Kunst+Material Das Magazin von boesner
Januar/Februar 2024 Schutzgebühr 7,– EUR/CHF | ISSN 1868-7946
Idee, Gestaltung, Fotografie: Ina Riepe
Editorial | 3
Von Realität und Sehnsucht Liebe Leserin, lieber Leser, seit einigen Jahren sind wir für Sie unterwegs, mit spannenden Themen, wichtigen News und schönen Bildern rund um das Leben mit der Kunst. Dazu stellen wir Informationen zusammen, schreiben Texte, diskutieren, redigieren, verwerfen auch mal und denken neu, bevor alles ansprechend-luftig auf inzwischen 96 Seiten gestaltet wird. Sechsmal im Jahr atmet unser Team bei Drucklegung tief durch, denn wir alle sind gespannt darauf, endlich das Resultat in Händen zu halten. Und so ist es für uns ein besonderer Moment, ihnen nun direkt zum Jahresbeginn die 100. Ausgabe von Kunst+Material präsentieren zu können! Dabei ist vorneweg Stefan Bircheneder, der mit seiner Malerei den Realitäten ins Auge blickt und den Illusionismus feiert. Mit präzisem Pinselstrich fängt er Stimmungen und Strukturen stillgelegter Betriebsstätten ein, die dem Untergang anheimgegeben sind. Ursprünglich ausgebildet als Kirchenmaler und Restaurator, übersetzt Bircheneder seine Themen in beeindruckende Präsenz und zeigt ihre Brüchigkeit und ihre Schönheit gleichsam mit angehaltenem Atem. Ein Ort der Sehnsucht steht im Mittelpunkt des Sonderthemas: Venedig, die Serenissima, zieht seit Jahrhunderten Reisende in ihren Bann. Mit der Pracht ihrer Kunstwerke, ihrer heiteren Stimmung, den Gassen und eleganten Palästen entlang der Kanäle ist die Stadt ein Magnet für Besucher. Giorgione, Tizian und Tintoretto waren hier zu Hause, andere Künstler erkoren die Lagunenstadt zur Wahlheimat und viele kamen immer wieder – William Turner war einer davon. Anlässlich der großen Venedig-Ausstellung in München schaut Susanna Partsch auf die Entwicklung der venezianischen Porträt- und Landschaftsmalerei und wartet mit erstaunlichen Überraschungen auf. Für diese Jubiläums-Ausgabe erinnert sich Bart Koning an den Duft von Fensterkitt in seinen Kinderhänden und den Kauf seiner allerersten Ölfarben. Welche seine Favoriten sind (und wie meisterhaft er damit seine Sujets schildert), erfahren Sie in der Rubrik „Persönlich“. Skizzenbücher und die schöpferischen Impulse des Augenblicks stehen im Mittelpunkt unseres Inspirationsthemas dieser Ausgabe, in der wie Ihnen auch die große Modigliani-Ausstellung in Stuttgart besonders ans Herz legen möchten. Und last but not least schauen wir natürlich auf die in diesem Jahr anstehenden Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag des großen Romantikers Caspar David Friedrich. Ein glückliches Jahr 2024 voller inspirierter Momente wünscht
Dr. Sabine Burbaum-Machert
6
44
Inhalt | 5
20
Porträt 6–19
Bücher
Grandios ziselierter Zerfall Der Maler Stefan Bircheneder feiert den Illusionismus
56–65
Bücher, Buchtipps
89
Kunst+Material im Abonnement
Labor
Thema 20–33
66–67
Sehnsuchtsort Venedig Ein Fest der Malerei um 1500
Textur und Wirkung
Ausstellungen
36
36–43
Inspiration
68–73
Auf den Spuren zeitloser Schönheit Modigliani in der Staatsgalerie Stuttgart
Die Freiheit des Blicks Skizzenbücher bewahren inspirierte Momente
74–81
Sehübungen für das geistige Auge 250 Jahre Caspar David Friedrich
82–83
Sehen als Erlebnis Das Werk Günter Fruhtrunks
84–88
Termine
90–91
Kurz notiert
92–93
Farbkasten
Persönlich 44–45
Nuancen machen den Unterschied Bart Koning malt mit Old-Holland-Ölfarbe
Hintergrund 46–47
Göttliches Gold Das edle Metall als Symbol des Himmels in Frühchristentum und Byzanz
Technik 50
Ganz nach Wunsch Acrylfarben selbst herstellen
Im Gespräch 94–95
Marcel fragt Stefan, Cartoon, Rätsel
96
Vorschau, Impressum
74
50
Titel: Stefan Bircheneder, Privatsphäre 2 (Ausschnitt), 2018, Öl/Acryl auf Leinwänden, Holz, 180 x 180 x 40 cm, Foto: Falko Gaulke.
6 | Porträt | Stefan Bircheneder
Grandios ziselierter Zerfall Der Maler Stefan Bircheneder feiert den Illusionismus
Zuerst ist alles real und nüchtern: Ein kleiner Raum mit Schränken, Rollwägen, Regalen, Pinseln und Plastikboxen. Nur auf der Staffelei lebt die Fiktion. Sie deutet an, was nun folgt, drei Stufen weiter unten, in einem zweiten, größeren, vor allem sehr hohen Bereich. Auch hier gibt es reichlich Mobiliar, nur aus einem anderen Kontext: Ein in die Jahre gekommener Bürotisch samt Stuhl, ein Aktenschrank, ein Cluster von alten Werksuhren und jede Menge Spinde, die bereits Rost angesetzt haben. Seit etwa einer Dekade lebt der Maler Stefan Bircheneder wieder in seinem Heimatort Hofkirchen bei Passau, wo er ein älteres Gebäude zu einem schönen, modernen Atelierhaus umgestaltet hat. Hier empfängt er zusammen mit seinem Mann und Manager Falko Gaulke gut gelaunt und gastfreundschaftlich Familie und Freunde, Galeristen, Sammler und Journalisten. Wenn man sich durch seine Arbeitsräume bewegt, muss man allerdings genau hinsehen, bevor man die Tasche abstellt, die Jacke ablegt und sich setzt. Viele Gegenstände wirken gebräuchlich, bestehen aber zum Großteil aus Leinwänden, sind schlichtweg gemalt. Und das so täuschend echt, dass die Wirklichkeit kaum von der Kunst zu unterscheiden ist. Der Eindruck ist hier, wie im Ausstellungskontext, überwältigend [1].
[1] Im Atelier, Foto: Martina Strilic.
Stefan Bircheneder ist ein Meister des Illusionismus. Nur dass er dabei Strukturen, Relikte und Stimmungen einfängt, die von stillgelegten Betrieben ausgehen: Einerseits schafft er minutiös ausgeführte Gemälde von Fabrikruinen und weiteren dem Untergang geweihten Orten, die er zuvor aufgesucht und fotografisch dokumentiert hat. Andererseits kreiert er Objekte und Installationen, die vom Verteilerkasten bis zur Umkleide an die dort stattgefundenen, ehemaligen Produktionsprozesse erinnern und mit deutlichen Verfallszeichen in scharfsichtiger Daseinsnähe für Verblüffung sorgen. Zu diesem Ansatz passt schließlich, dass der Maler voll ausgestattete Environments aus Leinwänden realisiert. Das Besondere daran ist, dass sowohl der Stil als auch das mediale Konzept des 1974 in Vilshofen geborenen Künstlers viel mit seiner früheren Tätigkeit als Kirchenmaler zu tun haben. Im Rahmen des Atelierbesuchs schildert Bircheneder, wie er als Jugendlicher auf einer Messe zunächst vom Berufszweig der Vergolder und Fassmaler fasziniert ist. Doch dann entscheidet er sich für eine Ausbildung als Kirchenmaler und Restaurator in Regensburg. Schon als Kind und Jugendlicher hat er mit der Familie Schlösser, Klöster und Kirchen in Niederbayern besucht. Jetzt kann er sein Interesse an der Geschichte dieser Denkmäler
8 | Porträt | Stefan Bircheneder
und seine Passion für den Barock mit diesem außergewöhnlichen, gerade in Bayern verbreiteten Beruf verbinden, den er insgesamt 18 Jahre ausüben wird. Während der Lehre werden ihm fundierte, lang tradierte Techniken vermittelt, die es ihm ermöglichten, ein Gefühl für Licht und Schatten, für Farben und Lasuren zu entwickeln. Und natürlich für Materialien wie zum Beispiel Marmor oder Holz, für die es gilt, bei der Restaurierung den richtigen Ton und eine entsprechende Tiefenwirkung bei der Imitation der Maserung zu finden. Die mit viel Geduld verbundene, handwerkliche Präzision Bircheneders materialisiert sich heute in sämtlichen Werken, vor allem in der bestechenden Stofflichkeit und Dreidimensionalität, die seine Malerei bis ins kleinste Detail durchdringt. Doch es ist nicht nur diese altmeisterliche Fertigkeit, die es ihm erlaubt, die Trümmer und Gebrauchsspuren des industriellen Zeitalters auf diese Weise festzuhalten, sondern auch die Freude daran, es mit überbordender, medienübergreifender Akribie, Täuschungsgewitztheit und einer weitreichenden, ganzheitlichen Idee zu tun. Doch wie kommt es dazu, dass sich der Kirchenmaler einem Themenfeld zuwendet, das nicht weiter von der gegenreformatorischen Prachtentfaltung in bayerischen Sakral- und Profanbauten entfernt sein könnte?
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[2] Westhafen 29, 2012, Öl auf Leinwand, 185 x 115 cm, Foto: Stefan Bircheneder. [3] Container, 2013, Öl auf Leinwand, 95 x 145 cm, Foto: Wolfram Schmidt.
In den Nullerjahren entdeckt Stefan Bircheneder den Regensburger Hafen als faszinierenden Ort: Ihm gefallen das Flair, die Betriebsamkeit, aber auch die dubiosen Gestalten, die Bordelle, die alten Werftgebäude. Er beginnt zu fotografieren und malt auf dieser nie 1:1 übernommenen Grundlage 2008 die ersten zeitgenössischen Bilder. Zunächst rücken die Außenanlagen des Hafens ins Blickfeld, Schiffe, Kräne und Lagerhäuser, die aber auf der Leinwand – eingetaucht in reflektiertes Licht – wenig widerständig erscheinen und ein harmonisches Gesamtbild ergeben [2]. Von dem Erfolg, den der Künstler ab 2009 im Rahmen erster Ausstellungen mit der Serie dieser Hafenfenster in Regensburg hat, ist er selbst überrascht. Doch auch bei verändertem Fokus, mit dem er stärker ins Detail geht und sondermüllverdächtige
[3]
10 | Porträt | Stefan Bircheneder
Restbestände von Chemikalien oder eine Ansammlung achtlos abgestellter Benzinbehälter für bildwürdig erklärt, hält das Interesse an seinen Arbeiten an. In der Darstellung Container von 2013 herrscht Anarchie. Hier fliegen jede Menge offener, dreckiger Plastikfässer durcheinander. Sie mischen sich mit Betonklötzen sowie Holz und bewegen sich förmlich auf den Raum vor dem Gemälde, sprich auf die Betrachtenden, zu [3]. Gleißendes Sonnenlicht lässt sie stellenweise grellweiß aufleuchten, während ihr ansonsten kräftiges, helles Blau mit dem schmutzigen Türkis der zerfetzten, ehemals als Abdeckung dienenden Plane harmoniert. Im oberen Bildvordergrund scheint diese, mit Regenwasser gefüllt, in jedem Moment zu platzen. Gleichzeitig wird ihre Rundung mit einem über den Container gespannten Draht und mit dem Tanz der Fässer im vorderen, rechten Bildmittelgrund kompositorisch verklammert.
[4] Grenzgelb 5, 2012, Öl auf Leinwand, 165 x 95 cm, Foto: Wolfram Schmidt.
Die müllartige Ansammlung wirkt auf irritierende Art abschreckend und heiter zugleich. Man spürt instinktiv, dass die Verwahrlosung der Gegenstände nicht umweltverträglich ist, doch die Leichtigkeit und Ästhetik der bildnerischen Anlage lässt das Ganze zu einem Augenfest werden. Dieses ambivalente Prinzip zieht sich durch Stefan Bircheneders gesamtes Œuvre. 2012 kündigt der Maler seiner Firma und macht sich als freischaffender Künstler selbstständig. Jetzt ist er zunehmend in stillgelegten Fabriken unterwegs und gibt zum Beispiel in der Serie Grenzgelb Details eines von dicken Markierungen durchzogenen Betriebsareals wieder: Mit äußerster Sorgfalt erweckt er darin jeden noch so kleinen Kiesel, jede noch so unbedeutende Pore des Betonbelags zum Leben [4]. Einer Oberfläche, die, wie er erzählt, fühlbar stark vom Gewicht schweren Eisenmaterials gezeichnet war. Auch die Textur der Farbe Gelb spielt eine Rolle. In der Realität ist sie schnell
Porträt | Stefan Bircheneder | 11
in breiten, matt glänzenden Streifen aufgetragen worden, doch in der Malerei empfindet der Künstler ihre Brüchigkeit exakt nach. Es ist eine Topografie plastischer Genauigkeit, die nichts mit Fotorealismus zu tun hat, sondern den Dingen malerisch auf den Grund zu gehen versucht. Tatsächlich trifft das auch auf die Innenräume der Industriebrachen zu, die Stefan Bircheneder auf der Leinwand neu entstehen lässt. Für seine ersten Recherchen reist der Künstler ins oberfränkische Selb, einen Ort, der zwischen 1858 und 1928 mit der Ansiedlung von zwölf Porzellanfabriken zu einem der wichtigsten Standorte dieses Industriezweigs avanciert war, in den letzten Jahrzehnten aber aufgrund der Globalisierung und einiger Übernahmen viele Schließungen erlebte, die mit dem Verfall dazugehöriger Infrastruktur einherging. Oder ins sächsische Plauen, ein lange florierendes Zentrum der Textilindustrie, in dem nach der Wende zahlreiche Betriebe stillgelegt wurden. Beide Orte haben gemeinsam, dass dort im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert hochherrschaftliche Fabrikanlagen mit prächtigen, gusseisernen Fertigungshallen nach basilikalem Schema entstanden sind, die der Künstler teils kurz vor ihrem Abriss aufsucht. Dabei fasziniert ihn auch die Hybris der ehemaligen Fabrikbesitzer, die ihren Firmenstolz in architektonisch nobilitierte Formen gossen und sich damit ein im Grunde brüchiges Denkmal setzten, weil sie das Ende des eigenen Imperiums nicht mitdenken wollten. Eine nahezu nostalgische Ruinen-Ästhetik durchweht Stefan Bircheneders Gemälde Halbmond 99 von 2014 [5]. Man blickt von außen durch zwei hohe, blaugraue Werkstore in eine lichtdurchflutete Halle mit schlanken, runden Säulen, in deren oberen Bereichen sich längst der Rost durch den Lack gefressen hat. Im Hintergrund erkennt man zwei Fenster mit halbrundem Abschluss und teils zerbrochenen Scheiben, davor ein paar verstaubte Relikte, wie einen Trolley aus Holz. Ein breites Lichtband ergießt sich von hinten diagonal durch den Raum, fast parallel zur Flucht der Säulen. Der dargestellte Schauplatz besitzt aufgrund der schon lange bestehenden Abwesenheit von Menschen und
[5] Halbmond 99, 2014, Öl auf Leinwand, 95 x 165 cm, Foto: Herbert Stolz.
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des damit einhergehenden, längst überschrittenen Verfallsdatums des Gebäudes einen friedlichen, stark melancholischen Zug, der wiederum an den Memento-mori-Gedanken des Barock anknüpft. Unmittelbar damit verwoben ist für Bircheneder die Atmosphäre, die er am jeweiligen Ort vorfindet. In einem Interview von 2016 erklärt er: „Ich selbst bin auf der Suche nach dem Genius Loci, also dem Geist und der Aura des Ortes. All die Geschichten und Schicksale oder die Arbeiter selbst sind zwar nicht zu sehen, laden diesen Ort aber auf. Bei der Umsetzung in die Malerei geht es folglich nicht nur um die technisch richtige Darstellung, sondern um die Transferierung dieses Geistes für den Betrachter.“ Mit seinem Wechselspiel von Innen- und Außen steht Halbmond 99 für ein Jahr, in dem der Künstler die Gebäude vieler dieser – zum Teil ziemlich plötzlich aufgegebenen – Anlagen, wie auch in Bitterfeld, nun thematisch betritt. Und sich dort mit weit zurückliegenden innerbetrieblichen Zusammenhängen befasst. So nimmt er 2014 auch funktionsuntüchtige Schaltzentralen und schwer lädierte Verteilerkästen in den Blick [6]. Außerdem schafft
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er erste Objekte aus gemalten Leinwänden, wie zum Beispiel Treuhand: einen großen, orangefarbenen „Stromkasten“, der krakenartig auf mehreren abgerissenen, von unten an ihn angeschlossenen Kabeln balanciert [7]. Gerade hier schwingt viel von dem aus heutiger Sicht unnötigen Verlust tausender Arbeitsplätze im Osten mit. Bircheneders Gespür für besondere Orte und seine Konzentration auf das Thema Arbeit wird jetzt zunehmend stark wahrgenommen. Schon 2012 ist er Finalist beim Blooom Award in Köln, wird ein Jahr später von der Regensburger Galerie ArtAffair unter Vertrag genommen und stellt in München sowie Düsseldorf aus. Es folgen Einladungen von Kunstvereinen und Museen. Mittlerweile ist der Maler regelmäßiger Gast auf Messen wie der Art Karlsruhe oder der Positions Berlin Art Fair und wird von insgesamt sechs Galerien im In- und Ausland – von Hamburg bis Seoul – vertreten. Während er sämtliche Aspekte des Fabrikalltags nach 2014 so umfänglich beleuchtet, dass er später anhand seiner Arbeiten eine
[6] Schaltzentrale Orion, 2014, Öl auf Leinwand, 185 x 115 cm, Foto: Wolfram Schmidt. [7] Treuhand, 2014, Öl/Acryl auf Leinwand, Stahl, Kabel, 250 x 250 x 250 cm, Foto: Herbert Stolz. [8] Knusperflocke, 2017, Öl auf Leinwand, 280 x 150 cm, Foto: Wolfram Schmidt.
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komplette „Werksführung“ – so der Titel eines Katalogs von 2022 – vornehmen kann, erforscht er die räumlichen Dimensionen der jeweiligen, oft unter abenteuerlichen Umständen aufgesuchten Orte weiter malerisch. Zum Beispiel in dem Bild Knusperflocke von 2017 [8]. Das Chaos ist unbeschreiblich: Man sieht in eine wahrscheinlich noch auf die Gründerzeit zurückgehende Halle, deren Decke an vielen Stellen eingebrochen ist. Heruntergefallene Balken und Dielen liegen auf dem Boden, andere hängen gefährlich herab oder verkeilen sich dramatisch im Raum. Jederzeit könnte sich mehr Material von oben lösen, alles ist dem Zerfall preisgegeben. Bei genauer Betrachtung enthält die bildimmanente Ambivalenz aus Stillstand und Bewegung ein Moment der Bedrohung, denn man befindet sich genau dort, wo der Künstler realiter stand, nämlich mitten im Gebäude. Doch dann ist da das Licht, das unglaublich „echt“ durch die Fenster in der Rückwand und die zerborstene Decke scheint. Es bildet mit seinem gelben Ton einen feinen Komplementärkontrast zum hellen Violett mancher Wände, taucht die Szenerie in einen hoffnungsvollen, warmen Schimmer und verleiht ihr fast etwas Sakrales.
Beim Atelierbesuch befindet sich das große Gemälde vor Ort, sodass der Künstler angesichts dessen auf seine Arbeitsweise zu sprechen kommt. „Meine Ölgemälde sind im Prinzip wie Aquarelle gemalt. Ich habe kein Weiß gebraucht, sondern alles, was man hier sieht, ist verdünnte, in Lasuren aufgetragene pure Farbe“. Er erklärt, wie er auf dem Bildträger Vorzeichnungen anfertigt und immer randgenau vorgeht, weil er ungewollte dunkle Partien in dieser Technik nicht mehr übermalen kann. „Im Ergebnis wird das Licht in den hellen Bereichen nicht – wie bei der Verwendung von Acryl – an der Oberfläche reflektiert, sondern von der weißen Grundierung der Leinwand, sodass es die Pigmente von der Rückseite her beleuchten und die Farben brillanter und tiefer erscheinen lassen kann“. Dass diese detailgenaue Art der Malerei in hauchdünnen Schichten auf zum Teil kleinsten Flächen – ähnlich wie bei den früheren Restaurierungsprojekten von Bircheneder – sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, ist nachvollziehbar. Etwa sechs Wochen braucht der Künstler für ein großes Bildformat. Und während er mit Komposition und Farbgebung frei auf die schon erwähnte, in situ vorgefundene Atmosphäre reagiert, macht er sich den
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Ort zu eigen: „Mir geht es darum, wie ich diesen Raum erfasse. Zum Schluss kennt ihn keiner so gut wie ich. Ich habe zwar Fotos als Stütze, doch sie zeigen nicht, wie es läuft. Ich muss stattdessen durchdenken, was sich im Vorder- und im Hintergrund befindet. So wird dieser Raum auch zu meinem.“ Eine weitere Dimension tut sich hier durch den Titel auf, der mit feinsinnigem, lautmalerischem Humor auf den Ort Bezug nimmt. Denn die „Knusperflocke(n)“ ist ein heute noch verfügbares Produkt der Firma Zetti in Zeitz, die nach der Wende einige Fertigungshallen aufgeben musste, aber weiter existierte.
Verstärkt konzentriert sich der Künstler jetzt auf die Menschen, die Teil des Fabrikalltags waren. Er verarbeitet Eindrücke von längst aufgegebenen, ramponierten Personalbereichen oder Umkleiden und entdeckt den Spind als individuellen Raum und einziges Ausdruckmittel der Angestellten [9]. Dabei stößt er in seinen Recherchen auf das Phänomen großer Zugehörigkeit: „Was mich fasziniert, ist die frühere Verbundenheit der Arbeiter mit ihrem Betrieb. Innerhalb der Belegschaft ist geheiratet worden und gerade im Osten gab es viele Veranstaltungen vor Ort, sodass sich das ganze Leben in der Fabrik abgespielt hat.“ Bir-
[9] Privatsphäre 2, 2018, Öl/Acryl auf Leinwänden, Holz, 180 x 180 x 40 cm, Foto: Falko Gaulke.
