BĂźndner
Wald
Jahrgang 65 | Juni 2012
Schwankungen im Ăśkologischen Gleichgewicht
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Inhalt
Schwankungen im ökologischen Gleichgewicht Editorial ................................................. 4 Umweltwandel – Die Rolle von Menschen und Klima ................................ 5 Hochgebirgsflora reagiert verzögert auf Klimawandel .................... 13 Die Bedeutung von Ökotypen für die Anpassungsfähigkeit ................... 15 Waldsamen – der Anfang einer neuen Generation .......................... 21 Absterbende Waldföhren in Nordund Mittelbünden .................................. 26 Der Sommerflieder – Aus dem Garten in den Wald ................. 28 Invasive Neophyten im Misoxer Wald ... 32 Der Götterbaum im Misox – Problematik im Schutzwald .................... 37 Erfassung von Neophyten Das Beispiel des Götterbaumes .............. 41 Das Drüsige Springkraut in Graubünden . 46 Springkraut unterdrückt die Mykorrhiza von jungen Buchen ............. 49 Bekämpfung invasiver gebietsfremder Pflanzen in Graubünden ......................... 54 Feeuerbrand in Graubünden – Einzelherde und Flächenbefall ................ 58 Waldinsekten als natürliche Gegenspieler .......................... 63
Fremdländische Insekten an Waldbäumen: zwei Beispiele ......................................... 69 Das Eschentriebsterben – eine neue Pilzkrankheit erobert die Schweiz ........... 74 Comic Theo & Heinz .............................. 79 Die Braunfleckenkrankheit – heikler Organismus im Anmarsch ........... 80 Holzspitzmittel – Einsatz im Wald .......... 83 Nachruf Arthur Calörtscher .................... 85 Neuer Fachdozent am Bildungszentrum Wald in Maienfeld ...... 87 Waldinventur mit dem Smartphone ....... 88 342 hervorragende Holzprojekte eingereicht ........................ 90 Alfred Buess, Direktor der HAFL, geht 2013 in Pension ............................. 91 Bernhard Holzbau AG aus Davos Wiesen ausgezeichnet........... 92 Ausschreibung Fachtagung Instandstellung Waldstrassen ................. 93 Vorschau ................................................. 95 Titelbild: Zivi kämpft gegen den Bärenklau. (Bild: Sascha Gregori) Bild Inhaltsverzeichnis: Während der Distelfalter jeden Frühling von Nordafrika einwandert, hat sich der eingeführte Sommerflieder fest etabliert. (Bild: Beat Wermelinger) Bündner Wald 3 /2012 3
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Editorial
Fremde Pflanzen und Tiere setzen sich in der so ordentlichen Schweiz nieder. Der ökologische Putzfimmel ruft neue Reinigungsmethoden auf den Plan. Ganz anders im nahen Italien. Als ich vor Jahren mit einem guten Freund mit dem Zug nach Bologna reiste, staunte ich als angehender Forstingenieur über die üppige Flora entlang der Bahnstrecke. Ich versuchte meinem Freund zu erklären, dass dies aus meiner Sicht ein sonderbarer und abrupter Vegetationswechsel war. Ich kannte keine dieser üppigen Pflanzen. Die Robinie war wohl der einzige Volltreffer – damals. Mittlerweile sind wir aufdatiert und kennen die Täterprofile der Fremdlinge und ihre bösen Eigenschaften. Sie sind invasiv und bedrohen die heimische Vegetation. Jede offene Fläche in den Talsohlen mutiert zur potenziellen Anflugschneise oder Anschwämmplatz für ihre oft fast unzerstörbaren und ebenso kraftvollen Samen. Auch auf den Schutzwald oder deklarierte Biodiversitätsflächen haben sie es abgesehen. Ein Fremdling mit Grossem Namen macht im Misox unseren einheimischen Pflanzen im Schutzwald den Platz bereits sehr eng – der Götterbaum (Ailanthus altissima). Noch bedrohlicher scheinen die fiesen Tierchen zu sein, die ganze Bäume, ja gar Waldbestände auffressen. Waldfunktionen sind infrage gestellt. Kürzlich wurde in Basel ein kleiner Asiate identifiziert – der Asiatische Laubholzbockkäfer, für Kenner kurz ALB. Die Bedrohung scheint ernst, wenn man Folgendes aus den USA liest: «Aufgrund des Befalls mit diesen Käfern wurden seit 1996, dem Jahr seiner erstmaligen Entdeckung in den USA, in New Jersey, New York
und Illinois Tausende von Bäumen gefällt; der Schaden beträgt etwa 150 Millionen US-Dollar. Gegenwärtig bedroht der Käfer 30 – 35 % aller Bäume in den urbanen Regionen im Osten der USA. Laut Animal and Plant Health Inspection Service besteht die Gefahr, dass sich die Käfer über die gesamten USA verbreiten und so einen Schaden in der Holzwirtschaft, dem Tourismus und der Landwirtschaft von mehr als 650 Milliarden US-Dollar verursachen. Bekämpfungsmassnahmen bestehen derzeit unter anderem darin, befallene Gebiete unter Quarantäne zu stellen, um den Befall weiterer Bäume zu verhindern. Weiterhin werden befallene Bäume gefällt oder abgebrannt.» Die globalisierte Vermengung von Handelsströmen, Personenverkehr und die Klimaveränderung führen zur ungewollten und fast unkontrollierbaren Verbreitung dieser Neophyten und Neobioten. Kürzlich erhielt ich ein vierseitiges Bewilligungsdokument für ein landwirtschaftliches Räumungsfeuer – noch bin ich überzeugt, wir bekommen irgendwann auch die fremden Pflanzen und Tierchen in den Griff, auch wenn wir sie wohl nur bis zur Schweizer Grenze drängen können. Vielleicht müssen wir dann nur noch unser Land verlassen und es heisst: «Welcome to the jungle!»
Sandro Krättli, Redaktor Bündner Wald Sagastägstr. 96, CH-7220 Schiers sandro.kraettli@awn.gr.ch
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Umweltwandel – Die Rolle von Mensch und Klima Einleitung Unsere Umwelt verändert sich rasant – dies ist in der Kulturlandschaft der Schweiz auf Schritt und Tritt deutlich sichtbar und hat mittlerweile nicht nur im Mittelland, sondern auch in den Tourismusdestinationen und entlang der Hauptverkehrsachsen in den Bergen besorgniserregende Ausmasse angenommen. Das Thema Landschaftsveränderung steht weit oben auf der politischen Agenda. Der aktuelle Wandel unserer Kulturlandschaft ist hauptsächlich durch verschiedenste menschliche Aktivitäten verursacht, und das Klima respektive der Klimawandel spielt heute noch eine eher untergeordnete Rolle. Wie sieht die Situation in unseren Wäldern aus? Die Waldnutzung in der Schweiz ist
seit über 130 Jahren gesetzlich reglementiert; Über- und Umnutzungen sind kaum möglich. Grossflächige Eingriffe sind nur selten praktiziert, und die Waldbewirtschaftung ist generell naturnah. Aus diesen Gründen wird der Schweizer Wald als statisch wahrgenommen. Dieser Eindruck verändert sich jeweils nach grossen Naturkatastrophen wie den Stürmen Vivian und Lothar, nach massenhaftem Borkenkäferbefall oder nach grossflächigen Waldbränden. Auch die Bekanntgabe der aktuellen Zahlen des Schweizerischen Landesforstinventars erinnert uns alle zehn Jahre an die kontinuierliche, in der Summe aber massive Waldflächenausdehnung. Wir möchten in diesem Beitrag waldrelevante Aspekte des Umweltwandels aufgrei-
Abb. 1: In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Wald hauptsächlich im Gebirge stark ausgebreitet. Das Bild zeigt die fortschreitende Waldausdehnung an der oberen Waldgrenze in der Val Tuors im Jahr 2010. ( Bild: A. Rigling, WSL Birmensdorf)
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fen und die Rolle von Mensch und Klima als Treiber von Waldveränderungen diskutieren. Klima und Waldentwicklung Das Klima ist grundsätzlich der wichtigste Umweltfaktor, der die Unterschiedlichkeit von Vegetation auf grossem, aber auch kleinem Massstab verursacht. Natürliche Klimaschwankungen sind in der Änderung der Sonnenaktivität, in der Ausrichtung der Erdachse und Exzentrizität der Umlaufbahn der Erde um die Sonne, in grossen Vulkanausbrüchen und in der Zufälligkeit von Witterungsabfolgen begründet. Weshalb nun im Winter und Frühling 2011 eine der trockensten Phasen in den letzten 130 Jahren stattgefunden hat, kann aber nicht schlüssig beantwortet werden. Klimaschwankungen haben einen sehr grossen Einfluss auf die Vegetationsdynamik unserer Erde. Denken wir beispielsweise an die mehr als 20 Eiszeiten, die für die letzten 2,7 Millionen Jahre nachgewiesen sind. Das Vordringen der Gletscher resultierte in der flächenhaften Ausradierung der Vegetation durch die Gletscher selber, und die kühleren Temperaturen im grösseren Gletscherumfeld hatten Vegetationsveränderungen und generell eine Verschiebung von Vegetationszonen in wärmere Gebiete zur Folge. Retrospektiv nennen wir die Orte, wo heutige Gebirgsarten die Eiszeiten überdauerten, Refugien. In den Zwischeneiszeiten kam es dann jeweils zu einer Rückeroberung der von den Gletschern wieder freigelegten Gebiete durch die Vegetation und zu grossen Verschiebungen der Vegatationszusammensetzung in den weiter entfernten Gebieten. Der sehr eingeschränkte Zeithorizont von Jahrzehnten bis wenigen Jahrhunderten, den wir Menschen überblicken können,
suggeriert ein Gleichgewicht in der globalen Vegationszusammensetzung, vor allem was die langlebigen Wälder anbetrifft. Wir sind uns zu wenig bewusst, dass wir uns heute in einer Zwischeneiszeit befinden – der grosse Rückzug der Gletscher ist erst ca. 10 000 Jahre her und die Rückwanderung der Vegation ist immer noch im Gange, wenn auch nicht derart dynamisch und schnell wie zu Beginn der Zwischeneiszeit. Dies wird sichtbar bei der Betrachtung der aktuellen Verbreitungsgebiete einzelner Pflanzenarten. Nehmen wir z. B. die Flaumeiche (Quercus pubescens), welche ihr Optimum im Mittelmeerraum hat und in verschiedenen inneralpinen Trockentälern wie dem Aostatal, dem Vinschgau oder dem Wallis flächig vorkommt, nicht aber in der Region Innsbruck. Im Gegensatz zur Flaumeiche kommt die Blumenesche (Fraxinus ornus) im Aostatal, nicht aber im Wallis oder im warmen Churer Rheintal vor. Das teilweise Fehlen dieser Arten kann weder auf Unterschiede im Standort noch in der menschlichen Bewirtschaftung zurückgeführt werden, denn die betreffenden Gebiete sind diesbezüglich sehr ähnlich. Vielmehr gehen wir davon aus, dass die Rückwanderung dieser Arten aus ihren Refugien im Mittelmeerraum noch nicht abgeschlossen ist. Die Rückwanderung der Pflanzen ist für uns Menschen kaum wahrnehmbar, denn einerseits läuft sie offensichtlich nur sehr langsam ab und andererseits ist sie durch wesentlich stärker wirkende Faktoren wie z. B. die natürlichen Störungen Sturm und Feuer oder die menschliche Bewirtschaftung überprägt. Der Mensch verändert den Wald Neben dem Klima ist sicherlich der Mensch als wichtiger Einflussfaktor der Waldzusammensetzung zu nennen. Das Aufkommen des menschlichen Einflusses im Verlaufe der
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letzten 5000 Jahre ist anhand von Pollendiagrammen recht genau rekonstruierbar. Diese zeigen für den Kanton Graubünden sichtbare menschliche Einflüsse seit der frühen Bronzezeit, vor rund 3500 Jahren. Im Mittelalter und noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Wald intergraler Bestandteil des ländlichen Lebens. Neben Holz waren auch die Waldweide und Waldprodukte wie Viehfutter, Streu, Harz, Pilze oder Beeren Bestandteile der Waldnutzung. Die Intensität der Waldnutzungen erreichte Mitte des 19. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Aus unserer heutigen Warte waren die Wälder massiv übernutzt und ihre Schutzwirkung, vor allem im Gebirge, stark beeinträchtigt. Massiven Starkniederschlägen in den 1860 er-Jahren folgten grossflächige Erosionen in den Alpen und Überschwemmungen im Mittelland, welche, wie wir alle wissen, 1876 zur Einführung eines restriktiven Forstpolizeigesetzes führten. Die Waldnutzung wurde reglementiert, eingeschränkt und die Waldfläche bezüglich ihrer Ausdehnung unter Schutz gestellt. Obwohl wir Teil eines jahrtausendealten Kulturraums sind, ist es uns oft nicht bewusst, dass auch unsere Wälder in der Vergangenheit teilweise intensiver menschlicher Nutzung ausgesetzt waren. Neue Untersuchungen konnten aufgrund von laserbasierten Luftbildern (Lidar = Light detection and ranging) in verschiedenen Waldgebieten in Europa vergangene, nicht vermutete menschliche Nutzungen nachweisen. In einem alten Eichenwald ausserhalb von Nancy konnten mit diesen neuen Methoden alte Parzellengrenzen, Befestigungsanlagen oder Fundamente von Kalköfen aus dem 10. Jahrhundert erkannt werden. Die meisten, von blossem Auge nicht ersichtlichen Spuren stammen gar aus der Römerzeit des 1. – 3. Jahrhunderts n. Chr.
