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B체ndner

Wald

Jahrgang 64 | Februar 2011

W채lder dieser Welt

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Inhalt

Titel Editorial.................................................. 4

Ein Umweltschutzprojekt

Alpiner Schutzwaldpreis 2010 –

Collaborazione per la formazione

Preisverleihung in Chur............................... 5

professionale forestale............................... 60

«Jahr der Wälder 2011» –

Die Eiche als Natur- und Kulturerbe........... 66

eine Vorschau........................................... 13

Habitatnutzung von Rehen

Perspektiven schaffen

im Nationalpark Bayrischer Wald............... 70

in den Anden Boliviens.............................. 16

TOP WALD-Siegerprojekt

Der Kiefernprozessionsspinner

Bonaduz/Rhäzüns..................................... 75

im Vinschgau............................................ 22

Wälder zwischen Chur und Rom –

Der Tannenreliktstandort

Reise durch Kulturlandschaften.................. 81

«Bruggerwald»......................................... 28

Comic Theo & Heinz.................................. 87

Graubünden Holz –

Neuer Schutzwald Graubünden 2012......... 88

IN2WOOD stellt sich vor........................... 34

Anpassungen Betriebsplanerarbeitung

Erforschung des grössten

im Kanton Graubünden............................. 96

Buchenurwaldes Europas........................... 40

Dem Geheimnis unseres Waldes

Erfolgskontrolle in

auf der Spur.............................................. 99

Verjüngungsschlitzen................................. 46

Vorschau................................................. 103

mit neuer Logik......................................... 55

Zukunft oder Chancen von fremden Baumarten............................ 50

Titelbild: Der Wald symbolisiert im Amazonas­ gebiet gewissermassen die Quelle des Lebens. ( Bild: LA TARDA, Vespertino de Cuenca) Bild Inhaltsverzeichnis: Offizielles Logo vom Internationalen Jahr des Waldes 2011. Bündner Wald 1/2011 3

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Editorial

Das internationale Jahr des Waldes folgt jenem der Biodiversität. Brauchen wir solche Jahresthemen? Was bringen sie uns? Viel Arbeit und wenig Nutzen? Das wäre schade. Die grosse Macht der Politik macht es sich ja nicht einfach und möchte uns so ein ganzes Jahr lang Tag für Tag daran erinnern, etwas für den Wald zu tun. Irgendwie ist das doch interessant. Da scheint sich die (inter-)nationale Politik mit Umweltthemen stark zu beschäftigen. Doch betrachtet man gewisse Debatten um Umweltanliegen in Bern oder den Klimagipfel in Cancun, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass es ihr an jeglichem Willen fehlt, etwas für die Umwelt zu tun. Das heisst aber noch lange nicht, dass das Jahr des Waldes «nichts bringt». Wenn wir im Beruf und auch privat das Thema Wald überall ein wenig in unsere kleine Welt, in der wir uns bewegen, hinaustragen und Mitmenschen für die Bedeutung unseres Waldes sensibilisieren, so kann das Jahr des Waldes durchaus seinen Nutzen haben. Wenn wir unsere Botschaft für den Wald nicht nur «an den Mann», sondern bis ins Herz hinein bringen, so wäre dies nicht nur ein kurzes Blitzlicht, sondern ein Schein – so nachhaltig wie jener der Sonne. Auch wenn dann und wann dunklere Wolken am Himmel stehen. Irgendwann ziehen sie weiter und der Schein der Sonne gelangt wieder in die Herzen. Der Wald mit seinen Pflanzen und Tieren ist ein Thema, welches viele Menschen emotional beschäftigt. Entsprechend unterschiedlich positioniert sind die Extremstandorte der Meinungen und Gefühle. Der Schweizerische Nationalpark umfasst ein Gebiet, welches beide Extreme hautnah erlebte. Vor wenigen hundert Jahren wurde der Wald grossflächig abgeholzt. Damals sah man (fast) nur den Profit der Bodenschätze. Erst als der letzte Baum gefällt wurde, da wurde

es ruhig im Wald, der keiner mehr war. Man erkannte, dass die Schäden, welche ohne Wald entstehen, weit grösser sind als die Investitionen in den «Unterhalt» des Waldes. Später merkte man, dass es Naturflächen braucht, welche strengstens vor dem Menschen geschützt sind. Der Nationalpark entstand und jegliche Nutzung wurde in diesem Gebiet untersagt. Über Generationen gesehen haben wir eine bittere Erfahrung gemacht und wissen (oder wüssten) heute eigentlich, dass es uns am besten geht, wenn wir mit der Natur leben und nicht von der Natur. Trotzdem können wir der Versuchung oftmals nicht widerstehen. Nämlich dann, wenn’s ums grosse Geld geht. Die Zerstörungen, welche uns hier zu Lande gesetzlich untersagt werden, richten wir in fernen Ländern an, wo wir uns das Ausmass unseres Tuns nicht dauernd ansehen müssen. Glücklicherweise gibt es auch weitsichtige und couragierte Leute, die mit ihren Hilfsprojekten in den zerstörten Gebieten zu retten versuchen, was noch zu retten ist. Materiell und emotional befinden sich diese Projekte meilenweit von den Millionensalären entfernt. Sie können die örtliche Bevölkerung nicht mit Geld und grossen Worten kaufen, aber sie arbeiten mit den wirklich grossen Werten – mit Ehrlichkeit und Herz. Und wenn wir dieser Art von Geschäften mit dem internationalen Jahr des Waldes das Fundament stärken können, dann, so denke ich, war es ein gutes internationales Jahr des Waldes.

Jörg Clavadetscher, Redaktor Bündner Wald Ruinas, CH-7535 Valchava forestal-muestair@bluewin.ch

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Alpiner Schutzwaldpreis 2010 – Preisverleihung in Chur stein und Graubünden. Ausschlaggebende Auswahlkrite­rien waren vor allem Originalität, Partizipation und Vorbildcharakter der Einreichungen. Zwölf Projekte wurden in den Kategorien Erfolgsprojekte, Innovation, Öffentlichkeitsarbeit, Schutzwaldpartnerschaften und Schulprojekte nominiert.

Am 21.1.2011 wurden zum fünften Mal im Rahmen der Verleihung des internationalen Alpinen Schutzwaldpreises der ARGE Alpenländischer Forstvereine herausragende Leistungen zur Erhaltung und Verbesserung des Schutzwaldes im Alpenraum prämiert. Ein funktionierender Schutzwald ist für die alpinen Lebensräume die beste und natürliche Versicherung vor Naturgefahren. Fachexperten, Bürgermeister, Lehrer, Schüler und zahlreiche Interessierte folgten der Einladung zur Verleihung des Alpinen Schutzwaldpreises 2010 in das Auditorium der Kantonalbank in Chur. Die Fernsehmoderatorin Sereina Venzin führte die geladenen Gäste charmant durch die Veranstaltung. Die Verleihung wurde dieses Jahr von Graubünden Wald, dem bündnerischen Forstverein im Auftrag der ARGE Alpenländische Forstvereine veranstaltet. Zwölf nominierte Projekte Eine hochkarätige, international besetzte Fachjury beurteilte die zahlreichen Schutzwaldprojekte aus Vorarlberg, Tirol, Kärnten, Südtirol, Bayern, Liechten-

Bekanntgabe der Siegerprojekte Nach einer multimedialen Präsentation aller nominierten Projekte übernahm dipl. Forsting. Beat Philipp, Präsident von Graubünden Wald, die mit Spannung erwartete Bekanntgabe der Sieger. Mit Freude durfte Sereina Venzin den glücklichen Gewinnern die Siegertrophäen überreichen. Unter den Glücklichen befand sich auch eine Bündner Delegation in der Kategorie Schulprojekte. Nachfolgend werden alle nominierten Projekte kurz vorgestellt. Kategorie «Erfolgsprojekte»: Freiwillige Schutzwaldsanierung der Wälder des Vorderkaserhofes (Schnals – Pfossental), Südtirol Seit der Hofübernahme im Jahr 1983 setzt sich der Landwirt Richard Kofler für die Wideraufforstung der Wälder seines Vorderkaserhofes ein. Ausschlaggebend dafür war eine labile Waldsituation. Trotz schwieriger Standortbedingungen ist es dem vorbildhaften Bemühen des Landwirts zu verdanken, dass die von ihm umgesetzten Massnahmen zur Schutzwaldsanierung Erfolge zeigen. In über 20 Jahren wurden Lärchensämlinge

ARGE Alpenländische Forstvereine Die ARGE Alpenländische Forstvereine besteht seit 1981. Ihre Mitglieder sind die Forstvereine Bayern, Graubünden, Kärnten, Liechtenstein, St. Gallen, Südtirol, Tirol und Vorarlberg. Durch gemeinsame Projekte und den Austausch von Erfahrungen soll die Zukunft des Bergwaldes als naturnaher Lebensraum der Alpen gesichert werden.

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aus nahegelegenem Bachbett und Lawinenstrich entnommen und verpflanzt, vor Wild geschützt und regelmässig ausgemäht. Zusätzlich wurde ein freiwilliger Waldbehandlungsplan erstellt. Die Holznutzung erfolgt kleinflächig und wird sorgfältig mittels Seilkran betrieben. Waldumbau am Blomberg, Bayern Der Blomberg zählt aufgrund seiner Nähe zu München und Bad Tölz zu den beliebtesten

Ausflugsbergen im bayrischen Voralpenraum. Die Ausrichtung der Schutzwaldbewirtschaftung an ästhetischen sowie an touristischen Kriterien ist daher oberstes Gebot. Der Stadtwald von Bad Tölz umfasst 160 ha. 50 % davon sind Schutzwald. In der Vergangenheit gerieten Altbestände vor allem durch Stürme, Schneedruck und Borkenkäferschäden zunehmend in Gefahr. Durch eine vorbildliche Kooperation ist es in über 20 Jahren gelungen, die für Schutzwäl-

Gebirgswaldbau im Einklang mit dem einmaligen Landschaftsbild im Oberengadin Dieses Projekt wurde in der Kategorie «Erfolgsprojekte» für den Alpinen Schutzwaldpreis nominiert, und stellt sich wir folgt vor: Wir haben seit 1990 die Eingriffsstärke in allen Wäldern des Oberengadins so dosiert, dass die Naturverjüngung aller Baumarten – also auch der Lichtbaumarten, Laubgehölze und Pioniere – schön aufkommt (ohne die radikalen Räumungen, welche das Landschaftsbild beeinträchtigen und in vielen Regionen unseres Kantons zu sehen sind). Das Landschaftsbild ist auch nach Holzschlägen in den Oberengadiner Wäldern überall intakt, was auch die Touristiker und Gemeinden sehr schätzen und von uns zu Recht fordern. Nur auf ausdrücklichen Wunsch der Waldeigentümerinnen werden entlang der Wege die Schlagflächen von Ästen in Sichtweite geräumt. Die stufigen Wälder sind als Biotope für das Schalenwild und Bodenbrüter je länger, je mehr geeignet (Biodiverstitäts-Holzschläge), wir achten und passen die waldbaulichen Massnahmen an Trockenstandorte, Hoch- und Flachmoore, Orchideenstandorte, Ameisenhaufen, Schlangenstandorte, Spechtbäumen, Hirschsuhlen, Wildwechsel, Auer- und Birkhuhnstandorte, obere Waldgrenze und speziell in beweideten Wäldern an. Dank den stufigeren Wäldern mit mehr Winteräsung, den durch den Forstdienst lancierten Wald-Wild-Schonzonen (in jeder Gemeinde des Oberengadins hat es mindestens eine davon), der Kanalisierung von Tourismusströmen, einem Wildfütterungs-Moratorium in der ganzen Region und bei Bedarf Prossholzschlägen sind die Wildschäden zurückgegangen und tragbarer geworden. Dank den stufigen Gebirgs-Plenterwäldern haben wir praktisch keine Zwangsnutzungen (trotz Vivian, Lothar, Wiebke und anderen Stürmen), wenig bis keinen Sonnenbrand an Steilrändern von Beständen und damit keine Borkenkäferkalamitäten … Zudem können wir feinjähriges Resonanz- und Mondholz (Av und Lä zu Fr. 400.– /m³) ernten und mit guten Preisen verkaufen! Wir haben nebst den normalen Waldungen mittlerweile über 30 wunderschöne, stufige, vitale, stabile, gutverjüngte Gebirgsplenterwälder im Oberengadin geschaffen. Hinzu kommen die ehemaligen Fi-Av-Lä-Wälder, die wir zu praktisch reinen Lärchenweidewäldern umgewandelt haben. Damit ist das Landschaftsbild verschönert, die Biodiversität gefördert, die Wildäsung vermehrt und der Landwirtschaft gedient. Wir dürfen unseren Waldbau anlässlich der zahreichen Exkursionen mit Stolz «verkaufen» und stellen mit Genugtuung fest, dass wir die waldbaulichen Ziele mit Ausschöpfung des nachhaltigen Hiebsatzes erreichen, ohne das einmalige Landschaftsbild des Oberengadins wesentlich zu beeinträchtigen!

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Die Riesenarven am oberen Waldrand bei Celerina haben einen BHD von 200 cm und sind über 1400 Jahre alt. Ein Bild aus einem Projekt «Gebirgswaldbau im Oberengadin». (Bild: Giachem Bott)

der wichtige Tanne grossflächig in Mischverjüngung zu etablieren. Auf diese Weise konnten sich strukturreichere und stabilere Waldbestände entwickeln.

Kategorie «Innovationen und Schutzwaldpartnerschaften»: Gemeinsam sind wir stärker, Tirol Die Waldgenossenschaft Iseltal besteht seit 1952 und zählt mittlerweile 239 Mitglieder. Ihr Gebiet erstreckt sich über drei Förs­ terbezirke und 15 politische Gemeinden des Iseltals und umfasst 26 000 ha Schutzwaldfläche. Seit den 90er Jahren wird partnerschaftlich und in Übereinstimmung mit der Tiroler Schutzwaldstrategie die Schutzwaldverjüngung durch Altholzabbau erfolgreich betrieben und dadurch werden stufige, stabile Schutzwaldbestände geschaffen. Selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es der Genossenschaft durch nachhaltige Schutzwaldbewirtschaftung gelungen, den Ertrag für die Mitglieder zu garan­ tieren.

Der Tiroler Landesforstdirektor Dr. Hubert Kammerlander als Interviewpartner zu Gast bei Sereina Venzin. (Bild: Sandro Krättli)

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LeiNa – ein Instrument für den Leistungsnachweis und das Controlling der Waldbewirtschaftung Dieses Projekt wurde in der Kategorie «Innovationen und Schutzwaldpartnerschaften» für den Alpinen Schutzwaldpreis nominiert. Die Waldwirtschaft erbringt sehr viele öffentliche Leistungen. Im Kanton Graubünden ist dies insbesondere die Schutzwaldpflege. Die Möglichkeiten diese Leistungen konkret auszuweisen waren bisher sehr beschränkt. Der Leistungsausweis erfolgte deshalb in sehr allgemeiner Art und Weise. Im Vordergrund der Berichterstattung standen immer die genutzten m3 oder die finanziellen Ergebnisse. Eine systematische Erhebung der erbrachten Leistungen und der durchgeführten Massnahmen fehlte. Informationen, welche eine einfache Wirkungskontrolle oder eine Weitergabe von waldbaulichen Erfahrungen ermöglichen würden, standen kaum zur Verfügung. Auf freiwilliger Basis hatten einzelne Betriebe individuelle Lösungen entwickelt, um die aus ihrer Sicht wichtigen Informationen zu sammeln. Bei vielen Försterwechseln gingen aber wertvolle Informationen verloren. Mit LeiNa sollten diese Lücken geschlossen werden, LeiNa ist die Abkürzung für Leistungsnachweis Wald. LeiNa ist ein Informationssystem, in welchem die notwendigen Informationen für das Controlling der im Wald erbrachten Leistungen und der durchgeführten waldbaulichen Massnahmen auf allen Ebenen (Kanton bis Bestand ) erfasst werden. LeiNa ermöglicht auf allen Stufen (Kanton, Region, Betrieb, Waldeigentümer), die erfassten Daten jederzeit und über mehrere Jahre tabellarisch und kartografisch auszuwerten und darzustellen. In LeiNa werden die im öffentlichen Interesse und mit öffentlichen Mitteln durchgeführten Massnahmen transparent erfasst und abgerechnet. Ziele und Eingriffe aller waldbaulichen Handlungen werden systematisch erfasst. Die Datenablage erfolgt so, dass sie für mehrere Förstergenerationen einfach zugänglich sind. LeiNa besteht aus zwei Teilen. LeiNa-WEB ist die Datenbank, in welcher die Sachdaten erfasst und gespeichert werden. LeiNa-GIS ist ein GIS-Instrument, mit welchem Ort und Ausdehnung der erfolgten Eingriffe festgehalten werden können. LeiNa-WEB und LeiNa-GIS sind automatisch verbunden. Jeder Datensatz auf der Datenbank ist einer GIS-Fläche zugeordnet. LeiNa ist eine Internetapplikation. Es ist keine lokale Installation bei den Benutzern notwendig.

Ausbildung trifft (Schutz-)Wald, Kärnten Der Kärntner Waldpflegeverein wurde im Jahr 2001 gegründet. Derzeit beschäftigt er 21 Waldpflegetrainer, um gemeinsam mit Waldbesitzern notwendige Massnahmen in der Schutzwaldpflege rechtzeitig und fachgerecht umsetzen zu können. Das Leistungsspektrum umfasst vor allem Dickungspflege, Erstdurchforstung, Formschnitt und Wertastung. Ziel ist die Erhaltung, Entwicklung und nachhaltige Bewirtschaftung des Schutzwaldes und die Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Forstwirtschaft. In einem persönlichen Trai-

ning erhalten Waldbesitzer die Gelegenheit, forstfachliches Know-how durch die Waldpflegetrainer zu erlernen und auch selbst anzuwenden. Kategorie «Öffentlichkeitsarbeit»: Erweiterung der Lawinenwege und des Lawinendokumentationszentrums in Blons – Erweiterung und Zusammenfassung Die Gemeinde Blons wurde im Jahr 1954 von einer Lawine schwer getroffen. Im Jahr 2000 entschied sich die Gemeinde, durch die Errichtung eines eigenen Lawinen-

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Wanderwegs, an diese Tragödie zu erinnern und über alpine Gefahren aufzuklären. Die Erweiterung des Dokumentationszentrums 2010 umfasst eine Installierung eines Schauraums in einem ehemaligen Wildbachlager. 70 Schautafeln zeigen die Besiedlungsgeschichte des Tals, die Wald-Wild-Problematik und die Bedeutung des Schutzwaldes. Zusätzlich zum Schauraum wurde im Lawinendokumentationszentrum ein Infopoint eingerichtet, welcher der Bevölkerung sieben Tage pro Woche zur Verfügung steht. Netzwerk Naturraum Brixental, Tirol Der boomende Skisport und der damit einhergehende steigende Freizeit- und Erholungsbedarf hat direkten Einfluss auf den Schutzwald. Die Gewährleistung einer nachhaltigen und ökologischen Nutzung

des Naturraumes steht daher im Vordergrund des Projekts. Der Wald soll langfristig als Lebensraum für Mensch und Tier aufgewertet werden und erhalten bleiben. Der Verein investierte in Infrastrukturerneuerung und erstellte eine Skitourenplatform, die auch Auskunft über Verhaltensregeln im Wald gibt. Informationstafeln wurden installiert. Zusätzlich wurde ein Film gedreht, der Aufklärungsarbeit leisten soll. Kategorie «Schulprojekte»: Schutzwald trifft Kunst, Bayern Das Bergwalderlebniszentrum Ruhpolding entwickelte die Idee, den heimatlichen Naturraum einheimischen Kindern näherzubringen. Mittels Gründung einer eigenen Kindergruppe wird versucht, jedes Jahr ein

Auch die gemeinsame Marend im Winterwald gehört zum Waldnachmittag. Ein Bild aus dem Schulprojekt «Biosferawald». (Bild: Jörg Clavadetscher)

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neues Projekt zum Thema Natur praktisch umzusetzen. Aufgrund des diesjährigen Schutzwaldpreises wurde die Idee geboren, vom Schutzwald zu lernen und diesen auch aktiv zu gestalten. So wurden Steige im Wald angelegt, Bäumchen gepflanzt sowie Nistkästen gebastelt und aufgehängt. Die Kindergruppe wurde 2006 gegründet.

Seit 2010 gibt es zwei Kindergruppen. Die Verbindung zwischen Kunst und Natur wurde durch die künstlerische Gestaltung eines Kalenders umgesetzt. Waldpfad Lavant, Tirol In den Jahren 2006/2007 wurde ein bereits in die Jahre gekommener Waldlehrpfad unter der Leitung des örtlichen Gemeindewald-

Schule im Biosfera-Wald Dieses Projekt wurde in der Kategorie «Schulprojekte» für den Alpinen Schutzwaldpreis nominiert und stellt sich so vor: Die Kinder unserer Gemeinde sollen ihren Wald näher kennen und besser verstehen lernen. Sie sollen früh mit seinen Funktionen und Problemen sowie mit seiner Bewirtschaftung konfrontiert werden. Dadurch soll das Naturverständnis nachhaltig verbessert und die Themen Wald, Natur und Umweltschutz in die Familien getragen werden. Das Kind von heute kann der Waldbotschafter von morgen sein. Deshalb ist es uns wichtig, dass das Kind den Wald auch während des Schulunterrichts erleben und erforschen kann. Ein Förster entschied sich, eine naturpädagogische Zusatzausbildung zu besuchen. Dadurch konnte bei einem Teil der Schulwaldtage eine merkliche Qualitätssteigerung erzielt werden. Die Fusion der sechs Gemeinden zu einer einzigen Talgemeinde Val Müstair brachte auch in den Schulen und Kindergärten erneute Änderungen. Eine Kindergärtnerin hatte in verschiedenen Weiterbildungskursen immer wieder die Gelegenheit, sich mit der Pädagogik in freier Natur auseinanderzusetzen. Daraus entstand ihre Idee, den Kindergartenunterricht jede Woche für einen Nachmittag in den Wald zu verlegen. Seit dem Schuljahr 2009/10 findet der Kindergartenunterricht jeden Dienstagnachmittag im Wald statt. Der Kindergartennachmittag im Wald ist bei den KindergartenschülerInnen sehr begehrt und stellt eine entscheidende Basis für die Natur- und Umweltbildung in unserer Schule dar. Sogar bei nasser Witterung und bei tiefen Temperaturen im Winter freuen sie sich auf den Unterricht in «ihrem» Wald. Viele Kinder erzählen auch zu Hause von diesem Unterricht und fordern ihre Eltern in der Freizeit dazu auf, «ihren» Wald zu besuchen. Durch die Regelmässigkeit des Waldnachmittags im Kindergarten wird die Verbindung der Kinder zu «ihrem» Wald nachhaltig gestärkt. Dieser Unterricht, gekoppelt mit dem jährlichen Schulwaldtag mit dem Förster, fördert die Verbindung zum Wald und zur Natur. Die Kinder lernen Waldbewohner zu beobachten und machen sich vermehrt Gedanken über die Konsequenzen unseres Handelns in der Natur. Der jährliche Schulwaldtag gibt dem Förster die Gelegenheit, den Kindern während ihrer Schulzeit verschiedene Waldformen, Höhenstufen und Standorte näherzubringen und sie zum Beispiel auf Eigenheiten von feuchten, frischen oder auch trockenen Standorten aufmerksam zu machen. Mit dem Kindergartennachmittag im Wald konnte in der Natur- und Umweltbildung eine starke Basis geschaffen werden. Vielleicht lässt sich auf diesem Fundament auch eine neue Form der Umweltbildung in der Schule aufbauen. Durch die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kindergarten, Schule und Forstdienst hoffen wir, die Bedeutung unseres (Schutz-)Waldes künftig in der Bevölkerung noch besser verankern zu können.

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Die strahlenden Preisträger aus dem Biosfera-Wald, Kategorie «Schulprojekte». (Bild: Ekart Kuntner)

aufsehers und mit eifriger Mithilfe der VolksschülerInnen von Lavant wieder aktiviert. Die Volksschule Lavant half engagiert mit, das Logo neu zu gestalten. Die Schüler stellten entlang des Weges Vogelnistkästen auf und Schautafeln wurden neu eingerichtet. Die «Lavanter Laue» wurde aufgewertet und künstlerisch wurde der Pfad ebenso neu gestaltet. Der Schutzwald ist für die Gemeinde Lavant von immenser Bedeutung. Die Tätigkeit im Wald trägt zudem wesentlich zu einer praktischen und naturnahen Lernerfahrung der Schülerinnen und Schüler bei. Nominiert für den Anerkennungspreis: «Kahle Alpen – ist der Bergwald noch zu retten?» Christiane Streckfuß, Autorin des Films und ihr Team hatten das Ziel, dass die Zuschauer am Ende verstehen, weshalb ein intak-

ter Bergwald für uns Menschen wichtig ist. Im Film wurde hervorgehoben, welche Massnahmen zur Rettung des Bergwaldes unternommen werden und vor welchen Herausforderungen Förster und Wissenschaftler dabei stehen. Der Klimawandel stellt Förster, Jäger und Wissenschaftler vor neue Herausforderungen und die Botschaft lautet: Der Bergwald von heute muss fit für das Klima von morgen sein. Der Film zeigt, dass der derzeitige Bergwald zu einem stabilen Mischwald umgebaut werden muss, wenn er auch in Zukunft seine Schutzfunktion für Orte und Menschen im Tal wahrnehmen soll. Als Preisträger wählte die Jury folgende Projekte aus: Kategorie Erfolgsprojekte: «Freiwillige Schutzwaldsanierung der Wälder des VorBündner Wald 1/2011 11

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derkaserhofes (Schnals – Pfossental)», Südtirol Kategorie Innovationen und Schutzwaldpartnerschaften: «Gemeinsam sind wir stärker», Tirol Kategorie Öffentlichkeitsarbeit: «Erweiterung der Lawinenwege und des Lawinendokumentationszentrums in Blons – Erweiterung und Zusammenfassung», Vorarlberg Kategorie Schulprojekte: «Schule im Biosfera-Wald», Graubünden

Anerkennungspreis: «Faszination Wissen: Kahle Alpen – ist der Bergwald noch zu retten?», Bayern

Jörg Clavadetscher, Redaktor Bündner Wald Ruinas, CH-7535 Valchava forestal-muestair@bluewin.ch

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«Jahr der Wälder 2011» – eine Vorschau

Im Februar 2007 bekräftigten die Vereinten Nationen in einer Resolution ihr Bekenntnis für einen weltweiten Konsens über die Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltige Entwicklung aller Arten von Wäldern. Darin wurde unter anderem beschlossen, das Jahr 2011 zum «Internationalen Jahr des Waldes» respektive «International Year of Forests» ( IYF ) zu erklären. Auch für die Bündner Waldwirtschaft ist das Jahr des Waldes eine kommunikative Chance, sich in der breiten Bevölkerung bemerkbar zu machen. Das Amt für Wald Graubünden koordiniert mit den Bündner Wald- und Holzverbänden einen gemeinsamen Auftritt. Neben dem Amt für Wald wirken mit: der Verein Graubünden Wald, der Dachverband Graubünden Holz und der Bündner Waldwirtschaftsverband SELVA. Die verschiedenen Auftritte und Anlässe werden übers gesamte Jahr verteilt sein.

