"Bündnerwald" August 22

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Bündner Wald

75 | August 2022
Pilze im Wald Jahrgang
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Titelbild: Legende: Lärchenporling (Laricifomes officinalis) im Cröterwald, Avers. (Bild: Jürg Hassler)

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Pilzkontrollen in Graubünden 8 Il reginom dals bulais/Das Reich der Pilze 12 Eingeschleppte Pilze, eine Gefahr für den Wald . . . . . . . . 16 Der Zunderschwamm – «Förster» des Buchenwaldes 22 Porlinge an Lärchen, Edelsteine und Sorgenkinder im Bündner Wald 28 Mykorrhizapilze – die geheimen Helfer im Wald . . . . . . . 34 Der Hallimasch – ein heimischer Pilz mit vielen Facetten 40 Gefährlichkeit des Echten Hausschwamms 46 Lehrabschlussfeier der Bündner und Liechtensteiner Forstwarte in Scuol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 MiraBova – eine neue Murgang-Beobachtungsanlage 54 Ein Steinschlagschutz für alle Fälle 58 Moore im Wald – ein Aufruf zur Meldung . . . . . . . . . . . 60 Vorschau «Bündner Wald» Oktober 2022 63
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Inhalt
Berg-Schwefelporling (Laetiporus montanus) am Fuss einer Lärche bei Tschierv. (Bild: Beatrice Senn-Irlet)

Fast wie abgemacht! Am 29. Juli 2022 widmete sich die Sendung «Treffpunkt» des Radiosenders SRF1 dem Thema «Das geheime Leben der Baumwurzeln und Pilzfäden». Ob Zufall oder nicht –Pilze und ihre Lebensgemeinschaft mit Bäumen und anderen Pflanzen ist offenbar ein aktuelles Thema. Und das nicht nur für den Forst. Wir arbeiten täglich in der wohl grössten bekannten WG, einer WG, die von Pilzen und Bäumen gegründet wurde. Hätten die Bäume keine Verbindungen zu Pilzen, würden ihnen vermutlich wertvolle Rohstoffe verwehrt bleiben. Hätten die Pilze keine Verbindungen zu Bäumen, müssten Sie sich ohne den Zucker aus der Photosynthese arrangieren. Oder die Natur hätte sich im Laufe der Jahrmillionen eines anderen Tricks für den Bezug dieser Nähstoffe bedienen müssen. Trotzdem lässt sich an diesem Beispiel schon erahnen, wie wichtig die Pilze für uns und das Leben auf unserem Planeten sind. Vielen dürfte es immer noch unbekannt sein, dass wir von blossem Auge eigentlich nur einen kleinen Teil des Pilzes erkennen und uns dessen Rest im Boden verborgen bleibt. Ähnlich wie bei den Eisbergen im Arktischen Ozean. Dass die meisten unter uns von den weltweit rund 100 000 Pilzarten nur einige wenige kennen, wundert nicht. Es sind dann vor allem die grossen Speisepilze, welche es uns angetan haben. Markante Exemplare aus der Familie der Porlinge lösen regelmässig grosses Staunen aus und sind vor allem als Fotosujet beliebt. Es sind aber nicht nur die Form und der Geschmack, welche faszinieren. Es ist auch der Geruch. Hie und da riecht etwas für unsere Nase typisch nach Pilz. Was ist denn typisch Pilz? Ist das nun der Pfifferling, der Steinpilz, der Trüffel oder sogar der Schwefelporling? Während meine Nase den Geruch von Pfifferling und Steinpilz als pilztypisch bezeichnet, riecht die Nase des Spitzenkochs darin vermutlich noch ganz andere Aromen. Der würzige Geruch des Trüffels, vielleicht in Verbindung mit feinstem Schafskäse aus Sardinien, etwas Brot und rotem Wein lässt selbst zu Hause Erinne-

rungen an Urlaub im Süden erwachen. Einen lieblichen Honiggeruch verbreitet der Schwefelporling. Es ist eine fast unerschöpfliche Vielfalt, welche die Pilze unseren Sinnesorganen spenden. Dass sich beim Menschen nicht alle Pilze der selben Beliebtheit erfreuen dürfen, wissen wir alle. Auch in so manchem alten Keller glauben wir Pilze zu riechen. Auch sie haben ihre wichtige Aufgabe. Wie bitte, eine wichtige Aufgabe? Na ja, wer in seinem Anwesen beispielsweise auch den Hausschwamm beheimatet, wird dies verständlicherweise anders sehen. Betrachten wir den Hausschwamm aus der Sicht der Natur, so hat er durchaus auch seinen Nutzen. Wie viele andere Pilze trägt er zum Abbau organischer Stoffe bei und sorgt dafür, dass diese für andere Organismen wieder zugänglich und verwertbar werden.

Das verborgene Reich der Pilze – hochinteressant, spannend, mit mancher Überraschung und weitreichender als im ersten Moment gedacht. Vielleicht geht es Ihnen beim Lesen dieser Ausgabe auch so.

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Editorial
Redaktor Jörg Clavadetscher Hier ist Vorsicht geboten (Bild: Jörg Clavadetscher)

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Pilzkontrollen in Graubünden

In den menschlichen Genen ist «sammeln und jagen» immer noch vorhanden. Wer einmal angefangen hat, Pilze zu suchen und zu finden, wird von diesen Genen angetrieben, es immer wieder zu tun. Kommt dann noch das eigenhändige Kochen von Saucen, Pilz-Risotto oder anderen Pilzgerichten dazu, wirds noch spannender. Manche Pilze sind aber tödlich giftig. So ist es wichtig, die essbaren Pilze auch sicher zu kennen. Und wer sicher gehen will, hat die Möglichkeit sein Sammelgut einer Pilzkontrollstelle zu zeigen.

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Sauber nach Arten getrenntes Sammelgut bei der Pilzkontrollstelle. (Bilder: Siegfried Berni)

Das Pilzkontrollwesen wird von der VAPKO (Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane) gemanagt. Dieser Verein ist schweizweit tätig und wurde 1925 gegründet. Unter andern war die Stadt Chur bei der Gründung dabei.

Die VAPKO ist seither für die Ausbildung und Weiterbildung sowie die Prüfungsabnahme der Pilzkontrolleure besorgt. Sie organisiert Tagungen und Versammlungen und hat die Übersicht über die Pilzkontrollstellen der Schweiz. Mitglied bei der VAPKO sind vor allem Gemeinden und Kantone. Vor der Jahrtausendwende stand im Eidgenössischen Lebensmittelgesetz «die Gemeinden hätten Pilzkontrollstellen einzurichten» und jeder Verkauf und jede Übergabe von privat gesammelten Pilzen an die Gastronomie bedurfte einer «Pilzverkaufsbewilligung einer Pilzkontrollstelle». Die Motivation der Gemeinden und Kantone, VAPKO-Mitglied zu sein und möglichst viele Kontrollstellen anzubieten, nahm mit der Streichung dieser Gesetzesvorschrift seither ab. Jeder Gastronom oder Koch trägt heute selbst die Verantwortung, dass keine giftigen Pilze auf den Teller des Gastes kommen. Im Kanton Graubünden können Sie aktuell an zirka zwölf Standorten gesammelte Pilze kontrollieren lassen. Dafür sind rund sieben Pilzkontrolleure im Einsatz. Die Details sind auf www.vapko.ch/index. php/de/eine-pilzkontrollstelle-finden nachlesbar. Die Gemeinde Vals hat mich im Jahr 1975 als frischgebackener Revierförster sofort dazu überredet, Pilzkontrolleur für die Gemeinde zu werden. Die Gemeinde werde mich zu einem «Kürslein» anmelden, wo ich dann die Berechtigung als Pilzkontrolleur erlangen könne. Für mich als diplomierter Förster, der alle Holzarten zu unterscheiden gelernt hatte und auch noch wusste, dass im Wald auch Farne, Pilze, Moose und einige Hochstauden wachsen, sei das nur aus dem Ärmel zu schütteln! Im September 1976 wurde ich von der VAPKO zu einem einwöchigen Kurs nach Hemberg eingeladen. Am zweiten Tag machte ich meiner Klassenlehrerin den Vorschlag, wegen totaler

Überforderung den Kurs abzubrechen und nach Hause zu fahren. Sie konnte mich aber dazu bringen, zu bleiben. Sie empfahl mir, den Kurs aufmerksam mitzumachen, dann ein Jahr lang intensiv Pilze zu lernen und den Kurs im nächsten Jahr noch einmal zu absolvieren und dann vielleicht erfolgreich abzuschliessen. 1977, also ein Jahr später, hats dann tatsächlich geklappt und ich bestand die Prüfung.

Zu Hause machte ich mich zusammen mit meiner Freundin daran, die «paar wenigen Pilzarten in den Valser Wäldern» zu sammeln und zu bestimmen. Aber oh je, oh je, schon die erste einstündige Sammelaktion brachte rund 30 verschiedene Pilzarten zusammen!

Pilze sind bekanntlich Lebewesen, aber keine Pflanzen. Sie haben keine Möglichkeit, Fotosynthese zu machen. Die Pilze sind grundsätzlich Schmarotzer, viele sind aber in Symbiose mit bestimmten Pflanzen und helfen diesen bei der Beschaffung von Wasser und Nährstoffen als Gegenleistung. Es gibt viele Symbiose-Teams (Birke – Birkenröhrling; Lärche – Lärchenröhrling). Manche Pilze sind sehr auf eine Pflanzenart spezialisiert, andere können auch mit verschiedenen Pflanzen in Symbiose leben. Diese Abhängigkeiten sind denn auch die Erklärung, wieso Pilze an immer denselben Standorten zu finden sind. Diesen Umstand machen sich die Pilzsammler zunutze.

Ob es im Sommer und Herbst viele oder wenige Pilze gibt, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Der wichtigste ist wohl das Wetter. Die richtige Kombination von Wärme und viel Regen ist die Voraussetzung für ein häufiges Pilzvorkommen. Die Fortpflanzung von Pilzen erfolgt geschlechtlich und vegetativ und ist recht kompliziert. Es ist demnach auch nicht so einfach zu sagen, was das Vorkommen der Pilze einschränkt und was für den Pilzschutz das Wichtigste ist. Auf jeden Fall ist das massenhafte Pflücken von Pilzen für den Fortbestand der Arten nachteilig. Ob das eigentliche Pflücken oder nur der Schaden durch das Betreten

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des Waldbodens schlechter ist, ist nicht so klar. Der Kanton Graubünden führte schon vor mehreren Jahrzehnten Pilzschutzbestimmungen ein. Aktuell gilt hier jeden Monat vom 1. bis 10. eine allgemeine Pilzschonzeit und es dürfen an den erlaubten Tagen (11.–31.) maximal 2 kg Pilze pro Person und Tag gesammelt werden.

Das Sammeln von Pilzen und die spezifische Zubereitung derselben ist ein schönes Hobby, bringt den Pilzsammler hinaus an die frische Luft und weckt sein Interesse für die Zusammenhänge in der Natur. Wir dürfen die Pilzressourcen nicht übernutzen und es wäre sehr wünschenswert, wenn die Pilzsammler nur essbare, unverdorbene und gut verwertbare Pilze sammeln und die Schonzeiten und die Men-

genvorschriften selbstverständlich einhielten. Pilze enthalten leicht verderbliche Eiweissstoffe, was bedingt, dass Pilze in Körbchen oder Papiertaschen und keinesfalls in Plastiksäcken gesammelt und nach Hause getragen werden sollen.

Pilzsammler müssen die Pilze kennen, denn es gibt verschiedene giftige, ja sogar einige tödlich giftige Pilzarten. Wer sich nicht sicher ist, zeigt die Pilze vor dem Rüsten und zubereiten einer Pilzkontrollstelle.

In einem guten Pilzbestimmungsbuch sind 700 bis 1200 Pilzarten beschrieben. In einem solchen Buch hat ein Anfänger grösste Mühe, einen Pilz zu bestimmen. Hat jemand ein Büchlein mit 20 abgebildeten Pilzen, so kann er «vermeintlich» jeden Pilz

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Schöne Steinpilze, bereit zur Verarbeitung.

leicht zuordnen. Dort ist einfach jeder rote Pilz ein Fliegenpilz, jeder braune ein Steinpilz und jeder gelbe ein Eierschwamm usw. Darum bitte – Vorsicht! Vor Jahrzehnten verbrachte ein Paar ein wohlverdientes verlängertes Wochenende in ihrem abgelegenen Wochenendhaus in der damaligen Gemeinde St. Martin. Am ersten Abend kamen sie zu mir in die Pilzkontrolle mit einem Körbchen voll Bovisten, welche sie in der Wiese dem Waldrand entlang gefunden hatten. Einige der auf dem Tisch ausgebreiteten Pilze sahen leicht anders aus. Ich schnitt einen solchen «Bovisten» auf und zeigte ihnen die Schnittfläche, wo schön das Abbild eines noch versteckten Blätterpilzes zu sehen war. Es war ein noch gänzlich in der Vulva steckender Knollen-

blätterpilz. Wären die beiden nicht mit dem gesamten Sammelgut in die Kontrolle gekommen, hätten sie vielleicht beim Rüsten der Pilze den Unterschied bemerkt und wären noch stutzig geworden. Hätten sie aber von den Pilzen gegessen, hätte es sicher zu einer Tragödie geführt. Die Pilzkontrollstellen erfüllen eine wichtige Aufgabe. Nicht jeder und jede Pilzsammlerin kennt die Pilze sicher genug. Es können mit bösen Folgen Verwechslungen vorkommen.

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Siegfried Berni, pensionierter Revierförster der Gemeinde Vals betreibt auch heute noch eine der Pilzkontrollstellen in Graubünden. Wunderschöne Fliegenpilze.

Il reginom dals bulais

Das Reich der Pilze

Lavur publica sur ils bulais es fich importanta. Eir scha blera glieud craja da cugnuoscher l’amanita muos-chera ed il chastognin. Insembel culla Società da bulais Grischuna ha la Fundaziun Pro Terra Engiadina creà üna tabla d’infuormaziun.

Pilz-Öffentlichkeitsarbeit ist von Bedeutung, auch wenn viele Leute den Fliegenpilz und den Steinpilz zu kennen glauben. Die Stiftung Pro Terra Engiadina entwickelte zusammen mit dem Pilzverein Graubünden eine zweisprachige Informationstafel.

Bulais fuorman lur agen reginom e nu sun ni plantas ni bes-chas. Lur ecologia es multifaria. Tscherts bulais d’eiran partecipats decisivmaing pro la fuormaziun dal terrain e pro‘l mantegnimaint da la früttaivlezza da la terra. Oters bulais vivan in üna biocenosa cun plantas (p. ex. bulai da mycorrhiza, lichens) ed darcheu oters sun parasits da plantas (p. ex. ravenna, sfarinuossa) e da bes-chas.

L’uman tils consüma sco bulais mangiabels, tils ütilisescha pro la producziun da bavrondas alcoholicas, pro prodots da lat e pro’l pan. Spezchas psicoactivas vegnan douvradas sco drogas intanta cha otras sorts prodüan antibiotica e penicillin. Hozindi sun cuntschaintas var 100 000 sorts da bulais. Quai cha’l laic indichescha sco bulais sun ils früts visibels dals bulais gronds chi rapreschaintan be üna pitschna part dal regniom dals bulais.

Die Pilze bilden ihr eigenes Reich und sind weder Pflanzen noch Tiere. Ihre Ökologie ist vielfältig. Manche waren massgeblich beteiligt bei der Entstehung der Böden und der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. Andere leben in einer Lebensgemeinschaft mit Pflanzen (z. B Mykorrhizapilze, Flechten) und wieder andere sind Parasiten von Pflanzen (z. B. Rostpilze, Mehltau) und Tieren.

Der Mensch verzehrt sie als Speisepilze, setzt sie bei der Produktion alkoholischer Getränke, Milchprodukte und Brot ein. Psychoaktive Arten werden als Drogen benutzt, während andere Antibiotika wie Penizillin produzieren.

Heute sind weltweit etwa 100 000 Pilzarten bekannt. Was der Laie als Pilze bezeichnet, sind die von Auge erkennbaren Fruchtkörper von Grosspilzen, die nur einen kleinen Teil des Pilzreiches darstellen.

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Destructuors e parasits

Bulais destructuors disfan materia organica morta e vivan da quella, quist möd da nudrir as noman saprofitic. Insembel cun bacterias ed organissems animalics fuorman els humus our da s-chart organic. Percunter sun bulais parasits specialisats sün osps vivaints. Tschertas spezchas (p.ex. il porlan da vetta cun culur da rava, la müffa) as nudrischan da maniera saprofitica sco eir parasitica, intant cha otras (parasol gicantic, murachel, schampignun) sun unicamaing saprofiticas.

