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Die Ungeduldigen – Véronique Olmis stürmische Familiensaga

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Kreuzworträtsel

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LITERATUR

Der Geschmack von Freiheit

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In ihrer zärtlich-stürmischen Familiensaga Die Ungeduldigen schickt Véronique Olmi drei lebenshungrige Schwestern ins pulsierende Paris der Siebziger

Mit elf Jahren lebt Hélène in zwei Welten. Während der Schulzeit wohnt sie mit ihrer Familie im katholischen Aix-en-Provence. Alle Ferien verbringt sie in Neuilly nahe Paris bei der Familie ihres Onkels. Da der reiche Bruder ihres Vaters statt der ersehnten Tochter Söhne bekam, überschüttet er seine Nichte mit Luxus – und Liebe. Für Hélène ist das ein Balanceakt. Auch wenn sie ihr zweites Leben gelegentlich genießt, schätzt sie ihren vertrauten „Platz in der Töchterreihe“ zu Hause: „zwischen Sabine, der Ältesten, und Mariette, der Jüngsten, den Mittelplatz, der ihr Halt gab, als läge sie zwischen ihren Schwestern in einem schmalen Bett, geschützt von dieser Enge“.

Sabine leidet unter ebendieser Enge im einfachen Elternhaus – und in der Provinz: Obwohl die Schulleiterin seit Mai 1968 montags nicht mehr die Namen der Schülerinnen an die Tafel schreibt, die sie am Wochenende mit einem Jungen gesehen hat, bleibt diese Welt geprägt von Engstirnigkeit und Ignoranz. Sie beneidet Mädchen in der Stadt, „denen alles stand, nicht nur die Kleider, sondern auch das Dasein, ein ausgewähltes, mit Anmut getragenes Leben“. Und schon bald werden alle drei Schwestern vom Lebenshunger erfasst: Inspiriert von Simone de Beauvoir, Gisèle Halimi und der Forderung nach weiblicher Selbstbestimmung stürzen sie sich ins Paris der wilden Siebziger, mitten hinein in die stürmische Zeit des Protests, der freien Liebe und des Feminismus. Hélène, Sabine und Mariette wirbeln durch einen gesellschaftlichen Umbruch, der uns bis heute nachhaltig prägt. Die Ungeduldigen verzaubert durch abenteuerlustige Heldinnen und tiefgründige Leichtigkeit. Beim Lesen von Véronique Olmi sehe man „Bilder wie aus Truffaut-Filmen vor sich“, sagte Annemarie Stoltenberg auf NDR Kultur. Das beweist sie hier einmal mehr.

„In leichtem Ton und wie nebenbei stellt Véronique Olmi die Fragen einer ganzen Generation.“

Femina

Véronique Olmi

ist ausgebildete Schauspielerin und wurde in ihrer Heimat Frankreich für ihre Arbeit als Dramatikerin vielfach ausgezeichnet. Ihre in zahlreiche Sprachen übersetzten Theaterstücke werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgeführt, und ihre Romane stehen regelmäßig auf internationalen Bestsellerlisten. 1962 in Nizza geboren, lebt sie heute mit ihren beiden Kindern in Paris. Olmi, Véronique Die Ungeduldigen 488 S., 24,00 € eBook 16,99 € Aufbau

Hanya Yanagihara Zum Paradies 896 S., 30,00 € eBook 24,99 € claassen

Literarisches Wunderwerk

Drei Versionen des amerikanischen Experiments in drei Jahrhunderten: Hoch empfindsam erzählt Hanya Yanagihara von Liebenden, Familie, Verlust und trügerischen Versprechen gesellschaftlicher Utopien. 1893 entzieht sich ein wohlhabender Amerikaner einer standesgemäßen Verlobung und folgt einem mittellosen Musiker. 1993 teilt ein junger Hawaiianer sein Leben mit einem älteren Mann, die Erschütterungen seiner Kindheit jedoch verschweigt er. 2093 versucht die durch eine Medikation verseuchte Enkelin eines mächtigen Wissenschaftlers, ihr Leben zu bewältigen und herauszufinden, wohin ihr Ehemann regelmäßig verschwindet. Mit großer literarischer Erfindungskraft erschafft die Autorin ein großartiges Kunstwerk all der Gefühle, die uns zu Menschen machen.