Kommunikationsziele Ziel dieser gemeinsamen Auftritte ist es, die Vielfalt des Waldes anhand seiner Leistungen herauszustreichen und diese Botschaft der Bevölkerung näherzubringen. Eine der Kernaussagen soll sein, dass der Wald ein (überlebens-)wichtiges Element unseres Bergkantons ist, sei es als Schutzschild vor verschiedensten Naturgefahren, als Landschaftsgestalter und Erholungsraum für Einheimische und Touristen, als Ort der Biodiversität, aber auch als bedeutender Lieferant von einheimischem Holz für Bauten und Energie. Jedem Bündner und jeder Bündnerin gehört rund eine Hektare Wald. Es soll allen klar sein, wer «seine» Interessen am Wald vertritt und an wen er sich wenden kann, falls er zum Wald eine Frage oder ein Anliegen hat. Das Amt für Wald und jeder Verband definiert sich und seine Rolle als Vertreter in der Wald- und Holzwirtschaft und organisiert themenbezogene Veranstaltungen, Anlässe oder bei Bedarf geeignete Medienauftritte. Eine Vorschau der geplanten Auftritte Mit der Verleihung des internationalen Alpinen Schutzwaldpreises der Arbeitsgemeinschaft alpenländische Forstvereine am 21. Januar 2011 in Chur startete der Verein Graubünden Wald mit seiner Kampagne über die Bedeutung der Schutzwaldbewirtschaftung. Dabei wurden die wichtigen Botschaften wie «Nur ein gepflegter Schutzwald kann seine Funktionen erfüllen» oder «Wald bewirtschaften bedeutet Wald pflegen» als zentrale Aussagen nach aussen getragen. Weitere Werbekampagnen sind geplant. Das Amt für Wald Graubünden hat mit verschiedenen Akteuren Kontakte geschaffen und an spannenden Kommunikationsprojekten mitgewirkt. So wurde in ZusammenBündner Wald 1/2011 13

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arbeit mit der Pro Senectute Graubünden ein Veranstaltungsprogramm für Senioren auf die Beine gestellt. Unter dem Titel «Im Wald unterwegs» bieten Bündner Revierförster, verteilt über den ganzen Kanton, sowie der Kantonale Forstgarten in Rodels Veranstaltungsprogramme an. Die Anlässe werden im neuen Kursprogramm 2011 der Pro Senectute umschrieben. Ein internationaler Vergleich zwischen dem Bündner Gebirgswald und einem ebenfalls gebirgigen, teils vergleichbaren Land im Ausland soll über eine Bündner Hilfsorganisation hergestellt werden. Mit der in Chur ansässigen und in Bolivien tätigen Hilfs­ organisation ARBOLES Y FUTURO soll ein Wissens- und Erfahrungsaustausch angestrebt werden. Der Leiter der in den Anden des Departements Cochabamba tätigen Organisation kommt im Sommer zu Besuch nach Graubünden. (Siehe auch nachfolgenden Artikel) Das «Bündner Tagblatt» begleitet das Jahr mit Beiträgen rund um den Wald in Form einer über das ganze Jahr verteilten Serie. Der Schwerpunkt liegt bei den Menschen, die mit dem Wald zu tun haben. So soll möglichst jedes Thema mit Bündner Akteuren personifiziert werden und diese Person auch auf dem illustrierenden Foto erscheinen. Gerade jetzt wird gedreht, auch in den Bündner Wäldern! Entstehen wird ein Dokumentarfilm über den Schweizer Wald, der in diesem Sommer zu prominenter Sendezeit im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt werden soll. Der abendfüllende Film soll auch in einer mehrsprachigen Kinoversion an der kommenden Openair-Saison in der ganzen Schweiz auf grosser Leinwand gezeigt werden. Die Dreharbeiten haben im vergangenen Sommer begonnen und gehen im Frühjahr 2011 zu Ende. Das Film-

projekt wird durch Docmine Productions AG realisiert (siehe auch Beitrag auf Seite

99) in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen, den Kantonen sowie dem Bundesamt für Umwelt. Das Amt für Wald wirkt beratend in der fachlichen Begleitgruppe mit. Eine weitere Kollaboration ist derzeit mit dem Schweizer Fernsehen im Gang. «Schweiz aktuell» wird vom 4. bis 23.  Juli «bäumige Männer und Frauen» in den Wald schicken, um auf ökologische und nachhaltige Weise eine Waldhütte erstellen zu lassen. Dieses Sommerprojekt von «Schweiz aktuell» möchte den Umgang mit dem Wald, das Leben mit der Natur und die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz beim Bauen mit Holz beleuchten. Dabei sollen die Zuschauer live miterleben, wie das Bauteam seine Aufgaben und das Leben im Wald meistert, verlautet es in einer Medieninformation von SF DRS. Das Amt für Wald steht auch hier beratend zur Seite und hilft beispielsweise bei der Suche nach einem geeigneten Drehort in den Bündner Wäldern. Der Dachverband Graubünden Holz wird sich durch eine ausgiebige Kommunika­ tionsaktion den Produkten aus Bündner Holz und seine Verwendung annehmen. Geplant sind Top-Holz-Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit Bündner Holzproduzenten, diverse PR-Kampagnen und internationale Meetings im Projekt IN2WOOD. Zudem soll der Bevölkerung die internetbasierte Holzmarktplattform von Graubünden Holz vorgestellt werden. Der in unseren Wäldern reichlich nachwachsende Rohstoff Holz findet heute hohe Beachtung und Anerkennung im Bauwesen. Holz ist ein Werkstoff mit hervorragenden Eigenschaften, vielseitig einsetzbar, umweltfreundlich und langlebig. Gerade auch der regionalökono-

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mische Aspekt des Waldes ist im dezentralen Graubünden ein wichtiger Pfeiler für die wirtschaftliche Entwicklung. Der Wald dient als Rohstofflieferant, sichert die dezentralen Arbeitsplätze und formt das touristische Erholungsgebiet. Graubünden Holz zeigt dies mit den geplanten Aktivitäten der Bevölkerung auf! Der Bündner Waldwirtschaftsverband SELVA stellt der Bevölkerung die Strukturen der Waldwirtschaft vor. Unter dem Motto «Der Wald geht uns alle an» vertritt die SELVA die Bündner Waldeigentümer und setzt sich für die Belange der Waldeigentümer ein. Da ohne eine sinnvolle Erschliessung keine Waldbewirtschaftung möglich ist, soll in einer Kampagne die Verbesserung der Wald­ erschliessung (Ausbau und Instandstellung) angestrebt werden. Die Verwendung des einheimischen Baustoffes und des Energieträgers Holz wird mit den Partnerverbänden in der Holzkette propagiert. Ausbildungskurse, Tagungen und Feierabendgespräche übers ganze Jahr verteilt, bilden weitere Schwerpunkte. Die Informationen zu den Aktivitäten werden laufend auf der Homepage www.selva-gr.ch präsentiert. Auf der Homepage des Amts für Wald Graubünden www.wald.gr.ch gibt es eine spezielle Themenseite zum UNO-Jahr des Waldes. Ein Veranstaltungskalender erteilt Auskunft über die Ereignisse und Veranstaltungen durch das ganze Jahr hindurch. Diese Plattform steht allen Veranstaltern zur Verfügung, welche in Graubünden zum

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Perspektiven schaffen in den Anden Boliviens ARBOLES Y FUTURO

ARBOLES Y FUTURO ist ein gemeinnütziger Verein. Er fördert Aktivitäten im Bereich Wald, Umwelt und (Aus-)Bildung in Bolivien und arbeitet mit lokalen Fachleuten vor Ort. Der Hauptsitz von ARBOLES Y FUTURO liegt in der Alpenstadt Chur. Der operative Sitz befindet sich in Cochabamba, einer Grossstadt in den Anden Boliviens. ARBOLES Y FUTURO begleitet dabei Behörden, Institutionen und Bauernfamilien beim Aufbau und bei der Umsetzung der Projekte und fördert die Umwelterziehung, indem didaktische Unterlagen mitentwickelt und praktische Arbeiten mit Schulklassen durchgeführt werden. Grundsatz für die Realisierung der Projekte ist die sogenannte «demanda genuina», sinngemäss eine aufgrund der effektiv vorliegenden Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung an den Verein gerichtete Nachfrage.

Konflikt zwischen Raum, Zeit und Entwicklung Zahlreiche Städte der Anden in Bolivien sind in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen. Aufgrund karger Lebensräume auf dem Land und fehlender Perspektiven flüchten immer mehr Leute und Familien, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, in die urbanen Zonen. Unkontrolliert wachsende Lebensräume, Wassermangel, zunehmende Abfallberge sowie ein stark zunehmender Verkehr sorgen für zahlreiche Konflikte. So auch im Herzen der Anden in der Stadt Cochabamba auf 2500 m ü. M., welche mit den angrenzenden Randzonen unterdessen gegen eine Million Einwohner umfasst. Cochabamba bedeutet in der lokalen QuechuaSprache der Ureinwohner «kocha pampa» oder «fruchtbares Land». Von diesem fruchtbaren Land ist aufgrund des starken Bevölkerungswachstums ein grosser Teil verloren gegangen. Ausserhalb der Städte fehlen oft grundlegende Infrastrukturen wie Wasser, Strom und Strassen. Das Leben dort ist vollständig von der landwirtschaftlichen Produktion, vor allem für die Selbstversorgung,

abhängig. Für die Zubereitung der Mahlzeiten wird Brennholz benötigt. Wegen fehlender Waldflächen sind weite Wege an der Tagesordnung, zudem wird die schon spär-

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liche Baumvegetation noch mehr dezimiert. Seit vielen Jahren haben jedoch die Bauern auf dem Land mit Unterstützung von Hilfsprojekten, u. a. auch aus der Schweiz, brachliegende Flächen aufgeforstet. Jedoch fehlt das Wissen für eine nachhaltige Nutzung dieser kleinen Waldflächen bis zum Verkauf von Holzprodukten weitestgehend. Ausserhalb der Städte gibt es kaum Alternativen zur landwirtschaftlichen Tätigkeit und Zugang zu genügend vorhandenen erneuerbaren Energien. Hier versucht ARBOLES Y FUTURO seit 2006 mit zielgerichteten Projekten zu helfen, jedoch unter der Bedingung, dass die Initiative von den Bauern, von Schulen oder Gemeinden selbst vorgebracht wird. Die Hilfsprojekte konzentrieren sich dabei auf die Schwerpunktthemen: Ausbildung, Pflanzenproduktion, Aufforsten und Nutzen von Wäldern für den Energiebedarf sowie den Verkauf von Holzprodukten. Konkret: – Schulkinder und Erwachsene lernen den umsichtigen Umgang mit der Umwelt, sie bewirtschaften und pflegen ihren Lebensraum nachhaltig. – In Schulen und Ausbildungsstätten wird die Bedeutung der Bäume für die Gestaltung des eigenen Lebensraumes und für eine intakte Umwelt sowie

Geografische Karte Boliviens mit Cochabamba im Zentrum des Landes. (Bild: www.deza.ch)

die Abfallbewirtschaftung im Ausbildungsprogramm integriert. – In städtischen und ländlichen Gebieten entstehen kleine Waldflächen, welche die Luftqualität verbessern, den Lebensraum aufwerten und vor Erosion schützen sowie durch das anfallende Brennholz die Selbstversorgung sicherstellen und durch den Verkauf von Nutzholz alternative Einkommen generieren. All diese Projekte werden zwar von ARBOLES Y FUTURO begleitet und unterstützt, die Initiative muss aber von der lokalen Basis kommen. Bevor es an die Ausarbeitung der Vorstudien geht, werden konkrete Projektvorschläge erst geprüft. Wird ein Projekt gutgeheissen, sind die notwendigen Mittel zu beschaffen und in Vereinbarungen mit

Querschnitt Ost-West durch die Anden im Departement Cochabamba . (Bild: ARBOLES Y FUTURO)

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Randgebiete der Stadt Cochabamba und typische Berglandschaften in den Anden des gleichnamigen Departements Cochabamba mit kleinen aufgeforsteten Waldflächen. (Bild: ARBOLES Y FUTURO)

allen Beteiligten werden die entsprechenden Aufgaben und Pflichten festgehalten. Seit 2006 wurden acht Projekte gestartet und teils bereits abgeschlossen. Dies sind: – die Erarbeitung zweier Handbücher für die Pflanzenproduktion und die Pflege und Nutzung der Wälder, um den Wissenstransfer weiterzuführen, – die Ausbildung von Schulklassen in verschiedenen Bauerngemeinden, in der Vorstadt Quillacollo sowie im Südteil der Stadt Cochabamba zum Thema Umwelt und Abfallbewirtschaftung, wo u. a. jeder Schüler mindestens einen Baum pflanzt,

– die Ausbildung und Pflege bestehender Aufforstungsflächen in der Provinz Tiraque mit den Bauerngemeinden und den Schülern aus dem Ausbildungszentrum Tata Esteban, – Aufforstungen, Waldpflege und Nutzung in der Gemeinde Uchu Uchu, – Aufforstungen und Uferschutz in der Gemeinde Viloma Cala Cala, – Aufforstungen sowie die Einrichtung und der Betrieb eines Naturparkes in der Gemeinde Chocaya. Vergleicht man die landschaftlichen Gegebenheiten zwischen Graubünden und dem Departement Cochabamba, so bestehen

Schulklassen lernen dem eigenen Lebensraum

In gemeinsamer Arbeit werden kahle Flächen

Sorge zu tragen, lernen Pflanzen aufzuziehen,

aufgeforstet und bestehende aufgeforstete Flä-

pflanzen gemeinsam Bäume und pflegen das eige-

chen gepflegt und Brennholz gewonnen.

ne Schulareal. (Bild: ARBOLES Y FUTURO)

(Bild: ARBOLES Y FUTURO)

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Um Bäume zu pflanzen, will auch die Pflanzenproduktion gelernt sein. Neben dem Bau von kleinen Saatbeeten, das Ansäen und Auslesen, wird auch das Versetzen der Sämlinge in Pflanztöpfe gelernt. (Bilder: ARBOLES Y FUTURO)

viele Parallelen: Binnenland, zahlreiche Berge und Täler, wenige Städte und zahlreiche abgelegene Dörfer und Streusiedlungen. Unsere langen Traditionen in Graubünden im gesellschaftlichen Umgang, uns zu organisieren, in der Ausbildung und auch in der Forstwirtschaft haben es uns erlaubt, einen stabilen und funktionierenden Lebensraum aufzubauen. Unser temperiertes Klima mit den regelmässig vorkommenden Niederschlägen begünstigt unsere täglichen Bemühungen. Im Departement Cochabamba hingegen er-schweren das trockene Klima und die wegen der Klimaerwärmung zunehmend ausbleibenden Niederschläge (Effekt «el niño») eine ertragsreiche Land- und Forstwirtschaft. ARBOLES Y FUTURO entwickelt gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung auch weiterhin Projekte, welche eine minimale Selbstversorgung fördern und Schüler wie auch Erwachsene befähigen, den eigenen Lebensraum zu schützen und nachhaltig zu bewirtschaften. Es sind kleine Schritte, die ersten Erfolge ermuntern weiterzubauen. Drei aktuelle Projekte Projekt «Aufforstung und Waldnutzung in der Gemeinde Uchu Uchu» (seit 2008)

Die Gemeinde Uchu Uchu liegt rund drei Autostunden von der Stadt Cochabamba entfernt auf 3500 m ü. M. in den Anden. Im Dorf fehlt oft der direkte Wasser- und Stromanschluss. Die Bewohner leben hauptsächlich vom Einkommen aus dem Kartoffelanbau. Auf lokalen Märkten werden soweit möglich ergänzende Nahrungsmittel gekauft oder getauscht. Mit dem Aufforsten von weiteren rund 20 ha brachliegenden Seitenhängen entsteht eine alternative Einkommensquelle zur traditionellen Landwirtschaft für über 100 Bauernfamilien. Zudem werden die eh schon kargen Böden besser vor Austrocknung durch die rauen Winde der Anden sowie der Oberflächenerosion während der Regenzeit geschützt. Ab 2011 bilden die Arbeiten mit den Bauern in Uchu Uchu Bestandteil eines umfassenderen Projektes zur Bekämpfung der Armut im ländlichen Bereich, welches gemeinsam mit der Stiftung Intercooperation realisiert und durch den Kanton Waadt getragen wird. Bildungsprojekte «Pulmones verdes» (grüne Lungen) und «Mis amigos los arboles» am Stadtrand Cochabambas (seit 2008) Cochabamba ist in den letzten 15 Jahren rasant gewachsen. Von der einst als recht Bündner Wald 1/2011 19

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Auf den kargen, auf rund 3500 m ü. M. liegenden

In der dichten Aufforstung werden krumme und

Anden der Gemeinde Uchu Uchu sind brachliegen-

unterentwickelte Bäume entfernt sowie die

de Seitenhänge in den 90er-Jahren aufgeforstet

unteren Äste als Brennholz genutzt. Durch diese

worden. Die Waldflächen schützen heute punktuell

alternative Energiequelle können die Familien

vor Bodenerosion und Wind. Morgen sollen sie als

über das ganze Jahr, ohne Zukauf anderer Energie-

Brenn- und Bauholzlieferant eine alternative Ein-

quellen, warme Mahlzeiten zubereiten.

kommensquelle zur Berglandwirtschaft bringen.

(Bild: ARBOLES Y FUTURO)

(Bild: ARBOLES Y FUTURO)

grün geltenden Stadt mit den fruchtbaren Landwirtschaftsflächen und zahlreichen kleinen Vororten ist nicht mehr viel zu sehen. Landflucht und unkontrollierte Besiedelung haben aus der einige Hunderttausend Einwohner umfassenden Andenstadt in den neunziger Jahren ein fast durchgehend be-

siedeltes Gebiet mit gegen einer Million Bewohnern gemacht. Vormals unwirtliche und abgelegene Landstriche sind heute bebaut. Es fehlt jedoch oft am Notwendigsten; direkter Wasseranschluss, Kanalisationen, sichere Wege und Strom. Die Bewohner von Uchu Uchu lernen die Verarbeitungsschritte ihres Holzes in einer Genossen-

Holz nutzen ist Gemeinschaftsarbeit, wie zahlrei-

schaftssägerei kennen. In Zukunft sollen neben der

che andere anstehende Arbeiten in der Gemeinde.

Aufforstung, der Pflege und der Nutzung auch die

Dies ist typisch für die sogenannten Comunidades

Vermarktung und Verarbeitung weiterentwickelt

Campesinas der Anden, wo Jung und Alt an be-

werden. Dies geschieht im Rahmen der laufenden

stimmten Tagen zusammen ihren Gemeinschafts-

Bemühungen mit Intercooperation und dem Kan-

pflichten nachkommen. (Bild: ARBOLES Y FUTURO)

ton VD. (Bild: ARBOLES Y FUTURO)

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Der überall herumliegende Abfall aller Art

Auch die Kleinsten lernen spielerisch im Unter-

verunreinigt den Boden, riecht übel und fördert

richt den Nutzen der Bäume kennen.

Krankheiten. Mit der Unterstützung der Abfall-

(Bilder: ARBOLES Y FUTURO)

beseitigungsbehörde EMSA wird das Schulareal gesäubert. (Bilder: ARBOLES Y FUTURO)

Mit den Projekten gestalten Schulklassen mit ihren Lehrern ihre Schulareale und Wohngebiete. Im Vordergrund steht die Sensibilisierung von über 1000 Schülern pro Jahr für intakte gesunde Lebensräume. Im Schulunterricht und anhand praktischer Übungen wird die Abfallproblematik behandelt und mit dem Pflanzen von rund 2000 Bäumen die karge, oft trostlose Landschaft aufgewertet. Für das Schuljahr 2011 sind gesamthaft für die Realisierung der Projekte rund 25 000 Franken oder 25 Franken pro Schüler notwendig. Die erzielten Wirkungen und die erhaltenen Rückmeldungen von Schülern und Lehrern zur Umweltbildung haben die Verantwortlichen des Vereins ARBOLES Y FUTURO überzeugt, den eingeschlagenen Weg fortzuführen. Im Aufbau ist deshalb ein Netzwerk zwischen Bildungsstätten und Bildung unterstützende Organisationen, mit dem Ziel, flächendeckend in der Grossstadt Cochabamba die mit vielen praktischen Beispielen ausgestattete Umweltbildung zu etablieren und hinauszutragen in weitere Städte Boliviens. Die 2006 begonnenen Arbeiten im Raum der Grossstadt Cochabamba zeigen erste Spuren und Wirkungen. Einerseits richten zahl-

reiche Bauerngemeinden und Schulen aufgrund erster kleiner Erfolge Anfragen für die Verbesserung der Lebensbedingungen an ARBOLES Y FUTURO. Andererseits suchen zahlreiche weitere lokale Hilfsorganisatio­ nen die Zusammenarbeit mit ARBOLES Y FUTURO, was erlaubt, umfassendere, breiter abgestützte und getragene Projekte zu realisieren. Es bleibt jedoch noch sehr viel zu tun, um die ersten kleinen Erfolge und Wirkungen zu stärken. Was für die populäre Sammelaktion in der Schweiz «Jeder Rappen zählt ...» gilt, bleibt auch für die Entwicklung im Raum Cochabamba in Bolivien von grösster Bedeutung. Weitere Informationen zu Projekten und zur Organisation erhalten Sie unter: www.arbolesyfuturo.org ARBOLES Y FUTURO, Av. Gabriel René Mo-

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Der Kiefernprozessionsspinner im Vinschgau

Ab Herbst bilden sich vor allem an besonnten Zweigspitzen die charakteristischen weissen Gespinste, in denen die Raupen überwintern. (Bild: Forstinspektorat Schlanders)

Hintergrund Der Vinschgauer Sonnenberg war um 1900 bis in eine Höhe von etwa 600 m über der Talsohle fast vollständig entwaldet. Die kli­ matische und geologische Sondersituation hatte zusammen mit jahrhundertelanger Übernutzung, vor allem durch Kleinvieh­ weide, zu diesem Zustand geführt. Mit der zunehmenden Entwaldung war aber die Gefährdung durch Erosion, Murgänge und Überschwemmungen kontinuierlich ange­ stiegen. Schliesslich waren bei jedem Stark­ regen die Ortschaften und Kulturgründe im Tal bedroht. So hatte man bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit kleinflächigen Auf­ forstungen begonnen. In den 1920er- und 1930er-Jahren wurden die sogenannten «Leitenwaldelen» oberhalb der Dörfer an­ gelegt und 1951 bis 1965 folgte schliesslich

ein grossangelegtes Aufforstungsprogramm, welches eine Bruttofläche von 1760  ha bear­ beitete. Die ersten Pflanzungen ab 1875 mit Schwarzföhre (Pinus nigra) waren vielver­ sprechend gewesen, auch war keine andere standorttaugliche Baumart in so kurzer Zeit in so grossen Mengen verfügbar. Daher wurde – obwohl die Schwarzföhre nicht heimisch ist – vor allem in tieferen Lagen mit ihr aufgeforstet. In der Summe entstan­ den so am Sonnenberg zwischen Mals und Goldrain 940 ha Schwarzföhrenforste. Problemstellung Die vordringlichste Aufgabe der Auffors­ tungen war der Erosions- und Hochwasser­ schutz, dieser wurde auch erreicht. Aus den beschriebenen Zwängen heraus konnte bei der Baumartenwahl allerdings wenig Rück­

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sicht auf Belange wie Naturschutz, Biodiver­ sität oder Landschaftsästhetik genommen werden. Die Schwarzföhrenforste entwi­ ckelten sich zu einförmigen Stangenholzund Baumholzbeständen und schafften neue Problemfelder. In den geschlossenen Schwarzföhrenbeständen mit dicker Nadel­ streuauflage ist beispielsweise ein merkli­ cher Rückgang der einzigartigen Steppen­ vegetation und der Artenvielfalt – auch der Fauna – bemerkbar. Die Rohhumusauflage ist schlecht für die Infiltration von Wasser bei den sommerlichen Starkregen, es zeig­ ten sich Podsolierungs- und Degradations­ erscheinungen des Bodens. Das ohnehin hohe Waldbrandrisiko auf den Trockenhän­ gen stieg weiter an und der Lebensraum für Wildtiere wurde verschlechtert, sodass der Verbissdruck auf die spärliche Laubholzver­ jüngung noch weiter zunahm. Auch Schä­ den durch Schildläuse oder Kieferntriebster­ ben traten auf. Dass es sich um ökologisch labile Bestände handelt, zeigen auch die seit vielen Jahren auftretenden Kalamitäten des Kiefernprozessionsspinners. Der Kiefernprozessionsspinner und seine Bekämpfung Der Kiefernprozessionsspinner (Thaumetopoea pityocampa DENIS und SCHIFF.) ist eine Falterart, die in Kiefernreinbeständen zu Massenvermehrungen neigt. Der «süd­ liche» Kiefernprozessionsspinner legt die Eier im Juni, und im September schlüpfen dann die Raupen. Beim «nördlichen» Kie­ fernprozessionsspinner, welcher in Nord­ europa vorkommt, hingegen überwintern die Eier. Die Raupe, die in charakteristischen weissen Gespinsten in der Baumkrone lebt, ernährt sich von den Nadeln der Kiefern. Das schädigt den Baum, führt aber nur in absoluten Ausnahmefällen zum Absterben von Bäumen. Die Raupen leben gesellig in

Frassgesellschaften, ein Nest kann 150 bis 250 Raupen beinhalten. Im frühen Frühjahr begeben sich die Raupen in den namensge­ benden prozessionsartigen Reihenformatio­ nen auf den Boden. Problematisch ist, dass die Brennhaare der Raupen beim Menschen unangenehme und teilweise gefährliche Al­ lergien hervorrufen können – von Juckreiz bis hin zu asthmatischen Beschwerden. In einer staatlichen Verordnung war seit 1926 die Bekämpfung des Kiefernprozes­ sionsspinners vorgeschrieben. Dies geschah auch in Südtirol durch Abschneiden und Verbrennen der Zweige oder Abschiessen der Gespinste mit Schrot. Einerseits zeigte dieser enorme Aufwand kein befriedigendes Resultat, was auch mit einer Langzeitstudie ab 1992 gezeigt werden konnte, anderer­ seits war nach 1998 die Bekämpfung nur mehr bei Bedrohung des Waldbestandes oder Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier notwendig. So wurde die mechani­ sche Bekämpfung eingestellt. Im Vinschgau mit den grossen Schwarzkie­ fernforsten wurde der Befall allerdings so stark ( Verzehnfachung im Jahr 1999 ), dass Bürger, Waldbesitzer, aber auch beispiels­ weise Tourismusorganisationen weiterhin Ein Gespinst kann über 200 Raupen enthalten. Zwischen Mitte Februar und Mitte April begeben sich die Raupen auf den Boden zur Verpuppung. (Bild: Forstinspektorat Schlanders)

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Das Bacillus thuringiensis-Präparat wird mit einem speziellen Sprühgerät per Helikopter ausgebracht. (Bild: Forstinspektorat Schlanders)

eine Bekämpfung des Prozessionsspinners forderten. Im Herbst 1999 begann somit die Behandlung mit Bacillus thuringiensis vom Hubschrauber aus. In diesem ersten Jahr wurden 170 Hektar Waldfläche behan­ delt. Bacillus thuringiensis So wurden ab damals jährlich ein- oder auch zweimal (im Herbst bzw. im Spätwinter) Be­ kämpfungen mit Bacillus thuringiensis vom Hubschrauber aus (in Einzelfällen auch vom Boden aus mit Sprühgeräten) durchgeführt. Das Bakterium produziert Toxine, die auf spezielle Insekten tödlich wirken, bei Pflan­ zen, Wirbeltieren und Menschen jedoch wir­ kungslos sind. Die toxischen Kristallproteine entfalten nach Aufnahme durch den Nadel­

frass erst im Insektendarm ihre Wirkung. Vor dem massiven Einsatz wurde natürlich auch eine Untersuchung zu den Auswirkun­ gen auf die übrigen Schmetterlings- und Falterarten durchgeführt. Das Ergebnis war positiv: Durch die frühe Applikation im Feb­ ruar/März sind die allermeisten Arten noch in der Diapause und durch die Lebensweise in Gespinsten oder ausserhalb der Baum­ kronen nicht gefährdet. Die Besprühung vom Hubschrauber aus kann nämlich sehr gezielt erfolgen. Das Präparat gelangt auf die Nadeln, und die Kiefernprozessions­ spinner fressen dann die Nadeln mitsamt dem Mittel; eine Langzeitwirkung des Prä­ parates ist nicht vorhanden. Demzufolge ist auch die Witterung bei der Behandlung entscheidend: Es braucht Windstille beim Flug, und in den folgenden Tagen trocke­ nes, aber nicht zu kaltes Wetter, damit die Raupen aus den Gespinsten kommen. Der Raupenfrass beginnt erst ab 6 – 7 °C. In den letzten Jahren wurde das Präparat Foray ® 48B Bacillus thuringiensis var. kurstaki ein­ gesetzt. Bei der Frühjahrsbekämpfung sind in zwei Überflügen jeweils 2 l/ha, also 4 l/ ha notwendig. Nach einer überschlägigen Kostenschätzung kostet der Einsatz ins­ gesamt knapp an die 100 Euro pro Hektare behandelter Nettofläche. Natürlich werden vor dem Behandlungseinsatz alle Behörden, Gemeinden und Waldbesitzer kontaktiert, auch gehen die Informationen über Zeitung und Radio in die Öffentlichkeit. Aktuelle Entwicklungen Nach dem Extremjahr 1999 ging im Vinsch­ gau der Befall mit Schwankungen aber doch kontinuierlich zurück. Das Jahr 2009 war schliesslich das erste Jahr ohne Bekämp­ fung! Zu beachten ist in diesem Zusam­ menhang auch, dass die Puppen im Boden «überliegen» können, die Puppenruhe kann

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bis zu vier Jahre dauern. Auch die beglei­ tenden wissenschaftlichen Studien zeigen eine Abnahme der Befallsstärke im Laufe der Jahre, und nun seit wenigen Jahren eine deutliche Zunahme der Parasitoide. Es kön­ nen nun Eiparasitoide (z.B. Baryscapus servadeii) und pupo-larvale Parasitoide wie die Raupenfliege Phryxe caudata nachgewiesen werden, sodass die Todesrate der Eier und Larven deutlich zunahm. Die Erfolge sind zum Teil auf die wiederholte Besprühung, zum Teil aber auch auf die begonnene Umstrukturierung der Schwarzkiefernfors­ te (siehe unten) zurückzuführen. Im März 2010 wurden wiederum auf einer Bruttoflä­ che von ca. 600  ha befallener Bäume auf ca. 350 ha besprüht. Auf die Befallsstärke und Eine sogenannte Biozelle aus dem Pflanzjahr 1997 (1 m x 1 m; mit 21 Stück ein- oder zweijähriger Flaum­eichen) im Sommer 2010. (Bild: Forstinspektorat Schlanders)

Vermehrung der Spinner hat natürlich die Witterung einen grossen Einfluss. Der Kie­ fernprozessionsspinner ist in weiten Teilen Südtirols vertreten – dort oft auch auf Weis­ skiefern, aber 70 % der befallenen Bäume und Raupengespinstnester entfallen auf den Vinschgau. Die Umstrukturierung Aufgrund der oben beschriebenen Prob­ leme und der Massenvermehrungen des Prozessionsspinnes war in den Schwarz­ kiefernforsten Handlungsbedarf gegeben. Als kurzfristige Massnahme wurde die Be­ kämpfung mit Bacillus thuringiensis durch­ geführt, langfristig will und muss man weg von den Schwarzföhrenmonokulturen. Bevor ein derartig umfangreiches, mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmendes Projekt gestartet werden konnte, war es unab­ dingbar, mit wissenschaftlichen Untersu­ chungen Klarheit über die Möglichkeiten zu schaffen. Die zentrale Frage war, wo und in welcher Form die notwendige Um­ strukturierung gemacht werden kann. Wir gingen dabei vom Konzept der potenziell natürlichen Waldgesellschaft aus, welche das Ziel des Waldumbaus sein sollte. Im Rahmen der Studien wurde eine Karte der Schwarzföhrenforste angelegt, naturnahe Waldfragmente standörtlich, vegetations­ kundlich und bodenkundlich untersucht, Literatur gesichtet und die Tauglichkeit einheimischer Baumarten untersucht. Es zeigte sich, dass es sich bei den potenziell natürlichen Waldtypen vor allem um Flaum­ eichenwälder, daneben um Mischwälder von Rotkiefer bzw. Lärche mit Flaumeiche und Laubholz handelte. Diese Waldtypen wurden definiert und auf Grundlage der Standortskartierung auf eine Karte übertra­ gen. Bestätigung fand man durch natürlich ankommende Flaumeichenverjüngung in Bündner Wald 1/2011 25

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Ziel der Umstrukturierung ist, die Schwarzföhrenforste in einen naturnahen, laubholzreichen Mischwald umzuwandeln. (Bild: Forstinspektorat Schlanders)

den Beständen und auch das südtirolwei­ te Projekt «Waldtypisierung» lieferte erst kürzlich nochmals die Bestätigung. Nach­ dem man das Ziel definiert hatte, ging man daran, sich die waldbauliche Strategie zu­ rechtzulegen. Man entschied sich für den sofortigen Beginn der Umwandlung, auch wenn es vom ertragskundlichen Standpunkt aus noch recht früh war, aber die Nutzfunktion ist in all diesen Wäldern sehr untergeordnet. Im Jahr 1996 wurde das Konzept zur Umwandlung mit sogenannten Biozellen entwickelt, die Arbeitsanweisun­ gen zu vorbereitenden Durchforstungen, zu Pflanzung und Saat niedergeschrieben und mit ersten konkreten Arbeiten begon­ nen.