Destruente und Parasiten

Destruente Pilze können tote organische Materie abbauen und davon leben; diese Ernährungsweise nennt man saprophytisch. Zusammen mit Bakterien und tierischen Kleinstlebewesen bilden sie aus organischem Abfall den Humus. Parasitische Pilze dagegen sind meist auf lebende Wirte spezialisiert. Manche Arten (z.B. Rotrandiger Schichtporling, Schimmelpilze) ernähren sich sowohl saprophytisch als auch parasitisch, während andere (Parasolpilz, Speisemorchel, Champignons) reine Saprophyten sind.

Lichens

Il lichen es üna biocenosa tanter bulai, alga verda e bacteria blaua. El es da chattar fin sur 5000 msm, in deserts, in palüds, sün glatsch glüschaint, terrain e scorzas. Els survivan temperaturas da −47 fin +80 °C. Lichens nu piglian davent ingüna nudritüra dal bös-ch ingio chi vivan e nu sun dimena ingüns parasits.

Flechten

Eine Flechte ist eine symbiotische Lebensgemeinschaft zwischen Pilzen, Grünalgen und Cyanobakterien. Man findet sie in bis zu 5000 m, in Wüsten, Mooren, auf blankem Fels, Böden und Baumrinde. Sie überstehen −47 bis +80 °C. Flechten entnehmen den Bäumen, an denen sie wachsen, keine Nährstoffe und sind somit keine Parasiten.

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ramalina/Kleine Astflechte porlan da vetta cun culur da rava /Rotrandiger Schichtporling

Bulai da mycorrhiza

Bulais da mycorrhiza sun simbiosas tanter ün bulai ed üna planta, ingio cha las hifas dal bulai stan in contact cul sistem da ragischs finas da la planta. Il bulai furnischa substanzas nudritivas dal terrain ed aua a la planta e survain dad ella prodots da la fotosintesa. Uschea vain cuvernada la dumonda da fosfat in ün god per gronda part dals bulais. 90 % da las plantas sun ablas da fuormar mykorrhiza. Tras ils bulais sun las plantas ablas da brattar nudritüra tanter pêr sco eir dad avertir sur dals privels sco puogls da föglias tant cha otras plantas as pon far prontas.

Bleras spezchas da bulais las plü cuntschaintas, sco per exaimpel il chastognin, l’amanita muos-chera e l’amanita verda sun bulais da mycorrhiza.

Die Stiftung Fundaziun Pro Terra Engiadina unterstützt den Erhalt und die Förderung der vielfältigen Kultur- und Naturlandschaften des Unterengadins und der angrenzenden Täler. Angelika Abderhalden betreibt die Geschäftsstelle der Pro Terra Engiadina.

Mykorrhiza

Mykorrhiza ist die Symbiose zwischen einem Pilz und einer Pflanze, wobei die Hyphen des Pilzes mit dem Feinwurzelsystem der Pflanze in Kontakt sind. Der Pilz liefert der Pflanze Bodennährstoffe und Wasser und erhält von der Pflanze dafür Produkte der Photosynthese. So wird in einem Wald der Bedarf an Phosphat zum grössten Teil durch Pilze gedeckt. 90 % der Landpflanzen sind zur Mykorrhizabildung befähigt. Pflanzen können über Pilze Nährstoffe untereinander austauschen und sich gegenseitig vor Gefahren wie Blattläusen warnen, damit ihre Artgenossen sich wappnen können.

Viele der bekanntesten Arten, wie z. B. Stein-, Fliegen- und Knollenblätterpilze sind Mykorrhizapilze.

Impressum: Text: Fritz Schulthess Traducziun:

Aita Zanetti Layout: Fundaziun Pro Terra Engiadina, Angelika Abderhalden, Bigna Abderhalden

In collavuraziun cun: District da chatscha X, Uffizi da chatscha e pestga Grischun, Fundaziun Pro Terra Engiadina Fotografias: Josef Jenal, pxhere, Bigna Abderhalden

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parasol gicantic/ Parasolpilz murachel/ Speisemorchel chastognin/ Steinpilz amanita muos-chera/ Fliegenpilz

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Eingeschleppte Pilze, eine Gefahr für den Wald

Mit dem weltweiten Handel werden auch Pilze in neue Gebiete verschleppt, in denen sie vorher nicht vorkamen. Diese sogenannten Neomyzeten (wörtlich «Neupilze») können grosse Probleme in den Ankunftsländern verursachen. In der Schweiz zählt man über 300 Neomyzeten, 30 davon verursachen Krankheiten auf Waldbäumen, darunter so gravierende Krankheiten wie das Ulmensterben, der Kastanienrindenkrebs und das Eschentriebsterben. An letzterer wird gezeigt, wie aus einem in seiner Heimat harmlosen Pilz durch die Einschleppung in ein neues Habitat ein gefährliches Baum-Pathogen wurde.

Durch den weltweiten Pflanzenhandel und Transport von Pflanzenmaterial, wie zum Beispiel Holzverpackungen, werden absichtlich oder unabsichtlich immer mehr Organismen in Gebiete gebracht, in denen sie vorher nicht vorkamen. Geschah dies nach der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 spricht man von sogenannten Neobiota. Dabei denken die meisten als Erstes an invasive Pflanzen (Neophyten) wie das Indische Springkraut oder die Kanadische Goldrute und im Wald an die besonders im Tessin sehr häufige chinesische Hanfpalme oder den Götterbaum. Weiter sind verschiedene fremdländische Tiere (Neozooen) wie der Asiatische Laubholzbockkäfer und der Japankäfer immer wieder ein Thema. Eingeschleppte Pilze (Neomyzeten) sind hingegen weniger bekannt, obwohl einige von ihnen als Schadorganismen eine grosse Gefahr für die heimischen Ökosysteme darstellen. Insbesondere für den Wald haben sich einige eingeschleppte Pilze zu schwerwiegenden Problemen entwickelt. Viele der Baumkrankheiten, die uns aktuell grosse Sorgen bereiten, werden von eingeschleppten Pilzen verursacht. Prominente Beispiele sind das Ulmensterben, der Kastanienrindenkrebs und in letzter Zeit das Eschentriebsterben. Einige sind schon so lange hier, dass man sie gar nicht mehr für eingeschleppt hält, wie den Eichenmehl-

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tau, Erysiphe alphitoides, der vor über 120 Jahren aus Asien nach Europa kam. Abb. 1: Der asiatische Haselmehltau, Erysiphe corylacearum, bildet im Gegensatz zum heimischen Haselmehltau (Phyllactinia guttata) Myzelflecken auf der Blattoberseite. (Fotos: WSL)

Krankheiten an heimischen Waldbäumen, die durch Neomyceten verursacht werden

BaumKrankheit Pathogen HerkunftErstnachweis Schweiz

AhornAhorn Stammkrebs Eutypella parasitica Nordamerika2014

Petrakia-Blattbräune des Spitzahorns Petrakia deviata Asien2019

BucheSüdliche Kohlenbeere Biscogniauxia mediterranea mediterran1980

Petrakia-Blattbräune der Buche Petrakia liobae unbekannt2016

EdelkastanieKastanien-Rindenkrebs Cryphonectria parasitica Asien1948

Tintenkrankheit Phytophthora cinnamomi Asien1981

EicheEichen-Mehltaue Erysiphe alphitoides Asien1899

Erysiphe hypophylla Asien1953

Erysiphe quercicola Asien2017

Erle Erlen-Rostpilz Melampsoridium hiratsukanum Asien1999

Neuartiges Erlensterben Phytophthora alni Asien2008

EscheAsiatischer Eschenmehltau Erysiphe salmonii Asien2020

Eschentriebsterben Hymenoscyphus fraxineus Asien2008

FöhreRotband-Krankheit Dothistroma pini unbekannt2012

Braunflecken-Krankheit

Dothistroma septosporum

Lecanosticta acicola

Föhrentriebsterben Diplodia sapinea

unbekannt1989

Nordamerika1995

unbekannt1991

HagebucheHagebuchen-Rindenkrebs Cryphonectria carpinicola unbekannt2018

Hagebuchen Mehltau Erysiphe arcuata

HaselAsiatischer Haselmehltau Erysiphe corylacearum

KirscheKirschen-Rostpilz

PappelMarssonia-Krankheit

Rindenbrand

UlmeUlmenwelke

Leucotelium cerasi

Asien1975

Asien2019

mediterran1845

Drepanopeziza punctiformis unbekannt2012

Entoleuca mammata

Ophiostoma ulmi

Ophiostoma novo-ulmi

Nordamerika1893

Asien1910

Asien1975

Krankheiten an ausländischen Waldbäumen, die durch Neomyceten verursacht werden

DouglasieRussige Douglasienschütte

Rostige Douglasienschütte

RobinieRobinien-Mehltau

Weymouthkiefer/Strobe

Weymouthkiefern-Blasenrost

Nothophaeocryptopus gaeumannii

Rhabdocline pseudotsugae

Erysiphe pseudacaciae

Cronartium ribicola

ZederTriebsterben der Zeder Sirococcus tsugae

Nordamerika1925

Nordamerika1922

unbekannt1906

Asien1895

Nordamerika2021

Tabelle 1: Übersicht mit einigen der wichtigsten Krankheiten, welche durch Neomyceten verursacht werden. (Quelle: WSL)

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In der Schweiz sind etwas über 300 Neomyzeten nachgewiesen. Über dreiviertel davon sind parasitische Pilze, ca. 20 Prozent sind, holz- und streuabbauende (saprotrophe) Pilze (z. B. der Leuchtende Weichporling, Pycnoporellus fulgens) und nur 3,5 Prozent gehen eine Symbiose mit Baumwurzeln ein (Ektomykorrhiza-Pilze) (z.B. der nordamerikanische Elfenbeinröhrling, Suillus placidus mit fünfnadeligen Föhren). Von diesen Neomyzeten verursachen 30 Arten Krankheiten an Waldbäumen (Tabelle). Fünf von ihnen kommen nur auf eingeführten Baumarten vor und sind wahrscheinlich meist zusammen mit diesen eingeführt worden. Ein Beispiel dafür ist die Douglasie mit der Russigen und der Rostigen Nadelschütte, deren Erreger, Rhabdocline pseudotsugae bzw. Nothophaeocryptopus gaeumannii, wie ihr Wirtsbaum aus Nordamerika stammen. Parasit und Wirt können aber auch von verschiedenen Kontinenten stammen. Der asiatische Weymouthkiefern-Blasenrost (Cronartium ribicola) befällt in Europa heimische Johannisbeeren (Ribes spp.) und wechselt als zweiten Wirt auf die aus Nordamerika stammende Weymouthkiefer (Pinus strobus) über. Die durch ihn an der Weymouthkiefer verursachten Schäden sind so gross, dass sich ihr Anbau als Forstbaum in Europa nicht lohnt. In Nordamerika ist Cronartium ribicola auf allen dortigen fünfnadeligen Föhren extrem invasiv und ein grosses Problem. Die heimische fünfnadelige Arve hingegen ist glücklicherweise kaum anfällig. Der in den Alpen vorkommende Rost auf Arve scheint eine eigene Form von Cronartium ribicola zu sein, die sich von der im Tiefland eingeschleppten asiatischen Form in ihrer Wirtspräferenz leicht unterscheidet.

Noch wichtiger für den Schweizer Wald sind aber die 25 Neomyzeten, die heimische Baumarten befallen und krank machen. Auch diese wurden vermutlich mit Pflanzmaterial von exotischen Bäumen eingeführt. Sie blieben aber nicht auf diesen, sondern sprangen auf heimische Arten über. Ist ein gebietsfremder Pilz erst einmal angekommen und

hat einen geeigneten Wirt gefunden, kann er sich über Sporen von alleine weiter verbreiten und vermehren. So ist das Falsche Weisse Stengelbecherchen (Hymenoscyphus fraxineus), der Erreger des Eschentriebsterbens, wahrscheinlich nur einmal in Polen in den 1990er-Jahren eingeschleppt worden und hat sich von dort aus über ganz Europa durch Sporenflug und den Transport von infizierten Pflanzen ausgebreitet. Die das Ulmensterben auslösenden asiatischen Pilze, Ophiostoma ulmi und O. novo-ulmi, bedienen sich hingegen der heimischen Ulmensplintkäfer als Vektoren, um ihre Sporen sehr effektiv zu übertragen, und konnten so zu invasiven Arten werden. Beim erst 2019 im Tessin neu für Mitteleuropa entdeckten asiatischen Haselmehltau, Erysiphe corylacearum (Abb. 1), konnte man quasi live mitverfolgen wie er sich nördlich

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Abb. 2: Dieser Stammkrebs an Bergahorn wurde von Eutypella parasitica verursacht. Die Fruchtkörper des Pilzes sind als schwarze Krusten am Rand der grossen Läsion zu erkennen.

der Alpen ausbreitete und heute fast überall in der Schweiz zu finden ist. Mehltaupilze sind mit einem Anteil von über 20 Prozent die erfolgreichste Gruppe unter den Neomyceten. Von den 30 auf Waldbäumen sind es sieben, alleine drei davon auf Eiche. Der neuste Zugang ist der asiatische Mehltau auf Esche, Erysiphe salmoni, der 2020 ebenfalls im Tessin erstmals für die Schweiz und Mitteleuropa nachgewiesen wurde. Zum Glück wurden bisher keine grösseren Schäden durch eingeschleppte Mehltaupilze festgestellt, höchstens Sämlinge können stärker geschädigt werden. Mit vier Neomyzeten ist die Föhre am stärksten betroffen. Dothistroma septosporum und D. pini verursachen die Rotband-, Lecanosticta acicola die Braunfleckenkrankheit auf ihren Nadeln. Die Triebe werden von Diplodia sapinea attackiert.

Andere Neomyzeten konnten sich lange vor ihrer Entdeckung verbergen. Entweder sind sie so unscheinbar, dass sie lange übersehen werden, oder ähneln einer heimischen Art, mit der sie verwechselt werden können. Oft fehlt auch die Literatur, um die eingeschleppten Pilze korrekt zu bestimmen oder sie sind noch gar nicht für die Wissenschaft beschrieben. Ersteres ist der Fall bei dem Erreger des Ahornstammkrebses, Eutypella parasitica (Abb. 2), der aus Nordamerika eingeschleppt wurde. Lange wurde die Art nicht erkannt bzw. mit heimischen ähnlichen Arten verwechselt, da sie in der europäischen Forstpathologie-Literatur nicht erwähnt ist. Erst 2005 wurde sie erstmals für Europa in Slowenien identifiziert und 2014 dann auch in der Schweiz gefunden. Dies obwohl sie sehr grosse und auffällige Nekrosen an Ahornstämmen bildet. Das Alter der hier gefundenen Krebse wird aufgrund ihrer Grösse auf bis zu mehrere Jahrzehnte geschätzt. Ein Beispiel für eine Art, die vollkommen neu ist, ist Cryphonectria carpinicola auf Hagebuche (Abb. 3). Sie ist erst vor ein paar Jahren entdeckt und 2020 beschrieben worden. Ihre Herkunft liegt im Dunkeln, vermutlich stammt sie aus dem Kaukasus. Die auf Buchen Blattflecken verursachende Petrakia liobae (Abb. 4) trat erstmals 2008 in Zürich auf und ist jetzt weit im Buchenareal verbreitet. Nahm man erst an, es handle sich um eine eingeschleppte asiatische Art, stellte sich bei genaueren genetischen Untersuchungen heraus, dass es sich um eine neue Art handelt, die dann 2020 beschrieben wurde. Sie ist so auffällig, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie früher in Europa übersehen wurde. Sie dürfte also auch ein Neomyzet unbekannter Herkunft sein. Es zeigte sich immer mehr, wie wichtig moderne Methoden auch für die Identifizierung von Neomyzeten sind. Dank DNA-Sequenzierung kann man heutzutage nah verwandte oder ähnlich aussehende Pilze unterscheiden und neue Arten entdecken. Auch ohne Fruchtkörper lassen sich so nur aus kultiviertem Myzel oder direkt aus infiziertem Pflanzenmaterial Pilze nachweisen.

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Abb. 3: Von Cryphonectria carpinicola ist nur das Konidienstadium bekannt. Orange Pusteln brechen durch die Rinde von Hagebuche.

Es stellt sich nun die Frage, warum viele der gefährlichsten Krankheiten an heimischen Waldbäumen durch eingeschleppte Pilze verursacht werden. Normalerweise entwickeln sich Wirtspflanze und Pathogen in Koevolution gemeinsam in einem Gebiet. Der Wirt kann eine Resistenz gegen den pathogenen Pilz entwickeln, der Pilz versucht wiederum diese zu überwinden, sodass sich ein Gleichgewicht zwischen Pilz und Wirt einstellt. Wenn ein Pilz in ein neues Gebiet kommt, trifft er dort auf Pflanzen, mit denen er noch nie in Kontakt war. Wenn er keine infizieren kann, da er nicht mit ihr kompatibel ist, verschwindet er wieder. Kann er sie infizieren und sich etablieren, gibt es zwei Möglichkeiten. (1.) Er richtet keine grösseren Schäden an, da die Pflanze eine gewisse Resistenz gegen ihn aufweist. (2.) Wenn er aber auf keine Gegenwehr trifft und die infizierte Pflanze stark schädigt und sie schlimmstenfalls zum Absterben bringt, kann der Pilz zu einem invasiven Krankheitserreger werden. Umgekehrt gilt übrigens das Gleiche. Eine Pflanze, die in ein neues Gebiet eingeschleppt wird, kann sich nur etablieren, wenn sie dort nicht auf Pathogene und Schädlinge trifft, die sie stark schädigen. Das Fehlen von Gegenspielern ist auch ein Hauptgrund dafür, dass Pflanzen zu invasiven Neophyten werden. Als grobe Faustregel geht man davon aus, dass von den in einem Gebiet ankommenden Organismen sich ungefähr 10 Prozent etablieren können und wiederum davon 10 Prozent invasiv werden, heisst Schaden für Mensch und Umwelt anrichten.

