Bündnerwald Dezember 2021

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Ein Blick in den Berg Das Dorf Brienz/Brinzauls rutscht momentan mit etwa 1,5 m pro Jahr talwärts Richtung Albula. Zudem b ­ esteht eine Gefährdung durch Stein-/Blockschlag- und mögliche Berg-/Felssturzereignisse. Die gegenwärtige Entwicklung in Brienz/Brinzauls ist für Bewohner, Versorgungs- ­und Infrastrukturbetreiber nicht mehr tragbar und verlangt nach Massnahmen, welche eine möglichst rasche und lang anhaltende Verbesserung der Situation bringen. Thomas Breitenmoser, Reto Thöny und Daniel Figi

Nachfolgend wird ein Einblick in die seit 2018 un­ ter der Leitung der BTG Büro für Technische Geo­ logie AG laufenden geologischen Detailuntersu­ chungen zur Rutschung Brienz/Brinzauls gegeben und erste Erkenntnisse werden daraus erläutert. 1. Einleitung Die gesamte Südflanke des Piz Linard bis zum Fluss Albula ist von geomorphologischen Phänomenen und Prozessen einer tiefgründigen Grosshang­ bewegung geprägt. Der ausbauchende Hang­be­ reich unterhalb von etwa 1200 m ü. M., auf dem­ das Dorf Brienz/Brinzauls liegt, wird als Rutschung Dorf bezeichnet und die Felswände und Ausbruch­ nischen oberhalb des Dorfs bis ins Gebiet Pro­ Fop auf etwa 1800 m ü. M. als Rutschung Berg (Abb. 1). Die geologische Entstehungsgeschichte, der im Gebiet der Rutschung Brienz auftretenden Gestei­ ne, ist komplex und charakterisiert durch mehre­ re, übereinander geschobene tektonische Decken. Generell liegen in der Südflanke des Piz Linard gut durchlässige, grob geklüftete Kalke und Dolomite der Vallatscha-Formation sowie Rauwacken der Mingèr-Formation (Silvretta-Decke) über gering durchlässigen, sandig-kalkigen Tonschiefern der Allgäu-Formation (Arosa-Decke) und des Flysch (Tomül-Decke). In der Südflanke des Piz Linard wird einzig das Gebiet östlich der Rutschung Brienz bis in mittle­

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re Höhenlängen durch permanent wasserführen­ de Fliessgewässer entwässert. In den Gebieten oberhalb und westlich der Rutschung findet keine oberflächliche Entwässerung statt. Quellaustrit­ te finden sich vorwiegend in tiefen Höhenlagen unterhalb von 1200 m ü. M. sowie vereinzelt im Gebiet der Brienzer Maiensässe (ca. 1800 m ü. M.) oberhalb der Rutschung. Die zwischen Surava und Tiefencastel durch die Rutschung Brienz gegen Süden abgedrängte Albula bildet den Vorfluter. Im Bereich der Rutschung selbst sind die hydro­ geologischen Verhältnisse infolge der grossen Ge­ ländedeformationen und der sich dadurch stetig ändernden Oberflächenbeschaffenheit und Fliess­ wege äusserst komplex ausgebildet. Geologische Detailuntersuchungen 1. 1. Untersuchungsziele Die geologischen Detailuntersuchungen haben zum Ziel, den geologischen Aufbau, die hydrogeo­ logischen Verhältnisse und die Bewegungsmecha­ nismen der Rutschung Brienz zu verstehen und in einem repräsentativen, geologisch-kinematischen und hydrogeologischen Modell zusammenzufas­ sen. Dieses Modell der Rutschung Brienz soll als Grundlage dienen, um geeignete Massnahmen zur Sanierung, d. h. einer Verlangsamung der Bewe­ gungsgeschwindigkeiten auf weniger als 10 cm/ Jahr, zu planen und in einer nächsten Projektphase auch erfolgreich realisieren zu können.


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