Geleistete Arbeit und Monitoring Im Jahr 1996 begann man das Projekt mit der Errichtung von 143 sogenannten Biozel­ len bei Laas. Durch deren Verteilung sollen «Keimzellen» geschaffen werden, von wo aus es zu einer natürlichen Ausbreitung der Laubbäume kommt – zu einer biologi­ schen Automation. Damit taugliches, ein­ heimisches Saat- und Pflanzgut von Flaum­ eiche verwendet werden konnte, wurden im Vinsch­gau drei Erntebestände ausfindig gemacht. Es wurde ein kleiner Pflanzgarten angelegt, damit die Pflanzen vor Ort auf­ wachsen und von Beginn an sich an das extreme Klima anpassen können. Zudem wurden verschiedene Pflanz- und Saattech­ niken erprobt, und es wurde auch eine Di­ plomarbeit zur Untersuchung des Anwuch­ serfolges ausgeführt. Da Erfahrungswerte fehlten, war auch der Lernprozess wichtig, und es wurden laufend Adaptionen ge­ macht. So zeigte sich beispielsweise, dass die Kleinzäune um die Biozellen (1 m x 1 m), welche Schutz vor Schalenwildverbiss bie­ ten sollen, nur wenige Jahre stabil bleiben. Folglich werden nun grössere Zaunflächen (bis ca. 50 m x 50 m) mit stabilen Zaun­ säulen angelegt. Insgesamt wurden inzwi­ schen über 5500 Biozellen pro Zaunfläche errichtet, durch die Umstrukturierung über 100  ha Fläche bearbeitet, zusätzlich ca. 100  ha an Schwarzföhrenbestände vorbe­ reitend durchforstet. Allein in der Forst­ station Schlanders wurden in Biozellen und mit Einzelschutz insgesamt ca. 80 000 Laubholzbäumchen gepflanzt. Neben der Flaumeiche werden auch Mischbaumar­ ten wie Blumenesche, aber auch Kirsche, Nuss, Kastanie, Birke und eine Vielzahl von Straucharten eingebracht. All diese Arbeiten werden in tabellarischer und kartographischer Form erfasst, damit der Fortschritt der Arbeiten sichtbar ist, der

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Überblick gewahrt bleibt und die Planung verbessert werden kann. Jedes Jahr werden an Biozellen Kontrollerhebungen gemacht. Gemessen werden Merkmale wie Höhe, Höhenzuwachs, Mortalität oder Durch­ messer. Die Daten dokumentieren die gute Entwicklung und dass wir auf dem richtigen Weg sind. In der Zwischenzeit gibt es je­ denfalls erste Erfolge: Einige der Biozellen können von ihren Drahtkörben befreit wer­ den. Auch im Rahmen von Fachexkursio­ nen, Waldpädagogikprojekten usw. werden immer wieder die Umstrukturierungsflächen besucht. Die Umstrukturierung ist kein Pro­ jekt, welches in der breiten Öffentlichkeit grosse Aufmerksamkeit erregt oder sich gut präsentieren lässt – im Gegensatz zu den Hubschraubereinsätzen –, aber langfristig die Probleme beseitigt.

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Resümee Kurz gesagt, lehrt uns der Vinschgauer Sonnenberg einerseits, dass vorhandene Schutzwaldbestände in jedem Fall zu schützen und zu erhalten sind, denn ein Wiederaufbau ist extrem schwierig und langwie­ rig, wobei auch immer ungeahnte Probleme auftauchen. Andererseits zeigt er uns, auch in Hinblick auf zukünftige Herausforderun­ gen wie Klimawandel, dass nur naturnah aufgebaute Waldbestände mit einer mög­ lichst breiten Mischung und Strukturierung langfristig alle Funktionen erfüllen und mit wenig Aufwand erhalten werden können.

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Der Tannenreliktstandort «Bruggerwald»

540 Jahre alte Tanne im Bruggerwald. (Bild: Walter Verdross)

Das Klima im Vinschgau ist inneralpin und trocken-kontinental. Der Vinschgau gilt als eine typische inneralpine Trockeninsel mit nur 500 bis 600 mm Niederschlag im Jahr, und der vorherrschende austrocknende Nordwind trägt zudem noch dazu bei, dass sich der Vinschgau als ein klassisches Trockengebiet präsentiert. Am Eingang des Münstertales, etwa 20 km südlich des Reschenpasses, nahe der Kleinstadt Glurns, gibt es den «Bruggerwald», im Besitz der Eigenverwaltung Laatsch in der Verwaltungsgemeinde Mals. In diesem Nadelmischwald gedeiht eine besondere Tanne, die von Fachleuten als «Trockentanne» bezeichnet wird. Während am gegenüberliegenden Südhang (Leiten) noch die Flaumeiche auftritt, bestehen die Wälder am Nordhang aus Fichte,

Tanne und Lärche. Wegen des ausgeprägten kontinentalen Klimacharakters fehlt die Buche hier und im Vinschgau völlig. Die Tanne stockt im Bruggerwald auf ungefähr 250 ha und ist dabei auf 110 ha die Hauptbaumart; mit sogar 63 % Baumartenanteil in der Waldabteilung 16. Das relativ reiche Tannenvorkommen in diesem Teil des Vinschgaus ist überraschend. Die Tanne bevorzugt normalerweise wärmere Hanglagen mit tiefgründigen Böden. Sehr kalte Winter und heisse trockene Sommer, wie sie eben im Vinschgau vorkommen, sagen ihr nicht zu. Dies alles kann man aber auf die Tanne im Bruggerwald nicht so ohne Weiteres übertragen, da es sich um eine speziell standörtlich angepasste Tanne handelt. Trotz widriger Umstände zeigen die Tannen in Laatsch beeindruckende Wuchsleistungen, wie der 280-jährige Stamm einer Tanne beweist, der am Kirchplatz in Laatsch aufbewahrt wird, der in 1600 m ü. M. eine Baumhöhe von ca. 40 m und ein Stammvolumen von 20 fm erreicht hatte, ehe er von einer Lawine mitgerissen wurde. Interessant ist auch, dass sich im Zusammenhang mit dendrochronologischen Untersuchungen der Universität Padova her­ ausgestellt hat, dass im Bruggerwald die älteste Tanne der Welt wächst; sie ist erwiesenermassen 540 Jahre alt. Die Entwicklung dieses Tannenstandortes Nach dem Ende der letzten Eiszeit wanderte die Tanne von ihrem Refugialgebiet auf der Apeninnenhalbinsel wieder nach Norden, und es kam zur Entstehung eines mitteleuropäischen Tannenareals. Bereits im Präboreal ( 8200 bis 6800 v. Chr.) finden sich Abies-Pollen entlang des gesamten Alpensüdrandes bis zum Gotthardpass. Über das Etschtal gelangte die Tanne spä-

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testen im Boreal ( 6800 bis 5500 v. Chr.) auch in den Vinschgau. Etwa an der Wende Boreal/Atlantikum ( 5500 bis 2800 v. Chr.) überwand die Tanne dann den Reschenpass (1504 m ü. M.), was sich pollenanalytisch nachweisen lässt. Seit mehreren Jahrhunderten ist bereits ein Rückgang der Bestockungsanteile der Tanne im Bereich der mitteleuropäischen Wälder zu verzeichnen. In älteren Zeiten hat sich dieser Vorgang zunächst meist nur örtlich, unauffällig und unbeachtet vollzogen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Fichte bevorzugt und vor allem durch falsche Bewirtschaftung, aus heutiger Sicht, ist die Tanne immer mehr verdrängt worden und hat schliesslich, beschleunigt durch Schadstoffimmissionen und Verbiss, Ausmasse angenommen, die einen Ausfall dieser wertvollen Baumart befürchten lassen. Das Vinschgauer Tannenvorkommen ist waldbaulich von besonderem Interesse, da sich die Tanne zu einem trockenresistenten Ökotypen («subkontinentale Trockentanne») entwickelt hat. Diese Trockentannen haben für den Gebirgswaldbau grosse Bedeutung, und ihre Bedeutung wird noch steigen, denn durch besseres Regenerationsvermögen nach Dürreperioden und durch geringeres Welken bei Trockenperioden können Trockentannen die zu erwartende Klimaänderung (Temperaturanstieg, Änderung der Niederschlagsituation) besser überstehen. Bedeutungsvoll ist vor allem auch, dass bei den Trockentannen kaum Anzeichen vom «Tannensterben» zu erkennen waren/sind. Dr. Erwin HUSSENDÖRFER befasste sich mit der genetischen Vielfalt der Tannenbestände der Alpen. Hier eine kurze Zusammenfassung: «Vergleicht man die genetische Diversität der Weisstannenwälder auf der Alpensüdseite und im Wallis mit denjenigen

auf der Alpennordseite, so zeigen sich interessante Besonderheiten. Die meisten Weisstannenwälder der Alpensüdseite weisen, verglichen mit den Weisstannenwäldern der Alpennordseite, überdurchschnittliche Werte in ihrer genetischen Variation (Vielfalt, Diversität) auf. Gleichzeitig werden in Weisstannenwäldern der Alpensüdseite die höchsten Werte der genetischen Diversität beobachtet, wobei von den bislang untersuchten Beständen der Laatscher Bruggerwald im Vinschgau die höchste genetische Diversität aufweist. Die höhere genetische Variation der Weiss­ tannenbestände auf der Alpensüdseite können im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückgeführt werden: Einerseits dürfte die geringe Distanz zu den ehemaligen eiszeitlichen Refugien und die vergleichsweise hin30 Tannensämlinge auf wenigen dm2. (Bild: Walter Verdross )

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dernisfreie Einwanderung keinen Flaschenhalseffekt bewirkt haben. Andererseits ist anzunehmen, dass aufgrund der Heterogenität der standörtlichen Bedingungen und des Bestandesklimas (Pioniertannen) eine hohe genetische Variation für überlebenswichtige Anpassungsprozesse erforderlich ist. Die genetische Diversität bleibt dabei durch entsprechende Selektions- und Anpassungsmechanismen erhalten. Aus genetischer Sicht stellen die Weisstannenbestände auf der Alpensüdseite eine bedeutende genetische Ressource dar. Dies gilt sowohl hinsichtlich ihrer Vielfalt an Ökotypen als auch hinsichtlich ihrer genetischen Variabilität. Die Erhaltung dieser Weisstannenbestände und insbesondere die Förderung ihrer natürlichen Verjüngung ist notwendig, «damit die genetischen Ressourcen auch zukünftig zur Verfügung stehen». HUSSENDÖRFER regt auch an, «neben der Ausweisung von Genreservaten als kleinste notwendige Basis, die Erhaltung genetischer Variation und Anpassungsfähigkeit als eine elementare Aufgabe in die forstliche Planung und Tätigkeit zu integrieren». Dies bedeutet eine Erweiterung des Konzepts der forstlichen Nachhaltigkeit zum Schutz des evolutiven Erbes. Die «Trockentanne» – eine eigene Art? Aufgrund obiger Erkenntnisse, zu denen verschiedene Fachleute (z. B. A. Karner, J. und H. Mayer, Braun-Blanquet, E. Hussendörfer, M. Neustifter) unabhängig voneinander gekommen sind, weiss man, dass die «Trockentanne» keine eigene Art ist, wohl aber das Ergebnis der nacheiszeitlichen Waldgeschichte und der vorherrschenden Umweltbedingungen! Also ein Weisstannen-Ökotyp mit eigenem Charakter. Es sind Tannen, die einen Pioniercharakter ausge-

Mehr Verbiss geht gar nicht. (Bild: Walter Verdross)

prägt haben, die sich auf Freiflächen und auf Rohböden verjüngen können. Sie benötigen weniger Überschirmung und weniger Niederschlag, und sie können trotzdem sehr lange unter Schirm ausharren. In Zeiten der Klimaänderung ist es besonders wichtig, solche Populationen innerhalb der Art Weisstanne nicht nur zu erhalten, sondern sogar zu vergrössern. Deshalb wäre auch eine Verbindung zwischen den einzelnen Vorkommen zwecks Genaustausch wünschenswert. Das Problem im Bruggerwald: Der Wald befindet sich innerhalb des Nationalparkes Stilfserjoch, in welchem seit dem Jahre 1983 die Jagd verboten ist. Bereits vor diesem Jagdverbot hatte es die Tanne sehr schwer, sich zu verjüngen, aber seitdem hat es kaum noch eine Tanne geschafft, dem

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Äser zu entwachsen. NEUSTIFTER kam in seiner Diplomarbeit (1997 ) zum ernüchternden Ergebnis: «Der Tannenreliktstandort Bruggerwald verabschiedet sich langsam in Anbetracht der Verbisssituation.» Auch KARNER ( 1972 ) hat sich mit dem Tannenvorkommen im Vinschgau beschäftigt und bereits damals auf die fehlende Verjüngung hingewiesen. Da der Bruggerwald und auch andere Tannen-Restvorkommen (Reliktstandorte) des Vinschgaus im Nationalpark Stilfserjoch liegen, und die Verantwortlichen des Nationalparkes die Einzigartigkeit dieser Tan­nenbestände erkannt haben, wurde ein umfassendes Projekt in Auftrag gegeben, um das Fortbestehen der Tannenbestände zu gewährleisten (2001). Sehr interessante Untersuchungen stellte in diesem Projekt CARMIGNOLA und GERSTGRASSER an. In

der Broschüre «Untersuchungen über die Trockentannenbestände im Vinschgau», herausgegeben vom Amt für Jagd und Fischerei, Bozen, kann man ihre Schlussfolgerungen nachlesen. Eine kurze Passage aus dieser Abhandlung: «Der grösste Schädling der Tanne ist das Wild. Starker Verbiss von Reh-, Rot- und Gamswild führt in Tannenrandgebieten zum gänzlichen Ausfall bzw. zum rapiden Rückgang der Tanne ( in Deutschland, Österreich und der Schweiz etwa 50 % Arealverlust in den letzten 100 Jahren – Bucher et Duc). Tannen sind in vielen Gebieten nur noch unter langfristigem Zaunschutz (15 bis 25 Jahre) hochzubringen. Im Vergleich mit den anderen Baumarten leidet die Tanne gleich in doppelter Hinsicht besonders stark unter Wildverbiss. Einerseits ist sie im Winter als Futterpflanze sehr be-

Der Zaunschutz funktioniert hervorragend. (Bild: Walter Verdross)

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Walter Verdross ist gelernter Förster und leitete von 1986 – Juni 2010 die Forststation Mals im Obervinschgau. Unter seiner Leitung wurden die Förderungs- und Erhaltungsarbeiten zu Gunsten der Trockentanne im Vinschgau aufgenommen und bis heute weiter verfolgt.

gehrt und andererseits reagiert sie auf den Verlust des Gipfeltriebes empfindlicher als alle anderen Baumarten. Nach dem Verbiss bildet sie am Ansatz des verbissenen Triebes zuerst eine Ersatzknospe – dazu braucht sie eine ganze Wachstumsperiode. Mindestens ein weiteres Jahr vergeht, bis der Trieb aus dieser Knospe die einstige Höhe des verbissenen Triebes erreicht hat. Bei wiederholt verbissenen Pflanzen dauert dieser Prozess noch länger. Im Durchschnitt wirft ein Gipfeltriebverbiss die Pflanze in ihrem Höhenwachstum um 2,8 Jahre zurück (Engesser et al., 2000 ).» Will man diesen Trockentannen-Ökotypen für die Zukunft erhalten, so braucht es ein Programm zur Erhaltung und Förderung, das im Wesentlichen folgende Punkte enthalten sollte: – Rotwildreduktion (in ganz Vinschgau) weiterführen und auch auf Reh- und Gamswild (nur im Bruggerwald) ausweiten. – Waldbauliche Behandlung auf die Förderung des Tannennachwuchses ausrichten, kleinflächige Eingriffe vornehmen. – Einzäunung der noch vorhandenen Kleinbestände von Glurns bis Latsch (ohne Zaun geht es leider nicht, auch wenn der Wildbestand sinkt – Tannen schmecken einfach zu gut) – Bepflanzung bestehender Tannenareale mit autochthonen Tannenpflanzen (Jungwuchs fehlt überall)

– Anlage neuer Flächen (Neuaufforstungen) zur Vernetzung der bereits bestehenden isolierten Tannenareale – Beerntung (Samengewinnung) von möglichst vielen Altbäumen und Nachzucht autochthonen Pflanzmaterials und/oder Gewinnung vegetativen Vermehrungsgutes von Altbäumen mit besonderen Genen. Der Forstbezirk Schlanders und besonders die Forststation Mals wurden vor etwa zehn Jahren aktiv und alljährlich wurden Massnahmen durchgeführt, um das Überleben dieser wunderbaren Baumart im Vinschgau zu sichern und auch, um dieses unschätzbare Genpotenzial zu erhalten: Die ersten kleinflächigen Einzäunungen wurden 1999 ( 2 St.) und 2000 ( 3 St.) errichtet, um einen Vergleich im und ausserhalb des Zaun ersichtlich zu machen. Nach nur zwei bis drei Jahren konnte man einen riesigen Unterschied zwischen den Vergleichsflächen feststellen. Während sich hinter dem Zaun eine erstaunliche Zahl an Tannenjungpflanzen prächtig entwickelte, rührte sich ausserhalb des Zaunes gar nichts. Zwar wurden jährlich eine beachtliche Zahl Tannensämlinge festgestellt, doch diese verschwanden im Laufe des Jahres immer wieder. Von den positiven Ergebnissen der Versuchsflächen bestärkt, wurde nun mit bescheidenen Mitteln das Projekt Trockentanne gestartet: Tannenzapfen wurden gepflückt, Tannensamen gewonnen, im eigenen klei-

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nen Forstgarten ausgesät, aufgezogen und verschult. Ehemalige Tannenareale und auch neue Flächen, die sich für Tannen eignen, wurden ausfindig gemacht und mit selbst gezogenen Tannenpflanzen aufgeforstet, um die Reliktstandorte zu sichern und langfristig gesehen auch zu vernetzen (kleinflächige Zäunungen mit grossen Pflanzabständen – 5 x 5 m). Die ersten positiven Resultate liessen auch hier nicht auf sich warten, wenngleich es auch Rückschläge gegeben hat, z. B. als heuer in einer Aufforstungsfläche alle im Herbst gepflanzten Jungtannen Mäusen zum Opfer fielen (Rinde fast vollkommen abgenagt). Pflegerückständen in älteren Tannenbeständen wurde zu Leibe gerückt, mit Entrümpelungen und Durchforstungen im Jungbestand und im Baumholz. Die Förderung der Weisstannen (Lichtgabe, Linderung des Konkurrenzdruckes) stand dabei im Vordergrund. Es ist klar, dass dieses oben genannte Programm zur Förderung der Weisstanne im Vinschgau viel Zeit und auch Geld erfordert, aber Förster sind es gewohnt, nach vorne zu schauen, an die Zukunft zu denken und langfristig zu handeln. Mit Geduld, Ausdauer und in Zusammenarbeit mit allen, die für den Wald verantwortlich sind (Forst, Nationalpark, Waldbesitzer u. a. m.) sollte weitergemacht werden, so wie im Bruggerwald und im Glurnserwald begonnen wurde, dann wird es auch gelingen, die Weisstanne für die Zukunft zu erhalten. Wir dürfen uns diese Chance nicht entgehen lassen, denn

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Graubünden Holz – IN2WOOD stellt sich vor im urbanen Raum, effizienter Nutzung von Holzenergie, Logistik entlang der gesamten Wertschöpfungskette Holz (Supply Chain Management), regionalen Innovationssystemen und einem transregionalen Informationssystem. IN2WOOD ist Teil des 7. Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung in der Europäischen Union, welches das Ziel verfolgt, die europäische Industrie auf wissenschaftlicher sowie technologischer Basis zu stärken und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Zusätzlich sollen die Beziehungen mit südosteuropäischen Staaten gestärkt und neue Partnerschaften aufgebaut werden. Derzeit sind in einem offenen Arbeitsprozess bereits Kroatien, Tschechien, Polen, Rumänien, Serbien und Slowenien in das Projekt integriert. Der Partnerkreis soll im Laufe des Projektes aber noch vergrössert werden. 13 Projektpartner aus 6 Nationen arbeiten zusammmen am EU-Projekt IN2WOOD. (Bild: IN2WOOD)

Graubünden Holz arbeitet seit dem 1. Januar 2010 mit zwölf weiteren Projektpartnern am EU-Projekt IN2WOOD mit. Die Projektgruppe setzt sich aus Vertretern der ­Steiermark (Österreich), welche auch für die Projektkoordination verantwortlich sind, Nordrhein-Westfalen (Deutschland), Südtirol (Italien), Banska Bystrica (Slowakei), Karpaten (Ukraine) und Graubünden Holz als Vertreter aus der Schweiz zusammen. Das Projekt befasst sich mit den Herausforderungen eines nachhaltigen europäischen Waldmanagements. Entscheidende Fragen im Bereich Forschung und in der technologischen Entwicklung der Forstund Holzwirtschaft sollen untersucht und ein gemeinsamer Aktionsplan erarbeitet werden. Das Arbeitsprogramm befasst sich mit nachhaltiger Forstwirtschaft, Holzbau

Zielsetzungen Das oberste Ziel von IN2WOOD ist die Entwicklung eines strategischen 6-RegionenAktionsplans für Innovationsprozesse im holzbasierenden Sektor. Um dieses Ziel zu erreichen und somit die nachhaltige Nutzung des Rohstoffes Holz zu fördern und zu stabilisieren, wurden die folgenden fünf übergeordneten Ziele (General Objectives GOs) definiert: 1. Erhöhung der Holzproduktion durch die Entwicklung von neuen Forstmanagementsystemen 2. Stärken von Innovationssystemen für die nachhaltige und energieeffiziente Verwendung von Holz 3. Entwicklung des Bewusstseins für die Verwendung von Holz als modernen, leistungsfähigen Bau-, Werk- und Energiestoff und die Beseitigung von Vorurteilen gegenüber Holz

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4. Optimierung der Logistiksysteme unter der Verwendung von neuer Informationsund Kommunikationstechnologie 5. Erstellung einer Grundstruktur für ein Informationssystem für den Bereich der Forst- und Holzwirtschaft für den Knowhow-Transfer zwischen einzelnen Regionen Die wesentlichen Vorhaben von IN2WOOD zielen auf drei Bereiche der Wertschöpfungskette Holz ab: Holzproduktion, Holzkonstruktion und Energie aus Holz – verbunden mit Innovations- und Informationsprozessen sowie wesentlichen Aspekten der logistischen Abläufe. Die ausgewählten Bereiche der «Wissensentwicklung» betreffen die gesamte Wertschöpfungskette Holz. IN2WOOD baut auf existierenden bilateralen Kooperationen zwischen den Regionen auf, schärft ihre Komplementaritäten und entwickelt weitere Synergien.

Die Zielsetzungen von IN2WOOD umfassen die ganze Wertschöpfungskette Holz. (Bild: IN2WOOD)

Projektorganisation Das Projekt wurde in sechs Arbeitspakete, sogenannte Work Packages ( WPs ) aufgeteilt, wobei in jedem WP jeweils alle oben aufgeführten Zielsetzungen von Punkt 1 bis 5 behandelt werden sollen. WP1 – Projektmanagement Dies beinhaltet die gesamte Planung und Steuerung zwischen den teilnehmenden

Organisation

Land

Holzcluster Steiermark (Koordinator)

Österreich

Waldverband Steiermark

Österreich

Landesbetrieb Wald & Holz NRW

Deutschland

Wald-Zentrum/Int. Institut für Wald und Holz NRW e.V.

Deutschland

I.D.E.E. Netzwerk NRW

Deutschland

TIS Techno Innovation Südtirol

Italien

Kompetenzzentrum Alpine Bautechnologie

Italien

National Forest Centre

Slowakei

Lesy Slovenskej republiky, s.p

Slowakei

Graubünden Holz

Schweiz

Ukrainian National Forestry University

Ukraine

FORZA Agency for Sustainable Development of the Carpathian Region

Ukraine

PROJEKTkompetenz.eu

Österreich Bündner Wald 1/2011 35

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einzelnen Regionen zu bestimmen. Mit Hilfe einer SWOT-Analyse werden die Stärken, Schwächen, Prioritäten und Potenziale für zukünftige F+ E-Aktivitäten in den einzelnen Regionen ermittelt. WP3 – Strategie Der auf WP2 aufbauende gemeinschaftliche Aktionsplan, welcher zur Laufzeitmitte des 2 ½-Jahres-Projektes hin erstellt wird, vereint regional adaptierte, koordinierte Strategien für zukünftige gemeinsame F+E-Aktivitäten in den erwähnten fünf Feldern ( GOs). WP4 – Pilotkonzept Das WP4 bildet gleichzeitig den Start der Phase II. Dabei werden vorbereitende Massnahmen zur Umsetzung des Aktionsplanes in Form von Pilotkonzepten erarbeitet, welche Partnerschaften, Pläne und Finanzierungskonzepte für innovative Folgeprojekte definieren.

IN2WOOD – vom Forstmanagement bis zu Systemen und Produktinnovationen. (Bild: Hannes Henz, Zürich LIGNUM)

Projektpartnern sowie die Koordination der Mentoring-Regionen während des gesamten Projektes. WP2 – Analyse Ziel des WP2 ist es, mittels einer umfangreichen Analyse den Stand der Dinge der

WP5 – Mentoring (Beratung) Im Rahmen der Förderung von Netzwerken, Wissensaustausch und Clusterformierung in den Interessengruppen innerhalb und zwischen den Regionen richtet sich das Projekt-Mentoring auch an wichtige Waldregionen in Südosteuropa, wo das Konsortium vorhandene Verbindungen stärken und neue Partnerschaften initiieren wird. Das Projekt unterstützt so die Weiterentwicklung und Internationalisierung von forschungsstarken Clustern im europäischen Forstsektor. WP6 – Dissemination Das WP6 verfolgt das Ziel, mittels Plattformen und zahlreichen Events die Zielsetzungen und Ergebnisse des Projektes IN2WOOD einer breiten Öffentlichkeit, sowohl aus dem Forstsektor wie auch darüber hinaus,

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zu präsentieren. Das Hauptziel des Disseminationsaufwandes liegt jedoch darin, die Stärken und Chancen der Wald- und Forstwirtschaft für eine nachhaltige Entwicklung den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik zu demonstrieren und so das Bewusstsein für die Verwendung von Holz als modernen Rohstoff zu fördern. An der LIGNA Hannover, welche als weltweit bedeutendste Plattform für die Forst- und Holzwirtschaft Impulsgeber der Branche ist, wird das EU-Projekt IN2WOOD der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Der internationale Wissenstransfer und das Networking von Ausstellern und Besuchern bieten die besten Voraussetzungen für innovative Vorhaben. Am 30. Mai 2011 findet zudem eine IN2WOOD-Konferenz im Convention Center auf dem LIGNA-Messegelände statt.