Bitterböse Gesellschaftsposse

Singledasein, Sex und Sisterhood – in ihrem preisgekrönten Bestseller erzählt Chloé Delaume hochkomisch, wie es einer Endvierzigerin mit der Partnersuche ergeht. Nach öden Ehejahren wünscht sich die frisch geschiedene Adélaïde Berthel einen Neuanfang. Bald wird sie einen neuen Partner haben, da ist sich die moderne, unabhängige Frau sicher. Dabei ahnt sie nicht, wie brutal der Beziehungsmarkt ist. Entweder sind die Männer verheiratet oder suchen etwas Jüngeres. So schlittert Adélaïde bei ihrer unermüdlichen Suche von einer Katastrophe zur nächsten … Das synthetische Herz ist eine bitterböse Sittenkomödie über die Konventionen einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Wie männliche Fiktionen über ein erfülltes Frauenleben langsam, aber sicher dahingehen, beschreibt Chloé Delaume klug, pointiert und mit viel Herz.

Chloé Delaume Das synthetische Herz 160 S., 20,00 € Liebeskind

Jonathan Lee Der große Fehler 368 S., 25,00 € eBook 20,99 € Diogenes

Glänzender New-York-Roman

Jonathan Lees Roman beginnt wie ein Krimi: Ein Mann wird in New York am Freitag, den 13. November 1903 auf offener Straße erschossen. Andrew H. Green war einer der bedeutendsten Stadtplaner New Yorks. Ohne ihn gäbe es keinen Central Park und kein Metropolitan Museum of Art. Andrew wuchs als siebtes Kind einer angesehenen, aber in Armut zurückgefallenen Familie auf. Wie er dennoch zu einer unerhörten Persönlichkeit reift, das erzählt Jonathan Lee mit großem Einfühlungsvermögen. Parallel dazu widmet sich Lee der Aufarbeitung des Mordfalls, der den Ausgangspunkt der Geschichte bildet. Der große Fehler ist das Porträt eines besonderen Menschen, es ist das Drama einer komplizierten Liebe, und es ist ein farbenprächtiger Amerika-Roman voller erstaunlicher Details.

LITERATUR

Laura Andersen Das Haus der tausend Fenster 384 S., 11,00 € eBook 9,99 € Piper

Düsteres Familiengeheimnis

Die junge Historikerin Juliet wird von der Familie Somersby beauftragt, Havencross zu entrümpeln. Als sie das alte, riesige Familienanwesen zum ersten Mal sieht, ist sie überwältigt. Noch dazu bietet ihr der attraktive Noah Bennet seine Hilfe an. Alles scheint perfekt – bis Juliet eines Nachts Schritte hört und meint, die Gestalt eines Kindes zu erkennen … Sie beginnt, intensiv die Geheimnisse von Havencross zu ergründen, und stößt dabei auf die alte Legende vom verschollenen Jungen, die bis zu den Rosenkriegen zurückreicht. Ist er es, den sie gesehen hat? Das Haus der tausend Fenster ist der jüngste der erfolgreichen historischen Romane von Laura Andersen. Hochspannend entfaltet die Autorin ein finsteres Familiengeheimnis und lässt zugleich pure Romantik miteinfließen. Ein Roman der Spitzenklasse!

Eine Schule am Indischen Ozean

Am Golf von Bengalen will Léna ihr Leben in Frankreich vergessen. Jeden Morgen beobachtet sie das indische Mädchen Lalita, das seinen Drachen fliegen lässt. Als Léna von einer Ozeanwelle fortgerissen wird, holt Lalita Hilfe bei Preeti, der furchtlosen Anführerin einer Selbstverteidigungsgruppe für junge Frauen. Léna überlebt, und zusammen mit Preeti schmiedet sie einen Plan, der nicht nur Lalitas Leben grundlegend verändern wird. Wie schon in ihren vorherigen Bestsellern erzählt Laetitia Colombani bewegend und mitreißend von mutigen Frauen, denen das scheinbar Unmögliche gelingt. Das indische Mädchen Lalita, bekannt aus Der Zopf, bekommt in diesem Roman ihre eigene Geschichte. Direkt nach Erscheinen war das Buch Platz 1 der französischen Bestsellerliste.

Laetitia Colombani Das Mädchen mit dem Drachen 272 S., 22,00 € eBook 16,99 € S. FISCHER

Kinder brauchen Liebe, Halt, Geborgenheit. SOS-Kinderdorf stärkt Familien, damit Kinder glücklich aufwachsen.