Diese alten Spuren deuten auf eine weitestgehend landwirtschaftliche Nutzung, eine lange Zeitperiode ohne Wald hin. Landschaftsforscher in Deutschland gehen übrigens davon aus, dass Deutschland um etwa 1200 n.Chr. nur zu 15 Prozent bewaldet war. Boden- und vegetationskundliche Untersuchungen konnten in der Folge belegen, dass die heutige räumliche Verteilung von Pflanzen und Bodenparametern in diesem alten Eichenwald mit der agrarischen Nutzung während der Römerzeit übereinstimmt! Diese und andere Untersuchungen führen uns vor Augen, dass auch im Falle von naturnahen, alten Waldbeständen, die bis anhin als wenig vom Menschen beeinflusst galten, eine in der Vergangenheit intensive menschliche Nutzung in Betracht gezogen werden muss. Klimaschwankungen beeinflussen die Waldnutzung In einem kürzlich in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift «Science» publizierten Artikel konnte eine internationale Forschungsgruppe den engen Zusammenhang zwischen Klimaschwankungen und landwirtschaftlicher Produktion, Holznutzung, menschlicher Gesundheit und gesellschaftlicher Entwicklung nachweisen. Die Forscher untersuchten das Jahrringwachstum von 7284 Eichenstämmen aus Flussschottern (fossil), archäologischen Fundstellen, historischen Gebäuden, aber auch rezente, lebende Bäume aus Frankreich und Deutschland und 1546 Arven und Lärchen von Hochlagenstandorten aus Österreich und der Schweiz. Sämtliche Stämme konnten jahrgenau datiert und somit sowohl das Keimungsjahr wie auch das Hiebsjahr jahrgenau bestimmt werden. Aufgrund der variierenden Jahrringbreiten konnten die Sommertemperaturen und -niederschläge Bündner Wald 3 /2012 7
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Abb. 2: Waldausdehnung im Polarural, Russland. Im Zuge der Klimaerwärmung kann der Wald in diesen abgelegenen, nie vom Menschen besiedelten Gegenden Russlands in höhere und nördlichere Gebiete vorstossen. ( Bild: S. Shiyatov, IPAE Ekaterinenburg, Russland)
der vergangenen 2500 Jahre rekonstruiert werden. Die Untersuchungen zeigen eine frappante Übereinstimmung von gesellschaftlichen Umwälzungen und Klimaanomalien: Der Aufbruch der Kelten gegen Süden (keltische Expansion) im 4. Jhdt. v. Chr., die grossen römischen Eroberungen ( 1. Jhdt. v. Chr.), die grosse Völkerwanderung ( 4.– 6. Jhdt. v. Chr.), die Zeit der grossen Hungersnot und des schwarzen Todes (Pest, 13. – 14. Jhdt. v. Chr.), der Dreissigjährige Krieg ( 1618 –1648 ) und die letzte grosse Auswanderungswelle von Europa nach Amerika zu Beginn des 19. Jahrhunderts stimmen durchwegs mit Perioden feuchtkühler Witterung überein. In klimatisch günstigen Zeiten hingegen nahm der menschliche Einfluss auf den Wald stets markant zu, Wald wurde gerodet und der Bedarf an Holz stieg an, was sich jeweils in einer massiven Häufung der Fälldaten im untersuchten Datensatz niederschlug. Der Mensch beeinflusst das Klima Im 20. Jahrhundert hat die globale Oberflächentemperatur durchschnittlich um 0,6 ° C
zugenommen. In Gebirgsräumen, wie der Schweiz, und in kontinentalen, küstenfernen Gebieten war die Erwärmung rund 1,5-mal so stark wie im globalen Mittel. Die Niederschläge haben in der Schweiz, im gleichen Zeitraum um rund 120 mm (acht Prozent) zugenommen. Nördlich der Alpen sind zudem intensive Niederschläge im Herbst und Winter häufiger geworden. Aufgrund des durch den Menschen verstärkten Treibhauseffektes rechnet Meteo Schweiz in Zukunft mit einer beschleunigten Klimaänderung. Treibhausgasemissionen, insbesondere CO2, Methan- und Lachgas, reduzieren die Durchlässigkeit der Atmosphäre für Wärmestrahlung, was dazu führt, dass mehr langwellige Strahlung aufgenommen und zu einem erhöhten Teil wieder auf die Erde abgestrahlt wird. Damit verstärkt sich sowohl der natürliche Treibhauseffekt als auch die Erwärmung. Am deutlichsten sind die Folgen des Klimawandels am Abschmelzen vieler Gletscher zu erkennen. In der Zeit seit dem Ende der letzten Kaltphase um 1850 bis 1970 reduzierte sich das Gletschervolumen jährlich um 0,5 %. Nach 1970 sind die jährlichen Verluste auf knapp 3 % gestiegen. Allein der Hitzesommer 2003 hat das Gletschervolumen um etwa 8 % reduziert. Wald – Klimawandel – Waldnutzung Wir gehen davon aus, dass das wärmer werdende Klima unsere Wälder und die dort ablaufenden Wachstumsprozesse beeinflussen. Durch ansteigende Temperaturen ist naheliegenderweise ein Anstieg der oberen Waldgrenze zu erwarten. Allerdings ist im Alpenraum die Waldgrenze vom Menschen stark beeinflusst, denn sie wurde zur Gewinnung von Weideland schon vor Jahrhunderten vielerorts weit unter ihre natürliche Position abgesenkt. Im Zuge der
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Extensivierungen der Berglandwirtschaft dehnen sich die Wälder nun wieder aus, und die Waldgrenze nähert sich langsam wieder ihrer natürlichen Lage an. In den Schweizer Alpen lässt sich der klimabedingte Waldgrenzenanstieg daher nur schwer von nutzungsbedingten Veränderungen trennen (Abbildung 1 ). Im vom Menschen wenig beeinflussten Ural hingegen, dem Grenzgebirge zwischen Europa und Asien, ist es hauptsächlich der aktuelle Klimawandel, der die Waldgrenzen ansteigen lässt. Ein Anstieg um 20 bis 80 Höhenmeter konnte durch historische Fotografien und Jahrringanalysen belegt werden (Abbildung 2 ). Funde fossilen Holzes oberhalb der heutigen Waldgrenze bestätigen aber auch, dass es vor rund 1000 Jahren schon einmal ähnlich warm war wie heute. Neben den Veränderungen der Wachstumsdynamik an der oberen Waldgrenze zeigen weitere Prozesse in den Wäldern, dass sich die klimatischen Bedingungen ändern. Unsere Wälder sind nicht statisch, sondern reagieren auf Veränderngen flexibel, beispielsweise im Verlaufe der permanent ablaufenden Sukzession, nach Bewirtschaftungseingriffen oder nach vergangener intensivster menschlicher Nutzung. Es kann daher nicht erstaunen, dass das Erkennen des wichtigsten Einflussfaktors und die Herstellung der ursächlichen Zusammenhänge zwischen den treibenden Kräften und der Waldentwicklung oft schwierig ist, besonders auch angesichts der Vielzahl von begleitenden und voneinander abhängenden Faktoren. Anhand von vier Beispielen von grossflächig ablaufenden Waldveränderungen diskutieren wir die treibenden Faktoren und ihre Interaktionen. a) Borkenkäferepidemien in Nordamerika ( 2004 – 2012 )
Alleine in der kanadischen Provinz Britisch Kolumbien wurden bis 2010 17, 5 Millionen ha Föhrenwälder abgetötet (Abb. 3 ), also das Vierfache der Landesfläche der Schweiz. Mittlerweile erstreckt sich das Befallsgebiet von Neu-Mexiko im Süden bis nach British Columbia im Norden. Erstmals wurden auch östlich der Rocky Mountains Massenvermehrungen verzeichnet, und der Befall hat nun auch auf andere, bisher kaum tangierte Föhrenarten übergegriffen. Ohne Zweifel kann das Ausmass der Schäden und die Ausbreitung des Borkenkäfers in kältere Gebiete auf die wärmeren Sommer und die weniger kalten Winter der vergangenen Jahre zurückgeführt werden. Als weitere begleitende Faktoren müssen die vergangene Übernutzung der Wälder und die heutige Waldbewirtschaftung genannt werden, die zu gleichaltrigen und gleichförmigen Wäldern geführt hat, welche empfindlicher gegenüber Schädlingen und Krankheiten sind und deshalb die Entwicklung solcher Borkenkäferpopulationen gefördert haben. b) Windwurfschäden in Europa Im vergangenen Jahrhundert haben die durch Winterstürme verursachten Waldschäden massiv zugenommen. Verschiedene Studien nennen klimatische Faktoren wie vermehrtes Auftreten von starken Winterstürmen und lokal eine Zunahme der Windgeschwindigkeiten. Auf der anderen Seite haben in ganz Europa nach der starken Übernutzung der Wälder grossflächige Aufforstungen stattgefunden. Waldfläche, Bestandesalter, Bestandeshöhe und Holzvorrat haben also seit rund 150 Jahren um den Faktor 3 zugenommen und dadurch ist Bündner Wald 3 /2012 9
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das Risiko von Sturmschäden heute wesentlich grösser als früher. Das Beispiel zeigt, dass für eine stichhaltige Systemanalyse nicht nur die Veränderung von klimatische Faktoren, sondern auch die veränderte Waldnutzung berücksichtigt werden muss. c) Absterbephänomene bei der Waldföhre in den Zentralalpen Weltweit scheinen in den letzten Jahrzehnten trockenheitsbedingte Waldschäden zugenommen zu haben. In Übereinstimmung damit ist es in verschiedenen inneralpinen Trockentälern wiederholt zu massivem Absterben der Waldföhre gekommen. Gleichzeitig scheinen Laubbaumarten, allen voran die gut an die Trockenheit angepasste Flaumeiche, sich auszubreiten. Höhere Mortalitätsraten der Waldföhre können eindeutig mit wärmeren Sommermonaten und mit wiederholt aufgetretenen Trockenzeiten der vergangenen Jahrzehnte erklärt werden. Das vermehrte Aufkommen der Flaumeiche hingegen ist auf Veränderungen in der Waldnutzung zurückzuführen: Die während Jahrhunderten praktizierte Waldweide und Streunutzung hatte dazu geführt, dass die Flaumeiche und andere Laubbaumarten kontinuierlich dezimiert und zurückgedrängt wurden. Seit der Aufgabe dieser Waldnebennutzungen vor wenigen Jahrzehnten breiten sich die Laubbäume im angestammten Föhrenterritorium aus. Die Ausbreitung der Flaumeiche kann also ursächlich nicht auf den Klimawandel zurückgeführt werden, doch kommt ihr die im Vergleich zur Waldföhre erhöhte Toleranz gegenüber Trockenheit in einem zunehmend trocken-warmen Klima sicherlich zugute.
d) Einschleppung von Schädlingen und Krankheiten Schädlinge und Krankheiten, welche nicht zu unseren Ökosystemen gehören, können diese innert kürzester Zeit «auf den Kopf stellen» (siehe Beiträge von R. Engesser, B. Forster und A. Angst in diesem Heft). Als gutes Beispiel dient uns die gefährliche Kiefernholznematode (Bursaphelenchus xylophylus), welche in Korea, China und Portugal eingeschleppt wurde und die dortigen Kiefernwälder grossflächig zerstörte. Der mikroskopisch kleine Fadenwurm lebt in den Wasserleitbahnen des Holzes und kann bei Massenvermehrung den Baum abtöten. Im Zuge des wärmeren Klimas muss davon ausgegangen werden, dass sich dieser kälteempfindliche Schädling mittlerfristig auch in den wärmer gewordenen Gebieten Zentraleuropas durchsetzen könnte, mit verheerenden Konsequenzen z. B. für unsere inneralpinen Waldföhrenwälder. In der Schweiz wurde dieser aggressive Schädling im vergangenen Jahr erstmals in importierten Rindenschnitzeln aus Portugal festgestellt. Die Behörden reagierten sehr schnell: Die Einfuhr wurde gestoppt, das Material vollständig vernichtet und die Gefahr ist daher mindestens vorübergehend gebannt. Dieses letzte Beispiel zeigt das Zusammenspiel der zwei an sich unabhängigen Prozesse «globaler Warentransport» und «Klimawandel» auf und skizziert die möglicherweise fatalen Konsequenzen für den Wald. Fazit Sowohl das Klima als auch der Mensch beeinflussen seit Jahrtausenden die Waldentwicklung ganz entscheidend. Zwischen Klima und Landnutzung respektive Klimawandel und Landnutzungswandel können
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Abb 3: Borkenkäferbefall in den kanadischen Rocky Mountains. In Nordamerika werden zurzeit die wohl grössten je gesichteten Borkenkäferschäden beobachtet. ( Bild : B. Wermelinger, WSL Birmensdorf)
vielfache Wechselwirkungen bestehen. Sie können eng gekoppelt oder gänzlich unabhängig voneinander sein, sie können sich überlagern, sich gegenseitig beeinflussen oder gar verstärken und sie können sich in ihrer Wirkung aber auch dämpfen. Das Ineinandergreifen der zwei wichtigen Faktorenkomplexe führt dazu, dass die auslösenden und beeinflussenden Faktoren von Wachstumsänderungen, Verjüngungsschwierigkeiten, Absterbephänomenen, Sturmschäden, Borkenkäferepidemien oder Waldbränden oft nicht eindeutig oder nur unvollständig erkannt werden. Sollen die Weichen für die Zukunft gestellt werden und soll das Ziel eine nachhaltige Waldbewirtschaftung in einer sich schnell verändernden Umwelt sein, dann müssen wir nicht nur in der Lage sein, den heutigen
Zustand der Wälder im Lichte des vergangenen Umweltwandels zu verstehen, sondern auch die Entwicklung unserer Wälder unter wärmeren und vermutlich trockeneren Verhältnissen abzuschätzen zu können. Für die Weichenstellung sollten wir nur unser ganzes aktuelles Wissen in Betracht ziehen. Hierzu zählen sowohl empirisches Wissen über die Standortsverhältnisse, also das Fachwissen der Förster, als auch mehr wissenschaftsorientierte Landschaftsentwicklunsmodelle und Resultate aus gezielten Experimenten. Und last but not least: «Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.» (Karl Valentin) Weiterführende Literatur – Allen CD, Macalady A., Chenchouni H., Bachelet D., McDowell N., Vennetier Bündner Wald 3 /2012 11
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Andreas Rigling Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf andreas.rigling@wsl.ch
Thomas Wohlgemuth Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf thomas.wohlgemuth@wsl.ch
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Hochgebirgsflora reagiert verzögert auf den Klimawandel
Der Frühlings-Enzian (Gentiana verna) ist eine typische Hochgebirgspflanze, die heute bereits in Gipfellagen wächst und bei Klimaerwärmung nicht mehr in grössere Höhen ausweichen kann. (Bild: Stefan Dullinger, Universität Wien)
Bestandsaufnahmen spiegeln nicht das volle Ausmass des rezenten Klimawandels wider: Dies belegt eine neue Modellierungsstudie am Beispiel der Hochgebirgsflora der Alpen. Ein Team europäischer Wissenschafter/innen um Stefan Dullinger von der Universität Wien und Niklaus Zimmermann von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL stellt aktuell in der Fachzeitschrift «Nature Climate Change» ein Modell zur Dynamik der Wanderungsprozesse von Alpenpflanzen vor. Als Reaktion auf die Erwärmung des Klimas ist eine Verschiebung der Verbreitungsgrenzen von Pflanzenarten in Richtung der Pole bzw. in höhere Lagen der Gebirge zu erwarten. Bisherige Prognosen solcher Arealverschiebungen gehen von Voraussetzungen aus, die in vielen Fällen nicht zutreffen. Vorhersagen bezüglich des zu erwartenden regionalen Artenverlustes sind daher mit grossen Unsicherheiten belastet. Artenverluste basierend auf Klimaprognosen errechnen In seiner Publikation in der Fachzeitschrift «Nature Climate Change» stellt ein Team europäischer Wissenschafter/innen ein neues Modell vor, das die Dynamik von Wanderungsprozessen besser abbildet. Auf der Basis
der erwarteten Klimaänderungen berechneBündnerwald 2012 / 70*100 farbig Ausgabe Juni 2012 / Dezember 2012 ten die Forschenden die Arealveränderungen von 150 Pflanzenarten der Hochlagen ausgeANZEIGE
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hend von ihrer heutigen Verbreitung innerhalb der Alpen. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts werden diese Hochgebirgsarten im Durchschnitt 44 bis 50 Prozent ihrer heutigen Fläche verlieren. Diese Verluste sind deutlich geringer als mit bisherigen Modellierungstechniken vorausgesagt. Verzögertes Aussterben Der neue Modellierungsansatz zeigt auch auf, dass Alpenpflanzen nicht unmittelbar auf klimatische Veränderungen reagieren. In der näheren Zukunft wird ein wesentlicher Anteil der Bestände in Gebieten zu finden sein, die sich für ein dauerhaftes Überleben der entsprechenden Arten nicht mehr eignen. Die lange Lebenszeit und ihre Fähigkeit, sich vegetativ durch Rhizome oder oberirdische Ausläufer zu vermehren, ermöglicht es den Arten, den Prozess des Aussterbens zu verzögern und unter suboptimalen Bedingungen zu überleben. In den kommenden Jahrzehnten werden daher wahrscheinlich nur moderate Verluste an Pflanzenarten in den Alpen zu beobachten sein. «Unsere Ergebnisse zeigen jedoch klar, dass das gesamte Ausmass der aktuellen Klimaerwärmung erst mit jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelanger Verzögerung erkennbar sein wird», erklärt Stefan Dullinger von der Universität Wien. «Langfristig muss also mit deutlichen Artverlusten gerechnet werden», sagt Niklaus Zimmer-
