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Feinerschliessung im Seilkrangelände
Die Seilkrantechnik spielt nicht nur im Gebirgswald, sondern allgemein im nichtbefahrbaren Gelände eine zentrale Rolle. Mit dem Seilkran greifen wir in das «Lagerhaus» Wald ein und entnehmen das Produkt Holz, um es möglichst wirtschaftlich zu verwerten. Je nachdem muss die Biomasse auch «entfernt» werden, um der waldbaulichen Zielsetzung gerecht zu werden. Durch eine weitsichtige Planung können Kosten gesenkt werden.
Konrad Wyss
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Bereits der ehemalige Fachlehrer Ruedi Aggeler selig galt als herausragender Feinerschliesser, der sein Können und Wissen gerne seinen Lehrgangsteilnehmern vermittelte. Unterlagen belegen, dass dieses Thema bereits in den 1970er-Jahren an der damaligen Interkantonalen Försterschule Maienfeld unterrichtet wurde. Zahlreiche Feinerschliessungskonzepte, welche in den Jahren durch die Teilnehmer erarbeitet wurden, konnten von den Revierförstern, welche die Übungsobjekte zur Verfügung stellten, auch umgesetzt werden (Abb. 2). Im Laufe der Jahrzehnte entwickelten sich die forstlichen Bringungssysteme weiter. Verschiedene Maschinen mit besonderen Einsatzschwerpunkten, aber auch spezifischen Einsatzgrenzen entstanden. Dies sowohl bei den seilgestützten als auch bei den boden- und luftgestützten Bringungsmitteln, welche alle im entsprechenden Gelände nach wie vor ihre Bedeutung haben. Allgemein wurde mit dem zunehmenden Mechanisierungsgrad ein positiver Beitrag zur Arbeitssicherheit geleistet. Für den Seilkran hatte das Aufkommen der Traktionshilfswinden zur Folge, dass er in noch anspruchsvolleres Gelände verdrängt wurde. Trotzdem wird aufgrund mehrerer Faktoren, wie z. B. Bodenverdichtungsrisiko und Bodenrauigkeit immer ein beträchtlicher Teil der Flächen nichtbefahrbar bleiben. Die Darstellung der WSL bietet eine Orientierungshilfe der Arbeitsmittel mit den entsprechenden Einsatzschwerpunkten aufgrund der Holzmenge, der Transportrichtung und der Transportdistanz (Abb. 1). Mit 3-Seil-Systemen und selbstfahrenden Laufwagen kann auch in ebenen Waldbeständen eingegriffen werden, welche vom Gelände her eigentlich bodengestützt genutzt werden könnten. Das ist aus Sicht des Bodenschutzes, welcher in den vergangenen Jahrzehnten spürbar an Bedeutung gewonnen hat, eine wichtige Möglichkeit. So können auch Moore und andere feuchte Standorte mit dem Seilkran bodenschonend bearbeitet werden. Auch die luftgestützte Holzbringung hat je nachdem ihre Berechtigung. Sie ist vor allem im Kalamitätsfall mit punktuellen Streunutzungen bestens für den Soforteinsatz mit geringem Planungsaufwand für den Forstdienst geeignet. Dieses Bringungsmittel ist zwar sehr boden- und bestandesschonend, verbraucht aber leider auch grosse Mengen an fossilem Treibstoff. Kommt hinzu, dass die Wertschöpfung weg von der klassischen Forstwirtschaft hin zu den Helikopterunternehmen geht. Trotzdem sollte der Helikopter nicht als Konkurrenz zum Seilkran, sondern als wertvolle Ergänzung im nichtbefahrbaren Gelände betrachtet werden. Es gibt Landesteile, wo die Bringung mittels Helikopter vorwiegende und gängige Praxis ist. In Gebieten, wo sich der zu bewirtschaftende Wald oberhalb einer Siedlung mit einer eng verschachtelten Bauweise befindet und mit Grossmaschinen wie
Abb.1: Einsatzschwerpunkte von Holzernteverfahren im nicht befahrbaren, steilen Gelände.
(Quelle: F. Frutig 2011, verändert)
Kombiseilgerät nicht erreichbar ist, kann das durchaus zweckmässig sein. Auch wenn eine tragfähige Basiserschliessung fehlt und der Abtransport mittels LKW dadurch erschwert ist, sind solche Lösungen gefragt. Helikoptereinsätze können zudem sinnvoll sein, um zugunsten des Tourismus das Landschaftsbild zu schonen. Die Mehrkosten sollten aber in diesem Fall nicht die Waldeigentümer tragen müssen.
