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20. IfGB-Forum im Münsterland: Krisenmanagement, Trends und Nachhaltigkeit

Die Vorträge am zweiten Tag des mit 100 Experten gut besuchten 20. IfGB-Forums fokussierten sich auf die aktuellen Krisen und skizzierten Lösungsansätze. Außerdem stellten die Referenten Erfolgsgeschichten mit Trendspirituosen vor und präsentierten solche aus den Niederlanden. Die Moderation von eal-Geschäftsführer Dr. Bernhard Strotmann gab Raum für sehr konstruktive Diskussionen.

(WiK) Der Berater Prof. Theo Smaczny, Düsseldorf, eröffnete den zweiten Tag mit Krisenmanagement: 2015 bis 2025. Er präsentierte Krisen- und Risikomanagement als Teil integrierter Managementsysteme. „Wer nicht vorbereitet ist, kann nicht adäquat handeln“, sagte er. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hätte man sehr viel Vorbereitungen treffen können. „Erst in der Krise werden uns Abhängigkeiten bewusst. Ukraine-Krieg: Ist es nur dieser Krieg oder müssen wir jetzt nicht ganz andere Dinge nach vorn denken?“, fragte er. „Auch von China sind wir wirtschaftlich abhängig geworden. Warum haben wir keine Zweitlieferanten? Er kritisierte die Omnipotenz der Betriebswirtschaft (BWL). „Ich bin nicht gegen Globalisierung, aber mit gemischten Kompetenzen“, erläuterte er. Einen weiteren Aspekt sprach Prof. Smaczny an: „Firmen benötigen Unterstützung, daher sind sie in Verbänden organisiert. Pushen Sie Ihre Verbände!“

Severin Simon von der gleichnamigen Feinbrennerei in Alzenau sprach über Whisky in Bierflaschen . „Ich sehe diese Krise wirklich als Chance“, betonte er. „Als Inhaber bin ich Brennmeister und Krisenmanager.“

Die Entscheidung, aufgrund von Lieferengpässen der Glashütte seinen Whisky in Bierflaschen abzufüllen, war auch der geringen Größe seines Betriebs geschuldet. „Der Weg war kurz. Ein befreundeter Brauer hat eine Palette Bierflaschen hergegeben und mein Etikett passt sehr gut auf die Halbliterflasche.“ Die Abfüllung erfolgt händisch, der Verschluss mit Spitzkorken. Die whiskybefüllte Bierflasche gilt als Rarität, die den Umsatz steigerte. Außerdem ist die Bierflasche 70 % günstiger als die Whiskyflasche. „So habe ich viele Kostensteigerungen ausgleichen können.“ Aktuell verwendet Simon ausschließlich Neuglas. Prof. Theo Smaczny merkte an: „Man könnte von Brauereien gereinigte und detektierte Flaschen anfordern.“

Ingo Pankoke , VLB Berlin, sprach über Mehrwegflaschen für die Spirituosenindustrie? Es sei wichtig, visionär vorzugehen. Er stellte verschiedene Flaschenpoolsysteme vor. Im Spirituosensegment gibt es Pfand-Mehrweg-Projekte wie z. B. „Pfandbrand“. In Bio-Supermärkten sieht Pankoke für solche MWProdukte sehr große Chancen. Er ging auf technische Aspekte wie Spezifikationen für Mehrwegflaschen ein. Es gibt bereits Flaschen mit Schraubverschlüssen, die für MW-Systeme zugelassen sind, die sich auch für Spirituosen eignen. Kästen könne man z. B. vom Fruchtsaft verwenden. Wichtig ist die Ablösbarkeit der Etiketten. Das ist in den Poolvereinbarungen hinterlegt. Wichtige Fragen sind: Wer ist verantwortlich für den Pool? Wie viel Flaschen werden benötigt? Wie schnell sind sie wieder im Pool? „Wenn man neue Systeme aufbaut, sollte man RFID implementieren“, riet der Referent. Außerdem könne

