Glanzbilder-Traum Antonius Freihoff David-Hansemann-Str. 18 D-52531 Übech-Palenberg www.glanzbilder-traum.de
www.papierzeichen.de Buntpapiere, auch nach historischen Vorbildern: Susanne Krause Wittenbergener Weg 32 D-22559 Hamburg www.hamburgerbuntpapier.de
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