mann von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, «und deren Aussterben wird voraussichtlich durch ausserordentliche klimatische Ereignisse wie extreme Trockenheit und deutlich frühere Schneeschmelze beschleunigt.» Endemische Arten besonders bedroht Die Wissenschafter stellten auch fest, dass endemische Arten – also Pflanzen, deren Verbreitung auf Teilgebiete der Alpen beschränkt ist – besonders sensibel auf die Klimaänderungen reagieren. Drei von vier dieser Arten werden mindestens 80 Prozent ihres derzeitigen Verbreitungsgebietes einbüssen, weil sie aufgrund ihrer Ausbreitungsfähigkeit klimatisch geeignete Areale nicht erreichen. Verstärkend kommt hinzu, dass sie häufig in Randgebieten der Alpen vorkommen, deren geringere Gipfelhöhen ein Ausweichen in höhere Lagen nicht ermöglichen. Die Pflanzen geraten damit in eine klimabedingte Falle. Zusammenfassung von Reinhard Lässig
Dr. Nikolaus Zimmermann Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf nikolaus.zimmermann@wsl.ch
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Die Bedeutung von Ökotypen für die Anpassungsfähigkeit Umweltveränderungen sind an sich nichts Neues. Das Leben hat Mechanismen entwickelt, um Veränderungen mit Anpassung begegnen zu können. Dabei spielt die Ausbildung von Ökotypen durch genetische Differenzierung eine wichtige Rolle. Doch was wissen wir über diese Prozesse und die Ökotypen unserer Baum- und Straucharten? Und wie können wir diese arterhaltenden Mechanismen unterstützen? Was ist Anpassungsfähigkeit? Inselbiogeografie Aufgrund der Aussterbewahrscheinlichkeit von Arten auf kleinen isolierten Inseln konnte in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts das Inselbiogeografie-Modell entwickelt werden. Dieses besagt, dass das Aussterberisiko von Inseln besiedelnden Arten steigt, je kleiner besiedelte Inseln sind und je weiter diese vom Festland entfernt liegen. Übertragen auf zerstückelte Populationen seltener Arten des Festlandes steigt das Risiko, dass eine Art regional ausstirbt, mit abnehmender Individuenzahl und mit zunehmender Isolation der Teilpopulationen (Fragmentierung). Genetische Variation und Anpassung Eine grosse genetische Variation ermöglicht einer Population ganz unterschiedliche Verhaltensmöglichkeiten, ein Potenzial zur Anpassung an eine sich verändernde Umwelt (z. B. Wasserangebot, Wärmeangebot). Die erhöhte Aussterbewahrscheinlichkeit auf Inseln liegt in der begrenzten genetischen Variation kleiner Populationen begründet. Denn je kleiner die Gesamtmenge an verschiedenen Genvarianten (Genpool) in einer Population ist, desto weniger Verhaltensmöglichkeiten stehen einer Art zur Bewältigung des Lebens in einer gegebe-
Inselbiogeografie: Die Artenzahl ist abhängig von Grösse und Distanz einer Insel vom Festland. (Bild: Rudow ETHZ)
nen Umwelt zur Verfügung. Hinzu kommt, dass aufgrund der Isolation Verluste an genetischer Variation nicht ausreichend durch sporadische Wiederbesiedlung aus anderen Teilpopulationen (Genfluss) kompensiert werden können. Genetische Drift und minimale Populationsgrösse Abgesehen von der begrenzten Anpassungsfähigkeit kommt in kleinen Populationen hinzu, dass Genvarianten nur in wenigen Individuen enthalten sind. Dadurch steigt das Risiko, bei zufälligen Sterbeereignissen von Individuen ( z. B. Bergsturz, Waldbrand) Teile des Genpools, die nur einfach in der Population vorhanden waren, unwiederbringlich zu verlieren (genetische Drift), wodurch wiederum die Anpassungsfähigkeit vermindert wird. Aufgrund dieser Aufschaukelung des Aussterberisikos sterben Arten, beziehungsweise Populationen, Bündner Wald 3 /2012 15
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unterhalb einer minimalen Populationsgrös se mit grosser Wahrscheinlichkeit aus (Aus sterbestrudel). Metapopulation in Raum und Zeit Da sich die Umwelt seit Jahrmillionen im merzu wandelt, ist Anpassungsfähigkeit ein Grundmuster des Lebens. Auf die Er kenntnisse der Inselbiogeografie aufbau end wurde deshalb das Konzept dynami scher Metapopulationen entwickelt. Die Metapopulation einer Art beinhaltet die Gesamtheit der in Raum und Zeit verbun denen Teilpopulationen der Art. Solange die Metapopulation als Ganzes genetisch divers und anpassungsfähig bleibt, können aus in dividuenreichen Kernpopulationen Gebiete mit ausgestorbenen Teilpopulationen spora disch wiederbesiedelt werden, können frag mentierte Teilpopulationen durch Trittstein populationen mit anderen Teilpopulationen schwach verbunden bleiben und es können überlebende, vollständig isolierte Teilpopu lationen auch nach langer Zeit wieder mit der Kernpopulation verbunden werden. Zur Abschätzung der Überlebensfähigkeit einer Art ist demnach nebst der Populations grösse immer auch die raumzeitliche Dyna mik der gesamten Metapopulation zu be rücksichtigen. Wie entsteht genetische Variation? Isolation und genetische Differenzierung Durch zufällige Mutation entstehen lau fend neue Genvarianten bei Verhaltens bestimmenden, sogenannten codierenden Genen. Wenn diese in der gegebenen Umwelt einen Vorteil bedeuten, bleiben sie in der Regel erhalten. Wenn nicht, verschwinden sie meist mit dem Tod ih res Trägerindividuums wieder. Dieser Vor gang der gerichteten Selektion ermöglicht es, dass sich in Teilpopulationen mit be
sonderen Umweltbedingungen sukzessive besonders gut an die Umwelt angepasste Verhaltensmöglichkeiten entwickeln ( z. B. Frosthärte, Salztoleranz). Wir nennen ei ne solche gerichtete Etablierung von be stimmten Genvarianten auch genetische Differenzierung. Wege der genetischen Differenzierung Bei starkem Selektionsdruck kann die Dif ferenzierung ohne Isolation der Teilpopu lation (sympatrisch) erfolgen. In der Regel läuft sie aber unter isolierten Bedingun gen ab (allopatrisch), weil dadurch ein Überprägen noch nicht ausdifferenzierter neuer Eigenschaften durch den gesamten Genpool effektiv verhindert wird. Werden Genvarianten und entsprechende Eigen schaften in isolierten Populationen über viele Generationen vollständig ausdiffe renziert und fliessen später im Rahmen der Metapopulationsdynamik in die Kern population zurück, so wird die betreffen de Art um diese neuen Genvarianten und entsprechenden Verhaltensmöglichkeiten bereichert. Sofern günstige Bedingungen und genügend grosse Zeiträume für Dif ferenzierungsprozesse bestehen, hat die Isolation von Teilpopulationen also eine positive und sogar essenzielle Wirkung auf die Anpassungsfähigkeit. Metapopulationen aus Ökotypen Eine Teilpopulation mit ausdifferenzierten ökologisch wirksamen und oft auch mor phologisch sichtbaren Eigenschaften nen nen wir Ökotyp. Häufige Arten mit gros sen Metapopulationen weisen meist auch mehrere Teilpopulationen auf, in denen Differenzierungsprozesse ablaufen und solche, in denen bereits ausdifferenzierte Ökotypen gebildet wurden. Diese Arten weisen in der Regel eine relativ hohe ge
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netische Variation und eine entsprechend grosse Anpassungsfähigkeit auf. Denn grosse Metapopulationen mit verschiede nen Ökotypen haben grosse Chancen, via die Eigenschaften des einen oder anderen Ökotypen einen Weg in eine unbekannte zukünftige Umwelt zu finden und auf die se Weise fortzubestehen. Ebenen der Biodiversität und ihrer Erhaltung Das Verständnis über die für die Entstehung von genetischer Variation innerhalb von Ar ten bzw. innerhalb von deren Metapopula tionen führt uns zur heute üblichen Dreiglie derung der Biodiversität: Lebensraumvielfalt, Artenvielfalt, genetische Vielfalt. Diese drei Ebenen stehen miteinander in Verbindung und sind überdies voneinander abhängig. Deshalb macht es wenig Sinn, Arten erhalten zu wollen ohne gleichzeitig auch die geneti sche Vielfalt innerhalb der Arten (Grundlage der Anpassungsfähigkeit) sowie die Vielfalt der Lebensräume (Grundlage der Differen zierung) zu erhalten und zu fördern. Beispiele (potenzieller) Ökotypen Die Kenntnisse über die artspezifischen Metapopulationen der meisten Pflanzen arten sind heute noch sehr gering. Gene tische Marker auf codierenden Genen sind sehr schwer zu etablieren. Deshalb ist ein genetischer Nachweis von Ökotypen heu te meist nicht möglich. Teilweise kann aber aufgrund ökologischer oder morphologi scher Besonderheiten und insbesondere aufgrund des Verbreitungsmusters einer Art auf potenzielle Ökotypen geschlossen werden. Dabei unterscheiden wir verschie dene Grössenordnungen und Prozesse der Metapopulationsdynamik. Anhand von Bei spielen einheimischer Gehölzarten lassen sich wesentliche Szenarios veranschauli
Die drei Ebenen der Biodiversität bilden ein dynamisches Gesamtsystem, in dem genetische Vielfalt fortlaufend neu gebildet wird. (Bild: Rudow ETHZ)
chen und gleichzeitig Thesen zu möglichen Differenzierungsprozessen und potenziellen Ökotypen dieser Arten ableiten: Grossräumige Isolation der Alpen Seit dem Ende der letzten Eiszeit werden heutige typische Arten des subalpinen Gür tels des Alpenraumes grossräumig von ihren Ursprungspopulationen des zonalen Bioms des borealen Nadelwaldes abgetrennt. Der Alpenraum stellt damit für viele dieser Ar ten eine Insel mit grossen abgetrennten und in sich weiter fragmentierten Popula tionen dar. Dadurch können hohe Grade der Ausdifferenzierung alpiner Ökotypen entstehen, die meist als Unterarten (subsp.) oder als eigene, d. h. neue endemische Ar ten aufgefasst werden. Für viele dieser al pinen Populationen ist aber eigentlich nicht klar, ob aus ihnen tatsächlich neue Arten entstehen oder ob sie dereinst wieder mit dem HerkunftsGenpool der ursprünglichen Art verbunden werden und dann diesen um entsprechende AlpenÖkotypen bereichern werden. Die Lärche (Larix decidua) wird heute als eigene, von Larix sibirica bereits vollständig abgetrennte Art verstanden. Der Alpenraum beinhaltet die Kernpopulation der Art (subBündner Wald 3 /2012 17
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Flaumeichen der Alpennordseite (links) weisen im Gegensatz zur mediterranen Kernpopulation (rechts) eine relativ schwache Behaarung von Jahrestrieb und Blättern auf. (Bild: Rudow ETHZ)
sp. decidua), gegenüber kleineren Teilpopulationen mit umstrittenem Status in Polen (subsp. polonica), in den Sudeten (subsp sudetica) und in den Karpaten (subsp. carpatica). Bei der Arve oder Zirbelkiefer (Pinus cembra) ist die grossräumige Isolation noch ausgeprägter. Dennoch hat sich ihr Status als eigene endemische Alpenart gegenüber der einst mit ihr zusammengehörigen Sibirischen Zirbelkiefer (Pinus sibirica) erst in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt. Die Verbreitung der Grünerle (Alnus viridis) sieht zwar ähnlich aus, doch ist die Abtrennung als eigene Art von der sibirischen Grünerle (Alnus fruticosa) umstritten. Teilweise werden diese beiden und vier weitere Arten der Nordhämisphäre auch zu einer Art mit sechs Unterarten zusammengefasst, worunter eine unsere Grünerle (subsp. viridis) ist. Kleinräumige Isolation innerhalb der Schweiz Die Heterogenität der Schweiz mit unterschiedlich starker Abtrennung von Populationen in Talschaften führt auch in kleinerem Massstab zu idealen Bedingungen für die Differenzierung von Ökotypen. Da die Isolation mit Distanzen von einigen 100 km begrenzt ist und die Populationen im Rah-
men der Metapopulationsdynamik eher wieder verbunden werden können, findet die Ausdifferenzierung von Ökotypen in der Regel auf dem Niveau von Lokalrassen (var.) oder Unterarten ( subsp.) statt und erreicht nur in Ausnahmefällen die Abgrenzung eigener Arten. So eine Ausnahme ist die Brembana-Grünerle (Alnus brembana), die in einigen Südalpentälern vorkommt. Früher als Alnus viridis subsp. brembana eingestuft, wird dieser deutlich kleinwüchsigere Ökotyp der Grünerle heute als eigene Art aufgefasst. Die Waldföhre (Pinus sylvestris) umfasst ein riesiges zusammenhängendes Verbreitungsgebiet von Mitteleuropa bis China sowie eine grosse Variabilität. Dass die Art damit nirgendwo den Status einer Unterart erreicht, dürfte auf die geringe Fragmentierung zurückzuführen sein. Lediglich Populationen am Rand der Gesamtverbreitung bilden in relativ isolierten Gebirgstälern wie dem Engadin oder dem Wallis Ökotypen aus oder können hier eingewanderte Ökotypen halten, so z. B. die schmalkronige Engadiner Föhre (var. engadinensis). Bei der Flaumeiche (Quercus pubescens ) auf der Alpennordseite fallen Rand der Gesamtverbreitung und Isolation durch den Alpenkamm zusammen. Ausserdem handelt
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es sich bei der Teilpopulation der Alpennordseite um eine Hybridpopulation von ursprünglicher Flaumeiche und der Traubeneiche (eigentlich: Quercus x pubes cens). Genfluss wäre in beide Richtungen möglich. Doch ist heute unklar, ob sich dieser spezielle Ökotyp bis zu einer Verbindung mit der Flaumeichen-Kernpopulation des Mittelmeerraumes halten kann oder ob er dereinst ganz in den Genpool der Traubeneiche eingehen wird. Standörtliche Differenzierung ohne Isolation Während sich die oben genannten Beispiele allopatrisch aufgrund räumlicher Isolation ausdifferenzieren, sind Ökotypen bei sympatrischer, also ohne relevante räumli-
che Trennung ablaufender Differenzierung noch schwieriger zu fassen. In der Regel finden wir Hinweise auf potenzielle Ökotypen bei Arten, die heterogene ökologische Nischen, insbesondere unkontinuierliche standörtliche Bindungen aufweisen. Ausserdem lassen sich Ökotypen auch bei Arten mit unterschiedlichen standortabhängigen Morphotypen vermuten. Die auf frische bis feuchte Standorte spezialisierte Esche (Fraxinus excelsior) weist mit Vorkommen in trockenen bis dürren Eichenwaldgesellschaften auf Kalk eine erstaunliche Variabilität auf. Ob es sich bei der trockenheitstoleranten sogenannten «Kalkesche» tatsächlich um einen Ökotyp handelt, ist aber umstritten. Jedenfalls konnte eine genetische Fixierung dieser
Die Verbreitungsanalyse (Alpennordseite) liefert Hinweise zu potenziellen Ökotypen unterschiedlicher standörtlicher Nischen der Eibe (Taxus baccata): auf Trockenstandorten (Jura), wechselfeuchten Standorten (Molasse/Voralpen) und eventuell in kontinentaler geprägten Alpentälern. (Bild: Rudow ETHZ)
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ökologischen Eigenschaften bisher nicht belegt werden. Bei der im ganzen Alpenraum häufigen Vogelbeere (Sorbus aucuparia) lässt sich ein Hochlagentyp aufgrund der früh verkahlenden Blattunterseiten morphologisch abgrenzen. Die Korrelation standörtlicher und morphologischer Typen lässt hier unterschiedliche Ökotypen in den Hochlagen (subsp. glabrata) und Tieflagen (subsp. aucuparia) vermuten. Die Eibe (Taxus baccata) weist in einigen Gebieten der Schweiz noch ursprüngliche Populationen auf. Sie stockt hier hauptsächlich in recht unterschiedlichen standörtlichen Nischen: extrem trocken und wechselfeucht. Auch ohne entsprechende morphologische Typen und deshalb auch ohne taxonomische Untergliederung könnte es sich dabei durchaus um Ökotpyen der Eibe handeln. Folgerungen für die Praxis Kenntnisse erweitern Die Kenntnis der Metapopulationen und Ökotypen unserer Gehölzarten ist wertvoll. Auf der Grundlage von Verbreitungserhebungen sind Hinweise zu Morphotypen und potenziellen Ökotypen systematisch zu sammeln und zu erforschen. Längerfristig ist die Etablierung genetischer Methoden zur sicheren Bestimmung von Genvarianten bei codierenden, d. h. Verhaltens-bestim-
menden Genen anzustreben (gesicherte Ökotypen). Management von Metapopulationen Die Erhaltung der Biodiversität unserer Baum- und Straucharten erfordert ein koordiniertes Management ihrer Metapopulationen. Dabei geht es um die Sicherung von genetischer Variation durch die adäquate Bewirtschaftung von Ökotypen in geeigneten Generhaltungsgebieten, sogenannten Gene Conservation Units (GCU). Geeignetes Pflanzmaterial Im ganzen Gebiet ist bei Förderungsmassnahmen auf Pflanzmaterial entsprechender regionaler Herkünfte und Ökotypen zu achten. Der Nationale Samenerntekataster (NKS) sollte die potenziellen Ökotypen aller Gehölzarten abdecken und entsprechend ergänzt werden. Ausserdem ist eine über die Kantonsgrenzen hinaus gehende koordinierte Nachzucht besonderer Provenienzen anzustreben (kollektive Auftragsnachzucht).
