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IfGB-Forum in Höhr-Grenzhausen: Erfolgsgeschichten und Brennereitechnologie

Mit Unterstützung von

Dr. Konrad Horn (l.) und Tim Müller präsentieren die Erfolge der Deutschen Spirituosen Manufaktur

Stefan Penninger moderierte den zweiten Tagungstag

 TAGUNGEN

IfGB-Forum in Höhr-Grenzhausen: Erfolgsgeschichten und Brennereitechnologie

Der zweite, von Stefan Penninger moderierte, Tag des 19. IfGB-Forums Anfang Oktober 2021 startete mit den Themenschwerpunkten „erfolgreiche Spirituosen, erfolgreiche Unternehmen“. Eine weitere Session widmete sich der Brennereitechnologie. Auch dieser Tag glänzte mit spannenden Vorträgen und angeregten Diskussionen.

(WiK) „Ich bin sehr froh, dass es das IfGB-Forum gibt, eine Veranstaltung für Wissens- und Erfahrungsaustausch“, betonte Stefan Penninger. Andreas Büdenbender, Henkell-Freixenet, Wiesbaden, referierte über 100 Jahre Wodka Gorbatschow. Er bot einen historischen Rückblick. Der Wodkahersteller Leo Leontowitsch Gorbatschow floh während der Oktoberrevolution 1917 von St. Petersburg nach Berlin. Dort erhielt die Familie Gorbatschow 1921 eine offizielle Produktionserlaubnis. Zwei Jahre später wurde die bis heute immer wieder aktualisierte Zwiebelturmflasche und das blaue Etikett als Warenzeichen eintragen. In den 1960er-Jahren übernahm Söhnlein Rheingold das Unternehmen, was schließlich zur heutigen Ansiedlung der Spirituosenproduktion von Henkell Freixenet in Wiesbaden führte. Damit wurde die Berliner Marke ab den 1960er-Jahren national und der Absatz verdoppelt. Nach eigenen Angaben ist Wodka Gorbatschow seit Mitte der 1970er-Jahre deutscher Marktführer im Wodkasegment und seit 2015 Deutschlands meistgekaufte Spirituose. Die Umsätze steigen weiter. „2020 lagen wir bei einem Absatzplus von knapp 4 %“, sagte Büdenbender. Wodka wird das ganze Jahr über konsumiert, zu Silvester zeigt sich ein besonderer Peak. Die aktuelle Werbekampagne „Freeze the Moment“ fokussiert sich auf die 20- bis 29-Jährigen. Entsprechend gratulieren in den Spots im TV und den sozialen Medien junge, szenige Menschen dem Geburtstags-Wodka. „Außerdem hat der Rapper Eko Fresh mit uns zum Geburtstag der Marke einen eigenen Song kreiert.“ Anlässlich des Jubiläums hat die Marke eine goldene Limited Edition herausgebracht Zur Produktion von Wodka Gorbatschow wird ausschließlich Neutralalkohol aus Getreide verwendet. Die Ausmischung erfolgt vollautomatisch in einer Gemischregelanlage mit Biegeschwinger. Anschließend wird der Wodka auf –12 °C abgekühlt und über vier Aktivkohlefilter gefiltert. Für die Feinfiltration vor den Abfülltanks wird das Produkt auf 18 °C erwärmt. Die Vorproduktion ist relativ groß. „4 Mio. L müssen wir auf Lager liegen haben, damit wir drei Monate abfüllen können. Das Ganze ist am Ende auch eine logistische Hochleistung“, erklärte der Referent. Eine andere Erfolgsgeschichte präsentierten Tim Müller und Dr. Konrad Horn, Deutsche Spirituosen Manufaktur (DSM), Berlin, mit Produktentwicklung, Krisenfestigkeit und Ideenreichtum. Die heutigen DSM-Geschäftsführer kamen über ihr Interesse an Wein zum Brandy, später auch zu europäischen Spirituosen. „Geiste fanden wir immer sehr spannend“, berichtete Müller. Im Jahr 2018 ging die DSM mit 70 Produkten auf den Markt, aktuell fokussiere man sich auf 115 Produkte. Dr. Horn ist der Produktentwickler. „Ich folge meist einem theoretischen Ansatz: Welchen Neutralalkohol nehme ich? Wie ist mein Wasser?

„Wir verwenden verschiedene Wasserqualitäten für unterschiedliche Produkte.“ Weitere Fragen stellen sich: „Sind die pflanzlichen Rohstoffe – trocken? Oder frisch? Welche Ansatzkonzentration?“ Erste Versuchsreihen werden im Team verkostet, ehe eine 2. Runde folgt. Bei der 3. Runde entscheidet sich, ob ein Produkt in die Herstellung gehen kann. So sind in den vergangenen Jahren mehr als 1500 Versuchsreihen entstanden. „Gelernte Erlebnisse wollen wir mit unseren Produkten wachrufen. Oder auch neue“, sagte Dr. Horn, z. B. mit einem Herbstlaub-Geist. „Ich wollte den Geruch und den Geschmack eines Herbstspaziergangs konservieren.“ Lag anfangs der Schwerpunkt vollkommen auf Geisten, launchten die Newcomer 2020 ihre Likörlinie. Den Lockdown 2020 hat die DSM recht gut überstanden. Dazu trugen Online-Shop, Desinfektionsmittel-Produktion und ein eigenes Ladengeschäft in Berlin-Mitte bei. Wenn man ein Premiumprodukt ohne Einsatz von Zucker oder Zusatzstoffen macht, hat man sehr hohe Materialkosten. Um diese Qualität transparent zu machen, setzt die DSM seit Jahresende die freiwillige Inhaltsliste aufs Etikett.