Exemplarisch lässt sich gut am Eschentriebsterben zeigen, wie und warum ein eingeschleppter Pilz zum gefährlichen Pathogen einer heimischen Pflanze wird.

Da es in Europa den harmlosen einheimischen Pilz Hymenoscyphus albidus und den eingeschleppten krankheitserregenden Hymenoscyphus fraxineus gibt, ist ein Vergleich möglich. Beide Arten sind in ihren jeweiligen Heimatgebieten auf den dort heimischen Eschen harmlose saprotrophe Pilze, H. al-

bidus auf Fraxinus excelsior in Europa und H. fraxineus auf Fraxinus mandshurica in Asien. Beide haben den gleichen Lebenszyklus. Im Sommer wachsen in der Laubstreu auf den vorjährigen Eschenblättern die kleinen weissen Pilzfruchtkörper, die Sporen bilden. Diese infizieren und wachsen im Pflanzengewebe, als Endophyten, in den grünen Blättern der jeweiligen Esche, ohne grössere Symptome zu verursachen. Im Herbst fallen die Blätter mit dem Pilz im Inneren ab. Über den Herbst und Winter verfärbt der Pilz die Blattspindeln schwarz. Mit der Bildung der Fruchtkörper auf diesen im nächsten Sommer schliesst sich der Kreis wieder. Auf ihren ursprünglichen Wirten dringen die Pilze nicht in die Sprosse der jeweiligen Eschen ein. Auf den asiatischen Eschen ist H. fraxineus also kein Schadpilz, sondern ein ganz harmloser Endophyt und Saprophyt. Erst durch seine Verschleppung nach Europa wurde er zu einem gefährlichen Baumkiller. Die Europäische Esche kann nicht – wie bei H. albidus – verhindern, dass H. fraxineus vom Blatt in den Spross wächst, um dort die Leitgefässe zu verstopfen und Nekrosen zu erzeugen. Was dann zum Absterben von Ästen und schlussendlich der ganzen Bäume führt. Dies demonstriert deutlich, was passieren kann, wenn Organismen durch den Menschen zusammengebracht werden, die vorher geografisch isoliert waren und sich getrennt entwickelt haben. Es zeigt auch, dass man aus der Lebensweise eines Organismus in seiner Heimat nicht unbedingt vorhersagen kann, wie er sich in einem anderen neuen Habitat verhalten wird (wie es am Beispiel von H. fraxineus sichtbar ist, der in seiner Heimat kein Pathogen ist). In Europa erleben wir gerade, wie dieser Pilz die Eschen-dominierten Waldökosysteme in Europa gravierend umgestaltet. Für die europäische Esche als Baumart besteht aber eine kleine Hoffnung, da einige wenige Exemplare eine gewisse Toleranz oder Resistenz gegenüber dem asiatischen Eindringling zeigen. Diese Bäume gilt es daher zu fördern und zu vermehren.

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Besser wäre es aber, zu verhindern, dass potenziell pathogene Pilze eingeschleppt werden. Dafür wird Pflanzenmaterial, das importiert werden soll, bereits in den Produktionsländern auf Schädlinge und Pathogene kontrolliert. Im Inland finden ausserdem Kontrollen an den Grenzen und in den importierenden Betrieben, zum Beispiel Baumschulen, durch den Eidgenössischen Pflanzenschutzdienst statt. Dennoch wird man nicht gänzlich verhindern können, dass neue Pilze eingeschleppt werden. Einerseits kann man nur auf das hin kontrollieren, was man schon kennt. Noch unbekannte Organismen könnten also durch das Raster fallen. Andererseits zeigen die importierten, exotischen Pflanzen oft keine Symptome, obwohl sie mit einem Pilz infiziert sind. Dieser macht sich vielleicht erst später durch Schäden an einer heimischen Pflanze, auf die er übergesprungen ist, bemerkbar, wie das Beispiel des Eschen-

triebsterbens zeigte. Eine Methode, potenzielle Schadorganismen zu identifizieren, bevor sie eingeschleppt werden, ist es, europäische Bäume in Ländern zu pflanzen und zu beobachten, aus denen viel Material importiert wird (sog. Sentinel-Trees). Umgekehrt werden hier fremdländische Bäume auf ihre Anfälligkeit gegenüber hiesigen Organismen überprüft. Ein solches internationales Sentinel-Network kann helfen, Schadorganismen frühzeitig zu erkennen und ihre Verschleppung einzudämmen. Konnte man eine Einschleppung nicht verhindern, gilt es den fremden Pilz frühzeitig zu entdecken und zu tilgen, bevor er sich etablieren und ausbreiten kann. Daher werden die Erreger des Föhrenpechkrebses, Fusarium circinatum, und des Plötzlichen Eichentods, Phytophthora ramorum, wegen ihrer Gefährlichkeit im Zuge der EU-weiten Gebietsüberwachung durch ein extra Monitoring bei uns überwacht. Beide Arten kommen schon in Teilen Europas vor, aber noch nicht in der Schweiz. Nach Neomyzeten sollte man aber nicht nur im Wald, sondern auch im Siedlungsgebiet suchen, da sie erfahrungsgemäss im Letzteren zuerst auftauchen. In Gärten und Parkanlagen werden mehr importierte und exotische Bäume angepflanzt, die eine Quelle für neue Pilzen sein können. Alle Forstund Gartenfachleute sind daher aufgerufen, neue und unbekannte Schadsymptome an Bäumen an Waldschutz Schweiz zu melden.

Weitere Informationen, eine aktuelle Liste der Neomyzeten und deren Verbreitung in der Schweiz befinden sich auf https://swissfungi.wsl.ch/de/neomyceten.html.

Publikationen der WSL zu Neomyzeten im Allgemeinen und einzelnen Arten können über https://www.wsl.ch/de/ publikationensuchen.html heruntergeladen werden.

Dr. Ludwig Beenken ist Forstpathologe bei Waldschutz Schweiz an der Eidg. Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft (WSL), Forschungseinheit Waldgesundheit und biotische Interaktionen.

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Abb. 4: Die Blattfleckenkrankheit, die von Petrakia liobae auf Buche verursacht wird, ist an den kleinen weissen Tupfen mit der Lupe zu erkennen.

Der Zunderschwamm –«Förster» des Buchenwaldes

Der Zunderschwamm gehört mit seiner stattlichen Grösse sicherlich zu den bekanntesten holzbewohnenden Pilzarten. Als «Förster» des Buchenwaldes wie auch als «Feuerzeug» der Steinzeit prägt er Wälder und Menschen in Europa seit Jahrhunderten mit. In diesem Artikel werden der Pilz selbst sowie seine Verbindungen mit den Bäumen, uns Menschen und anderen Lebewesen ausführlich vorgestellt.

1. Der Zunderschwamm in der Natur –Herrscher des Buchenwaldes

Lassen Sie uns gedanklich in einem kühlen, feuchten Buchenurwald Mitteleuropas längst vergangener Zeiten lustwandeln. Nebst Buchen jeglichen Alters fallen an vielen lebenden sowie stehenden und liegenden toten Bäumen zahlreiche grosse Konsolen eines grauen, harten Pilzes auf. Gelegentlich krachen grosse, dicke Äste ohne Vorwarnung herunter – sein Werk. Der Zunderschwamm dominiert und bewirtschaftet diesen Wald. Er haust im Inneren alter Bäume und bringt diese schliesslich zum Absterben. In den entstandenen Lichtungen drängen Jungbuchen nach langem Schattendasein dem Licht entgegen. Das allgegenwärtige tote Holz wird von ungestümem Leben vereinnahmt. Myriaden von Pilz-, Käfer-, Ameisen-, Schnecken-, Flechten-, Moos- und Milbenarten besiedeln die toten Stämme und profitieren von der darin über viele Jahrzehnte gespeicherten Sonnenenergie.

Als sich der Mensch immer stärker ausbreitete, Wälder rodete und Bäume zur Holzgewinnung nutzte, wurde der Zunderschwamm seiner Arbeit zunehmend beraubt. Die Buchen wurden im bes-

ten Alter geerntet, lange bevor der Zunderschwamm übernehmen konnte. Ebenso waren seine Fruchtkörper zeitweise sehr begehrt und wurden häufig gesammelt und genutzt (siehe Kapitel 3). Die Folgen davon sind auch in der Schweiz sichtbar. Daten von SwissFungi zeigen, dass zum Zunderschwamm lange Zeit nur wenige Funde pro Jahr gemeldet wurden und erst seit etwa 2015 ein deutlicher Anstieg erfolgte (Abb. 1). Fundmeldungen anderer Porlinge, wie etwa der Schmetterlingstramete oder des Rotrandigen Baumschwamms, sind im Gegensatz dazu nach der Einrichtung und dem Bekanntwerden des Datenzentrums SwissFungi um die Jahrtausendwende sprunghaft angestiegen (Abb. 1). Der für lange Zeit stark zurückgedrängte Zunderschwamm scheint sein ursprüngliches Revier also allmählich wieder zurückzuerobern. Ob dies mit dem zunehmenden Bewusstsein für den Wert des Totholzes und der naturnahen Waldbewirtschaftung zu tun hat? Auch Naturwaldreservate mit Prozessschutz sowie Alt- und Totholzinseln, in denen Bäume wieder eines natürlichen Todes sterben dürfen, könnte dabei eine entscheidende Rolle zukommen.

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2. Morphologie und Biologie des Zunderschwammes

Der Zunderschwamm, mit wissenschaftlichem Namen Fomes fomentarius, kommt auf der ganzen Nordhalbkugel der Erde von der Mittelmeerklimazone bis in den hohen Norden vor. Er bildet mehrjährige, äusserst harte Fruchtkörper aus (Abb. 3). Diese werden oft bereits hoch oben in lebenden Bäumen an starken Ästen oder am Stamm gebildet, wachsen aber an liegendem Totholz noch lange weiter. Die seitlich breit am Holz ansitzenden bis zu 30 cm grossen, hufförmigen Konsolen sind auf der Oberseite jung, oft rötlichbraun, bald aber grau bis fast weiss gefärbt. In der grauen, glatten und harten Kruste (Abb. 2) versteckt sich der rote Farbstoff Fomentariol, welcher mit Laugen herausgelöst werden kann. Im Querschnitt zeigt der

Pilz geschichtete Porenlagen und darüber eine gleichmässige, samtige, rehbraune Tramaschicht (Abb. 2).

Am Anwachspunkt lässt sich zudem ein braunweisslich marmoriertes Gewebe ausmachen, welches als Mycelialkern bezeichnet wird (Abb. 2). Dieses auffällig unterschiedliche Gewebe wird in Form einer kleinen Knolle ausgebildet, wenn der Fruchtkörper zu wachsen beginnt. An dieser Knolle bildet sich dann das übrige Fruchtkörpergewebe aus. Auf der graubraunen Unterseite befinden sich winzige Poren mit etwa 0.2 bis 0.3 mm Durchmesser. Auf der gesamten inneren Oberfläche dieser durch die Poren gebildeten Hohlzylinder werden Sporen produziert. Bis zu 887 Millionen davon werden pro Stunde freigesetzt (Buchwald 1938) und fallen dann aus den Poren heraus in den freien

Abb. 1: Jährliche Funde des Zunderschwamms, der Schmetterlingstramete und des Rotrandigen Baumschwamms von 1980 bis 2020 in der Datenbank von SwissFungi. Um die Jahrtausendwende wurde das Datenzentrum eingerichtet und die Möglichkeit bekannt, dass Pilzfunde gemeldet werden können. (Bilder: WSL)

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Luftraum. Diese nur 0.02 mm langen, spezialisierten Pilzzellen werden vom geringsten Wind erfasst und oft weit getragen. Sofern sie an einer geeigneten Stelle landen, besiedeln sie wieder neue Wirtsbäume. Bevorzugte Wirte des Zunderschwamms sind die Buche in Mitteleuropa sowie die Birke in Nordeuropa. Anderswo können andere Laubbäume als Wirte dominieren.

Über Verletzungen (z. B. gebrochene oder abgesägte Starkäste) dringen Sporen in das Kernholz lebender Wirtsbäume ein und beginnen dort ihr Wachstum. Das Kernholz enthält keine lebenden Zellen und kann damit ohne aktive Gegenwehr des Baumes nach und nach vom Pilz besiedelt und zersetzt werden. Als sogenannter Simultanfäuleer-

reger kann der Zunderschwamm beide Hauptbestandteile des Holzes, namentlich die Zellulose und das Lignin, gleichzeitig abbauen. Das Holz verfärbt sich dadurch weiss und verliert seine Zähigkeit. Es wird spröde und lässt sich bei fortgeschrittener Zersetzung sehr leicht brechen. Hat sich der Pilz erst mal am Kernholz gestärkt, versucht er auch lokal in das lebende, saftführende Splintholz vorzudringen. Dort allerdings muss er mit aktiver Gegenwehr rechnen und es kommt buchstäblich zum Kampf. Ist der Wirtsbaum gesund und kräftig, kann er den Angreifer lange in Schach halten und zudem durch äusseres Dickenwachstum die inneren Schäden kompensieren. Letztendlich aber wird der Kampf zugunsten des Pilzes entschieden und es kommt zum Absterben oder, durch die stark reduzierte Holzzähigkeit, zum Bruch des Baumes. Fällt der Baum, ist der Zunderschwamm-Fruchtkörper bestens darauf vorbereitet. Rasch erkennt er seine neue Lage am Baum und verändert sein Wachstum so, dass die Poren wieder nach unten orientiert sind (Abb. 3). Dieses Verhalten, in der Fachsprache Gravitropismus genannt, ist in der Natur sehr weit verbreitet. Unbekannt ist allerdings, wo genau der Zunderschwamm die dafür notwendigen Sensoren hat und wie diese funktionieren.

3. Mensch und Zunderschwamm

Abb. 2: Querschnitt durch einen Fruchtkörper (M: Mycelialkern; T: Trama; K: Kruste; P: Porenschichten).

Das berühmteste Beispiel für eine sehr weit in die Menschheitsgeschichte zurückreichende Nutzung des Zunderschwammes liefert wohl die etwa 5000 Jahre alte Gletschermumie «Ötzi». Der Steinzeitmann trug zu Lebzeiten Stücke des Birkenporlings und Zunderschwamms mit sich. Weitere archäologische Fundstätten aus der Steinzeit bestätigen, dass Zunderschwämme bereits seit über 11 000 Jahren genutzt werden (Peinter et al. 1998). Der Name des Pilzes verrät sogleich den wichtigsten Verwendungszweck aus dieser Zeit. Klopft man die oben erwähnte Trama weich, erhält man einen lockerfilzigen Zunder, welcher durch

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kleinste Funken, erzeugt etwa mit einem Feuerstein, leicht zum Glimmen gebracht werden kann. Zudem lässt sich in ausgehöhlten Fruchtkörpern die Glut längere Zeit erhalten und damit weit transportieren. Wahrscheinlich wurde der Pilz zudem schon sehr früh für medizinische und spirituelle Zwecke genutzt.

Betrachten wir die jüngere Menschheitsgeschichte, wurden für drei Anwendungen besonders viele Fruchtkörper geerntet. Diese haben daher auch dazu beigetragen, den Zunderschwamm zeitweise stark zu dezimieren. Das weichgeklopfte Gewebe wurde als saugfähige Tamponade in der Zahnmedizin und Gynäkologie eingesetzt und dünne Scheiben der Fruchtkörper wurden als Wundauflagen verwendet. Bei diesen beiden Anwendungen profitierte man von den durch den Pilz gebildeten antibiotischen und blutstillenden Substanzen. Ausserdem wurde die Trama zu einem lederartigen, robusten Material verarbeitet, aus welchem sich Hüte, Handschuhe, Brieftaschen und Ähnliches herstellen liessen. Dieses recht aufwendige Handwerk wird, etwa in Rumänien, bis zur heutigen Zeit in kleinem Umfang betrieben. Die Erzeugnisse dienen in erster Linie als Souvenirs für Touristen. Zwar sind natürliche Lederersatzmaterialien sehr gefragt, allerdings erreicht die mögliche Erntemenge beim Zunderschwamm keinesfalls grossindustrielle Massstäbe. Hingegen wird daran geforscht, mit Hilfe des Zunderschwammes nachhaltige, biologisch abbaubare Verbundstoffe aus Sägespänen, Hanf- oder Rapsstroh herzustellen (Pohl et al. 2022).