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cheneder betont jedoch, dass er den DDR-Alltag keinesfalls verklären möchte, und erzählt von einem Aktenordner, den er bei einem seiner Streifzüge auf einem Müllhaufen entdeckte. Darin fand er Personalbögen von Mitarbeitern und Informationen zu Fortbildungen, die nur dazu dienten, das Personal auszuspionieren. In der daraus entstandenen Wandinstallation Brigade von 2016 stellt er diese Menschen – und das bleibt eine Ausnahme – in Porträts dar, lässt ihre Gesichter aber hinter am gleichen Ort vorgefundenen, leicht transparenten Konstruktionsplänen verschwinden.
Die Serie der Spinde in Reihung steht zunächst, wie der mit bitterer Ironie betitelte Ausverkauf, allgemein für die Belegschaft und ihr Schicksal. Dazu gibt es Einzelschränke in scheinbar spielerischen Varianten, zum Beispiel das zu allen Seiten hin ausgeklappte Faltobjekt Abwicklung. Wie eingezwängt die Privatsphäre in den Metallschränken war, wird dann in den 2019 begonnenen Stillleben deutlich, die der Künstler gern auch als „Arbeiterporträts“ bezeichnet. Es sind dreidimensionale Wandarbeiten, die sich ganz real öffnen lassen und Rückschlüsse auf eine jeweils dargestellte, fiktive Person bieten. Wie der Spind alias Stillleben 4
[10] Stillleben 4, 2019, Öl/Acryl auf Leinwand, Holz, 40 x 180 x 7 cm, Foto: Stefan Bircheneder.
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von 2019, auf dem außen „Ein Herz für Kinder“ prangt. Ein zerkratzter Aufkleber, der auf eine Hilfsaktion der Bildzeitung in den 1970er- und 80er-Jahren verweist und somit auch eine zeitlich-kulturelle Zuschreibung erlaubt [10]. Das Foto eines Babys sowie Kinderzeichnungen zieren den Schrank von innen. Ein Henkelmann, blaue Arbeitskleidung, eine abgegriffene, gelbe Plastiktüte und eine farblich ähnliche Verpackung vervollkommnen das Tableau auf beklemmende Weise. Auch seinen Eltern hat der Künstler einen Spind gewidmet, in Erinnerung an seinen früh verstorbenen Vater, der in jungen Jahren im Bergbau tätig war. Interessant an diesen Arbeiten ist, bis zu welchem Grad der Maler illusionistisch vorgeht. In der Serie Hab & Gut, die in Form kleinerer Schließfächer nach dem gleichen Prinzip funktioniert, zeigt sich die Tür von innen als das, was sie ist, nämlich als Rückseite eines fertigen Gemäldes: ein intendierter Verfremdungseffekt. Dieser Bruch, die Rückbindung an die Kunst, wirkt fast befreiend, denn der anfangs beschriebene, vom Künstler evozierte Täuschungsgrad bleibt hoch. Und das liegt nicht nur daran, dass der Maler gelegentlich „echte“ Bestandteile wie Beschläge oder Schlösser integriert. Hauptgrund ist, dass er seine Objekte zunächst in „nagelneuem“ Zustand in Acryl auf Leinwand entstehen lässt und die Nutzungs- und Altersspuren, wie Fingerabdrücke und Rost dann sukzessiv in Öl hinzufügt, dass er den Gebrauchszyklus der Schränke also künstlerisch nachvollzieht. Den aus mehreren Lasuren bestehenden Schatten trägt er meist zuletzt auf und suggeriert dafür im Atelier gewisse Lichteinfälle mittels einer Leuchte und kleiner Modelle aus Papier. Auch für die gemalten, persönlichen Gegenstände arbeitet Bircheneder nach der Natur und verwendet bevorzugt Dinge, die er auf Flohmärkten erwirbt. In einer 2018 begonnenen Werkreihe überzieht er die Spinde und Schließfächer zum ersten Mal mit Graffiti. Es spiegelt die nächste Generation, die sich verbotenerweise in den stillgelegten, früheren Arbeitsstätten der Eltern mit Sprühdosen am alten Inventar austobt. Heute lässt der Maler das Graffiti von dem professionellen Sprayer Rayk Amelang gestalten [11].
[11] Spind Fire, Collab CURT, 2023, Öl/Acryl/Spraypaint auf Leinwand, 140 x 70 cm, Foto: Falko Gaulke.
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Mit seiner eigenen, viele Stunden fordernden Tätigkeit möchte der Künstler vor allem den ehemals vor Ort beschäftigten Menschen gerecht werden. Das gilt auch dann, wenn er bis in die Toiletten- und Waschraumthematik vordringt und „zum Verzweifeln“ viele Fliesen für zwei große Installationen malt. Oder in minutiöser Kleinarbeit eine Werkstatt-Situation schafft, die anhand der aufwendig zu bauenden Rahmen und Unterkonstruktionen der Malgründe selbst reichlich Handwerk einfordert [12]. Die Idee, ganze Räume, also auch Wände aus Leinwand zu kreieren, hat er schon bei der Entwicklung der ersten Objekte. Doch dieses Konzept des Environments leitet er nicht von dessen Ur-
sprung in der Postmoderne, sondern von den stoffbespannten Interieurs aus der Barock- und Rokokoepoche ab. Das ist weit gedacht, schließlich könnte der Gegensatz von „kostbarem Brokat und billiger Leinwand“ nicht größer sein [13]. In dieser Art der Übersetzung auf verschiedenen Ebenen liegt aber gerade der Schlüssel: Mit großer malerischer Finesse verhandelt Bircheneder in seinen Gemälden die Ambivalenz von Schönheit und Zerfall. In dem darin enthaltenen Vanitasgedanken nimmt er sowohl auf holländische Stillleben als auch auf die künstlich erbauten Schlossgarten-Ruinen aus der Zeit
[12] Insolvenz, 2021, Ausstellungsansicht Galerie Tobias Schrade, Ulm, Foto: Martina Strilic.
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des Absolutismus Bezug. Außerdem entscheidet er sich für eine teils dramatische Lichtwirkung, die an Himmelsdarstellungen in barocken Deckengemälden von berühmten, in Würzburg und Passau tätigen Meistern wie Tiepolo und Carlone erinnern. Ausgesprochen gekonnt transportiert der Künstler sein Anliegen mit der damals gefeierten Täuschung der Sinne, die im Trompel’œil der Kirchenausstattung gipfelte. Schließlich fügen sich Bircheneders Serien konzeptuell zu einer ganzen, aufgelassenen „Produktionsstätte“ zusammen, wobei die Fülle der unterschiedlichen medialen Ansätze an das Ineinandergreifen aller Gattun-
gen der bildenden Kunst im barocken Gesamtkunstwerk denken lässt. Dazu gehört auch die so treffsichere wie gesellschaftskritische Ironie, die oft im semantischen Raum zwischen Werk und Titel entsteht und einen spannenden Gegensatz von Leichtigkeit und Ernst spürbar werden lässt. Mit beeindruckender Stringenz überträgt Stefan Bircheneder lang tradierte Techniken und umfangreiche, über 300 Jahre alte Gestaltungsprinzipien auf die Malerei der Jetztzeit. Das macht seine Arbeiten aus und verleiht ihnen eine Substanz, die näher mit der Realität verwandt ist als die Fotografie.#
[13] Duschkabinen, 2023, Öl/Acryl auf Leinwänden, 330 x 90 x 220 cm, Foto: Falko Gaulke.
Julia Behrens
Porträt | Stefan Bircheneder | 19
Stefan Bircheneder
2019 „Transit“, Kunstverein Duisburg 2019 „Shaped Figure“, Kunstverein Krefeld
*1974 in Vilshofen, Ausbildung zum Kirchenmaler/Restaurator, seit 2011 freischaffender Künstler,
2019 THE VIEW 2019, The View Contemporary Art Space, Salenstein, Schweiz
lebt und arbeitet in Hofkirchen bei Vilshofen
2020 Projektraum SCHWARZ+ Greifswald 2021 „Spaces“ Kunstverein Kiss Schloss Untergröningen
Einzelausstellungen (Auswahl) 2011
„Industrielandschaften“ Stadtgalerie Vilshofen
2014 „Außer Betrieb“ Galerie Halle II Straubing
2022 „industrial obbys“ Kunstverein March 2023 „Geöffnet – Verschlossen“ Galerie der Stiftung BC – pro arte Biberach 2023 „echt jetzt“ Kunstmuseum Heidenheim
2016 „Position R 5“ Städtische Galerie Leerer Beutel, Regensburg 2016 Via-Regia-Stipendium auf Schloss Königshain/Görlitz, Ausstellung und Artist in Residence 2016 „Außer Betrieb“ Kunstverein Landshut 2016 „Außer Betrieb“ DEPO2015, Pilsen, Tschechische Republik 2017 „Nur für Personal“ Galerie Art Affair, Regensburg 2018 Galerie FotoGrafic, Prag
Öffentliche Ankäufe/Sammlungen THE VIEW Collection, Switzerland | Kunstsammlungen der Stadt Regensburg | Kunst- und Gewerbeverein Regensburg | Städt. Galerie im Leeren Beutel, Regensburg | Oswald-Zitzelsberger Kunst- und Kulturstiftung | Kunstsammlung der Stadt Ehingen | Dr. Franz & Astrid Ritter Stiftung | Sammlung Trumpf Ditzingen
2019 Museum of Modern Art, Altes Gaswerk Hünfeld 2020 Heissingart Lübeck 2021 „Insolvenz“ Galerie Tobias Schrade Ulm
Preise/Stipendien
2022 „Stillstand“ Städt. Galerie Ehingen 2022 „Geschichten des Vergangenen“ Galerie Dietrich Berlin 2022 „Werksverkauf“ Galerie Schwarz Greifswald 2023 Hyundai Department Store Seoul, Korea
Kunstpreis 2013 des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg | Debütantenförderung 2014 Freistaat Bayern | Kulturförderpreis 2015 der Stadt Regensburg | Via-Regia-Stipendium 2016 | Neustart Kultur, Stiftung Kunstfonds Bonn 2022
2023 Gallery Hedwig, Seoul, Korea 2024 Stadt Amberg 2024 Städt. Galerie Badstube Wangen
Bibliografie Stefan Bircheneder (Hrsg.): Nur für Personal, Hamburg 2020
Gruppenausstellungen (Auswahl) 2012 Finalist Blooom Award, Blooom/ART.FAIR Köln 2013 „Stadtgeschichten“ Kunstverein GRAZ Regensburg
Galerie Tobias Schrade (Hrsg.): Stefan Bircheneder. Werksführung, Ulm 2022 Anabel Roque Rodríguez: Stefan Bircheneder. In: Detlef Bluemler (Hrsg.): Künstler – Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Neu-Isenburg 2019
2013 „Lebensräume“ Galerie ArtAffair Regensburg 2014 „Debütanten“ Kunst- und Gewerbeverein Regensburg 2014 „Zeitgenössische Kunst in der Oberpfalz“ Cordonhaus Cham
Galerievertretungen
2015 „Schnittstellen“ Galerie ArtAffair Regensburg 2016 „Vis a Vis“ Kunsthaus Museum Obernberg, Österreich 2017 „Erwarten Sie Wunder“, Museum Ulm
Galerie Tobias Schrade Ulm | Stern Wywiol Galerie Hamburg | Galerie Horst Dietrich Berlin | Galerie Hubert Schwarz Greifswald | Brouwer Edition Darmstadt | Hedwig Gallery Korea
2018 „Räume der Anderen II“ Städt. Galerie Villa Streccius, Landau in der Pfalz 2018 salondergegenwart, Hamburg
Kontakt
2019 „Die Unschuld der Dinge“, Museum im Pflegschloss, Schrobenhausen
www.bircheneder.de
20 | Thema | Venedig
Sehnsuchtsort Venedig Ein Fest der Malerei um 1500
Thema | Venedig | 21
Venedig ist der Sehnsuchtsort schlechthin. Die Serenissima zieht Besucher:innen aus aller Welt an: zum Stadtbummel durch die engen Gassen mit ihren eleganten Läden, zum Karneval, aber auch zur Biennale, wahlweise Kunst oder Architektur, zu den Filmfestspielen oder aber, um auf den Spuren von Thomas Mann zu wandeln oder auf denen von Donna Leon. Man kann aber natürlich auch ohne all diese Gründe die Stadt besuchen, die nicht am, sondern im Wasser gebaut ist, bei der die Verkehrsstraßen Kanäle sind, auf denen Schiffe fahren. Die Vaporetti dienen als öffentliche Verkehrsmittel, Lastenkähne finden sich ebenso wie Taxen, private Motorboote ersetzen das Auto. Früher waren Gondeln und Traghetti die hauptsächlichen Fortbewegungsmittel auf dem Wasser. Sie schlagen keine Wellen, nagen nicht am Fundament der Stadt, den abertausenden Holzpfählen, so wie die Motorboote oder gar die Kreuzfahrschiffe, diese Monster, die bis vor Kurzem noch direkt am Markusplatz vorbeifahren durften, aber auch jetzt noch unendlich viel Schaden anrichten. Die Stadt, die heute derart vom Tourismus überlaufen ist, dass Tagestourist:innen zu besonders begehrten Zeiten Eintrittsgeld zahlen müssen, war schon vor Jahrhunderten ein begehrtes Reiseziel. Albrecht Dürer (1471–1528) war vermutlich zweimal zu Gast, einmal 1494/95 und dann von 1505 bis 1507. Damals schrieb er nach Nürnberg die immer wieder zitierten Worte: „Hier bin ich ein Herr, daheim ein Schmarotzer“. Bereits 1495 bezeichnete der damalige französische Botschafter in Venedig, Philippe de Commynes (um 1447–1511), den Canale Grande als die schönste Straße der Welt. In dieser Zeit begann Venedigs Vormachtstellung als größte Seemacht zu schwinden und auch bei den Besitzungen auf dem Festland, der Terra ferma, waren herbe Verluste zu verzeichnen. Den Rückschlägen in politischer Hinsicht begegneten die Venezianer:innen mit einem Verlangen nach Rückzug und einer Hinwendung zur Innerlichkeit, was auch dazu führte, nach bestimmten künstlerischen Ausdrucksformen zu verlangen. In ihnen spielten das lyrische Porträt und die idealisierte Landschaft eine große Rolle. Diese Entwicklung in der venezianischen Malerei um 1500 wurde von keinen geringeren Künstlern als Giorgione und Tizian, Palma il Vecchio und Sebastiano del Piombo entwickelt und von anderen wie Bernardino Licinio oder Antonio Vivarini aufgegriffen und weitergeführt. Um Werke dieser Künstler zu sehen, lohnt natürlich immer ein Besuch der venezianischen Museen, allen voran der Galleria dell'Accademia, des großen Museums für Alte Meister in Venedig. Doch viele Werke der venezianischen Malerei sind auf Museen vor allem der westlichen Welt verteilt und so bedürfte es langer Reisen, um sich ein umfassendes Bild zu machen.
[1] Gondeln vor Santa Maria della Salute, Foto: Lorenz Kloska.
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Im Moment hat man allerdings die Gelegenheit, sich mit etwa 85 Werken einen Überblick zu verschaffen, denn die Alte Pinakothek in München zeigt noch bis zum 4. Februar 2024 mit der Ausstellung „Venezia 500“ Porträts und Landschaften eben dieser und noch weiterer Künstler, die aus Museen und Privatsammlungen zusammengetragen worden sind. Den Grundstock bildet die eigene Sammlung mit über 200 Werken venezianischer Malerei, die Dank eines 2021 begonnenen interdisziplinären Forschungsprojekts derzeit ausführlich untersucht wird und anschließend in einem neuen Bestandskatalog präsentiert werden kann. Ergebnisse dieser Forschungen fließen bereits in die Ausstellung mit ein, in der 15 eigene Bilder gezeigt werden, von denen zwei mit erstaunlichen Überraschungen aufwarten. Doch davon später. Die Einstimmung auf die Ausstellung beginnt mit dem Porträt eines jungen Mannes [2], der frontal aus dem Bild blickt, allerdings nicht prüfend, sondern offen und neugierig, dem Leben zugewandt. Es ist kein Repräsentationsbild, sondern die Darstellung eines Menschen, wie er uns – ein wenig anders gekleidet und frisiert – auf der Straße begegnen könnte. Lorenzo Lotto (um
1480–1556) malte den Unbekannten um 1509/10. Ihm gegenüber befindet sich die Zeichnung einer Baumgruppe [3] von Tizian (um 1488/90–1576), die zeigt, wie er seine Naturdarstellungen durch Studien vorbereitete. Man weiß, dass er von Albrecht Dürer dazu inspiriert wurde. Die Natur wird allerdings (noch) nicht ohne eine irgendwie geartete Handlung, ohne eine Figur im Raum dargestellt, so wie Albrecht Altdorfer (um 1480–1538) dies mit seiner Donaulandschaft gelingt, die er wohl kurz nach 1520 malte und die, im Besitz der Alten Pinakothek, als Referenz außer Katalog mit ausgestellt ist.1 Die Landschaft bildet zum einen den Hintergrund beim Andachtsbild wie Giovanni Bellini (um 1435–1516) es darstellt: einmal als Hintergrund, vor dem sich die Muttergottes mit Heiligen befindet,2 dann aber vor allem bei der Darstellung des Hl. Hieronymus [4]. Der in der Einöde lebende Kirchenvater sitzt links im Vordergrund des Bildes auf einem Felsen, spärlich mit einem blauen Gewand bekleidet, vertieft in ein Buch. In der rechten unteren Ecke des Bildes hebt sich der ihn begleitende Löwe kaum vom felsigen Hintergrund ab. Weder der lesende Kirchenvater noch der Löwe nehmen die hinter ihnen sich öffnende Landschaft wahr, die be-
[2] Lorenzo Lotto (um 1480–1556), Bildnis eines jungen Mannes, um 1509/10, Holz, 29 x 23 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi, © Gabinetto Fotografico delle Gallerie degli Uffizi – Foto: Roberto Palermo. [3] Tiziano Vecellio, gen. Tizian, (um 1488/90–1576), Baumgruppe, um 1514, Feder in Braun auf beigem Papier, 218 x 319 mm, New York, The Metropolitan Museum of Art, © The Metropolitan Museum of Art, New York, Public Domain.
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wirtschafteten Äcker, das Wasser und die befestigte Stadt am anderen Ufer, hinter der die Berge sichtbar werden und über denen sich der wolkige Himmel wölbt. Ob es sich dabei um eine reale Stadt handelt, sei dahingestellt. Der einzige kontrastreiche Farbfleck im unteren Teil des Bildes, das Gewand des Eremiten, findet seine Entsprechung im Blau des Himmels, einer der zentralen Farben in Venedig und in der venezianischen Malerei. Hinzu kommen das gebrochene Weiß des Marmors und das Rot der Ziegel, die gemeinsam einen Farbverlauf bilden, wie er immer wieder in der Ausstellung zu sehen ist, als Wandbehang, aber auch als Folie für die Gemälde.
Das Blau des Himmels, das gebrochene Weiß des Marmors und das Rot der Ziegel bilden einen gemeinsamen Farbverlauf, wie er immer wieder in der Ausstellung zu sehen ist.
Kleine Andachtsbilder wie die mit dem heiligen Hieronymus in der Einöde erfreuten sich im damaligen Venedig großer Beliebtheit und luden ein zur Kontemplation und zur Flucht in die Natur. Die Sehnsucht nach der unberührten Natur und damit nach Arkadien, dieser von Nymphen und Hirten bevölkerten Idylle, die auch in der Literatur ihren Niederschlag fand, wurde aber auch durch die Bilder bedient, die dieses Arkadien zeigten, sei es als Flöte spielender Hirtenjunge Daphnis [5] den Palma il Vecchio (um 1480–1528) um 1513/15 malte, oder aber das Gemälde von Lorenzo Lotto mit dem Titel Der schlafende Apoll mit Fama und den Musen,3 auf dem der schlafende Gott rechts auf einer Anhöhe sitzt, die Viola da Gamba in der Hand, über ihm die geflügelte Fama. Vor ihm liegen Kleiderhaufen in verschiedenen Farben, die den Musen gehören. Einige von ihnen sind links im Bild zu sehen, wie sie auf der Wiese miteinander umhertollen und spielen. Das Bild im kleinen Format (44,5 x 74 cm), ein Spätwerk Lottos, das sich heute in Budapest befindet (Szépművészeti Múzeum), zeigt eine sonst unbekannte Szene, die viele Interpretationen erfahren hat, in diesem Zusammenhang aber vor allem durch ihre Komik einerseits und die Farbakzente der beleuchteten Kleider andererseits besticht. Der Rückzug in die Natur als Sehnsuchtsort ist uns auch heute durchaus vertraut und geht ein-
[4] Giovanni Bellini (um 1435–1516), Hl. Hieronymus lesend in einer Landschaft, um 1480/85, Holz, 46,8 x 33,8 cm London, The National Gallery, © The National Gallery, London
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her mit ökologischen Ideen ebenso wie mit dem Kampf um Klimaschutz. Gleichzeitig verzeichnen wir eine immer stärkere Individualität, eine Ichbezogenheit, die sich heute auch in den Selfies ausdrückt, die aber eben auch im Venedig um 1500 zu bemerken war. Für das autonome Porträt gab es Vorbilder in der niederländischen Malerei, die aufgegriffen und weiterentwickelt wurden. Als Hauptakteur, dem es gelang, äußere Bewegung darzustellen und gleichzeitig innere Befindlichkeiten ins rechte Licht zu rücken, gilt Giorgione (1473/74–1510), der in seinem kurzen Leben Meisterwerke schuf, die bis heute Rätsel aufgeben, so auch das ihm zugeschriebene Bildnis eines jungen Mannes [6], das, um 1505/10 gemalt, einen Unbekannten in Rückenansicht zeigt, der über die Schulter nach vorne schaut, so, als wäre er gerade angesprochen worden. Zu wem wendet er sich um? Hat er gewartet? Oder ist er überrascht? Hört er zu oder ist er im Begriff zu antworten? Diese Fragen kann uns das Bild nicht beantworten, aber die Lebendigkeit, die durch den Schulterblick verursacht wird, lässt diese und andere Möglichkeiten zu.
Der Rückzug in die Natur als Sehnsuchtsort und eine immer stärkere Individualität waren in Venedig um 1500 überall spürbar.