Anschließend wurde ein umstrittenes Thema diskutiert. „Ich finde, es ist an der Zeit, darüber zu reden“, betonte IfGB-Koordinatorin Wiebke Künnemann. Julian Machinek und Annika Wüstenhagen, Döhler, Darmstadt, referierten über Chancen und Herausforderungen nichtalkoholischer „Spirituosen“. „Die Welt der Getränke verändert sich rasend schnell“, sagte die Referentin. Zu den innovationstreibenden Megatrends gehören u.a. multisensorische Erlebnisse sowie Alkoholkonsum und -verzicht. Bisher handle es sich bei den alkoholfreien „Spirituosen“ um einen kleinen Markt, aber mit starkem Wachstumspotenzial. Für Spirituosenhersteller gelte es, Stammkunden zu halten, die ihren Alkoholkonsum reduzieren wollen, und neue Zielgruppen zu erschließen, die noch nie Alkohol getrunken haben. Ein erfolgreicher Einstieg könne gelingen, wenn man die Zielgruppen klar definiert und ihnen ein passgenaues Produkt mit dem entsprechenden Marketing anbietet. Da seien z.B. die Gesundheitsbewussten, die Innovativen und Jungen, die Mix-Drink-Trinker und Genussorientierten. Um sich deutlich gegen herkömmliche Erfrischungsgetränke abzusetzen, sei ein erwachsener Geschmack (herb/bitter, weniger süß) anzustreben. Als Positionierung biete es sich an, entweder einen Ersatz für Spirituosen mit einer möglichst ähnlichen Geschmacksausprägung zu entwickeln oder als klare Alternative mit ganz neuen Geschmackserlebnissen aufzuwarten. Wüstenhagen skizzierte zu jeder Produktvariante die passende Marketingstrategie und stellte in Aussicht: „Die alkoholfreien Produkte sind nicht billiger als die mit Alkohol.“ Julian Machinek stellte Produktentwicklung und technische Umsetzbarkeit vor. Für die Nachahmung von Kräuterspirituosen wie z. B. Likör oder Gin sind die Schlüsselzutaten Aromen, Destillate und Extrakte. Diese können auf Ethanol und/oder Propylenglycol (PG) basieren. Der Alkoholgehalt der finalen Applikation liege zwischen 0,0 % und 0,25% vol. Döhler-Multisens® Flavours soll ein alkoholisches Mundgefühl simulieren. Bei klaren und dunklen Spirituosen wie Rum oder Whisky werden Aromen, Destillate und Extrakte verwendet. Diese sollten auf PG und/oder niedrigem Ethanolgehalt basieren. Alcohol Booster z.B. aus Chili sollen alkoholische Schärfe nachahmen. Karamellsirup, Bonifikateure und Typagen sind weitere Schlüsselzutaten. Bei Kräuter- und Bitterspirituosen wählt man Basisnoten, wie z .B. Wacholder bei Gin-Kopien. Für die Kopfnoten würden verschiedene aromatische Kräuter, Gewürze und Früchte hinzugefügt, um dem Endprodukt mehr Komplexität zu verleihen. „Wacholder u.ä. destillieren wir bei ganz geringem Alkoholgehalt“, erläuterte der Destillateurmeister. „Es fehlt uns zur Haltbarmachung der Alkohol“, gab er zu bedenken. Daher verwende man u.a. Sorbinsäure. „Es muss bei allen Produktionsschritten besonderer Wert auf Hygiene gesetzt werden.“ Beachte man dies, seien diese Produkte ungeöffnet 9 bis 12 Monate haltbar. Geöffnet empfahl Machinek kalte Lagerung und schnellen Verbrauch.

Co-Sponsor Hubertus Vallendar führteamerstenTagungstaggemeinsam mit seinem Sohn Mario durch die Brennerei Hubertus Vallendar in Kail an der Mosel. „Die Produktion Andreas Büdenbender

Hubertus Vallendar (M.) führt durch seine Brennerei

Julian Machinek und Annika Wüstenhagen stellen die Chancen alkoholfreier „Spirituosen“ vor