Andreas Rudow Terrestrische Ökosysteme ETH Zürich, CH-8092 Zürich andreas.rudow@env.ethz.ch
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Waldsamen – der Anfang einer neuen Generation
Samen für eine neue Fichtengeneration. (Bild: Sandro Krättli)
Die Nachzucht von Waldbäumen und Sträuchern erfolgte im Kanton Graubünden in kleinen Forst- oder Pflanzgärten. Fast jede Gemeinde führte einen solchen Garten. Viele regionale Gebietsnamen deuten heute noch darauf hin, obwohl jetzt ausgewachsene Bäume den Standort besiedeln. Jeder Förster sammelte Samen in seinem Revier und zog dann die benötigten Pflanzen nach. Diese einmalige, herkunftsgerechte Nachzucht wurde aber viel zu teuer, zu arbeitsintensiv und war zum Teil unbefriedigend. Dies führte dazu, dass im Jahre 1957 die fünf kantonalen Forstgärten gegründet wurden. Durch die starken Rückgänge beim Pflanzenabsatz mussten im Laufe der Zeit drei Gärten wieder geschlossen werden. Im Moment sind noch Rodels und S-chanf als Forstgärten in Betrieb. Im Jahr 2000 wurden noch ca. 400 000 Pflanzen verkauft, zehn Jahre später noch ca. 110 000. Dieser Trend ist sicher auf die politischen Vorgaben, die Kosten, aber auch auf das vermehrte Abwarten auf die Naturverjüngung zurückzuführen. Die zentrale Nachzucht von Forstpflanzen kann jetzt rationeller und kostengünstiger erfolgen. Um die Vielfalt unserer einheimischen und standortsgerechten Baum- und Straucharten zu erhalten, zu unterstützen oder auch wieder neu einzubringen, ist die
Existenz eines Frostgartens unerlässlich. Auch Gartenbesitzer legen immer mehr Wert darauf, einheimische Gehölze zu setzen und weichen den Importen und Zuchtsorten immer mehr aus. Der Nutzen für die Natur allgemein und die Insekten, Vögel und Säugetiere im Speziellen wird von immer mehr Leuten erkannt und gefördert. Auch für diese Kundengruppe bietet der Forstgarten ein reichhaltiges Angebot an Gartenpflanzen aus Graubünden. Es ist unser Bestreben, die verschiedenen Rassen zu erhalten und zu fördern. Die sogenannten Genotypen und Phänotypen sind über Jahrtausende entstanden. Als Beispiel für die genetische Anpassung möchte ich den unterschiedlichen Austriebszeitpunkt von Pflanzen der gleichen Art aus unterschiedlichen Herkunftsgebieten und HöZapfen öffnen sich langsam. (Bild: Sandro Krättli)
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Durch die Verwendung von nicht an den Standort angepassten Pflanzen können folgende Nachteile entstehen : – Wachstumsverlust – Kümmern – Anfälligkeit auf Krankheiten – Anfälligkeit auf Frost und Schnee – Verdrängen von regional angepassten Standortrassen – Starke Beeinträchtigung der Schutzfunktion – und, und, und
Gute Samenqualität trennt sich von schlechter. (Bild: Sandro Krättli)
henlagen erwähnen. Pflanzen aus Höhenlagen treiben schon bei wesentlich tieferer Temperatur aus als solche aus Tieflagen. Die unterschiedlichen Wuchsformen der Fichten aus den verschiedenen Höhenstufen werden als Phänotypen bezeichnet. Sicher kennt jeder unsere typische Hochlagenfichte mit ihrem schlanken Wuchs, den scheinbar fast am Stamm anliegenden und stark nach unten geneigten Ästen. Durch diese gezielte Wuchsform fällt der Schnee schneller von den Ästen und die Schneebruchgefahr wird verringert. Genau solche Rassen müssen erhalten und gefördert werden. Dies kann durch Naturverjüngung geschehen, aber sicher auch mit Pflanzungen unterstützt werden. Zum Beispiel bei einer starken Verunkrautung mit Hochstauden.
Wir ernten die Schätze der Natur Um diese Probleme nicht zu fördern, wird für die Nachzucht nur einheimisches Saatgut verwendet. In speziell ausgewiesenen Samenerntebeständen, die Anforderungen wie Stabilität, Vitalität, Qualität und Wuchsleistung erfüllen, wird die Ernte durch den Forstgarten Rodels geplant und oft in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Forstdienst durchgeführt. Im nationalen Kataster für Samenerntebestände sind im Kanton Graubünden 189 Nadelholzbestände aufgenommen. Um diese Vielfalt zu erhalten, führen wir eine Samenbank. Diese beinhaltet im Moment ca. 700 kg Samen von etwa 40 Straucharten und Rosen, ca. 30 Laubbaumarten und acht Nadelholzarten. Diese sind natürlich aufgeteilt auf die verschiedenen Provenienzen. Um diese Samenbank immer wieder zu erneuern, aber auch um die Nachzucht sicherzustellen, betreibt der Kanton Graubünden eine Klenge. Diese wurde im Jahr 1992 saniert und steht seither der ganzen Schweiz zur Verfügung. Sie ist die einzige Klenge, die noch in Betrieb ist. Für die Aufbereitung der Zapfen und anderen Samen muss der Klengmeister über spezielles Wissen verfügen, damit die Samen keinen Schaden nehmen und dem Kunden hochwertiges Saatgut zur Verfügung steht. Auch
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Samenbank für den ganzen Kanton. (Bild: Sandro Krättli)
hier macht sich natürlich der Trend von sinkenden Absatzzahlen bemerkbar. In den spitzen Jahren wurden bis 20 000 kg Zapfen geklengt. Letztes Jahr waren es ca. 2000 kg Nadelholz. Die Lagerfähigkeit ist je nach Art sehr unterschiedlich. In unserer Samenbank sind noch Fichtensamen vorhanden, die 40 Jahre alt sind. Bei diesen Samen ist das Keimprozent sehr gering. Trotzdem keimen noch einige. Diese lange Lagerfähigkeit ist auf die richtige Behandlung des Saatgutes und die Lagerung in einem Kühlraum bei ca. + 2° C zurückzuführen. Pro Jahr machen wir ca. 120 Saaten. Diese setzen sich aus den verschiedenen Arten und den jeweiligen Provenienzen zusammen. 2011 haben wir 20 Fichten- und 16 Lärchenherkünfte gesät. Die Pflanzen haben bei uns einen Ehrenplatz Neben dem hochwertigen Saatgut und guten Boden sind die Kulturmassnahmen der entscheidende Faktor für Jungpflanzen von hoher Qualität. Darum gehen wir auch in diesem Bereich sehr sorgfältig vor und arbeiten mit sehr zeitaufwendigen Massnahmen. Bei der Produktion von einheimischen Pflanzen achten wir schon bei der Saat darauf, dass sich Pflanzen mit besten Eigenschaften
entwickeln können. Die Saat erfolgt nicht zu dicht, um ein gutes Spross- / Wurzelverhältnis zu erzielen. Im Saatbeet bleiben die Nadelhölzer zwischen zwei bis fünf Jahren, je nach Art. Anschliessend werden sie ausgehoben und nach Grösse und Qualität sortiert. Bei diesem Arbeitsgang des Verlesens werden mehrere Hunderttausend Pflanzen angeschaut. Ein gewisser Prozentsatz wird direkt wieder kompostiert und nur die Elite kommt in die Verschulung. Auf Bestellung werden jetzt auch die Pflanzen aussortiert, die vertopft werden müssen. Diese Menge variiert von Jahr zu Jahr sehr stark. Wir brauchen ca. 10 000 – 25 000 Stück pro Jahr. Damit auch hier eine gute Qualität angeboten werden kann, müssen die Topfpflanzen noch ca. zwei Monate bei uns gepflegt werden, damit sie gut anwachsen. Sobald genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, beginnen wir mit der Verschulung. Man benötigt dazu 14 Hände. Zehn, die die Verschulmaschine bedienen, zwei für den Traktor und zwei, die die Pflanzen bereitstellen. In der Verschulung stehen die Fichten zwei bis drei Jahre, bis sie verkaufsbereit sind. Ein Grossteil der Verschulung wird unterschnitten, damit sich gute Faserwurzeln ausbilden. Die Unkrautbekämpfung erfolgt mehrheitlich mechanisch oder manuell. Diese ist zwar sehr arbeitsintensiv, Bündner Wald 3 /2012 23
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aber ökologisch viel wertvoller. Zur Erholung der Anbaufläche wird eine Zwischenkultur mit Gründüngung angelegt. Dadurch erzielen wir eine düngende, bodendurchlüftende und humusfördernde Wirkung. Auch erfolgt die gesamte Nachzucht im Freiland. Damit sind die Pflanzen abgehärtet und trotzen den klimatischen Bedingungen. Der Kunde ist König Mittels des Pflanzenkatalogs zeigen wir den Förstern und anderen Interessierten, was wir an verschieden Arten und Provenienzen im Angebot für den Verkauf haben. Im Katalog 2011/ 2012 sind 48 Arten aufgelistet, unterteilt in 140 Herkünfte. Hierbei handelt es sich um Forstware. Für den privaten Bedarf oder als Grosspflanzen mit Ballen oder im Container stehen im Moment 120 Arten zur Verfügung.
Beim Rüsten der Bestellungen hat Schnelligkeit, ohne die Sorgfalt zu vernachlässigen, für uns höchste Priorität, damit die Pflanzen nicht unnötig der Sonne und dem Wind ausgesetzt sind. Schon nach zwei Minuten Sonneneinstrahlung werden Wurzelhaare getötet, nach fünf Minuten trocknen Faserwurzeln, nach zehn Minuten sterben 20 % und nach 30 Minuten 70 % der Pflanzen. Um die Pflanzen nach dem Ausheben sachgemäss und ohne Qualitätsverlust bis zum Pflanztermin zwischenzulagern, werden sie in unserem speziellen Kühlraum bei einer Temperatur von ca. + 2 bis + 4°C und fast 100 % Luftfeuchtigkeit aufbewahrt. Alle Bestellungen werden in Pflanzfrischsäcken bereitgestellt. Mit dieser Lagerung können die Pflanzen problemlos bis Ende Mai aufbewahrt werden. Somit bietet sich dem Kunden die Möglichkeit, die ideale Pflanzzeit zu
Junge Lärchen bereit für die Pflanzung im Wald (Bild: Reto Obrist )
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nutzen, ohne aufwendige Einschlagarbeiten am Pflanzort. Wir erhoffen uns von den Förstern : – Mittelfristige Planung des Pflanzenbedarfs – Mitarbeit bei der Samenernte – Sonderwünsche melden – Fruktifikation der Bäume beobachten – Holzschläge in möglichen Samenerntebeständen melden Wir bieten dem Kunden : – Ein grosses Angebot an verschiedenen Provenienzen – Qualitativ hochwertige Pflanzen – Abgehärtete Pflanzen dank der Nachzucht im Freiland – Lagerung im Kühlraum – Beratung über die richtige Pflanzenwahl – Bereitstellen von Topfpflanzen – Bepflanzungen – Sonderwünsche werden gerne entgegengenommen – Führungen im Forstgarten Leider sind wir nicht in der Lage, eine Katastrophennachzucht anzubieten, da wir immer eine viel längere Zeit für die Nachzucht
beanspruchen als eine Lawine und jeder Orkan den Wald zerstört. Darum sind wir auf einen minimalen Bezug von Forstpflanzen angewiesen. Nur so können wir die Provenienzvielfalt erhalten und anbieten. Früher wurden Forstpflanzen lange Zeit bevorzugt. Dies aus Gründen der Wiederbewaldung, der Erhöhung des Nadelholzanteils, der Erhöhung der Holzproduktion und zum Schutz des Bodens vor Wasser- und Winderosion. Schlussgedanken Heute ist die Naturverjüngung das erwünschte Verjüngungsverfahren. Aber können wir mit der Naturverjüngung alle waldbaulichen beziehungsweise forstlichen Ziele erreichen ? Haben wir die Zeit zu warten ? Wie handeln wir zielorientiert im Sinne der Nachhaltigkeit ?