In unterschiedlichen Kulturkreisen wurde der Pilz für weitere, recht unterschiedliche medizinische Zwecke benutzt, so zum Beispiel bei Blasenleiden, Lungenerkrankungen und verschiedenen Krebserkrankungen. Als Vitalpilze bezeichnet, werden der Zunderschwamm und verschiedene andere Pilzarten seit einiger Zeit mit diversen Heilversprechen intensiv vermarktet. So soll der Zunderschwamm etwa das Immunsystem stärken. Die vielversprechenden Anwendungen rücken diese Pilze ver-

stärkt in den Fokus der Wissenschaft. Beim Zunderschwamm konnte etwa gezeigt werden, dass ein Pilzextrakt Brustkrebszellen zum Absterben bringen kann oder gegen Entzündungen wirksam ist (Gáper et al. 2016). Der oben angesprochene Farbstoff Fomentariol in der Kruste wird wegen seiner antidiabetischen Eigenschaften genauer untersucht (Djajic´ et al. 2018). Leider gibt es generell erst wenige wissenschaftliche Studien, und insbesondere kaum klinische Studien beim Menschen. Es bedarf noch grosser Anstrengungen sowie des Interesses bedeutender Pharmaunternehmen, um das medizinische Potenzial dieser Arten vollumfänglich untersuchen zu können (Gründemann et al. 2020).

Abb. 3: Zunderschwamm, der zuerst am stehenden Stamm gewachsen ist und sich dann nach dem Umfallen des Baumes neu orientiert hat.

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4. Biologische Interaktionen

Der Zunderschwamm bereitet das Holz mit seiner zersetzenden Aktivität für viele Insekten, aber auch für andere Pilze vor. So wächst der kleine Porling mit dem wissenschaftlichen Namen Antrodiella pallescens (Abb. 4) ausschliesslich auf Holz, welches vom Zunderschwamm abgebaut wird. Ob es sich hierbei allenfalls auch um eine parasitische Beziehung handelt, ist noch unerforscht. Trichoderma fomiticola ist eine Pilzart, die, wie der Name andeutet, ausschliesslich auf den Poren alter Fruchtkörper des Zunderschwammes zu finden ist. Für viele Insekten ist auch der ZunderschwammFruchtkörper Brutstätte und Nahrungsquelle in einem. So konnten in einer norwegischen Studie 35 verschiedene Käferarten in Fruchtkörpern des Zunderschwammes gefunden werden (Rukke 2002).

Zu den am häufigsten nachgewiesenen Arten gehörte der Kerbhalsige Zunderschwamm-Schwarzkäfer (Bolitophagus reticulatus) (Abb. 5). In einer

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Abb. 4: Antrodiella pallescens wächst ausschliesslich auf Holz, welches durch den Zunderschwamm abgebaut wird. Abb. 5: Bolitophagus reticulatus, der Kerbhalsige Zunderschwamm-Schwarzkäfer ernährt sich als Larve und Käfer ausschliesslich vom Zunderschwamm. (Foto: Beat Wermelinger).

Dreijahresstudie in Kanada wurden 152 Arthropodenarten (Spinnentiere, Krebstiere, Tausendfüssler und Insekten) auf oder in Zunderschwamm-Fruchtkörpern gefunden (Matthewman and Pielou 1971). Darunter sind etliche Arten, die sich von den Fruchtkörpern ernähren oder darin Schutz finden, sowie zahlreiche Parasiten und Fressfeinde dieser Arten. Dies veranschaulicht eindrücklich die Vielfalt und Komplexität der Natur und zeigt die zahlreichen Verflechtungen auf, die viele Organismen auf Gedeih und Verderb miteinander verbinden. Naturnahe, totholzreiche Wälder erhalten nicht nur diese Netzwerke des Lebens, sondern sichern uns auch das biologische Material, aus welchem vielleicht in Zukunft wichtige Medikamente oder Materialien gewonnen werden können.

Stefan Blaser arbeitet in der Forschungsgruppe

Biodiversität bei der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

Literatur

Buchwald N. F. 1938: On the size of the spore production of the tinder fungus, Polyporus fomentarius (L.) Fr. Friesia 2 (1): 42 – 69.

Djajic´ N., Golubovic´ J., Ravnikar M., Žigon D, Štrukelj B., Otaševic´ B. 2018. Isolation and Determina-

tion of Fomentariol: Novel Potential Antidiabetic Drug from Fungal Material. Journal of Analytical Methods in Chemistry, 2018:1 – 9.

Gáper J., Gaperova S., Pristas P., Náplavová K. 2016. Medicinal Value and Taxonomy of the Tinder Polypore, Fomes fomentarius (Agaricomycetes): A Review. International Journal of Medicinal Mushrooms 18(10):851– 859.

Gründemann C.; Reinhardt J.K.; Lindequist U. 2020. European Medicinal Mushrooms: Do They Have Potential for Modern Medicine? – An Update. Phytomedicine 66: 153131

Matthewman W.G., Pielou D.P. 1971. Arthropods inhabiting the sporophores of Fomes fomentarius (Polyporaceae) in Gatineau Park, Québec. The Canadian Entomologist 103 (6): 775 – 847.

Peintner U., Pöder R., Pümpel T. (1998) The Iceman’s fungi. Mycol Res 102:1153 – 1162

Pohl C., Schmidt B., Nunez Guitar T., Klemm S., Gusovius H.J., Platzk S., Kruggel-Emden H., Klunker A., Völlmecke C., Fleck C., Meyer V. 2022. Establishment of the basidiomycete Fomes fomentarius for the production of composite materials. Fungal Biol Biotechnol 9: 4.

Rukke B.A. 2002. Fungivorous beetles in basidiocarps of Fomes fomentarius respond differently to microhabitat variables. Eur. J. Entomol. 99: 43 – 52.

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Porlinge an Lärchen, Edelsteine und Sorgenkinder im Bündner Wald

Nach Angaben von Swissfungi sind 156 Porlingsarten aus dem Kantonsgebiet von Graubünden nachgewiesen. Die Rote Liste der gefährdeten Grosspilze stuft davon 16 Arten als gefährdet, 11 Arten als verletzlich ein. Der Lärchen-Baumschwamm ist zudem eine national geschützte Art gemäss NHV-Anhang. Während der Lärchen-Baumschwamm als Heilpilz eine wichtige Rolle spielte, ist der Berg-Schwefelporling wohl eher ein Schädling, über weitere typische Lärchenporlinge ist noch wenig bekannt.

Porlinge sind holzbewohnende Pilze mit meist ansehnlichen Fruchtkörpern und einer Porenschicht auf der Unterseite, worin sich die sporenproduzierende Schicht, das Hymenium, befindet. Die meisten Porlinge sind von harter holzartiger oder zumindest korkartiger Konsistenz. Sehr viele Arten sind mehrjährig. Mit wenigen Ausnahmen leben Porlinge von nicht-lebendem Kernholz und können somit die lebenden Gewebe nicht angreifen und dadurch keinen direkten Schaden verursachen. Die meisten Fruchtkörper sind an liegendem Stamm- und Astholz zu finden. Nur wenige Arten wie der Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum), der Rotrandige Baumschwamm (Fomitopsis pinicola) und der Feuerschwamm (Phellinus igniarius) an Laubbäumen vermögen die lebenden Teile eines Baums zu besiedeln und zu schädigen, manchmal bis zum Absterben.

Porlinge verursachen arttypisch Braun- oder Weissfäule. Von den Porlingen mit grossen Fruchtkörpern ist bekannt, dass ein einzelnes Individuum den ganzen Stamm besiedeln kann und daran mehrere Einzelfruchtkörper produzieren kann. Meist lebt das Mycel über viele Jahre im Kernholz, ohne dass Fruchtkörper gebildet werden.

Porlinge spielen im Ökosystem eine wichtige Rolle als Saprophyten, als Abbauer von Totholz. Insbe-

sondere Braunfäulereste am Boden sind sehr stabil und überdauern Jahrhunderte. Sie erhöhen die Wasserspeicherkapazität und ermöglichen damit das Wachstum von Jungpflanzen und von Ektomykorrhizapilzen. Die Fruchtkörper sind Nahrung und Brutstätte für eine Vielzahl von Insekten und erweitern damit das Nahrungsangebot in der Nahrungskette.

Porlinge sind in allen Waldstandorten zu erwarten, allerdings nicht in allen Waldstrukturen. Es sind in der Regel alte, oft irgendwie bereits geschädigte Bäume, an welchen die Fruchtkörper der weniger häufigen Arten erscheinen. Naturwaldreservate sind wichtig, aber auch ausserhalb gibt es kleinstandörtliche Strukturen, die für solche Porlinge vorteilhaft sind: Blitzeinschläge, Windwurf, Steinschlag, Schneebruch, Eisbruch, Hagel führen an Bäumen zu Verletzungen, an welchen sich diese Pilze ansiedeln und ins Kernholz vordringen können.

Lärchen-Baumschwamm, Lärchenschwamm, Apothekerschwamm (Laricifomes officinalis)

Der Lärchenporling war über Jahrhunderte der wohl bekannteste Heilpilz der Alpen. Er gehört zu den 1000 Arzneimitteln, die der griechische Arzt Dioskorid bereits im ersten Jahrhundert vor Christus beschreibt. Er soll bei Lungenkrankheiten einschliesslich Tuberkulose und Asthma helfen. Bis vor

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wenigen Jahrzehnten wurde dieser Porling auch in der Schweiz gesammelt. Er wächst ausschliesslich an Lärchen.

Die Fruchtkörper sind konsolen- bis hufförmig, alt auch lang zylindrisch, 10 bis 15 cm breit, 10 bis 20 cm lang, 5 bis 15 cm vom Substrat abstehend; die Oberseite bei jungen Fruchtkörpern ist cremeweiss und ohne Kruste, alt grau bis grau-schwarz, stark rissig, angedeutet wellig gezont, der Rand stumpf, wulstig, creme-weisslich bis bräunlich, Unterseite mit creme-farbiger bis gelblich-orangebrauner Porenschicht. Die Poren sind rundlicheckig, 2 bis 4 pro mm, mit einer Röhrenlänge von 5 bis 10 mm. Das Fleisch ist brüchig, weich, kreidig, weiss. Der Geruch ist mehlartig und der Geschmack stark bitter.

Der Lärchenporling kann sehr alt werden. Aus Nordamerika sind Fruchtkörper bekannt, die mindestens 50-jährig sind und bis 7 Kilogramm schwer wiegen.

Der Lärchenschwamm erzeugt Braunfäule. Seine Fruchtkörper erscheinen vor allem an abgestorbenen Teilen von stehenden Lärchenstämmen, in Stammwunden, oft in einigen Metern Höhe gelegentlich auch an toten, liegenden Stämmen und Stümpfen. Astbrüche und Blitzschläge mögen Ursachen der Wunden sein und ermöglichen die Besiedlung durch den Pilz. Mit dem Lärchenschwamm infizierte Bäume können noch Jahrzehnte leben. Alle bekannten Fundorte in der Schweiz liegen im Bereich des subalpinen Arven-Lärchenwaldes, meist in der Nähe der Waldgrenze. Ausserhalb des natürlichen Lärchenareals ist er kaum zu finden. In Graubünden ist der Lärchenporling insbesondere im Engadin zu finden. Standorte im Fextal oder in der Nähe der Bahnstation Punt Muragl/Staz wurden von ausländischen Touristen gemeldet. Der Lärchenporling geniesst in der Schweiz den Status einer geschützten Art gemäss NHV-Anhang.

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Abb. 1: Lärchen-Baumschwamm. (Bild: Max Danz)

In der Roten Liste der gefährdeten Grosspilze der Schweiz ist die Art als «verletzlich» klassiert, aufgrund des engen Verbreitungsgebiets und der insgesamt kleinen Population. Wegen des sehr langsamen Wachstums und der sehr langsamen Ausbreitung ist die Population durch Sammeln und Zerstören der Fruchtkörper sowie durch Fällen der Wirtsbäume (neben forstwirtschaftlichen Eingriffen, Rodungen für Infrastrukturbauten) gefährdet. Aufgrund der weltweiten Seltenheit steht die Art gar auf der Roten Liste der weltweit gefährdeten Arten (IUCN 2019) in der Kategorie «gefährdet». Die Schweiz hat somit eine Verantwortung für die Erhaltung einer dauerhaften Population.

Berg-Schwefelporling (Laetiporus montanus)

Die Fruchtkörper sind einjährig, muschelförmig, sitzend oder kurz gestielt, bis 30 cm breit, 3 bis 20 cm vom Substrat abstehend und die einzelnen

Lappen 1 bis 3 cm dick. Die Oberseite ist leuchtend orange, im Alter ausbleichend zu blass braun. Die Unterseite mit eckigen Poren, 1 bis 4 pro mm, leuchtend schwefelgelb, im Alter hellbraun. Frische Fruchtkörper sind saftig und weich, ältere trocken spröde und kreideartig. Geschmack jung mild, dann mit zunehmendem Alter bitter.

Der Schwefelporling mit den grossen, gelben oder orangegelben, weichfleischigen Fruchtkörpern ist eine leicht und sicher erkennbare Art, die in der Schweiz insbesondere aus Obstgärten und von Weiden entlang von Gewässern bekannt ist. Der Schwefelporling an Laubbäumen (Laetiporus sulphureus) kann beträchtlichen ökonomischen Schaden erzeugen, da er die befallenen Bäume innert wenigen Jahren zum Absterben bringt, indem er eine aggressive Braunfäule erzeugt.

Im Gebirgswald, in Höhen über 1000 Metern, tritt ein Schwefelporling ebenfalls gelegentlich auf,

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Abb. 2: Berg-Schwefelporling. (Bild: B. Wermelinger)

dies überwiegend an Lärchen, selten an Arve oder Fichte.

Schon seit einiger Zeit wurde vermutet, dass die Schwefelporlinge an Nadelbäumen der zentraleuropäischen Gebirgswälder eine eigene Art sein könnten, da sich in den Sporengrössen kleine Unterschiede zeigen. In Kulturversuchen zeigten sich die Mycelien von Laubholzisolaten inkompatibel mit solchen von Nadelholzisolaten. Molekulargenetische Untersuchungen haben dies nun bestätigt. Somit kennen wir nun zwei Schwefelporlinge in der Schweiz: der Gemeine Schwefelporling (Laetiporus sulphureus) mit den leuchtendgelben, zitronengelben Fruchtkörpern an Laubbäumen, öfters in Obstgärten anzutreffen, zudem ein Kardinalschädling in städtischen Gebieten und imstande, das dauerhafte Holz von Eibe und Kastanie abzubauen. Und als selbständige Art der Berg-Schwefelporling an Nadelholz, insbesondere

Lärchen. Während das Wirken des Gemeinen Schwefelporlings gut untersucht ist, lassen sich keine Untersuchungen zur spezifischen Lebensweise des Berg-Schwefelkopfes finden. Eigene Beobachtungen zum Verhalten des Berg-Schwefelporlings sind somit willkommen.

Lärchen-Lackporling (Ganoderma valesiacum)

Die Fruchtkörper sind einjährig, in Stiel und Hut gegliedert, der Hut ist halbkreis- bis fächerförmig, bis 15 cm im Durchmesser, mit einer glänzenden, rotbraunen oder orangebraunen Hutoberfläche, welche zum Rand hin gefurcht-runzelig ist, in der intensiven Wachstumsphase mit einem weissen randlichen Wulst, die Porenschicht auf der Unterseite ist weiss und weist 3 bis 6 Poren pro mm auf. Der Stiel ist seitlich und stets nur sehr kurz oder gar fehlend, ebenfalls mit einer glatten und glänzenden, rotbraunen Kruste.

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Abb. 3: Lärchen-Lackporling. (Bild: Max Danz)

Die Harzschicht kann mit Feuerzeugflamme zum Schmelzen gebracht werden. Im Schnitt ist der Kontext weiss bis blass ocker, korkig, die Röhrenschicht blass braun. Trocken sind die Fruchtkörper auffallend leicht.

Im Gebirgsnadelwald der subalpinen Stufe tritt der Lärchen-Lackporling nur zerstreut auf, aus Graubünden liegen nur wenige Beobachtungen vor. Die Fruchtkörper erscheinen vor allem an Stümpfen und erzeugen Weissfäule. Einzelfunde von der Stammbasis lebender Bäume sind in der Literatur zu finden. Über die Abbaukapazitäten ist noch nichts bekannt, ebenso wenig, ob diese Art auch in lebendes Holz übergehen kann. Und falls Letzteres wirklich möglich sein sollte, so bleibt die Art als Holzschädling ganz sicher unbedeutend. Der Lärchen-Lackporling – auch Walliser Lackporling genannt – wurde 1894 vom französischen

Apotheker und Mykologen Emil Boudier aufgrund eines Fundes auf der Riffelalp ob Zermatt an einem Lärchenstumpf beschrieben, zusammen mit Eduard Fischer, dem damaligen Botanik- und Mykologieprofessor der Universität Bern.