Diese internationale IN2WOOD-Konferenz beleuchtet den wichtigen Beitrag der Forstund Holzwirtschaft zur Entwicklung von nachhaltigem, intelligentem und integrativem Wachstum in Europa und darüber hinaus. Stossrichtungen für Graubünden Basierend auf den regionalen SWOT-Analysen wird ein 6-Regionen-Aktionsplan erstellt. Das Arbeitsprogramm von Graubünden Holz im Rahmen des Projektes IN2WOOD orientiert sich primär an den Hauptzielsetzungen von IN2WOOD, welche sich auch grösstenteils mit den Zielsetzungen im Leitbild von Graubünden Holz decken. Eine wesentliche Stossrichtung für Graubünden wird die Neuausrichtung der Strategie von Graubünden Holz

IN2WOOD – Förderung von Innovations- und Informationsprozessen. (Bild: Serge Lunin, Christian Kuhn, Zürich Holzpreis Schweiz – Prix Lignum 2009)

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IN2WOOD Nachhaltige Entwicklung und Innovation in der Forst- und Holzwirtschaft – Clusterentwicklung und Implementierung eines strategischen Massnahmenplans für 6 Regionen. Programm 7. EU-Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration. Projektkosten 2,6 Mio. Euro, davon 2,23 Mio. Euro EU-Förderung. Laufzeit 01.01.2010 bis 30.06.2012 Projektkoordinator Holzcluster Steiermark GmbH Kontakt & Info: Graubünden Holz Christian Felix, T: +41 (0) 81 300 22 38 info@graubuendenholz.ch Weitere Informationen zum Projekt: www.in2wood.eu

sein und damit verbunden eine Überprüfung des Erreichten, mit der neuen Vision «Graubünden avanciert zum Holzkompetenzkanton». Dabei soll eine Plattform für das Stärkefeld Wald – Holz geschaffen werden, in welcher moderne Produktionen, neue Holzanwendungsgebiete und Forschungs- und Entwicklungsbestrebungen sowie Bildung vereint und koordiniert angeboten werden können. Zudem soll die 2008 von Graubünden Holz geschaffene Holzmarktplattform ausgebaut und optimiert werden. Die überarbeitete Holzmarktplattform soll als Drehscheibe von Bündner Holzprodukten fungieren, eine Vernetzung zwischen allen Anbietern ent-

lang der ganzen Holzkette gewährleisten, sowie als Wissenspool der Wald- und Holzwirtschaft dienen. Laufzeit Am 9. und 10. Februar 2010 wurde das Projekt IN2WOOD offiziell gestartet. Der Projektkoordinator ( Holzcluster Steiermark) lud nach Zeltweg in der Steiermark ( AT ) ins Holzinnovationszentrum ( HIZ ) ein. An der Veranstaltung nahmen über 40 internationale Projektpartner teil. Angelegt ist die internationale Zusammenarbeit zwischen den Regionen auf 2 ½ Jahre. Während dieser Laufzeit treffen sich alle Projektpartner in regelmässigen Abständen

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zu sogenannten Strategie-Meetings. Diese sollen dazu dienen, die neuen Erkenntnisse und Fortschritte der einzelnen Regionen zu sammeln und zu strukturieren, um gezielt auf gewisse Schwerpunkte eingehen zu können. Ausserdem wird der Projektstatus mit den definierten Zielsetzungen (Milestones) des Projektes verglichen und die weiteren Schritte und Massnahmen im Projekt werden besprochen und definiert. Das aktuellste Strategie-Meeting hat Anfang Dezember 2010 in Olsberg ( NRW ) stattgefunden. Das 2-tägige StrategieMeeting war gleichzeitig das Kick-of-Mee-

ting für das Work Package 3. Die 2 Schwerpunkte des Meetings bildeten einerseits die Organisation der IN2WOOD-Präsentation an der LIGNA 2011 und andererseits die Formierung sowie erste Diskussionen der Arbeitsgruppen der jeweiligen GOs.

Christian Felix Projektleiter, Graubünden Holz Bahnhofplatz 1, CH-7302 Landquart christian.felix@graubuendenholz.ch

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Erforschung des grössten Buchenurwaldes Europas

Daniel Oertig (Student SHL, Teilnehmer der Urwaldinventur 2010): «Die endlose Weite, die unberührte Wildnis, die super Zusammenarbeit mit ukrainischen Teilnehmern und die Herzlichkeit der ländlich geprägten Bevölkerung – ein unvergessliches Erlebnis». (Bild: Martin Brüllhardt)

In den Karpaten gibt es sie noch: Urwälder, wie man sie in der temperierten Zone Europas sonst kaum mehr findet. Eines der wertvollsten Objekte ist der Buchenurwald UholkaSchyrokyj Luh in der Provinz Transkarpatien im Südwesten der Ukraine. Mit rund 10 000 Hektaren gilt er als der grösste zusammenhängende Buchen-Urwald (Fagus sylvatica) Europas. Ein Teil dieses Urwaldes an der Südabdachung der Ukrainischen Karpaten wurde von der Tschechoslowakischen Republik bereits in den 1920er Jahren unter Schutz gestellt (Brändli und Dowhanytsch 2003 ). Heute gehört das Gebiet Uholka-Schyrokyj Luh zum Karpaten-Biosphärenreservat. 2007 nahm die UNESCO die Buchenurwälder der Karpaten (Ukraine, Slowakei) in die Liste der Weltnaturebe auf.

Referenz für natürliche Dynamik und Diversität Urwälder sind für die Forschung von grossem Interesse. Seit mehreren tausend Jahren hat der Mensch in Europa die Wälder genutzt und gestaltet. Urwaldreste bieten die einzige Möglichkeit, unsere Kenntnisse über die natürlichen Lebensabläufe im Wald zu erweitern und die Artenvielfalt vom Menschen unveränderter Wälder zu studieren. Sie bilden einen wertvollen Vergleichsmassstab, um die Aus­wirkungen verschiedener Nutzungs- und Bewirtschaftungsformen zu untersuchen und zu beurteilen. Wo es keine Urwälder mehr gibt, behilft man sich meist mit Waldreservaten, wobei man davon ausgeht, dass diese mit den Jahren Urwaldähnlich werden (Brang und Heiri 2010 ).

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Auf Initiative von Mario Broggi, von 1998 bis 2004 Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, ist die WSL 1999 eine Forschungskooperation mit dem KarpatenBiosphärenreservat eingegangen. Seither wurden mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds und des Staatsekretariats für Bildung und Forschung SBF ukrainische Urwälder und bewirtschaftete Wälder in der Schweiz und der Ukraine vergleichend untersucht (Commarmot et al. 2005 und 2007, Chumak et al. 2005, Küffer et al. 2004 ). Obwohl Transkarpatien von der Schweiz aus gesehen rund 1000 bis 1500 km im Osten liegt und das Klima etwas kontinentaler ist als bei uns, sind die Wuchsbedingungen in den Karpaten mit vielen unserer Waldstandorte vergleichbar.

Die Rückentwicklung zum Urwald dauert lange 1999 wurde in Zusammenarbeit mit dem Karpaten-Biosphärenreservat und dem Ukrainischen Forschungsinstitut für Bergforstwirtschaft im Urwald von Uholka eine zehn Hektar grosse Beobachtungsfläche angelegt, unterteilt in Teilflächen von 50 x 50 m. Eine entsprechende Vergleichsfläche wurde in einem etwa 150-jährigen Buchenbestand im Sihlwald bei Zürich eingerichtet, der Mitte der 90er Jahre aus der Nutzung entlassen wurde. Alle lebenden Bäume und Dürrständer mit einem Brusthöhendurchmesser ( BHD ) von mindestens 8 cm wurden nummeriert und ihre Koordinaten eingemessen. Liegendes Totholz wurde flächendeckend aufgenommen, die Verjüngung auf 160 Probekreisen von 20 m2 Fläche. Die erste

Totholz in unterschiedlichen Stadien der Zersetzung prägt das Bild des Buchenwaldes. (Bild: Beate Hasspacher)

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Aufnahme erfolgte im Jahr 2000, die zweite 2005 ; die dritte ist zurzeit im Gang. Noch sind die Unterschiede zwischen den beiden Flächen gross (Commarmot et al. 2009 ). Der Urwald, ein praktisch reiner Buchenwald, zeichnet sich insbesondere durch einen deutlich grösseren Anteil an dicken Bäumen aus, wobei auch auf kleinen Flächen Bäume in allen Durchmesserklassen zu finden sind. 2005 waren pro Hektar 23 Bäume dicker als 80 cm, vier sogar dicker als einen Meter. Die dickste Buche auf der Untersuchungsfläche hatte einen BHD von 133,2 cm. Auf der Sihlwaldfläche fehlen solche Riesen noch weitgehend. Die Bäume der mehr oder weniger gleichaltrigen Oberschicht waren mehrheitlich zwischen 50 und 58 cm dick; nur zwei Bäume pro Hektar hatten einen BHD von mehr als 80 cm. Am meisten fallen im Urwald aber die zahlreichen abgebrochenen Strünke und die von Pilzen übersäten liegenden Stämme auf. Totholz ist auf der ganzen Fläche vorhanden, wenn auch in unterschiedlicher Menge. Im Durchschnitt standen und lagen in Uholka 2005 pro Hektar 154 m3 abgestorbenes Holz herum, was 17 % des gesamten Holzvorrates (lebend und tot) ausmachte. Im Sihlwald betrug der Totholzvorrat zehn Jahre nach Aufgabe der Bewirtschaftung etwa 15 m3 pro Hektar ( 2,3 % des Gesamtvorrates). Im Unterschied zum Sihlwald verläuft die Dynamik im Buchenurwald kleinflächig unterschiedlich. Auf 19 der 40 Teilflächen von 0,25 Hektaren nahm der lebende Holzvorrat zwischen den Jahren 2000 und 2005 zu, auf 13 ab, und auf 8 blieb er unverändert. Durchschnittlich starben in den fünf Jahren 14 Bäume pro Hektar ab, ein Viertel davon hatte einen BHD von mehr als 60 cm. Im Sihlwald war die Mortalität im gleichen Zeitraum noch gering und der Holzvorrat nahm auf allen Teilflächen zu. Aufgrund des

Bestandesalters rechnen wir jedoch damit, dass in etwa 50 Jahren vermehrt Bäume der Oberschicht absterben werden, so dass der Totholzvorrat auf der Sihlwaldfläche dann möglicherweise denjenigen in Uholka übertreffen wird. Dennoch wird es wohl mehr als eine Baumgeneration dauern, bis der Sihlwald urwaldähnliche Strukturen aufweist. Repräsentative Daten gefragt Sowohl in Uholka als auch im Sihlwald wurde nur ein kleiner Ausschnitt des Waldes untersucht. Solche Fallstudien auf ausgewählten Flächen ermöglichen zwar detaillierte Analysen der Waldstruktur und -textur (räumliches Muster verschiedener Entwicklungs­phasen) und der Beziehungen und Konkurrenzsituation benachbarter Bäume, aber man weiss nicht, ob und wieweit die Ergebnisse zufällig sind oder auch allgemein gelten. Systematische Inventuren, welche repräsentative Daten für ein Urwaldgebiet von vielen Quadratkilometern liefern, fehlen bisher. Zusammen mit der Nationalen Forsttechnischen Uni­versität der Ukraine in Lviv und dem KarpatenBiosphären­reservat führte die WSL deshalb im Sommer 2010 eine Stichprobeninventur im gesamten Urwald von Uholka-Schyrokyj Luh durch. Sechs Aufnahmeteams, bestehend aus je einem Schweizer und einem ukraini­schen Studenten/einer Studentin, waren im Juli und August gleichzeitig im Einsatz. Die Feld­arbeiten wurden von Ruedi Iseli (Hasspacher&Iseli, Olten) und Mykola Korol von der Universität in Lviv geleitet. Mykola Korol dürfte einigen Leuten des Bündner Forstdienstes bekannt sein, hat er doch 1998 ein neunmonatiges Praktikum beim Kanton Graubünden absolviert. Mit grossem Einsatz und Ausdauer suchten die Studenten und Studentinnen in dem abgelegenen, unwegsamen und zerklüf-

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teten Urwaldgebiet mittels GPS 351 Stich­ probenzentren auf, von denen sie nur die Koordinaten kannten. Dabei überkletterten sie Baumstämme, durchquerten Bäche und kraxelten mit schwerem Rucksack, Jalons und Messinstrumenten Steilhänge hinauf und hinunter. An 314 der angelaufenen Punkte wurde ein Probekreis von 500 m2 Grösse aufgenommen; die anderen Probeflächen waren unzugänglich oder erwiesen sich als «Nichtwald». Das Aufnahme­konzept war ähnlich wie beim Schweizerischen Landesforstinventar und die Aufnahmen sind vergleichbar mit Stichproben­erhebungen in Schweizer Waldreservaten. Die Aufnahmeteams erfassten alle lebenden Bäume und Dürrständer ab 6 cm BHD, wobei sie neben Baumart, Durchmesser und teilweise Baumhöhe Informationen zur Schichtzugehörig­ keit, Stamm- und Kronenform und zu Habitatstruktur­merkmalen wie Baumhöhlen, Rissen, Kronentotholz und ähnlichem notierten. Entlang von drei 16 m langen Transektlinien, ausgehend vom Probeflächenzentrum, bestimmten sie die Dimension und den Abbaugrad aller am Boden liegender Totholzstücke. Auf einem Probekreis von 20 m2 zählten und begutachteten sie die jungen Bäumchen und in einem Umkreis von 28 m rund ums Probeflächenzentrum erfassten sie Spuren natürlicher und allfälliger vom Menschen verursachter Störungen. Zusätzlich wurde von einem Baum pro Probefläche ein Bohrspan entnommen. Einsatz von Satellitenbildern Das Auszählen und Messen der Jahrringe wird einen Einblick in die Altersstruktur des Urwaldes und in den Wachstumsverlauf der Bäume liefern. Die Daten der 314 systematisch verteilten Probeflächen ermöglichen es den Forschern der WSL und der Forsttechnischen Universität in Lviv, durchschnittliche

Kenngrössen des gesamten Urwaldes und deren Variation zu berechnen und zu überprüfen, wie weit sich die auf kleinen Flächen gewonnenen Erkenntnisse zum Aufbau und zur Dynamik der Buchenurwälder in den Karpaten verallgemeinern lassen. Speziell interessiert uns auch die Rolle von natürlichen Störungen für die Walddynamik. Wie resistent sind Buchenurwälder gegenüber Stürmen? Findet die Waldverjüngung tatsächlich meist kleinflächig statt oder kommt es auch hin und wieder zu grösseren Windwürfen und zur Ausbildung gleichförmiger Waldbestände? Zur Untersuchung dieser Fragen werden in einer Dissertation an der WSL die Daten der Stichprobeninventur mit Informationen aus hoch auflösenden Satellitenbildern verknüpft. Flechten und Totholzinsekten Zur Biodiversität kann die Stichprobeninventur keine direkten Daten liefern. Entsprechende Hinweise lassen sich höchstens indirekt aus den erfassten Habitatstrukturmerkmalen ableiten. Eine umfassende Aufnahme von Tieren und Pflanzen war im Rahmen dieser Inventur nicht möglich. Einzelne Komponenten werden jedoch in separaten Projekten untersucht. So führten vier ukrainische Wissenschafter/innen parallel zur Stichproben­inventur im gleichen Gebiet eine Flechtenerhebung durch. Spezielles Augenmerk richteten sie auf die Lungenflechte, eine seltene Flechte, die hauptsächlich an alten Laubbäumen vorkommt. Mit molekulargenetischen Methoden wollen die Forscher nun an der WSL die genetische Vielfalt dieser Flechte und deren Ausbreitung und Populationsdynamik studieren und mit Vorkommen in der Schweiz vergleichen. Ein anderer ukrainischer Wissenschafter befasst sich mit Holz bewohnenden Insekten. In seiner Dissertation untersucht er Bündner Wald 1/2011 43

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Waldwirtschaft und Klimawandel – einen Schritt weiter denken! Bei dieser Weiterbildungsveranstaltung handelt es sich um einen Anlass von Fortbildung Wald und Landschaft und der CIPRA (www.cipra.org). Datum:

Donnerstag, 30. Juni und Freitag 1. Juli 2011

Ort:

Interlaken

Kosten:

CHF 200.– / 290.–

Dauer:

Donnerstag 14.15 – 18.15 ; Freitag 08.15 – 17.00 Uhr

Thema Die erwarteten Klimaveränderungen stellen grosse Herausforderungen für die Waldwirtschaft dar. Es bedarf vorausschauender Anpassungsstrategien, welche weit über die waldbauliche Bestandesbehandlung hinausgehen. Der Anlass zeigt den allgemeinen Stand des Wissens in der Schweiz und in Europa, vertieft Adaptionsstrategien betreffend Holzproduktion, Biodiversität sowie Naturgefahren, und führt in das Konzept des adaptiven Managements ein. In Ateliers werden ausgewählte Fallbeispiele besprochen. Das Seminar wird mit einer Exkursion abgerundet. Zielpublikum Interessierte Fachleute verschiedener Disziplinen, Behördenvertreterinnen und -vertreter des Bundes, der Kantone und der Gemeinden. Für weitere Informationen und Anmeldung: www.fowala.ch

in Zusammenarbeit mit Forschern der WSL im Buchen­urwald von Uholka den Einfluss von Bestandeslücken und Zusammenbruchphasen auf die Diversität, Häufigkeit und Artengarnitur von Totholzkäfern. Den Wert der letzten Urwälder Europas sichtbar machen Mit der Zeit wird sich so das Bild, das wir vom Buchenurwald haben, verdichten. Ein besseres Verständnis der natürlichen Dynamik und der Störungsanfälligkeit bzw. -resistenz der Urwälder wird helfen, die Waldpflege zu optimieren und den Wald mit möglichst wenigen Eingriffen in die gewünschte Richtung zu lenken. Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Struk-

turmerkmalen und Artenvielfalt werden in Konzepte zur Förderung der Biodiversität einfliessen. Nicht zuletzt möchten wir mit diesen Untersuchungen aber auch dazu beitragen, den Wert der letzten europäischen Urwälder bewusst zu machen und diese trotz zunehmenden wirtschaftlichen Drucks langfristig zu erhalten. Weitere Informationen: http://www.wsl. ch/fe/waldressourcen/dossier/ukraine/ Dank: Die Forschungs-Kooperation wurde in den Jahren 2000 – 2003 und 2005 – 2008 grösstenteils vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen seines Osteuropaprogram-mes SCOPES finanziert. Seit 2009 wird das Projekt «Urwaldstrukturen und Biodiversität: Kooperation zwischen der Schweiz und Ukraine auf dem Gebiet der Urwald- und Naturwaldforschung» vom Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF unterstützt. Literatur: Brändli U.-B. und Dowhanytsch J. (Eds.), 2003 : Urwälder im Zentrum Europas. Ein Naturführer durch das Karpaten-Biosphärenreservat in der Ukraine. Bern, Stuttgart, Wien. Haupt. 192 S. n Brang P. und Heiri C., 2010 : Forschung in Naturwaldreservaten. Bündner Wald 63, 3:15 – 20. n Chumak V.; Duelli P.; Rizun V.; Obrist M.K. und Wirz P., 2005: Arthropod biodiversity in virgin and managed forests in Central Europe. For. Snow Landsc. Res. 79, 1/2:101 – 109. n Commarmot B.; Bachofen H.; Bundziak Y.; Bürgi A.; Ramp B.; Shparyk Y.; Sukhariuk D.; Viter R. und Zingg A., 2005: Struc-tures of virgin and managed beech forests in Uholka (Ukraine) and Sihlwald (Switzerland): a comparative study. For. Snow Landsc. Res. 79, 1/2:45 – 56. n Commarmot B.; Chumak V.; Duelli P.;

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Küffer N., Lovas P. und Shparyk Y., 2007: Buchenurwälder als Referenz für Naturschutz: Forschungsergebnisse aus den ukrainischen Karpaten. Natur und Landschaft 82, 9/10: 398 – 400. n Commarmot B.; Shparyk Y.; Sukhariuk D.; Bürgi A. und Zingg A., 2009: Entwicklung zum Urwald? Ein Vergleich zwischen dem Zürcher Sihlwald und dem Buchenurwald Uholka in der Westukraine. In: 2. Hessisches Naturwaldforum Buche. 28. – 29. April 2008 in Bad Wildungen. Mitteilungen der Hessischen Landesforstverwaltung, Bd. 47: 42 – 48. n Küffer

N.; Lovas P. und Senn-Irlet B., 2004: Diversity of wood-inhabiting fungi in natural beech forests in Transcarpathia (Ukraine): a preliminary survey. Mycologia Balcanica 1:129 – 134.

Brigitte Commarmot Eidg. Forschungsanstalt WSL CH-8903 Birmensdorf

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Erfolgskontrolle in Verjüngungsschlitzen Wenn sich ein Schutzwald nicht verjüngt, ist seine Schutzwirkung langfristig in Frage gestellt. Gemäss dem dritten Landesforstinventar weisen noch immer 32 % der Schutzwälder eine kritische bis ungenügende Verjüngung auf1. In Gebirgs-Fichtenwäldern stellt sich aber in schmalen Seilschneisen die Fichtenverjüngung oft gut ein, wie der Bündner Forstmeister Trepp schon um 1955 beobachtete. Spätere Untersuchungen einiger schlitzförmiger Lücken bei Davos und Sedrun (Abb. 1) zeigten dann, dass sich die Fichte in Schlitzen einige Jahre lang ansamen kann, solange die Vegetation den Boden noch nicht dicht bedeckt. In der Folge wurden ab Anfang der Neunzigerjahre zunehmend schlitzförmige Lücken in Gebirgsfichtenwälder geschlagen. Im Sinn einer Erfolgskontrolle wurde die Verjüngung in 38 solchen Schlitzen im Forstkreis Ilanz in den Jahren 2001 und 2006 untersucht2,3. Diese Schlitze waren 1992 bis 1996 geschlagen worden. Die Fragestellung war, wie viel Fichtenverjüngung vorhanden und wie sie innerhalb der Schlitze verteilt war. Die untersuchten Schlitze sind etwa 50 Meter lang und 15 bis 20 Meter breit. Sie liegen sowohl in Nord- als auch in Südexposition, von der hochmontanen bis zur subalpinen Stufe zwischen 1100 und 1800 m ü. M., ihre Hangneigung variiert von 15 bis 66 %. In jedem Schlitz wurde die Verjüngung in drei parallelen Transekten (längliche, unterteilte Probeflächen) von einem, zwei oder vier Metern Breite aufgenommen (Abb. 2 ). Die Transekte lagen senkrecht zur Längsachse der Schlitze, einer davon reichte auch in den angrenzenden Wald hinein. Auf den Transekten wurden die Sämlinge in zwei Höhen- und Durchmesserklassen ausgezählt. Zusätzlich wurde die Entwicklung von 280 Verjüngungspflanzen individuell verfolgt.

Sollstammzahl fast erreicht 2001 wurden pro Hektar 1040 Fichten-

Jungpflanzen zwischen 10 und 129 cm Höhe gezählt, fünf Jahre später aber bereits 2770 pro Hektar (Abb. 3 ). Die Dichte der Sämlinge (<10 cm) war 2001 mit 6960 pro Hektar und 2006 mit 6830 pro Hektar etwa gleich, der Unterschied war statistisch nicht signifikant. Zwischen den Höhenstufen zeigten sich 2006 deutliche Unterschiede: In der hochmontanen und in der unteren subalpinen Stufe waren die Dichten mit 2400 bzw. 2500 Fichten-Jungpflanzen pro Hektar ähnlich, in der oberen subalpinen Stufe dagegen mit 1000 pro Hektar deutlich geringer3. Die Sollstammzahlen liegen für die hochmontane Stufe bei 4000 Fichten-Jungpflanzen pro Hektar4, für die subalpine Stufe bei 1800 Abb. 1: Verjüngungsschlitz in der Umgebung von Sedrun. (Bild: Peter Brang)

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sekte (gelb) in einem Schlitz (weiss) und umgebender Wald (grün).

Fichten-Jungpflanzen5 ( 10 bis 129 cm). Damit ist die Sollstammzahl ( 4000 pro Hektar) in der hochmontanen Stufe noch nicht erreicht, in der unteren subalpinen Stufe ( 1800 pro Hektar ) aber deutlich überschritten. In der oberen subalpinen Stufe wird die Sollstammzahl (1800 pro Hektar) wiederum nicht erreicht. Ist- und Sollstammzahl kann man auch für jeden Verjüngungsschlitz vergleichen. Im Jahr 2006 wiesen insgesamt 53 % ( 20 von total 38 ) der Schlitze genügend viele grosse Fichten-Jungpflanzen auf, 47 % noch zu wenige. Immerhin gab es 2006 in jedem Schlitz Fichten-Jungpflanzen, was 2001 noch nicht der Fall war. Wo entwickelt sich die Fichtenverjüngung am besten? In den Schlitzen kamen 2006 doppelt so viele Sämlinge und zweieinhalb Mal mehr Fichten-Jungpflanzen als im direkt angrenzenden Altbestand vor (Abb. 4 ). Die ökologischen Bedingungen sind im Schlitz also erwartungsgemäss besser als unter dem Schirm der alten Fichten, wahrscheinlich weil es heller und feuchter ist7. Bezüglich Wasserangebot wirken die Baumkronen wie Regenschirme, und zudem entziehen die Wurzeln der grossen Bäume dem Boden Wasser.

Abb. 3: Die Anzahl der Fichten-Jungpflanzen (10 bis 129 cm) verdreifachte sich innerhalb von fünf Jahren fast, die Anzahl der Sämlinge (<10 cm) blieb etwa gleich. Angegeben sind Mittelwerte und einfache Standardfehler des Mittelwertes. (Bild: Peter Brang)

Dichte der Fichtenverjüngung pro Hektar

Abb. 2: Aufnahmeflächen: Aufgenommene Tran-

Mortalität und Verbiss Von 280 Sämlingen, welche 2001 einzeln markiert worden waren, starben innert fünf Jahren 53 % ab, 33 % entwickelten sich zu Jungpflanzen (10 bis 129 cm) und 14 % blieben kleiner als 10 cm. Trotz 53 % Mortalität und 33 % Auswuchs zu den Fichten-Jungpflanzen blieb aber die Dichte der Sämlinge (< 10 cm) in den 38 Schlitzen unverändert. Das bedeutet, dass sich von 2001 bis 2006 viele Sämlinge neu ansamten. Rund 7 % der jungen Fichten waren 2006 verbissen, was deutlich unter dem Grenzwert von 12 % verbissener Endtriebe6 liegt und toleriert werden kann.

9000 2006 2001

8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0

<10 cm

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Optimale Orientierung der Schlitze In Schlitzen mit Nordost-Südwestorientierung wurden signifikant mehr grosse Fichten-Jungpflanzen gezählt als in Schlitzen mit Nordwest-Südostorientierung. Gross war dieser Unterschied aber nicht; bei der Anlage der Schlitze kann man also auf die erntetechnischen Gegebenheiten Rücksicht nehmen. An Nordhängen kamen die Fichten-Jungpflanzen im mittleren und oberen Bereich der Schlitze am dichtesten vor, wobei die Unterschiede gering waren. An Südhängen hingegen wies der untere, am wenigsten besonnte Teil der Schlitze am meisten FichtenJungpflanzen auf. Die Wasserverfügbarkeit dürfte hier der entscheidende Faktor sein. Zu beachten ist, dass von den ursprünglich im Jahr 2001 aufgenommenen SchlitAbb. 4: Im Schlitz waren deutlich mehr Sämlinge und Fichten-Jungpflanzen vorhanden als unter dem Schirm des angrenzenden Altbestandes.

Dichte der Fichtenverjüngung pro Hektar

12000 Schlitz

10000

Bestand

8000 6000 4000 2000 0

<10 cm

10-129 cm

zen, zusätzlich zu den hier präsentierten 38 Schlitzen, bis 2006 weitere acht «verloren» gingen, weil sich die Bestandesränder nach Borkenkäferbefall aufgelöst hatten, besonders in Südexposition. Stabile Bestandesränder sind somit sehr wichtig. Schlussfolgerung Schlitzförmige Bestandesöffnungen eignen sich insgesamt zum Einleiten der Verjüngung: 10 bis 15 Jahre nach dem Aushauen der Schlitze nähert sich die Anzahl der Fichten-Jungpflanzen (10 bis 129 cm) den Sollstammzahlen, und es sind noch zahlreiche kleine Sämlinge vorhanden, welche bald grösser als 10 cm sein und so zum Erreichen der Sollstammzahl beitragen dürften. Eine Ausrichtung der Schlitze in Richtung Südwest ist besonders günstig, aber nicht entscheidend. Es muss allerdings in Kauf genommen werden, dass sich gewisse Schlitze wegen Borkenkäferbefall erweitern. Auf möglichst stabile Ränder ist daher beim Anzeichnen zu achten. Quellen Duc P., Brändli U.-B. Schutzwald hat sich verbessert. Ergebnisse des dritten Landesforstinventars LFI3. Wald und Holz 91 ( 2010 ) 1: 25 – 28 2 Wunder J. Naturverjüngung in schlitzförmigen Bestandesöffnungen. Erfolgskontrolle in hochmontanen und subalpinen Schutzwäldern des Vorderrheintales, Graubünden, Schweiz. 2002, Diplomarbeit, Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Biogeographie, 67 S. 3 Streit K., Wunder J., Brang P. Slit-shaped gaps are a successful silvicultural technique to promote Picea abies regeneration in mountain forest of the Swiss Alps. Forest Ecology and Management 257 ( 2009 ): 1902 – 1909 1

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Bühler U. Jungwaldentwicklung als Eingangsgrösse in die Jagdplanung: Erfahrungen aus dem Kanton Graubünden. Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf, Forum für Wissen 2005: 59 – 65 Ott E., Frehner M., Frey H.-U., Lüscher P. Gebirgsnadelwälder: ein praxisorientierter Leitfaden für eine standortgerechte Waldbehandlung. 1997, Haupt Verlag, Bern

Sonja Zimmermann

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Eiberle K., Nigg H. Grundlagen zur Beurteilung des Wildverbisses im Gebirgswald. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 138 (1987): 747 – 785 7 Brang P. Experimentelle Untersuchungen zur Ansamungsökologie der Fichte im zwischenalpinen Gebirgswald. 199, Professur für Waldbau, ETH Zürich, 375 S.