Den Schulterblick hat Giorgione nicht erfunden. Auch von Leonardo da Vinci (1452–1519) kennt man ansatzweise ähnliche Kompositionen. Doch Giorgione hat sie perfektioniert und gibt dem Individuum noch größeren Raum. Und so wird auch der Kreuztragende Christus [7], der wenig später entstand und bei dem ungewiss ist, wer ihn gemalt hat, zu einem Individuum. Im Vergleich der beiden Dargestellten zeigen sich etliche Übereinstimmungen: Der eine hält in seiner Hand die Handschuhe, der andere das Kreuz, der eine trägt einen Fuchspelz über der gesteppten roten Jacke, der andere ist in einen roten Mantel mit goldenen Stickereien gehüllt. Und die schulterlangen Haare kringeln sich am Ende bei beiden in Locken, wo bei sie bei dem Christus durch das rote Gewand noch besser erkennbar sind und mit Wasserstudien von Leonardo da Vinci verglichen wurden. Die Ähnlichkeiten enden beim Gesichtsausdruck: Bei dem jungen Mann dominiert das Fragende, bei Christus die Aufforderung, ihm zu folgen.
[5] Jacopo Negretti, gen. Palma il Vecchio (um 1480–1528), zugeschrieben, Daphnis, um 1513/15, Pappelholz, 19,6 x 16,4 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München.
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Zu diesen Porträts kommen andere hinzu, die junge Männer in idealisierter Form zeigen und aufgrund ihres häufig sinnlichen Gesichtsausdrucks als lyrische Bildnisse bezeichnet werden. Sie können zwar porträthafte Zügen tragen, wollen aber nicht unbedingt als Porträts verstanden werden. Ein Beispiel ist der Junge mit Pfeil [8] von Giorgione, 1505 entstanden und damit in etwa zur selben Zeit wie der junge Mann, der den Betrachtenden den Rücken zukehrt. Das tut dieser weit jüngere Knabe nicht, doch ist auch er nicht frontal dargestellt, sondern ein wenig schräg ins Bild gesetzt, sodass sich seine linke Schulter mit dem weißen Hemd und dem darüber zusammengeknoteten Umhang in den Vordergrund schiebt, während sich die rechte, mit dem Umhang bedeckte, weiter hinten befindet. Die Armhaltungen sind bei dem Ausschnitt nicht zu erkennen, allein die rechte Hand hält mit gespreizten Fingern einen Pfeil. Mit leicht geneigtem Kopf schaut der Knabe aus dem Bild auf die Betrachtenden, die dunk-
len Locken umrahmen das Gesicht und verschmelzen mit dem Schwarz des Hintergrundes. Die jünglingshafte Schönheit erinnert an den heiligen Sebastian, der allerdings meist nackt dargestellt ist. Insofern ist zu vermuten, dass hier Eros am Werk ist, der mit seinen Liebespfeilen Lust und Leid entfachen kann. Darauf deuten auch die beiden zum V gespreizten Finger hin, die hier auf Venus verweisen und damit auf die erotische Liebe. Diese Fingerhaltung findet sich auch bei zahlreichen der idealisierten Frauenporträts, die quasi als Pendants zu den jungen Männern gesehen werden können und bei denen das V sowohl Virtus (Tugend) als auch Venus bedeuten kann und damit das (bereits vollzogene?) Liebesspiel. Francesco Petrarcas (1304–1374) Liebeslyrik etablierte bestimmte Schönheitsideale, die um 1500 von Literat:innen interpretiert und von Maler:innn aufgegriffen und bildlich umgesetzt wurden. Zum Schönheitskanon gehörten
[6] Giorgio da Castelfranco, gen. Giorgione (1473/74–1510), zugeschrieben, Bildnis eines jungen Mannes, um 1505/10, Pappelholz, 69,4 x 53,6 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München . [7] Venezianisch, Kreuztragender Christus, um 1515, Holz, 63 × 46,3 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, © KHM-Museumsverband.
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[8] Giorgio da Castelfranco, gen. Giorgione (1473/74–1510), Knabe mit Pfeil, um 1505, Pappelholz, 48 x 41,8 cm Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, © KHM-Museumsverband.
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perfekte Proportionen, dann aber auch helle Wangen, schwarze Wimpern, rote Lippen und blonde Haare, ein Umstand, der dazu führte, dass sich die Venezianerinnen die Haare bleichen ließen. Doch die vollkommene Schönheit blieb ein Ideal und es war den Maler:innen vorbehalten, dieses Ideal zu malen. Ob es sich bei diesen idealisierten Frauenbildnissen, den Belle donne, wie sie genannt wurden, um Darstellungen von Kurtisanen oder eher um Brautbilder handelte, ist eine der Ungewissheiten (vaghezze), die bis heute bestehen und die wahrscheinlich schon damals bewusst eingesetzt wurden. Bernardino Licinio (um 1485–nach 1549/vor 1565) malte die Halbfigur einer schwarzhaarigen Schönheit in einem prachtvollen mit goldenen Stickereien verzierten roten Seidengewand [9]. Sie blickt nicht in das vor ihr liegende aufgeschlagene Notenbuch, sondern mit zur Seite gedrehtem Kopf aus dem Bild heraus. Mit ihrer rechten Hand
berührt sie ihre Brust, ihre Finger sind zum V-Zeichen gespreizt und deuten damit auf ihr Herz. Wer diese geheimnisvolle Frau ist, würde man ebenso gerne erfahren wie die Bella donna genannte Dame, die gerade ihre Toilette macht und dabei von einem galanten Herrn unterstützt wird, der ihr zwei Spiegel hält [10]. Ob Ehemann, Diener, Friseur oder Liebhaber, seine untergeordnete Rolle zeigt sich schon daran, dass er in den Hintergrund verbannt ist und vor allem als „Spiegelhalter“ dient. Die Frau hingegen, mit einem grünen Kleid und weißer Bluse bekleidet, hält ihre offenen, dunkelblonden Haare mit der einen Hand fest, während sie prüfend in den vorderen Spiegel schaut. Der abgespreizte Zeigefinger deutet das VZeichen an, das deutlicher mit der anderen Hand geformt wird, die ein Gefäß festhält. Darin mag sich eine Flüssigkeit zum Blondieren der Haare oder ein anderes Schminkutensil befinden. Im
[9] Bernardino Licinio (um 1485 – nach 1549/vor 1565), Bildnis einer Frau, um 1520, Pappelholz, 57,2 x 59,7 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München. [10] Tiziano Vecellio, gen. Tizian, (um 1488/90– 1576), Junge Frau bei der Toilette, um 1515, Leinwand, 99 x 76 cm, Paris, Musée du Louvre, © bpk | RMN – Grand Palais | Thierry Le Mage
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hinteren Spiegel wird mit einem Fenster die Lichtquelle sichtbar, die Gesicht und Oberkörper ausleuchtet und außerdem Gegenstände, die sich noch in dem Raum befinden. Zu diesen großartigen Frauenbildnissen – weit mehr als hier beschrieben finden sich in der Ausstellung – und den idealisierenden Darstellungen junger Männer kommen aber noch Porträts, die nachgewiesenermaßen Zeitgenossen zeigen. Das ist zum Beispiel bei dem Spiegelbild aus dem Würzburger Martin-von-Wagner-Museum der Fall. Im Spiegel zeigt sich der Maler, bei dem es sich vermutlich um Bernardino Licinio handelt. Der Architekt neben ihm, der sowohl im Spiegel als auch im Raum gezeigt ist, wurde früher mit Jacopo Sansovino (1486–1570) in Verbindung gebracht. Inzwischen weiß man jedoch durch den Sensationsfund eines bezeichneten Porträts, dass es sich um Sebastiano Serlio (1475–1554) handelt, der sich um 1530 in Venedig aufhielt. Damals muss dieses Bild entstanden sein.4
Die in einem Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse tragen nicht nur zur Entschlüsselung der Personen in zwei Bildern bei, sondern führen auch dazu, das schmale Werk Giorgiones um ein weiteres Bild zu ergänzen.
Die Erkenntnisse, die mithilfe des Forschungsprojekts gewonnen wurden, betreffen ebenfalls Porträts und tragen zur Entschlüsselung der Darstellungen bei. Bereits 1637 wurde im Inventar des Alten Schlosses Schleißheim und damit im Besitz der bayerischen Kurfürsten ein Bild erwähnt, das einen „Mathematicus“ mit seinem Schüler zeigt, der ein Astrolabium in der Hand hält [11]. Zuletzt befand sich dieses Gemälde in der Münchner Residenz und wurde nun im Zuge des Forschungsprojekts genauer untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um ein in zeitgenössischen Quellen erwähntes Bild handeln muss, das den Universalgelehrten Trifone Gabriele (1470–1549) zusammen mit seinem Schüler, dem aus Florenz stammenden Giovanni Borgherini (1496–?) zeigt. Als Maler wurde Giorgione genannt. Maltechnische Untersuchungen bestätigten die Autorenschaft Giorgiones, sodass sich nun in München ein weiteres Werk dieses Meisters befindet, von dem nur wenige Gemälde bekannt sind. Ein anderes Bild wurde 1778 von Kurfürst Karl Theodor (1724–1799) als ein „Selbstbildnis des
[11] Giorgio da Castelfranco, gen. Giorgione (1473/74–1510) (?), Bildnis des Giovanni Borgherini und des Trifone Gabriele, 1509/10 Leinwand, 91,5 x 67 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
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Malers Tintoretto mit seinem Sohn vor dem Dogen zu Venedig“ erworben, später allerdings aufgrund seiner wenig ansprechenden Malerei ins Depot verbannt. Jetzige restauratorische Untersuchungen förderten eine übermalte Inschrift zutage, aufgrund derer nun klar ist, dass es sich hier keineswegs um ein Selbstbildnis Tintorettos (1518/19–1594) handelt, sondern um die Präsentation von drei Generationen der venezianischen Familie Maggi mit besonderem Augenmerk auf das Kind Antonio. Dessen Vater Carlo war als Agent weit gereist, dabei in Gefangenschaft geraten und später wieder freigekauft worden. In dieser Zeit hatte seine Frau den Sohn Antonio geboren, der damit illegitim sein musste, vom Vater aber anerkannt wurde. Das erklärte er nicht nur in einer reich il-
luminierten Handschrift, in der er seine abenteuerliche Geschichte beschrieb, sondern gab auch dieses Bild in Auftrag, das die Legitimität seines Sohnes und Alleinerben unter Beweis stellen sollte. Handschrift und Bild, die man beide auch als Urkunden ansehen kann, sind hier zum ersten Mal gemeinsam zu sehen [12]. Natürlich darf in der Präsentation das von Tizian gemalte Porträt Kaiser Karls V. (1500–1558) nicht fehlen, das seinen festen Platz in der Alten Pinakothek hat. Hier aber ist es vereint mit dem Porträt der Isabella von Portugal (1503–1539), seiner Frau, die bereits gestorben war, als der Kaiser das Bild bei Tizian in Auftrag gab, das ihn dann den Rest seines Lebens begleiten sollte.5
[12] Raumansicht, Foto: Haydar Koyupinar, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, mit den Bildern: Jacopo Tintoretto (1518/19–1594) und Werkstatt, Bildnis der Familie Maggi, um 1575, Leinwand, 115,3 × 166 cm, München, Bayerische Staatsgemaldesammlungen, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 931 und Les voyages de Charles Magius (Codex Maggi), Venedig 1578, Illuminierte Pergamenthandschrift, 18 Bl., neu gebunden und integriert in Description historique d’un volume composé de tableaux peints en miniature […], Paris 1761, Druck und Handschrift, 66 Bl., 33,2 × 25,2 × 2 cm (Einband), Paris, Bibliotheque nationale de France, Departement estampes et photographie, Reserve 4-AD-134.
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[13] Joseph Mallord William Turner (1775–1851), Seufzerbrücke, Dogenpalast und Zollamt, Venedig: Canaletto beim Malen, ausgestellt 1833, Tate: Accepted by the nation as part of the Turner Bequest 1856 © Foto: Tate. [14] Joseph Mallord William Turner (1775–1851), Venezianisches Fest, ca. 1845, Tate: Accepted by the nation as part of the Turner Bequest 1856, © Foto: Tate.
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Doch wo bleibt Venedig in dieser Ausstellung der venezianischen Meister? In den Landschaften ist zwar die Terra ferma erkennbar, Ansichten der Stadt fehlen jedoch. Zufälligerweise findet man sie in München aber gerade nur ein paar Schritte von der Pinakothek entfernt, im Lenbachhaus, wo zeitgleich das Werk von William Turner (1775–1851) präsentiert wird. Und natürlich sind dort auch Bilder von Venedig zu finden, die Turner malte, der mehrfach die Serenissima besuchte, einmal 1819, dann 1833/35 und ein letztes Mal 1840. In der Ausstellung, die einen hervorragenden Überblick über das Schaffen des Engländers bietet (siehe Kunst+Material 6/2023), finden sich so unterschiedliche Bilder wie eine ziemlich präzise Darstellung von Seufzerbrücke, Dogenpalast und Zollamt [13], die 1833 erstmals ausgestellt war, daneben aber auch ein Dogenpalast bezeichnetes Bild, auf dem die Schiffe und die Silhouette der Stadt in gelbes Licht getaucht sind, das auch im Himmel dominiert, der nur an wenigen Stellen ein blasses Blau erkennen lässt. Hier verschwimmen die Übergänge, bis dann im etwa gleichzeitig entstandenen Venezianischen Fest [14] Menschen, Gebäude, Wasser und Luft nur noch schemenhaft erkennbar sind und sich quasi in Auflösung befinden. Ein Fest der Farben – hier wie dort.# Susanna Partsch
1 http://www.sammlung.pinakothek.de/de/ artwork/Qm45RnqxNo/albrecht-altdorfer/ donaulandschaft-mit-schloss-woerth. 2 https://www.gallerieaccademia.it/madonna-colbambino-tra-san-giovanni-battista-e-una-santa. 3 Das Bild war ursprünglich etwa 79 x 114,5 cm groß; auf der anderen Seite befanden sich ebenfalls Musen, Apoll bildete also eher das Zentrum, im Hintergrund war außerdem noch eine Stadt dargestellt; https://www.mfab.hu/artworks/8887/.
Ausstellung Bis 4. Februar 2024 Venezia 500 Die sanfte Revolution der venezianischen Malerei
Katalog Venezia 500. Die sanfte Revolution der venezianischen Malerei Andreas Schumacher (Hrsg.) mit Beiträgen von Theresa Gatarski, Johannes Grave, Chriscinda Henry, Henry Kaap, Annette Kranz, Antonio Mazzotta, Johanna Pawis, Andreas Schumacher, Catherine Whistler in einer deutschen und einer englischen Ausgabe, Klappenbroschur, 256 Seiten und 166 Abbildungen, 21,5 x 26,5 cm, Hirmer Verlag, ISBN 9783777441740 (dt.) / ISBN 9783777441764 (engl.)
Museum Bayerische Staatsgemäldesammlungen Alte Pinakothek Barer Straße 27, 80333 München www.pinakothek.de
Ausstellung bis 10. März 2024 Turner. Three Horizons
Publikation Turner. Ein Lesebuch / Turner. A Reader
4 Für Abbildungen beider Bilder siehe https://www.martinvonwagner-museum.com/ _files/ugd/503737_9a3be86614524488a2f828c9f 4ae7245.pdf.
Karin Althaus/Nicolas Maniu/Matthias Mühling (Hrsg.), mit Texten aus ca. 200 Jahren, einer Einführung von Sam Smiles und einem Nachwort von Amy Concannon, Edition Lenbachhaus 8, 404 Seiten, 102 Abbildungen, ISBN: 9783886452170
5 http://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/RQ4XP7p410 und https://de.wikipedia.org/ wiki/Datei:Isabella_of_Portugal_by_Titian.jpg
Museum Städtische Galerie im Lenbachhaus, Kunstbau, München Der Kunstbau ist eine unterirdische Ausstellungsfläche, die sich im Zwischengeschoss des U-Bahnhofs Königsplatz befindet.
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Die Freiheit des Blicks Skizzenbücher bewahren inspirierte Momente
20 Seiten zwischen braun marmorierten, leicht abgeschabten Buchdeckeln – ein schmales Büchlein, annähernd postkartengroß, sorgte Anfang Dezember 2023 für eine Sensation: Das so genannte „Karlsruher Skizzenbuch“ von Caspar David Friedrich wechselte bei einer Auktion in Berlin für sagenhafte 1,8 Millionen Euro den Besitzer. 33 Naturskizzen in Bleistift und Sepia, entstanden in wenigen Wochen zwischen Mitte April und Anfang Juni 1804, zeigen die Eindrücke, die der seinerzeit 29-jährige Künstler auf seinen Streifzügen in Dresden und Umgebung festhielt. Über seinen Künstlerfreund Georg Friedrich Kersting war das Buch nach Friedrichs Tod in Karlsruher Familienbesitz gelangt und über Generationen behutsam weitergegeben worden. Solche Achtsamkeit ist heute nicht ungewöhnlich, denn mit der zunehmenden künstlerischen Wertschätzung der Handzeichnung ging auch eine Aufwertung von Skizzen und Entwürfen einher.
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„Ich habe den jungen Sommermorgen geküsst.“ Arthur Rimbaud
Zeichnen und Schreiben auf gefalzten, gehefteten oder gebundenen Blättern ist seit Jahrhunderten gebräuchlich, und Skizzenbücher im heutigen Sinne werden wohl seit dem 15. Jahrhundert genutzt. Von Leonardo da Vinci etwa heißt es, dass er schon als junger Künstler zu diesem Zweck stets ein verschließbares Büchlein am Gürtel trug. Im Laufe seines Lebens dürfte er viele solcher Bücher mit Skizzen und Notizen über die Phänomene der sichtbaren Welt gefüllt haben, doch nur wenige davon – wie der Codex Forster in London – sind in ursprünglicher Buchform erhalten. Schnell festgehaltene Impressionen, die direkt vor Ort Ideen, Gedanken und Stimmungen notieren, können später im Atelier als reicher Fundus dienen. Die teils von Regentropfen übersäten Landschaftsaquarelle William Turners sind ebenso berühmt wie Eugène Delacroix‘ Skizzenhefte, die er 1832 auf einer sechsmonatigen Reise nach Marokko und Algerien fast fieberhaft mit Zeichnungen, Aquarellen und Notizen füllte. Von Edvard Munch ist überliefert, dass er zahllose Skizzenbücher in Koffern transportierte, und Ernst Ludwig Kirchner soll über 180 Exemplare angelegt haben. Traurige Berühmtheit erlangte Franz Marcs „Skizzenbuch aus dem Felde“ als künstlerisches Vermächtnis des 1916 in Verdun gefallenen jungen Künstlers.
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Dies sind nur einige von vielen Beispielen, die deutlich zeigen: Skizzenbücher sind kostbar als unentbehrliche Hüter eines sehr privaten, künstlerischen Blicks. Der vielleicht wichtigste Aspekt: Nichts, was in ihnen festgehalten wird, ist per se für einen Betrachter oder gar die Öffentlichkeit bestimmt. Skizzenbücher sind Medien künstlerischer Reflexion, sie zeigen den inspirierten Augenblick, und das Flüchtige und Frische machen den besonderen Reiz der zeichnerischen, intimen Momentaufnahmen aus. Ein Skizzenbuch ist als treuer Begleiter samt Stift stets griffbereit, wenn – wie Ernst Barlach es formulierte – „beim Gang über die Straßen der Bleistift in der Hand vor Ungeduld zu tanzen“ beginnt. Und so kann sich in ihnen Seite für Seite ein ganz persönlicher künstlerischer Kosmos entfalten.
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Spiral-Skizzenbuch Die Seiten aus weißem, voluminiertem Zeichenpapier bieten viel Platz für Arbeiten mit Bleistift, Kohle, Farbstift, Filzschreiber, Pastell, Kreide und Rötel. Mit Ringspirale und Buchdeckeln aus durchgefärbter Hartpappe. 115 g/m2, 160 Seiten, in 5 Formaten verfügbar. Was macht ein gutes Skizzenbuch aus? Das Angebot ist umfangreich, und die Auswahl hängt von den persönlichen Vorlieben ab. Soll es im Atelier für Entwürfe, Farbproben und Ähnliches genutzt werden oder vielmehr unterwegs? Dann sollte ein Skizzenbuch handlich und gut verstaubar sein – kleine direkt in der Jackentasche, größere im Rucksack. Wer draußen arbeitet, im Stehen in der unruhigen Umgebung der Stadt oder in der Landschaft bei jedem Wetter, wird einen festen und strapazierfähigen Einband zu schätzen wissen. Vergleichsweise kleine Formate liegen zudem gut in der Hand und beanspruchen wenig Platz. Besonderes Augenmerk verdient das Papier. Es ist sinnvoll, das Skizzenbuch nach der persönlichen Arbeitsweise auszuwählen: Viele Papiere sind für locker-leichte Bleistiftskizzen wunderbar geeignet. Für mehrlagige Zeichnungen in Fineliner darf das Papier gern strapazierfähig und robust sein, und bei der Arbeit mit Tuschestiften sollte sichergestellt sein, dass die Tusche nicht auf die Rückseite durchschlägt. Wer vor Ort aquarellieren möchte, wird ein gutes Aquarellpapier auswählen, damit die Werke beständig bleiben. Auch die Farbe des Papiers ist entscheidend für den Gesamteindruck: Während sich weiße und chamoisfarbene Papiere auch für farbige Zeichnungen anbieten, eignen sich Skizzenbücher mit grauem oder bräunlichem Papier bevorzugt für monochrome Skizzen, die eventuell noch etwas gehöht werden sollen.#
Malerei, Realisation und Fotografie: Ina Riepe Text: Sabine Burbaum-Machert
Zeichenbuch für Aquarell Fadengeheftetes Zeichenbuch mit leinenbezogenem Einband und radierfestem, leicht strukturiertem Papier. Für Vorzeichnungen mit Bleistift oder Tusche, Nass- und Mixed-Media-Techniken. 240 g/ m², 64 Seiten, erhältlich in 3 Formaten.
Zeichenbücher Die Zeichenbücher mit naturweißem, oberflächengeleimtem Zeichenpapier gibt es in vielen Hoch- und Quer- sowie in quadratischen Formaten – in aufwendiger Fadenheftung gebunden oder als Spiralbindung. 170 g/m², 128 Seiten.
ABT Dual Brush Pen Aquarellierbarer Fasermaler mit Feinspitze (Strichstärke 0,8 mm) und flexibler Pinselspitze zum Aquarellieren, Kalligrafieren, Skizzieren, Illustrieren u. v. m. Sortiment: 107 Farben und ein farbloser Blender.