Die Art gehört zu einem Formenkreis von Lackporlingen – Reishi genannt –, die in Asien als traditionelle Medizin weite Verwendung finden. Reishi gilt insbesondere in der traditionellen chinesischen Medizin als «Pilz des ewigen Lebens». Asiatische Lackporlinge werden gezüchtet und zahlreiche biologisch wirksame Inhaltsstoffe wurden bereits gefunden. Eine Studie zu Inhaltsstoffen an Fruchtkörpern diverser Lackporlinge aus dem Karpaten-Becken ergab, dass unter den europäischen Lackporlingen ausgerechnet der Lärchen-Lackporling die stärksten antibakteriellen Eigenschaften zeigt. Ein Geheimtipp also bei der Suche nach Naturheilmitteln?

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Abb. 4: Knochenharter Porling. (Bild: Max Danz)

Knochenharter Porling

(Osteina obducta, Oligoporus obductus)

Die Fruchtkörper sind einjährig, in Stiel und Hut gegliedert, mehrere miteinander verwachsen oder dachziegelig übereinander wachsend, seitlich kurz gestielt, seltener sitzend, Hut halbkreisförmig bis fächerig, bis 12 × 13 × 2 cm, mit scharfem Rand, Oberseite weiss bis graubraun, ungezont, glatt, Unterseite weiss, mit eckigen Poren, 3 bis 5 pro mm, Röhrenlänge bis 3 mm, frisch zäh, trocken knochenhart und mit dem Alter brüchig. Der Geschmack ist mild.

Der Knochenharte Porling ist in der Schweiz fast ausschliesslich an Lärchen beobachtet worden, und dies insbesondere an Stümpfen. Er ist ein Braunfäuleerreger. Seine Vorkommen erstrecken sich mit wenigen Ausnahmen auf die Gebirgskantone Wallis, Tessin und Graubünden. Die Art ist aus dem Alpenraum, Nordamerika, Russland und Japan bekannt und überall eher selten. Das Vorkommen der auffälligen, relativ grossen Fruchtkörper an Stümpfen deutet darauf hin, dass der Pilz bereits den stehenden Stamm besiedelt hat und sich wohl wie andere Porlinge im Kernholz eingenistet hat. Über die Strategie der Holzzersetzung, über das Holzzersetzungsmuster, die Art der Kolonisation (Sporen oder Wurzelkontakte) und die

Lebensdauer ist nichts bekannt. In «Genbank», eine der grössten DNA-Sequenzierdatenbanken, betrieben vom US-amerikanischen National Center for Biotechnology Information, finden sich keine Daten aus Europa, weder von Fruchtkörpern, noch von Umweltbeobachtungen wie Sporenfallen und Wasserproben, sogenannter e-DNA.

Literatur

Boudier, E.; Fischer, E. 1894. Rapport sur les espèces des Champignons trouvées pendant l’assemblée à Genève etc. Bulletin de la Société Botanique de France. 41: CCXXXVII–CCXLIX.

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Tomšovský, M., Jankovský, L. 2008. Validation and typification of Laetiporus montanus. Mycotaxon 106, 289 – 295.

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die geheimen Helfer im Wald

Meist gut versteckt im Boden lebt eine Vielzahl von Helfern an den Wurzeln unserer Waldbäume. Es sind die Mykorrhizapilze. Sie durchdringen den Boden, vernetzen die Bäume, liefern ihnen Nährstoffe und Wasser und erhalten im Austausch dafür Zucker. Es ist eine enge Lebensgemeinschaft, die beiden Partnern, Baum wie Pilz, dient und ohne die beide wohl nicht überlebensfähig wären.

Einleitung

Obwohl meistens gut versteckt, sind Pilze allgegenwärtig und erfüllen unterschiedliche Funktionen in der Natur. Was wir von ihnen sehen, ist oft nur die Spitze des Eisbergs, nämlich der zur Vermehrung gebildete Fruchtkörper dieser Lebewesen. Er ist vergleichbar mit einem reifen Apfel, der nur einen kleinen Teil eines Baums darstellt. Der grösste Teil dieser Organismen lebt als fädiges Geflecht im Boden oder in anderen Substraten wie Holz, Gräsern oder verschimmelten Esswaren. Im Wald spielen Pilze drei fundamentale Rollen: Die saproben Pilze, die sich von totem organischem Material ernähren, zersetzen Holz und Streu und setzen so die Nährstoffe darin wieder frei. Parasitische Pilze leben auf Kosten von lebenden Organismen wie Bäumen. Sie können diese schwächen oder gar abtöten und spielen so eine wichtige Rolle in der Dynamik der Wälder. Die dritte Gruppe der Pilze schliesslich lebt in einer engen Lebensgemeinschaft mit Bäumen und anderen Pflanzen (Abb. 1). Dies sind die sogenannten Mykorrhizapilze. In diesem Beitrag gehen wir auf diese faszinierende Symbiose ein, in der 90 Prozent aller Pflanzenarten leben, die es seit Hunderten von Millionen Jahren gibt und die wahrscheinlich die Landnahme der Pflanzen überhaupt erst ermöglicht hat.

Was ist eine Mykorrhiza und welche Formen gibt es?

Das Wort Mykorrhiza stammt aus dem Griechischen: «mukês» bedeutet Pilz und «rhiza» Wurzel. Eine Mykorrhiza ist also eine Wurzel, die von einem Pilz besiedelt ist und je nach Pflanzenart unterschiedliche Formen annimmt. Es gibt die Ektomykorrhiza, bei welcher der Pilz die Feinwurzelspitzen mit einem dichten Fadengeflecht ummantelt, zwischen die Wurzelrindenzellen eindringt und dort das sogenannte Hartig’sche Netz bildet (Abb. 2 oben). Bei der Endomykorrhiza bildet der Pilz keinen Mantel um die Wurzel, dringt jedoch ebenfalls in die Pflanzenzellen ein. Er bildet je nach Pflanze und Pilzkombination unterschiedliche Strukturen aus, die, wie das Hartig’sche Netz, eine grosse Austauschfläche zwischen Pilz und Pflanze schaffen. Um diese pilzlichen Strukturen der Endomykorrhiza sehen zu können, muss man sie anfärben und unter einem Mikroskop betrachten (Abb. 2 unten). An der Schnittstelle zwischen Pilz und Wurzel kommt es zu einem Tauschhandel: Der Pilz erhält Zucker, den die Pflanze mithilfe der Photosynthese herstellt. Im Austausch dafür bekommt die Pflanze Wasser und Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat, die der Pilz mit seinen dünnen Fäden, Hyphen genannt, aus dem Boden aufnimmt. Da die

34 Mykorrhizapilze –
Martina Peter, Artemis Treindl

Pilzhyphen wesentlich feiner sind als die Baumwurzeln und sie sich in einem weiteren Umkreis ausbreiten, können sie aus einem grösseren Bodenvolumen auf diese Stoffe zugreifen. Ausserdem können sie mithilfe von Enzymen Nährstoffe aus organischem Material herauslösen. Sie schützen die Bäume auch vor Schadstoffen und scheiden antibiotische Substanzen gegen wurzelpathogene Bodenorganismen aus (Egli und Brunner, 2011). Es ist also eine Win-win-Situation, von der beide Partner profitieren und ohne die beide wohl nicht überlebensfähig wären.

Die vorherrschende Mykorrhizaform in unseren Wäldern ist die Ektomykorrhiza. Zu den Ektomykorrhizapilzen gehören viele der Ständer- und Schlauchpilze, die wir gemeinhin als Waldpilze kennen, wie die Eierschwämme, Röhrlinge, Täublinge

oder Trüffel. Betrachtet man jedoch alle Pflanzenarten weltweit, dann dominiert die sogenannte arbuskuläre Mykorrhiza. Dies ist eine Endomykorrhiza, die von etwa 80 Prozent aller Pflanzenarten zusammen mit einer uralten Pilzgruppe, den Glomeromykoten, gebildet wird. Die Glomeromykoten kennt man kaum, weil sie komplett unter der Erde versteckt bleiben und sich nur als kleine Sporen im Boden zeigen. Fossilien aus dem Ordovizium und dem Devon belegen, dass es diese Pilze seit der Entwicklung der Landpflanzen vor rund 450 Millionen Jahren gibt und sie schon damals eine Endomykorrhiza-ähnliche Struktur in den wurzelähnlichen Organen der ersten Landpflanzen bildeten. Die gleiche Form findet sich auch heute noch in den urtümlichen Leber- und Hornmoosen. Man geht davon aus, dass die Landnahme der Pflanzen nur

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Abb. 1: Mykorrhizasymbiose zwischen einer Arve (Pinus cembra) und einem Schmierröhrling (Suillus). Die weissen Pilzfäden durchwachsen den Boden, umhüllen die Feinwurzelspitzen und formen zweifach-verzweigte Korallen-Mykorrhizen. Typisch für Föhrenarten (Pinus). (Bild: S. Egli, WSL)

dank dieser Symbiose möglich war, da die Pilze die Wurzelfunktion der Nährstoff- und Wasseraufnahme übernahmen. Heute leben die meisten Blütenpflanzen, Gräser, Farne, Moose, Bärlappe und alle Getreidearten mit arbuskulären Mykorrhizapilzen in Symbiose. Sie spielen deshalb in der biologischen Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Aber auch viele Bäume und Sträucher, insbesondere in den tropischen und subtropischen Zonen, bilden arbuskuläre Mykorrhizen. Bei uns sind dies zum Beispiel Ahorne, Eschen, Vogelbeeren und andere Obstbäume und, als eine der wenigen Nadelbaumarten, die Eibe. Nur 2 Prozent aller Pflanzenarten, etwa 6000 Arten, bilden die Ektomykorrhiza. In den Wäldern machen diese aber 60 Prozent der Stammzahl aller Bäume weltweit aus. Wenn wir nur die Wälder ausserhalb der Tropen anschauen, dann sind es sogar 80 Prozent aller Bäume (Steidinger et al. 2019). Alle Buchenartigen und Kieferngewächse sowie einzelne Vertreter aus anderen Familien wie Linden, Pappeln oder Weiden gehören dazu, sowie alpine

Spaliersträucher, die wir oberhalb der Baumgrenze noch antreffen, wie die Schweizer- und Kraut-Weide oder die Weisse Silberwurz. Im Norden und in den Alpen spielen ausserdem die Mykorrhizapilze der Heidekrautartigen eine wichtige Rolle. Diese Pilze formen Endomykorrhizen zum Beispiel mit Schnee- und Besenheiden. Die Böden in diesen hohen Lagen sind meist nährstoffarm und der Stickstoff ist in dicken organischen Auflagen gebunden. Die Mykorrhizapilze können dennoch an diesen gelangen und so eine ausgeglichene Ernährung ihrer Pflanzenpartner ermöglichen.

Abb. 2: Ausschnitt einer Feinwurzel von Fichte (Picea abies), die auf engem Raum von unterschiedlichen Mykorrhizapilzarten besiedelt ist. (Bild: WSL)

Ektomykorrhizapilze in unseren Wäldern: ihre Vielfalt und deren Rolle im Ökosystem Wald Wenn wir in unseren Wäldern Baumwurzeln ausgraben, dann sehen wir bereits von blossem Auge, dass die feinsten Wurzeln verschiedene Farben haben können. Beim Betrachten mit einer Lupe erkennen wir, dass sie von Pilzgeflecht umhüllt sind; manchmal nur als kahler Mantel, manchmal ausgestattet mit Stacheln, Pusteln, wollig-wattigen Fäden oder fädig abziehenden Pilzsträngen (Abb. 3, 4). Wir finden kaum nicht-mykorrhizierte Wurzelspitzen mit Wurzelhaaren, denn unter normalen Bedingungen sind alle Feinwurzelspitzen von einer grossen Vielfalt an Ektomykorrhizapilzen (im Weiteren Mykorrhizapilze genannt) besiedelt. Es gibt mindestens 8000 verschiedene Mykorrhizapilzarten, Schätzungen aufgrund von molekularen Daten gehen sogar von bis zu 25 000 Arten weltweit aus. Davon bleiben viele versteckt im Boden, weil sie keine, nur unscheinbare oder unterirdische Fruchtkörper ausbilden. Doch viele werden auch oberirdisch sichtbar, meist im Herbst, wenn sie auffällige Fruchtkörper bilden, die wir bei einigen Arten als Speisepilze schätzen. Etwa bei einem Drittel der rund 6000 sogenannten Grosspilzarten in der Schweiz handelt es sich um Mykorrhizapilze. Fast genauso vielfältig wie die Fruchtkörper unterschiedlicher Pilzarten sind auch die Farben und Formen der Mykorrhizen – man spricht hier von

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Morphotypen (Abb. 4). Ein einzelner Baum kann mit bis zu hundert verschiedenen Mykorrhizapilzarten in Symbiose leben. Obwohl wir Morphotypen unterscheiden können und wenige Pilzarten wie zum Beispiel der Ocker-Täubling oder die Reizker auch aufgrund äusserer Merkmale an der Wurzel identifiziert werden können, brauchen wir genetische Methoden, um die Artenzusammensetzung genau bestimmen zu können. Dies gilt auch, wenn wir die Gemeinschaft der Pilzarten als Hyphen im Boden erheben möchten. Die Vielfalt der Mykorrhizapilze in einem Waldbestand ist in der Regel hoch, variiert je nach Waldstruktur und Standortbedingungen und nimmt mit der Vielfalt der Baumarten zu (Peter et al 2013). Meistens finden wir in einem einfachen Bestand zwischen 40 bis 60 Mykorrhizapilzarten an den Wurzeln, wobei die Zusammensetzung sowohl räumlich als auch zeitlich sehr dynamisch ist.

Verschiedene Mykorrhizapilze besetzen unterschiedliche Nischen und variieren in ihrer Fähigkeit, Nährstoffe aus dem Boden zu gewinnen. Zum Beispiel kommen je nach Bodentyp unterschiedliche Mykorrhizapilzarten in den verschiedenen Bodenschichten vor. Dies konnte anhand von Messungen der Enzymaktivitäten an Mykorrhizen nachgewiesen werden: Je nach Pilzart werden unterschiedliche Enzyme ausgeschieden, die bei der Nährstoffmobilisierung aus dem Boden wichtig sind. Einige können beispielsweise besonders gut an Stickstoff, andere eher an Phosphat gelangen. Während sich gewisse Mykorrhizapilze in den Funktionen ergänzen, scheinen andere dieselben Aufgaben zu erfüllen. Da sie aber oft an unterschiedliche Standortbedingungen angepasst sind, ergänzen sie sich räumlich oder zeitlich. Wir können daraus schliessen, dass eine hohe Vielfalt an Mykorrhizapilzen von grosser Bedeutung für die Waldbäume ist, weil die Bodenressourcen so optimal genutzt werden können. Ausserdem erlaubt eine grosse Diversität dieser Pilze es ihnen, auf sich verändernde Umweltbedingungen oder Störungen

zu reagieren, indem besser angepasste Arten die wichtigen Funktionen übernehmen. Die Beeinträchtigung dieser Diversität, etwa durch Stickstoffeinträge in den Wald via Luftschadstoffe (Peter et al., 2001; de Witte et al., 2017), ist deshalb kritisch. Gerade im Hinblick auf die Klimaveränderung werden diese Symbiosepartner wahrscheinlich eine zunehmend wichtige Rolle für die Resistenz und Resilienz der Waldbäume gegenüber Stressfaktoren spielen.

Wirtsspezifität der Mykorrhizapilze

Viele Mykorrhizapilze sind Generalisten, das heisst, sie können mit verschiedenen Baumarten eine Symbiose eingehen. Es gibt aber auch Spezialisten, die auf bestimmte Baumgattungen oder sogar einzelne Baumarten spezialisiert sind. Beispiele dafür sind der Arvenröhrling und der Lärchenröhrling, beide gehören zu den Schmierröhrlingen. Generell finden wir mehr spezialisierte Mykorrhizapilze bei den Nadelbäumen als bei den Laubbäumen (van der Linde

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Abb. 3: Fruchtkörper und dazugehörige Mykorrhizen: Edelreizker (Lactarius deliciosus) an Waldföhre (Pinus sylvestris). (Bild: WSL)

et al. 2018). Einigen Pilzen scheint es zudem möglich zu sein, unter bestimmten Umständen symbiotische Beziehungen mit neuen Pflanzenpartnern einzugehen, auch wenn die üblichen Baumarten nicht vorkommen. Sie können sich so auch in unerwartete Habitate ausbreiten. Ein solcher Fall wurde bei einem Steinpilz im Unterengadin untersucht. Es war bereits bekannt, dass der Steinpilz als Generalist Symbiosen mit unterschiedlichen Laub- und Nadelbaumarten eingehen kann; bei uns ist der häufigste Partner die Fichte. Überraschend war jedoch der wiederholte Fund von Steinpilzfruchtkörpern im Skigebiet Motta Naluns auf einer Höhe von 2440 Metern – weit über der Baumgrenze gelegen. Die mikroskopische und genetische Untersuchung der Mykorrhizastrukturen zeigte schliesslich, dass sich der Steinpilz einen sehr unscheinbaren und bisher unbekannten Mykorrhizapartner geschnappt

hatte: die Kraut-Weide (Treindl und Leuchtmann 2019). Damit ist erwiesen, dass der Steinpilz nicht ausschliesslich auf grosse Baumarten angewiesen ist. Es konnte sogar ein neuer Höhenrekord gesetzt werden: der höchste bekannte Steinpilzfundort in den Alpen.