Feinerschliessungskonzept als wirkungsvolles Planungsinstrument
Gemäss Lüscher et al. 2016 umfasst die Feinerschliessung die Aufschliessung der Waldbestände mit Rückegassen (bestockungsfreie Fahrlinien), Maschinenwegen (mit Baumaschinen trassierte Wege) sowie Seilkranlinien. Sie bezweckt, dass Arbeitsmittel die Erntebestände erreichen und das geerntete Holz gerückt und abtransportiert werden kann. Ferner wird damit die Voraussetzung für eine wirtschaftliche sowie boden- und bestandesschonende Holzernte geschaffen. Planungsarbeiten für die Feinerschliessung mit dem Seilkran sollten möglichst frühzeitig und weitsichtig vorgenommen werden. Nicht zuletzt auch, weil in dieser Phase die Kosten massgeblich beeinflusst werden können. Die Planung beinhaltet neben dem Erstellen eines Seillinienkonzepts die Maschinenwahl und die Wahl des Holzernteverfahrens. Der
Abb.2: Feinerschliessungsübung im Modul B7/E14. Proderholz-Egg im Gonzenwald, Revier Sargans. (Quelle: R. Aggeler, 2006)
Betriebsleiter kann innerhalb eines selbst gewählten Planungshorizonts entsprechend dem Handlungsbedarf und der verfügbaren Technik entscheiden, in welcher Reihenfolge die Seillinien bearbeitet werden sollen. Ein durchdachtes Feinerschliessungs- bzw. Seillinienkonzept ist wichtig, um zu verhindern, dass Teile der Bestände innerhalb des Planungsperimeters vernachlässigt oder durch vermeidbare Überschneidungen übererschlossen werden. Vorgängig aufgezeichnete Geländeprofile (digital oder händisch) der skizzierten Seillinien erlauben eine grobe Abschätzung, wie aufwendig bzw. kostenintensiv sich diese Seillinien bauen lassen und wo die benötigten Bauelemente, wie Stützen oder Ankermöglichkeiten, vorhanden sein sollten. Um klare Vorstellungen über die effektiven Verhältnisse zu erhalten, genügt es aber nicht, nur die topografische Karte zu studieren. Zu diesem Zweck müssen auch Karten mit zusätzlichen Flächeninformationen (Bestandeskarte usw.) konsultiert werden. So können Korrekturen rechtzeitig vorgenommen werden, um unangenehme Überraschungen beim Abstecken im Wald möglichst zu vermeiden. Eine einmalige und erfolgreiche Absteckung der Seillinie kann so fast garantiert werden, womit sich Zeit und somit Kosten sparen lassen. Über die Dauerhaftigkeit eines Seillinienkonzepts herrscht in der Praxis wenig Einigkeit. Von sehr kurzlebigen bis permanenten Seillinienkonzepten ist alles vorhanden. Ein bekanntes Beispiel mit einem permanenten Seillinienkonzept ist der Gonzenwald des Reviers Sargans SG (Abbildungen 2 und 3). Ein südexponierter Schutzwald, welcher nach dem Prinzip des Dauerwalds bewirtschaftet wird. In einem solchen Fall ist es unerlässlich, dass die verwendeten Bauelemente schon bei der Montage geschont werden, damit sie beim nächsten Bau wieder verwendet werden können.
Modul E23 Feinerschliessung im Seilkrangelände
Das Modul E23 Feinerschliessung im Seilkrangelände ist Bestandteil des Seilkraneinsatzleiter-Lehrgangs. In diesem Modul werden die Teilnehmer in den Themen Kartenkunde, Arbeitsverfahren, Arbeitstechnik sowie natürlich der Feinerschliessung unterrichtet und erhalten dann den Auftrag, ein realisierbares Feinerschliessungskonzept für ein konkretes Praxisobjekt zu erstellen. Dabei müssen die angehenden Seilkraneinsatzleiter bestehende Abgrenzungen von Feinerschliessungseinheiten hinterfragen und selbst entsprechende Einheiten abgrenzen. Dies unter Berücksichtigung von bringungstechnischen Grenzen sowie der Anbindung an eine idealerweise LKW-fahrbare Strasse. Aber auch von positiven und negativen Fixpunkten, d.h. Stellen oder Gebiete, welche gemäss der Analyse der Ausgangslage zwingend erreicht oder gemieden werden sollten. Die Feinerschliessungseinheiten können zusätzlich in Rückeeinheiten aufgeteilt werden, welche sich durch einheitliche Rückeverfahren voneinander unterscheiden (z. B. Bringung mittels Kombiseilgerät im Baumverfahren, Konventionelle Seilkrananlage im Sortimentsverfahren). Dabei können auch Teilgebiete mit einem bewussten Verzicht auf Holzentnahme ausgeschieden werden. Der Seilkraneinsatzleiter muss in der Lage sein, dem zuständigen Betriebsleiter oder Waldeigentümer die unter den entsprechenden Rahmenbedingungen technisch bestmögliche Variante für die Holzernte aufzuzeigen. Er kennt die Maschinen nach Stand der Technik mit ihren entsprechenden Einsatzmöglichkeiten und -grenzen und plant deren optimalen Einsatz. Der Förster muss dann beurteilen, ob dies mit den waldbaulichen Vorgaben vereinbar ist und den Ansprüchen des Waldeigentümers gerecht wird. In diesem Modul werden primär Grundlagen und Erfahrungen aus der Praxis vermittelt. Wichtig ist, dass der Verfasser eines Feinerschliessungskonzepts fundiert begründen kann, nach welchen Kriterien und Gesichtspunkten sein Seillinienkonzept erstellt wurde. Für die langfristige Optimierung ist viel Erfahrung wie auch der Austausch mit erfahrenen Kollegen notwendig.
