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Acer opalus – Schneeballblättriger Ahorn Überlebensstrategie durch vegetative Verjüngung
Acer opalus Schneeballblättriger Ahorn
Klimaänderungsbedingte Massnahmen sollten sich nicht nur auf die Baumartenwahl beschränken. Mindestens ebenso wichtig sind die Pflege des Bodens, die Waldstruktur, das Ökosystem Wald insgesamt. Bei der Baumartensuche sind in erster Linie die weniger bekannten heimischen Kandidaten zu prüfen.
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Richard Stocker
Der vierte unserer heimischen Ahorne ist weitgehend unbekannt. Er kommt gemäss LFI auf weniger als einem Prozent der schweizerischen Waldfläche vor und gilt als forstlich unbedeutend, als Ziergehölz. Er bevorzugt warme Lagen im Jura westlich der Linie Brugg–Basel, in der Ajoie, in den Berner, Freiburger und Waadtländer Voralpen sowie im Wallis. Es gibt kaum Vorkommen in der Ostschweiz und in Deutschland nur in Grenzach ennet dem Rhein bei Birsfelden. Die Baumart stammt ursprünglich aus gebirgigen Lagen des Mittelmeerraums. Sie soll im Nahen Osten, in Nordafrika und bis zum Kaukasus vorkommen. Acer opalus bevorzugt kalkreiche Böden. Er ist anspruchslos und kann auf flachgründigen trockenen Rendzinaböden genauso gut gedeihen wie auf Mergelböden und tiefgründigen Kalkbraunerden. Auch von skelettreichen, basenreichen Lehmböden schreckt er nicht zurück. Er ist hitzeresistent, aber spätfrostgefährdet. Dies mag der Grund sein, weshalb er von Natur aus nicht in Hangfuss- und Tallagen mit Kaltluftseen, sondern v. a. an Süd- bis Westhängen zwischen 700 und 800 m ü. M. vorkommt. Im Frühjahr, wenn im nebelverhangenen Tal und auf dem Jura noch Schnee liegt, oder noch eisige Temperaturen herrschen, sind die sonnenbeschienen Hänge längst schneefrei. Die wahrscheinlich grössten Exemplare in der Schweiz befinden sich im Jura in Biel-Bözingen etwa 780 m ü. M. Dort stehen einige von ihnen mit über 20 m Höhe und BHDs von über 80 cm. Acer opalus bildet eine kuppelförmige, transparente Krone aus. Das etwas derbe Blatt ist an der Oberseite tiefgrün, an der Unterseite graugrün. Die auffällig goldgelbe bis orangerote Herbstverfärbung kann hilfreich sein, den Acer opalus zu entdecken. Das geübte Auge kann den Baum im laublosen Zustand auch an seiner leicht rötlichbraunen Farbe und den groben aufgewölbten Borkenschuppen erkennen.
Blatt und Blüten von Acer opalus. (Bild: Flora Helvetica – Die illustrierte Flora der Schweiz, Haupt Verlag, Bern)
Die Eigenschaften des schwach rotbräunlichen Holzes mit gelbem Splint sind, ausser der Farbe, mit jenen des Bergahorns vergleichbar. Acer opalus wird in der Literatur als Halbschattenbaumart beschrieben. Augenfällig ist, dass er extrem fototrop veranlagt ist. Er erträgt seitlichen Druck durch Konkurrenz sehr schlecht, weshalb er sich in Steilhängen dem Tal zuneigt. Wegen seiner geringen Endhöhe und seines grossen Wärme und Lichtbedarfs ist er nur auf mittelbis flachgründigen Standorten hinreichend konkurrenzstark, wo er sogar mit der Buche zurechtkommt. Geeignete Mischbaumarten sind: Traubeneiche, Mehlbeere, Feldahorn, Sommerlinde, Winterlinde; Spitzahorn, Esche, Hopfenbuche, Nussbaum, Eibe, Stechpalme. Geeignete Waldgesellschaften sind: Seggen Buchenwälder (E+K 10, 14–16); Flaumeichen und Eichenmischwälder (E+K 38–40); Föhrenwälder (E+K 61–65), Lindenmischwälder (E+K 25); Eichen Hainbuchenwälder (E+K 35). Acer opalus blüht im laublosen Wald im frühen Frühling nur kurz vor dem Spitzahorn und ebenso leuchtend zitronengelb wie dieser. Nach den farblosen, kargen Wintermonaten sind die weithin sichtbaren Blüten eine willkommene Augen und Bienenweide. Schon möglich, dass diesem wertvollen Baum dank dem Klimawandel noch eine gebührende Aufmerksamkeit zuteilwerden wird.
Typische Ahorn-Früchte in spitzem Winkel. (Bild: Flora Helvetica – Die illustrierte Flora der Schweiz, Haupt Verlag, Bern)
Richard Stocker ist Forstingenieur und Gründer der Firma Waldwesen (www.waldwesen.ch).
Literaturverzeichnis auf www.buendnerwald.ch
Beispiel von einem Blatt mit Herbstverfärbung.
(Bild: R. Stocker Birrwil)