Aquarell Studio Die Künstler-Aquarellfarbe in Studienqualität erfüllt mit hoher Brillanz und sehr guten maltechnischen Eigenschaften auch professionelle Ansprüche. Besonders ergiebig durch aufwendige Flüssigabfüllung. 24 Farben, davon 16 Einpigmenttöne.
Nuancen machen den Unterschied Bart Koning malt mit Old-Holland-Ölfarbe Bart Koning, geboren 1957 in Amsterdam, lebt und arbeitet in Krefeld. bartkoning.com Porträtfoto: Sophie Koning, alle anderen Fotos: Bart Koning.
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Der Maler taucht seine Pinsel in eine Büchse elfenbeinfarbene Farbe, streicht schön satt die Farbe auf die Fensterrahmen, mühelos, das Fensterglas entlang. Ich schaue zu. Der Perspektive in der Erinnerung zufolge (ich kann gerade über die Fensterbank schauen), bin ich etwa fünf oder sechs Jahre alt. Er gibt mir ein Klümpchen Fensterkitt, es fühlt sich anfangs ein bisschen klebrig an, aber nach ein wenig Kneten wird es allmählich trocken. Meine Hände riechen stark nach Leinöl. Eine Freundin nimmt mich mit in einen Laden, wo neben Schreibwaren auch Malerbedarf verkauft wird. Ich bin sechzehn. Sie sagt, sie möchte gerne mit Ölfarben malen, und fragt mich, welche Farben sie kaufen soll. Wir suchen sieben oder acht Farben aus, dazu noch ein paar Pinsel und eine Leinwand. Zu Hause angekommen, gibt sie mir die ganzen Schätze – sie waren von Anfang an für mich. Ich bin ihr noch immer dankbar. Meine ersten Farben waren von der Marke Talens. Im Lauf der Zeit entwickelt sich die eigene Farbpalette. Man probiert einiges aus, prüft, vergleicht, bis man eine Marke findet, bei der man sich „zu Hause“ fühlt. Für mich ist, neben Konsistenz und Farbauswahl, die Farbstärke sehr wichtig, weil ich die Farbe meist in dünnen Schichten aufbringe und das Material sehr sparsam benutze. Kleine Nuancen können dabei einen großen Unterschied machen, deshalb habe ich mich bei allen Farben für die Marke Old Holland entschieden.# Bart Koning
Links: Landschaft 17, 2023, 18 x 24 cm, Öl auf MDF. Rechts: Fallen Plum, 2023, 23,7 x 23 cm, Öl auf MDF.
46 | Hintergrund | Gold
Göttliches Gold Das edle Metall als Symbol des Himmels in Frühchristentum und Byzanz
Gold spielte in der Kunst immer eine herausragende Rolle. Kultgegenstände, Götterstatuen und Totenmasken wurden schon in der Antike aus diesem edlen Metall gefertigt. Im Frühchristentum begannen dann in Rom und Ravenna die Ausstattungen der Kirchen mit Mosaiken, wobei dem Gold eine besondere Rolle zukam: die der himmlischen Sphäre. Diese Tradition setzte sich vor allem in Byzanz weiter fort, die Gewölbe der Kirchen schimmerten in Gold. Aber das Gold wurde auch anderweitig eingesetzt: bei Ikonen und in der Buchmalerei ebenso wie in anderen Kultgegenständen. Das Wort Mosaik leitet sich auch dem griechischen mousa ab, das Muse oder Kunst bedeutet. Die Griechen und Römer stellten kunstvolle Bodenmosaiken aus kleinen Marmorsteinchen her, tesserae genannt, wobei noch unterschieden wurde zwischen dem Opus tesselatum aus etwa 5–10 mm großen, würfelförmigen Steinen und dem Opus vermiculatum (Würmchen) aus kleineren Steinen. 30 solcher Steinchen oder Würmchen passen auf einen Quadratzentimeter. Sehr schnell verschwanden die figürlichen Fußbodenmosaiken in den ersten christlichen Kirchen und wanderten auf die Wände und in die Gewölbezonen. Sie bestanden jetzt auch nicht mehr ausschließlich aus Stein, sondern vor allem aus verschiedenfarbigem Glas. Besonders wertvoll waren die Glassteine, in die Blattgold eingeschmolzen war. Zu Beginn vor allem für Heiligenscheine eingesetzt, bildeten sie bald den Hintergrund für die Darstellungen der biblischen Geschichten, des Göttlichen, das nicht von dieser Welt war. Den Figuren wurde nicht nur der Boden unter den Füßen weggezogen, sie verloren auch ihre Körperlichkeit. Das stellte kein Unvermögen dar, sondern war eine bewusste Abgrenzung von den irdischen Darstellungen in der Antike. Goldmosaiken aus frühchristlicher Zeit haben sich vor allem in Ravenna erhalten, weil diese Stadt, die 402 Hauptstadt des Westteils des Römischen Reiches geworden war, spätestens um die Mitte des 8. Jahrhunderts an Bedeutung verlor und so die vorher
[1] Phokis, Hosios Lukas, Apsis und Kuppel: Thronende Muttergottes mit Kind; die 12 Apostel, Mosaiken, um 1020, Wikimedia Commons.
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gebauten und ausgestatteten Kirchen kaum mehr Umbauten erfuhren wie beispielsweise in Rom. Und auch wenn hier natürlich nicht alles erhalten ist, ahnt man in den Innenräumen der Kirchen wie San Vitale, welche Prachtentfaltung sich bot.1 In der Hagia Sophia in Konstantinopel wurden die Goldmosaiken so schräg eingesetzt, dass sie das Licht reflektierten und die dunkleren Teile der Kirche beleuchteten. Der gewaltige Kirchenbau aus dem 6. Jahrhundert wurde in seiner Größe erst tausend Jahre später durch den Neubau von St. Peter in Rom übertroffen. Die damaligen Goldmosaiken in Kuppeln und Gewölben bestanden aus einhundertfünfzig Millionen Goldtesserae. Einen ungefähren Eindruck der damaligen Pracht erfährt man heute im Innenraum von San Marco in Venedig, dieser im Vergleich zur Hagia Sophia nicht annähernd so großen Kirche, in der sich der von byzantinischen Künstlern ausgeführte Mosaikschmuck großenteils erhalten hat.2
welchen handwerklichen Fähigkeiten sie verlegt wurden, sieht man in Detailaufnahmen oder natürlich vor Ort. Schaut man sich das Detail aus der Taufe Christi mit der Hand Gottes und der fliegenden Taube im Kloster Daphni in Athen an, sieht man nicht nur, wie akkurat die Steinchen nebeneinandergesetzt sind, sondern auch die Effekte, die durch die Verbindung von Glas- und Marmorsteinchen [2] hervorgerufen werden.
Andere Kirchen, bei denen die Mosaikdekoration erhalten ist und der Goldgrund eine maßgebliche Rolle spielt, befinden sich in Griechenland. In Phokis kann man in der dem Apostel Lukas geweihten Kirche Hosios Lukas erahnen, welch eine Prachtentfaltung sich den Gläubigen darbot, wenn sie eine solche Kirche betraten [1].3 Wie kleinteilig solche Mosaiksteinchen waren, mit
Doch das Blattgold wurde nicht nur in die Glassteinchen eingeschmolzen, sondern auch als Hintergrund bei Ikonen und Buchmalereien verwendet. Im Katharinenkloster auf dem Sinai haben sich etwa 2000 dieser Heiligenbilder erhalten, darunter die ältesten überhaupt. Viele von ihnen besitzen einen goldenen Grund, so auch die etwas untypische Ikone mit der Himmelsleiter, auf der Mönche versuchen, in den Himmel zu gelangen. Doch nicht alle halten sich an die tugendhaften Regeln und werden deshalb von Dämonen daran gehindert, weiter hinaufzusteigen. Besonders die dunkel gekleideten Mönche und die schwarzen Dämonen heben sich von dem die gesamte Tafel bedeckenden Goldgrund ab [3], den die Leiter lediglich diagonal durchschneidet und der nur in den Ecken von Engeln, Christus und weiteren Mönchen verdeckt wird.
[2] Athen, Daphni, Gewölbezone: Taufe Christi, Detail, Mosaiken, um 1080, Wikimedia Commons. [3] Sinai, Katharinenkloster, Ikone: Mönchsleiter, 12./13. Jahrhundert, Holz, Blattgold, 41 x 29,3 cm, Wikimedia Commons.
48 | Hintergrund | Gold
Ebenso wie es sehr viele Ikonen mit goldenen Hintergründen gibt, finden sie sich auch in den Prachthandschriften aus byzantinischer Zeit wie dem Pariser Psalter aus dem 10. Jahrhundert 4 oder den Marienhomilien des Jakobos von Kokkinobaphos aus dem 12. Jahrhundert.5 In jedem Fall symbolisiert das Gold die himmlische Sphäre und damit das Göttliche schlechthin. Eine der großartigsten Goldschmiedearbeiten befindet sich im Markusdom in Venedig [4]. Die Pala d‘oro ist eine Altartafel, die aus einzelnen emaillierten Goldplatten besteht, die aus unterschiedlichen Zeiten stammen und verschieden montiert wurden. Von 1105 stammt der größte Teil der Tafel, die 1209 um die Szenen der Passion Christi ergänzt wurde. 1342–45 wurde dann der gotische Rahmen geschaffen, der mit Edelsteinen6 besetzt ist. In die goldene Rahmung sind auch zahlreiche Büsten integriert.
Heute befindet sich die Pala d‘oro auf der Rückseite des Hauptaltars, der dem heiligen Markus geweiht ist, dessen Legende in den zehn quadratischen Feldern zu sehen ist, die den unteren Teil rechts und links abschließen. Diese Darstellungen sowie die anderen Figuren und Geschichten, die die einzelnen goldenen Platten zieren, wurden in Byzanz gefertigt, lediglich der Rahmen ist eine venezianische Arbeit, die wahrscheinlich von dem sonst unbekannten Goldschmied Giovanni Paolo Bonesegna und seiner Werkstatt ausgeführt wurde. Die Pala d‘oro, bei der schon der Name auf das Gold verweist, zeigt neben der Markuslegende vor allem Christus, die Evangelisten, Engel, Apostel und Propheten und damit biblische Figuren, die den Himmel bevölkern. Insofern ist es nur logisch, dass Hintergrund und Rahmung aus Gold bestehen. Denn der Glaube an
[4] Venedig, San Marco: Pala d'oro, 1105–1345, Gold, Silber, Email, Edelsteine über einem Holzkern, 140 x 340 cm, Wikimedia Commons.
Christus und die Heiligen, allen voran den Schutzheiligen von Venedig, den heiligen Markus, ist Voraussetzung für den Eintritt in das Himmlische Jerusalem. Hinzu kommt, dass das Gold auch das Licht symbolisiert und damit sowohl den Beginn der Schöpfung als auch Christus, „das Licht der Welt“, als das er sich selbst bezeichnet.7 Doch natürlich war die Pala d‘oro auch ein Statussymbol. Von einem Dogen, also dem Staatsoberhaupt Venedigs 1105 in Byzanz bestellt, nach der Eroberung Konstantinopels durch die Venezianer 1204 mit Trophäen aus dem Kriegszug unter einem anderen Dogen erweitert, erteilte ein dritter Doge den Auftrag zur Neumontierung und Rahmung dieser Altartafel, die auf den Hauptaltar der Staatskirche Venedigs gehörte und immer noch gehört. Das himmlische Gold diente nicht nur bei der Pala d'oro, sondern auch als Mosaik und als Hintergrund bei den Ikonen und in der Buchmalerei auch einem ganz profanen Zweck: der Repräsentation von Reichtum und Macht.# Susanna Partsch
1 https://commons.wikimedia.org/wiki/San_Vitale_(Ravenna)?uselang=de#Mosaics. 2 https://de.wikipedia.org/wiki/Markusdom#/media/Datei:Markusdom_Innenraum_von_der_Empore.jpg. 3 Da hier das Material Gold behandelt wird, kann nicht auf das mittelbyzantinische Dekorationssystem eingegangen werden, das die politische Hierarchie auf die himmlische übertrug. 4 Paris, Bibliothèque Nationale, MS gr. 139 (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10515446x/ f894.planchecontact). 5 Ein Exemplar befindet sich in Rom: Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. gr. 1162; ein weiteres in Paris: Bibliothèque National, Ms. gr. 1208 (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b55013447b/ f1.planchecontact). 6 Die 1927 Edelsteine wurden bei einer Restaurierung im 19. Jahrhundert durch weitere ergänzt, sodass man einerseits die ursprüngliche Zahl liest, dann aber auch, dass es sich um 2486 Steine handelt. 7 Johannes 8,12: „Ich bin das Licht der Welt.“
Vermeers Farben Schon die niederländischen Meister des Goldenen Zeitalters verwendeten Farben von Old Holland. Die Premium-Ölfarben werden seit 1664 nach traditionellem Rezept hergestellt und sind eine feine Mischung von reinen Pigmenten mit kaltgepresstem Windmühlen-Leinöl.
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Acrylfarben selbst herstellen Man wünscht sich für ein Projekt in Acryl eine besondere Farbstimmung und möchte sich ungern mit Kompromissen zufriedengeben, doch der Blick auf die zur Verfügung stehende Palette ist eher ernüchternd. Die Lösung des Problems liegt nahe: In Eigenregie lässt sich zielgenau der Wunschfarbton oder gleich eine ganze Farbrange herstellen.
Hier illustriert eine Flächenmalerei auf kreidegrundierten Malkartons die Möglichkeiten selbst hergestellter Töne. Dazu benötigt man nur wenige Mittel – Pigmente, Acryl-Binder und etwas Kreide, dazu Gefäße zum Anrühren und dicht verschließbare, kleine Behälter zur Aufbewahrung. Allerdings sollten die Farben nur in kleinen Mengen zum baldigen Verbrauch und nicht mit Blick auf eine längere Bevorratung hergestellt werden, da sie vergleichsweise rasch eintrocknen.
Kreide ist ein wichtiger Bestandteil der selbstgemachten Acrylfarbe, da sie für Homogenisierung und streifenfreien Auftrag in der Fläche sorgt. Die Kreide wird zunächst in wenig Wasser eingesumpft und anschließend in kleiner Menge dem Acryl-Binder hinzugefügt. Wenn diese beiden Grundbestandteile gut miteinander verbunden sind, kommen die Pigmente an die Reihe: Pur oder gemischt, aber immer allmählich Schritt für Schritt hinzugefügt, lassen sie den gewünschten Farbton entstehen. Sollte die Farbe zu pastos geraten, kann sie mit etwas Wasser oder zusätzlichem Binder verdünnt werden.
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Chirico Novità Stabile, 4 mm starke HDF-Malplatte, kaschiert mit grundiertem Baumwollgewebe (280 g/m²) In 13 Größen
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Acryl-Binder Der Reinacrylat-Binder zur Herstellung von Acrylfarben, Grundierungen und Hilfsmitteln trocknet klar auf, und ist nach dem Trocken wasserunlöslich. Glänzend und matt, in 250 ml und 750 ml Wenn mehrere Farben hergestellt werden sollen, ist es empfehlenswert, sich zunächst auf die Basisfarben zu konzentrieren, aus denen viele unterschiedliche Farbtöne herausgemischt werden können. Eine Grundpalette sollte Rot, Blau und Gelb, Schwarz und Weiß sowie das eine oder andere Erdpigment wie Ocker oder Umbra beinhalten. Doch natürlich kann auch jeder gewünschte Farbton separat nach Bedarf angerührt werden. Die Farbfantasie kennt also keine Grenzen – ein Versuch lohnt sich! #
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Lichtgetränkte Farbwelten Als er sich der vielfarbigen Malerei zuwandte, stand er im 60. Lebensjahr und blickte auf ein umfangreiches und vielgestaltiges künstlerisches Gesamtwerk. Heinz Mack, geboren 1931 in Lollar und 1957 Mitbegründer der Gruppe ZERO, widmet sich seit seinen Anfängen der gegenstandslosen Kunst. Das Licht ist sein zentrales Thema, und das außerordentlich facettenreiche Œuvre des Künstlers umfasst Skulpturen, darunter monumentale Arbeiten im öffentlichen Raum, Lichtarbeiten (etwa Reliefs, Kuben, Rotoren und Stelen), Malerei, Zeichnungen, Pastelle, Druckgrafik, Mosaike, Keramiken oder Bühnenbildner – und damit sind längst nicht alle Bereiche seines Schaffens erfasst. Nach einer Pause von über dreißig Jahren widmet er sich seit 1991 wieder intensiv der Malerei, und nun präsentiert Heinz Mack gleichsam als Quintessenz seine „Chromatischen Konstellationen“ in einem prachtvollen Bildband, der im Hirmer Verlag erschienen ist: „Mack. Malerei“ zeigt ein eindrucksvolles Werk, wiederum von Licht durchflutet, wenngleich auf eine völlig andere Weise: Heinz Mack überführt größtmögliche Reinheit der Farbe, Licht und Immaterialität in ein breites Spektrum an Farbfolgen und Strukturen. „Meine ‚Chromatischen Konstellationen‘ zeigen die Farben als Licht und das Licht als Farbe; sie haben keine Schatten! Warum zwei Farben sich
[1] Prof. Heinz Mack kurz nach seinem 90. Geburtstag im Jahr 2021, Foto: Archiv Heinz Mack.
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„Das Glück, welches mir Farben bereiten, lässt sich durch kein anderes ersetzen“. Heinz Mack
lieben und zwei andere nicht, bleibt ein Rätsel. Kommt dann eine dritte hinzu, können zwei unverträgliche Farben auf einmal Freunde werden“, erläutert der Künstler selbst in seinem einleitenden Kapitel „Das Primat der Farbe“. „Erscheinen noch weitere Farben auf der Bildfläche, von unterschiedlicher Intensität und Dichte, die einen lauter, die anderen leiser, so entsteht eine Art Familie; deren verwandtschaftliche Beziehungen nenne ich eine Eigenschaft der ‚Chromatischen Konstellation‘. Diese ist von einem spektralen Ordnungsverhältnis bestimmt, das immer wieder neu gesucht und gefunden werden muss, um zu einer Harmonie zu führen.“ Wie Robert Fleck, Experte für das Schaffen Macks und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, in seinem Essay erläutert, benennt diese Bezeichnung flache Bildräume, die sich aus monochromen Flächen zusammensetzen: „Die ‚Chromatischen Konstellationen‘ sind rein malerisch gedacht. Sie setzen nicht bildhauerische Problematiken und Verfahren in das zweidimensionale Medium um“, so Fleck. „Die unabhängige Parallelität beider Bereiche, der Bildhauerei, aus der heraus Mack von Anfang an sein Kunstwollen definierte, und der Malerei, die er seit 1991 mit den „Chromatischen Konstellationen“ wieder aufgreift, kennzeichnet dieses Œuvre.“ Mit den Werken und Texten in seinem neuen Buch gibt Heinz Mack profunden Einblick in sein Schaffen und seine Gedankenwelt. Und beim Umblättern der farbdurchfluteten Seiten wundert es nicht, dass ein wesentlicher Gedanke sowohl das Vorsatzpapier als auch die beschließenden Seiten prägt: „Was wäre unsere Welt ohne Farbe …“.#
[2] Heinz Mack, Großes Spektrum, 2012, Archiv Mack, VG Bild-Kunst, Bonn 2024 / Heinz Mack.
Mack. Malerei Robert Fleck, Heinz Mack, geb., 280 S., 214 Abb. in Farbe, 24 x 27 cm, Hirmer, ISBN 9783777440583, EUR 34, 90 (D), EUR 35,90 (A)
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Kunst vertieft die Wahrnehmung Wahrnehmung ist die Grundlage aller menschlicher Erfahrung. Aber sehen wir im Hinblick auf die visuelle Wahrnehmung die Welt so, wie sie wirklich ist? Was sehe ich, wenn ich sehe? Ist es die Projektion meiner Vorstellung auf den Gegenstand oder ist es der Gegenstand selbst, der sich zeigt? Überlegungen dazu, was, bzw. wie wir sehen sind für Künstler:innen und Kunsthistoriker:innen von besonderer Bedeutung. In der Reihe „Kunst sehen“ wird der Prozess des Anschauens lebendig.