Abb.3: Feinerschliessung im Gonzenwald bei Sargans SG mit gut erkennbaren, parallel verlaufenden Seilinien.
(beide Bilder: Konrad Wyss, BZWM)
Abstände von Seillinien
Bei parallelen Seillinien kommt immer wieder die Frage, wie gross der Seillinienabstand sein soll. Der optimale Abstand ist in der Praxis von zahlreichen Einflussgrössen wie Nutzungsart, Rückeverfahren, Bestockung, Holzanfall je ha, Geländeneigung, Arbeitsmittel, Seillinienlänge, Zeitaufwand bei Montage und Demontage der Anlage sowie Länge und Stückmasse des Holzes abhängig. Deshalb gibt es keinen wissenschaftlich ermittelten Wert. Als Faustregel gilt: Tragseilhöhe x 1,5 = Zuzugsdistanz (Wüthrich 1992). Erfahrungen und Rückmeldungen aus der Praxis haben ergeben, dass 50 m Seillinienabstand ein guter Ausgangswert ist, um eine flächendeckende und wirtschaftliche Holzbringung zu ermöglichen. Bei der Durchforstung können auch Abstände von 30 bis 40 m gewählt werden.
Stand der Technik
Feinerschliessungskonzepte sollten wenn möglich immer in einem GISSystem festgehalten werden. Dabei erleichtert die vorgängige Attributierung (Beschreibung) der einzelnen Seillinien die nachfolgende Planung. Seillinien mit gemeinsamen Attributen, z. B. Holzernteverfahren oder Bringungsmittel, können so rasch selektioniert werden. Es ist geplant, bei der nächsten Revision des SeilkraneinsatzleiterLehrgangs die Schulung von QGIS in den Lehrgang zu integrieren.
Standpunkt
Der Ruf nach «schönen» Landschaftsbildern hat in der Vergangenheit zugenommen. Für den Erholungsuchenden soll der Wald einen unberührten Eindruck hinterlassen. Breite und sichtbare Seilli
Abb. 4: Gonzenwald im Winterzustand mit sichtbaren Seillinien, fotografiert vom Gegenhang.
nien sind teilweise das Ergebnis einer wirtschaftlichen Nutzung des wertvollen und einheimischen Produkts Holz. Eine andere Linienführung wie auch die dosierte Holzentnahme können zu Mehrkosten führen, welche der Waldeigentümer trägt, ohne dass dies durch jene, welche das Bedürfnis nach schönen Waldbildern haben, abgegolten wird. Der Seilkraneinsatzleiter wie auch der Förster/ Betriebsleiter sollen sich um die Mehrkosten im Klaren sein, welche diese Bedürfnisse der Gesellschaft verursachen, und den Leistungsbestellern vor Augen führen, wenn eine teurere Realisierungsvariante eines Seillinienkonzepts gewählt werden muss. Grundsätzlich ist es möglich, die Seillinien so anzulegen und den Wald so zu bewirtschaften, dass die Seillinien nicht wesentlich ins Auge fallen.
Konrad Wyss ist Fachvorsteher für Seilkrantechnik am Bildungszentrum Wald Maienfeld.
Literatur
Aggeler R, 2019. Seilkrantechnik (4. überarb. Aufl.). Koordination und Dokumentation Bildung Wald CODOC, Lyss, 169 S. Frutig F, Thees O, 2011 Holzerntetechnik für das steile Gelände. Bündner Wald 3/11, Landquart, 88 S. Lüscher P, Frutig F, Thees O, 2016. Physikalischer Bodenschutz im Wald. Waldbewirtschaftung im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Erhaltung der physikalischen Bodeneigenschaften. Bundesamt für Umwelt, Bern, Umwelt-Wissen Nr. 1607, 159 S. Wüthrich W, 1992. Die Erschliessung von Waldbeständen. Planung, Anlage und Benützung. Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Birmensdorf, 91 S.