Jan Wunder

Eidg. Forschungsanstalt WSL

Waldökologie ETH Zürich

CH-8903 Birmensdorf

CH-8092 Zürich

wunder@env.ethz.ch

Peter Brang Eidg. Forschungsanstalt WSL CH-8903 Birmensdorf

brang@wsl.ch

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Zukunft oder Chancen von fremden Baumarten schaftliches Land zu gewinnen, Bauten zu erstellen oder Geschäfte mit dem Holzhandel zu machen. Auch in Graubünden haben in früheren Jahrhunderten Einwanderer gerodet, damit sie siedeln und bauen konnten. Ich denke zum Beispiel an die Walser in Graubünden. Südafrika Der grösste Teil der ursprünglichen Naturwälder wurde in den vergangenen 200 Jahren abgeholzt, in Agrarflächen umgewandelt oder durch Plantagenwälder ersetzt. Einige Primärwälder längs der Flüsse und einzelne wertvolle Baumarten wurden in den vergangenen Jahrzehnten geschützt. In der Umgebung des Reservates beim Phiphidi-Wasserfall finden sich grosse Plantagen mit diversen Föhren und Eukalyptus. Stinkholz (Ocotea bullata) bei Knysa. Naturwald im Vordergrund und Föhrenplantagen

(Bild: Oskar Hugentobler)

(Pinus Taeda, Pinus elliottii und weitere Pinusarten) im Hintergrund beim Phiphidi-Wasserfall. (Bild: Oskar Hugentobler)

Wer mit offenen Augen reist, den interessieren nicht nur Landschaft, Leute oder Vergnügungen, sondern auch Themen zum eigenen Beruf oder seinen Hobbys. Für einen Förster sind auf Reisen in fremde Länder selbstverständlich auch die Gehölze und die Waldbewirtschaftung von Interesse. Vergleiche mit den eigenen Erfahrungen in der Schweiz und den Beobachtungen, wie man sie in Südafrika oder in Südamerika machen kann, führen möglicherweise zu falschen Schlüssen. Die nachfolgenden Ausführungen sind subjektive Momentaufnahmen. Sämtliche Waldungen über die ich berichte, zeigen Spuren von Einwanderern aus Europa. Holznutzungen und Rodungen wurden zum Teil getätigt um entweder landwirt50

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nur noch einzelne Bäume in Primärwaldresten oder in unter Schutz gestellten Waldgebieten zu finden. Das Holz des immergrünen Laubbaumes ist qualitativ mit dem Teakholz vergleichbar. Infolge seines rotbraunen bis schwarzen Holzes, mit den gelblichen «Augen», war es äusserst begehrt zur Herstellung von dauerhaften Möbeln. Eine weitere interessante Tropenholzart, von der in Südafrika nur noch wenige Exemplare im Primärurwald zu finden sind, ist Afrocarpus falcatus (Syn. Podocarpus falcatus). Das Holz dieser Baumart wurde ebenfalls für die Möbelherstellung genutzt. Das Holz findet aber auch Verwendung für die Herstellung von Parkettböden, Fensterrahmen und als Zimmermannsholz.

Araucaria araucana und blühende Embothrium coccinea. (Bild: Oskar Hugentobler)

Die Plantagen mit Föhren oder Eukalyptus haben eine sehr kurze Umtriebszeit. Im Alter von rund 30 Jahren werden die Bäume grossflächig genutzt. Danach lässt man die Stockausschläge der Eukalyptusbäume in einem Rhythmus von zweimal 30 Jahren wieder wachsen. Anschliessend wird die Kulturfläche vollständig abgebrannt und erst danach werden wieder Jungpflanzen gesetzt. Dort, wo die Eukalyptusbäume stehen gelassen wurden, erreichen diese durchaus Baumhöhen von über 60 m. Bei den Föhrenarten wird die «Waldfläche» nach jedem Kahlschlag abgebrannt und dann wieder frisch angepflanzt. Das Risiko, dass bei Trockenperioden diese Monokulturen grossflächig eingehen ist gross. Von den wertvollen Edelhölzern wie zum Beispiel vom Stinkholz (Ocotea bullata) sind

Chile Zusammenhängende grössere Waldungen finden sich vor allem im Süden von Chile. Im 19. Jahrhundert wanderten sehr viele Deutsche ein, rodeten grosse, bisher kaum genutzte Waldflächen, bauten mit dem gefällten Holz ihre Häuser und betrieben Landwirtschaft. Das gemässigte Klima des «kleinen Südens» gefiel den Siedlern. Doch das bearbeitete Land brachte erst der zweiten Generation der Ankömmlinge ein gutes Auskommen. Noch Ende des 20. JahrhunReste der Eukalyptuskulturen nach einem Kahlschlag bei Tzaheen. (Bild: Oskar Hugentobler)

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Hundertjähriges Wohnhaus, erstellt mit Holz der Alerce, in der Nähe von Puerto Varas. (Bild: Oskar Hugentobler)

derts wurden viele ursprüngliche Wälder kahl geschlagen und die Waldböden der Landwirtschaft zugeführt. Mit künstlich herbeigeführten Waldbränden wurde die Umwandlung beschleunigt. Noch zeugen in den Wiesen stehende verkohlte Baumstümpfe von diesen Massnahmen. An der Baumgrenze in den Anden stocken an den Hängen verschiedener Vulkane im «kleinen Süden» Araukarien (Araucaria araucana) in Mischung mit diversen Südbuchenarten (z. B. Nothofagus pumilio und Nothofagus dombey). Die rotblühenden Feuerbüsche (Embothrium coccineum) im Unterholz erhöhen die Attraktivität der Landschaft. Die Araukarien haben eine feuerbeständige Rinde, die bei den gelegentlichen Vulkanausbrüchen das Überleben der Bäume begünstigt. Die geraden, säulenförmigen Stämme der Araukarien mit der feinen, gleichmässigen Struktur machen sie zur Gewinnung von Nutzholz begehrenswert. Für die hier wohnenden Mapuche-Indianer war der Baum heilig. Infolge der rigorosen Übernutzung verbot der chilenische Präsident Aylwin 1990 das Fällen der Araukarien. Mit der Ausscheidung von Waldreservaten und Na­ tionalpärken scheint es, dass diese Baumart

heute vor ihrer Ausrottung gerettet ist. Die obenstehenden Bilder habe ich im chilenischen Nationalpark Conguillío an den Hängen des Vulkans Llaima in einer Höhenlage von rund 2000 m ü. M. aufgenommen. Eine weitere Nadelholzart mit hervorragenden Holzeigenschaften ist die «Alerce» (Fitzroya cupressoides), im deutschen Sprachbereich auch Patagonische Zypresse genannt. Der Baum kommt sowohl in Chile wie auch in Argentinien vor. Die deutschen Siedler verwendeten das Holz dieser Baumart zur Erstellung von dauerhaften Wohnhäusern und auch im Innenausbau. Die Alerce wurde derart intensiv genutzt, dass sie beinahe ausgerottet ist. Der Vorort Alerce in der Nähe von Puerto Montt erinnert zum Beispiel an die verschwundenen Wälder. In Argentinien ist die Nutzung dieAraucaria-angustifola-Bestand bei Ruiz de Montoya. (Bild: Oskar Hugentobler)

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Argentinien Die Probleme bei der Nutzung von gefährdeten Baumarten sind mit denjenigen in Chile vergleichbar. Die Schweizer Schule ILC in Ruiz de Montoya in der Provinz Misiones besitzt eigenen Wald. Im Rahmen der Ausbildung ihrer Schüler in landwirtschaftlichen und handwerklichen Bereichen werden diese Waldungen, obwohl es sich nicht um Naturwälder handelt, nachhaltig bewirtschaftet. Die Schule versucht die landwirtschaftlichen Interessen mit denjenigen der Forstwirtschaft in Einklang zu bringen. Die Schnitthölzer von Pinus elliotii und von Araucaria angustifolia haben sehr gute Eigenschaften. Die Holzqualität von Araucaria angustifolia ist mit derjenigen von Araucaria araucana vergleichbar. Mit dem Erlös aus der Holznutzung kann ein Teil der Kosten für die Schule erwirtschaftet werden. Bertholletia excelsa mit einem Stammdurchmesser von rund 1,5 m. (Bild: Oskar Hugentobler)

ser Baumart seit 1975 verboten, seither ist auch der internationale Handel untersagt. In Chile wurden in den letzten Jahren, vor allem in Privatwäldern, immer noch einzelne Exemplare gefällt, trotz der heutigen Bezeichnung «Nationales Monument» resp. «Naturdenkmal». In der Gegenwart werden aus dem grossflächig geschlagenen Holz nicht nur Sortimente für den Bau, sondern vor allem Hackschnitzel produziert. Diese werden dann in Puerto Montt oder in Punta Arenas in grossen Mengen nach Japan verschifft. Nicht immer steht die Holzproduktion im Vordergrund. Bei der Gewinnung von zusätzlichem Weideareal für die Schafe werden in Patagonien und Feuerland immer noch grössere Waldungen nur teilweise genutzt und nachher abgebrannt.

Bolivien Bolivien erstreckt sich von den Anden, mit Gipfeln höher als 6000  m ü. M., bis in die Flusstiefen im Einzugsgebietes des Amazonas an der Grenze zu Brasilien auf ca. 150  m ü. M. In Höhenlagen um 1800 bis 2500 m ü. M. finden sich noch grössere NaturwaldBrandrodung unterhalb des Nationalparks Ambró bei Samaipata. Noch stehen einige angebrannte Kaktusse. (Bild: Oskar Hugentobler)

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flächen. Allerdings werden zur Gewinnung von Weide- und Ackerland laufend nicht geschützte, interessante, artenreiche Naturwaldungen brandgerodet. Die tonarmen Waldböden sind äusserst erosionsempfindlich. Die nach der Rodung mögliche landwirtschaftliche Nutzung ist deshalb nur über eine kurze Zeit erfolgreich. Schon nach kurzer Zeit bilden sich tiefe Erosionsrinnen oder setzen sich ganze Hänge in Bewegung. In den Tieflagen sind die Auswirkungen der Starkregen auf die Böden der ehemaligen Naturwälder nicht so offensichtlich. Doch auch hier wird die eisenhaltige Feinerde nach den Rodungen laufend weggeschwemmt. Vor hundert Jahren wurde hier Naturkautschuk gewonnen. Damals war niemand daran interessiert, die Wälder zu vernichten. Mit dem Bevölkerungswachstum und dem vermehrten Konsum von Fleisch ist der Druck auf die «unrentablen»

Waldungen gestiegen. Auf den gerodeten Gebieten weiden Kühe. Das Fleisch derselben endet, unter anderem, auch auf unseren Ladentischen als «Bündnerfleisch». Die Darmhäute der «Urwaldkühe» eignen sich besonders gut bei der Herstellung der Cervelats. Als besonderer Baum ist noch die Brasilnuss (Bertholletia excelsa) zu erwähnen. Die Nüsse dieses Baumes werden auch noch in der Gegenwart geerntet und zum Beispiel in Riberalta verarbeitet. Deshalb werden diese Bäume bei Brandrodungen glücklicherweise noch geschont.

Oskar Hugentobler Dipl. Forsting. ETH Tranter flurs, 7440 Andeer hugentobler_forsting.eth@bluewin.ch

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Ein Umweltschutzprojekt mit neuer Logik

YASUNÍ-ITT, eine Initiative, die zur Rettung unserer Wälder und somit auch unserer Welt beitragen kann. ( Bild: LA TARDE, Vespertino de Cuenca, www.latarde.com.ec)

Ecuador, südlich von Kolumbien und nördlich von Peru gelegen, mit einer Fläche von 255 920 km2 eines der kleinsten Länder Südamerikas. Trotz seiner Grösse gehört Ecuador zu den vielfältigsten Ländern der Erde. Die aussergewöhnliche Geografie verleiht dem Land eine unermessliche Artenvielfalt in den vier natürlichen Regionen: Das Andenhochland mit dem Chimborazogletscher auf 6310 m ü. M.; das Küstengebiet am Pazifischen Meer mit den grossen Bananenplantagen, den Mangrovenwäldern und den Crevettenzüchtern; das Amazonasgebiet, welches Don Francisco de Orellana 1541 auf der Suche nach Reichtümern und Zimt, die im Dschungel vermutet wurden, entdeckte, und die Inselgruppe Galapagos mit verschiedenen Pflanzen, Vögeln, Reptilien und Säugetieren, die nur noch auf diesem Archipel

vorkommen, und wo Charles Darwin seine Evolutionstheorie entwickelte und diese auch belegen konnte. Die Klimazonen, die Tier- und die Pflanzenwelt sind nach Regionen sehr verschieden und weltweit einzigartig. Die Unesco erklärte zwei Nationalparks zu Weltnaturerben: die Galapagos-Inseln und das Gebiet um den Vulkan Sangay im Amazonasgebiet. Seit der Einwanderung und Eroberung durch die Spanier 1492 wurde Land und Bevölkerung schamlos unterdrückt und nach Strich und Faden ausgebeutet. Die einheimischen Wälder an der Küste und im Hochland wurden zum Grossteil gerodet und mit schnellwüchsigen Eukalyptusbäumen ersetzt, und im Amazonasgebiet wurden die wertvollen und geschützten Mahagoni und Zeder illegal geschlagen. Viele Ortsnamen erinnern Bündner Wald 1/2011 55

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Der tropische Wald versorgt die indigene Bekölkerung mit Nahrung, Heilpflanzen und spirituellem Reichtum.( Bild: LA TARDE, Vespertino de Cuenca, www.latarde.com.ec)

noch an spezielle Bäume und Pflanzen, die aber nur noch selten oder gar nicht mehr anzutreffen sind: Capulispamba (Capulí ist eine Art von Kirsche, und das Holz wurde für den Häuserbau verwendet), Toctepamba (Tocte ist eine Art Walnuss und existiert nur noch vereinzelt), Serrag oder Sarrar sind Ortsnamen, die an einheimische Wälder erinnern. Die ständige Umwandlung und Schädigung der natürlichen Gebiete, der Verlust der Artenvielfalt durch nicht nachhaltige Nutzungs- und Ausbeutungsmethoden der Bodenschätze ist weiterhin ein latentes Problem für Land und Klima. Mit der Natur, nicht von der Natur leben In den letzten Jahrzehnten wurden sich die ecuadorianische Regierung und die zivile Gesellschaft des natürlichen Reichtums des

Landes bewusster und verpflichteten sich, diesen zu schützen. Die Bewahrung der Natur und ihrer Biodiversität ist von höchster Bedeutung und seit 2008 eine verfassungsrechtliche Pflicht, um den kommenden Generationen eine einigermassen intakte Umwelt zu hinterlassen. Aus diesen Gründen wurde ein bedeutender Anteil des Landes zu Schutzzonen und Reservaten erklärt, und zwar nicht nur, weil die Wirtschaft des Landes auf die Nutzung der natürlichen Bodenschätze aufbaut, sondern weil ihre Erhaltung eine verfassungsrechtliche Pflicht für Volk und Regierung darstellt und das Überleben und die Lebensqualität eines grossen Teils der Bevölkerung vom Fortbestand der einheimischen Lebewesen abhängt. Die Staatsverfassung von 2008 spricht ausdrücklich nicht nur von Menschen- und Tier-

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rechten, sondern auch von den «Rechten der Natur» und vom «buen vivir» (das gute Leben – das harmonische und solidarische Leben), wie es zahlreiche indigene Stämme und Völker vorgeschlagen haben. Damit meint die Verfassung, dass die ganze Natur, lebendige und nicht-lebendige Elemente, abgesehen vom Nutzen für den Menschen, ein Recht auf Respekt, Achtung, Ehrfurcht, Existenz und Erhaltung hat. Dreiunddreissig Gebiete gelten derzeit als geschützte Zonen – wie Nationalparks, biologische, ökologische und geobotanische Reservate – und stehen unter staatlichem Schutz, d. h. 18% der Gesamtoberfläche, ohne das Meeresreservat Galapagos einzubeziehen. Andererseits bezieht sich die Artenvielfalt nicht nur auf die Tier- oder Pflanzenwelt, sondern auch auf die Kulturen der Ureinwohner, ihre Sprachen, Religionen, Mythen, Glaubenssymbole, soziale Gefüge und Formen, wie man mit der Natur nach Tradition umzugehen hat. Die Ureinwohner des Amazonasgebiets verstehen sich als Teil der Natur und nicht als Herren oder Eigentümer. Der tropische Wald versorgt sie mit Nahrung, Heilpflanzen und spirituellem Reichtum und ist so Supermarkt, Apotheke und Kirche in einem. Das erklärt den tiefen Respekt dieser Menschen gegenüber ihrem Lebensraum und warum sie ihren Wald auf Leben und Tod verteidigen: gegen Bauern, die den Wald plündern wollen, gegen internationale Firmen, die nach Erdöl bohren und nichts als Verschmutzung zurücklassen, aber auch gegen skrupellose Tierhändler, die Tiere einfangen, ungeachtet der Folgen, die dadurch in der Nahrungskette entstehen.

Pflanzen beherbergt und wo es auf einem Quadratkilometer mehr Baumarten gibt als in ganz Europa, entdeckten die Erdölfirmen auf der Suche nach dem «schwarzen Gold» die grössten Ölreserven des Landes. Für die ecuadorianische Wirtschaft ist das Öl lebensnotwendig und das wichtigste Exportgut und unentbehrlicher Rohstoff für die Industriestaaten. Seine Ausbeutung bringt aber eine Reihe von Problemen mit sich, die sich negativ auf «die grüne Lunge der Erde» auswirken. In diesen Gebieten, inmitten dieser unwahrscheinlichen Artenvielfalt, überlebten noch indigene Volksstämme, die bis heute keinen Kontakt zur Aussenwelt haben und in freiwilliger Isolation weiterhin unabhängig und in Freiheit leben wollen. In diesem irdischen Paradies, welches unzählige Arten von Tieren beherbergt, entdecken die Erdölfirmen jedoch das «schwarze Gold». ( Bild: LA TARDE, Vespertino de Cuenca, www.latarde.com.ec)

Amazonasgebiet, die grüne Lunge des Planeten In diesem irdischen Paradies des Amazonas, welches unzählige Arten von Tieren und Bündner Wald 1/2011 57

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In diesen Gebieten leben noch indigene Gruppen, die bis heute keinen Kontakt zur Aussenwelt haben. (Bild: LA TARDE, Vespertino de Cuenca, www.latarde.com.ec)

Die Initiative Yasuní-ITT Im 1900 km2 grossen ITT-Gebiet (IshpingoTambococha-Tiputini-Gebiet), das zum Ya­ suní-Nationalpark gehört, soll knapp eine Milliarde Barrel Rohöl lagern. Die Erdölförderung der letzten 40 Jahre hinterliess katastrophale Folgen auf weiten Waldflächen des Amazonasgebiets: Grossflächige Rodungen, schwere Ölverseuchungen und das Leben ganzer indigener Völker wurde ausgelöscht. Vor drei Jahren übernahm die ecuadorianische Regierung der Bürgerrevolution mit der Unterstützung des Volkes offiziell eine von Umweltschützern entwickelte Initiative, nach der das Erdöl im Boden belassen wird. Für den Präsidenten Rafael Correa gilt das Projekt Yasuní-ITT als Priorität und ist international vorbildhaft, da es Entwicklung und Klimaschutz zu verbinden versucht. Es

handelt sich somit um eine wichtige «Ini­ tiative gegen die kapitalistische Rohstoffpolitik und bedeutet ein totaler Bruch mit der Vergangenheit». Die Regierung spricht von 20 % der nachgewiesenen Erdölreserven des Landes, auf dessen Förderung sie verzichten will, wenn sich die internationale Gemeinschaft mit einer Entschädigung in Höhe von 50 % der bei der Förderung und Verkauf des Erdöls zu erwartenden Einnahmen beteiligt. Die Schätzungen der Kompensationszahlungen sehen 350 Millionen US-Dollar pro Jahr für eine Frist von zehn Jahren vor. Das Geld fliesst in einen Treuhandfonds, der vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Na­tionen verwaltet wird. Dadurch wird der Welt der Ausstoss von 410 Millionen Tonnen CO2 erspart (wobei der UN-Klimabericht Massnahmen zur CO2-Reduktion mit 100

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US-Dollar pro Tonne ansetzt) und bekommt dafür Sauerstoff aus dem Regenwald. Ein bahnbrechender Beitrag einer neuen Logik Yasuní-ITT ist mehr als ein Projekt zum Schutz des Regenwaldes: Es ist ein Schritt in Richtung einer Gesellschaft, die die natürlichen Ressourcen genauso schützt wie die Menschenrechte; es ist ein ganzheitlicher und revolutionärer Vorschlag, da er nicht nur die Artenvielfalt schützt und zur Lösung der globalen Probleme des Klimawandels effizient beiträgt, sondern auch bestrebt ist, die Armut und die Ungleichheit im Land zu bekämpfen. Ecuador leistet so einen «innovativen, gewagten und bahnbrechenden Beitrag für die

Menschheit», sagte UN-Funktionärin Grynspan bei der Unterzeichnung des Treuhandfonds am 3. August 2010. Und für María Fernanda Espinosa, Naturschutzministerin und derzeit die engagierteste Verfechterin der Yasuní-ITT-Initiative in der Regierung, ist die Unterzeichnung nach jahrelangem Werben für diese «neue Logik» der bislang wichtigste Schritt der Regierungsinitiative, ein Zeichen der Hoffnung für eine heilere Welt zu setzen.

P. Román Malgiaritta Parroquia El Vergel 12 de Abril 1, 13 y Las Herrerías Cuenca, Equador romanmalgiaritta@gmail.com

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Collaborazione per la formazione professionale forestale

Il responsabile degli istruttori EFS Zeno Bontognali procede all'analisi della pianta e illustra la tecnica di abbattimento. (Foto: Foto Comunità Montana Valtellina di Tirano)

L’esperienza della comunità Montana Valtellina di Tirano e l’efs economia forestale svizzera Ambito di intervento La Comunità Montana Valtellina di Tirano è un Ente Locale che si trova in provincia di Sondrio, allo sbocco della Valle di Pos­chiavo, ed opera in vari settori dell’economia mon­ tana con particolare riferimento alle tema­ tiche forestali e territoriali. Il territorio della Comunità Montana Val­ tellina di Tirano, che raggruppa 12 Comu­ ni da Teglio a Grosio, è caratterizzato dalla presenza di elementi di pregio ambientali, economico-produttivi e storico colturali: paesaggi naturali e contesti rurali di par­ ticolare interesse, cultura contadina tradi­ zionale, produzione agroalimentare tipica,

il tutto permeato da una discreta vocazione turistica. In questo contesto il legame delle popola­ zioni locali con il territorio è particolarmente forte e sentito anche in quei valligiani che si sono trasferiti fuori provincia, in particolare a Milano e nell'hinterland, per sfruttare le prospettive economiche e occupazionali. Un ambito di intervento che esplicita in modo significativo il rapporto tra l’uomo e il territorio che lo circonda è rappresentato dalla filiera bosco-legno che, nel compren­ sorio della Comunità Montana Valtellina di Tirano, trova tutte le potenzialità di svilup­ po sia in termini di infrastrutture e strutture presenti, di tessuto imprenditoriale ed eco­ nomico. In particolare si riscontrano i seguenti punti di forza:

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– Presenza di industrie di prima lavorazione del legno per una quota consistente del segato nazionale italiano (15 %) e di un ricco tessuto artigianale di lavorazione finale con prodotti di alta qualità, tale da configurare per il settore legno un vero e proprio «distretto industriale» di conoscenze, capacità e strutture produttive. – Localizzazione di una grossa centrale di teleriscaldamento e di produzione di energia elettrica a biomassa vergine di origine forestale. – Superficie forestale di 16 145 ettari pari al 35,72 % della superficie totale. – Pianificazione della superficie forestale e attivazione di progetti mirati alla valoriz­ zazione e protezione delle risorse agrofo­ restali e delle infrastrutture presenti. – Collaborazione transfrontaliera con la Valle di Poschiavo. – Presenza di imprese boschive qualificate e maestranze forestali. Il comparto forestale Le caratteristiche strutturali del comparto forestale sono individuate in una sua fun­ zione specifica di tutela e conservazione del territorio, senz’altro prioritaria rispet­ to a quella produttiva e in un sottoutilizzo del legname esistente sia per ragioni legate all'andamento di mercato sia per difficoltà nell’attivazione della filiera bosco-legno. La consistenza della superficie forestale è pari a 16 145, ha di cui circa 7600 Ha risul­ tano assestati e suddivisi in bosco di produ­ zione (circa 3700 ha) e bosco di protezione (circa 3900 ha) Le utilizzazioni boschive medie annue sono pari a circa 3000 mc. I boschi privati rappresentano circa il 50 % della totalità dei boschi della Comunità Montana con una superficie complessiva di oltre 8000 ettari.

L’attività privata nel comparto forestale non è da sottovalutare in quanto annualmente vengono utilizzati circa 20 000 q.li di legna da ardere. Questo dato è molto significativo in consi­ derazione dell’elevata frammentazione del territorio boschivo e testimonia chiaramente che, nel territorio della Comunità Montana Valtellina di Tirano, i boschi privati non sono abbandonati all’evoluzione naturale bensì risultano ancora oggetto di intervento da parte della popolazione locale. A fronte di una realtà imprenditoriale par­ ticolarmente vivace nel settore della prima trasformazione si è riscontrata una carenza di formazione professionale degli addetti alle utilizzazioni boschive. Le ditte boschive professionali molto spesso lavorano all’estero, in particolare in Svizzera e Francia e la maggior parte delle utilizza­ zioni vengono eseguite da operatori privati e hobbisti con pesanti conseguenze sia in termini di qualità degli interventi ma soprat­ tutto con gravi rischi di incidenti. Il progetto di formazione professionale A seguito di numerose sollecitazioni delle ditte boschive e con la preziosa collabora­ zione dell’azienda forestale di Poschiavo, la Comunità Montana Valtellina di Tirano ha avviato nell’anno 2001 un progetto ambi­ zioso con l’obbiettivo di fornire a tutti colo­ ro che hanno scelto di operare nel bosco le basi sufficienti per svolgere la propria atti­ vità in condizioni di sicurezza. Il progetto è stato messo a punto con l’associazione elvetica Economia Forestale Svizzera ( E.F.S. ) di Solothurn, che opera da anni in sinergia con l’Italia e ha raggiunto un considerevole livello di preparazione nel settore della formazione di addetti al settore forestale al punto di ottenere il certificato ISO secondo la norma 9001/2000 per il suo Bündner Wald 1/2011 61

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moderno sistema di gestione della qualità. Sono stati avviati gli opportuni contatti con la Regione Lombardia che ha condiviso il progetto e ha concesso i finanziamenti ne­ cessari per intraprendere il percorso di for­ mazione. Il primo obiettivo del progetto è stato quello di individuare e costituire un team di istruttori forestali, capaci di farsi promotori della formazione nel settore boschivo ed in grado di trasmettere a coloro che operano in bosco la propria professionalita’, competenza ed es­ perienza nel taglio ed esbosco del legname. La Comunità Montana Valtellina ha forma­ lizzato un accordo con l’EFS per la definizio­ ne del percorso formativo degli istruttori che ha precisato il ruolo tecnico dell’associazione forestale svizzera nella preparazione dei con­ tenuti del corso, per l’assistenza tecnica e per la verifica della preparazione dei corsisti. E’ stato predisposto un bando di partecipa­ zione al corso di istruttore forestale riser­ vato a ditte boschive operanti nel settore forestale. Sono pervenute 27 domande, è stata svol­ ta una prova selettiva con 24 partecipan­ ti e, a seguito del giudizio insindacabile della commissione tecnica dell’EFS, sono stati selezionati 12 candidati ritenuti idon­ ei all’ammissione al corso di taglio e di es­ bosco. Il programma di formazione previsto dal corso di taglio ha comportato 2 settimane di esercitazioni pratiche e 3 giorni di teoria e didattica per approfondire le varie tecniche di taglio, conoscere ed applicare le norme di sicurezza, prevenire gli incidenti sul lavoro in bosco. E’ stato redatto un progetto di taglio riguar­ dante l'utilizzazione di 350 mc. di conifere e di 70 mc. di latifoglie che è stato effettuata dai corsisti con la supervisione e il controllo degli istruttori tecnici dell’E.F.S.