Mykorrhizapilze und das Wood-Wide-Web

Jeder Baum ist mit vielen Mykorrhizapilzen verbunden und jeder Mykorrhizapilz kann mit mehreren Bäumen, oft sogar unterschiedlichen Arten, verknüpft sein. Zusammen bilden sie ein grosses Netzwerk im Waldboden, das Wood-Wide-Web. Über dieses Netzwerk können Nähr- und Botenstoffe ausgetauscht werden. Der Stofffluss von Baum zu Pilz und von Pilz zu Baum ist erwiesen, wie viel und welche Stoffe auch von Baum zu Baum via Mykorrhizapilze fliessen, ist Gegenstand

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Abb. 4: Die höchsten Steinpilze (Boletus edulis) der Schweiz. Fundort auf 2440 m ü. M. im Skigebiet Motta Naluns im Unterengadin. (Bild: A. Treindl ETHZ/WSL)

der Forschung. Einige Studien an Tomaten und Ackerbohnen haben gezeigt, dass sich Nachbarspflanzen via den Austausch von Botenstoffen über das Mykorrhiza-Netzwerk (in diesen Fällen arbuskuläre Mykorrhizapilze) vor Attacken durch Herbivoren oder Pathogene warnen können. Bei Bäumen konnte der Transfer von Zucker von Baum zu Baum in einigen Untersuchungen festgestellt werden. Es zeigte sich zum Beispiel, dass junge Sämlinge, die im Schatten älterer Bäume standen und deshalb weniger gut Photosynthese betreiben konnten, Zucker von Altbäumen erhielten. Andere, auch eigene Studien konnten diesen Transfer jedoch nicht nachweisen. Wie wichtig dieser Austausch für das Waldökosystem ist, wird deshalb erforscht. Sicher ist, dass Bäume, insbesondere junge Sämlinge, von einem bestehenden Mykorrhizanetzwerk im Boden profitieren, selbst wenn kein Stofffluss von Baum zu Baum stattfindet. Das Netzwerk gewährleistet eine gute Versorgung von geeigneten Pilzpartnern, die den Sämlingen alle Vorteile der Mykorrhizasymbiose bieten. Ausserdem stabilisiert es den Boden, was an Hanglagen in den Alpen eine wichtige Rolle beim Schutz gegen flachgründige Rutschungen spielen kann.

Zusammenfassung

Seit der Landnahme vor Jahrmillionen leben fast alle Landpflanzen in Symbiose mit Mykorrhizapilzen. Rund 2000 Grosspilze gehen in unseren Wäldern diese Symbiose mit Bäumen ein, davon viele geschätzte Speisepilze. Mykorrhizapilze spielen eine zentrale Rolle in der Nährstoff- und Wasserversorgung der Bäume und profitieren vom Zucker, den sie dafür erhalten. Die hohe Vielfalt dieser Pilze gewährleistet eine optimale Nutzung der Bodenressourcen und ist wichtig für die Anpassung der Waldökosysteme an sich verändernde Umweltbedingungen. Der Schutz dieser symbiotischen Pilze, etwa durch die Reduktion von Stickstoffemmissionen, ist insbesondere im Hinblick auf die Klimaveränderung von grosser Bedeutung.

Martina Peter ist Leiterin der Gruppe Ökologische Genetik und erforscht an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL verschiedene Aspekte der Mykorrhizasymbiose im Wald.

Artemis Treindl arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gruppe Biodiversität der WSL für das Datenzentrum SwissFungi.

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Der Hallimasch – ein heimischer Pilz mit vielen Facetten

Der Hallimasch ist ein in der Schweiz weit verbreiteter Pilz. Er lebt versteckt das ganze Jahr über in verrottendem Holz oder im Boden und wird erst im Herbst anhand seiner massenhaft an Baumstümpfen und abgestorbenen Bäumen heranwachsenden Fruchtkörper sichtbar. Die meiste Zeit führt er ein unscheinbares Leben als Zersetzer von Totholz. Einige Arten sind jedoch dazu in der Lage, lebende Bäume zu befallen und sind daher wirtschaftlich relevant. Auch in Gärten oder in Parks tritt der Hallimasch als ungeliebter Gast auf.

In unseren Wäldern lebt, meist unsichtbar, versteckt im Boden oder in verrottendem Holz ein Pilz, der im Normalfall nur im Herbst sichtbar wird. Dann bildet er zahlreiche, büschelige Fruchtkörper, welche massenhaft an Baumstümpfen oder abgestorbenen Bäumen vorkommen können. Bei diesem Pilz handelt es sich um den Hallimasch, sprich verschiedene Arten der weltweit vorkommenden Gattung Hallimasch (Armillaria). In der Schweiz gibt es fünf Arten dieser Gattung. Diese unterscheiden sich in ihrem Wirtsspektrum, der Fähigkeit holzige Pflanzen zu befallen und in ihrer geografischen Verbreitung. Alle Hallimasch-Arten ernähren sich saprophytisch von totem Holz und sind daher wichtige Nährstoffrecycler im Ökosystem Wald. Einige sind jedoch auch in der Lage lebende Pflanzen zu befallen und verursachen Stamm- und Wurzelfäule. Häufig erfolgt eine Infektion jedoch erst, wenn die Gehölze bereits durch Einwirkung anderer Stressfaktoren, wie Schädlingsbefall, zum Beispiel durch Borkenkäfer, Frost, Wasser- oder Nährstoffmangel geschwächt sind. Im Nutzwald, Obst- und Rebbau kann Hallimaschbefall zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen.

Als aggressiver Parasit ist der Honiggelbe Hallimasch (A. mellea) bekannt. Diese wärmeliebende Art befällt zahlreiche Laub- und einzelne Nadelgehölze und verursacht vor allem Schäden in Garten- und Obstanlagen sowie in Weinbergen. Ebenfalls parasitisch lebt der Dunkle Hallimasch (A. ostoyae), der bevorzugt Nadelholz befällt. Diese Art ist weit verbreitet und kommt im Alpenraum sogar auf über 2000 m ü. M. vor. Ähnlich häufig kommt der Keulige Hallimasch (A. cepistipes) vor. Dieser tritt meistens als harmloser Baumpilz an Nadelholz auf und lebt hauptsächlich totholzabbauend und ist ebenso bis in hohe Lagen anzutreffen. Ähnliches gilt für den deutlich weniger häufigen Nördlichen Hallimasch (A. borealis). In den Wäldern der Tieflagen gibt es zudem den Gelbschuppigen Hallimasch (A. gallica), welcher als Holzzersetzer oder Schwächeparasit vorwiegend an Laubbäumen auftritt.

Die verschiedenen Hallimasch-Arten sind nur schwierig anhand ihrer Fruchtkörper zu unterscheiden. Eine sichere Diagnose liefert nur eine Laboranalyse. Hier kann über etablierte molekulargenetische Methoden die Art sicher bestimmt werden.

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Philipp Spiegel, Daniel Rigling, Renate Heinzelmann

Erkennen eines Hallimaschbefalls

Bäume, die vom Hallimasch befallen werden, wirken zunächst nach aussen hin noch gesund. Bei fortschreitender Infektion ist oft das Triebwachstum vermindert und Nadelbäume zeigen oft einen ausgeprägten Harzfluss an der Stammbasis. Ist der Befall bereits stark fortgeschritten, nehmen die Blätter oder Nadeln häufig eine fahlgrüne bis gelblichgrüne Farbe an und eine Kronenverlichtung wird sichtbar. Gerade in den Sommermonaten ist eine plötzliche Welke und das Absterben von Holzpflanzen ein Hinweis auf einen Hallimaschbefall. Um einen Hallimaschbefall sicher für die genannten Symptome verantwortlich zu machen, müssen weisse Myzelmatten vorhanden sein. Nach der Infektion breitet sich der pathogene Pilz in der Wirtspflanze mithilfe dieser Myzelmatten im Kambium

und Rindengewebe aus und tötet dieses ab. Dadurch ist der Hallimasch in der Lage innerhalb kürzester Zeit frisch anfallende Holzressourcen für sich zu besetzen. Für den eigentlichen Holzabbau dringt der Pilz dann von den Myzelmatten aus in das Holz ein. Die Myzelmatten werden durch Entfernen der Rinde an den Wurzeln oder Stammfuss sichtbar. Ein weiteres sicheres Indiz für einen Hallimaschbefall ist das Auftreten von Fruchtkörpern. Diese werden jedoch im Vergleich zu den vorher erwähnten Myzelmatten erst bei einer fortgeschrittenen Infektion und nur im Herbst gebildet. Als die wichtigsten Fruchtkörper-Merkmale lassen sich weisses Sporenpulver, ein ringförmiges Häutchen am Stil (Velum partiale) und ein hell- bis dunkelbrauner Hut mit Schuppen nennen. Die Sporen, erkennbar als weisses Pulver, sammeln sich in

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Abb. 1: Myzelfächer wachsen in das Kambium und Rindengewebe ein und töten so den Baum. (Bild: Phytopathologie WSL)

grosser Zahl unterhalb der Fruchtkörper und ermöglichen eine klare Abgrenzung zu ähnlich aussehenden Pilzen. Hallimasch-Fruchtkörper wachsen nicht nur an abgetöteten Bäumen, sondern werden auch massenhaft am Totholz von Wurzelstöcken gebildet.

Als besonderes Merkmal des Hallimaschs sind noch die Rhizomorphen zu nennen. Dies sind im Boden und unter der Rinde von toten Bäumen vorkommende, schwarze bis rotbraune, wurzelähnliche Stränge, die bis zu 5 mm dick werden können. Mit diesen Rhizomorphen durchwächst der Hallimasch den Waldboden und erschliesst neue Holzressourcen. Die Rhizomorphen wachsen vorwiegend in einer Bodentiefe von 5 bis 15 cm und können jahrelang überleben. Der Hallimasch bildet im Waldboden ausgedehnte Rhizomorphen-Netzwerke, in denen Wasser und Nährstoffe transportiert werden. Pathogene Arten infizieren über Rhizomorphen häufig die Wurzeln von neuen Wirtsbäumen. Die Rhizomorphen, welche bei günstigen Bedingungen bis zu zwei Meter pro Jahr wachsen können, erlauben dem Hallimasch über Jahre hinweg grosse Flächen zu besiedeln. Weiters kann sich der Hallimasch auch über Wurzelkontakte von bereits infizierten zu gesunden Holzpflanzen ausbreiten. Neuinfektionen durch Sporen sind, trotz ihres massenhaften Auftretens im Herbst, vermutlich eher selten.

Forstwirtschaftliche Bedeutung des Hallimaschs

Der Hallimasch ist ein Erreger der Stockfäule bei Fichten, welche ihm eine wirtschaftliche Bedeutung zukommen lässt. Diese Fäule beschränkt sich auf das Kernholz, ohne dass der Baum dabei abgetötet wird und wird auch als Hallimasch-Rotfäule bezeichnet. Die Fäule steigt selten höher als 50 cm den Stamm hinauf und führt daher weniger zu Holzverlusten. Bei fortgeschrittenem Befall verlieren die Bäume jedoch ihre Stabilität und können bei Windeinwirkung leicht an der Stammbasis brechen.

Allgemein verursacht der Hallimasch eine Weissfäule, sprich er baut nicht nur Zellulose und Hemi-

zellulose (die Kohlenhydrate des Holzes) ab, sondern auch das äusserst widerstandsfähige Lignin, eine organische Substanz, welcher bei Pflanzen zur Verholzung führt.

Als natürlicher Bestandteil unserer Wälder spielt der Hallimasch eine wichtige Rolle beim Abbau von toter Holzmasse. Das Abtöten und Destabilisieren von Bäumen führt im natürlichen Ökosystem zur Verjüngung und schafft Platz für neue Organismen. Im forstwirtschaftlichen Sinne sind diese Eigenschaften jedoch für empfindliche Schäden verantwortlich.

Eine direkte Bekämpfung des Pilzes ist schwierig, da er weder im Boden noch im Baum gut erreicht werden kann. Deshalb sind nur vorbeugende Massnahmen ratsam. Hier ist zum Beispiel die Förderung standortgerechter Baumarten, Vermeidung von Stamm- und Wurzelverletzung und bei starkem Befall, ein Wechsel der Baumart nötig. Ein weiteres Problem ist die Holzentwertung durch Befall in Nasslagern. Hier sind vor allem Nadelhölzer betroffen und der Pilz entwickelt eine sogenannte Mantelfäule, bei der er mehrere Zentimeter von aussen nach innen vordringt. Ursächlich dafür ist meist eine Einlagerung von Bäumen, die bereits mit Rhizomorphen oder Myzelmatten besiedelt sind. Eine Bekämpfung ist durch Entrinden der Stämme und einer guten Kontrolle der Bäume vor der Einlagerung möglich.

Der Hallimasch ausserhalb des Waldes

Das weitverbreitete Vorkommen des Hallimaschs ist vermutlich Zeuge dafür, dass die Schweiz früher grossflächig bewaldet war. Nach fortschreitender Rodung überdauerte der Pilz vermutlich in den im Boden verbleibenden Wurzeln und Wurzelstöcken und infizierte nach und nach neugepflanzte Gehölze wie Rebstöcke und Obstbäume. Diesen einst landwirtschaftlich geprägten Siedlungsstrukturen folgten moderne Bauten mit Ziergärten, wo der Hallimasch wahrscheinlich von Obstbäumen und Reben auf Ziergehölze übersprang. Weiter kann der

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Hallimasch durch den Menschen in den Garten eingebracht werden. Beispielsweise sind hier Erdmaterial mit befallenem Restholz oder Hallimasch-verunreinigte Holz- und Rindenschnitzel zu nennen. Zur Bekämpfung können auch hier ähnliche Massnahmen wie im Forstgewerbe getroffen werden. Die direkte Bekämpfung in Garten- oder Parkanlagen mit Fungiziden ist auf der einen Seite nicht möglich, da der Pilz im Holz und Boden nur schwer zu erreichen ist, und auf der anderen Seite ist davon aus ökologischen Gründen allgemein abzuraten. Vorbeugend empfiehlt sich in Gärten mit bekanntem Hallimasch-Befall, Wurzelstöcke, wenn immer möglich zu entfernen oder auszufräsen. Dadurch wird dem Hallimasch seine Nährstoff-

quelle entzogen und es ist kein weiterer Befall umliegender Pflanzen mehr möglich. In Hecken (z. B. Liguster) sollten nicht nur die befallenen, sondern auch die benachbarten, gesund aussehenden Pflanzen entfernt werden, da diese höchstwahrscheinlich bereits über die Wurzeln infiziert wurden. Nach einem Befall durch Hallimasch ist es oft auch ratsam, für einige Jahre keine Gehölzpflanzen an den gleichen Stellen einzusetzen. Auf jeden Fall sollten nicht mehr die gleichen Gehölzarten verwendet werden.

Grundsätzlich gilt es, auch im Garten, standortgerechte Pflanzen auszuwählen, die resistenter gegen Stressfaktoren und somit auch weniger anfällig für eine Hallimaschinfektion sind.

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Abb. 2: Fruchtkörper des Honiggelben Hallimaschs (Armillaria mellea) im Garten auf den Wurzeln eines abgetöteten Baumes. (Bild: Renate Heinzelmann)

Der Hallimasch als Sekundärparasit bei durch Eschentriebsterben geschwächten Eschen

Ein aktuelles Problem zeigt sich durch den fortschreitenden Befall von Eschen durch den aus Asien eingeschleppten Eschenschadpilz Hymenoscyphus fraxineus (Falsches Weisses Stängelbecherchen).

Wiederkehrende Infektionen der Eschenblätter und -triebe mit H. fraxineus führen allmählich zu einem Triebsterben und somit einer Kronenverlichtung. Die meisten Eschen, die am Eschentriebsterben erkrankt sind, zeigen bei fortschreitender Infektion zusätzlich Sekundärbefall durch Hallimasch an den Wurzeln und am Stammfuss. Dies ist ein Sicherheitsproblem, weil von aussen noch relativ gesund erscheinende Bäume, bei Windeinfall umkippen können. Auch bei Forstarbeiten mit befallenen Eschen gilt es die Arbeitssicherheit zu beachten. Der sekundäre Hallimaschbefall führt somit zu

einer Beschleunigung des Eschensterbens und erschwert die Einschätzung der Baumstabilität aufgrund der Schadenserscheinung durch das Eschentriebsterben.