LITERATUR

Das Leben als Flucht

Ihr Leben taugt nicht als Vorlage für eine Operette. Und von einem Happy End kann wirklich nicht die Rede sein. Der Name der tragischen Heldin europäischer Adelsgeschichte lautet: Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach, genannt Sisi! Nach der Begegnung mit Franz Joseph, dem begehrtesten Junggesellen der Zeit – Sisi ist 15 Jahre alt –, ist die schöne Jugend endgültig vorbei. „Ich bin erwacht in einem Kerker,/ Und Fesseln sind an meiner Hand“, lautet ihr Fazit über den Wiener Hof. Und dieser Kerker macht aus ihr eine kranke Kaiserin und plakative Rebellin. Es folgen chronische Reisefluchten, Abmagerungskuren, neurasthenische Episoden, extensive Schönheitskuren und am Ende ein anarchischer Tod im

Hotel Beau Rivage in Genf. Ein Leben, das am Ende eine Epoche repräsentiert, die man wirklich nur zynisch als gute, alte Zeit bezeichnen kann.

Erzählerisches Sterne-Menü

Sie sind das Salz in der epischen Suppe: Kurzgeschichten. Ein Meister dieser pointierten Erzählform ist Pierre Dietz. Sisi in der Normandie heißt seine jüngste Sammlung meisterhafter Kurzporträts. Zwei Erzählskizzen stehen im Zentrum. Zum einen Sisi, die Kaiserin von Österreich. Sie hatte bei ihrem Urlaub 1875 in der Normandie zwei schwere Unfälle. Nur Zufall? Der Autor entwirft, dank ausführlicher Recherchen, ein detaillierteres Bild. Der zweite Höhepunkt: die grausigen Leichenfunde aus der Zeit der Französischen Revolution. Sie wurden im „Dodun“, dem ehemaligen Staatshotel entdeckt. Wer steckt hinter den Morden? Die Spuren führen bis in die höchsten Kreise der Monarchie. Die weiteren Episoden – meist Jugenderinnerungen aus Paris – sind Kleinode erzählerischer Brillanz. Mit einem Wort: spannende Geschichten für anregende Lesereisen.

Pierre Dietz Sisi in der Normandie 136 S., 12,50 € Contrabasta

Micaela A. Gabriel Die Frauen vom Reichstag 400 S., 16,00 € eBook 4,99 € Rowohlt Polaris

Liebe in Zeiten des Aufbruchs

Berlin, 1918: Mit dem Frauenwahlrecht erfüllt sich für die Juristin Marlene von Runstedt ein Lebenstraum. Endlich wird ihre Stimme gehört, endlich kann sie etwas bewegen. Mutig tritt sie der liberalen DDP bei. Marlenes Jugendfreundin Sonja Grawitz bewirbt sich um ein Mandat für die kaisertreue DNVP. In der Nationalversammlung in Weimar treffen sie aufeinander – ein heikles Treffen, da Sonja ein Kind von Justus von Ostwald erwartet, dem Mann, der auch Marlenes Zuneigung erworben hat. Der private und politische Kampf kann beginnen … Die Frauen vom Reichstag, heißt der 1. Band der Reihe Die Parlamentarierinnen. Micaela A. Gabriel ist ein kleines Wunder gelungen – Historischer Roman und romantische Historie in einem. Packend!

Agneta Pleijel

gehört zu den renommiertesten Schriftstellerinnen Schwedens. Ihr literarisches Werk – Romane, Gedichte, Dramen – ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Ihr jüngster Roman über Agatha Christie und Oskar Kokoschka wurde in Schweden von der Kritik gefeiert. Agneta Pleijel Doppelporträt 221 S., 22,00 € Urachhaus