Il corso di esbosco ha avuto un durata di 7 giorni nei quali sono state effettuate dimos­ trazioni pratiche di esbosco del legname me­ diante utilizzo di teleferica mobile, trattore forestale ed elicottero. Al termine del cor­ so sono stati diplomati 10 istruttori forestali che hanno consegiuto l`idoneità alla forma­ zione riconoscio dalla regione Lombardia e dall`EFS. I 10 neo-istruttori forestali hanno costituito una cooperativa denominata ISFOL ( ISTRUTTORI FORESTALI LOMBARDI ), prima in Lombardia, che si è proposta di essere lo strumento operativo per raggiungere gli ob­ biettivi del progetto promosso dalla Comu­ nità Montana: Al termine del corso sono stati diplomati 10 istruttori forestali che hanno conseguito l’idoneità alla formazione riconosciuta dalla Regione Lombardia e dall’EFS. (Foto: Comunità Montana Valtellina di Tirano )

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L'istruttore forestale Guido Giacometti procede con gli allievi all'analisi del ceppo di una pianta tagliata con l'utilizzo del martinetto idraulico. ( Foto: Comunità Montana Valtellina di Tirano )

– proteggere l’operatore aumentando il livello di sicurezza del lavoro, – garantire la gestione sostenibile della risorsa forestale, – salvaguardare il bosco migliorando gli aspetti tecnici delle utilizzazioni boschive introducendo sistemi razionali di abbatti­ mento ed esbosco. Per essere costantemente al passo con le nuove tecniche di lavoro nel settore fo­ restale e quindi garantire nel tempo un alto livello di offerta formativa gli istruttori fo­ restali hanno impostato la loro attività sulla base dell'esperienza dell’E.F.S. con la quale sono stati mantenuti costanti rapporti per l’aggiornamento professionale e sono stati condivisi i programmi di formazione. Condizione indispensabile per assolvere al ruolo di istruttore forestale è quella di conti­

nuare ad esercitare la professione di bosca­ iolo, prevedendo un'attività di formazione non superiore ai due mesi all’anno. La Comunità Valtellina di Tirano ha forte­ mente creduto in questo progetto e negli anni successivi ha investito molte risorse per lo svolgimento da parte della Coopera­ tiva ISFOL di corsi di formazione per ope­ ratori forestali, ritagliandosi un ruolo di coordinamento attivo nell'organizzazione dei corsi, curando gli aspetti amministra­ tivi e finan­zianziari, nonché quelli tecnici riguardanti la predisposizione dei progetti di taglio. I corsi sono stati indirizzati ad una platea di operatori molto vasta con precedenza per gli operatori professionali, ma aperti al per­ sonale dei vari Enti, agli operatori privati ed anche agli hobbisti. Bündner Wald 1/2011 63

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Le finalità principali del corso sono le se­ guenti: – Applicare le regole fondamentali del taglio e della preparazione del legname con l’attrezzatura tecnica appropriata – Prevenire gli incidenti sul lavoro – Come comportarsi in caso d’infortunio – Eseguire i lavori di manutenzione degli attrezzi – Applicare le regole fondamentali della fisiologia del lavoro. La Comunità Montana Valtellina di Tirano, in collaborazione con la cooperativa I.S.F.O.L e l’E.F.S., nel corso dell’ultimo quinquennio ha formato 200 operatori forestali ai quali e' stato consegnato l’attestato di partecipa­zione che costituisce titolo preferenziale per i lavori forestali finanziati dalla Regione Lombardia e ha validità anche in Sviz­ zera Riconoscimento regionale Il progetto elaborato dalla Comunità Mon­ tana Valtellina di Tirano in collaborazione con l’Economia Forestale Svizzera è stato il punto di partenza per la formazione profes­ sionale forestale in Lombardia e ha avuto il riconoscimento formale da parte della Re­ gione con l'emanazione del decreto n. 4096 del 27 aprile 2009 con il quale la Direzione Generale Istruzione, Formazione e Lavoro in accordo con la Direzione Generale Agri­ coltura ha approvato i percorsi formativi di operatore Forestale Responsabile e Istrutto­ re Forestale. Si tratta di un provvedimento di grande im­ portanza che introduce, per la prima volta nel sistema forestale Lombardo, l’obbligatorietà della formazione professionale. L’iter di formazione prevede l’individuazione di un Ente di Formazione abilitato e ac­ creditato dalla Regione Lombardia per l’erogazione di servizi di Istruzione e Forma­

zione Professionale che organizza i corsi per operatore forestale e istruttore forestale. I percorsi formativi per operatore forestale sono finalizzati ad acquisire le necessarie competenze per operare in ambito forestale autonomamente o come dipendente per le imprese boschive. I percorsi formativi per istruttori fore­ stali sono finalizzati a formare personale qualificato a trasmettere le conoscenze sulle moderne tecniche di lavoro relative all’abbattimento, all'allestimento del legna­ me e all’esbosco con particolare attenzione alla sicurezza. L’offerta formativa è articolata su tre livelli: Corso base per operatore forestale: durata minima 40 ore di cui 32 ore di esercitazio­ ni pratiche. Tale corso, rivolto al personale poco esperto, è finalizzato a fornire le com­ petenze essenziali per utilizzare in sicurezza la motosega nell’attività di cura e manuten­ zione del bosco. Corso di secondo livello per operatore forestale responsabile: durata minima di 40 ore di cui 32 di esercitazioni pratiche Tale corso, rivolto al personale che ha ac­ quisito le competenze del corso base, è finalizzato a fornire la professionalità per operare in autonomia nel cantiere fores­ tale nel rispetto della normativa in mate­ ria di sicurezza sul lavoro ed è obbligatorio per le ditte boschive che risultano iscritte all’Albo regionale delle Imprese boschi­ ve, istituito con D.G.R. n. 8396 /2008. Corso per istruttore forestale: durata complessiva minima 136 ore, di cui almeno 24 di teoria e 112 di esercitazioni pratiche. Per poter accedere al percorso formativo occor­ re dimostrare di essere inquadrato regolar­ mente come operatore del settore forestale pubblico o privato e aver ottenuto un atte­ stato di competenza di operatore forestale responsabile da almeno un anno.

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Per lo svolgimento delle esercitazioni pra­ tiche l’Ente di formazione deve avvalersi di istruttori forestali che hanno esperienza cer­ tificata e riconosciuta. In particolare viene specificato che è rico­ nosciuto il titolo di «operatore forestale responsabile» e di «istruttore forestale» a coloro che hanno ottenuto l’attestato di istruttori forestali nel 2003 rilasciato da Re­ gione Lombardia e da Economia Forestale Svizzera. Questo riconoscimento attesta la validità del progetto intrapreso dalla Comunità Monta­

na Valtellina di Tirano e dall’EFS e ribadisce l'importanza della cooperazione transfron­ taliera quale strumento indispensabile per lo scambio di esperienze e lo sviluppo delle conoscenze.

Fabio Antonioli, Dottore forestale Responsabile Ufficio Agricoltura e Foreste della Comunità Montana Valtellina di Tirano fabio.antonioli@cmtirano.so.it

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Die Eiche als Natur und Kulturerbe

Es ist Sommer im Eichenwald «La Caglia» bei Ruschein. (Bild: Christian Buchli)

Die Gemeinde Ruschein ist 2010 vom Verein Pro Quercus für die Förderung des Naturund Kulturerbes der Eiche in der Schweiz ausgezeichnet worden. Der Ruscheiner Traubeneichenwald wird im Rahmen des Sonderwaldreservates «Plontabuora» seit 2006 erfolgreich gepflegt und gefördert. Dieser wunderbare und fast schon mystische Wald stockt am Südhang unterhalb der Gemeinde Ruschein. Untersuchungen der WSL und von Patrick Bonfils zeigen, dass die Traubeneiche in der Surselva nicht nur standortsheimisch, sondern auch autochthon ist. Die Schweizer Eichenbestände stammen ursprünglich aus zwei eiszeitlichen Refugialgebieten (Süditalien, Balkan). Die Rückwanderungsgeschichte wurde mit Hilfe genetischer Marker rekonstruiert. Es zeigte sich dabei, dass der

süditalienische Typ mit grosser Wahrscheinlichkeit den Simplon überquert und sich dann weiter Richtung Norden ausgebreitet hat. Der Balkan-Typ hat die Schweiz nördlich der Alpen aus östlicher Richtung besiedelt. Genetische Untersuchungen in einem Eichenbestand in Breil/Brigels zeigen beide Typen und lassen damit vermuten, dass der Lukmanier von Süden her überquert worden ist. In der Region Surselva sind dann beide eiszeitlichen Eichen-Herkünfte zusammengetroffen. Der Eichenwald in Ruschein ist kein Naturbestand, sondern das Produkt einer jahrhundertealten Nutzung durch den Menschen. Mit der früheren landwirtschaftlichen Nutzung dieser Bestände durch Waldweide, Streurechen und Lauben konnte sich die Eiche auf Kosten anderer Baumarten im Vergleich zu ihren natürlichen Standorten viel weiter ausbreiten. Der Grund für die kombinierte land- und forstwirtschaftliche Nutzung dürfte in den speziellen Standortverhältnissen zu suchen sein. Eichen stocken auf sehr flachgründigen Böden, stellenweise direkt auf Fels. Im Sommer trocknen diese Böden periodisch profilumfassend aus. Sie sind starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt und die Bodentemperaturen können 50° C und mehr erreichen. Ohne schattenspendendes Kronendach würde die Grasnarbe hin und wieder verdorren und das Gebiet versteppen. Das Projektgebiet zählt zur Standortsregion der nördlichen Zwischenalpen ohne Buche. Auf den flachgründigen Felsköpfen in südexponierter Lage gedeiht der Typische Schneesimsen-Traubeneichenwald (Einheit Nr. 41*). Dies ist der echte und natürliche Eichenstandort, der zwischen Laax und Sumvitg an gleicher Lage immer wieder angetroffen wird. Auf etwas günstigeren, tiefgründigeren Böden stockt die artenärmere Ausbildung des Schnee-

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simsen-Traubeneichenwaldes (Einheit Nr. 41+) und auf den schuttigeren Standorten der Schneesimsen-Traubeneichenwald mit Esche (Einheit Nr. 41F). Die beiden letzteren Gesellschaften sind Sukzessionsstadien, die unter natürlichen Bedingungen ohne menschlichen Einfluss längerfristig in einen Labkraut-Tannen-Fichten-Wald mit Wachtelweizen (Einheit Nr. 51M ) oder einen Typischen Schneesimsen-Fichtenwald (Einheit Nr. 55*) übergehen. Mit der Extensivierung der Landwirtschaft werden die einst lichten Eichenwälder aber immer dichter und die Eichenkronen von anderen Laubbaumarten stark bedrängt. Als erstes wurde die Streunutzung aufgegeben, später folgte eine sukzessive Reduktion der Heimkuhweide, bis sie schliesslich ganz aufgegeben wurde. Als Folge davon machte sich in den lichten Eichenbestän-

den eine üppige Strauchschicht breit, die als erstes Glied in einer langen Sukzession verstanden werden muss. Vor allem unter der stark verdämmenden Hasel wird das Mikroklima rasch schattiger, kühler und feuchter; die Ansamungsbedingungen für die lichtbedürftigen Eichen schwinden. Profitieren davon können Eschen, Aspen und weitere Laubbäume, die die Eichenkronen zunehmend bedrängen. Durch die Akkumulation der Streue entsteht mit der Zeit eine durchgehende organische Auflage, die beste Voraussetzungen für die Fichte schafft. Fazit: Eichenwälder brauchen Pflege. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken hat die Gemeinde Ruschein zusammen mit dem Amt für Wald Graubünden das Sonderwaldreservat Plontabuora eingerichtet. Ziel ist es, die Eichenbestände (rund 15 ha) als ökologisch wertvollen Lebensraum und

Die Eichen von Ruschein in herbstlichem Gelb. (Bild: Christian Buchli)

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Die Eichen haben ihr Laub abgeworfen und sind bereit für den nahenden Winter. (Bild: Christian Buchli)

als Landschaftselement längerfristig zu erhalten. Die Eichenvorkommen in der Surselva zählen zu den höchstgelegenen der Schweiz. Dank dem Einsatz von Biodiversitätsmitteln von Bund und Kanton kann sich das Amt für Wald Graubünden um diese Bestände kümmern, sie erhalten und fördern. Die Eiche ist für die Biodiversität im Wald von grosser Bedeutung. Verschiedene Studien belegen, dass die Eiche jene Baumart ist, welche am meisten Insekten beherbergt. Auch weitere Organismen wie Pilze, Flechten, Moose und Vögel sind von der Eiche abhängig. Der ökologische Wert beruht auf verschiedenen Faktoren. Hervorzuheben ist die grosse Vielfalt an Mikrostrukturen, die sich vor allem auf alten und dicken Eichen findet. Die grobe Borke bietet vielen Insek-

tenarten einen ganzjährigen Lebensraum. Auffallend ist auch der hohe Anteil an totem Holz am lebenden Baum. Stamm- und Kronenverletzungen, Schürfungen, Risse, Spalten, Rindentaschen, Saftflüsse, verpilzte Stellen und Bruthöhlen auf lebenden sowie abgestorbenen Bäumen sind weitere Schlüsselstrukturen, die zur hohen Artenvielfalt bei Eichen beitragen. Aus diesen Gründen sind Eichenwälder oder Mischwälder mit hohem Eichenanteil wichtige Lebensräume und «Trittsteine» für seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet. Als Beispiele für solche seltenen Arten können der von Totholz abhängige und sehr spektakuläre Hirschkäfer (lucanus cervus) sowie die seltenen Tagfalterarten wie der Eichenzipfelfalter (neozephyrus quercus) oder der Wespen-Glasflügler (synanthedon vespiformis) erwähnt werden. Aus diesen Gründen werden in den Eichenbeständen der Gemeinde Ruschein gezielte waldbauliche Massnahmen ausgeführt. So wurden die Eichenbestände ausgelichtet, autochthone Eichen gepflanzt und die Naturverjüngung geschützt. Der Verein proQuercus, mit seinem Präsidenten Raphael Müller, zeichnet Personen, Organisationen, Aktionen oder Werke aus, welche zur Erhaltung des vielfältigen Naturund Kulturerbes der Eiche in unserem Lande beitragen. Gesucht werden verschiedenste Aktivitäten, welche die Eiche zum Thema haben und diese in besonderer Weise fördern. Dank dem grossen Einsatz des Revierförsters Domenic Bandli und der politischen Unterstützung der Gemeinde Ruschein wurden die Pflegeeingriffe im Eichenwald überhaupt erst möglich. Die Auszeichnung ist eine Bestätigung für die Mühe und den Einsatz sowie eine Motivation, auch in Zukunft in diese Richtung

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weiterzuarbeiten und den Eichenwald von Ruschein zu erhalten. Quellen: FREY, H.U., BICHSEL, M. ( 2002 ): Pflegestrategien für Eichenbestände in der Surselva. Atragene. n BONFILS, P. ( 2001 ): Wälder von besonderem genetischen Interesse ( BGI-Wälder). Bericht über die Begehung in Breil/Brigels. WSL. n GUGERLI, F., BRODBECK, S., HOLDEREGGER, R. ( 2005 ): Die unerträgliche Leichtigkeit, eine reine Eiche zu sein. Blattmorphologie und genetischer

Fingerabdruck als unterschiedlich einsetzbare Bestimmungshilfen. WSL Infoblatt. n SANDRI , A. ( 2005 ): Vorprojekt Sonderwaldreservat Plontabuora Ruschein. Amt für Wald GR.

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Habitatnutzung von Rehen im Nationalpark Bayerischer Wald

Übersicht über den Nationalpark Bayerischer Wald. (Quelle: NPV Bayerischer Wald)

Seit Dezember 2004 existiert im Nationalpark Bayerischer Wald das Reh-Projekt. Im Rahmen dessen werden an ausgewählten Standorten im Nationalparkgebiet Rehe mit Kastenfallen gefangen und mit Telemetriehalsbändern besendert. Anhand der aufgezeichneten GPS-Positionen können präzise Informationen zu den Aufenthaltsorten der Rehe gewonnen werden. Diese Art der Wildtierforschung macht es möglich, permanente Informationen über die Aufenthaltsorte der Wildtiere zu erhalten, ohne dass die Tiere in ihrem Verhalten gestört werden. Koppelt man die so gewonnenen Daten mit abiotischen und biotischen Umweltvariablen, ist es im Folgenden mit geeigneten Habitatmodellen möglich, Aussagen über die Habitatnutzung der Tiere zu machen. In der Diplomarbeit wurden die Telemetriedaten von 13 Rehen (acht Männchen und

fünf Weibchen) aus den Jahren 2005 bis 2007 ausgewertet. Das Ziel war, die Nutzung des Lebensraums innerhalb der individuellen Homerange (Aktionsgebiet, Streifgebiet) der Rehe in Abhängigkeit von den Jahreszeiten Sommer und Winter zu analysieren. Dazu wurden zuerst innerhalb der Streifgebiete sogenannte Zufallspunkte (Random Points) in jeweils der gleichen Anzahl, wie GPS-Messungen in der Homerange stattgefunden hatten, erstellt. Hintergrund hierfür bildet die Annahme mit den tatsächlichen Rehpositionsdaten die Nachfrage und mit den Zufallspunkten das potenzielle Angebot innerhalb des Lebensraums darzustellen. Somit ist es anschliessend möglich, Angebot und Nachfrage zu vergleichen. Anschliessend wurden die GPS- und Zufallspunkte mittels einem GIS mit folgenden Umweltvariablen verschnitten: 1. Habitat-

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typ (Laub-/Nadel-/Mischwald strukturarm und strukturreich, Offenflächen, Totholzflächen und Enklavenwald [unter Enklaven werden die Wald- und Wiesenflächen um die Ortschaften innerhalb des Nationalparks zusammengefasst, für die keine Informationen über Baumartenanteile und Stadien vorlagen]), 2. Exposition (warme Lage [Süd bis West] und kalte Lagen [Nord bis Ost]), 3. Meereshöhe und 4. Schalenwildmanagementzone. Die statistische Auswertung dieses binomialen Datensatzes erfolgte mit dem Verfahren «Boosted Regression Tree», basierend auf der Methodik von Entscheidungsbäumen. Diese Diplomarbeit war die erste Arbeit, die die vorhandenen GPS-Daten der Rehe bezüglich der Nutzung des Nationalparks als Lebensraum analysierte. Das Ergebnis der Diplomarbeit zeigte, dass im Nationalpark Bayerischer Wald vor allem die Variablen einen Einfluss auf die Habitatwahl der Rehe hatten, die anthropogenen Ursprungs waren. Vor allem die Habitatwahl in den Wintermonaten war stark an den Rehfallen orientiert, an denen Lockfütterungen stattfanden und somit Nahrung angeboten wurde. Dadurch wirkten die Rehfallen wie Kirrstellen. Die Rehfallen zeigten auch im Sommer einen Einfluss auf die Habitatnutzung, jedoch verteilten sich die Rehe weitläufiger darum. Dies ist vermutlich auf das territoriale Verhalten von Rehen zurückzuführen, denn mit Kastenfallen fängt man hauptsächlich die Rehe, in deren Aktionsraum die jeweilige Falle steht. Das ausreichende natürliche Nahrungsangebot und das Fehlen der Lockfütterungen an den Rehfallen ist verantwortlich für die grössere Distanz zu den Rehfallen im Sommer. Auch die Infrastruktur spielte eine Rolle. In den Wintermonaten wurden die Bereiche in

Nähe zu Strassen und Wanderwegen bevorzugt. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass sich die Rehfallen in Strassennähe befanden, um sie im Winter unterhalten zu können. Im Sommer war das Verhalten konträr zu dem des Winters, die Bereiche in Nähe zu den Strassen wurden gemieden. Besendertes Reh mit Telemetriehalsband. (Bild: NP ãumava/Ludek Bufka)

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Für die Variable Schalenwildmanagementzone zeigte sich für die Wintermonate, dass die Rehe sich innerhalb der Zone aufhielten. Dies konnte darauf zurückgeführt werden, dass die Schalenwildmanagementzone mit der Meereshöhe eng verbunden ist. Diese liegt ausschliesslich in den tieferen Lagen des Nationalparks. Da Rehe die tieferen Lagen bevorzugten, standen sie automatisch auch innerhalb der Schalenwildmanagementzone. Jedoch ist das Ergebnis insofern interessant, dass in den Wintermonaten auch die Zeit des Rehabschusses ( 1. September bis 31. Januar) fiel. Die Rehe suchten demnach trotz der Gefahr der Bejagung die Schalenwildmanagementzone in

den tieferen Höhenlagen auf. Jedoch sollte auch erwähnt werden, dass im Nationalpark ein geringer Jagddruck herrscht (bezogen auf die Gesamtfläche wurden im Untersuchungszeitraum zwischen 0,2 und 0,4 Tiere/100 ha erlegt). Für die Sommerdaten lagen bezüglich dieser Variablen (Schalenwildmanagementzone und Meereshöhe) keine signifikanten Ergebnisse vor. In Bezug auf die Habitat beschreibenden Variablen zeigte sich, dass das Reh Offenflächen präferierte. Nadel-, Laub- und Mischwälder sowie die Totholzflächen und die Enklavenwälder wurden gemieden. Die Begriffe Präferenz und Meidung leiten sich dabei aus der Annahme ab, dass Habitate

Darstellung der Verteilung der Rehe um die Rehfallenstandorte in den Wintermonaten. Datensatz: n= 3022 (Anzahl der GPS-Positionen ); der Winter wurde definiert über die Monate des Jahres, in denen Schnee lag (Zeitraum je nach Jahr Oktober bis April), Zeitraum der Besenderung der Rehe = 2005 bis 2007; Tierindividuen: n = 13 (acht männlich, fünf weiblich). Darstellung der Rehe um die Rehfallenstandorte in den Sommermonaten. (Quelle: NPV Bayerischer Wald )

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Datensatz: n = 4519 (Anzahl der GPS-Positionen); der Sommer wurde definiert über die Monate des Jahres, in denen kein Schnee lag (Zeitraum je nach Jahr März bis Oktober), Zeitraum der Besenderung der Rehe = 2005 bis 2007; Tierindividuen: n = 13 (acht männlich, fünf weiblich). (Quelle: NPV Bayerischer Wald)

stärker oder eben weniger genutzt werden, als bei einer Gleichverteilung der Positionen anzunehmen gewesen wäre. Daher bedeutet eine Meidung der Waldbestände nicht, dass die Rehe sie nicht nutzten. Sie taten es nur weniger, als bei deren Angebot anzunehmen gewesen wäre. Des Weiteren konnte verzeichnet werden, dass in den Wintermonaten der strukturärmere Wald und in den Sommermonaten der strukturreichere Wald aufgesucht wurden. Dem Winter und dem Sommer gemeinsam war die Nutzung der tieferen Höhenlagen und die Präferenz der Expositionen Süd, Südwest, West und Südost. Diese Arbeit zeigt, dass die Nutzung der Landschaft innerhalb der individuellen Homerange der Rehe in Abhängigkeit von

den Jahreszeiten differierte. Zudem konnte durch die Analyse mittels des Boosted Regression Tree aufgezeigt werden, dass die menschlich bedingten Variablen wie Rehfallen und Infrastruktur einen grösseren Einfluss auf das Reh hatten, die naturgegebenen Variablen folglich eine eher untergeordnete Rolle spielten. Das Reh ist in seinem Verhalten sehr anpassungsfähig und somit in der Lage, unterschiedlichste Lebensräume zu besiedeln. Dies in Kombination mit den Ergebnissen dieser Arbeit, lässt schlussfolgern, dass man wohl keine allgemeingültige Aussage zur Habitatnutzung von Rehen machen kann, sondern innerhalb jedes Lebensraumes die entscheidenden Faktoren identifizieren muss. Die Nutzung des Lebensraumes Bündner Wald 1/2011 73

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scheint jedoch stark durch die Art und die Intensität des menschlichen Einflusses beeinflusst zu werden.

Nadine Trierweiler

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TOP WALD-Siegerprojekt Bonaduz/Rhäzüns

Nach vierjährigen, intensiven Planungen und Umsetzungsarbeiten in verschiedenen Arbeitsgruppen haben sich die Forst- und Werkbetriebe der Gemeinden Bonaduz und Rhäzüns zusammengeschlossen. Die neu entstandenen Gemeindebetriebe Bonaduz/ Rhäzüns haben am 1. Januar 2010 ihre Arbeit vom neuen Werkhof aus aufgenommen. Eine Bilanz nach dem ersten gemeinsamen Betriebsjahr fällt sehr positiv aus. Die Ziele konnten erreicht werden. Die neue Struktur wurde beim TOP WALD -Wettbewerb 2010 mit dem ersten Preis ausgezeichnet. 1. Ausgangslage vor der Fusion Die Nachbargemeinden Bonaduz und Rhäzüns verfügen über eigenständige Forstbetriebe. Beiden Revierförstern stehen je eine gemeindeeigene Forstgruppe, ein Werkhof sowie als grösste Maschine ein Forstschlepper zur Verfügung. Die Forstbetriebe bilden Lehrlinge aus und setzen Forstunternehmer ein. Die Hauptaufgaben der beiden Forstbetriebe betreffen die klassischen Einsatzbereiche wie Unterhalt von Waldwegen und Verbauungen, Bestandesbegründung und Jungwaldpflege, Waldpflege und Holzerntearbeiten, Arbeiten für Dritte sowie Arbeiten für andere Ressorts in den Gemeinden. Die Waldfläche beträgt in Bonaduz 893 Hektaren (zuzüglich 57 Hektaren Privatwald) und in Rhäzüns 884 Hektaren (zuzüglich 137 Hektaren Privatwald). Die Hiebsätze im öffentlichen Wald betragen aktuell 4600 Kubikmeter in Bonaduz und 3200 Kubikmeter in Rhäzüns. Der hohe

durchschnittliche Zuwachs in beiden Gemeinden von 6,5 Tfm pro Hektare und Jahr, erlauben eine zukünftige Nutzung von über 11 000 Kubikmetern pro Jahr. Die grosse geografische Nähe von Bonaduz und Rhäzüns (die Distanz von Dorfplatz zu Dorfplatz beträgt rund 1,5 Kilometer), ähnliche Rahmenbedingungen und in vielen Bereichen vergleichbare Herausforderungen haben dazu geführt, dass die Feuerwehren und die Oberstufenschule bereits fusioniert haben. Es ist naheliegend, dass sich in den letzten Jahren auch die Forstbetriebe Gedanken in diese Richtung angestellt haben. 2. Neue Betriebsstruktur – öffentlichrechtliche Anstalt Im Jahre 2005 ist eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, bestehend aus den beiden Gemeindepräsidenten, den beiden Departementsvorstehern Wald, den beiden Revierförstern und einem Vertreter des Amtes für Wald, Region Rheintal/Schanfigg. Bei Bedarf wurden ein Jurist und Finanzberater beigezogen. Diese Gruppe hat sowohl bekannte und bereits andernorts umgesetzte Varianten neuer Betriebsstrukturen, als auch neue Modelle geprüft. Es waren dies: – Überbetriebliche Zusammenarbeit – Bildung eines Kopfbetriebes – Gründung eines Zweckverbandes – Gründung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt Nach eingehender Prüfung hat sich die Arbeitsgruppe für ein Gründungsmodell entschieden: Die öffentlich-rechtliche Anstalt kommt der Bedingung zweier gleichberechtigter Partner am besten entgegen. Die moderne, zukunftsgerichtete Struktur ermöglicht rasches, unkompliziertes und wirkungsvolles Arbeiten. Für beide Gemeinden ist es die einfachste und effizienteste Form der Trägerschaft. Parallel zur Schaffung der Bündner Wald 1/2011 75

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neuen Organisationsstruktur konnte ein gemeinsamer Werkhof an zentraler Lage errichtet werden. Diese neue logistische Basis stellt eine wichtige Voraussetzung für den zukünftigen Erfolg der Anstalt dar. 2.1 Aufgaben und Leistungsauftrag Die öffentlich-rechtliche Anstalt übernimmt und erfüllt gemäss Artikel 2 ihrer Statuten folgende Aufgaben: a) den Forstwirtschaftsbetrieb in beiden Gemeinden b) den Werkdienst in beiden Gemeinden c) den Unterhalt der Infrastrukturanlagen sowie der kommunalen Liegenschaften der beiden Gemeinden In diesen Tätigkeitsbereichen erbringt die Anstalt Dienstleistungen im Interesse und im Auftrag der beiden Gemeinden. Die Anstalt kann im Rahmen ihrer Tätigkeit zudem

Leistungen für Dritte im Auftrag der Gemeinden erbringen. Die Gemeindevorstände beider Gemeinden erteilen der Anstalt einen Leistungsauftrag. Dieser kann durch die Vorstände den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. 3. Organigramm Gemeindebetriebe Die Organisation der Gemeindebetriebe erlaubt es auf Stufe Bereichsleitung die wichtige Stellvertretung jederzeit sicherzustellen. 3.1 Kennziffern Gemeindebetriebe Personal (Stellenprozente) 60 % – 1 Betriebsleiter/Förster 100 % – 1 Bereichsleiter Forst 400 % – 4 Forstwarte 300 % – 3 Lehrlinge – Unternehmereinsatz pro Jahr CHF 300 000.–

Organigramm der Gemeindebetriebe «Crest Ault» Bonaduz/Rhäzüns. (Bild: Crest Ault)

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Umsatz pro Jahr CHF 1 300 000.– Einsparungen pro Jahr CHF 200 000.– bis 300 000.–

4. Auswirkungen der Massnahmen auf den Forstbetrieb und das Umfeld Von Organisationsmassnahmen sind immer auch Menschen betroffen. Eine wesentliche Auswirkung der getroffenen Massnahmen betraf die Forstgruppen. Die beiden Gruppen sind zu einer Regiegruppe zusammengelegt worden, der nur noch ein Revierförster vorsteht. Der Personalbestand hat sich dabei durch natürliche Abgänge um zwei Forstwartstellen reduziert. Alle Mitarbeiter fühlen sich dank der transparenten Information während des Veränderungsprozesses in den neuen Strukturen wohl. Der Unternehmereinsatz wird je nach Bedarf erhöht (Spezialarbeiten, Seilarbeiten, Transport, Einsatz von Prozessoren). Die Fusion der Forst- und Werkbetriebe Bonaduz und Rhäzüns zur öffentlich-rechtlichen Anstalt Crest Ault hat mehr Vorteile als Nachteile. Vorteile: – Reduktion der Kosten durch Einsparungen bei Personal, Fahrzeugen, Maschinen, Geräten und Einrichtungen – Rationelleres Arbeiten in den zusammengelegten Forst- und Werkgruppen – Funktionierende Stellvertretungen – Personalaustausch zwischen den Bereichen Forst, Werk und Liegenschaften – Günstigere Einkaufskonditionen bei Material, Treibstoffen, Baustoffen usw. – Erbringung zusätzlicher Dienstleistungen wie z. B. Bauleitungen im Hoch- und Tiefbau – Neuer Werkhof als logistische Basis von Forst, Werk und Feuerwehr

Nachteile: – Personalabbau – Hohe Kosten bei der Realisierung des neuen Werkhofes 5. Zielsetzungen und Bewertungen der neuen Betriebsstruktur Vor der Realisierung der neuen Betriebsstruktur sind folgende Ziele und Bewertungen formuliert worden: 1. Ziel: Wirtschaftlichkeit des «neuen Forstbetriebes» verbessern. Bewertung: Die beiden Gemeinden sind für die vielfältigen Herausforderungen der Zukunft besser gewappnet. Gutem Personal werden attraktive Anstellungen und sichere Arbeitsplätze angeboten. Die Wirtschaftlichkeit wird verbessert. 2. Ziel: Schnelle Abläufe ermöglichen. Bewertung: Mit der Zusammenlegung von Forst und Werk und der Formulierung von Leistungsaufträgen sind in allen Tätigkeitsbereichen effizientere Abläufe möglich. 3. Ziel: Stellvertretungen sicherstellen. Bewertung: Die wichtige Stellvertretung kann jederzeit und auf allen Stufen sichergestellt werden. 4. Ziel: Einsparungen realisieren. Bewertung: Durch die gemeinsame Nutzung und damit bessere Auslastung von Geräten und Maschinen kann der finanzielle Aufwand reduziert werden. Weitere Einsparungen werden durch die optimierte Personalstruktur erreicht. 5. Ziel: Bau eines neuen Werkhofes als logistische Basis. Bewertung: Die Konzentration auf einen Standort erleichtert die Arbeit, verbessert sämtliche Abläufe und erhöht die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 6. Ziel: Gleichberechtigte Partner schaffen. Bewertung: Die Gleichberechtigung ist Bündner Wald 1/2011 77

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Für den Neubau wurden aus den Bonaduzer und Rhäzünser Waldungen insgesamt 420 m3 Lärchenund 340 m3 Fichtenholz bereitgestellt. (Bild: Dominik Mannhart)

eine zentrale Bedingung für die erfolgreiche Umsetzung der neuen Betriebsstruktur. Die Gleichberechtigung, z. B. gleiches Stimmrecht, ist in den Statuten festgeschrieben. 6. Konkrete Umsetzung, Beschreibung der Realisierungsschritte Die erfolgreiche Umsetzung der neuen Betriebsstruktur ist von der Realisierung eines neuen Werkhofes abhängig. In einem ersten Schritt wurden die Finanzierungsmöglichkeiten geklärt, ein geeigneter Standort evaluiert und die raumplanerischen Voraussetzungen für das Vorhaben geschaffen. Um an prominenter Lage einen beispielhaften Holzbau mit funktionierender Anordnung der Gebäude und der Grundrisse zu erhalten, wurde ein Projektwettbewerb durchgeführt.