Biolumineszenz beim Hallimasch

Ein eher weniger in der Öffentlichkeit bekanntes Phänomen des Hallimaschs ist die Fähigkeit der Biolumineszenz. Das heisst, der Pilz kann von sich aus Licht erzeugen, welches in der Nacht als schwaches, im dunklen Wald jedoch deutliches, grünlich schimmerndes Leuchten erkennbar wird. Dieses Leuchten tritt aber nicht wie bei anderen biolumineszenten Pilzen am Fruchtkörper, sondern ausschliesslich im Myzel auf. Für dieses Kunststück verantwortlich ist ein Enzym, die sogenannte Luziferase, welches in der Lage ist, als Teil eines komplexen Stoffwechselwegs, Energie in Form von

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Abb. 3: Durch Langzeitbelichtung gut sichtbare Biolumineszenz an Hallimasch befallenen Holzstücken. (Bild: Heidy Baggenstos, Andreas Rudolf)

Licht freizusetzen. Dasselbe Enzym ist auch in den Leuchtorganen von Glühwürmchen und anderen lichterzeugenden Organismen zu finden. Der Nutzen dieses Leuchtens beim Hallimasch ist nicht bekannt, vermutlich handelt es sich dabei um einen evolutionären Artefakt.

Bereits Aristoteles sprach in seiner 2400 Jahre alten Abhandlung über die Seele, «was man bei Licht nicht sieht, wird in der Dunkelheit wahrgenommen, zum Beispiel das feurig scheinende und glänzende, wie der Erdschwamm.» Hier meinte er mit hoher Wahrscheinlichkeit den Hallimasch. Vermutlich gehen auch diverse Feen- und Geistererscheinungen in der Folklore darauf zurück, dass Menschen, die – möglicherweise nicht mehr ganz nüchtern –, nachtens durch die Wälder gewandert sind und diese Leuchterscheinungen wahrgenommen haben. Es ist gut vorstellbar, dass diese Ge-

schichten zu Hause oder am Stammtisch etwas ausgeschmückt weitererzählt wurden und schon haben wir die perfekte Feenerscheinung.

Philipp Spiegel hat Biologie studiert und arbeitet als Praktikant an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Er untersucht, wie Hallimasch und Eschenwelke die Stabilität von Eschen beeinflussen.

Daniel Rigling ist Biologe und leitet die Gruppe Phytopathologie an der WSL. Er beschäftigt sich mit verschiedenen Pilzkrankheiten von holzigen Pflanzen.

Renate Heinzelmann hat Biologie studiert und arbeitet als Postdoktorandin an der WSL. Sie hat das Infektionsverhalten von verschiedenen europäischen Hallimasch-Arten untersucht.

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Abb. 4: Dieselben Holzstücke bei normalem Licht. (Bild: Heidy Baggenstos, Andreas Rudolf)

Gefährlichkeit des Echten Hausschwammes

In Gebäuden wurden bisher über 140 Arten von Grosspilzen nachgewiesen, die ein zum Teil sehr unterschiedliches Fäulepotenzial haben. Die meisten Arten verursachen eine Weissfäule. Gemessen an den Fallzahlen überwiegen jedoch die Schäden durch Braunfäule-Pilze mit 60 bis 70 Prozent der Befälle.

Unter den Hausfäulepilzen nimmt eine Art eine herausragende Rolle ein: der Echte Hausschwamm.

Abb. 1: Weisses, wattiges Mycel des Echten Hausschwammes an einem Holzlager im Keller; von derartigen Holzlagern können Stränge ins Mauerwerk wachsen und sich im Gebäude ausbreiten. Frische Fruchtkörper sind ein sicheres Zeichen dafür, dass ein aktiver Befall vorliegt, der sich ausbreiten könnte.

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Dr. Tobias Huckfeldt (Alle Bilder: Tobias Huckfeldt)

Der Echte Hausschwamm (Serpula lacrymans) (Jennings/Bravery, 1991; Schmidt, 2006) ist häufig im Altbau. Bekannt sind die häufiger auftretenden Fruchtkörper am Mauerwerk (Abb. 3), die auch während einer Sanierung auftreten können (Abb. 4) und die Stränge und Mycelien im Mauerwerk (Abb. 1). Weniger geläufig ist das Vorkommen des Echten Hausschwammes an Fachwerk und Fenstern. Von der Vielzahl der in Gebäuden nachgewiesenen Grosspilze verursachen nur wenige Arten so massive Schäden, dass häufiger ein Rückbau bis zum Rohbauzustand eines Gebäudes notwendig wird. An solchen Schäden ist der Echte Hausschwamm

überproportional beteiligt. Je nach Region verursacht dieser Pilz 20 bis 50 Prozent aller Schäden (Literatur-Auswertung siehe in Huckfeldt et al., 2021). Der Echte Hausschwamm kann sich in Gebäuden nur ansiedeln, wenn eine Feuchtigkeitsquelle vorhanden ist, die ausreicht, um Holz über Fasersättigung anzufeuchten. Hier wird ein Wert von um 30 Prozent diskutiert; unterhalb dieser Schwelle scheint ein Neubefall kaum möglich (Wälchli, 1980). Für die Gefährlichkeit der häufigen Hausfäulepilze scheinen im Vergleich mit anderen Pilzen in Gebäuden vor allem folgende Eigenschaften entscheidend zu sein (Tab. 1):

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Abb. 2: Cremefarbene bis braune Stränge des Haus-Tintlings (Coprinus sp.) durchwachsen die kiesreiche Schüttung einer Zimmerdecke. Befallsort: Einschub eines Holzfussbodens im 3. OG.

a) Die Fähigkeit, anorganische Materialien zu durchwachsen (Stränge im Mauerwerk). Für neun Hausfäulepilz-Arten ist ein Durchdringen von anorganischen Materialien nachgewiesen: Echter Hausschwamm (Hinterberger/Grinda 1984), Wilder Hausschwamm (S. himantioides), Brauner Kellerschwamm (Coniophora puteana, Falck, 1913), Marmorierter Kellerschwamm (C. marmorata), Weisser Breitsporiger Porenschwamm (Antrodia vaillantii), Gelbe Braunfäuletramete/Gelber Porenschwamm (A. xantha), Kiefern-Fältlingshaut (Leucogyrophana pinastri), Ockerfarbener Sternsetenpilz (Asterostroma cervicolor, Bravery et al., 2003) und Lachsfarbener Sternsetenpilz (A. laxum). Auch einige Tintlinge (Coprinus spp. – Abb. 2) und Becherlinge (Pezi-

za spp.), die jedoch keine oder eher schwache Holz-Zerstörer sind, durchwachsen zur Fruchtkörperbildung anorganische Materialien (Buller, 1924). Dem Echten Hausschwamm kommt hier keine Sonderrolle zu, auch wenn seine Fruchtkörper besonders eindrucksvoll sind (Abb. 3 und Abb. 4).

b) Die Fähigkeit, Holz unter Fasersättigung von einer Feuchte-Quelle aus zu bewachsen (Tab. 1). Dies ist bisher für den Echten Hausschwamm, den Ausgebreiteten Hausporling (Donkioporia expansa), den Braunen Kellerschwamm, den Weissen Breitsporigen Porenschwamm und Tannenblättling (Gloeophyllum abietinum) nachgewiesen. Dem Echten Hausschwamm kommt auch hier keine Sonderrolle zu.

lacrymans; –

Holzabbauwerte (Holzfeuchte aus Stapelversuchen) ca. 8

Jahre

19,4

22,4

m

aber aus Holz

60 – 75 um %), Fichte Ausgebreiteter Hausporling (Donkioporia expansa; Weissfäule)

9

21,7 um % schwachin der Regel jaunbekannt, aber aus Holz

unbekanntschwachseltenja, aber nur kurze

unbekannt, aber aus Holz

Kiefern-Fältlingshaut (Leucogyrophana pinastri; Braunfaule)

11 Jahre –

29,9 um % schwachin der Regel jazweifelhaftunbekannt24 % (12 Wochen) Kiefernsplint

* Feuchtigkeitsansprüche für das Bewachsen von Kiefern-Splintholz von einer nahen Feuchtigkeitsquelle aus (max. 20 cm entfernt)

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Echter Hausschwamm (Serpula
Tab. 1: Vergleich des Echten Hausschwammes und anderer Hausfäulepilze (verändert nach Huckfeldt/Schmidt, 2015) Eigenschaft Art (latein. Name; Fäuletyp) Braunfäule) 20,3 –21,0 um % gutin der Regel jaja 1 Jahr 49,5 % (16 –20 Wochen; 70 – 89 um %) Brauner Keller- oder Warzenschwamm (Coniophora puteana; Braunfäule)
Wachstumsfeuchte auf dem Holz* MycelAbschotten Wanddurchwuchs 17,5 um % schwachin der Regel jaunbekannt, aber aus Holz
Echte Strangbildung 2 Jahr 34 % (16 –20 Wochen;
Auswuchs aus dem Mauerwerk 21,0 u
Überdauerung im trockenen Holz (Theden, 1972) % sehr gutneinneinnein,
mässigseltenjaunbekannt,
Weisser Porenschwamm/ Braunfäuletramete (Antrodia vaillantii; Braunfäule)
um %
aber aus Holz
Jahre 35 % (15 Wochen; 60 – 75 um %)
Antrodia sinuosa
Wilder Hausschwamm (Serpula himantioides; Braunfäule)
2 Jahr –
Rosa Saftporling (Oligoporus placenta; Braunfäule

c) Die Fähigkeit, dichtes Oberflächenmycel zu bilden (Abb. 1), um die Austrocknung des befallenen Holzes zu verlangsamen: Besonders dichte Mycelien bilden der Ausgebreitete Hausporling und der Tannenblättling, gefolgt vom Echten Hausschwamm und dem Weissen Breitsporigen Porenschwamm. Dagegen bilden der Braune Kellerschwamm und der Wilde Hausschwamm, nur dünne Oberflächenmycelien an der Wachstumsgrenze (Huckfeldt/Schmidt, 2015). Dem Echten Hausschwamm kommt hier ebenfalls keine Sonderrolle zu.

d) Die Fähigkeit, in trockenem Holz zu überdauern, das heisst, in der sogenannten «Trockenstarre» zu überleben: Der Rosa Saftporling (Oligoporus placenta) überlebte in einem Langzeitversuch bei 20 ° Celsius elf Jahre, der Weisse Breitsporige Porenschwamm und der Tannenblättling erreichten neun Jahre, der Braune Kellerschwamm und der Ausgebreitete Hausporling drei Jahre, der Wilde Hausschwamm zwei Jahre und der Echte Hausschwamm überdauerte ein Jahr (Theden, 1972).

e) Die Fähigkeit, im Holz eine schnell fortschreitende Fäule zu verursachen.

Hinsichtlich der Pilzaktivität in Gebäuden scheinen Fähigkeiten wie hohe Temperaturen zu überstehen und Wasser zu transportieren weniger wichtig zu sein. Hohe Temperaturen treten im Gebäudeinneren selten auf und sind dann meist mit Trockenheit verbunden (Sommer), sodass die Bildung von Überdauerungs-Stadien für einen Pilz wichtig ist. Ausnahmen sind Fensterhölzer und Dachstühle, die hier nicht betrachtet werden.

Im Hinblick auf einen Wassertransport zeigte der Echte Hausschwamm keine besonderen Fähigkeiten. Eine geringe Befeuchtung, die bei allen untersuchten Fäulepilzen beobachtet werden kann, dürfte mit den insbesondere an den Wachstums-Rändern auftretenden Guttationstropfen zusammenhängen. Der vermutlich bei vielen Hausfäulepilzen stattfindende

Abb. 3: Seltenes Bild: Konsolenförmige, weissrandige, frische Fruchtkörper des Echten Hausschwammes (Serpula lacrymans) an einer Drempelmauer; die Fruchtschicht liegt dann auf der Hut-Unterseite (➞); auf der Hut-Oberseite liegt zimtbrauner Sporenstaub ( ).

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Wassertransport kann in dicht «verpackten» Konstruktionen, wie unbelüfteten Dächern, Holz unter Bädern und unter dichten Fussbodenbelägen wie Laminat und PVC, aus denen Wasser praktisch nicht mehr entweichen kann, gleichwohl zu beträchtlichen Schäden führen.

Im Hinblick auf den pilzlichen Wassertransport im Holz ist der ohnehin vorhandene Wassertransport im kapillar aufgebauten Holz von Bedeutung und dieser ist von der Wassermenge durch den aktiven Transport abzuziehen. Wasser wird von feuchten Wänden besonders in anliegende Deckenbalken und Schwellen kapillar transportiert. Über längere Zeiträume kommt es weiterhin zu einem kapillaren Aufsteigen von Wasser, zum Beispiel in Ständern und Pfosten aus Holz.

Fazit

Die Gefährlichkeit des Echten Hausschwammes (Serpula lacrymans) beruht darauf, dass er als einziger Hausfäulepilz die vier wichtigen Fähigkeiten zum Besiedeln eines Gebäudes beherrscht. Diese Fähigkeiten seien hier noch einmal kurz genannt:

1 anorganische Materialien zu durchwachsen (versteckte Lebensweise mit Strangwachstum im Mauerwerk);

2 Holz mit einer Feuchte von unter Fasersättigung zu bewachsen, wenn eine Feuchtequelle in der Nähe ist;

3 dichtes Oberflächenmycel auf Holz unter Fasersättigung zu bilden;

Abb. 4: Weisses, wattiges Mycel des Echten Hausschwammes in einer Kommode, die vom Mauerwerk aus befallen wurde; der Sporenstaub auf dem Möbelstück zeigt an, dass Fruchtkörper in der Nähe sind. Die Mycelien wachsen i. d. R. verdeckt und treten nur selten offen zu Tage; für ihr Wachstum ist eine hohe Luftfeuchtigkeit nötig.

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4 in trockenem Holz zu überdauern, das heisst, einer sogenannten «Trockenstarre» zu überdauern und

5 im Holz eine schnell fortschreitende Fäule zu verursachen.

Bei der Betrachtung einzelner Fähigkeiten sind dagegen andere Pilze deutlich «leistungsstärker» (Tab. 1). Jedoch zeigen die anderen Fäulepilze in der Gesamtschau der Fähigkeiten immer zumindest einen deutlichen Schwachpunkt. Untersuchungs- und Sanierungs-Schritte sollten mit einem Sachverständigen oder einem Fachbetrieb für Schwamm-Sanierung beraten werden.

Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Dr. Rehbein betreibt Dr. Tobias Huckfeldt in Hamburg das IF-Holz –Fachlabor für Hausschwamm-Analysen.

Literatur

Bravery, A. F.; Berry, R. W.; Carey, J. K.; Cooper, D. E. (2003) Recognising wood rot and insect damage in buildings, BRE Bookshop, Garston Buller, A. H. R. (1924) Psathyrella disseminata, Researches on fungi. Vol. III. Longmans, New-York

Falck, R. (1913) Örtliche Krankheitsbilder des echten Hausschwammes. In: R. Falck (Hrsg.): Mykolo-

gische Untersuchungen und Berichte 1, Fischer

Jena, S. 1 – 20 Hinterberger, H.; Grinda, M. S. (1984) Prüfverfahren für Schutzmittel gegen Schwamm im Mauerwerk, In: Cymorek, S., Ehrenteich, W., Metzner, W. (Hrsg.): Holzschutz, DRW, Leinfelden-Echterdingen, S. 86 – 89

Huckfeldt, T. (2021) Hausschwamm – Vorkommen im Altbau! Aber auch im Neubau? In: Schönherr, S. (Hrsg.) Tagungsband der EIPOS-Sachverständigentage – Holzschutz 2021; Beiträge aus der Praxis, Forschung und Weiterbildung. Eipos, Fraunhofer IRB, Stuttgart, S. 251 – 277

Huckfeldt, T.; Schmidt, O. (2015) Hausfäule- und Bauholzpilze, 2. Aufl. R. Müller Verlag, Köln

Jennings, D. H.; Bravery, A. F. (1991) Serpula lacrymans. J. Wiley, Chichester

Schmidt, O. (2006) Wood and tree fungi. Springer, Berlin

Sutter, H.-P. (1997) Holzschädlinge an Kulturgütern erkennen und bekämpfen. 3. Auflage, P. Haupt, Bern, 164 S.

Theden, G. (1972) Das Absterben holzzerstörender Pilze in trockenem Holz. Mat. Org. 7, S. 1 – 10

Wälchli, O. (1980) Der Echte Hausschwamm – Erfahrungen über Ursachen und Wirkungen seines Auftretens. Holz Roh- Werkstoff 38, S. 169 – 174

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Lehrabschlussfeier der Bündner und Liechtensteiner Forstwarte in Scuol

Mitte Juni traten 32 angehende Forstwarte aus dem Kanton Graubünden und dem Fürstentum Liechtenstein den letzten Teil ihrer Lehrabschlussprüfung in Vaduz FL an. Die Prüfungen wurden vom Amt für Wald und Naturgefahren organisiert. Die traditionelle Lehrabschlussfeier, welche von Graubünden Wald organisiert wurde, fand am 1. Juli in Scuol statt.