Reto Obrist Betriebsleiter Forstgarten Redels reto.obrist@awn.gr.ch
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Absterbende Waldföhren in Nordund Mittelbünden schnitten in einem Teil von Nord- und Mittelbünden. Bearbeitet wurde das Churer Rheintal von Landquart bis Bonaduz, die Region Heinzenberg/Domleschg sowie das Albulatal von der Schinschlucht bis nach Filisur. Das Prinzip der Aufnahme bestand darin, mittels Gegenhangbeobachtung die abgestorbenen und eben im Absterben begriffenen Waldföhren (rote Baumkronen) zu kartieren. Die Beobachtung erfolgte mit einem Feldstecher von geeigneten Punkten aus. Die Zahl der absterbenden bzw. toten Waldföhren wurde, so gut als eben möglich, den betreffenden Beständen gemäss Bestandeskarte zugeordnet. Die Fehlerquote liegt bei diesem Versuch einer VollAusschnitt aus der Kartierung abgestorbener Waldföhren. Grün = keine Waldföhren im Altbestand. Je dunkler das Rot, umso mehr tote WaldAbgestorbene Waldföhre. (Bild: Jürg Hassler)
föhren wurden registriert. (Bild: AWN)
Seit mehreren Jahren wird im Churer Rheintal ein auffälliges Absterben von Waldföhren beobachtet. Im Jahr 2010 wurde dieses Phänomen auch im Domleschg/Heinzenberg festgestellt, trotz eines in jenem Jahr für Bäume grundsätzlich günstigen Witterungsverlaufs. Die Ursache für dieses gehäufte Absterben von Waldföhren ist offenbar komplex. Pilze, die Mistel, aber auch einige Insektenarten wirken mit Bestimmtheit mit, doch dürfte letztlich eine schwierig zu erklärende Schwächung von Bäumen am Anfang stehen. Ein genaueres Beobachten und Dokumentieren der Entwicklung erscheint somit angezeigt. Vor diesem Hintergrund erfasste Cornelius Häfner im Rhamen einer Praktikumsarbeit beim Amt für Wald und Naturgefahren im Herbst 2011 das Ausmass absterbender Föhren in definierten Talab26
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erhebung naturgemäss hoch. Sie erlaubt es aber, die räumliche Verteilung der betroffenen Waldföhren zu visualisieren. Die so zutage tretenden Verteilungsmuster können Hinweise für die Ursachenermittlung geben. Rheintal am stärksten betroffen Die Erhebung bestätigte, dass der Anteil absterbender und bereits abgestorbener Föhren am gesamten Waldföhrenbestand im Churer Rheintal etwas höher ist als in der Region Heinzenberg/Domleschg, wobei der Unterschied allerdings nicht sehr markant ausfiel. Viel deutlicher ist der Unterschied zum Albulatal, wo der Anteil betroffener Waldföhren viermal geringer ist. Die höchsten Anteile abgestorbener Waldföhren wurden in den tief gelegenen und gegen Süden exponierten Talflanken festgestellt, in Übereinstimmung mit den Befunden auf LFI-Stichproben von S. Schilly im Churer Rheintal im Jahr 2007 (siehe «Bündner Wald» 4/2008 ). Hohe Anteile wurden allerdings auch in den höheren Lagen (über 800 m ü. M.) auf der orografisch rechten – also schattseitigen – Talseite des Churer Rheintals ermittelt. Wahrscheinlich sind für diesen Umstand unter anderem die dort besonders schwierigen Bringungsverhältnisse verantwortlich, welche das Räumen von Zwangsnutzungen einschränken. Umgekehrt dürfte die gute Zugänglichkeit mit ein Grund dafür sein, dass in den Talböden sowohl im Rheintal als auch auch in
der Region Heinzenberg/Domleschg vergleichsmässig wenige abgestorbene Waldföhren erfasst wurden. Es zeigt sich an diesen Beispielen also auch, dass die angewendete Erhebungsmethode die Mortalitätsrate nicht perfekt abbildet, weil das Resultat auch von der – räumlich unterschiedlich intensiven – Räumung von abgestorbenen Bäumen abhängt. Dies dürfte wohl auch ein Grund dafür sein, dass wir zwischen der Häufigkeit von frisch absterbenden und bereits toten Waldföhren keine signifikante Korrelation fanden. Wesentliche Erhellung der Ursachen für das gehäufte und auffällige Absterben von Waldföhren in Nordbünden dürfen von dem seit 2009 laufenden Forschungsprojekt BüWaK (Bündnerwald im Klimawandel) der WSL erwartet werden.
Ueli Bühler Amt für Wald und Naturgefahren Loëstrasse 14, CH-7000 Chur
ueli.buehler@awn.gr.ch
Cornelius Haefner Forstingenieur FH D -Schwetzingen conni.haefner@gmx.de
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Der Sommerflieder – Aus dem Garten in den Wald Gesetzliche Grundlagen Die Freisetzungsverordnung ( FrSV ) regelt seit dem 1. Oktober 2008 u. a. den Umgang mit invasiven gebietsfremden Organismen und listet in Anhang 2 all jene Organismen auf, mit denen der Umgang verboten ist. Diese Liste entspricht heute nicht der sogenannten schwarzen Liste aller in der Schweiz existenten invasiven Neophyten. Neben diesem konkreten Verbot gilt jedoch für den Umgang mit sämtlichen gebietsfremden Organismen die Sorgfaltspflicht, sodass gemäss Art. 15 FrSV weder Menschen, Tiere und Umwelt gefährdet noch die biologische Vielfalt und deren nachhaltige Nutzung beeinträchtigt werden.
Einführung Der Sommerflieder, auch Schmetterlingsstrauch oder Buddleja ( vom lateinischen Namen Buddleja davidii ) genannt, gehört Abb. 1 : Sommerfliederreinbestände auf einem Steinbruch. Gleich nebenan ein Schutzwald des Typs B. Die unzähligen Samenstände ( braun ) sind gut erkennbar. (Bild: Sascha Gregori, 2011 )
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in der Schweiz zu den invasiven Neophyten und verursacht in verschiedenen Lebensräumen einige Probleme. Er produziert in einer Vegetationsperiode bis zu drei Millionen sehr leichte Samen, welche mit dem Wind oder an Fahrzeugen anhaftend über weite Strecken transportiert werden können. Die Blütenpracht des Sommerflieders macht ihn zu einer populären Zierpflanze, und der Verkauf ist in der Schweiz nach wie vor erlaubt. Bestrebungen, ihn in die Liste der verbotenen invasiven gebietsfremden Arten der Freisetzungsverordnung ( siehe Kasten « Gesetzliche Grundlagen » ) aufzunehmen, sind im Gange. Die Standorte, welche ausserhalb eines Gartens besiedelt werden, sind meistens Ruderalflächen, Auengebiete, Waldlichtungen, Rüfengebiete und felsiges Gelände. Wie der Name schon sagt, finden sich auf dem Sommerflieder häufig verschiedenste Schmetterlingsarten. Zwar bietet er den Schmetterlingen reichlich Nektar, als Futterpflanze für Schmetterlingsraupen wird er jedoch verschmäht. Durch die Verdrängung geeigneter Futterpflanzen wirkt er sich daher eher negativ auf die Populationen aus. Heimische Pflanzen wie beispielsweise der Blutweiderich ( Lythrum salicaria ) erfüllen diesbezüglich für das Nachtpfauenauge beide Funktionen.
Meldung von Fallbeispielen Es ist dem Amt für Natur und Umwelt ( ANU ) mitunter ein Anliegen, den Wissensaustausch bezüglich Neophyten zu fördern. Da es sich beim Umgang mit Problempflanzen häufig um Neuland handelt, sind Fallbeispiele und Erfahrungen enorm wertvoll. Rückmeldungen über Bestandesentwicklung ( z. B. starke Ausbreitung einer Art ), Bekämpfungserfolge beziehungsweise -misserfolge, aber auch juristische Fallbeispiele sind beim ANU herzlich willkommen ( info @ anu.gr.ch, 081 257 29 46 ).
Störung der Sukzession Zahlreiche Beispiele bestätigen die Vermutung, dass Buddleja dauerhafte Dominanzbestände bildet und eine Sukzession, also das Aufkommen von einheimischen Kräutern, Sträuchern und Bäumen auf dem vereinnahmten Standort, stark verhindert. Das gilt vor allem für ungestörte felsige Stand-
orte wie zum Beispiel in Kieswerken oder Steinbrüchen ( siehe Abb. 1). Diese Dominanzbestände sind nebst der Verdrängung von heimischen Pflanzen für eine unglaubliche Menge an Samen verantwortlich, welche durch den Wind im Umfeld verteilt werden. So zum Beispiel auch im Wald. Dort verharren die über mehrere
Abb. 2 : Entfernung von über einem Hektar Sommerflieder mit dem Schrittbagger. Der erste Schritt zur Eindämmung eines Dominanzbestandes. (Bild: Sascha Gregori, 2011 )
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Abb. 3 : Austreibende Buddlejawurzeln werden am besten zusammen mit den Keimlingen im Jahr nach der Bekämpfung entfernt. (Bild: Sascha Gregori, 2011 )
Jahre keimfähigen Samen im Boden, bis sie beispielsweise durch einen Schlag oder einen Sturmschaden genügend Licht erhalten. Die Sukzession in einer Verjüngungsfläche wird durch das Vorhandensein von Sommerflieder zwar nicht gänzlich verhindert, dennoch ist die Störung gravierend. So muss beispielsweise im Churer Rheintal 30
in einer Verjüngungsfläche während mehreren Jahren der aufkommende Sommerflieder jährlich zurückgeschnitten werden, damit der gewünschte Jungwuchs eine Chance hat. Stockausschläge können noch in derselben Vegetationsperiode bis zu zwei Meter hoch werden. Wird die Pflege unterlassen, so kann sich erfahrungsgemäss die Suk-
zession um Jahrzehnte verzögern und die Wahrscheinlichkeit für das Aufkommen von schattentolerantem Gehölz steigt stark an. Artenverarmung in den Auen Besonders die Kiesbänke, die Flussufer und die lichten Wälder in den Auen sind optimales Terrain für den Sommerflieder. Durch seine grosse Konkurrenzkraft besetzt er diese häufigen Störungen unterliegenden Areale am schnellsten. Einmal etabliert, wird er rasch dominant und verdrängt die wertvolle auenspezifische Pflanzenwelt. Bekämpfung Da der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowohl im Gewässerbereich als auch im Wald nicht erlaubt ist, stellt die Rodung häufig die einzige erfolgversprechende Bekämpfungsmethode dar ( siehe Abb. 2 ). Nach einer Rodung liegt der Oberboden häufig brach, und der Vorrat an Buddlejasamen ist über Jahre noch nicht erschöpft. Im letzten Sommer wurde nach der Entfernung
von Dominanzbeständen versucht, mithilfe einer Anspritzsaat ( Nasssaat, Hydrosaat, etc. ) den Oberboden so rasch wie möglich zu schliessen und so dem Sommerflieder die Stirn zu bieten. Bei der jährlichen Nachkontrolle müssen Keimlinge und Schösslinge ( siehe Abb. 3 ) sukzessive entfernt werden. Bei kleineren Beständen im Garten muss auf die Blütenpracht nicht zwingend verzichtet werden, solange die Blütenstände vor der Samenbildung abgeschnitten und über die Kehrichtverbrennungsanlage entsorgt werden. Heimische Arten wie beispielsweise Holunder, Vogelbeeren oder Pfaffenhütchen sind natürlich nach wie vor die bessere Alternative.
Sascha Gregori Amt für Natur und Umwelt Gürtelstrasse 89, 7001 Chur sascha.gregori @ anu.gr.ch
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Invasive Neophyten im Misoxer Wald
Abb. 1 : Blüte der Paulownie. (Bild: Markus Camastral)
Problematische Exoten Wer die Wälder des Misox durchstreift, der begegnet vielleicht der mit ihren bis zu 30 cm langen, herzförmigen Blättern und glockenförmigen Blüten exotisch wirkenden Paulownie (Paulownia tomentosa) (Abb. 1). Dieser aus Ostasien stammende und wegen seiner Blütenpracht als Zierpflanze einge-
führte Baum ist einer der sogenannten Neophyten, welcher in den Wäldern des Misox vorkommt. Neophyten sind gebietsfremde Pflanzen, die vom Menschen beabsichtigt oder unbeabsichtigt in ein zuvor unerreichtes Gebiet eingeführt wurden. Haben diese gebietsfremden Arten negative Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt und verwildern leicht, werden sie als invasiv bezeichnet (Gigon & Weber, 2005 ). 23 Pflanzen gelten in der Schweiz als invasiv, weitere 21 werden als potentiell invasiv eingeschätzt. Zu den potentiell invasiven Arten gehört auch die Paulownie. Besonders stark von Neophyten besiedelt ist die Südschweiz und damit auch das Misox ( SKEW, 2011). Auch der Wald wird, neben weiteren Lebensräumen, von invasiven Neophyten besiedelt. Dies gilt insbesondere für Schlagflächen, da diese Standorte den oftmals licht- und wärmeliebenden gebietsfremden Pflanzen einen geeigneten Lebensraum bieten, um sich in den vormals geschlossenen Wäldern anzusiedeln (Nobis, 2006 ). Die Präsenz invasiver Arten in den Wäldern ist aus verschiedenen Gründen als problematisch anzusehen. Durch die Verdrängung der heimischen Flora verringern sie die Biodiversität. Sie verunmöglichen die weitere traditionelle Nutzung des Waldes, da Nutzpflanzen wie die Kastanie ebenfalls konkurrenziert werden. Die Schutzwirkung gegenüber Naturgefahren ist mit Ausnahme der Robinie unbekannt, was zu massiven Unsicherheiten im Falle eines grossflächigen Auftretens invasiver Arten führt. Erfassung der invasiven Arten im Misox Um Aussagen über Ausmass und Auswirkungen dieser Exoten in den Wäldern des Misox zu ermöglichen, wurden im Sommer 2011 im Rahmen einer Masterarbeit
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Abb. 2: Eine durch invasive Neophyten besiedelte Fläche hat eine um den Faktor zwei tiefere Pflanzendiversität. (Bild: Markus Camastral)
am Geographischen Institut der Universität Zürich 14 Schlagflächen untersucht. Sämtliche in diesem Artikel präsentierten Resultate stammen aus dieser Arbeit (Camastral, 2012 ). Die untersuchten Schlagflächen liegen zwischen den Gemeinden San Vittore bei der Kantonsgrenze zum Tessin und Soazza sowie im Eingang zum Calancatal auf dem Gemeindegebiet von Castaneda und St. Maria. Die Flächen liegen zwischen 250 und 1100 Meter über Meer. Sämtliche Flächen wurden mithilfe eines GPS-Gerätes vermessen, auf das Vorhandensein von invasiven Neophyten hin abgesucht und deren Vegetation sowie die des umliegenden Waldes festgehalten. Anhand der Position der einzelnen Schlagflächen wurden Meereshöhe, Neigung, Exposition, Fläche und Lage im Tal mittels eines Geographi-
schen Informationssystems berechnet. Die Vegetation der Schlagflächen wurde mit einer Waldbestandeskartierung und Vegetationsaufnahmen erfasst. Resultate und Diskussion In den untersuchten Schlagflächen kommen zehn invasive Neophyten vor. Die Neophyten unterscheiden sich dabei sowohl in der räumlichen Verteilung als auch in den Deckungsgraden massiv. Diese beiden Eigenschaften stehen aber in keinem Zusammenhang. So haben beispielsweise die beiden häufigsten Arten (sind in acht von vierzehn Flächen vorkommend ), die Armenische Brombeere (Rubus armeniacus) und die Amerikanische Kermesbeere ( Phytolacca americana), durchschnittliche Deckungsgrade von unter 5 %. Demgegenüber domiBündner Wald 3 /2012 33
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niert die in nur zwei Flächen vorkommende Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) die Krautschicht in den jeweiligen Schlagflächen mit Deckungsgraden zwischen 70 und 90 %. Diese sowie weitere Resultate führen in Kombination mit den aus der Literatur bekannten Eigenschaften der jeweiligen Neophyten zu Empfehlungen, wie mit den Arten im Gebiet umzugehen ist. In Tabelle 1 werden die wichtigsten Resultate, Auswirkungen und Empfehlungen zusammengefasst. Aktive Bekämpfung Die invasiven Neophyten Götterbaum (Ailanthus altissima ), Robinie (Robinia pseudoacacia), Kanadische Goldrute und Riesen-Goldrute (Solidago gigantea) haben
nachweislich negative Auswirkungen auf ihre Umwelt. Die Robinie, die Kanadische Goldrute und die Riesen-Goldrute dominieren nach der Bewirtschaftung im Jahr 2004 die Baum- respektive Krautschicht in einem ehemaligen Auenwald unweit von San Vittore, der heute durch die Autobahn von der Moesa getrennt ist. Die Besiedlung durch die invasiven Arten hat eine um den Faktor zwei geringere Pflanzendiversität (Shannon-Index) gegenüber dem umliegenden ursprünglichen Wald zur Folge (Abb. 2). Der Götterbaum dominiert den Jungwuchs in einer Schlagfläche, die zur Erneuerung von Capitozzi angelegt wurde. Capitozzi sind Kastanienbäume, die auf zwei Meter Höhe geschnitten werden, um Verbiss-
Tabelle 1: In den untersuchten Schlagflächen vorkommende Neophyten:
Art
Verbreitung
Deckungsgrad
Auswirkung
Empfehlung
Götterbaum
6/14
gering-mittel
Verdrängung Kastanie
aktives Management
Robinie
4/14
gering-hoch
Verringerung Biodiversität
aktives Management
Kanadische und RiesenGoldrute
2/14
hoch
Verringerung Biodiversität
aktives Management
Japanischer Staudenknöterich
1/14
gering
Verdrängung einh. Arten
aktives Management
Amerikanische Kermesbeere
8/14