Von Beginn an wurde sehr viel Wert auf die rechtzeitige Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der ganzen Bevölkerung gelegt. Periodische und stufengerechte Information sorgten für die grösstmögliche Transparenz im Entscheidungsprozess. Volksabstimmungen in beiEine Neuinvestition: HSM 805F mit Klemmbank. (Bild: Dominik Mannhart)

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den Gemeinden ermöglichten die Realisierung der öffentlich-rechtlichen Anstalt Crest Ault sowie den Bau des neuen Werkhofes. Die Arbeitsgruppe begleitete als Baukommission den Bau und unterstützte die Beteiligten bei der Erstellung von Stellenbeschreibungen und Pflichtenheften. 7. Erfolgsverbesserung des Betriebes in CHF (absolut), in Prozent des Umsatzes und in Prozent des bisherigen Erfolges Die jährlichen Einsparmöglichkeiten wurden im Vorfeld auf insgesamt rund 200 000 Franken beziffert. Gut 70 % davon entfallen auf Einsparungen beim Personal. Knapp 20 % können bei den Investitionen von Fahrzeugen und Geräten eingespart werden. In Bonaduz geht man von jährlichen Einsparungen in der Höhe von knapp 130 000 Franken aus. Dies entspricht 16 % des Um-

satzes und 35 % des bisherigen Erfolgs. Die jährlichen Einsparungen in Rhäzüns betragen rund 70 000 Franken. Dieser Wert entspricht 16 % des Umsatzes und 32 % des bisherigen Erfolgs. 8. Bilanz, Erfahrungen nach dem ersten Betriebsjahr Die gesetzten Ziele und Erwartungen konnten bis anhin alle erfüllt werden. – Wirtschaftlichkeit des Betriebes verbessern In der laufenden Rechnung konnten Einsparungen von 250 000 Franken realisiert werden. – Bau eines neuen Werkhofes Die zentrale Lage des Werkhofes für die Feuerwehr und den Forst-Werkbetrieb hat sich vollumfänglich bewährt. Die integrierte Recycling- und Grünsammelstelle erfreut

Angestellte der Gemeindebetriebe Bonaduz/Rhäzüns. (Bild: Christian Tuffli)

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sich grosser Beliebtheit bei der Bevölkerung. – Stellvertretungen auf allen Stufen sicherstellen Der Zusammenschluss bietet die Möglichkeit, bei sämtlichen führenden Personen die Stellvertretung zu regeln. Somit ist der Betrieb auch bei Ferienabwesenheiten oder anderen Absenzen stets sichergestellt.

und einen gemeinsamen Werkhof zu einem starken Forstbetrieb bekannt. Damit sind gute Voraussetzungen geschaffen worden, den gesetzlichen Auftrag und die Anliegen der Öffentlichkeit auch in Zukunft wirkungsvoll erfüllen zu können.

9. Schlussbemerkungen Die Bevölkerung der Gemeinden Bonaduz und Rhäzüns haben sich mit ihrem Entscheid für eine neue Organisationsstruktur

Bereichsleiter Forst Gemeindebetriebe Bonaduz/Rhäzüns

Dominik Mannhart

CH-7402 Bonaduz

dominik.mannhart@crestault.ch

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Wälder zwischen Chur und Rom – Reise durch Kulturlandschaften Ein Querschnitt durch die Alpen und den Apennin von Chur nach Rom zeigt die grosse Vielfalt mittel- und westeuropäischer Waldtypen und Waldlandschaften. Mehr noch, er bietet Einblick in eine Reihe unterschiedlichster und verbreiteter Kulturlandschaften. In Verbindung mit Siedlungsstrukturen und Baudenkmälern öffnen sich mindestens 3000 Jahre Kulturgeschichte. So empfand ich es jedenfalls auf der Fussreise vom vergangenen Herbst, zusammen mit meinem Schwager Werner Thoma und meiner Gattin Sylvia. Von Chur wanderten wir durch das Dom­ leschg, auf der Via Spluga nach Chiavenna, rechts der Mera auf der Via Francisca bis Dascio, links des Comersees bis Lecco. Von Lecco folgten wir der Adda bis Lodi und durchquerten die Poebene. Ab Piacenza benützten wir die Via Francigena, den historischen Pilgerweg von Canterbury nach Rom. Durch die Emiglia und über den Passo della Cisa erreichten wir die Toscana, mit einem Zwischenstück durch Ligurien. Auf dem letzten Abschnitt vor Rom bewegten wir uns in der Region Lazio. Lärchen an der Via Spluga Die Via Spluga überschreitet Grenzen: Sie führt vom Domleschg, dem grössten Bündner «Obstgarten», durch die TannenFichten- und Lärchenwälder der Hinterrheintäler, über die kargen Alpweiden und Bergwiesen des Splügenpasses hinunter zu den Kastanienhainen und Rebbergen in die bereits mediterrane Welt des Valchiavenna, unweit des Lago di Como. Geschichtlich nachweisbar hatte diese Route während nahezu 2000 Jahren eine Bedeutung für kriegerische Heere, aber auch für Säumer, Händler, Hirten und später für Touristen. Schliesslich liegt der Splügenpass als kürzeste Verbindung zwischen

München und Mailand gerade in der Mitte des 1200 km langen Alpenbogens von Nizza bis zum Beginn des Ungarischen Tieflandes. So dürfte es verständlich sein, dass das heutige Bild von teils entwaldeten Hängen oder lückigen Lärchen-Weidwäldern die verschiedensten Nutzungsansprüche der damaligen Zeit widerspiegelt. Was wir heute als landschaftlich reizvoll empfinden oder mit grosser Biodiversität bewerten, entstand weitgehend aus den damaligen Bedürfnissen. Erbschaft der Etrusker und Römer Kastanienwäldern in Form von Selven, Niederwäldern oder gelegentlich als Kopfholzbetrieb (capitozzi) begegnet man auf der ganzen Strecke südlich des Alpenhauptkammes. Typische, gutgepflegte und traditionell genutzte Kastanienselven sind heute allerdings selten, und auch der Niederwald wird fast nirgends mehr «systematisch» genutzt. Als ursprüngliche Heimat der Edelkastanie werden Kleinasien und Südosteuropa vermutet. Die Kastanie wurde von den Armeniern kultiviert und durch die Römer in den Mittelmeerraum gebracht. In Mittelitalien entwickelten die Etrusker die eigentliche Kastanienkultur. Im Alpenraum wurde die Kastanie vor etwa 2000 Jahren durch die Römer und Etrusker angebaut und konnte sich weiter ausbreiten. Auf der Alpensüdseite bewirkte die Kastanienkultur eine konsequente Umnutzung der Landschaft. Die herkömmliche Brand­ rodung zur Schaffung von Acker- und Weideland wich zugunsten einer aktiven Bewirtschaftung des Bodens mit Kastanienwäldern. Auf den mageren Hängen der Alpen lieferten die Kastanienbäume pro kultivierte Einheit zwei- bis dreimal so viele Kalorien wie der Getreideanbau. «Ein Bündner Wald 1/2011 81

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Baum pro Kopf» galt als Faustregel. Bevor Mais und Kartoffeln aus der Neuen Welt in der Südschweiz vor kaum 200 Jahren Einzug hielten, und erneut während der beiden Weltkriege, waren die Kastanien für vier bis sechs Monate im Jahr das Brot der Armen. Geheimnisvolle Grigna Die Entstehung eines der schönsten Berge der Lombardei, der Grigna, wird in einem mittelalterlichen Volkslied besungen. Der Legende nach gebot eine lieblose Kriegerin dem Wächter einer Festung, ihren Freier mit dem Pfeil zu erschiessen, als er auf die Zinnen des Turmes steigen wollte. Zur Strafe wurde sie in einen steilen, eisenartigen Berg, die Grigna, verwandelt. Aus dem Wächter als Willensvollstrecker entstand die Grignetta. Das Grignamassiv ist 2400 m hoch und besteht aus Dolomitgestein. An dessen unteren Hängen führt der Sentiero del Viandante, bekannt auch unter dem Namen «herzogliche Uferstrasse», durch Eichenund Hopfenbuchenwälder. An den steilen Flanken kleben Dörfchen mit herrlichem Ausblick auf den Comersee. Einwachsende Terrassen- und Weideflächen zeugen von ehemaliger intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. In der Grigna hat angeblich Leonardo da Vinci im Auftrag der Herzöge von Mailand nach Eisenerzen gesucht. Lebensader Adda Der Parco Regionale d’Adda umfasst ein Auengebiet vom Lago di Gerlato bis zur Einmündung der Adda in den Po, westlich von Cremona. Gut angelegte Wander- und Velowege in einer abwechslungsreichen Flusslandschaft mit Auenwäldern, Wasservogelreservaten, Schluchten und savan-

Auenwald an der Adda. (Bild: Ruedi Zuber)

nenähnlichen Gegenden laden zum Verweilen ein. Die Adda bildete einst, in Ergänzung zur Landstrasse, einen bedeutenden Wasserweg. Verschiedene Kanäle zweigen von der Adda ab und versorgen die Städte der Umgebung mit Wasser. Ausserdem wird der Fluss zur Stromerzeugung genutzt. Landflucht Die sozioökonomische Entwicklung der Lombardei zwang einen massgebenden Teil der Bevölkerung, die Landwirtschaft aufzugeben, in die Städte umzusiedeln und einem neuen Erwerb nachzugehen. Die Ackerflächen werden heute vielerorts mit riesigen Maschinen und mittels EU-Subventionen bewirtschaftet. Entsprechend gross sind die neuen Höfe und Landgüter. Hecken und Feldgehölze sind mancherorts verschwun-

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Besonders beeindruckt waren wir von den Laubmischwäldern mit Hopfenbuchen und Mannaeschen beim Abstieg vom Monte Cucchero nach Groppoli. Von der Stadt auf das Land Während in der Poebene die Landflucht der Bevölkerung nach wie vor anhält, scheint sich im Süden von Ligurien und in der nördlichen Toscana eine Gegenströmung abzuZuoberst auf dem Apennin. (Bild: Ruedi Zuber)

den, Bäche begradigt, die Landschaften von Schnellstrassen und Autobahnen durchzogen. In den Bars begegnet man vorwiegend Pensionierten. Strategisch bedeutsame Hügelzüge Nach der Überschreitung des Flusses Taro wird es wieder etwas hügeliger. Von Berceto nach Pontremoli gilt es, über den Passo della Cisa die Bergkette der Apenninen zu überwinden. In dieser eher einsamen und dünnbesiedelten Gegend gibt es noch ausgedehnte Buchen- und TraubeneichenWälder. Auf dem Berggrat erhält man einen guten regionalen Überblick. Da und dort weidende Schafe lassen erahnen, wie einst die Apenninen grossräumig durch Transhumanz geprägt waren. Hier bietet sich ebenso Gelegenheit, über die einstige strategische Bedeutung dieses Gebirgszuges für unsere Wälder in Graubünden nachzudenken. Anhand von Pollenanalysen konnten die Gebirge der südlichen Apenninen-Halbinsel (Ligurien, Toscana, Pontinische Sümpfe) als Glazial-Refugien für die Weisstanne nachgewiesen werden. Über die Ligurischen, Cottischen und Piemontesischen Randalpen ist die Tanne nach der letzten Eiszeit nach Norden gezogen und über den Lukmanierpass vor 9000 – 8000 Jahren in Graubünden eingewandert.

Zersiedelung der Landschaft. (Bild: Werner Thoma)

zeichnen. Städtische Agglomerationen und namentlich Industriezentren wie Massa und Carrara mit den grossen Marmorsteinbrüchen bieten offenbar besserverdienenden Bevölkerungsschichten zu wenig Lebensund Wohnqualität. Gefragt sind Grundstücke ausserhalb der Städte, in ehemaligem Rebbau- und Landwirtschaftsareal. Mit der Zersiedelung der Landschaft wird gleichsam Bündner Wald 1/2011 83

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auch der natürlichen Wiederbewaldung etwas Einhalt geboten. An den Steilhängen indessen verbuschen die Weideflächen, die einst übernutzten Eichen- und Kastanienwälder erholen sich, Kastanienselven werden kaum mehr gepflegt. Der Landschaftswandel schreitet zügig voran. Vulkanseen und Olivenhaine Die Toscana ist bekannt durch ihre hügelige Landschaft mit den gepflegten Olivenhainen und den ausgedehnten Landgütern. An den Hügeln wachsen bekannte Traubensorten, die vorzüglichen Weine werden gehätschelt und in weite Teile der Welt exportiert. Zwischen diesen Anbauflächen gibt es immer wieder Weideareal und Äcker für Getreide- und Maisanbau. An felsigen Kuppen und in Steilpartien wachsen vorwiegend Eichenwälder, über saurem Ge-

stein traditionell auch verbreitet KastanienNiederwälder. Etwas weniger bekannt ist die alte Vul­ kanlandschaft des Lazio mit den idyllischen Seen. Naturoasen Die meisten Italienreisenden denken an Sandstrände, das weite Meer und die Sonne, Städte mit grossartigen Werken mittelalterlicher und neuzeitlicher Bau- und Kirchenkunst, selbstverständlich auch an die italienische Küche. Der Wanderer und namentlich der Weitwanderer hat aber auch Gelegenheit, auf einsamen Wegen besondere Wälder zu durchstreifen. Ein spezielles Erlebnis ist beispielsweise der Parco di Turono mit seinen Eichen- und Hopfenbuchenwäldern. Im Parco Naturale Lago di Vico, südlich der Stadt Viterbo, begegnet

Olivenhain. (Bild: Ruedi Zuber)

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Buchenwald im Parco Naturale Lago di Vico. (Bild: Ruedi Zuber)

man fast schon schweizerischen Waldverhältnissen. Wenig berührte Buchen- und Laubmischwälder erwecken Ehrfurcht, lassen durchatmen nach ausgedehnten Märschen entlang verkehrsreicher Strassen und durch überbaute Gebiete. Von hier sind es nur noch etwa 70 km bis zum Petersplatz in Rom. Zusammenfassung In dichtbesiedelten und landwirtschaftlich einst intensiv genutzten Gegenden beschränkt sich das Waldareal vor allem auf steile, felsige, flachgründige Hanglagen, im speziellen auf Schutzwälder. Die standörtliche Vielfalt ist gross. In den Alpen wächst die ganze Palette der TannenBuchen- und Nadelwälder. Weiter südlich wechseln trockene Eichen- und Hopfenbuchenwälder mit wüchsigen Buchen-, Ka-

s tanien-, Mannaeschen-, Ahornwäldern bis zu den feuchten Auenwäldern. Savannenähnliche Landschaften sind selten, so etwa entlang der Adda oder des Taro, wo infolge Wasserkraftnutzung der Grundwasserspiegel abgesenkt wurde und die Auenüberflutung nicht mehr funktioniert. Die Wälder im durchwanderten Querschnitt zwischen Chur und Rom sind weitgehend durch menschliche Einflüsse geprägt. Spuren ehemals starker Beweidung sind in Hügel- und Berglagen fast überall noch erkennbar. Die Kastanienkultur hatte einst ihre Blütezeit. Auch in Italien wird nur noch ein kleiner Teil der Selven gepflegt. Systematischer Niederwaldbetrieb scheint der Vergangenheit anzugehören. Ein allmählicher natürlicher Wechsel zu den ursprünglich vorhandenen Baumarten lässt sich da und dort bereits beobachten. Bündner Wald 1/2011 85

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Auf der durchwanderten Strecke gibt es wohl Waldverhältnisse, die auf Waldbrände anfälliger sind. In abgelegenen, wenig begangenen und nicht mehr beweideten Wäldern dürfte jedoch die strukturbedingte Waldbrandgefahr eher abnehmen. Einzelne naturnahe Wälder sind heute in Form von Naturparks geschützt. Die Berg­ lagen der Grigna und des Apennins stellen Refugien mit hoher Biodiversität und ­Baumartenvielfalt dar.

scheint am ehesten im Alpenraum und in den Apenninen möglich zu sein. Dazu bedarf es aber auch in unserem südlichen Nachbarland noch enormer finanzieller, fachlicher und personeller Anstrengungen. Es bleibt zu hoffen, dass das internationale Jahr des Waldes dazu einen Anstoss geben kann.

Ruedi Zuber dipl. Forsting. ETH/SIA

Schlussbemerkung Grossräumig nachhaltige Waldbewirtschaftung auf zusammenhängenden Flächen

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Neuer Schutzwald Graubünden 2012

Abb. 1: Langwies mit Siedlung, Verkehrsträgern

Abb. 2: Daten von Silvaprotect: Schadenpotenzial

und Schutzwald. (Bild: M. Weidmann)

(gelb) und modellierte Gefahrenprozesse aus dem Wald (Beispiel: Lawinen = blau, Murgang = violett,

Der Schutzwald wird in Graubünden neu ausgeschieden. Der Bund hat neue Grundlagen für eine einheitliche Schutzwaldausscheidung bereitgestellt (Silvaprotect). Der Vergleich mit dem bisherigen Wald mit besonderer Schutzfunktion ( BSF ) in Graubünden hat gezeigt, dass eine neue Ausscheidung verschiedene Verbesserungen ermöglicht. Das Amt für Wald GR hat sodann entschieden, mit Silvaprotect und BSF den Schutzwald für 2012 neu auszuscheiden. Nachfolgend wird dieses Vorgehen begründet, die Methodik und das Ergebnis beschrieben und mit Abbildungen aus der Umgebung von Langwies erläutert. Grundsätzlich neu ist die Ausscheidung und Unterteilung nach Risikokriterien. Schutzwald ist demnach bedeutender, je mehr Schaden er zu verhindern vermag.

Steinschlag = rot).

Die Grundlagen des Bundes – Silvaprotect Bis 2008 wurden Bundesbeiträge für Schutzbauten und Schutzwaldpflege inklusive Erschliessungen vorwiegend nach den Bedarfsmeldungen der Kantone verteilt. Objektive einheitliche Kriterien fehlten. Dies war Anlass für den Bund, schweizweit vergleichbare Grundlagen zu erarbeiten. Die Bundesbeiträge im Programm Schutzwald sollen fortan proportional zur Schutzwaldfläche der Kantone verteilt werden. Ein Schutzwald ist ein Wald, der ein anerkanntes Schadenpotenzial gegen eine bestehende Naturgefahr schützen oder die damit verbundenen Risiken reduzieren kann (vgl. Abb. 1 und 2 ). Das BAFU hat mithilfe von Modellierungen die relevanten Gefahrenprozesse schweiz-

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weit ermittelt und anschliessend mittels Verschnitt mit dem Schadenpotenzial die massgebenden Anbruchflächen bestimmt. Das Ergebnis war eine mosaikartige Verteilung von kleinen Schutzwaldflächen. Die Summe dieser Kleinstflächen wurde ab 2008 als sogenannter Schutzwaldindex SWI im Programm Schutzwald zur Verteilung der Bundesmittel auf die Kantone miteinbezogen. Obwohl die Modelle mit vielen Unzulänglichkeiten behaftet sind, konnte dank grossräumiger Anwendung ein objektives Resultat erzielt werden, und die Kantone haben dies dank Gleichbehandlung auch gut akzeptiert. Graubünden hat mit diesem Vorgehen 21 Prozent der CH-Mittel für das Abb. 3: Aus der Überlagerung von Silvaprotect

NFA-Programm Schutzwald (Schutzwaldpflege, Waldschäden und Walderschliessung) erhalten, was in etwa den bisherigen Mitteln entsprach.

Vom BSF-GR zum neuen Schutzwald Graubünden 2012 Der Bund verlangt von den Kantonen eine Schutzwaldausscheidung auf der Grundlage von Silva­protect. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Bund und Kantonen hat Kriterien und Rahmenbedingungen für einen schweizweit harmonisierten Schutzwaldperimeter festgelegt. Bundesmittel dürfen für den Schutzwald ab 2012 nur noch innerhalb dieses Perimeters eingesetzt werden. Das Amt für Wald hat den bisherigen Schutzwaldperimeter BSF-GR mit den Ergebnissen von

Bund mit dem bisherigen BSF-GR zeigt sich, dass neue Schutzwaldflächen (gelb) hinzukommen

Abb. 4: Überlagerung Silvaprotect-Bund mit BSF-

und bisherige Schutzwaldflächen (blau) wegfallen

GR in Langwies. Rot: Silvaprotect-Bund und BSF-

würden.

GR; gelb: nur Silvaprotect-Bund; blau: nur BSF-GR.

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Silvaprotect verglichen (vgl. Abb. 3 und 4 ). Dabei hat sich gezeigt, dass: 1.) Eine grosse Übereinstimmung zwischen BSF-GR und Silvaprotect Bund besteht (ca. 60 000 ha rote Flächen) 2.) Grosse zusätzliche Flächen vom Bund als Schutzwald akzeptiert würden (ca. 60 000 ha gelbe Flächen) 3.) Nur relativ geringe Flächen des bisherigen BSF-GR nicht mehr akzeptiert würden (ca. 10 000 ha blaue Flächen) 4.) Rund ein Drittel des Waldes keine Schutzfunktion innehat (ca. 60 000 ha grüne Flächen) Diese provisorischen Resultate haben das Amt für Wald bewogen, eine Neuausscheidung anzugehen. Ausgehend vom bestehenden BSF-GR, wurden die SilvaprotectDaten des Bundes (vgl. auch Abb. 5 und 6 ) detailliert einbezogen und verifiziert. Ziel war einen Schutzwaldperimeter auszuscheiden, d. h. ein grosszügig umrandetes Gebiet, in welchem der Wald als Schutzwald gelten wird. Um jeweils die aktuelle Schutzwaldfläche zu erhalten, muss der Schutzwaldperimeter mit dem aktuellen Waldumriss verschnitten werden. Da Gebüschwald nicht als Schutzwald zählt, wurde dieser bestmöglich ermittelt und vom Waldum-

riss «subtrahiert». Der Gebüschwald wurde mangels kantonsweit einheitlicher Erhebungen mit den Arealstatistikdaten des Bundes (Geostat 1996 ) berücksichtigt. Eine Aktualisierung drängt sich diesbezüglich sicher baldmöglichst auf. Das gewählte Vorgehen erlaubt es, den Schutzwaldperimeter, den Waldumriss und den Gebüschwald unabhängig voneinander zu aktualisieren. Die vielen Kleinstflächen derart zu arrondieren, dass eine robuste und kommunizierbare Schutzwaldfläche entstand, war eine echte Herausforderung. «Besser ungefähr richtig, statt haargenau, aber falsch» war denn auch oft das Leitmotto. Um im ganzen Kanton nach gleichen Massstäben auszuscheiden, wurde eine Person eines Ingenieurbüros mit der ganzen Arbeit beauftragt. Die Regionen wurden vom Amt für Wald intensiv einbezogen, und schliesslich hat auch der akribische Abgleich mit den Vorgaben des Bundes zu einem einheitlichen Resultat geführt. Die neue Schutzwaldfläche GR-2012 hat im Vergleich mit dem bestehenden Schutzwald beträchtlich zugenommen (vgl. Tabelle 1 ). Zwei Drittel der Wälder ohne Gebüschwald werden neu als Schutzwald ausgewiesen. Die Zunahme betrifft vor allem Flächen im hinteren Teil von Gerinneeinzugsgebieten

Tabelle 1: Ergebnis der neuen Schutzwaldausscheidung GR-2012 im Vergleich mit dem bisherigen Schutzwald (BSF + SF)

Waldfläche GR (WU_2009)

200 000 ha

Gebüschwald (Geostat 1996)

18 000 ha

Wald ohne Gebüschwald Kein Schutzwald Neuer Schutzwald (GR-2012)

182 000 ha 60 000 ha 122 000 ha

Bisheriger Wald mit besonderer Schutzfunktion (BSF 1995)

70 000 ha

Bisheriger Wald mit Schutzfunktion (SF gem. WEP)

20 000 ha

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Abb. 5: Schadenpotenzial Siedlung und Verehrs-

Abb. 6: Gefahrenprozesse, die bei fehlendem Wald

träger. Je grösser die Bedeutung, desto höher die

auf-treten würden. Je grösser die Schadenwirkung,

Punktgewichtung.

desto höher die Punktgewichtung.

d. h. Flächen mit indirekter Schutzwirkung bezüglich Hochwasser. Die grösste Wirkung hat der Schutzwald jedoch gegen Lawinenanrisse meist direkt oberhalb von Dörfern und wichtigen Verkehrsachsen. Die Zunahme der Schutzwaldfläche vergrössert den Handlungsspielraum für den Einsatz von Bundesmitteln für die Schutzwaldpflege und für die Instandstellung und den Ausbau der Walderschliessung. Es braucht dazu in Zukunft aber auch mehr Mittel von Bund und Kanton. Auf der ausgedehnten Schutzwaldfläche wird die Spanne zwischen sehr wichtigem und weniger wichtigem Schutzwald grösser. Zunehmen werden aber auch die möglichen Konflikte mit anderen Funktionen des Waldes, festgehalten und vorausschauend geregelt im Waldent-

wicklungsplan WEP. Schliesslich werden an die Schutzwaldpflege gemäss NaiS je nach Waldstandort und möglicher Naturgefahr sehr unterschiedliche Anforderungen gestellt. Und nicht zuletzt werden auch die verfügbaren Finanzmittel Priorisierungen erfordern. Aus all diesen Gründen war eine Differenzierung der Schutzwaldfläche angesagt. Sie wird im Folgenden mit dem Risikoindex und der Unterteilung der Schutzwaldfläche in drei Schutzwaldtypen erklärt. Differenzierung des Schutzwaldes nach Risikokriterien Seit mehreren Jahren wird die Finanzierung der Schutzwaldpflege in Graubünden mittels kantonalen Sammelprojekten abgewickelt. Auf der Basis der flächendeckenden Bündner Wald 1/2011 91

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Betriebspläne und entsprechend den waldbaulichen Dringlichkeiten und betrieblichen Möglichkeiten, wird der Schutzwald nach NaiS gepflegt. Für die Zuteilung der finanziellen Mittel von Bund und Kanton auf die Regionen, die dem Amt für Wald unterstehen, waren bisher die BSF-Fläche und der Hiebsatz die massgebenden Kriterien. Anstelle des Hiebsatzes wird ab 2012 der Zuwachs einbezogen, und neu wird ein Risikoindex als zusätzliches Kriterium für die Mittelverteilung ermittelt. Je höher der Zuwachs, desto aufwendiger ist die Schutzwaldpflege. Der Risikoindex widerspiegelt die potenzielle Schutzwaldleistung gemessen an verhinderten Schäden. Der Beitrag einer Region am Kantonstotal kann jeweils als Prozentsatz ausgedrückt werden. Die neue Mittelverteilung für den Kanton und die

Amt-für-Wald-Regionen weicht nur geringfügig von der bisherigen Mittelverteilung ab. Das Vorgehen für den Risikoindex nimmt das Gedankengut von Silvaprotect auf. Deshalb werden auch alle Daten von Silvaprotect (vgl. Abb. 5 und 6 ) einbezogen. «Ein Schutzwald ist ein Wald, der ein anerkanntes Schadenpotenzial gegen eine bestehende Naturgefahr schützen oder die damit verbundenen Risiken reduzieren kann.» Diese Definition des Bundes weist explizit auf die Risikoverminderung mittels Schutzwald hin. Demzufolge werden die Risiken ohne Schutzwald erfasst, mit Punkten gewichtet und zu einer Risikofläche aufsummiert (Abb. 8 ). Das Schadenpotenzial (Besiedlung, Transportanlagen usw.) wird mit zunehmender Abb. 8: Resultierende Risikoflächen aus der Überla-

Abb. 7: Dort, wo Gefahrenprozesse auf ein Scha-

gerung von Gefahr und Schadenpotenzial. Je grös-

denpotenzial treffen, ergibt sich ein Risiko.

ser das Risiko, desto höher die Punktgewichtung.