Schlagabtausch zwischen Olympiern

Sie ist inzwischen 80 Jahre alt und hat sich schon längst in die ewige Bestenliste eingetragen: Agatha Christie. Und zu dem besonderen Anlass hat sie eingewilligt, sich porträtieren zu lassen. Eine einfache Sache, scheint es. Doch das Vorhaben entwickelt sich zu einem echten Krimi. Denn der ausersehene Künstler ist niemand Geringerer als der 83-jährige Oskar Kokoschka. Ein Maler, dessen Kunst Agatha Christie nicht kennt und dessen Selbstsicherheit sie persönlich abstoßend findet. Die sechs vereinbarten Sitzungen bieten jede Menge dramatisches Potenzial. Denn selten kann man zwei so unterschiedliche Kunstauffassungen und Persönlichkeiten aufeinanderprallen sehen. Kunst, Liebe, Ängste, Leidenschaften – auch die dunkelsten Winkel ihrer Biografien werden thematisiert und diskutiert. Entstanden ist ein in jeder Hinsicht faszinierendes Doppelporträt! Ein intensives Kammerspiel, in dem Agneta Pleijel einfühlsam und souverän Regie führt. Sie skizziert die beiden Künstler in fiktiven Dialogen, knapp, pointiert, absolut glaubwürdig und spannungsgeladen. Ein Gespräch zweier Meister ihres Faches, das dazu einlädt, sich selbst in die Fragen der Kunst und des Lebens einzumischen.

BIOGRAFIE

Liebe in Zeiten der Gewalt

Sie ist Künstlermuse, Autorin und die geschiedene Frau des Malers Max Ernst: Luise Straus-Ernst, genannt Lou. 1934 erhält sie von der Pariser Emigrantenzeitung den Auftrag für den Roman Zauberkreis Paris. Darin erzählt sie – autobiografisch fundiert – die Geschichte eines Paares, das unter dem Druck der NS-Verhältnisse auseinandergerissen wird. Während Peter ins Exil nach Paris geht, schlägt sich Ulla in ihrer Heimat durch. Als sie ihrem Freund dann doch in die französische Metropole folgt, ist nichts mehr, wie es war. Denn durch Peters Affäre mit der geheimnisvollen Russin Borja ist ihre Liebe zerbrochen. Am Ende gerät Peter in einen Strudel krimineller Machenschaften, Ulla jedoch beginnt eine neue Zukunft zu planen … Das Porträt einer desillusionierten Liebe, einer weiblichen Emanzipation – und eine zauberhafte Liebeserklärung an Paris.

Luise Straus-Ernst Zauberkreis Paris 200 S., 20,00 € Südverlag

BIOGRAFIE

Umberto Eco Auf den Schultern von Riesen 416 S., 18,90 € dtv

Schöner denken

90 Jahre wäre Umberto Eco im Januar 2022 geworden. Internationale Berühmtheit erlangte er 1980 mit seinem Bestseller Der Name der Rose; für sein Gesamtwerk wurde er mit neunundvierzig Ehrendoktorwürden aus aller Welt geehrt. Auf den Schultern von Riesen gibt einen Einblick in die einzigartige geistige Spannweite des großen Semiotikers und Universalgelehrten. Die zwölf üppig illustrierten Texte entstanden zwischen 2001 und 2015 und umkreisen Fragen, die Eco am Herzen lagen. Streifzüge durch Literatur, Sprache, Kunst und Philosophie verschmelzen mit messerscharfen Beobachtungen zu ungebrochen aktuellen Themen aus Politik und Zeitgeschehen wie Globalisierung, Klimawandel, Mythologie und Popkultur. Denken in seiner schönsten und inspirierendsten Form!

Wonder Woman als Feministin

Im Dezember 2021 erhielt Jill Lepore den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken. Sie vermag es, die amerikanische Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen und zu beleuchten, lautete die Jurybegründung. Die geheime Geschichte von Wonder Woman stellt dies eindrucksvoll unter Beweis: Die Historikerin erforscht darin die Geschichte des Feminismus in Comics. Wonder Woman ist die beliebteste Superheldin aller Zeiten – selbstbewusst, unkonventionell, attraktiv, eine exzellente Kämpferin. Ihre einzige Schwäche: Legt ein Mann sie in Ketten, verliert sie all ihre Kraft. Jill Lepore hat für ihre rasante Kulturgeschichte Archive durchforstet, Interviews geführt, Tagebücher gelesen, Gerichtsprotokolle gesichtet. Vorhang auf für eine Superheldin, die nicht nur bösen Fieslingen, sondern auch dem Patriarchat Paroli bietet!