gering-mittel
unbekannt
Überwachung
Armenische Brombeere
8/14
gering
unbekannt
Überwachung
Paulownie
4/14
gering
unbekannt
Überwachung
Japanische Walnuss
1/14
mittel
unbekannt
Überwachung
Einjähriges Berufskraut
6/14
gering
marginal
unproblematisch
Sommer- oder Schmetterlingsflieder
3/14
gering
marginal
unproblematisch
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schäden zu vermeiden. Die Dominanz des Götterbaums verhindert eine Erneuerung der Capitozzi, da dieser schnell wachsende Neophyt ohne weitere Eingriffe die Kastanie in dieser Fläche aller Voraussicht nach verdrängen wird. Aufgrund der festgestellten Auswirkungen ist für diese vier invasiven Neophyten ein aktives Management angebracht. Dieses beinhaltet Überwachung, Eindämmung und Bekämpfung der Neophyten. Dies gestaltet sich insbesondere bei der Robinie und dem Götterbaum schwierig, da eine mechanische Bekämpfung dieser Neophyten langwierig und aufwendig ist. Daher liegt das Eindämmen der Arten auf die bestehenden Bestände im Zentrum. Ein Augenmerk ist auf die Bewirtschaftung neuer Flächen zu legen, hier ist sowohl eine lückenlose Überwachung als auch eine gezielte sofortige Bekämpfung der Neophyten notwendig. Im angesprochenen ehemaligen Auenwald ebenfalls vorkommend ist der Japanische Staudenknöterich (Reynoutria japonica). Für diesen invasiven Neophyt wird ebenfalls ein aktives Management empfohlen, obwohl die Art nur in einer Schlagfläche in einem relativ begrenzten Bestand (Deckungsgrad 5 %) vorkommt. Da dieser invasive Neophyt aber sehr aggressiv und äusserst schwierig zu bekämpfen ist, muss jegliche weitere Ausbreitung verhindert werden. Hat sich die Art einmal an einem Standort etabliert, ist sie auf mechanischem Wege kaum mehr zu entfernen. Überwachung Für die Neophyten Amerikanische Kermesbeere, Armenische Brombeere und Paulownie wird aufgrund ihrer Verbreitung und Bestandesgrösse eine Überwachung empfohlen. Die ersten beiden Arten sind na-
hezu über das gesamte Untersuchungsgebiet verbreitet. Die Exoten erreichen aber, ebenso wie die Paulownie, nur sehr geringe durchschnittliche Deckungsgrade von weniger als 5 %. Bei der Überwachung der Neophyten ist der Fokus auf die Entwicklung der Deckungsgrade und, insbesondere bei der Paulownie, auf die Einordnung der Arten in die heimische Vegetation zu legen. Mit der Japanischen Walnuss (Juglans ailantifolia) wurde ein weiterer Neophyt gefunden, dieser gilt bis anhin aber weder als invasiv noch als potenziell invasiv. Der Neophyt dominiert den Jungwuchs einer Schlagfläche und ist somit eine weitere gebietsfremde Art, welche die einheimische Flora konkurrenziert. Auch die Entwicklung dieser Art sollte beobachtet werden, um allfällige negative Auswirkungen frühzeitig zu bemerken und entsprechende Gegenmassnahmen einzuleiten. Unproblematisch Aufgrund ihrer sehr geringen Deckungsgrade als unproblematisch eingestuft werden das Einjährige Berufskraut (Erigeron annuus) und der Sommerflieder (Buddleja davidii). Die Arten sind in den untersuchten Schlagflächen jeweils mit wenigen Einzelindividuen vertreten und sind daher eine Randerscheinung innerhalb der Schlagflächenvegetation. Zukünftige Entwicklung? Eine der wichtigsten Fragen in Zukunft wird sein, wie sich die Neophyten in die einheimische Flora einordnen. Von besonders grossem Interesse ist diese Frage in Bezug zu den bisher wenig bekannten Baumarten wie der Paulownie, dem Götterbaum und der Japanischen Walnuss. Falls diese Arten eine dominante Stellung einnehmen, ist neben den zu befürchtenden negativen Bündner Wald 3 /2012 35
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Auswirkungen auf Kulturlandschaft und Biodiversität auch die Frage der Schutzwirkung des Waldes von grösster Wichtigkeit. Dies gilt insbesondere für das Misox, in dem grosse Teile der bewaldeten Talflanken als Schutzwald ausgewiesen sind. Literatur – Camastral, M. ( 2012 ). Invasive Neophyten in den Südalpen der Schweiz: Verbreitung, Auswirkungen und Bekämpfung im Misox. Zürich: Geographisches Institut Universität Zürich. – Gigon, A., & Weber, E. ( 2005 ). Invasive Neophyten in der Schweiz: Lagebericht und Handlungsbedarf. Bern: BAFU.
– Nobis, M. ( 2006 ). Invasive Neophyten auch im Wald? Wald und Holz, 8, 46 – 49. – SKEW Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen ( 2011 ). Schwarze Liste und Watch-Liste. Nyon: SKEW.
Markus Camastral Universität Zürich Unterdorf 55A, 7425 Masein m.camastral@gmx.ch
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Der Götterbaum im Misox – Problematik im Schutzwald
Abbildung 1: Kernfäule bei den gefällten Götterbäumen in SanVittore. (Bild: Luca Plozza)
1. Der Götterbaum : ein invasiver Neophyt Der Götterbaum ( Ailanthus altissima ) ist eine sommergrüne, zweihäusige Baumart, welche aus Ostasien nach Europa eingeschleppt wurde. Der Götterbaum kann bis zu 30 m hoch werden und gehört zu den schnell wachsenden Baumarten. Die Ausbreitung erfolgt durch die geflügelten Samen ( Samara ), welche durch den Wind über längere Distanzen ( bis zu 200 m ) verfrachtet werden. Die vegetative Vermehrung durch Stockausschlag, Wurzelbrut und Ausschlag aus kleinen Holzstücken mit Rinde ist ebenfalls möglich ( Kowarik & Säumel 2007 ). Die Ausschläge wachsen in der Regel viel schneller als die Sämlinge. Der Götterbaum bildet ein sehr starkes und effizientes Wurzelnetz. Dieses Wurzelwerk ermöglicht ihm ein Ansiedeln und Überleben an Standorten mit relativ schlechten Bodenbedingungen ( z. B. extrem trockene Standorte ). Auf solchen vom Götterbaum besiedelten Standorten entstehen danach oft monotone Reinbestände. Wird der Stamm des Götterbaumes gefällt oder beschädigt, reagiert dieser mit zahlreichen Neutrieben ( Wurzelbrut und Stockausschlag ). Zudem ist der jährliche Zuwachs dieser Neophyten beträchtlich, sowohl in der Höhe ( 1 – 2 m pro Jahr ) als auch im Durchmesser ( Jahrringbreite durchschnittlich 2 bis 4 mm ). Durch
diese enorme Wuchsleistung können die einheimischen Baumarten vom Götterbaum rasch überwachsen werden. Dank ihrem Pionier- und Ruderalcharakter ist diese Art fähig, gestörte Lebensräume wie z. B. Rutschungen, Baustellen mit Erdverschleppungen, Waldbrandflächen, Holzschläge usw. rasch und erfolgreich zu besiedeln. In der Schweiz hat sich der Götterbaum schon seit längerer Zeit eingebürgert, wobei er besonders invasiv an der Alpensüdseite auftritt 1. 2. Vorkommen in San Vittore Im Moesano wurde in den letzten zehn Jahren eine exponentielle Verbreitung der Götterbaumbestände festgestellt. Das Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden hat deshalb ab 2008 für die ganze Region das Vorkommen dieses Neophyten kartiert. Die ältesten Exemplare wurden in San Vittore ( 60 Jahre ) und in Leggia ( ca. 45 Jahre ) erfasst. In San Vittore im unteren Misox ist die Situation am schlimmsten : Das gesamte Areal, auf welchem Götterbäume zu finden sind, beträgt ca. 35 Hektar. In dieser Region kommt der Götterbaum an der rechten Bergflanke im Schutzwald stellenweise in Reinbeständen bis auf 800 m ü. M. vor. 1
http ://www.cps-skew.ch/fileadmin/template/pdf/inva_italiano/inva_aila_alt_i.pdf Bündner Wald 3 /2012 37
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Abbildung 2: Götterbaumbestände im Schutzwald oberhalb von San Vittore. (Daten : WSL 2011 )
Ein einzelnes Individuum wurde sogar auf 1100 m ü. M. oberhalb Giova gefunden. Bei der Feldaufnahme wurde das Vorkommen auf ca. tausend Samenbäume geschätzt ( älter als zehn Jahre ). Im Jahr 2011 hat die Forschungsanstalt WSL ein standardisiertes Formular für die Erhebung des Ailanthus-Vorkommens entwickelt und dies an der Fallstudie San Vittore angewendet ( Abbildung 2 ) (Conedera, Baumgartner und Anzini 2012 ). Nach vier Jahren Götterbaum-Monitoring können in San Vittore folgende Beobachtungen aufgelistet werden : – Die grössten und dichtesten Bestände befinden sich auf ehemaligen offenen Flächen wie z. B. auf nicht mehr bewirtschafteten Landwirtschaftsflächen ( Lichtverhältnisse ). Jedoch stammen diese neu besiedelten Flächen immer ausSamenbäumen in max. 100 – 200 m Entfernung. – Auffallend ist die Besiedlung der Forststrassenböschungen ( Dro, Giova ), wie die Verbreitungsmuster der Bestände zeigen. Verantwortlich für die rasante Verbreitung des Götterbaumes entlang den Wegböschungen sind die Lichtverhältnisse und vor allem die Böschungsmähmaschinen, welche Holzstücke oder Samen
mitschleppen und so die Verbreitung des Götterbaumes fördern. Aber auch der jährliche Schnitt fördert die Wurzelbrut. – In gestörten Waldbeständen z. B. in Holzschlägen findet man viele Götterbäume hauptsächlich in der Nähe von Samenbäumen ( < 50 – 100 Meter ) oder dort, wo schon bestehende Götterbäume gefällt wurden (Förderung der Wurzelbrut ) ; ansonsten sind gar keine oder nur einzelne Exemplare zu finden. – Nach der Besiedlung der lichteren Standorte ( z. B. entlang der Strassen ), hat sich der Götterbaum auch im geschlossenen und ungestörten Wald verbreitet. Dort besiedelt er zurzeit vorwiegend die Strauchschicht. Lücken in der Oberschicht, welche infolge natürlicher Ereignisse ( Absterben von einzelnen Individuen, Waldbrände ) oder durch Holzschläge verursacht werden, ermöglichen es den sich in der Strauchschicht befindenden Götterbäumen in die Höhe zu wachsen und die Mischungsart der Bestände zu verändern. Anhand des seit 2008 laufenden Neophytenmonitorings kann festgehalten werden, dass das Verbreitungsmuster des Götterbaums im Gebiet Moesano räumlich « linear » verläuft. Aufgrund der Samenbäume können Verbreitungsmuster und Prognose angenommen werden. Hingegen verbreiten sich andere Neophyten wie zum Beispiel Paulownia tomentosa flächig ( entsprechend dem ökologischen Spektrum ) auch mehrere Kilometer von Samenbäumen entfernt ( Verbreitung durch Vögel bzw. leichtere Samen ). 3. Problematik im Schutzwald 2011 wurden bei der Bachelorarbeit von
Cristiano Triulzi ( 2011) Götterbaumbestände im Misox und Tessin bezüglich der Nach-
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haltigkeit im Schutzwald ( NaiS – Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald – Frehner et al. 2005 ) untersucht. Neun von insgesamt elf der untersuchten Bestände erfüllen gemäss dieser Studie das nach NaiS geforderte Minimalprofil nicht. Zwei der untersuchten Bestände erfüllen die Anforderungen knapp. Bei der Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten muss von einer Verschlechterung der Situation in allen Beständen ausgegangen werden. Da der Götterbaum in keinem Standortstyp in NaiS erwähnt ist, hat Cristiano Triulzi für diese Studie den Götterbaum mit der Robinie gleichgestellt. Ohne diese Gleichstellung wären die Resultate bezüglich NaiS noch schlechter, da das Durchsetzungsvermögen des Götterbaumes noch ausgeprägter ist. In San Vittore werden nach unseren Beobachtungen die folgenden negativen Auswirkungen des Götterbaumes bezüglich des Schutzwalds festgestellt : – Der Götterbaum ist wegen seines schnellen Wachstums eine relativ kurzlebige Art. Er erreicht sehr früh die Geschlechtsreife ( ca. fünf Jahre ) und kann bereits im Alter von zwölf bis 20 Jahren eine sehr grosse Menge geflügelter Samen produzieren ( Kowarik & Säumel 2007 ). Die vegetative Vermehrung durch die Wurzelbrut ermöglicht ebenfalls eine sehr effiziente Verbreitung. Das aggressive Verhalten des Götterbaumes im Verhältnis zu den einheimischen Bäumen bewirkt eine ernste Gefährdung für die natürliche Verjüngung der standortgerechten Baumarten im Schutzwald. Die Verjüngung anderer Baumarten wird zudem durch die allelopathische Wirkung eines giftigen Stoffes ( Ailanthin ) gehemmt, welcher vom Götterbaum produziert wird. Wegen der Toxizität und Bitterkeit werden die Blätter kaum durch
Insekten und Wildtiere gefressen, während die einheimischen Baumarten von dieser Problematik oft betroffen sind. Diese Tatsache verschafft dem Götterbaum einen zusätzlichen Vorteil im Konkurrenzkampf mit der Verjüngung der einheimischen Baumarten. – Die Götterbaum-Reinbestände, insbesondere in der Entwicklungsstufe « Stangenholz » ( Brusthöhendurchmesser < 30 cm), sind in der Regel sehr dicht und schlank. Somit können sie leicht durch Schnee oder andere Naturereignisse umgestürzt werden. Wegen des raschen Wachstums und des Dichtstands der Ausschläge werden extrem labile Bestände ( Dickung /Stangenholz ) gebildet ( Arnaboldi et al. 2002 ). Durchforstungen in solchen Beständen sind mit hohen Kosten verbunden und erzielen sehr wahrscheinlich nicht den gewünschten Erfolg. Die Eingriffe würden wahrscheinlich Stockausschläge und Wurzelbrut provozieren, durch welche sich die Bestände in einigen Jahren wieder schliessen würden. – Der Götterbaum mit seinen Holzeigenschaften scheint nicht geeignet für den Steinschlagschutzwald zu sein. In der Tat wurde in Claro ( Triulzi 2011) und in San Vittore beobachtet, dass die Götterbaumstämme infolge von Steinschlag leichter zerbrechen als andere Gehölze. – Stabilitätsprobleme können auch bei älteren Götterbaumbeständen aufgrund der Kernfäule auftreten. In San Vittore hat man in einem 40 – 60 jährigen Götterbaumbestand bei 90 % der Individuen Kernfäule festgestellt. Waldbaulich ist die Präsenz von Götterbäumen im Waldbestand oder in unmittelbarer Waldnähe ein grosses Problem: der walbauliche Handlungsspielraum wird enorm eingeengt. Waldbauliche MassnahBündner Wald 3 /2012 39
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men wie Verjüngungseingriffe fördern den Götterbaum, da für diese Baumart günstige Lichtverhältnisse entstehen. Beim Fällen oder Ringeln von Götterbäumen werden Wurzelbrut und Stockausschläge provoziert. Deshalb sollten waldbauliche Tätigkeiten ( auch wenn nötig und dringlich ) in betroffenen Gebieten möglichst unterlassen werden. Lang- und mittelfristig ist das aber keine Lösung ! Deswegen hat das Amt für Wald und Naturgefahren GR zusammen mit der WSL und dem Tessiner Forstdienst ( Sezione forestale ) 2010 – 2011 ein Pilotprojekt ans Bundesamt für Natur und Umwelt ( BAFU ) eingereicht. In diesem Projekt werden verschiedene Bekämpfungsmethoden getestet. Im Projekt ist auch die chemische Bekämpfung vorgesehen, welche zurzeit als die wirksamste Methode betrachtet wird ( Schmid & Plozza 2011 ). 4. Schlussfolgerungen Das Vorkommen und das Durchsetzungsvermögen des Götterbaumes im Vergleich mit den einheimischen Arten dürfen in den unterschiedlichen Ökosystemen, insbesondere im Schutzwald, nicht unterschätzt werden. Das Vorkommen des Götterbaumes führt zu einer Verarmung der Artenvielfalt. Durch seine invasiven Eigenschaften können ganze Ökosysteme gestört werden, wodurch eine nachhaltige Bewirtschaftung des Schutzwaldes infrage gestellt wird. 5. Literatur – Arnaboldi, F., Conedera, M., Maspoli, G. 2002. Distribuzione e potenziale invasivo di Ailanthus altissima ( Mill. ) Swingle nel Ticino centrale. Bollettino della Società ticinese di Scienze naturali 90. 93 –101. – Conedera, M., Baumgartner, F., Anzini,
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M. 2012. Erfassung der Ausbreitung von Fremdarten. Das Beispiel des Götterbaumes. Bündner Wald 65, 3 : 39 – 43. Frehner, M., B. Wasser, R. Schwitter. 2005. Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald : Wegleitung für Pflegemassnahmen in Wäldern mit Schutzfunktion. Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL, Bern. Kowarik, I., Säumel, I. 2007. Biological flora of Central Europe : Ailanthus altissima ( Mill.) Swingle. Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics 8. 207 – 237. Schmid, L., Plozza, L. 2011. Lotta all’ailanto nei boschi di protezione nel Moesano. Progetto pilota 2011. Progetto dell’Ufficio foreste e pericoli naturali dei Grigioni. Triulzi, C. 2011. Studio della gestione dell’ailanto nei boschi di protezione. Lavoro di Bachelor. Scuola universitaria svizzera di agronomia SUSA, Zollikofen.