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Bedeutung mit Punkten bewertet. Dauernd bewohnte Gebäude werden mit zehn Punkten am höchsten und nicht dauernd bewohnte Gebäude mit fünf Punkten gewichtet; Drittklasse-Strassen erhalten ein Punkt und kantonale Hauptstrassen drei Punkte (vgl. Abb. 5 ). Entsprechend sind auch die berücksichtigten Gefahrenprozesse Lawinen, Steinschlag, Hangmuren und Gerinneprozesse (Murgang, Übersarung) nach verschiedenen Kriterien mit Werten von 0,3 bis 1,0 gewichtet (vgl. Abb. 6 ). Je grösser die flächenhafte Ausbreitung, je zerstörerischer der Gefahrenprozess und je besser die Modellierbarkeit, umso höher ist die Gewichtung. In Abbildung 7 ist die Risikoerfassung modellhaft dargestellt. Risiken bestehen überall dort, wo ohne Schutzwald mit Schäden durch Naturgefahren zu rechnen ist. Aus der Überlagerung von gewichtetem Gefahrenprozess und gewichtetem Schadenpotenzial ergeben sich unterschiedlich hohe Risiken. Je höher die Punktzahl, desto grösser ist das Risiko. Dies wird mit zunehmend dunkleren Farben in Abbildung 8 visualisiert. Das Risiko ist also unabhängig von der Schutzwaldfläche und steht hier stellvertretend für einen Schaden, der ohne Schutzwald früher oder später an einem bestimmten Ort eintreten würde (potenzieller Schaden). Schutzwaldtypen und waldbauliche Prioritäten Die Methodik für den Risikoindex ist auch wesentliche Grundlage für die Unterteilung des Schutzwaldes in drei Typen. In Abbildung 8 wird die räumliche Verteilung der Risiken sichtbar. Mithilfe der verschiedenen Daten im Hintergrund können die Risiken analysiert werden, d.h. es kann festgelegt werden, welcher Schutzwald vor welchen Risiken schützt. Die Risiken werden in

grosse und kleine Risiken eingeteilt. Einem Schutzwald oberhalb eines Dorfes (grosse Risiken) kommt eine grosse Bedeutung zu (Typ A). Entsprechend sind z. B. in Seitentälern die kleineren Risiken bzw. Schutzwälder mit geringer Bedeutung lokalisiert (Typ B ). Wenn auschliesslich kleine Risiken betroffen sind, und zudem «nur» Gerinneprozesse (Hochwasser, Murgang, Erosion, Übersarung) massgebend sind, sprechen wir vom Typ C. In Abbildung 9 sind die drei Schutzwaldtypen A, B, und C am Beispiel Langwies und Umgebung visualisiert. Zusammenfassend ergibt sich: Typ A (rot): Bedeutender Schutzwald, der vor grossen Schäden schützt. Dabei können alle Gefahrenprozesse massgebend sein. Typ B (gelb): Weniger bedeutender Schutzwald, der vor geringeren Schäden schützt. Die Gefahrenprozesse Lawinen, Sturz, Rutschung/Hangmure, d. h. alle Prozesse ohne die Gerinneprozesse, können massgebend sein. Typ C (blau): Weniger bedeutender Schutzwald, der vor geringeren Schäden schützt. Es sind ausschliesslich Gerinneprozesse massgebend und die Schutzwirkung ist vor allem im hinteren Teil der Einzugsgebiete vorwiegend indirekter Art. Neben den Modellergebnissen basiert die Unterteilung des Schutzwaldes auch auf gutachtlichen Entscheidungen, welche anhand von klar festgelegten Regeln getroffen wurden. Diese zum Teil pragmatische Vorgehensweise garantiert eine robuste und vor Ort erklärbare Unterteilung des Schutzwaldes. Abbildung 10 zeigt dies nochmals am Beispiel von Langwies und Umgebung. Kantonsweit betragen die Flächenanteile des Typs A ca. 50 Prozent, von B ca. 15 Prozent und von C ca. 35 Prozent am gesamten Schutzwald. Grundsätzlich erfolgen waldbauliche Eingriffe mit öffentlicher Unterstützung auf der Bündner Wald 1/2011 93

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Abb.10: Die Schutzwaldausscheidung und die Schutzwaldtypen sind vor Ort erklärbar und die Bezüge «Schutzwaldgeschütztes Objekt» sind nachvollziehbar.

ermöglichen, wobei aber grundsätzlich die Schutzfunktion (vor allem im Schutzwaldtyp A) Vorrang hat.

Abb. 9: Unterteilung der Schutzwaldfläche in drei Typen. Typ A schützt vor grossen Risiken; Typ B schützt vor kleinen Risiken; Typ C beinhaltet ausschliesslich Gerinneprozesse und schützt vor kleinen Risiken.

ganzen Schutzwaldfläche nach den Vorgaben von NaiS (Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald). Die Unterteilung in die drei Schutzwaldtypen A, B und C ist ein Kriterium für die Prioritätensetzung und es erlaubt den Handlungsspielraum von NaiS nutzbar zu machen. Diesbezüglich können in genereller Art folgende Aussagen gemacht werden: Schutzwaldtypen A und B Schutzziel ist die flächendeckende Erhaltung der Schutzwirkung. Multifunktionalität wird auf möglichst grosser Fläche angestrebt. Die Überlagerung mit anderen Waldfunktionen sind im Rahmen der NaiS-Vorgaben also zu

Schutzwaldtyp C In diesem Typ gilt das Anforderungsprofil für Wildbach/Hochwasser nach NaiS mit einem relativ grossen Handlungsspielraum. Schutzziel ist es, die Verklausung von Gerinnen zu verhindern und eine minimale Bodenbedeckung mit einer standortgerechten Baumartenmischung zu erhalten. Spezielle Massnahmen konzentrieren sich vor allem auf die unmittelbare Gerinnepflege wie Räumen, Zersägen usw. Überlagerungen mit anderen Waldfunktionen sind auf der Fläche meist problemlos möglich. Das Konfliktpotenzial ist folglich gering. Es wird aus finanziellen Gründen kaum möglich sein, die Schutzwaldpflege auf der ganzen Schutzwaldfläche im gewünschten Mass auszuführen. Prioritäten orientieren sich demzufolge an den Schutzwaldtypen, am waldbaulichen Handlungsbedarf nach NaiS, und an der Dringlichkeit gemäss Betriebsplan. Es werden aber auch betriebliche und externe Aspekte immer eine Rolle spielen. Der Schutzwaldtyp allein

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sagt nichts aus über die Kostenwirksamkeit einer Pflegemassnahme. Bei vergleichbaren waldbaulichen Ausgangsbedingungen sind aber Massnahmen im Typ A effizienter als in den Schutzwaldtypen B und C, da mit gleichen Kosten mehr Risiken bzw. potentielle Schäden verhindert werden können. Weiteres Vorgehen und Ausblick Zurzeit werden die Kriterien der Mittelverteilung von den Regionen auf die Forstreviere diskutiert. Zentral wird die Schutzwaldfläche bzw. die Fläche der einzelnen Schutzwaldtypen pro Revier einbezogen. Weitere Kriterien werden geprüft. Grundsätzlich sollen im ganzen Kanton die Mittel nach einheitlichem Vorgehen von den Amtfür-Wald-Regionen auf die Forstreviere verteilt werden. Jede Region kann aber einen Teil des Regionenkontingents pauschal für innovative Betriebe und für die Abfederung von speziellen Verhältnissen, oder für die Überbrückung von kurzzeitig grossen Anpassungen einsetzen. Der neue Schutzwald gilt ab 1. Januar 2012 und soll wenn möglich für zwei NFA-Perioden gelten, d. h. bis 2020. R. Hefti, M. Stadler, M. Rageth, C. Buchli, E. Taverna, C. Mengelt, U. Bühler, R. Gor-

Christian Wilhelm

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don, L. Heitz und S. Losey ( BAFU ) haben das Projekt fachlich begleitet, herzlichen Dank.

Matthias Kalberer

Amt für Wald Graubünden

tur gmbh

Loëstrasse 14/16, CH-7000 Chur

Promenade 129, CH-7260 Davos Dorf

christian.wilhelm@afw.gr.ch

kalberer@tur.ch

Andreas Meier Amt für Wald Graubünden Loëstrasse 14/16, CH-7000 Chur andreas.meier@afw.gr.ch

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Anpassung Betriebsplanerarbeitung im Kanton Graubünden Ausgangslage Im Jahr 1994 wurde der Wirtschaftsplan durch den Betriebsplan ( BP ) abgelöst. Dabei wurde nicht einfach der Name des Planungsinstruments geändert, sondern es erfolgte auch eine strategische Neuausrichtung. Die Verantwortung für die Erarbeitung des Betriebsplans wurde den Waldeigentümern und Betriebsleitern übertragen. Sie übernahmen damit auch mehr Eigenverantwortung bei der Führung des Forstbetriebes. Der kantonale Forstdienst beschränkte sich auf Beratungs- und Kontrollaufgaben. Im Zentrum der Betriebsplanung, welche seit 1994 unverändert erfolgt, stehen: – die Beschreibung des Waldzustandes mittels einer flächendeckenden Bestandesbeschreibung – die waldbauliche Planung, welche die Art der Massnahme und die Dringlichkeit festhält – die konkreten Massnahmen, um die Vorgaben der Waldentwicklungsplanung zu erfüllen – die Festlegung des Hiebsatzes In den 16 Jahren seit dem Inkrafttreten der aktuellen Richtlinien wurden 130 000 ha Wald beschrieben und von den rund 260 planungspflichtigen Waldeigentümern haben 220 einen neuen Betriebsplan erarbeitet oder sind aktuell noch in Erarbeitung. In den letzten Jahren haben sich einige wichtige Rahmenbedingungen geändert. Zu den wichtigsten gehören die Einführung der Leistungsvereinbarungen Bund–Kanton und als Konsequenz daraus die Einführung der waldbaulichen Sammelprojekte anstatt der eigentümerbezogenen Einzelprojekte. Die technischen Möglichkeiten, insbesondere im Bereich Fernerkundung und GIS, haben sich in den letzten 20 Jahren stark entwickelt. Im ökonomischen Bereich ist der Druck auf die Forstbetriebe und den

kantonalen Forstdienst, noch effizienter zu arbeiten, gestiegen. Da auf 2012 neue Leistungsvereinbarungen zwischen Bund und Kanton in Kraft treten und der Kanton gleichzeitg neue Lösungen für die Zusammenarbeit zwischen Kanton und Waldeigentümer sucht, war die Gelegenheit ideal, das bisherige Betriebsplanverfahren kritisch zu hinterfragen und neu auszurichten. Ziel des Auftrags war es, insbesondere die Schwachpunkte im bisherigen Verfahren zu erkennen und zu verbessern, sowie die Stellung der Betriebsplanung für die Verteilung der finanziellen Mittel vom Kanton zu den Waldeigentümern zu stärken. Eine grundlegende Neuausrichtung stand nicht zur Diskussion, da sich das bisherige Verfahren grundsätzlich bewährt hat. Die Aufgabe wurde von einer Arbeitsgruppe übernommen, in welcher Mitarbeiter des Amts für Wald in Chur und aus den Regionen sowie ein Betriebsleiter mitgewirkt haben. Ergebnisse Die Analyse hat gezeigt, dass der heutige Betriebsplan einen guten Überblick über den Waldzustand und die zu treffenden Massnahmen liefert und damit auch ermöglicht, die Waldbewirtschaftung nachhaltig zu steuern. Die vorhandenen Informationen sind sehr umfassend, insbesondere was den Waldzustand betrifft. Die Informatio­nen veralten aber auch recht rasch. Der Betriebsplan wird zudem vom Betriebsleiter und vom Waldeigentümer noch viel zu wenig als Führungsinstrument benutzt. Die Kosten und der zeitliche Aufwand für die Betriebsplanerarbeitung werden als hoch angesehen. Die Neuerungen konzentrieren sich auf sechs Bereiche (Tabelle 1 ). Der Planungszeitraum wird von 20 Jahren auf 12 Jahre verkürzt. Damit sollten die Informationen und die Planungsentscheide während des

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ganzen Planungszeitraums aktuell bleiben. Für den Betriebsleiter ist es zudem einfacher, sich Überlegungen zu den notwendigen Massnahmen zu machen als für einen 20-jährigen Planungszeitraum. Mit einem verkürzten Planungszeitraum würden aber die Kosten und der Aufwand steigen. Mit unterschiedlichen Planungsintensitäten innerhalb der gleichen Betriebsplanung kann dem entgegengewirkt werden. Aus ökonomischen Gründen ist es sinnvoll, nur dort intensiv zu planen, wo auch Massnahmen notwendig respektive vorgesehen sind. Im Gebirgswald ist es oft der Fall, dass nur ein Teil des beplanten Gebietes während der Planungsperiode wirklich bewirtschaftet wird. Für diese Wälder genügt auch eine extensive Planung. Die Planungsintensitäten unterscheiden sich hauptsächlich hinsichtlich der Informations­ erhebung. In den intensiv beplanten Wäldern werden der Waldzustand und die waldbaulichen Massnahmen weiterhin terrestrisch durch den Betriebsleiter pro Bestand erfasst. Das Amt für Wald liefert als Grundlage dazu eine Bestandesausscheidung ab Luftbild. Pro Bestand werden zudem neu alle im Luftbild

ersichtlichen Merkmale angesprochen und festgehalten, so dass diese während der Bestandesbeschreibung im Wald nur noch kontrolliert werden müssen. In den extensiv beplanten Gebieten (Wälder, welche erst kürzlich behandelt wurden, wo es die Infrastruktur nicht erlaubt einzugreifen oder es sonst keinen Grund gibt, aktiv zu werden) wird auf eine terrestrische Bestandesaufnahme verzichtet. Es werden nur die Informationen ab Luftbild verwendet. Der Hiebsatz wurde bisher in der Regel unter Berücksichtigung der gesamten Betriebsfläche festgelegt. Neu wird nur noch die Fläche berücksichtigt, welche intensiv beplant wird. Dies wird kaum zu einer Verminderung des Hiebsatzes führen, da die bisherigen Hiebsätze von einem sehr tiefen Zuwachs ausgegangen sind. Heute stehen dank dem LFI und der Waldinventur Graubünden zuverlässige Zuwachszahlen zur Verfügung, welche einiges höher sind als bisher angenommen. Eine wichtige Aufgabe wird der Betriebsplan in Zukunft bei der effizienten Verteilung der öffentlichen Mittel für die Waldpflege übernehmen. Bei der konkreten Unterstützung von Holzschlägen und Pflegemassnahmen

Merkmal

Heute

Neu

Planungszeitraum

20 Jahre

12 Jahre

Planungsintensität

Über den ganzen Betrieb gleich

Unterscheidung in Intensitätsstufen

Informationserhebung

Überall gleich

Abstufung je nach Intensität, Handlungsbedarf und Funktion

Bestandesausscheidung

Nur Abgrenzung

Abgrenzung und Ansprache von Merkmalen

Hiebsatz

Gesamter Betrieb berücksichtigt

Nur noch «bewirtschaftete» Fläche berücksichtigt

Einbezug RFI

Sehr Individuell

Zwingend bei Flächen, wo öffentliche Mittel eingesetzt werden

Verbindlichkeit

Hiebsatz und waldbauliche Prinzipien

+ Handlungsbedarf für Schutzwald- und Biodiversitätsprojekte Bündner Wald 1/2011 97

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erhalten die im Planungsprozess abgeleiteten und im Betriebsplan festgelegten Dringlichkeiten eine zentrale Rolle. Dies setzt voraus, dass die Regionalforstingenieure die Entscheide der Betriebsleiter mittragen, dementsprechend müssen sie bereits bei der Betriebsplanung aktiv mitwirken und nicht erst bei der konkreten Projektplanung. Bei der Verbindlichkeit der Betriebsplanung wird sich nicht viel ändern. Der Hiebsatz (-rahmen), die waldbaulichen Prinzipien und die Umsetzungsmassnahmen, welche sich aus dem WEP ergeben, sind weiterhin verbindlich. Dazu kommt neu, dass der Handlungsbedarf für Projektmassnahmen im Schutzwald und im Biodiversitätswald verbindlich aus den Betriebsplänen abgeleitet werden muss. Folgerungen und Ausblick Die Unterteilung der intensiv respektive extensiv zu planenden Gebiete wird zu einer zentralen Aufgabe in der Betriebsplanerarbeitung. Allgemeingültige Vorgaben, wie dies erfolgen soll, können nicht gemacht werden. Entscheidend wird die Erfahrung des Betriebsleiters sein. Zu berücksichtigen sind aber auch die Vorgaben des WEP, der Zustand und die Möglichkeiten zum Aus-

bau der Infrastruktur und die Strategie des Betriebs. Die Anforderungen an den Planer werden durch die Unterteilung grösser werden. Er muss in der Lage sein, mit teilweise reduzierten Informationen den Überblick über den gesamten Betrieb zu erhalten und entsprechend zu planen. Die Anpassungen bieten aber auch die Chancen, die Planung auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der technische Fortschritt in der Informa­ tionserhebung (z. B. LIDAR ) und -verarbeitung wird dafür sorgen, dass das heutige Planungsverfahren wahrscheinlich schon sehr bald wieder angepasst werden wird. Die Beschreibung des Waldzustands wird in Zukunft noch mehr mittels Fernerkundungsmethoden erfolgen. Im Wald müssen durch den Förster nur noch jene spezifischen Informationen erfasst werden, welche wirklich nur im Wald selber erkannt werden können.

Riet Gordon Amt für Wald Graubünden Loëstrasse 14/16, CH-7000 Chur riet.gordon@afw.gr.ch

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Dem Geheimnis unseres Waldes auf der Spur

Minihelikopter für ungewöhnliche Aufnahmen. (Bild: Dani Keller)

Ein Streifzug durch vier Jahreszeiten für Kino und TV Von Menschen ausserhalb der Forstbranche wird er beschrieben als ein unbekannter Freund, der vor wilden Tieren, Stürmen und anderen Naturkatastrophen schützt: Der Wald. Viele Menschen lieben den Wald, kennen diesen Lebensraum und was er uns alles zu bieten hat aber nur wenig. Spannende Geschichten aus dem Wald zu erzählen und beiläufig Wissen zu vermit­ teln, das ist das Ziel des Dokumentarfilms «Das Geheimnis unseres Waldes». Es ist ein Film über den Schweizer Wald, erzählt von Menschen im Wald. Das internationale Jahr des Waldes 2011 als Auslöser Die UNO hat das Jahr 2011 zum interna­ tionalen Jahr des Waldes bestimmt. Ein Jahr

nach dem internationalen Jahr der Biodiver­ sität 2010 ist dies ein idealer Anknüpfungs­ punkt, um neben den Leistungen für die Biodiversität auf weitere zentrale Leistun­ gen des Schweizer Waldes aufmerksam zu machen: Zum Beispiel die Holzproduktion, die Schutzwirkung oder die Erholungsfunk­ tion. Das internationale Jahr des Waldes einer­ seits und anderseits die vielfach beobachte­ te Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der städtischen Bevölkerung und den Reali­ täten in den Schweizer Wäldern waren der Auslöser für das Filmprojekt. Der Film will denn auch die positive Grundhaltung der Bevölkerung gegenüber dem Wald verstär­ ken und zugleich aufzeigen, was der Wald den Menschen in der Schweiz bedeutet. Produziert wird «Das Geheimnis unseres Waldes» von der Firma DOCMINE, einer Bündner Wald 1/2011 99

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international bekannten Produktionsfirma aus Zürich, die sich dem Dokumentar­ film verschrieben hat. Finanziert wird das Projekt unter anderem vom BAFU, den Kantonen, dem Bundesamt für Kultur, der Ernst-Göhner-Stiftung und dem Schweizer Fernsehen. Kinofilm und TV-Serie Die sogenannte Eventversion des Films wird eine Länge von 70 bis 80 Minuten haben. Sie wird ab August 2011 in ausgewählten Kinos zu sehen sein. Vorgesehen sind insbesonde­ re Open-Air-Kinos, die neben dem passen­ den Ambiente auch die Möglichkeit bieten, einen grösseren Anlass für das internationale Jahr des Waldes zu organisieren (z.B. durch den lokalen Forstdienst). Die Eventversi­ on wird auf 35-mm-Filmrollen produziert. Um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, produziert das Filmteam für das Schweizer Fernsehen einen Zweiteiler, der zu besten Sendezeit (Donnerstag Abend um 20.00 Uhr) auf der DOK-Schiene bei SF1 ausge­ strahlt wird. Zu dieser Zeit erreichen die 52-Minüter durchschnittlich 450 000 bis 500 000 Zuschauer. Die Premiere ist bei SF für Ende 2011 geplant. Es folgen auch TSR (französisch), TSI (italienisch) und 3Sat (deutsch). Der Mehrteiler wird auch als DVD Filmaufnahme eines Holzschlages. (Bild: Julian Telser)

zu kaufen sein. Somit wird wertvolles Film­ material auch für spätere Infoanlässe, Wei­ terbildungen, Vorträge, etc. geschaffen – und dies mit Bildern, die zu hundert Prozent aus Schweizer Wäldern stammen. Aktivitäten des BAFU zum internationalen Jahr des Waldes Die Unterstützung des Filmes «Das Ge­ heimnis unseres Waldes» ist das Haupten­ gagement des BAFU für das internationa­ le Jahr des Waldes. Zusammen mit einer breiten Trägerschaft aus der Wald- und Holzbranche hat das BAFU ausserdem eine Internetseite in den drei Landessprachen de/fr/it aufgeschaltet (www.wald2011. ch). Dort fliessen alle Informationen zum internationalen Jahr des Waldes zusam­ men (Agenda inkl. Formular, um regiona­ le und lokale Waldaktionen einzutragen, Hinweise zu verschiedenen Projekten im Waldjahr, etc.). Einen Höhepunkt bildet dann der Medienanlass mit Bundesrätin und Waldministerin Doris Leuthard, der am 21. März stattfindet. Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen Ein Bericht über die Dreharbeiten von Heikko Böhm (Autor und Regisseur) Vorab sei versichert: Wir werden das Ge­ heimnis unseres Waldes nicht lüften. Aber der Weg ist das Ziel. Und so machen wir uns auf die Suche nach Faszination, Funk­ tion und Bedeutung des Waldes für den Menschen. In diesem Fall für die Menschen der Schweiz. Dabei beschreibt die Wendung «den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen» ziemlich genau die Herausforderungen die­ ses Dokumentarfilmprojekts. Denn es gibt viel Wald in der Schweiz. Wo fängt man an, was soll man zeigen? Natürlich dürfen die Tiere des Waldes nicht fehlen, doch verlan­ gen sie beim Drehen viel Geduld, was enorm

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Spezialfahrzeug für die RED-Kamera. (Bild: Dani Keller)

viel Zeit kostet. Diese Zeit haben wir nicht. Somit entschieden wir uns dafür, die Freude am Wald ebenso wie einige seiner Funkt­ ionen mittels Menschen zu dokumentieren, die unsere Wälder und Tiere zeigen. Unsere Protagonisten sind zum Beispiel ein Wald­ arbeiter (siehe Abb. 02), ein Baumliebhaber, ein Tierfotograf und Jäger, ein Ins­ trumentenbauer oder eine Bauernfamilie mit eigenem Wald. Jeder ist auf seine Art ein Experte, doch geht sein emotionaler Bezug zum Wald über Hobby oder Beruf hinaus. Im Juli 2010 haben wir mit den Dreharbei­ ten begonnen. Bis Ende Dezember letzten Jahres drehte das Team an 29 Tagen – die Jahreszeiten Sommer und Herbst sind also im Kasten. Als Drehorte konzentrierte sich die Crew bisher auf die Kantone Tessin, Graubünden, Solothurn, Freiburg, Neuen­

burg, Baselland, Appenzell und das Wallis. Die Kamera-Ausrüstung – eine sogenann­ te RED-Kamera (siehe Abb. 03), die auch bei Spielfilmen eingesetzt wird – stellte uns dabei vor besondere Herausforderungen (siehe Abb. 01). Zum einen ist die Kamera aufgrund ihres hohen Gewichts wenig flexi­ Wildhauser Jäger helfen beim Aufbau des Kamerakrans. (Bild: Dani Keller)

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bel. Zum anderen erschweren die festen Op­ tiken das «schnelle» Drehen und Reagieren im Freien und besonders im unwegsamen Waldgelände. Gefragt war somit eine «ge­ pflegte» Kameraführung. Dieser Anspruch prägte somit von Anfang an unser visuel­ les Konzept, auch wenn sich die möglichen Drehminuten pro Tag dadurch in Grenzen halten. Die Ästhetik der Bilder bestätigt uns jedoch, mit der RED grundsätzlich die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Als kluger Schachzug hat sich bei diesem Projekt erwiesen, dass parallel zu den Dreh­ arbeiten schon die kontinuierliche Sichtung des Materials sowie der Schnitt begonnen haben. Die Montage des jeweils gedrehten Materials ermöglicht Regie und Kamerafüh­ rung, inhaltliche und stilistische Korrekturen anzubringen.

Heikko Böhm

Für Überraschung hat die Minidrohne ge­ sorgt (siehe Abb. 04), ein kleiner fernge­ steuerter Helikopter, ausgestattet mit einer D5-Fotokamera mit HD-Filmmodus. Mit Be­ dacht eingesetzt, liefert diese Kamera span­ nende Luftaufnahmen von Bäumen und Wäldern, die sonst nicht möglich wären. Im Moment drehen wir die Winteraufnah­ men, und planen den Dreh im Frühling. Mitte Mai ist unser letzter Drehtag, danach folgt die Postproduktion. Bis im Juli 2011 wollen wir den Film fertiggestellt haben. Internetseiten: Informationen zum Film und einen Trailer finden Sie unter: www.docmine.ch (Rubrik Filme) Informationen zum Internationalen Jahr des Waldes (inkl. Agenda): www.wald2011.ch

Daniel Landolt-Parolini

DOCMINE Productions AG

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Abteilung Wald

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Vorschau Impressum Vorschau «Bündner Wald» April 2011 Versammlungsnummer «Graubünden Wald» (Maienfeld), Heidi Harley, Teil 1 Die Stadt Maienfeld lädt dieses Jahr zur Generalversammlung von Graubünden Wald. Die Themen für die Vorstellung dieser Ortschaft am Tor Graubündens scheinen gesetzt: Heidi, Pferdesport, Wein und Militär. Doch stellt euch vor: «Das 20-jährige Heidi, welches mittlerweile in Zürich wohnt, rast mit einer Harley Davidson auf die Luzisteig, weil sie Peter G. unbedingt etwas Wegweisendes mitteilen will. Dieser ist gerade zur Frühlings-RS eingerückt und hat sich vorgängig im Zug mit Rotwein betrunken. Er kämpft mit massiven Gewissensbissen, da er sich vor dem Gebrauch einer Schusswaffe scheut. Zudem weiss Peter nicht, ob Heidi ihn wirklich liebt – sie haben zwar so viel gemeinsam erlebt, Ziegen gehütet, Pferde gestohlen und ihre Initialen in die dicke Buche vom Öhi geritzt. Doch eben, liebt sie ihn, wie er sie liebt?» Wird es Heidi rechtzeitig aufs Militärgelände schaffen? Die Bündner-Wald-Redaktion bleibt dran und berichtet, wie diese Geschichte weitergeht ... Redaktion: Sandro Krättli

Herausgegeben von Graubünden Wald, Amt für Wald Graubünden und der SELVA Verleger: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Christophe Trüb Bahnhofplatz 1, CH-7302 Landquart, Telefon 0041 (0)81 300 22 44, buendnerwald@selva-gr.ch Redaktoren: Jörg Clavadetscher, Revier forestal da Val Müstair, CH-7535 Valchava, Telefon 0041 (0)81 858 58 21, forestal-muestair@bluewin.ch. Sandro Krättli, AfW GR, Sagastägstrasse 96, CH-7220 Schiers, Telefon 0041 (0)81 300 24 11, sandro.kraettli@afw.gr.ch Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in nicht verlangter Form ohne Rückfrage zu ändern Druckvorstufe (Satz, Lithos, Belichtung): Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, Marina Riedi Druck: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, Postfach 85, Kasernenstrasse 1, CH-7007 Chur, Telefon 0041 (0)81 255 51 11, Fax 0041 (0)81 255 52 89 Erscheint sechsmal jährlich. Auflage 1500 Exemplare Inserate: Südostschweiz Publicitas AG, Neudorfstrasse 17, CH-7430 Thusis, Telefon 0041 (0)81 650 00 70, Fax 0041 (0)81 650 00 74, thusis@so-publicitas.ch Abonnementspreise: CHF 60.– (für Mitglieder Verein Graubünden Wald) Abonnemente/Adressänderungen: Südostschweiz Presse und Print AG,

Vorschau auf die nächsten Nummern: Juni 2011: Rundholzmarkt und Holzernte Redaktion: Jörg Clavadetscher

Südostschweiz Presse, Postfach 85, Administration

August 2011: Freizeit im Wald Redaktion: Sandro Krättli

Für Inseratetexte übernimmt die Redaktion

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