Mit Unterstützung von links: Die sehr lebendige Präsentation von Myriam Hendrickx bringt das Auditorium zum Lachen rechts: Moderator Dr. Bernhard Strotmann (M.) mit Prof. Dr. Theo Smaczny (l.) und Severin Simon links: Gespräch in der Fachausstellung rechts: Myriam Hendrickx, Dr. Bernhard Strotmann, Carsten Vlierboom (v. l.) man UV-Marker in der Flaschenwand integrierten, die ein flaschengenaues Tracking erlauben.

Kornbrenner Josef Rosche teilte in der Diskussion seine Erfahrung mit MW-Spirituosenflaschen. Auf Nachfrage von IfGB-Koordinatorin Wiebke Künnemann zeigten eher kleinere Unternehmen Interesse an einem Mehrwegpool.

Ulrich Bultmann, Hunnbloom Destillerie, Bad Segeberg, stellte Vegane Alternativen in der Likörproduktion vor. Veganismus ist ein Trend, der immer stärker Fahrt aufnimmt. Vegane Lebensmittel zeigten von 2019 auf 2020 einen Zuwachs 39 %. Der Markt für vegane Liköre ist allerdings klein. „Nahezu alle Spirituosen sind von Natur aus vegan“, sagte der Referent. Schwieriger sei das bei Farbstoffen, Etikettenleim, Schmier- und Klärungsmitteln, für die es aber ausreichend vegane Alternativen gibt. „Für echte Vollblutveganer ist eine Spirituose erst vegan, wenn die Schlempe nicht in die Massentierhaltung geht“, erläuterte Bultmann.

Die Dekonstruktion des OriginalLikörs (mit Sahne bzw. Ei) und die anschließende vegane Rekonstruktion demonstrierte er sowohl an einem Schoko- als auch an einem „Eierlikör“, die es zu verkos ten gab. Beim veganen Schokolikör verwendete er fürs Aroma Vanilleextrakt, Schokolade, Rum, Whisky und Zucker. Anstelle von Sahne kamen Stärke mit Hafermilch und Kakaobutter zum Einsatz. „Insgesamt werden weniger verderbliche Zutaten und Allergene verwendet“, resümierte der Referent.

Der Bartender Alexander Pilz , Tins&Tales, Hamburg, referierte über Alkoholfreie Destillate in der Praxis . Well-being ist ein Trend und die jungen Erwachsenen trinken wenig oder gar keinen Alkohol. Los ging es mit 2015 mit „Seedlip“, einer alkoholfreien Marke, die von Diageo gefördert und schließlich übernommen wurde. 2019 kamen Lyer’s aus Australien und deutsche Produzenten dazu. Die alkoholfreien Alternativen bilden entweder bekannte Spirituosenkategorien nach wie Gin, Rum oder Whisky. Daneben gibt es die Gruppe der Innovationen, die losgelöst von bekannten Geschmacksmustern vollkommen neue Kreationen schaffen. Manche Produkte werden gern als Spirituosenersatz in Longdrinks verwendet. Aber nicht alle Bausteine eines Cocktails sind 1:1 austauschbar, gerade wenn es um Mundgefühl, Zuckeranteil und Viskosität geht. Einige Klassiker funktionieren mit alkoholfreien Alternativen. „Cocktails müssen neu gedacht und kreiert werden, auch eine Symbiose aus alkoholfreien und alkoholischen Komponenten ist möglich“, sagte Pilz. Immer mehr Gäste in Bars fragen nach alkoholfreien Alternativen. Besonders stark steige diese Nachfrage in den Sommermonaten. Zahlreiche Bars weltweit bieten ausschließlich alkoholfreie Drinks an. Selbst in klassischen Bars werden an einem regulären Abend bis zu 20 % alkoholfreie Cocktails verkauft. In den Großstädten und im LEH boomt der Alkoholfrei-Trend. Manch eine Ginmarke setzt mehr von der alkoholfreien Variante ab.