Michelangelo, David, 1501–1504, Marmor, Höhe 517 cm, Florenz, Galleria dell’Accademia, Foto: Jörg Bittner, Unna / Wikimedia Commons. „Starrer Stein ist es und trotzdem hat es den Anschein der Belebtheit, der Durchdrungenheit, der inneren Tiefe, der Ponderation, der Lebendigkeit“, so Michael Bockemühl. „Alles das ist mitgedacht, von uns hinzugefügt. Den Begriff des „Leibes“ bringen wir erst mit, aber es ist nicht ein Leib, sondern Stein. Und dann fragt man sich wie Michelangelo das wohl herausgearbeitet hat, zumal der Marmorblock schon behauen war, als er ihn im September 1501 zu bearbeiten anfing.“
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„Wenn wir uns mit der Kunstgeschichte auseinandersetzen und Wissen über die Künstler:innen und ihre Werke erwerben, können wir feststellen, dass sich das auch auf unseren Blick auswirkt. Wissen beeinflusst unser Sehen“, schreibt David Hornemann von Laer, Herausgeber der Reihe „Kunst sehen“, die gerade wieder mit zwei neu erschienenen Bänden den Blick auf die Themen Sehen und Wahrnehmen richtet. „So weit, so nachvollziehbar. Schließlich ist unser ganzes Bildungssystem darauf ausgerichtet, dass wir uns Wissen aneignen und dieses auf unsere Um- und Mitwelt anwenden gemäß der Maxime: ‚Man sieht nur, was man weiß.‘“ – Folglich „sind wir es im Alltag gewohnt, alles, was wir wahrnehmen, auch sofort benennen und einordnen zu können“. Der Kunsthistoriker Max Imdahl (1925–1988) nannte eine solche Art des Sehens das „wiedererkennende Sehen“. Es bezeichnet ein „normales, zur Gewohnheit gewordenes Gegenstandssehen“ und steht für eine Haltung, die „ein im Sehenden schon vorgefaßtes Konzept“ einlöst. Im Unterschied dazu steht das von Imdahl sogenannte „sehende Sehen“, das sich bei der Bildbetrachtung eben nicht auf schon vorgegebene Konzepte bezieht, sondern Teile einer Bildkonstruktion als „optisch autonome, immanent geregelte“ begreift. Für Imdahl ist die genaue Bestimmung des variablen Verhältnisses zwischen den beiden Sichtweisen von besonderem Interesse, seine Analysemethoden entwickelt und überprüft er immer am konkreten Werk. Sehen benötigt Zeit. Das wissen wir. Wir wissen es auch dann ganz genau, wenn wir nur kurz vor einem Kunstwerk innehalten, um uns sogleich zu vergewissern: Wie lauten die Eckdaten Urheber, Titel, Material, Entstehungsjahr? Wir spüren, dass wir einem Kunstwerk nicht gerecht werden, wenn der Blick nach einem kurzen Moment weg vom betrachteten Objekt hin zu den Werkangaben springt, wenn sich die Konzentration vom sehenden Sehen verlagert und die bekannten Muster des wiedererkennenden Sehens einlösen möchte. Geschätzt sind es fünf Sekunden, die Museumsbesucher im Durchschnitt mit dem Betrachten von Kunstwerken verbringen ... Neben Zeit erfordert ein tieferes Wahrnehmen von Kunst darüber hinaus Interesse und Übung. Der Kunstwissenschaftler Michael Bockemühl (1943–2009) zeigt in seiner Vorlesungsreihe „Kunst sehen“, die er in den 1990er-Jahren in Kenntnis der und in Anlehnung an die Imdahl’schen Ausführungen über das Sehen an der Universität Witten/Herdecke hielt, wie diese in die Praxis überführt werden können. In jedem seiner öffentlichen Vorträge widmet er sich einer Epoche oder einem Künstler, lässt die Zu-
Auguste Rodin, Danaide, 1890, Marmor, 36 x 71 x 53 cm, Musée Rodin, Paris, Foto: Penta Springs Limited / Alamy Stock Foto. „Normalerweise“, so Michael Bockemühl, „sind wir nicht in der Lage, hier nur den Stein zu sehen, denn man sieht Muskeln, Haut, eine weibliche Gestalt und fließende Haare. (...) die Perfektion, wie dieser Körper dargestellt wurde, ist ungeheuerlich: ein Körper in einer bestimmten Aktion, den wir durch spezifische Haltung, die Anspannung bestimmter Muskelpartien und das Licht- und Schattenspiel ganz exakt vor uns zu haben meinen. Dadurch entsteht unweigerlich der Eindruck einer vollkommenen anatomischen Einheit. Doch was überwiegt: die Gestalt aus Marmor oder das Wissen von dieser Gestalt?“
hörenden an den Prozessen teilhaben, in denen er sich den Werken sehend, anschauend, wahrnehmend nähert, und gibt seine daraus resultierenden Erkenntnisse weiter. „Professor Bockemühl breitet in seinen Vorlesungen weniger sein Wissen, sondern vielmehr eine Fülle von Beobachtungsmöglichkeiten aus, die es uns erlauben, die im Sehen erlebbaren Bewusstseinsprozesse mehr und mehr zu erfassen. Durch eine spezifische Folge ausgewählter Kunstwerke werden wir für das eigene Erleben im Prozess des Anschauens sensibilisiert. So können sich Schritt für Schritt die gewohnten Wahrnehmungs- und Erkenntnisgrenzen im Bewusstsein erweitern,“ schreibt sein Schüler David Hornemann von Laer. Seit einigen Jahren gibt er beim info3 Verlag die Wahrnehmungskunst Michael Bockemühls heraus: Er hat dessen Vorträge zu den einzelnen Themenfeldern, die damals aufgezeichnet wurden, jeweils transkribieren lassen und gut lessowie nachvollziehbar als eigenständige Bände in der Publikati-
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„Was man mit der größten Arbeit und mit dem größten Fleiß, im Schweiße seines Angesichts zu erreichen suchen soll, ist, dass alles, was man mit größter Mühe hervorbringt, so aussehe, als sei es schnell, fast ohne Anstrengung, ja mit größter Leichtigkeit hingeworfen – der Wahrheit zum Trotz.“ Michelangelo
Kunst sehen – Michelangelo Michael Bockemühl, David Hornemann von Laer (Hrsg.), Band 16, 112 S., zahlr. Abb., 21 x 27 cm, dt., Klappenbroschur, info3 Verlag 2023, ISBN 9783957790781, EUR 16,80 (D), EUR 17,30 (A)
onsreihe „Kunst sehen“ lebendig gehalten. Ergänzt werden die Bücher durch herausragendes Bildmaterial, das etwa bei Skulpturen Ansichten aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeigt. Die Publikationen inspirieren dazu, Kunst neu zu erleben, denn, so Hornemann, „die Kunst wird nur dann wirksam, wenn wir beim Sehen aktiv werden.“ Das Problem, das das bloße Schauen eines Kunstwerks mit sich bringt, hat Michael Bockemühl selbst so umschrieben: „... setzen Sie sich einmal vor ein Bild oder eine Plastik und sehen Sie sich diese einfach nur an. Das ist ein ungeheuer spannender Vorgang – nur hält man das kaum länger als fünf Minuten aus, ohne gleich wieder klug zu werden. Das Klug-Werden ist natürlich ein ungeheurer Vorteil und ein Kulturgewinn, aber wir halten es nicht aus, nur zu sehen, denn wir verlieren dabei das Bewusstsein. Wir schlafen ein und sind beim Sehen nicht mehr bei uns, sondern bei den Dingen.“ Um sich einem Werk konzentriert zu nähern, es zu erschließen und Erkenntnisse zu gewinnen, leiteten ihn daher vier konkrete Fragen, fasst Mike Kauschke im Online-Magazin „Netzwerk ethikheute“ (ethik-heute.org) zusammen:
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„Was fällt auf?“ Was sehe ich in der Begegnung mit einem Kunstwerk (Form, Struktur, Farbe)?
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„Wie bewegt sich mein Blick?“ Wie wird das Sehen entlang der Formen und Linien eines Bildes oder einer Skulptur geleitet?
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„Wie tritt das Kunstwerk mit mir in Beziehung?“ Was erregt meine Aufmerksamkeit? Was macht mich unsicher? Was verändert sich, wenn ich unterschiedliche Perspektiven einnehme?
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„Was bewegt sich in mir?“ Was regt sich in mir durch die Betrachtung des Werkes als Frage, Gedanke, Reflexion, Empfindung, Assoziation?
Bockemühls Sprache ist lebhaft, mitreißend, anregend. Die Texte sind inhaltlich wie sprachlich auf der Höhe der heutigen Zeit. Mit jedem Band eröffnen sich weitere Aspekte des Wahrnehmens, eröffnen die Möglichkeit, das Sehen von Kunstwerken zu üben. Auf dieser Basis lassen sich dann sicherlich Werke von Künstlerinnen erschließen und solche aus anderen Kulturkreisen. Denn, so viel Kritik muss sein, daran mangelt es der Reihe. Aktuell sind die Bände 16 (Michelangelo) und 17 (Rodin) erschienen. In der Abfolge der Vorlesungen beschreibt Bockemühl: „Nach Michelangelo gab es eine jahrhundertelange Pause, bis mit Rodin jemand auftrat, der eine Art Wendepunkt zur Kunst der Moderne markierte. (...) In der Vorlesung zu Michelangelo hatten wir versucht uns darüber klar zu werden, in welchem Verhältnis die Idee, das Gedankliche, das man als Konzept fassen kann, zu dem Material steht, in dem es sichtbar wird. Wie also das, was der
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Künstler darstellen will, im Stein zum Ausdruck kommt. (...) Die Frage nach der plastischen Erfahrung ist immer auch die Frage danach, welche plastische Erfahrung wir an der menschlichen Gestalt machen, wie wir uns als menschliche Gestalt fassen können. Rodin würde sich diese Frage ganz anders als Michelangelo stellen. (...) Der Künstler muss sich entscheiden, worauf er hinauswill. Und da ist es natürlich verheerend, wenn das, was er tut, vom Aussehen her schon nicht dem entspricht, was die Zeit erwartet.“ In Hinblick auf Rodin untersucht Bockemühl die Frage, „ob wir es mit einem Abbild des Äußeren oder mit einer Ausdrucksgebärde zu tun haben, die das, was man in sich trägt, zum Vorschein bringt.“ „Welche Chancen hat ein Kunstwerk für das Entdecken unserer eigenen Sinne?“ ist die Rodin-Vorlesung überschrieben. Die Kunst, die selbst einer vertieften Sehfähigkeit entspringt, kann unser eigenes Sehen vertiefen. Sie öffnet die Augen für unsere Augen und hilft uns, die Dimensionen des eigenen Sehens (Wahrnehmens) zu entdecken. Auf den Punkt gebracht formuliert Hornemann von Laer es so: „Wenn wir mit unseren Augen nur zu bestätigen suchen, was wir schon wissen, spielt unser Sehsinn eine untergeordnete Rolle. Wenn wir hingegen ernst nehmen, dass wir letztlich nur wissen, was wir auch wahrnehmen können, so rückt das Sichtbare mehr in den Vordergrund. Ein verändertes Sehen kann unseren Blick auf das Leben als Ganzes verändern. Die Kunstbetrachtung bietet eine Orientierung, um sich nicht darin zu verlieren, sondern sich selbst als schöpferisch wahrzunehmen, auch wenn wir ‚nur‘ schauen. Darin können wir spüren: Da passiert nicht nur die Welt um mich herum, sondern ich bin auch ein wesentlicher Teil davon und kann sie mitgestalten.“
„Kunst ist Kontemplation. Sie ist das Vergnügen des Geistes, der die Natur erforscht und in ihr den Geist erahnt, von dem sie selbst beseelt ist. Sie ist die Freude des Verstandes, der mit offenen Augen ins Universum schaut, indem er es mit Bewusstsein erleuchtet. Die Kunst ist die erhabenste Aufgabe des Menschen, denn sie ist der Ausdruck des Denkens, das die Welt zu verstehen und verständlich zu machen sucht.“ Auguste Rodin
Die Reihe „Kunst sehen“ richtet sich an Menschen, die ihre Wahrnehmung vertiefen wollen, denn – so Michael Bockemühl: „Man sieht nur, was man weiß – man weiß aber auch nur, was man sieht.“# Anita Brockmann
In der Reihe „Kunst sehen“ sind bereits folgende Bände erschienen: Malerei des 19. Jahrhunderts, Claude Monet, Paul Gauguin, Van Gogh, Paul Cézanne, Pablo Picasso, Wassily Kandinsky, Emil Nolde, Piet Mondrian, Paul Klee, Salvador Dalí, Ad Reinhardt/Mark Rothko/Barnett Newman, Francis Bacon/Cy Twombly, Joseph Beuys, J.M.W. Turner.
Kunst sehen – Rodin Michael Bockemühl, David Hornemann von Laer (Hrsg.), Band 17, 112 S., zahlr. Abb., 21 x 27 cm, dt., Klappenbroschur, info3 Verlag 2023, ISBN 9783957790798, EUR 16,80 (D), EUR 17,30 (A)
Bücher | 63
Ein Fest der Sinne Die Faszination der Menschen für süße bunte Früchte reicht zurück bis in die Antike. Sie wurde in Gedichten und Bildern gefeiert oder man hat viel Mühe darauf verwendet, die Fülle von Arten und Varietäten in eine sinnvolle botanische Ordnung zu bringen.
Britta Teckentrup führt die unterschiedlichsten Traditionen mit wunderschönen Illustrationen zu einem Fest der Sinne zusammen. Ihre Liebe zu Obst und Früchten ist im Garten der Großmutter erwacht: „Der Garten meiner Oma war voll von Obst und Früchten. Meine Schaukel stand im Schatten eines Quittenbaums und meine ersten Kletterübungen machte ich auf dem kleinen Kirschbaum hinter dem Haus. Damals kamen mir die Bäume und der Garten riesig vor. Und es waren die Himbeeren, die ich so liebte – so wie auch heute noch. Aber handelt es sich dabei überhaupt um eine Beere? Heute weiß ich, dass die Himbeere eigentlich gar keine Beere ist, sondern eine Sammelsteinfrucht, so wie auch die Kirsche eine Steinfrucht ist.
Die Kombination aus zeitgemäßen Stillleben mit kenntnisreichinformativen Texten macht aus Britta Teckentrups „Ein Fest von Obst und Früchten“ ein einzigartiges Buch, das immer wieder zum Lesen und Schauen, zum Blättern und Entdecken einlädt.
Über die Autorin Britta Teckentrup (*1969) hat am Central Saint Martins College of Art and Design und am Royal College of Art in London Kunst und Illustration studiert. Sie ist Autorin und Illustratorin zahlreicher erzählender Bilderbücher sowie Sachbilderbücher und ist vielfach ausgezeichnet worden. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Bücher wurden in mehr als 25 Sprachen übersetzt.#
In die Welt von Obst und Früchten einzutauchen ist unwahrscheinlich spannend, ein ästhetischer Genuss. Und meine Begeisterung dafür möchte ich in diesem Buch mit Ihnen teilen.“ Um das zu erreichen, arbeitet Britta Teckentrup mit der Collagetechnik. Die erfolgreiche Illustratorin erzählt in Worten und in wunderschön farbigen Bildern von den süßen Früchten. In ihren Texten trifft Wissenschaftliches auf Historisches, erzählt sie sinnlich von botanischen Besonderheiten und verweist auf die Rolle von Obst und Früchten in Kunst, Literatur und Film. Die stimmungsvoll-poetischen Illustrationen und Gemälde, die sie den Texten gegenüberstellt, zitieren klassische Stillleben, erinnern an die Wandmalereien in Pompeiji und an frühe botanische Darstellungen. Britta Teckentrup beschreibt ihren bildnerischen Arbeitsstil als digitale Collage. Die Strukturen für ihre Illustrationen entstehen durch verschiedene Drucktechniken auf Papier, für die sie in der Regel die Druckwalze und Ölfarben verwendet. Die bedruckten Papiere werden eingescannt und in Photoshop digital ausgeschnitten und überlagert. Ihre so entstandenen Illustrationen von Obst und Früchten verbinden die Tradition des Sujets mit einer modernen Umsetzung. Ein Fest von Obst und Früchten
Illustration © Verlagshaus Jacoby & Stuart / Britta Teckentrup aus: „Ein Fest von Obst und Früchten“.
Britta Teckentrup, 160 S. durchg. farb. Illustr., 18 x 25 cm, geb., dt., Jacoby & Stuart 2023, ISBN 9783964281753, EUR 29,00 (D), EUR 29,90 (A)
64 | Buchtipps
Doppelseiten aus dem Buch.
Mythos, Muskeln, Kriegerinnen Detaillierte Einblicke in ein dynamisches Genre
Masterpieces of Fantasy Art
Das Buch spannt einen weiten Bogen: von den Anfängen 1923, dem Jahr der Veröffentlichung des Weird Tales-Magazins, über die 1960er-Jahre als „Der Herr der Ringe“ neu aufgelegt wurde, Frank Frazetta die Titelbilder von „Conan der Barbar“ illustrierte, Roger Dean Plattencover mit psychedelischen Fantasy-Szenen versah und die 1970er-Jahre, als das Genre mit dem Rollenspiel „Dungeons & Dragons“ den endgültigen Durchbruch erlebte, bis heute.
Dian Hanson, 512 S., zahlr. farb. Abb., 15,6 x 21,7 cm, geb., dt./franz./engl., Taschen 2023, ISBN 9783836593625, EUR 25,00 (D), EUR 25,00 (A)
Die Originalgemälde werden ergänzt durch Entwurfsskizzen, Kalenderblätter, Zeitschriftenund Taschenbuch-Cover. Es würdigt die Meister des Genres wie Frank Frazetta, Philippe Druillet, Jeff Jones, Boris Vallejo, HR Giger und enthält über 100 Künstlerbiografien.
Malen mit Acryl Petra Wolf, Sophie Ilkay, 128 S., zahlr. farb. Abb., 20,5 x 24,1 cm, geb., dt., Edition Michael Fischer 2023, ISBN 9783745913484, EUR 22,00 (D), EUR 22,70 (A), CHF 30,50 (CH) Dieses Buch bietet jeder angehenden Künstlerseele das wichtigste Knowhow zum Starten mit Acryl. 20 Motive können mithilfe der einfachen Anleitungen step by step kreiert werden.
Die Kunst des Zeichnens Masterclass Porträt
Die Kunst des Zeichnens Masterclass Skizzieren
Mein Atelier Aquarellmalerei − Landschaften mit Menschen
Oliver Sin, 160 Seiten, zahlr. Abb., 22,2 x 28,5 cm, geb., dt., frechverlag 2023, ISBN, 9783735881021, EUR 25,00 (D), EUR 25,70 (A), CHF 34,50 (CH)
Alex Hillkurtz, 144 S., zahl. farb. Abb., 22 x 28,5 cm, geb., dt., frechverlag 2023, ISBN 9783735880635, EUR 25,00 (D), EUR 25,70 (A), CHF 34,50 (CH)
Kristina Jurick, 96 S., zahlr. farb. Abb., 22,5 x 27 cm, geb., dt., Christophorus 2023, ISBN 9783862304615, EUR 22,99 (D), EUR 23,70 (A), CHF 31,50 (CH)
Ein moderner Leitfaden für das Zeichnen menschlicher Köpfe und Porträts, der an klassische Methoden der alten Meister anknüpft.
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Buchtipps | 65
Watercolor
Meisterschule Malen
Anastasia Sälinger, 128 S., durchg. farb. Abb., 20,5 x 24,1 cm, Hardcover, dt., Edition Michael Fischer 2022, ISBN 9783745909050, EUR 18,00 (D), EUR 18,50 (A), CHF 24,90 (CH)
304 S., zahlr. farb. Abb., 22,1 x 26,1 cm, geb., dt., Dorling Kindersley Verlag 2023, ISBN 9783831047529, EUR 26,95 (D), EUR 27,80 (A), CHF 36,90 (CH)
Schmales Land Roman Christine Dwyer Hickey, 416 S., 13,2 x 21 cm, dt., geb., Unionsverlag 2023, ISBN 9783293005945, EUR 26,00 (D), EUR 26,80 (A)
KUNST ∙ STOFF Marc Gundel, Lisa Felicitas Mattheis (Hrsg.), 144 S., zahlr. farb. Abb., eingelegtes A 4-Plakat, 21 x 28 cm, geb. mit Relief, dt., Snoeck 2023, ISBN 9783864424113, EUR 39,80 (D), EUR 41,00 (A), CHF 48,50 (CH)
Mit Aquarell-, Acryl- & Ölfarben den eigenen Stil finden. Anschauliche Anleitungen von Profikünstler:innen führen durch mehr als 80 einfache bis anspruchsvolle Techniken: von den Grundlagen der Komposition bis hin zu atmosphärischen Perspektiven, optischen Mischeffekten oder der anspruchsvollen Lasurtechnik.
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Von Kunst leben
Die Farbenfibel
Gold
Handbuch Grafikdesign
Selbstmarketing für bildende Künstler*innen
Wilhelm Ostwald, 72 S., zahlr. farb. Abb., 16 x 22 cm, geb., dt., Favoritenpresse 2023, ISBN 9783968490953, EUR 15,00 (D), EUR 15,00 (A)
Von Tutanchamun bis Andy Warhol
Theo Inglis, 320 S., 250 Abb., 16 x 20 cm, Pappbd., dt., Prestel 2023, ISBN 9783791389899, EUR 28,00 (D), EUR 28,80 (A)
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Wilhelm Ostwald, einer der vielseitigsten und produktivsten deutschen Naturwissenschaftler des 19. und 20. Jahrhunderts, verfasste 1916 seine „Farbenfibel“ und hat sich damit in der Kulturund Wissenschaftsgeschichte einen bleibenden Platz erobert.
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Idee, Gestaltung, Fotografie: Ina Riepe
66 | Labor
Textur und Wirkung
Labor | 67
Die Wahl des Papiers ist ein wesentlicher Faktor bei der Arbeit mit Aquarellfarben. Neben unterschiedlichen Grammaturen und Weißtönen können Feinheiten der Papieroberfläche, die Absorption von Wasser und die Reaktivität mit Aquarellfarben das Endergebnis maßgeblich beeinflussen. Ob man sich für eine glatte, leicht oder grob strukturierte Oberfläche entscheidet, hängt von der gewünschten Textur und Wirkung des Farbauftrages ab. Die Wahl bestimmt, wie das Wasser-Farbgemisch verlaufen wird, ob sich beim Auftrocknen leicht Wasserränder und Ausblühungen bilden, ob sich Farben wieder auswaschen lassen oder beim Lasieren schnell wieder anlösen und vermischen und ob die Farben matt aussehen oder leuchten. Unsere Beispiele zeigen, wie unterschiedlich die Wirkung identischer Farbaufträge auf unterschiedlichen Aquarellpapieren sein kann.
68 | Ausstellung | Modigliani
[1] Liegender Frauenakt mit weißem Kissen, ca. 1917, Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart, © Staatsgalerie Stuttgart.
Ausstellung | Modigliani | 69
Auf den Spuren zeitloser Schönheit
Modigliani in der Staatsgalerie Stuttgart
Er sorgte mit seinen weiblichen Aktdarstellungen für entrüstete Skandale, porträtierte renommierte Künstlerkollegen seiner Zeit und gilt heute als einer der populärsten Vertreter der avantgardistischen Pariser Bohème zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Amedeo Modigliani war in seinem malerischen und bildhauerischen Werk stets auf der Suche nach zeitloser und überkultureller Schönheit – sein Hauptthema war der Mensch. Bis zum 17. März 2024 ist in der Staatsgalerie Stuttgart die Ausstellung „Amedeo Modigliani. Moderne Blicke“ zu sehen, die in Kooperation mit dem Museum Barberini in Potsdam entstanden ist. Die Schau unterzieht das Bild der Frau im Werk Modiglianis einer überraschenden Neubewertung und zeigt seine Arbeiten in einer Gegenüberstellung mit Werken deutschsprachiger Künstler:innen der Klassischen Moderne.