Luca Plozza Amt für Wald und Naturgefahren 6535 Roveredo luca.plozza@awn.gr.ch
Lorenzo Schmid MSc ETHZ 6535 Roveredo lore.schmid@bluewin.ch
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Erfassung von Neophyten Das Beispiel des Götterbaumes Kann man das Invasionsverhalten einer Art vorhersagen? Seitdem der Mensch Gartenbau und Landwirtschaft betreibt, werden Fremdarten absichtlich oder ungewollt verbreitet ( Kowarik 2003 ). Mit der Globalisierung der Wirtschaft und der Intensivierung der Warentransporte hat das Phänomen der Einführung von neuen Arten ein bis jetzt unbekanntes Ausmass erreicht. Ein Bruchteil dieser eingeführten Arten schafft es sich im neuen Gebiet spontan zu verbreiten und zu etablieren, sodass sie als invasive Fremdarten bezeichnet werden. Obwohl nicht zwingend, ist der Begriff der Invasion einer Fremdart oft auch implizit mit negativen ökologischen oder ökonomischen Effekten verbunden ( Mack 1996 ). Der Erfolg einer biologischen Invasion hängt einerseits vom Invasionspotenzial ( « Invasivität » ) der Art, d. h. dem Samendruck, der Zuwachsrate und den ökologischen Bedürfnissen, anderseits von der Invasionsanfälligkeit ( « Invasibilität » bzw. « Resistenz » ) des Ökosystems, d. h. der freien Ressourcen oder der ökologischen Nischen ab. Traumatische Ereignisse wie Störungen ( Waldbaueingriffe, Waldbrände, Windwürfe ) oder schleichende Entwicklungen wie Klima- und Landnutzungsveränderungen können das Invasionsverhalten neu eingeführter Arten entscheidend beeinflussen. In Anbetracht der laufenden globalen Veränderungen wird somit angenommen, dass die Anzahl der invasiven Fremdarten und deren Druck mitunter auf Waldökosysteme in Zukunft zunehmen werden. Entsprechend dringend wird es, das Invasionsverhalten neu eingeführter Arten frühzeitig erkennen oder gar vorhersagen zu können. Leider ist eine solche Vorhersage oder Früherkennung nicht so einfach, da der Erfolg einer Invasion von vielen dynamischen und miteinander interagierenden Faktoren ab-
Invasives Verhalten des Götterbaumes in terrassierten Weinreben in Waldnähe ( Lumino TI ). (Bild: Marco Condera, WSL)
hängt und auch nach einer längeren zeitlichen Verzögerung ( Latenzphase ) zustande kommen kann. Es gibt somit kaum allgemeingültige Ansätze, um das Eintreten und den Verlauf einer Invasion vorherzusagen ( Kowarik 2003 ). Explizite raumzeitliche Inventare der Ausbreitung einzelner Fremdarten sind jedoch gute Instrumente, um das Ausbreitungsverhalten einer Art zu überwachen und deren invasives Potenzial frühzeitig zu erkennen. Überregionale und systematische Inventare einer invasiven oder potenziell invasiven Art sind natürlich sehr arbeits- und kostenintensiv. Eine gemeinsame Plattform, in welche man alle punktuellen Beobachtungen nach einem standardisierten Aufnahmeprotokoll einfliessen lassen kann, könnte mit der Bündner Wald 3 /2012 41
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Erhebungsformular Götterbaum (Ailanthus altissima)
Name: ___________ Datum: __ / __ / ___ Gemeinde: ________ Falls Wald als Haupthabitat:
Flächencode (ID): __________
TEIL I: Flächenbeschreibung Haupthabitat
sekundäres Habitat
(nur eine Wahl)
(mehrfach Wahl möglich)
Störungen im Wald (mehrfach Wahl möglich) keine Windwurf / Baumsturz Steinschlag Rutschung Hochwasser
Randanteil (%) < 31
Wald Gebüsch Sukzession Brachland Geröllhalde / Bergsturz1 Selve / Plantage Weinrebe Feld Wiese / Weide Garten Terrassierung Deponie / Grube Strassenböschung1 Strassenrand, Weg1 Flussbett / -ufer1 Seeufer / Teich1 Hecken1 (Trocken)mauer1 /Zaun übriges:_____________
31-69 >69
O O O O O O O O O O O O O O O O O O O
Waldbrand Dürre biotische Schäden Waldbau
Störung nur vermutet
Betriebsart
Entwicklungsstufe
Hochwald Mittelwald Niederwald Selve / Schneiteln
Jungwald (BHD < 12 cm) Stangenholz (12 ≤ BHD ≤ 30 cm) Baumholz I (30 < BHD ≤ 40 cm) Baumholz II (40 < BHD ≤ 50 cm) Baumholz III (BHD > 50 cm)
Deckungsgrad total (ohne Ailanthus): __________ % davon: ___% Schatten-BA (Li, WTa, Fi, …)
___% Halbschatten-BA (Es, Ki, Ka,Ei, …)
___% Licht-BA (Bi, Pa,Wei, …)
Schlussgrad normal
räumig
gruppiert
Stufenschluss
mehrschichtig
stufig
Rottenstruktur
Bestandesstruktur einschichtig
1) Für diese Haupthabitate muss auch ein sekundäres Habitat angegeben werden.
Ailanthus-Aufnahmebogen, Teil I – Flächenbeschreibung. (Bild: WSL)
Zeit zu einer wertvollen Referenzdatenbank werden. Die Erfassung der momentanen Ausbreitung sowie die Entwicklungstendenz problematischer Arten könnten somit analysiert werden, um wichtige Grundinformationen für die Ausarbeitung und Durchführung von allfälligen Kontrollmassnahmen und Bekämpfungsplänen zu erhalten. In diesem Beitrag stellen wir einen solchen methodologischen Ansatz vor, den wir für die Erfassung der Götterbaumausbreitung auf der Alpensüdseite entwickelt haben. Der Götterbaum Der Götterbaum ( Ailantus altissima ) ist in China und Nordkorea einheimisch und wurde 1743 erstmals nach Paris als Zierbaum eingeführt. Darauffolgend wurde er in weiteren mitteleuropäischen Städten wegen seines raschen Wachstums und dekorativen
Wertes als Stadtbaum verbreitet ( Hu 1979 ). Später wurde der Götterbaum in Verbindung mit der Kultivierung der Seidenspinne ( Samia cynthia ) zuerst in Turin ( 1862 ) und dann in weiteren Gebieten von Süd- und Mitteleuropa eingeführt. Dort wurde er vor allem infolge der Krankheit der herkömmlichen Seidenspinner für die Futterproduktion für Samia cynthia auf trockenen und mageren Standorten eingesetzt ( Galbani 2002 ). Obwohl wilde Götterbaumexemplare bereits Anfang des 19. Jahrhunderts z. B. im südlichen Tessin gemeldet wurden ( Bettelini 1904 ), weist die Baumart nur seit einigen Jahrzehnten einen invasiven Charakter auf ( Arnaboldi et al. 2002, Abb. 1 ). Anfänglich als extrem lichtbedürftig erachtet, wurde Ailanthus altissima für lange Zeit nur als potenziell invasive Fremdbaumart auf offenen Flächen oder in gestörten Waldbeständen
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Erhebungsformular Götterbaum (Ailanthus altissima) TEIL II: Angaben zum Ailanthus-Bestand Anzahl Ailanthus-Individuen 1 Individuum
2-10 Individuen
BHDdom: _____ cm
Hdom: _____ m
__ % __ % __ % __ % __ %
Gesundheitszustand Ailanthus >10 Individuen
Jungwald (BHD < 12 cm) Stangenholz (12 ≤ BHD ≤ 30 cm) Baumholz I (30 < BHD ≤ 40 cm) Baumholz II (40 < BHD ≤ 50 cm) Baumholz III (BHD > 50 cm)
Samenträger / Mutterbäume vorhanden
Wenn mehr als 1 Individuum: Deckungsgrad: ___ %
____ % Individuen im schlechten Zustand Pathogene (welche? ____________________________ ) Bekämpfung
Schnitt Entwurzelung Ringelung Behandlung übriges
Nicht erkennbar
Bemerkungen:
Mischungsgrad: ___ % (nur im Wald, Mischung mit anderen BA)
Verteilung: regelmässig
unregelmässig
Kolonisierungsstrategie: Samen Wurzelbrut Stockausschlag Steckling
Zeichnungen aus Keller, M. (Red.), 2005. Schweizerische Forstinventar. Anleitung für die Feldaufnahmen der Erhebung 2004-2007. WSL Birmensdorf, 393 S.
Ailanthus-Aufnahmebogen, Teil II – Angaben zum Ailanthus-Bestand. (Bild: WSL)
gesehen. Inzwischen existieren jedoch bereits Meldungen vom Verjüngungspotenzial des Götterbaumes in geschlossenen und ungestörten Waldbeständen, wodurch sein invasives Potenzial neue Bedeutung erlangt ( Plozza und Schmid 2012 ). Standardisierte Erhebung des Ailanthus-Vorkommens Zweck eines standardisierten Erhebungsansatzes ist es, eine homogene und vergleichbare Datenbasis des Vorkommens von Ailanthus zu schaffen, um sowohl räumliche ( d. h. Aufnahmen aus zwei verschiedenen Gebieten ) wie auch zeitliche ( d. h. Aufnahmen aus zwei verschiedenen Perioden ) Vergleiche durchführen zu können. Dank einfacher und standardisierter Aufnahmekriterien sollen auch Aufnahmen verschiedener Personen vergleichbar gemacht werden.
Dabei werden als Erhebungseinheit Ailanthus-Einzelbäume bis -Bestände, die eine homogene Struktur ( Entwicklungsstufe ) und Invasionsökologie ( kolonisiertes Haupthabitat ) aufweisen, definiert. Für jede so definierte Erhebungseinheit ( d. h. für jeden Ailanthus-Bestand ) werden dann sowohl die Eigenschaften des kolonisierten Ökosystems ( Habitat, Teil 1 des Erhebungsbogens ) wie auch des AilanthusBestandes ( Teil 2 des Erhebungsbogens ) aufgenommen. Ailanthus-Erhebungsbogen Bei der Definition der aufzunehmenden Habitat- und Ailanthus-Eigenschaften wurde ein Weg gesucht um Aussagekraft der erhobenen Parameter und Umsetzbarkeit der Methode zu optimieren. Da die beste Aufnahmeperiode für den Götterbaum entBündner Wald 3 /2012 43
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Ausschnitt aus der Ailanthus-Kartografie in San Vittore GR ( Zustand Sommer 2011 ). (Bild: WSL)
weder der Frühling oder der Herbst ist (auffallende rötliche Verfärbung der AilanthusBlätter und evtl. Früchte im Herbst ), gehen wir davon aus, dass während der Erhebung die Vegetation schon ausgetrieben hat. Der daraus resultierende Aufnahmebogen soll somit einen praktikablen Kompromiss zwischen wünschenswerter Information und speditivem Vorgehen darstellen. Im ersten Teil wird das kolonisierte Ökosystem charakterisiert ( Abb. 2 ). Dabei werden sowohl das Haupthabitat ( mehr als 2 / 3 der Referenzfläche ) sowie das allfällige sekundäre Habitat bestimmt. Falls ein sekundä res Habitat existiert, wird noch eine grobe Schätzung angegeben über das Ausmass der Übergangszone in Prozent vom Gesamtperimeter des ausgeschiedenen Gebietes.
Wenn das Haupthabitat Wald ist, werden noch zusätzliche Merkmale erhoben, die in Zukunft mehr Verständnis bringen sollen über die Eigenschaften, die einen Waldbestand anfällig auf die Invasion durch Ailanthus machen. Es werden hierzu rezente und im Waldbestand noch erkennbare Störungsereignisse, die Betriebsart, die Entwicklungsstufe, der Deckungsgrad nach Baumartentypen ( Licht-, Halbschatten- und Schattenbaumarten ), der horizontale Deckungsgrad sowie die vertikale Bestandesstruktur aufgenommen. Im zweiten Teil des Bogens werden die Eigenschaften des Ailanthus-Bestandes vermerkt ( Abb. 3 ). Dabei geht es vor allem um eine grobe Schätzung der Anzahl Bäume ( 1, 2 bis 10, > 10 ), der Oberhöhe und des Oberdurchmessers, der Verteilung der Entwicklungsstufen, des Deckungs- und Mischungsgrads, der räumlichen Verteilung und einer allfälligen Präsenz von samentragenden Individuen bzw. Mutterbäumen. Wo relevant und möglich, werden noch Angaben über die Ausbreitungsökologie und die Vitalität der Bäume gemacht. Im Fall von aktiver Bekämpfung können die entsprechenden Massnahmen nach groben Kategorien erfasst werden. Schlussbemerkungen Durch eine systematische Anwendung des vorgestellten Aufnahmebogens soll mit der Zeit eine homogene Datenbasis nicht nur über die geografische Ausbreitung von Ailanthus ( Abb. 4 ), sondern auch über die bevorzugt kolonisierten Habitate und über die raumzeitliche Entwicklung der Kolonisierung entstehen. Dank weiterführender Analysen soll es möglich werden, Erfahrungen über die Kolonisierungsdynamik dieser Art zu sammeln, sowie Aufschluss über die Effizienz der angewandten Bekämpfungsmassnahmen zu gewinnen.