Der österreichische Personaldienstleister Roland Grain, Hauptinvestor der Ardgowan Distillery, Großbritannien, berichtete darüber, wie er die Whiskybrennerei CO2-negativ gestalten will. „Wir wollen den besten und klimafreundlichsten Whisky produzieren.“ Die Destille liegt 30 km südlich von Glasgow und verfügt für die Wasserversorgung über einen eigenen See. Grain präsentierte die Computeranimationen des futuristisch anmutenden Neubaus. Geplant sind jährlich anfangs 1 Mio., später 2 Mio. L Ausstoß. Bis der Whisky aus der neuen Brennerei verkaufsbereit ist, arbeitet man mit Zukäufen, die nach eigenen Standards ausgebaut werden. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass CO2 das Hauptthema der Brennereiplanung sein würde und dass davon alle Bereiche betroffen sind.“ Für die Torflagerstätten setzt das Unternehmen Renaturierungsprojekte auf, die den Umfang des abgebauten Torfs übersteigen sollen. Die Pot-Stills sollen die effizientesten sein in ganz Großbritannien, auch dadurch, dass in der ganzen Brennerei Wärmerückgewinnung mit im Zentrum steht. „Wir bauen als erstes eine Windfarm, eine Solaranlage und ein Wasserkraftwerk.“ Dass darüber überschüssiger Strom ins kommunale Netz gespeist wird, führt dazu, dass die Brennerei nach britischen Normen als CO2negativ gilt. Wir benötigen Strom für die Wasserstoff-Elektrolyse. Wir binden das Gärungs-CO2. Die ersten Bauarbeiten sind gestartet und man kann gespannt sein, wie viel von den ehrgeizigen Plänen bis 2024 umgesetzt werden können.

Carsten Vlierboom , E&A Scheer, Amsterdam, beleuchtete mit Rum and Sustainability einen anderen Aspekt der Nachhaltigkeit. Das Unternehmen besitzt keine eigenen Brennereien und verkauft ausschließlich Bulk-Ware. „Wir haben eine Mission“, betonte der Rum-Experte. „Wir suchen ein paar Stellschrauben aus und kümmern uns um diese.“ Den CO2-Fußabdruck ihrer Rums lässt Scheer von der DEKRA überprüfen. Das Unternehmen achtet auf die Rohstoffe. „Wir helfen unseren Zulieferern, sich zu verbessern“, betonte Vlierboom. Eine Risikobewertung erfolgt über die offene Plattform „Sedex“. Die verwendete Risikoliste berücksichtigt sowohl Parameter wie Kinderarbeit, Arbeitsbedingungen als auch Umweltverschmutzung. „Wenn wir Kunden haben, denen diese Faktoren wichtig sind, können wir auch unter diesen Aspekten das passende Produkt auswählen. Nachhaltigkeit, Bio-Rum und FairTrade sind aktuelle Themen, die unsere Kunden interessieren. „Wir haben die entsprechenden Zertifikate, aber wir finden, das reicht nicht aus.“ Entsprechend beachten wir neben Aromen etc. auch Nachhaltigkeits- und soziale Aspekte. Wir können durch Auswahl unserer Kunden Zeichen setzen“, lautet die Überzeugung des Referenten. Den Zulieferern stellt E&A Scheer ELearning-Tools zur Verfügung. „Wir ermöglichen unseren Zulieferern, ihre Prozesse zu verbessern und an unsere Standards anzupassen, damit bringen wir sie voran. Wir investieren in Bildung.“