70 | Ausstellung | Modigliani
[2]
[3]
Amedeo Modigliani fühlte sich schon früh zur Kunst hingezogen. Geboren 1884 in Livorno als jüngstes Kind einer jüdischen Familie, wird er vor dem Wechsel auf eine öffentliche Schule von seiner aus Marseille stammenden Mutter Eugenie Garsin unterrichtet, die – nach einem Bankrott des Familienunternehmens – auch für das Auskommen der Familie sorgt. Bereits als Jugendlicher soll er den Wunsch geäußert haben, Maler zu werden. Nach einer Typhus-Erkrankung und wegen eines Lungenleidens bricht er 1898 die Schule ab und nimmt Zeichenunterricht. Um die Jahrhundertwende erkrankt Modigliani an Tuberkulose und verbringt in der Folge einige Zeit zur Erholung in Neapel und an der Amal-
fiküste, reist nach Rom und Florenz und besucht die großen Museen. Ab Mai 1902 studiert er Malerei an der Scuola Libera del Nudo in Florenz, beschäftigt sich intensiv mit der Kunst der Renaissance und widmet sich dem weiblichen Akt. Im Folgejahr studiert er am Instituto di Belle Arti in Venedig, bevor er Anfang 1906 in Paris ein Atelier am Montmartre mietet, in der Nähe des „Bateau-Lavoir“, wo Pablo Picasso und Georges Braque wenig später den Kubismus prägten. Bereits 1907 wird Modigliani Mitglied der Societé des Artistes Indépendants und zeigt sieben Werke beim Salon d’Automne. In
[2] Chaim Soutine, 1915, Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart, © Staatsgalerie Stuttgart. [3] Jeanne Hébuterne sitzend im gelben Pullover, 1919, Ohara Kunstmuseum, Kurashiki, © Ohara Kunstmuseum, Kurashiki.
Ausstellung | Modigliani | 71
der Folge beschäftigt er sich verstärkt mit Bildhauerei und stellt eine Auswahl seiner Skulpturen 1911 im Atelier eines Künstlerfreundes aus. Einige Jahre später kehrt er zur Malerei zurück – die anstrengende und Staub produzierende Arbeit der Bildhauerei war seiner ohnehin angeschlagenen Gesundheit abträglich – und beginnt um 1914, auch Porträts seiner Künstlerfreunde anzufertigen und erste Werke zu verkaufen. Im Sommer 1914 lernt er die englische Journalistin und Schriftstellerin Beatrice Hastings kennen, mit der ihn eine etwa zweijährige, recht turbulente Beziehung verbindet und die er mindesten achtzehnmal porträtiert. 1917 lebt er schließlich mit der jungen Kunststudentin Jeanne Hébouterne
zusammen am Montparnasse, und im gleichen Jahr absolviert er seine erste und einzige Einzelausstellung zu Lebzeiten in der Galerie von Berthe Weill: Im Rahmen der Vernissage erregte vermutlich ein im Schaufenster platzierter weiblicher Akt derartiges Aufsehen, dass die Galeristin alle Akte abhängen musste, um sie vor einer Beschlagnahmung zu bewahren. In seiner letzten Lebensphase widmet sich Modigliani wieder bevorzugt dem Porträt mit dem heute bekannten Spätstil mit gelängten Gesichern und überschlanken Hälsen; seine Lebenspartnerin Jeanne Hébouterne war dabei sein Lieblingsmodell. Ende 1919 erkrankt Modigliani erneut schwer an Tuberkulose und verstirbt am 24. Januar 1920 mit nur
[4] Auf der Seite liegender Frauenakt, 1917, Nahmad Collection, © Nahmad Collection.
72 | Ausstellung | Modigliani
Die Stuttgarter Ausstellung nimmt erstmals auch Modiglianis Frauenpoträts in den Fokus.
35 Jahren an den Folgen einer tuberkulösen Gehirnhautentzündung. Seine Partnerin Jeanne, hochschwanger und bereits Mutter einer kleinen Tochter, nimmt sich daraufhin das Leben. Modigliani wird auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beigesetzt, nachdem seine Künstlerfreunde Geld gesammelt hatten, um die Beisetzung zu finanzieren. Heute zählt Modiglianis „Liegender Akt mit weißem Kissen“ zu den Höhepunkten der Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart. Gemeinsam mit dem Museum Barberini in Potsdam hat es sich
die Staatsgalerie zur Aufgabe gemacht, diese Frauenbildnisse, die lange Zeit in der Tradition des Skandals, als Ausdruck der exzessiven Perspektive eines männlichen Künstlers, gedeutet wurden, nun als Zeugnisse eines sich herausbildenden Selbstbewusstseins der modernen Frau zu begreifen. „Das Genre Akt war vor dem Ersten Weltkrieg ein zentrales Motiv einer jungen Generation“, präzisieren Christiane Lange, Direktorin, und Ortrud Westheider, Direktorin des Museum Barberini, in ihrer Einführung zum Ausstellungskatalog. „Wie die Expressionisten in Wien, Berlin oder Dresden provozierte Modigliani damit auch
[5] Elena Povolozky, 1917, The Phillips Collection Washington, © The Phillips Collection, Washington, DC, Erworben 1949.
Ausstellung | Modigliani | 73
in Paris. Er griff in seiner Serie von Akten Venusdarstellungen der italienischen Renaissance auf und setzte die Tradition bewusst in Kontrast zu den selbstbewussten Persönlichkeiten seiner Modelle, die er durch Anschnitte schockierend nah an die Betrachter rückte.“ Die Ausstellung „Moderne Blicke“ nimmt daher erstmals auch die Porträts von Frauen in den Fokus – Schriftstellerinnen, Modeschöpferinnen, Malerinnen, kurz: Künstlerinnen, die mit ihren Kurzhaarfrisuren und in Männerkleidung wie ein Vorgriff auf die „Neue Frau“ in Art Deco und Neuer Sachlichkeit erscheinen. „Die Ausstellung schlägt eine Brücke von der Emanzipation der Frau als Modell zur Emanzipation der Frau im Kunsthandel (wie Berthe Weill) und der Emanzipation der Frau als Künstlerin (wie Emilie Charmy oder Natalia Gontscharowa)“, sagt Christiane Lange, Direktorin der Staatsgalerie. Von Pablo Picasso über Paula Modersohn-Becker bis hin zu Egon Schiele reichen so die Bezüge eines Werkkomplexes, der häufig und vielleicht zu Unrecht außerhalb der großen Stilrichtungen seiner Zeit (wie des Expressionismus und des Fauvismus) platziert wurde. „Moderne Blicke“ zeigt daher neben rund 50 Gemälden und Zeichnungen von Modigliani auch 30 Werke von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus europäischen und amerikanischen Museumsund Privatsammlungen. „Erstmals weitet eine Ausstellung zu Modigliani den Blick über Paris hinaus, und zeigt Modigliani auch im Dialog mit deutschsprachigen Künstlern wie Lehmbruck, Klimt, Schiele, Kirchner oder Paula ModersohnBecker und verdeutlicht, dass bereits während des Ersten Weltkrieges und nicht erst in den 1920er-Jahren ein ‚zurück zur Figur‘ in verschiedenen europäischen Städten formuliert wurde“, so Kuratorin Nathalie Lachmann. „Modigliani. Moderne Blicke“ ist eine Große Sonderausstellung des Landes Baden-Württemberg und steht unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Italienischen Republik in Deutschland. Sie ist zudem eine Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart und des Museums Barberini in Potsdam, wo sie vom 27. April bis 18. August 2024 zu sehen sein wird.#
Katalog Modigliani. Moderne Blicke Christiane Lange, Ortrud Westheider (Hrsg.), Beiträge von Flavio Fergonzi, Cécile Girardeau, Carolin Heinemann, Peter Kropmanns, Nathalie Lachmann, Christiane Lange, Victoria Noel-Johnson, Beate Söntgen, Jens-Henning Ullner, Ortrud Westheider, Hardcover m. SU, 256 S. mit 200 farbigen Abbildungen, 24 x 30 cm, Prestel, ISBN 9783791377087
Ausstellung Bis 17. März 2024 Modigliani. Moderne Blicke Staatsgalerie Stuttgart Konrad-Adenauer-Straße 30–32, 70173 Stuttgart Tel. +49-(0)711-470400 www.staatsgalerie.de
Ausstellung Vom 27. April bis zum 18. August 2024 Modigliani. Moderne Blicke Museum Barberini Humboldtstraße 5–6, Alter Markt, 14467 Potsdam Tel. 49-(0)331-236014-499 www.museum-barberini.de
74 | Ausstellung | Caspar David Friedrich
Sehübungen für das geistige Auge Am 5. September 1774 wurde Caspar David Friedrich in Greifswald geboren. Der 250. Geburtstag des Romantikers ist Anlass für ein Festjahr in seiner Heimatstadt. Und nicht nur das: Mit drei Ausstellungen demonstrieren die Hamburger Kunsthalle, die Alte Nationalgalerie in Berlin und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dass der Landschaftsmaler all jenen viel zu sagen hat, die auf der Suche sind: nach dem Schönen und Bedeutsamen in der Kunst, vielleicht sogar nach dem Sinn des Lebens.
Im 19. Jahrhundert geriet er vorübergehend in Vergessenheit. Mittlerweile ist unter den deutschen Malern nur Albrecht Dürer berühmter als er: Caspar David Friedrich (1774–1840) begeistert ein breites Publikum und fasziniert Kunstkenner. Seine symbolträchtigen Landschaftsbilder gelten als Inbegriff der Romantik. Im Museum nehmen sie einen Ehrenplatz ein. Und unzählige heimische Wände werden durch Friedrichs Werke – in Form von Reproduktionen – in Projektionsflächen der Sehnsucht verwandelt. Mönch am Meer, Wanderer über dem Nebelmeer, Kreidefelsen auf Rügen, Das Eismeer oder Das Große Gehege bei Dresden – diese und andere ikonische Bilder des Dresdner Malers sind jedoch mehr als stimmungsvolle, oft melancholisch anmutende Landschaftsdarstellungen. Vielmehr hinterließ der fromme Künstler in ihnen ein gemaltes Glaubensbekenntnis. Gott entdeckte er überall in der Natur – vom kleinsten Sandkorn bis zur mächtigen Eiche.
[1] Wanderer über dem Nebelmeer, um 1817, Öl auf Leinwand, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger, Kunstsammlungen, © SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford.
Ausstellung | Caspar David Friedrich | 75
Unterwegs mit Caspar David Friedrich Am 5. September 1774 wurde Caspar David Friedrich in Greifswald geboren. Versteht sich, dass der 250. Geburtstag in der Universitäts- und Hansestadt gebührend gefeiert wird. Ausstellungen, Theater- und Performance-Darbietungen, Lesungen, Vorträge und Konzerte sorgen dafür, dass der wohl berühmteste Sohn der Ostsee-Stadt 2024 noch stärker ins Bewusstsein rückt, als das ohnehin der Fall ist. Im Jubiläumsjahr wird der „Caspar-David-Friedrich-Bildweg“ die Pilger auf den Spuren des Malers besonders magisch anziehen. Von der Langen Straße (hier befindet sich das Caspar-David-Friedrich-Zentrum) führt die Route über das Universitätshauptgebäude (dort erhielt er im Alter von circa 15 Jahren seinen ersten Zeichenunterricht) hinunter zum Stadthafen – majestätische Segelschiffe, die sich dem Ufer nähern, wo Zuschauer sich mit meditativer Andacht in ihren Anblick versenken, zählen zu Friedrichs Lieblingsmotiven. Vom Hafen geht es weiter zum Greifswalder Bodden und zur Ruine des ehemaligen Zisterzienserklosters Eldena, die durch Caspar David Friedrichs Werke weltberühmt geworden ist. Wer sein Gespür für die Wurzeln von Friedrichs Kunst schärfen will, kommt an Greifswald nicht vorbei. Was die Ausstellungen zum 250. Geburtstag des Künstlers angeht, so sind Hamburg, Berlin und Dresden die wichtigsten Stationen. Den Auftakt macht die Hamburger Kunsthalle: Deren Jubiläumsschau „Kunst für eine neue Zeit“ vereint mehr als 60 Gemälde und rund 100 Zeichnungen des Meisters. Flankiert werden diese Exponate zum einen durch Bilder anderer romantischer Künstler (zum Beispiel Carl Gustav Carus, Johan Christian Dahl und Georg Friedrich Kersting), zum anderen durch zeitgenössische Werke, die sich auf Kunst und Naturverständnis von Caspar David Friedrich beziehen; auf den Spuren des Erzromantikers wandeln beispielsweise Julian Charrière, David Claerbout, Olafur Eliasson, Mariele Neudecker, Ulrike Rosenbach und Kehinde Wiley.
Vorliebe für Zweierkonstellation Das zweite Ausstellungshighlight ist von April bis August in der Alten Nationalgalerie in Berlin zu erleben. Unter dem Motto „Unendliche Landschaften“ zeigt das Haus gemeinsam mit dem
Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin mehr als 60 Gemälde und rund 50 Zeichnungen. Berlin ist nicht nur wegen seiner Sammlung von Werken Caspar David Friedrichs prädestiniert für eine herausragende Schau im Jubiläumsjahr: 1906 trug die Nationalgalerie mit ihrer „Deutschen Jahrhundertausstellung“ maßgeblich dazu bei, den damals aus dem kunsthistorischen Gedächtnis nahezu verschwundenen Maler wiederzuentdecken. Zu den Eigenheiten von Friedrichs Kunst zählt, dass er eine Vielzahl von Bildpaaren hervorgebracht hat. Diesem dialektischen Denken und Malen will die Alte Nationalgalerie besondere Aufmerksamkeit widmen. Mit dem Mönch am Meer
[2] Kreidefelsen auf Rügen, 1818, Öl auf Leinwand, Kunst Museum Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart, © Foto: SIK-ISEA, Zürich / Philipp Hitz.
76 | Ausstellung | Caspar David Friedrich
und der Abtei im Eichwald, beide entstanden zwischen 1808 und 1810, besitzt das Museum die berühmtesten Pendants, die Friedrich gemalt hat. Schließlich Dresden, „Wo alles begann“, wie die Staatlichen Kunstsammlungen ihre Jubiläumsschau nicht ganz wahrheitsgemäß betiteln. Immerhin war die Stadt mehr als vier Jahrzehnte Lebensmittelpunkt des Künstlers – mithin Geburtsort seiner Hauptwerke. Im Albertinum treffen seine Werke auf jene Landschaftsbilder aus der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister, die ihn einst inspiriert haben. Von Jakob Ruisdael, Salvatore Rosa und Claude Lorrain empfing Friedrich etliche Anregungen – gleichwohl ist seine Kunst unverwechselbar, gehörte er doch zur Kategorie der Solitäre, die vor allem aus sich selbst schöpfen.
Das Wandern ist des Zeichners Lust Derweil lenkt das Kupferstich-Kabinett im Dresdner Residenzschloss den Blick auf Caspar David Friedrichs künstlerischen Prozess. Das Wandern ist des Zeichners Lust, diese Maxime galt für Friedrich in besonderem Maße. Nicht nur in der Umgebung Dresdens war er häufig mit dem Skizzenblock unterwegs, um jene Naturdetails einzufangen, die später Eingang in seine Gemälde fanden; auch während seiner Reisen ins heimatliche Greifswald, auf die Insel Rügen oder ins Riesengebirge waren Papier und Bleistift unentbehrliche Begleiter. Wenn das Jubiläumsjahr Ende 2024 ausklingt, geht der Hype um Caspar David Friedrich in den USA erst richtig los: Für 2025 plant das New Yorker Metropolitan Museum eine breitangelegte Retrospektive.
[3] Das Große Gehege bei Dresden, 1832, Öl auf Leinwand, Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Jürgen Karpinski.
Ausstellung | Caspar David Friedrich | 77
Um die Ausstellungen zum 250. Geburtstag in einen größeren Kontext einzuordnen, mag es nützlich sein, eine Vorstellung vom Umfang des Werkes und von der Arbeitsweise des Künstlers zu gewinnen. Zum Œuvre gehören Gemälde, Holzschnitte, Radierungen, Aquarelle, Transparente, bildhafte Zeichnungen, Naturstudien, Entwürfe und Zeichenübungen. Circa 300 Gemälde hat Friedrich hinterlassen, außerdem etwa 20 Skizzenbücher, in denen die mehr als 1000 überkommenen Zeichnungen ursprünglich gebündelt waren. Dürfen wir uns also eines breitgestreuten künstlerischen Vermächtnisses erfreuen, so gibt es auch Verlustmeldungen, die traurig stimmen: Beim Brand des Münchner Glaspalastes wurden 1931 über 3000 Kunstwerke zerstört, darunter die komplette Sonderausstellung „Werke deutscher Romantiker von Caspar David Friedrich bis Moritz von Schwind“; neun Bilder Friedrichs fielen damals den Flammen zum Opfer. Und 1945 gingen bei Luftangriffen auf Dresden weitere Werke des Malers verloren.
„Nicht alles lässt sich lehren, nicht alles erlernen und durch bloßes totes Einüben erlangen; denn was eigentlich rein geistiger Natur in der Kunst genannt werden kann, liegt über die engen Schranken des Handwerks hinaus.“ Caspar David Friedrich
[4] Mönch am Meer, 1808–1810, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Foto: Andres Kilger.
78 | Ausstellung | Caspar David Friedrich
Caspar David Friedrich Geboren wurde Caspar David Friedrich 1774 in der Hafenstadt Greifswald, die damals zu Schwedisch-Pommern gehörte. Er war das sechste von zehn Kindern des Talgseifensieders und Talgkerzengießers Adolph Gottlieb Friedrich und dessen Ehefrau, Sophie Dorothea. Friedrich wuchs in Greifswald auf, wo er um 1790 Zeichenunterricht erhielt. 1794–1798 studierte er an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Nach Beendigung des Studiums ließ er sich in Dresden nieder. Mit Sepiablättern verdiente er ab 1800 seinen Lebensunterhalt. Ausgedehnte Reisen und Wanderungen führten den Maler in den nächsten Jahren unter anderem nach Greifswald, Rügen, Nordböhmen, ins Riesengebirge und in den Harz. Der sogenannte Tetschener Altar und die sich an diesem Werk entzündende Kontroverse rückten ihn 1808 erstmals ins Rampenlicht der Kunstöffentlichkeit. 1818 heiratete Caspar David Friedrich die 19 Jahre jüngere Caroline Bommer. 1824 wurde der Maler zum außerordentlichen Professor an der Dresdner Akademie ernannt. 1835 traf ihn ein Schlaganfall mit Lähmungserscheinungen – die Folge war eine erhebliche Einschränkung seiner Produktivität. Caspar David Friedrich starb im Alter von 65 Jahren am 7. Mai 1840 in Dresden und wurde auf dem Trinitatisfriedhof beigesetzt. Während des 19. Jahrhunderts vorübergehend in Vergessenheit geraten, gilt er heute als bedeutendster Maler der Frühromantik.
[6]
Alles ist wichtig Caspar David Friedrich war das Gegenteil von einem impulsiven Maler: Bis ins kleinste Detail sind seine Bilder durchgeplant, ja durchkonstruiert: Dabei benutzte er optische Hilfsmittel und proportionierte seine Kompositionen durch die Anwendung geometrischer Figuren und des Goldenen Schnitts. Klingt nicht gerade romantisch. „Nichts ist Nebensache in einem Bilde“, davon war er überzeugt, „alles gehöret unumgänglich zu einem Ganzen, darf also nicht vernachlässigt werden.“ Beinahe pedantisch der Aufbau der Gemälde: Auf einer feinen, vorgrundierten Leinwand legte er mit dünnem Pinsel oder Rohrfeder die Vorzeichnung an – auch Lineal, Winkel und Reißschiene verpönte er nicht, um Struktur ins Ganze zu bringen. Anschließend wurde lasurartig Farbschicht um Farbschicht aufgetragen. Das Ergebnis: eine makellose, subtil austarierte Bildoberfläche. Sein einziges Manko, eine Schwäche im Figurenzeichnen, fällt angesichts der Wirkmächtigkeit der
[5] Selbstbildnis mit aufgestütztem Arm, um 1802, Feder über Bleistift, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Christoph Irrgang.
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„Nichts ist Nebensache in einem Bilde, alles gehöret unumgänglich zu einem Ganzen, darf also nicht vernachlässigt werden.“ Caspar David Friedrich [7]
Landschaften kaum ins Gewicht. Angesichts eines solchen, gleichsam buchhalterischen Schaffensprozesses verwundert es, dass der Künstler seine Werke weder signiert noch datiert hat. So lässt sich die Entstehungszeit mancher Bilder nur ungefähr beziffern. Bezeichnend auch, dass ihm die Ölskizze nicht lag. Anders als sein Kollege und Freund Johan Christian Dahl, der die farbige Studie, vor dem Naturmotiv rasch und spontan ausgeführt, bei einem Italienaufenthalt kennen- und schätzen gelernt hatte, gab Friedrich 1824 rasch wieder auf, nachdem er einige Versuche in dem ungewohnten Medium unternommen hatte. Spontaneität war sein Ding nicht. Zwar hielt der unablässig Zeichnende bei seinen Wanderungen und Exkursionen eine Vielzahl von Eindrücken fest – Pflanzen, Bäume, Felsen, Wolken, Dorfansichten, Ruinen, Küsten- und Gebirgslandschaften. Doch betrachtete er diese Impressionen bloß als Vorübungen zu den Gemälden. Hier schuf er auf der Basis seiner wirklichkeitsgetreuen Studien eine neue Realität.
So täuschend echt sehen diese Ideallandschaften aus, dass man wetten möchte, es gäbe sie wirklich. Eine Wette, die man verlieren würde. Das Eismeer, den Watzmann oder den Junotempel in Agrigent hat Friedrich niemals mit eigenen Augen gesehen; weder war er in Italien noch in den Alpen und schon gar nicht in Polarregionen. Gleichwohl scheinen seine Darstellungen eine höhere Evidenz zu haben als die realen Schauplätze.
Um ewig zu leben, muss man sich oft dem Tod ergeben Wer nach einem Leitmotiv im Werk Caspar David Friedrichs sucht, wird schnell fündig: Der Tod spielt eine tragende Rolle auf der Bühne seiner Malerei – und im wirklichen Leben. Schon früh wurde er damit konfrontiert: 1787 ertrank sein um ein Jahr jüngerer Bruder Christoffer beim Versuch, den ins Wasser gefallenen Caspar David zu retten. Das Ableben seiner Schwester Dorothea (1808) und des Vaters (1809) traf den Künstler ebenso schwer wie
[6] Das Eismeer, 1823/24, Öl auf Leinwand, Hamburger Kunsthalle, © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford. [7] Der Watzmann, 1824/1825, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Leihgabe der DekaBank, Foto: Andres Kilger.