Hubertus Vallendar

Alexander Plank

Michael Giesse, Vinolok (r.) im Kundengespräch in der Fachausstellung

Gerald Erdrich, Bundesverband der Deutschen Klein- und Obstbrenner, in der Diskussion liegt bereits in der Verantwortung meines Sohnes Mario“, erklärte Vallendar. „Wir nehmen den Manufaktur-Gedanken sehr ernst.“ Neben der Obstbrand- und Geistproduktion hat sich das Unternehmen auch dem Gin verschrieben. Daneben gibt es aber auch Whisky und Tresterbrand sowie einen Boonekamp. Gearbeitet wird mit vier verschiedenen Brenngeräten. Gelagert wird überwiegend auf Edelstahl und auf Holz. Bei Letzerem experimentiert Vallendar mit unterschiedlichen Temperaturen in großen Kühlzellen. Am zweiten Tagungstag referierte Hubertus Vallendar über die Konzentration von Aromen in der Kolonnenbrennerei. Er bringt reiche Erfahrung aus Brennereianlagenbau und Sensorik mit. Seit 1987 betreibt er die eigene Brennerei. Grundlage der Roh- und Feinbrennereianlage sowie der Kolonnenbrennerei sind Widerstände. Auch der Einsatz von Verstärkerböden basiere auf diesem Prinzip. Vallendar verglich unterschiedliche Dephlegmatoren zur Säuberung des Alkohols und der Aufkonzentrierung sowohl des Alkohols als auch der Aromen. Er schlug eine Abkopplung des Dephlegmators vom Kühler vor, um eine separate Regelung zu ermöglichen. Bei einem Dephlegmator mit homogener Temperaturführung sei keine ordentliche Stofftrennung möglich, die Abtrennung des Nachlaufs extrem schwierig. Auch werde u.U. Vorlauf in den Mittellauf verschleppt. Ein anderer Weg sei, beim Dephlegmator die Temperaturen an Ein- und Ausgang zu regeln. Mit einem Temperaturunterschied könne eine Kolonne gesteuert werden. „Je tiefer die Eingangstemperatur, desto sauberer werden die Destillate“, sagte Vallendar. Aber u.U. verliere man Aroma. Der dritte Weg sind stufenlos regelbare Flüssigkeitsstände auf den Verstärkerböden. Der Widerstand auf einem Glockenboden ist abhängig von der Größe des Bodens und von der Höhe des Flüssigkeitsstandes. „Nur mit einer aufeinander abgestimmte Nutzung von Hitzequellen in der Kolonne, regulierbaren Verstärkerböden und Dephlegmator können wir Spitzenbrände – saubere Destillate mit hohen Aromaanteilen – herstellen“, betonte Vallendar. Abschließend ergänzte er: „Die Kolonne bietet viele Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Qualität. Die Temperaturdifferenzen geistseitig von oben nach unten sowie die Wassertemperatur von Eingang und Ausgang des Dephlegmators sind von entscheidender Bedeutung für Qualitätsobstbrände und Geiste“, sagte der Referent. „Vielleicht reden wir künftig über Destillationssäulen, bei der jeder Boden seinen eigenen Dephlegmator hat“, bot Vallendar einen Blick in die Zukunft. Die passende Skizze dazu lieferte er gleich mit.

Alexander Plank, Carl GmbH, Eislingen, verglich Blasen-Destillation mit kontinuierlicher Destillation. Er stellte eine kontinuierlich arbeitende Wodka-Anlage vor, die 30000 L Maische pro Tag verarbeitet, 24/7. Im Gegenzug dazu zeigte er eine Whisky Brennerei, die auf 10000L-/ 6000-L-Pot-Stills täglich die gleiche Maischemenge verarbeitet. Es sei entscheidend, welche Rohstoffmengen man in welcher Zeit verarbeiten will und welcher BrennPhilosophie man folgt. Sämtliche Spirituosenkategorien könnten mit beiden Verfahren hergestellt werden. „Nur Geiste sind m.E. noch nicht auf kontinuierlichen Anlagen hergestellt worden“, sagte Plank. In Frankreich wird für die Cognac Herstellung die klassische Blasendestillation vorgeschrieben. In der ObstBrennerei findet man ebenfalls vornehmlich das Batchverfahren. Korn kann auf einer vollkontinuierlichen Anlage hergestellt werden oder auf einer „Hybrid-Anlage“ mit kontinuierlichem Maische-Brenngerät und anschließender Rektifikation. Automatisiert man die kontinuierliche Destillation, können Temperaturen, Druck, Drehzahlen von Pumpen etc. am Bildschirm gesteuert und überwacht werden. Die Fraktionierung ist eine Frage des Ortes. „Ich kann einstellen, wie viel Vorlauf oder Nachlauf pro Stunde an welchem Ort ich abtrennen möchte.“ Eine kontinuierliche Brennerei mache jedoch erst Sinn ab mindestens 18 000 L Maische/Tag. „Der Horror einer vollkontinuierlichen Anlage besteht aber im An- und Herunterfahren derselben“, warnte der Referent. „Bei der Blasendestillation drehen Sie einfach den Dampfhahn zu und schalten das Gerät aus. Energetisch ist die Blasen-Destillation allerdings schlechter. Bei jeder Batch heizt man kalte Maische auf, und am Ende läuft die heiße Schlempe ohne Nutzung der Restwärme ab. Man benötigt ca. 30 % bis 40 % mehr Heiz-Energie als ein kontinuierlichen Destillation. (Wird fortgesetzt)

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