Jill Lepore Die geheime Geschichte von Wonder Woman 549 S., 29,95 € eBook 22,99 € C.H.Beck

Nadia Durrani, Brian Fagan Was im Bett geschah 16 Abb. 269 S., 24,00 € eBook 16,99 € Reclam

Betten, die die Welt bedeuten

Jahrhundertelang war das Bett ein politischer Ort. Weltbekannt ist das spätestens seit der Performance „Bed-In For Peace“ von John Lennon und Yoko Ono, bei der sie 1969 in Hotelbetten für den Weltfrieden warben. In Betten wurde also nicht nur geschlafen, sondern auch kommuniziert und sogar regiert. Nadia Durrani und Brian Fagan erzählen die verblüffend vielschichtige Geschichte dieses Möbelstücks – von der Steinzeit bis hin zu den Betten der Zukunft. Was im Bett passiert, so ihr Fazit, verrät am meisten über das Wesen des Menschen. Ein unglaublich originelles und amüsantes historisches Sachbuch!

Kurt Krömers Geheimnis Die gemeinsame Vergangenheit

Er ist einer der witzigsten Komiker. Kein Mensch hätte geahnt, dass Kurt Krömer Depressionen hat – bis er in seiner Sendung Chez Krömer offen darüber sprach. Eigentlich heißt Kurt Krömer Alexander Bojcan. Er ist 47 Jahre alt, trockener Alkoholiker und alleinerziehender Vater. Auf der Bühne und im Fernsehen aber spielt er Kurt Krömer. Jetzt will er sich nicht länger verstecken. Sein Buch ist der ehrliche und dabei lustige Lebensbericht eines Künstlers, von dem die Öffentlichkeit bisher nicht viel Privates wusste. Eine Liebeserklärung an das Leben und die Kunst. Bojcan bricht ein Tabu, aber er tut dies, um Menschen zu helfen, die unter Depressionen leiden oder eine endlose Ärzteodyssee hinter sich haben wie er selbst. „Ich war dreißig Jahre depressiv“, schreibt Krömer. „Ich muss damit leben. Und ich habe keinen Bock, das zu verheimlichen.“ Vor einigen Jahren erfuhr Bettina Flitner vom Suizid ihrer geliebten Schwester. Zunächst war die Fotografin wie gelähmt. Doch dann entschied sie sich zum Erzählen. Das Ergebnis ist ein Buch der Befreiung. Voller Hingabe, Witz und Traurigkeit erzählt Flitner von einer Kindheit der 70er-Jahre, von den Jahren auf der Waldorfschule. Sie erinnert sich an die charismatischen Großeltern, darunter ein berühmter Reformpädagoge, an ihren Vater – den Kulturmanager. An ihr Jahr in New York, die Ferien auf Capri, die ersten Liebesabenteuer. Und dann die Risse: die Überforderung der Kinder durch das Leben der Eltern im Zeichen sexueller Libertinage, die Flucht der Mutter in die Depression, die unerfüllbaren Berufserwartungen der Eltern an die Töchter. Flitners Buch ist ein bewundernswert mutiger Schritt, sich den Gespenstern der gemeinsamen Vergangenheit zu stellen.

Kurt Krömer Du darfst nicht alles glauben, was du denkst 192 S., 20,00 € eBook 16,99 € Kiepenheuer & Witsch Barbara Vorsamer Mein schmerzhaft schönes Trotzdem – Leben mit der Depression 192 S., 18,00 € dtv

Der Elefant auf der Brust

Barbara Vorsamer weiß, wie es sich anfühlt, wenn morgens ein Elefant mitten auf ihrer Brust sitzt. Dann reicht ihre Kraft nicht einmal, um sich im Bett umzudrehen. Dann nimmt das Gefühl der Wertlosigkeit überhand, und irgendwann bleibt als Ausweg nur noch die Einweisung in die geschlossene Psychiatrie. Es war ein schmerzhafter Prozess, es brauchte Therapien und Klinikaufenthalte, bis Barbara Vorsamer lernte, Gefühle nicht länger zu unterdrücken, sondern sie in ihrer Ambiguität zuzulassen. Intensiv, berührend schreibt die mehrfach für ihr Schaffen ausgezeichnete Redakteurin der Süddeutschen Zeitung über das Versinken in tiefdunkler Depression, über Schmerzen und Trauer. Es sind persönliche Fragen, die weit über das Private hinausweisen. Denn wir müssen auch als Gesellschaft mal darüber reden, wie es uns geht.

Bettina Flitner Meine Schwester 320 S., 22,00 € eBook 18,99 € Kiepenheuer & Witsch

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