80 | Ausstellung | Caspar David Friedrich
„Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann förder zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“ Caspar David Friedrich
der Tod seines Malerfreundes Gerhard von Kügelgen: 1820 wurde er von einem Raubmörder erschlagen – zwei Jahre später hat ihm Friedrich mit dem Gemälde Kügelgens Grab ein ehrendes Andenken geschaffen. Eine morbide Grundstimmung, die sein Werk durchzieht, fiel schon den Zeitgenossen auf. Darauf reagierte der Künstler in Form eines Gedichtes: „Warum, die Frag ist oft an mich ergangen / Wählst Du zum Gegenstand der Malerei / So oft den Tod, Vergänglichkeit und Grab? / Um ewig einst zu leben, / muss man
[8] Das Kreuz im Gebirge, Detail, um 1805–1807, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Foto: Reinhard Saczewski.
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sich oft dem Tod ergeben.“ Der Romantiker war also kein perspektivloser Schwarzseher, sondern ein tiefgläubiger Christ. Neben der pantheistischen Weltsicht zeugt davon auch die lutherische Kreuzestheologie, die der Kunsthistoriker Helmut BörschSupan in seinem Werkverzeichnis als ikonografischen Grundton der Bilder ausgemacht hat. Schon ein Frühwerk, das 1807/1808 entstandene Bild Das Kreuz im Gebirge, auch als Tetschener Altar bekannt, konfrontiert uns mit dem Tod. Auf einem verschatteten Felsgipfel ragt ein Kreuz empor. Den Gekreuzigten jedoch können wir nur schemenhaft ausmachen; er wendet sich der untergehenden Sonne im Hintergrund zu. Kreuzesdarstellungen gibt es unzählige in der westlichen Kunst. Das Ungewöhnliche, ja Revolutionäre am Tetschener Altar besteht darin, dass die Kernbotschaft von Tod und Auferstehung hier weniger durch das Kruzifix als durch die Landschaft verkündet wird. Was uns wie eine blanke Selbstverständlichkeit vorkommt, erregte im frühen 19. Jahrhundert Befremden und Kritik. In seinem nachmalig berühmt gewordenen Verriss tadelte der Kammerherr Basilius von Ramdohr, dass bei Friedrich die Landschaft sich anmaße, auf die Altäre zu kriechen.
Websites zum Jubiläum „Caspar David Friedrich zum Jubiläum“ https://cdfriedrich.de/ „250 Jahre Caspar David Friedrich. 2024 in Greifswald“ https://caspardavid250.de/
Ausstellungen Bis 1. April 2024 Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit Hamburger Kunsthalle Glockengießerwall 5, 20095 Hamburg
Vom „Mönch am Meer“ zur Moderne
https://www.hamburger-kunsthalle.de/ ausstellungen/caspar-david-friedrich-0
Noch radikaler Der Mönch am Meer – in seinem jüngst erschienenen Buch „Zauber der Stille“ bezeichnet Florian Illies die düstere Strandszene, die der Künstler nach und nach nahezu leerräumte, als das „vielleicht kühnste Bild“ Friedrichs. Er habe, meint der Kunsthistoriker und Autor, in einem mehrmonatigen Reinigungsprozess alles Entbehrliche entfernt, um „das Zweifeln an Gott, die Nichtigkeit des Einzelnen und seine Verlorenheit angesichts der Urkräfte der Natur“ eindringlich darzustellen. Illies sieht in dem Gemälde, entstanden zwischen 1808 und 1810, zugleich den „Urknall der Romantik“ und den Anfang der „abstrakten Malerei“. Caspar David Friedrich als Vorläufer der Farbfeldmalerei? Hm. In den drei Jahrzehnten, die dem Romantiker verblieben, hat er dem Gegenständlichen und der Schilderung der sichtbaren Welt geflissentlich die Treue gehalten. Ob man dem Künstler gerecht wird, wenn man ihn als Wegbereiter der abstrakten Malerei charakterisiert, darüber kann man diskutieren. Das ist eben das Wunderbare der Kunst von Caspar David Friedrich – und vielleicht der wichtigste Grund ihrer zeitlosen Modernität: Sie präsentiert uns eine symbolische Lesart der Welt, die christlich grundiert und dennoch bedeutungsoffen ist. Wie wir diese Metaphern auslegen, das bleibt uns überlassen.#
19. April bis 4. August 2024 Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften Alte Nationalgalerie Bodestraße 1–3, 10178 Berlin https://www.smb.museum/ausstellungen/ detail/caspar-david-friedrich/
24. August 2024 bis 5. Januar 2025 Caspar David Friedrich. Wo alles begann Staatliche Kunstsammlungen Dresden Albertinum Tzschirnerplatz 2, 01067 Dresden 24. August 2024 bis 17. November 2024 Caspar David Friedrich. Wo alles begann
Jörg Restorff
Staatliche Kunstsammlungen Dresden Kupferstich-Kabinett, Residenzschloss Taschenberg 2, 01067 Dresden https://albertinum.skd.museum/ ausstellungen/ caspar-david-friedrich-wo-alles-begann/
82 | Ausstellung | Günter Fruhtrunk
[1]
[2]
Sehen als Erlebnis Das Werk Günter Fruhtrunks
Klare Linien, geometrische Formen und kontrastreiche Farben: Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit entwickelte Günter Fruhtrunk (1923–1982) mit großer Präzision und faszinierender Beharrlichkeit eine eigene abstrakte Bildsprache, die er über die Jahre in vielfältigen Variationen perfektionierte. Durch den Einsatz mathematischer Methoden, wie geometrischer Berechnungen und Verhältnisgleichungen, erzeugte er optische Täuschungen und ein Gefühl von Bewegung, Vibration und Flimmern in seinen Werken. Es entstanden enorm verdichtete, leuchtende Bilder, die das Sehen
permanent herausfordern. Anlässlich des 100. Geburtstags von Günter Fruhtrunk widmen sich derzeit zwei Ausstellungen seinem Werk: Das Kunstmuseum Bonn zeigt eine umfassende Retrospektive des deutschen Nachkriegskünstlers, die seine Weiterentwicklung anhand von rund 60 Werken aus allen Schaffensphasen in den Blick nimmt. Das Lenbachhaus in München hingegen fokussiert auf Fruhtrunks Pariser Jahre 1954 bis 1967, in denen Fruhtrunks Karriere begann und er inmitten der innovativsten Vertreter der gegenstandsbefreiten Malerei seine eigene Form fand.
[1] Energiezentrum, 1960–1964, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München. Foto: Lenbachhaus, © VG Bild-Kunst Bonn, 2024/Günter Fruhtrunk. [2] Vektoren, 1969/70, Acryl und Kasein auf Leinwand, 193 x 190 cm, Courtesy Sammlung KiCo, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024/Günter Fruhtrunk, Foto: Reni Hansen.
Ausstellung | Günter Fruhtrunk | 83
Ausstellung Bis 10. März 2024 Günter Fruhtrunk. Retrospektive 1952–1982 Die Bonner Ausstellung beleuchtet Fruhtrunks Werkenwicklung in drei großen Bereichen: Sie reflektiert das bislang wenig gezeigte Frühwerk zwischen 1950 und 1954 mit vorwiegend kleinen Formaten, auf denen geometrische Formen frei im Raum schweben und in denen Bild und Motiv noch getrennte Ebenen darstellen. Der zweite Schwerpunkt beschäftigt sich mit den späten 1950er- und 1960er-Jahren, in denen Fruhtrunk seine geschichteten Streifenbilder entwickelte. Hier verschmelzen Bild und Motiv miteinander und die Farbe gewinnt immer deutlicher eine eigenständige Bedeutung. Den Abschluss bilden Werke aus den 1970er- und frühen 1980er-Jahren, in denen sich die Streifenstruktur zu Feldern und Flächen ausbildet und die Emanzipation der Farbe vollständig gelingt. 1970 entstand auch das ikonische blau-weiße Diagonalmuster der Aldi-Nord-Plastiktüte, das Fruhtrunk als Auftragsarbeit für den Aldi-Konzern entwarf und die durch ihre unverbindliche Prägnanz besticht. Die Schau wird vom 26. April 2024 an auch im Museum Wiesbaden zu sehen sein (bis 25. August 2024). Ein Schlaglicht auf die Zeit, in der Fruhtrunks Karriere begann, wirft die Ausstellung im Münchner Lenbachhaus: Während der frühen 1950er-Jahre setzte der Künstler von der französischen Besatzungszone aus alles daran, um in Paris seine eigene Form zu finden. Die Übersiedlung gelingt ihm schließlich 1954 – er sollte dort bis zu seiner Berufung nach München 1967 und darüber hinaus bleiben. Mit äußerster Präzision und Geduld entwickelte Fruhtrunk Bilder, die frei sein sollten von den persönlichen und interpretatorischen Ansprüchen des Künstlers, die nur „artikulierte chromatische Textur mit höchster Lichtkraft“ darstellen wollen. Fruhtrunk ging es um nichts weniger als das „Freisein des Sehens“. Unterstützt wird er in Paris von einflussreichen Veteranen der Vorkriegsavantgarde, vertreten wird er von der Galerie Denise René, in der die kompromisslosesten Vertreter einer konstruktiven Abstraktion versammelt sind. Unermüdlich erweitert Fruhtrunk sein Netzwerk von Künstler:innen, Kritiker:innen, Philosoph:innen und Galerist:innen. Seine ersten Einzelausstellungen finden in Paris, Mailand und Marseille statt, von Frankreich aus erschließt er sich ein deutsches Publikum. Die Ausstellung in München widmet sich dieser brisanten Lebens- und Arbeitsphase Fruhtrunks im Kontext der französisch-deutschen Kunstbeziehungen der 1950er- und 1960er-Jahre. Ca. 40 Werke, mit denen er sich seinerzeit der Öffentlichkeit präsentierte, machen deren Seherlebnis nachvollziehbar.#
Günter Fruhtrunk. Retrospektive 1952-1982 Stephan Berg, Jörg Daur (Hrsg.), Beiträge von Stephan Berg, Jörg Daur, Andreas Henning, Florian Illies, Hardcover, dt./engl., 168 Seiten mit 79 farbigen und s/w Abb., 24 x 30 cm, Wienand Verlag, ISBN 9783868327687
Kunstmuseum Bonn Museumsmeile, Helmut-Kohl-Allee 2 53113 Bonn Tel. +49-(0)228-77-6260 www.kunstmuseum-bonn.de
Ausstellung Bis 7. April 2024 Günter Fruhtrunk, die Pariser Jahre (1954–1967)
Günter Fruhtrunk: Die Pariser Jahre (1954–1967) Susanne Böller und Matthias Mühling (Hrsg.), 263 S. und 191 Abb., Edition Lenbachhaus 9, ISBN 9783886452187
Lenbachhaus München Luisenstraße 33 80333 München Tel. +49-(0)89-23396933 www.lenbachhaus.de
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Deutschland Baden-Baden
Museum Frieder Burda Lichtentaler Allee 8b, 76530 Baden-Baden Tel. +49-(0)7221-398980 www.museum-frieder-burda.de Bis 18. Februar 2024: Nicolas Party. When tomorrow comes. 2. März bis 26. Mai 2024: Impossible. Berlin Josephine Baker by George Hoyningen-Huene, 1929, © George Hoyningen-Huene Estate Archives 26. Januar bis 28. April 2024 Josephine Baker Icon in Motion. Neue Nationalgalerie www.smb.museum
Bode-Museum Am Kupfergraben, 10117 Berlin Tel. +49-(0)30-266424242 www.smb.museum Bis 21. Januar 2024: Spanische Dialoge. Picasso aus dem Museum Berggruen zu Gast im Bode-Museum. Bis 3. März 2024: Theodoulos Polyviou: Screen. A Contemporary Art Intervention. Bis 17. März 2024: Timeless. Contemporary Ukrainian Art in Times of War. Bis 7. April 2024: Ius in nummis. Die Sammlung Thomas Würtenberger.
Gemäldegalerie Matthäikirchplatz, 10785 Berlin Tel. +49-(0)30-266424242 www.smb.museum Bis 3. März 2024: Zoom auf van Eyck. Meisterwerke im Detail. Bis 28. April 2024: Lee Ufan meets Rembrandt.
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart Maurice Biais, Tänzerin Saharet, 1900, Farblithographie, Geschenk Alfred Walter Heymel, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, Kupferstichkabinett Bis 18. Februar 2024 Paris auf Papier. Kunsthalle Bremen www.kunsthalle-bremen.de
Invalidenstraße 50–51, 10557 Berlin Tel. +49-(0)30-266424242 www.smb.museum Bis 14. Januar 2024: Eva Fàbregas. Devouring Lovers. Bis 28. April 2024: Lee Ufan. Bis 7. April 2024: Nadia Kaabi-Linke. Seeing without Light.
Martin-Gropius-Bau Niederkirchnerstr. 7, 10963 Berlin Tel. +49-(0)30-25486-0, www.gropiusbau.de Bis 14. Januar 2024: General Idea. Bis 14. Januar 2024: Pallavi Paul. How Love Moves:
Prelude. Bis 14. Januar 2024: Selma Selman. Her0. Bis 14. Januar 2024: Ether’s Bloom: Ein Programm zu Künstlicher Intelligenz.
Museum für Fotografie Jebensstraße 2, 10623 Berlin Tel. +49-(0)30-26642424 www.smb.museum Bis 21. Januar 2024: Alice Springs. Retrospektive. Bis 28. Januar 2024: Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust.
Neue Nationalgalerie Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin Tel. +49-(0)30-266424242 www.smb.museum Bis 14. Januar 2024: Ulrich Rückriem. 40 Bodenreliefs. Bis 28. September 2025: Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft 1945–2000. Bis 2026: Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin. 26. Januar bis 28. April 2024: Josephine Baker. Icon in Motion. 10. Februar bis 21. April 2024: Lucy Raven. Bonn
Kunstmuseum Bonn Friedrich-Ebert-Allee 2, 53113 Bonn Tel. +49-(0)228-776260 www.kunstmuseum-bonn.de Bis 28. Januar 2024: Ausgezeichnet #7: Helen Verhoeven. Bis 18. Februar 2024: Menschheitsdämmerung. Kunst in Umbruchzeiten. Bis 18. Februar 2024: „Allen Malern herzlichen Dank“. Schenkung Dieter Krieg aus der Sammlung Oehmen. Bis 10. März 2024: Günter Fruhtrunk. Retrospektive 1952–1982.
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Museumsmeile Bonn Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn Tel. +49-(0)228-9171-0 www.bundeskunsthalle.de Bis 7. Januar 2024: Bundespreis für Kunststudierende. Bis 28. Januar 2024: Alles auf einmal: Die Postmoderne, 1967–1992. Bis 17. März 2024: Immanuel Kant und die offenen Fragen. Bis 1. April 2024: Anna Oppermann. Eine Retrospektive.
Bremen
Kunsthalle Bremen Am Wall 207, 28195 Bremen Tel. +49-421-32908-0 www.kunsthalle-bremen.de Bis 11. Februar 2024: U18. Zwischen Dürer und Cage. Bis 18. Februar 2024: Geburtstagsgäste. Monet bis van Gogh. Bis 18. Februar 2024: Paris auf Papier. 9. März bis 14. Juli 2024: Wild! Kinder – Träume –Tiere – Kunst. Düsseldorf
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K 20 Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf Tel. +49-(0)211-8381130 www.kunstsammlung.de Bis 14. Januar 2024: Chaïm Soutine. Gegen den Strom. Bis 16. Juni 2024: Die Sammlung. Befragen und Weiterdenken. 16. März bis 11. August 2024: Hilma af Klint und Wassily Kandinsky. Träume von der Zukunft.
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K 21 Ständehausstraße 1, 40217 Düsseldorf Tel. +49-(0)211-8381204 www.kunstsammlung.de Bis 14. Januar 2024: Isaac Julien. What Freedom Is To Me. Bis 18. Februar 2024: Andrea Büttner. No Fear, No Shame, No Confusion.
Kunstpalast Ehrenhof 4–5, 40479 Düsseldorf Tel. +49-(0)211-8996260 www.kunstpalast.de Bis 7. Januar 2024: Cornelius Völker. Vom Erscheinen und Verschwinden der Dinge. Bis 21. Januar 2024: Tod und Teufel. Faszination des Horrors. 1. Februar bis 20. Mai 2024: Size Matters. Größe in der Fotografie. 22. Februar bis 26. Mai 2024: Tony Cragg. Please touch!
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Duisburg
Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum Friedrich-Wilhelm-Straße 40 47049 Duisburg, Tel. +49-(0)203-2832630 www.lehmbruckmuseum.de Bis 7. Januar 2024: Ein Blick zurück. 100 Jahre Duisburger Künstlerbund. Bis 21. Januar 2024: Surreale Welten. Bis 25. Februar 2024: Alicja Kwade. In Agnosie. Frankfurt
Maruša Sagadin, Luv Birds in toten Winkeln, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2023, Foto: Mareike Tocha Bis 14. Januar 2024 Maruša Sagadin. Schirn Kunsthalle Frankfurt www.schirn.de
Römerberg, 60311 Frankfurt Tel. +49-(0)69-299882-0, www.schirn.de Bis 14. Januar 2024: Maruša Sagadin. Bis 28. Januar 2024: John Akomfrah. Bis 18. Februar 2024: Lyonel Feininger. 29. Februar bis 26. Mai 2024: The Culture. Hip-Hop und zeitgenössische Kunst im 21. Jahrhundert. 21. März bis 9. Juni 2024: Cosima von Bonin.
Kurt-Schwitters-Platz, 30169 Hannover Tel. +49-(0)511-168-43875 www.sprengel-museum.de Bis 14. Januar 2024: Adrian Sauer: Truth Table. Bis 18. Februar 2024: Was hat das mit mir zu tun? Bis 3. März 2024: Christian Retschlag. Hannover – Mont Ventoux. Bis 4. Februar 2024: Sprengel@Feinkunst. Jaq Lisboa: How to be an artist like me. Bis 25. Februar 2024: Fotografien der Moderne.
Städel Museum
Deichtorhallen Hamburg
Haus der Kunst www.hausderkunst.de
Hannover
Sprengel Museum Hannover
Hamburg
Bis 3. März 2024: Meredith Monk. Calling.
Glockengießerwall, 20095 Hamburg Tel. +49-(0)40-428131-200 www.hamburger-kunsthalle.de Bis 25. Februar 2024: Herausragend! Das Relief von Rodin bis Taeuber-Arp. Bis 10. März 2024: Figur und Landschaft. Werke des 19. Jahrhunderts aus zwei Hamburger Privatsammlungen. Bis 1. April 2024: Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit.
Schirn Kunsthalle Frankfurt
Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt Tel. +49-(0)69-6050980 www.staedelmuseum.de Bis 4. Februar 2024: Victor Man. Die Linien des Lebens. Bis 18. Februar 2024: Holbein und die Renaissance im Norden. Bis 14. April 2024: Miron Schmückle. Flesh für Fantasy. 24. Januar bis 12. Mai 2024: Honoré Daumier. Die Sammlung Hellwig. 20. März bis 9. Juni 2024: Kollwitz.
Meredith Monk, Atlas, 1991, Installationsansicht, Haus der Kunst, 2023, Foto: Fritz Beck
Hamburger Kunsthalle
Deichtorstraße 1–2, 20095 Hamburg Tel. +49-(0)40-32103-0 www.deichtorhallen.de Bis 10. Januar 2024: Guck mal, ich zeig Dir was! Bis 21. Januar 2024: Kathrin Linkersdorff (Phoxxi). Bis 3. März 2024: Cindy Sherman. Anti-Fashion (Sammlung Falckenberg). Bis 1. April 2024: Dix und die Gegenwart. 9. Februar bis 11. August 2024: Claudia Andujar. The End of the World.
Köln
Museum Ludwig Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln Tel. +49-(0)221-221-26165 www.museenkoeln.de Bis 28. Januar 2024: Füsun Onur. Retrospektive. Bis 3. März 2024: Walde Huth. Material und Mode. Bis 10. März 2024: 1000 … miles to the edge – Schenkung Kasper König. Bis 17. März 2024: Pablo Picasso Suite 156 mit Kubra Khademi. Bis 7. April 2024: WolfgangHahn-Preis 2023. Francis Alÿs. 9. März bis 13. Oktober 2024: Hier und jetzt im Museum Ludwig. Und gestern und morgen.
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud Obenmarspforten (am Kölner Rathaus) 50667 Köln, Tel. +49-(0)221-221-21119 www.wallraf.museum Bis 18. Februar 2024: Zeichnung im Labor. Papier trägt Kunst. Bis 21. April 2024: Sammlerträume. Sternstunden niederländischer Barockkunst. Bis 27. Oktober 2024: Sensation des Sehens. Die Sammlung Werner Nekes: Vol. 2 Impressionismus.
München
Haus der Kunst Prinzregentenstraße 1, 80538 München Tel. +49-(0)89-21127-113 www.hausderkunst.de Bis 3. März 2024: Meredith Monk. Calling. Bis 10. März 2024: In anderen Räumen. Environments von Künstlerinnen 1956–1976. Bis 10. März 2024: WangShui. Toleranzfenster. Bis 1. April 2024: Martino Gamper. Sitzung.
Alte Pinakothek Barer Straße 27, 80333 München Tel. +49-(0)89-23805-216 www.pinakothek.de Bis 4. Februar 2024: Venezia 500. Die sanfte Revolution der venezianischen Malerei. Von Goya bis Manet. Meisterwerke der Neuen Pinakothek in der Alten Pinakothek.
Pinakothek der Moderne Barer Straße 40, 80333 München Tel. +49-(0)89-23805-360 www.pinakothek.de Bis 31. Dezember 2024: Mix & Match. Die Sammlung neu entdecken. Bis 17. März 2024: Glitch. Die Kunst der Störung. 9. Februar bis 5. Mai 2024: Flatz. Something wrong with physical sculpture.
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München Luisenstraße 33, 80333 München www.lenbachhaus.de Bis 10. März 2024: Turner. Three Horizons. (Kunstbau). Bis 7. April 2024: Günter Fruhtrunk. Die Pariser Jahre (1954–1967). Stuttgart
Staatsgalerie Stuttgart Konrad-Adenauer-Straße 30–32 70173 Stuttgart, Tel. +49-(0)711-47040-0 www.staatsgalerie.de Bis 18. Februar 2024: Images of the Present. Bis 17. März 2024: Modigliani. Moderne Blicke.