Myriam Hendrickx , Distilleerderij Rutte sprach einen Tag nach der Jubiläumsfeier zum 150-jährigen Bestehen von Rutte über unterschiedliche Dimensionen von Gin und Genever. Genever verfügt über denselben Facettenreichtum wie Rum oder Whisky. Seine Ursprünge führen in das 17. Jh. zurück. Fassgereiften Genever gab es in den Niederlanden schon immer, da leere Weinfässer zur Verfügung standen. „Wir hatten immer Probleme mit den Franzosen. Das hat am Ende dazu geführt, dass die Weinbrennerei bei uns beendet wurde, stattdessen hat man ab dem 16. Jh. Kornbranntwein hergestellt“, erläuterte Hendrickx. Junger Genever darf aus Neutralalkohol bestehen und ist geschmacklich neutral, ähnlich wie Wodka. Vorgeschrieben ist ein Mindest anteil von 1,5 % Malzbranntwein, Rutte verwendet z.T. 40 %. Das Malzdestillat wird bis heute im Pot-Still-Verfahren hergestellt und hat dadurch kräftige Getreidearomen. Fassgelagert kann Genever fast wie Whisky schmecken. Genever kann kräuterlastig sein wie Gin, enthält aber niemals Citrus. „Es gibt eine Genever-Renaissance, aber das Segment ist noch nicht so groß wie Gin“, sagte die Referentin.

Stefan Rühl , Friedrich Schwarze, Rinteln, war kurzfristig für Christian Koch eingesprungen und präsentierte dessen Vortrag Übernahme einer Ready-to-Drink-Marke. „RTD ist spannend, weil Absatz und Umsatz aktuell zweistellig wachsen“, sagte der Referent. Der Ursprung der Marke Shatler's liegt bei einer Hamburger Barkeeperin, die Fertigcocktails z. B. für Theaterpausen entwickelte. Zur Verwendung kamen und kommen reine Säfte und hochwertige Sirups. Abgefüllt wurden die Produkte damals in der Cartocan, einer Pappdose, aus der definitiv nicht getrunken werden sollte. Die Idee von Shatler’s-Gründer Rüdiger Bathulatus war, man füllt Eis ins Glas, gießt den Doseninhalt drauf und das Schmelzwasser verdünnt das Ganze auf Cocktail-Trinkstärke. 2018 übernahm das Unternehmen Friedrich Schwarze Shatler’s und baute das Portfolio aus. Inzwischen gibt es auch eine alkoholfreie Linie. Der Markenauftritt wurde relauncht – frischer, bunter, freundlicher sollten die Dosen daherkommen. „Wir sind bestrebt, die Range weiter zu entwickeln. Verbesserung und Neu-Entwicklung der Sorten ist bei uns ein Dauerthema“ Aktuell gibt es 10 Cocktails mit und 4 ohne Alkohol. Die Produkte sind nun direkt aus der Alu-Dose trinkbar, funktionieren aber auch auf Eis. Die Dose als Gebinde erlebt aktuell eine große Renaissance. Die Bedruckbarkeit der Oberfläche bietet unendliche Möglichkeiten der Gestaltung, das gasdichte Gebinde sichert außerdem ein MHD von 24 Monaten.

VLB-Geschäftsführer Dr. Josef Fontaine dankte abschließend allen Referenten, Moderatoren und seinem Team: „Die Qualität der Vorträge und der Besichtigungen war besonders beeindruckend. 100 Teilnehmer in einer herausforderungsreichen Zeit sind ein großer Erfolg.“ links: Alexander Pilz rechts: Gastgeber Rüdiger Sasse nutzt die Chance für Anmerkungen in der Diskussion

Hochkarätige Referenten des 21. SpirituosenForums im Kreis der BSI-Spitze: Thomas Ernst, Präsident des BSI, Dr. Manfred Lütz, Psychiater, Theologe, Angelika Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin des BSI, Prof. Thomas Hartung, MD PhD, Johns Hopkins University, Prof. Dr. Maja Göpel, Politökonomin, Expertin für Nachhaltigkeitstransformationen, Prof. Dr. Hubertus Bardt, Geschäftsführer, Institut der deutschen Wirtschaft (v. l. )

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