Am 1. Juli trafen sich bei der Talstation der Luftseilbahn Motta Naluns in Scuol die frischgebackenen Forstwarte, ihre Angehörigen, Berufsbildner, Experten und Gäste, alles in allem rund 130 Personen, um den erfolgreichen Lehrabschluss zu feiern. Der

Festredner Arno Kirchen würdigte in seiner Rede die Leistungen der 31 erfolgreichen Absolventen und gratulierte ihnen zur bestandenen Lehrabschlussprüfung. Die feierliche Übergabe der eidgenössischen Fähigkeitszeugnisse mit der Prämierung der

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Der Jahrgang 2022 der Bündner und Liechtensteiner Forstwartlehrlinge.

drei besten Lehrabschlüsse wurde von Dominic Schilling (AWN) angeleitet, wobei er tatkräftig von Arno Kirchen, Leiter Technische Betriebe Scuol, sowie Mario Denoth, Graubünden Wald, unterstützt wurde.

Wie jedes Jahr durfte der beste Absolvent als Lohn für seine grossartige Leistung die begehrte goldene Axt entgegennehmen. Flurin Guidon (AWN) konnte diese Trophäe an Andrin Kubli, welcher seine Lehre beim Revierforstamt Surses absolvierte, für den besten Abschluss mit der Note 5.4 überreichen.

Für die zweit- und drittbesten Noten gab es ebenfalls ein kleines Präsent. Diese Ehre wurde im zweiten Rang mit Note 5.3 Jannik Vitalini, Flims Trin Forst, sowie im dritten Rang mit Note 5.2 Rino Camenisch, Revierforstamt Breil/Brigels und Nils Wohlwend, Uffizi forestel S-chanf Zuoz zuteil.

Insgesamt haben die Prüfung mit Erfolg absolviert (in alphabetischer Reihenfolge): Aliesch Simon, Davos; Angerer Daniel, Cazis; Bärtsch Andreas, Furna; Baschung Sandro, Ferrera/Avers; Blumenthal Nico, Chur; Costa Francesco, Gemeindebetriebe Crestault; Deck Ben, Tujetsch; Ender Vivien, Triesen; Engler Flurin, Samedan; Folini Didier, St. Moritz; Ganzoni Giacomo, Bregaglia; Gmür Pascal, Forstunternehmung Janett; Grond Vasco, Celerina; Keller Nico, Gamprin; Kessler Tim, Zweckverband Falknis; Kieber Nicolas, Schaan; Kloos Martin, La Punt Chamues-ch; Langensand Dominic, Safiental; Meier David, Eschen; Minder Florian, Furna; Padrun Sandro, Segl-Maria; Reimann Robin, Tamins; Romano Mario, Val Müstair; Russo Tommaso, Forstunternehmung Candinas; Sonder Andrin, Landquart/Zizers; Stöckli Moritz, Medel Lucmagn; Waldmeier Bigna, Forstbetrieb Madrisa

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Andrin Kubli, der seine Lehre beim Revierforstamt Surses absolvierte, mit seiner goldenen Axt. (Bilder: AWN)

Murgang-Beobachtungsanlage

Murgänge gehören zu den gefährlichsten und destruktivsten Massenbewegungen in alpinen Regionen. Insbesondere die langen Auslaufdistanzen und starken Kräfte führen zu einem erheblichen Schadenpotenzial. Ein fundierteres Verständnis von Intensität und Häufigkeitsbeziehungen von Murgängen ist für Praxis und Forschung fundamental. Im Weiteren ist es wichtig, die physikalische und mathematische Modellierung des Fliessverhaltens weiter zu entwickeln, insbesondere im Übergangsbereich von geschiebeführendem Hochwasser hin zu granularen Murgängen (Graf et al., 2019; McArdell, 2016).

Der Klimawandel bekräftigt die Relevanz dieser Fragestellungen zusätzlich. Die neue Forschungsstation im Val Greva wird es ermöglichen, wichtige Erkenntnisse zur Beantwortung dieser Fragestellungen zu finden. Das Val Greva ist neben dem Illgraben (VS) die zweite umfassende Messstation von Murgangaktivität in der Schweiz. Diese neue Forschungsstation ermöglicht es, eine breitere Vielfalt von Prozessarten zu erfassen.

Gesamtheitliche Forschungsstation

Der Standort Val Greva wurde aus einer Auswahl von über 10 potenziellen Standorten im Kanton Graubünden in Zusammenarbeit mit AWN und SLF ausgewählt. Das Einzugsgebiet von Val Greva ist klein und überschaubar. Die relativ kurzen Distanzen und die gute Zugänglichkeit sind wichtige Standortfaktoren, welche zum Entscheid dazu beigetragen haben, an diesem Standort ein gesamtheitliches Langzeitüberwachungssystem aufzubauen. In den letzten Jahren wurden ein bis drei Murgang-Ereignisse von mehreren 1000 m³ pro Saison dokumentiert. Expertenschätzungen zu Grunde liegend, wird von einer Kubatur von 5000 m³ bei einem 10- bis 30-jährlichen Ereignis erwartet und eine Magnitude

von 20 000 m³ bei seltenen Ereignissen. Die relativ häufigen kleinen Ereignisse im Übergangsbereich von geschiebeführendem Hochwasser zu murgangartigen Prozessen sind für die Forschung sowie für die Praxis von besonderem Interesse. Durch eine grosse aktive Rutschung aus einer quartären Moränenablagerung im oberen Einzugsgebiet (siehe Bild) ist eine stetige Sedimentlieferung ins Gerinne gewährleistet.

Geplante Messeinrichtungen

Zur Quantifizierung der ablaufenden Prozesse wird eine Vielzahl von Messinstrumenten eingesetzt. Die geringe Einzugsgebietsgrösse ermöglicht es, mit photogrammetrischen Drohnen das gesamte Einzugsgebiet zu erfassen. Im unteren bewaldeten Teil werden zusätzlich Geländedaten mit einer LiDAR-Drohne erfasst, da hier die photogrammetrischen Methoden limitiert sind. Zur Validierung der aktiven Rutschmasse wurden 26 DGPS Punkte eingemessen. Mit regelmässigen Drohnenbefliegungen ist es möglich, die Gesamtheit der Prozesse von der Verwitterung, Sedimentaufbereitung, Erosion, Transport bis hin zur Ablagerung zu quantifizieren.

54 MiraBova – eine neue
Gregor Schmucki und Andrin Caviezel

Fünf im gesamten Gebiet verteilte Meteostationen erfassen die Niederschlagsintensitäten zeitlich und räumlich hochaufgelöst. Der Zusammenhang zwischen Niederschlagsintensität und Grösse des Murgangs sind von besonderem Interesse für die Praxis. Im Weiteren untersuchen wir auch den Unterschied zwischen den Niederschlagsintensitäten in bewaldeten und offenen Gebieten. An einigen Standorten wird die Höhe des Wasserspiegels zusätzlich mit einem Piezometer gemessen. Murgangprozesse verursachen hoch frequente seismische Signale, welche Interpretationen über

Luftbild mit Übersicht Projektperimeter.

(Bild: SLF)

das Murgangvolumen, Geschwindigkeit und Korngrössenverteilung liefern. Im Val Greva ist neben einigen Geophon-Messstellen eine Distributed Acoustic Sensing (DAS) Installation geplant. Dieses neuartige Messsystem ermöglicht es, seismische Signale quasi kontinuierlich entlang einem Glasfaserkabel zu messen.

Der Abfluss wird anhand von zwei Methoden gemessen: Herkömmlich mit einem Line Scanner Radar (Vegaplus C21) und zum Vergleich mit einem neuartigen Ouster OS2 LiDAR Sensor. Der Abfluss wird an diesen Querschnittstellen darüber hinaus

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mit einem Square Pipe System (SPS 2.0) charakterisiert. Diese an der WSL entwickelte Messvorrichtung besteht aus drei Geophonen und Beschleunigungssensoren sowie einem Mikrofon. Es erlaubt hoch frequentierte, durch Sediment ausgelöste Vibrationen zu messen und dadurch die Geschiebefracht exakt zu charakterisieren.

Über die neue Forschungsstation werden wir in den kommenden Jahren regelmässig im «Bündner Wald» berichten. In diesem Sommer sind Vorbereitungsarbeiten, wie etwa das Verlegen einer elektrischen Stromleitung, regelmässige Drohnen-Flüge, GPS-Messungen sowie die Installation von Bodenfeuchte-Sensoren und Meteostationen geplant.

Rutschung

Tiefenerosion

Verklausung

Wildbachsperren

Geschiebesammler

Böschungserosion

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Übersicht Val Greva, Madulain: das Einzugsgebiet vom Piz Mezzaun, die instabile Rutschungszone, das Gerinne bis zum Geschiebesammler beim Golfplatz ist gut erkennbar. (Bild: SLF, Gregor Schmucki) Regelmässiger Steinschlag

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sind: Der Testkörper muss mittig in das Mittelfeld einer mehrteiligen Barriere auftreffen. Das ist für ein Schutzsystem der optimale Fall und spielt sich bei einem echten Steinschlag selten so ab. In der Natur schlagen Felsblöcke auch direkt in die Stütze, in ein Randfeld oder am Rand eines Netzfeldes ein.

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Montage einer Steinschlagbarriere des Typs Rocco2000 an der Kühtai Panoramastrasse.

Daher testen die Schweizer Sicherheitsspezialisten ihre neuen Steinschlagbarrieren namens ROCCO® nicht nur nach EAD 340059-00-0106 im freien Fall – den härtesten geltenden Bestimmungen. Auch werden diese neu im Feld und auf der Testanlage auf nicht-optimale Lastfälle wie Einschläge in das Randfeld, exzentrische Treffer und Verbauungen mit Tragseiltrennungen getestet. Ein erhöhter Aufwand, der sich auszahlt: Steinschlagbarrieren der ROCCO®-Generation mit Energieaufnahme von 1000 bis 3000 kJ sind schon zertifiziert und haben die zusätzlichen Tests bestanden. Das erhöht nicht nur den Schutz. Auch können sich Planer jetzt darauf verlassen, dass die Systeme auf maximaler Energiestufe durchgehend bis in die Randfelder und als Einfeld-Lösungen im

1:1-Massstab getestet und bestätigt sind. Diese Vorzüge zusammen mit der vereinfachten Installation setzen sich durch: Einige Planer haben den Mehrwert der besseren Planungssicherheit erkannt – und sowohl in der Schweiz als auch in den Nachbarländern werden diese Systeme schon eingesetzt. Mehr

Video von der Installation eines Rocco-Systems www.geobrugg.com/install-rocco

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Informationen www.geobrugg.com/naturtest
ROCCO®-Barrieren werden auch auf Einfeld-, Randfeldtreffer sowie auf exzentrische Einschläge getestet. (Bilder: Geobrugg)

Moore im Wald –ein Aufruf zur Meldung

Mit einer Umfrage zu Mooren im Wald möchte das Amt für Natur und Umwelt zusammen mit dem Amt für Wald und Naturgefahren und dem Amt für Jagd und Fischerei das Wissen über Feuchtstandorte im Wald erweitern.

Moore sind Hotspots spezialisierter Pflanzen und Tiere und leisten einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz. Da der Erhalt und die Förderung der Moore in der Schweiz seit der Rothenthurm-Initiative gesetzlich verankert ist, muss ihre Lage und ihr Zustand beschrieben werden. Derzeit sind in Graubünden im kantonalen Biotopinventar ca. 5900 ha Moore erfasst. Auch im Wald wurden bereits die grössten Moore kartiert, Kenntnislücken gibt es bei

den kleineren Mooren. Das Amt für Natur und Umwelt plant daher 2022 zusammen mit dem Amt für Wald und Naturgefahren und dem Amt für Jagd und Fischerei das Wissen über Moore im Wald mit einer Umfrage zu erweitern. Angesprochen sind Personen mit Ortskenntnissen im Wald wie zum Beispiel Revierförster, Jäger und Jägerinnen sowie weitere Interessierte.

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Hochmoor mit Schlenke im Göriwald. (Bild: Peter Weidmann)

Entstehung von Mooren und ihre Bedeutung für den Klimaschutz

Moore sind faszinierende Lebensräume im Übergang zwischen Wasser und Land. Sie entstehen überall dort, wo Wasser im Überschuss vorhanden ist und sich staut. Die nassen Bereiche werden von Moorpflanzen besiedelt, abgestorbene Pflanzenteile werden im Wasser nicht zersetzt und als Torf konserviert. In manchen Mooren konnten so mehrere Meter mächtige Torfschichten aufwachsen. Ein Torfkörper von einem Meter Höhe ist zum Beispiel etwa 1000 Jahre alt. Moore leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, da der Kohlenstoff im Moor als Torf gespeichert ist. Wird das Moor entwässert, kehrt sich der Prozess um. Die Torfschicht zersetzt sich an der Luft und der gespeicherte Kohlenstoff entweicht in die Atmosphäre.

Lebensraum für spezialisierte Arten

Moore weisen eine hohe Anzahl an spezialisierten Pflanzen- und Tierarten auf, die auf diesen Lebensraum angewiesen sind. In Waldmooren können zum Beispiel seltene Libellen wie die Arktische Smaragdlibelle vorkommen. Moorgebiete im Wald sind wichtige Bestandteile des Lebensraums für das Auerhuhn, Waldschnepfen halten sich gerne in feuchten Wäldern auf.

Torfbildende Moorpflanzen sind meist Sauergräser wie zum Beispiel die Braune Segge. Seggenmoore werden als Flachmoore bezeichnet. Seltener kommen in Graubünden Hochmoore vor, die nur von Regenwasser gespeist werden. Dort wachsen vor allem Torfmoose, die sehr viel Wasser speichern können. In wassergefüllten Mulden der Hochmoore, den Schlenken, findet sich die Schlamm-Segge, die seit der letzten Eiszeit als sogenanntes «Eiszeitrelikt» überlebt hat.

Ablauf der Umfrage

Im Sommer werden Revierförster, Regionalforstingenieure/innen und Wildhüter/innen per E-Mail informiert und dazu aufgerufen, unbekannte

Moore im Wald zu melden. Jäger und Jägerinnen erhalten im Herbst im Rahmen der Jagdpatentausgabe Informationen über die Umfrage. Sie sollen motiviert werden, während der Jagd auf Moore im Wald zu achten und diese zu melden. Die Mitarbeit ist freiwillig. Der Aufruf soll Hinweise auf neue Moorgebiete im Wald geben und kann eine Fachkartierung nicht ersetzen.

Daniela Lemp ist Diplombiologin und arbeitet bei Atragene, Fachgemeinschaft für Standortskunde und Ökologie, in Chur (lemp@atragene.ch).

Luis Lietha ist im Amt für Natur und Umwelt Graubünden für Moorschutz und faunistischen Artenschutz zuständig (luis.lietha@anu.gr.ch).

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Arktische Smaragdlibelle beim Schlüpfen in einer Moorschlenke. (Bild: Daniela Lemp)

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Vorschau «Bündner Wald» Oktober 2022

Wald und Klimawandel

… ein wortwörtlich heisses Thema, zu dem wir Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Behörden und Forschungs-Institutionen zu Wort bitten. Wie präsentiert sich die Schweizer Klimapolitik aus Waldsicht? Welche Erkenntnisse gibt es betreffend Wald und CO²? Und welche Rolle spielt der Bündner Wald dabei? Informationen zum Klimawandel und zur Klimastrategie des Kantons Graubünden fehlen ebenso wenig wie ein kritischer Blick auf Klimaschutzprojekte rund um Wald und Holz. Und nicht zuletzt kommen auch Praktiker zu Wort. Sind in Bayern, im Tirol und im Südtirol forstliche Projekte geplant oder im Gange, die explizit auf den Klimawandel ausgerichtet sind?

Redaktion: Susi Schildknecht

Vorschau auf die nächste Nummer: Dezember 2022: Alternative Geschäftsfelder

Redaktion: Jörg Clavadetscher

Redaktionsschluss: 18. Oktober 2022

Herausgegeben von Graubünden Wald, Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden und der SELVA

Verlag: © Somedia Production AG, CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Bahnhofplatz 1, CH-7302 Landquart, Telefon + 41 (0) 81 300 22 44, buendnerwald @ selva-gr.ch Redaktoren: Redaktion: Susi Schildknecht, susi.schildknecht@bluewin.ch, Jörg Clavadetscher, forestal-muestair@bluewin.ch. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in nicht verlangter Form ohne Rückfrage zu ändern. Herstellung: Viaduct, 7000 Chur. Erscheint sechsmal jährlich.

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Für Inseratetexte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung, auch muss die Meinung der Beiträge nicht mit der Ansicht der Redaktoren übereinstimmen. Autoren, die zu obenstehenden Themen publizieren möchten, sind herzlich eingeladen, ihre Vorschläge der Redaktion einzureichen.

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