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Weil am Rhein
Vitra Design Museum
Niko Pirosmani, Gelage der fünf Fürsten, Öl auf Wachstuch, 104 x 195 cm, Sammlung des Shalva Amiranashvili Museum of Fine Arts of Georgia, Georgisches Nationalmuseum, Tbilissi, © Infinitart Foundation Bis 28. Januar 2024 Niko Pirosmani. Fondation Beyeler www.fondationbeyeler.ch
Charles-Eames-Str. 1, 79576 Weil am Rhein Tel. +49-(0)7621-7023200 www.design-museum.de Bis 3. März 2024: Iwan Baan. Momente der Architektur. Bis 21. April 2024: Tane Garden House. Bis 5. Mai 2024: Colour Rush! Eine Installation von Sabine Marcelis. Wuppertal
Von der Heydt-Museum Turmhof 8, 42103 Wuppertal Tel. +49-(0)202-5636231 www.von-der-heydt-museum.de Bis 7. Januar 2024: Pablo Picasso | Max Beckmann. Mensch – Mythos – Welt. Bis 25. Februar 2024: Ein neuer Blick. Impressionismus in der Sammlung des Von der Heydt-Museums. Bis 25. Februar 2024: Erinna König – Retrospektive. 24. Februar bis 1. September 2024: „Nicht viel zu sehen. Wege der Abstraktion 1920 bis heute“.
Österreich Wien
Albertina Ausstellungsansicht ON STAGE – Kunst als Bühne, mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Foto: Klaus Pichler, © mumok Bis 7. Januar 2024 On Stage. Kunst als Bühne. MUMOK – Museum Moderner Kunst, Stiftung Ludwig Wien www.mumok.at
Albertinaplatz 1, A–1010 Wien www.albertina.at Bis 14. Januar 2024: Michelangelo und die Folgen. Bis 11. Februar 2024: Gottfried Helnwein. Realität und Fiktion. Bis 17. März 2024: Herbert Boeckl – Oskar Kokoschka. Eine Rivalität. Bis 1. April 2024: Katharina Grosse. Warum Drei Töne Kein Dreieck Bilden. Bis 21. April 2024: Joel Sternfeld. American Prospects. 29. Februar bis 5. Mai 2024: 20 Jahre Sammlung Verbund, Wien. 8. März bis 14. Juli 2024: Roy Lichtenstein. A Centennial Exhibition.
Albertina Modern Die Angaben beruhen auf den Informationen der Aussteller. Änderungen nach Redaktionsschluss vorbehalten.
Karlsplatz 5, 1010 Wien Tel. +43-(0)1-534830, www.albertina.at Bis 21. Januar 2024: Österreich – Deutschland. Malerei 1970 bis 2020. 16. Februar bis 18. August 2024: The Beauty of Diversity.
MUMOK – Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien MuseumsQuartier, Museumsplatz 1 A-1070 Wien, Tel. +43-(0)1-525 00 www.mumok.at Bis 7. Januar 2024: Elisabeth Wild. Fantasiefabrik. Bis 7. Januar 2024: Adam Pendleton. Blackness, White, and Light. Bis 7. Januar 2024: On Stage. Kunst als Bühne. Bis 7. Januar 2024: Benoît Piéron. Monstera deliciosa.
Schweiz Basel
Kunstmuseum Basel St. Alban-Graben 16, 4010 Basel Tel. +41-(0)61-2066262 www.kunstmuseumbasel.ch Bis 21. Januar 2024: Matisse, Derain und ihre Freunde. Die Pariser Avantgarde 1904–1908. Bis 28. Januar 2024: Die Basler Künstlergruppe Kreis 48. Bis 4. Februar 2024: Jasper Johns – Der Künstler als Sammler. Von Cézanne bis de Kooning. Bis 18. Februar 2024: Picasso auf Papier. Bis 7. April 2024: Carrie Mae Weems. The Evidence of Things Not Seen. Bis 14. April 2024: Einmalig. Monotypie und Abklatsch. Bis 14. April 2024: Bernard Buffet. Existenzialist und Populärkünstler. Basel/Riehen
Fondation Beyeler Baselstrasse 101, 4125 Riehen/Basel Tel. +41-(0)61-6459700 www.fondationbeyeler.ch Bis 28. Januar 2024: Niko Pirosmani. 28. Januar bis 21. April 2024: Jeff Wall. Zürich
Kunsthaus Zürich Heimplatz 1, 8001 Zürich Tel. +41-(0)44-2538484, www.kunsthaus.ch Bis 14. Januar 2024: Zeit. Von Dürer bis Bonvicini. Bis 21. Januar 2024: Ernst Scheidegger. Fotograf. 9. Februar bis 12. Mai 2024: Barbara Visser. Alreadymade.
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Datum, rechtsverbindliche Unterschrift
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Giovanni und Annetta Giacometti mit ihren vier Kindern Alberto, Diego, Bruno und Ottilia (v.l.n.r.), 1909, Foto: Andrea Garbald, © Arsenal Filmverleih GmbH.
Filmtipp
Die Giacomettis
Auf die Spitze getrieben „Während ein Bleistift dazu dient, die Irrtümer des Lebens zu akzeptieren, so lehrt uns ein frisch angespitzter Bleistift, dass wir immer wieder neu beginnen können und nie die Hoffnung und die Arbeit an einer vollkommenen Spitze aufgeben sollten.“ (aus: Die Kunst, einen Bleistift zu spitzen von David Rees) Mit der formschönen Spitzmaschine von Caran-d’Ache wird kunstvolles Bleistiftspitzen zum kontemplativen Ritual …
Das schroffe Schweizer Bergtal Bergell hat eine außergewöhnliche Künstlerdynastie hervorgebracht: die Giacomettis. Vom Vater Giovanni, der als Impressionist der ersten Stunde gilt, bis zu den Kindern Alberto, Diego, Ottilia und Bruno – sie alle waren mit bemerkenswertem künstlerischem Talent ausgestattet. Allen voran der weltbekannte Bildhauer, Maler und Graveur Alberto Giacometti, der mit seinen schlanken, überlängten Skulpturen neue Akzente der Bildhauerei setzte. Annetta, die strenge Mutter und ruhender Pol im Kreis ihrer Lieben, hielt die Familie im Inneren zusammen. Das familiäre Zusammenleben, eingebettet in die karge alpine Landschaft, schuf eine besondere Voraussetzung für die künstlerische Entfaltung der Giacomettis. Mit dem Dokumentarfilm „Die Giacomettis“, der jetzt im Kino zu sehen ist, begibt sich die Engadiner Regisseurin Susanna Fanzun auf die Spuren der Familie. Meisterhafte Gemälde – gepaart mit Skizzen, persönlichen Briefen, Zeitzeugen und atemberaubenden Aufnahmen der alpinen Landschaft – geben einen Blick frei in diese einmalige Künstlerfamilie.#
Jetzt im Kino!
Kurz notiert | 91
Limitierte Auflage!
Bilder schreiben, Wörter zeichnen Henning Wagenbreth (Hrsg.), 512 S., zahlr. farb. u. s/w Abb., 17,5 x 23,2 cm, geb. m. Lesebändchen, dt., Peter Hammer Verlag 2023, ISBN 9783779507079, EUR 49,00 (D), EUR 50,40 (A)
Der kurze Weg zur Kunst www.instagram.com/ boesner_deutschland/
Mit diesem außergewöhnlich und aufregend gestalteten Buch über das große Potenzial und die wachsende Bedeutung der Illustration stellt Henning Wagenbreth beeindruckend unter Beweis, was sie in verschiedensten Kommunikationsprozessen leisten kann. In 25 Jahren als Professor an der Berliner Universität der Künste hat er in studentischen Arbeiten viele Fallbeispiele intelligenter und zukunftsweisender gestalterischer Lösungen für konkrete Aufgabenstellungen aus den Bereichen der Politik, Kultur, Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft gesammelt, die er hier zugänglich macht. Daneben wurden für das Buch redaktionelle Beiträge entwickelt, die technische Themen behandeln und bedeutende Protagonisten und Publikationen der Illustrationsgeschichte vorstellen.#
www.facebook.com/boesner/ twitter.com/boesner boesner.com/kunstportal www.boesner.com 33 x in Deutschland und 1 x Versandservice 3 x in Österreich 4 x in der Schweiz 5 x in Frankreich
Ordnung im Chaos Viele Kunstschaffende sehen gerade im Chaos das größte kreative Potenzial. Damit dieser Zustand aber nicht dauerhaft die Oberhand gewinnt, ist es sinnvoll, dem Chaos Raum zu geben, indem man es ordnet. Dabei leisten Black Boxes gute Dienste. Die stabilen, haltbaren Aufbewahrungskartons eignen sich sowohl für die Aufbewahrung von Papierarbeiten und Fotos als auch zur Unterbringung verschiedenster Kleinteile und Utensilien.
92 | Farbkasten
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Biete
E-Mail: anzeigen@kunst-und-material.de Post an: boesner GmbH holding + innovations, Kunst+Material – Kleinanzeigen, Gewerkenstraße 2, 58456 Witten.
Biete Via Artis Rom – deutsche Kunsthistoriker/innen bieten Kunstführungen durch das antike Rom – vom Kapitol zum Kolosseum, Sankt Peter + der Vatikan, Museumsbesuche, Abendspaziergang über Roms Plätze, Tagesexkursionen nach Tivoli, Ostia, Pompeji oder Florenz. Oder wollten Sie nur shoppen + gut essen? Was immer Sie suchen, wir führen Sie hin! kunst.spaziergang.rom@gmail.com. Biete meine Aquarelle im Direktverkauf an. Ohne Zwischenhändler und Provision. Info unter www.hattler-atelier.de. Kreative Holzkurse für Kinder: Die Holzklasse Berlin bietet Workshops und Kurse für holz- und werkzeuginteressierte Kinder ab 5 Jahren und vermietet Werkstattflächen für eigene Projekte. Es finden Kurse für Kinderläden, Kitas und Privatpersonen statt. Bei uns findet Ihr tolle Ferienkurse und laufende Kurse für die gesamte Familie. Mehr auf der Internetseite unter www.holzklasse.berlin. Malreisen 2024. mariahenn.de. Berlin-Moabit: Aquarellkurs Nassin-nass-Technik am Beispiel abstrakt, Landschaft und Stillleben. Samstag, 13. Januar und 20. Januar 2024, am 3. Februar und am 24. Februar 2024. Im Atelier der Künstlerin, Alt-Moabit 53, 105555 Berlin, Intensivkurs von 12.00 bis 17.00 Uhr, je EUR 65. Tel. E. Eichinger: +49-(0)30-3449394, www.eichinger-evelyn.de, eichingerevelyn.berlin@gmail.com. Pigmente streicheln Seidenpapier. Farben verzaubern Strukturen. Eigene Leinwandbilder entstehen: abstrakt – ganz konkret! 29./30.01., 13./14.05., 22./23.06.2024, je 10.00–13.30 Uhr – und auf Anfrage, in Potsdam. Infos unter: www.kimages.de – Kalender. In Ahrenshoop Acrylmalen und Zeichnen, 10. April bis 14. April 2024, günstige Unterkunft kann bis 10. Januar 2024 reserviert werden. Info und Anfragen unter hoffmannke@web.de. Malen wie im alten Pompeji. Katrin Seifert zeigt, wie mit Fresco secco farbenfrohe Leinwandbilder mit antiker Anmutung geschaffen werden: 13./14.01., 01./02.06.2024, 10.00– 18.00 Uhr – max. 3 Personen. Infos: www.kimages.de/my-calendar.
Illusionen schaffen – Räume malend erweitern. Einführung in die Illusions- und Wandmalerei. Sie lernen, Wandbilder zu kreieren und üben, eine Scheinoberfläche zu malen – bei Katrin Seifert im RZ/Atelier 108. 25./26.05., 24./25.08.2024, je 10.00– 18.00 Uhr und auf Anfrage, in Potsdam – max. 3 Personen. Infos unter: www.kimages.de – Veranstaltungen. Aktzeichnen für alle in Potsdam – mit und ohne Vorkenntnisse – im Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum. Jeden 1. Donnerstag, 19.00– 21.30 Uhr und jeden 3. Sa, 12.00–14.30 Uhr (EUR 15 inkl. Modell + EUR 1 Raum), Infos/Anmeldung über info@kimages.de/my-calenda Mit vielen Büchern und (auf Wunsch) kreativen Impulsen (Ton und versch. künstlerische Techniken) ein paar Tage abschalten im gemütlichen Fachwerkhäuschen in der Region Hannover. Kontakt: speicher@htp.com. Künstler aus Düsseldorf bietet Ausstellungsmöglichkeiten an. Da das aktuelle Ausstellungsjahr bereits vergeben ist, wird um Bewerbungen für das Ausstellungsjahr 2024 gebeten. Für nähergehende Informationen besuchen Sie mich auf www.tomschrage.de unter dem Reiter „Kunstfenster Gerresheim“. Biete Künstlerwebsitegestaltung an sowie Katalogerstellung (Layout und hochwertiger Druck), Visitenkarten, Logogestaltung, Flyer, Fotoshootings und Fotografie Kunstwerke (all in one). Professionelle Umsetzung garantiert, Top Preise! Tel. +43-677-63116354, https:// unendlichegrafikgrenzemobin.com. Holzbilderrahmen verschiedene Größen, auch mit Stuck und Gold. In Dresden-Ost, Tel. +49-(0)159-05568141. Produzentengalerie in Düsseldorf bietet Ausstellungsmöglichkeiten an. Da alle Termine für 2024 bereits vergeben sind, bitten wir um Bewerbungen für das Ausstellungsjahr 2025. Für nähergehende Informationen besuchen Sie uns unter www.galerieartroom.de.
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94 | Im Gespräch
Marcel fragt Stefan Streng genommen fragt hier gar nicht Marcel Proust selbst – vielmehr hat der berühmte Schriftsteller, dessen Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ als einer der größten Romane der Weltliteratur gilt, dem berühmt gewordenen Fragebogen seinen Namen gegeben. Proust hat einen solchen Fragebogen wohl mindestens zweimal selbst beantwortet – um die Wende zum 20. Jahrhundert galt das Ausfüllen als beliebtes Gesellschaftsspiel in gehobenen Kreisen. Der erste Bogen, ausgefüllt vom heranwachsenden Proust während eines Festes, wurde posthum 1924 veröffentlicht. Den zweiten Fragebogen betitelte Proust mit „Marcel Proust par lui-même“ („Marcel Proust über sich selbst“). Die ursprünglich 33 Fragen wurden für Kunst+Material auf 29 reduziert – und bieten spannende und nachdenkliche Einblicke in die Gedankenund Gefühlswelt unserer Befragten.
Valentin Louis Georges Eugène Marcel Proust (1871–1922), französischer Schriftsteller, Kritiker und Intellektueller Stefan Bircheneder (*1974), Künstler aus Hofkirchen
Wo möchten Sie leben? Schön soll es da schon sein, oder irgendwo, wo es so hässlich ist, dass es schon wieder schön ist. Die Hauptsache aber ist in einer toleranten Gesellschaft. Was ist für sie das vollkommene irdische Glück? Wir wollen natürlich alle gesund sein, aber auch ohne Druck, in jeder Hinsicht, zu leben, ist schon erstrebenswert. Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten? Notlügen. Was ist für Sie das größte Unglück? Verlust eines geliebten Menschen. Ihre liebsten Romanhelden? Goldmund und Gales aus dem Totenschiff. Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Florence Foster Jenkins. Ihr Lieblingsmaler? Kaum zu beantworten, je nach Stimmungslage von Caspar David Friedrich bis Bernd Zimmer. Ihr Lieblingsautor? Max Goldt, Stephen Fry, Marc Twain … und natürlich Proust. Ihr Lieblingskomponist? Händel, Schubert. Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen am meisten? Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Ihre Lieblingstugend? Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Ihre Lieblingsbeschäftigung? Mein Beruf. Wer oder
was hätten Sie gern sein mögen? Zeitreisender. Ihr Hauptcharakterzug? Sternzeichen Waage. Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten? Humor und Beistand. Ihr größter Fehler? In allen Dingen Spätzünder zu sein. Ihr Traum vom Glück? Wunschlos zu sein. Ihre Lieblingsfarbe? Eindeutig Gelb. Ihre Lieblingsblume? Vor dem Haus wächst eine winzige, wilde Nelkenart in grellem Pink, ihren Namen kenne ich nicht. Ihr Lieblingsvogel? Das freche Rotkehlchen. Ihre Helden der Wirklichkeit? Dominik Brunner. Ihre Lieblingsnamen? Rohlingsspindel und Nackenhörnchen. Was verabscheuen Sie am meisten? Fanatismus und Gier. Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten? Dracula und Konsortien. Welche Reform bewundern Sie am meisten? Einführung der Sozialversicherungen. Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Musikalität. Wie möchten Sie gern sterben? 27-jährig, habe ich aber schon verpasst. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Ungeduldig. Ihr Motto? Vorwärts immer, rückwärts nimmer.
„Des Künstlers Gefühl ist sein Gesetz.“ Caspar David Friedrich (1774–1840)
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Im Gespräch | 95
Wer’s weiß, gewinnt! Gemälde von Leonardo da Vinci
franz. Maler (Camille)
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dt. Maler, Grafiker (Paul)
amerik. Pop-ArtKünstler (Andy)
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amerikanischer Maler (Mark)
Bauwerk in Brüssel franz. Maler (Hyacinthe)
spanischer Maler (Francesc)
6 franz. Maler (Jules)
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nachahmend, unschöpferisch
Vorname des Dr. Gachet amerikanischer Maler (Jackson)
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2. Preis boesner-Einkaufsgutschein im Wert von 50 Euro
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3. Preis Ein Buch „Ein Fest von Obst und Früchten“, siehe S. 62–63
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So nehmen Sie teil: Bitte senden Sie das Lösungswort per E-Mail an: raetsel.zeitung@boesner.com oder per Postkarte an: boesner holding GmbH holding + innovations, Gewerkenstr. 2, 58456 Witten. Einsendeschluss ist der 29. Februar 2024. 1
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Mitarbeiter von boesner sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Bei mehreren richtigen Einsendungen entscheidet das Los, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Keine Barauszahlung möglich. Die Lösung finden Sie in der nächsten Ausgabe.
P L I E B K N E C H T B C U R A RMA N I A B R OWN E R M D A L I T C R I O S E I G E N A R T R A HME N N G A R U T R A U T P I S S A R R O N © Freimut Woessner
Kunstrichtung
1. Preis boesner-Einkaufsgutschein im Wert von 250 Euro
Das Lösungswort des Preisrätsels aus Kunst+Material November/Dezember 2023 ist: SPIELRAUM Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.
96 | Vorschau
Herausgeber boesner GmbH holding + innovations Gewerkenstr. 2, 58456 Witten Tel. +49-(0)2302-97311-10 Fax +49-(0)2302-97311-48 info@boesner.com V.i.S.d.P.: Jörg Vester
Die nächste Kunst+Material erscheint im März 2024
Redaktion Dr. Sabine Burbaum-Machert redaktion@kunst-und-material.de
Porträt Ren Rong
Satz und Grafische Gestaltung Birgit Boesner, Hattingen mail@bboes.de Anzeigen Dr. Sabine Burbaum-Machert anzeigen@kunst-und-material.de Anzeigenpreisliste Nr. 15 vom 01.01.2024 Herstellung
Ren Rong, Foto: Beba Ilic
Vogel Druck und Medienservice GmbH, Höchberg Erscheinungsweise zweimonatlich © 2024 bei der boesner GmbH holding + innovations. Alle Rechte vorbehalten. Reproduktionen jeglicher Art, Aufnahmen in OnlineDienste und die Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-Rom, DVD-Rom etc. bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers. Unverlangte Manuskripte, Fotos und Dateien usw. sind nicht honorarfähig. Sie werden nicht zurückgesandt und für sie wird keine Haftung übernommen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Eine Veröffentlichung von Daten, insbesondere Terminen, erfolgt trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Redaktionsund Anzeigenschluss ist immer der 15. des jeweiligen Vormonats. Seiten 3, 49, 90 links, 91 unten, U4: Ina Riepe. Seiten 4–5: (6) Stefan Bircheneder, Foto: Martina Strilic; (20) Foto: Susanna Partsch; (36) Ina Riepe; (44) Bart Koning, Rhinozeros, 2021, 175 x 300 cm, Öl auf Leinwand, Foto: Bart Koning; (50) Ina Riepe; (74) Caspar David Friedrich, Mondaufgang am Meer, 1822, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Foto: Jörg P. Anders. Seite 94 unten: Stefan Bircheneder, Foto: Wolfram Schmidt. Verlag und Redaktion danken den Rechteinhabern für die Reproduktionsgenehmigungen. Nicht nachgewiesene Abbildungen entstammen dem Archiv des Verlags. Konnten trotz sorgfältigster Recherche Inhaber von Rechten nicht ermittelt werden, wird freundlich um Meldung gebeten.
Der chinesisch-deutsche Künstler Ren Rong hat sich mit seinen Werken seit dreieinhalb Jahrzehnten eine renommierte Position in der internationalen Kunstwelt geschaffen. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht der von ihm geschaffene Pflanzenmensch, ein Motiv, seinem Ursprung nach in der chinesischen Kultur verwurzelt und in bewusster Auseinandersetzung mit seinen beiden Lebenswelten – China und Deutschland – entwickelt. Ren Rong pendelt zwischen Bonn und Beijing, hat an beiden Orten neben seinen eigenen Ateliers großzügige private Kunsträume eröffnet, die einen lebendigen Austausch zwischen Asien und Europa fördern. Sepp Hiekisch-Picard, der Ren Rongs erste große Ausstellungstournee Ende der 1990er-Jahre kuratorisch betreut hat, zeichnet das Porträt dieses unglaublich dynamischen Künstlers, Kurators und Ausstellungsmachers als Mittler zwischen den Kulturen Asiens und Europas.
Ausstellung Jeff Wall Jeff Wall (*1946), der seit den späten 1970er-Jahren maßgeblich zur Etablierung der Fotografie als eigenständiges Bildmedium beigetragen hat, gilt als Begründer der „inszenierten Fotografie“: Der Kanadier generiert zumeist großformatige, aus einer Vielzahl von Einzelaufnahmen vielschichtig und subtil komponierte Fotografien, die oftmals von Alltagsszenen inspiriert oder durch Vorbilder der Kunstgeschichte angeregt sind und wie komponierte Film-Stills wirken. Die Fondation Beyeler widmet Jeff Wall ab dem 28. Januar 2024 eine umfangreiche Einzelausstellung, die in enger Zusammenarbeit mit ihm realisiert wurde. Die Übersichtsausstellung vereint 55 Werke aus internationalen Museen und Privatsammlungen und dem Werkbestand des Künstlers und bietet einen neuen Blick auf sein Schaffen.
ISSN 1868-7946
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