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Zitierte Bibliografie – Arnaboldi, F.; Conedera, M.; Maspoli, G., 2002. Distribuzione ed potenziale invasivo di Ailanthus altissima ( Mill. ) Swingle nel Ticino centrale. Boll. Soc. ticin. Sci. nat. 90, 1 – 2 : 93 – 101. – Bettelini A., 1904. La Flora legnosa del Sottoceneri. Tipografia e litografia Cantonale, Bellinzona, 213 p. – Galbani, A., 2002. La bachicoltura lombarda e il seme-bachi giapponese nella crisi della pebrina. Pianura 14, 75 – 82. – Hu, S. Y., 1979. Ailanthus. Arnoldia, 39 ( 2 ) : 29 – 50. – Kowarik, I., 2003 : Biologische Invasionen – Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 380 S. – Mack, R. N., 1996. Predicting the identity and fate of plant invaders: emergent and emerging approaches. Biological Conservation, 78, 107 – 121. – Plozza, L. ; Schmid, L., 2012. Der Götterbaum im Misox – Problematik im Schutzwald. Bündner Wald, 65, 3 : 35 – 38.
Marco Conedera Eidg. Forschungsanstalt WSL CH-6500 Bellinzona marco.conedera@wsl.ch
Franziska Baumgartner Eidg. Forschungsanstalt WSL CH-6500 Bellinzona franziska.baumgartner@wsl.ch
Maruska Anzini Servizio Forestale del Canton Ticino CH-6500 Bellinzona maruska.anzini@wsl.ch
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Das Drüsige Springkraut in Graubünden Das Drüsige Springkraut ( Impatiens glandulifera ) stammt ursprünglich aus dem westlichen Himalaya. Von England aus wurde es ab 1850 ins restliche Europa zu Zierzwecken als hübsche Gartenpflanze, aber auch zu Nutzzwecken als Bienentrachtpflanze eingeführt. Aus einer 2 m hohen Pflanze können die Samen bis 7 m weit aus ihren Fruchtkapseln geschleudert werden ( Springstockstrategie ). In England wurde so die Verbreitungsgeschwindigkeit auf bis zu fünf Kilometer pro Jahr gemessen. Zusätzlich zu diesem Verbreitungsmechanismus können die Samen in Fliessgewässern oder bei Oberbodenverschiebungen über weite Strecken transportiert werden. Auch mitgeschwemmte beziehungsweise über Gartenabfälle transportierte Sprossteile schlagen wieder Wurzeln.
Stark betroffene Gebiete Durch die grosse Konkurrenzkraft in der Krautschicht ( schnelles Wachstum zum Licht, hohe Samendichte ) ist das Drüsige Springkraut im Vorteil und behindert mit seinem dichten Bewuchs das Aufkommen heimischer Pflanzenarten. Somit sind es vor allem lichte Waldbestände, wie z. B. Auenwälder, Verjüngungs- oder Sturmschadenflächen, welche durch das Spring-
Abb. 2: Auf der Karte sind die Hauptverbreitungsgebiete des Drüsigen Springkrauts gut erkennbar: Surselva, Heinzenberg / Domleschg, Prättigau und Schams. ( Datengrundlage: Neophyten GIS-Browser, http://www.gis.zh.ch/gb4/bluevari/ gb50neophyten.asp?kt=gr )
Abb. 1: Ausgerissene Springkräuter können sich innert weniger Tage wieder aufrichten und weiterwachsen. ( Bild : Sascha Gregori, 2011 )
kraut am schnellsten beherrscht werden können. Besonders grosse Bestände in Auenwäldern finden sich in und um die Schutzgebiete von nationaler Bedeutung zwischen Waltensburg und Schluein, beziehungsweise zwischen Rothenbrunnen und Reichenau. 46
Bachlauf in den Rheinauen um Isla Bella ( Domat / Ems ). Die Böschung ist beherrscht vom Drüsigen Springkraut. Der Wald dahinter ist ebenfalls durchsetzt. ( Bild : Sascha Gregori, 2011 )
Zudem sind in Graubünden die Talschaften Heinzenberg / Domleschg, Schams sowie Prättigau stark betroffen (siehe Abb. 2) Die Gründe für diese Verteilung sind nicht direkt bekannt. Ausgehend von einzelnen gepflanzten Beständen kann sich das Springkraut binnen weniger Jahre über Wasserwege, den falschen Umgang mit Erdmaterial und die blosse Springstockstrategie rasant ausbreiten. Auengebiete sind daher von Natur aus durch ihr typisches Störungsregime das ideale Verbreitungsgebiet.
aktion zur Verbreitungshilfe degradiert werden. Die Pflanzen können entweder auf bereits bestehenden Asthaufen deponiert oder in kleinen Bündeln in Astgabelungen aufgehängt werden. So ist sichergestellt, dass das stark wasserhaltige Kraut austrocknet und nicht weiter austreibt ( siehe Abb. 1 ). Bei grossen Mengen oder blühenden beziehungsweise samentragenden Pflanzen ist der gut verpackte Abtransport in die Kehrichtverbrennungsanlage unumgänglich. Bekämpfte Standorte müssen noch im gleichen Jahr und in den Folgejah-
Bekämpfung Die Bekämpfung des Drüsigen Springkrauts gestaltet sich verhältnismässig einfach und verspricht gute Erfolge. Es wird empfohlen, so früh wie möglich ( in der Regel ab Ende Mai ) mit der Bekämpfung zu beginnen, denn solange die Pflanze absolut blütenlos ist, können die ausgerissenen oder bodennah abgeschnittenen Pflanzen vor Ort aufgehäuft werden. Dabei muss dringend darauf geachtet werden, dass mit dem Wurzelballen so wenig Bodenmaterial wie möglich mitgenommen wird ( vor Ort abklopfen ). Zu leicht könnten auf diese Weise Samen, welche noch in dieser Erde schlummern, verteilt und so die Bekämpfungs-
Seit drei Jahren kümmert sich das ANU bzw. das Zivildienstprojekt « Problemartenbekämpfung und Biotoppflege » um Springkrautbestände auf öffentlich zugänglichen Flächen. In diesem Fall eine ehemalige Deponie in Schiers. (Bild: Sascha Gregori, 2009)
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ren unbedingt nachkontrolliert werden, nur so kann einem Wiederaufkommen vorgebeugt werden. Da es sich beim Drüsigen Springkraut um eine für den Menschen harmlose Pflanze handelt, eignet es sich besonders gut für Aktionstage mit Schulen oder Umweltschutzvereinen ( www.arten-ohne-grenzen.ch ). So haben beispielsweise in der Vergangenheit mehrere Schulklassen im Schams und am Heinzenberg jeweils einen Tag lang unter anderem Impatiens glandulifera bekämpft. Seit drei Jahren unterstützt das Amt für Natur und Umwelt auch Forstbetriebe im Kampf gegen das Drüsige Springkraut. Mit
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dem Zivildienstprojekt « Problemartenbekämpfung und Biotoppflege » wurden in den stark betroffenen Gebieten Schams, Surselva und Prättigau sämtliche bekannten Bestände bekämpft und erfolgreich dezimiert.
Sascha Gregori Amt für Natur und Umwelt Gürtelstrasse 89, 7001 Chur sascha.gregori @ anu.gr.ch
Springkraut unterdrückt die Mykorrhiza von jungen Buchen Symbiotische Interaktionen zwischen verschiedenen Arten Pilze sind ein wichtiger Bestandteil unseres Waldes. Sie erfüllen als Zersetzer und als Nahrungsquelle wichtige Funktionen für das Ökosystem Wald. Eine ebenso wichtige und weniger bekannte Funktion ist die Bildung von engen Symbiosen mit vielen unserer heimischen Waldbäume. Dieses bemerkenswerte Zusammenspiel zwischen Pflanzen und Pilzen, von denen beide Partner profitieren, findet unterhalb der Erdoberfläche statt. Bei der Bildung dieser Symbiose werden die Wurzelhaare der Waldbäume von einem feinen Geflecht aus Pilzhyphen umwickelt. Dabei werden die Wurzeln morphologisch verändert und zu einer Austauschzone zwischen Baum und Pilz modifiziert. Man spricht nun von Mykorrhiza. Diese Mykorrhizen erleichtern dem Baum die Nährstoffaufnahme von Stickstoff und Phosphor. Die im Vergleich zu den Wurzelhaaren der Pflanze fünf bis zehnmal feineren Hypen der Pilze können das Erdreich besser erschliessen und erleichtern so auch die Wasseraufnahme, was bei einer Trockenperiode dem Baum einen grossen Vorteil verschafft. Als Gegenleistung erhält der Invasion des Drüsigen Springkrauts in einer Waldregion nördlich von Basel. (Bild : Katharina Hesse)
Verschiedene Mykorrhizen ( Austauschzonen ) zwischen einheimischen Pilzen und jungen Buchen (40-fache Vergrösserung). (Bild: Regina Ruckli )
Pilz vom Baum Kohlenstoffverbindungen, die er selbst nicht herstellen kann. Etwa ein Drittel aller Grosspilze können eine solche Symbiose mit Waldbäumen eingehen. Ein Baum kann mehrere Pilzpartner haben, der Pilz dagegen verhält sich meisten wirtsspezifisch. Bekannte Beispiele für Wald-Pilzarten, welche in einer Symbiose mit unseren Waldbäumen leben, sind der Fliegenpilz, der Knollenblätterpilz, aber auch der Steinpilz. Da das Wachstum und das Überleben der Waldbäume sehr stark von dieser Symbiose abhängig sind, erstaunt es nicht, dass Mykorrhizen massgeblich zur Waldgesundheit beitragen. Doch seit Ende des 20. Jahrhunderts wird eine stetige Abnahme dieser Pilze beobachtet. Verantwortlich dafür sind indirekte und direkte menschliche Bündner Wald 3 /2012 49
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Aktivitäten, wie z. B. Stickstoffdeposition im Boden. Aber auch invasive Arten, durch den Mensch verbreitet, können eine ernste Bedrohung für diese symbiotischen Partner unserer Waldbäume sein. Invasionen : Eine Gefährdung für einheimische Arten Invasive Arten sind gebietsfremde Arten, die sich fernab von ihrer ursprünglichen Heimat erfolgreich etablieren und zu beträchtlichen ökologischen und wirtschaftlichen Schäden führen. Durch die Zunahme des Handels mit Naturgütern und der weltweiten Globalisierung hat sich die Anzahl der eingeführten invasiven Arten in allen Ökosystemen deutlich erhöht. Invasionen sind eine potenzielle Gefahr für die einheimische Biodiversität. Die rasante Ausbreitung und die Bildung von flächendeckenden Monokulturen durch invasive Arten führen in vielen Ökosystemen zu drastischen Veränderungen, welche den invasiven Arten oft einen weiteren Vorteil verschaffen. In vielen
Fällen werden einheimische Arten verdrängt oder ihre aktuellen Bestände stark vermindert. Zudem führen Invasionen durch Pflanzen oft zu Veränderungen der umliegenden Bodeneigenschaften ( z. B. Reduktion oder Zunahme des pH-Werts im Boden ). Dies wiederum führt zu einem Wandel der einheimischen Pflanzen- und /oder der Bodenorganismenzusammensetzung in den betroffenen Gebieten. Nicht nur Arten an sich sind von solchen Invasionen betroffen, auch Interaktionen zwischen verschiedenen Arten können unter einer Invasion leiden und so heimische Arten in Mitleidenschaft ziehen. Warum sich invasive Pflanzenarten so erfolgreich ausbreiten können, ist bis heute noch nicht restlos geklärt. Gängige Theorien, welche den Erfolg von invasiven Arten zu fassen versuchen, sind unter anderem die Abwesenheit von Frassfeinden in der neuen
Das Drüsige Springkraut im Verlauf der Vegetationsperiode. Unten: Keimlinge der invasiven Art im April. (Bild: Regina Ruckli) Rechts: Blüte des Drüsigen Springkrauts. (Bild: Jonas Küng) Nächste Seite: Fruchtentwicklung im Herbst. (Bild: Katharina Hesse)
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Heimat, die Produktion von wirkungsvollen chemischen Abwehrstoffen oder die Unterbindung von symbiotischen Interaktionen zwischen einheimischen Arten. Natürlich können mehrere verschiedene Ansätze auf eine invasive Art zutreffen. Das invasive Drüsige Springkraut wächst auch im Wald Viele Ökosysteme sind durch Invasionen betroffen. Auch in unseren Wäldern werden Invasionen immer mehr zum Thema. So hat sich während der letzten Jahrzehnte das invasive Drüsige Springkraut ( Impatiens glandulifera ) zunehmend in Waldregionen verbreitet ( Abbildung 2 ). Ursprünglich stammt diese einjährige Pflanze aus dem westlichen Himalajagebiet, wurde aber im Jahr 1839 als Zierpflanze nach England eingeführt. 1855 wurde die Pflanze erstmals in freier Natur nachgewiesen. Heute zählt die Art zu den invasivsten Pflanzen in ganz Europa. Häufig findet man das Kraut auf offenen bis halboffenen Waldflächen, Waldschlägen, Wegrändern, aber auch an Uferzonen von Fliessgewässern und brachliegenden Bauzonen. Die ersten Keimlinge findet man Mitte April. Im Juni setzt ein schnelles Höhenwachstum ein. So können Bestände des Drüsigen Springkrauts eine Höhe von bis zu 2,5 Metern erreichen, bis im Juli mit dem Beginn
des Blühprozesses das Höhenwachstum abgeschlossen ist. Eine einzelne Pflanze produziert über 2500 Samen, die im Herbst durch einen Schleudermechanismus der Frucht bis zu sieben Meter in die Umgebung katapultiert werden können. Intensives Forstmanagement, aber auch physikalische Störungen wie Sturmereignisse, begünstigen die Ausbreitung des Drüsigen Springkrauts im Wald. Untersuchungen im Wald Der Sturm Lothar im Jahr 1999 zerstörte auch in der Nähe von Basel einige Waldgebiete. Dies trug dort wahrscheinlich massgeblich zur Verbreitung vom Drüsigen Springkraut bei. Förster beobachteten danach, dass sich in Waldregionen mit dem Drüsigen Springkraut die Aufforstung sowie die Pflege von jungen Bäumen sich als schwierig gestaltete. Ist das invasive Drüsige Springkraut dafür verantwortlich ? Dieser Frage wollten wir auf den Grund gehen. Dazu richteten wir ein Feldexperiment mit drei Gruppen von Untersuchungsflächen im betroffenen Wald ein. Die Gruppen bestanden aus mit Springkraut bedeckten Flächen, in Flächen welchen das Springkraut regelmässig entfernt wurde, und Kontrollflächen, die bis anhin noch nie vom Drüsigen Springkraut besiedelt wurden. Alle Flächen befanden sich in unmittelbarer Nähe und unterschieden sich kaum in den Bodeneigenschaften. Einjährige Buchen wurden in gleicher Dichte in die verschiedenen Untersuchungsflächen gepflanzt. Während eines Jahres überprüften wir regelmässig, wie viele der gepflanzten Jungbuchen noch lebten. Wir stellten fest, dass die Mortalitätsrate von den jungen Buchen in den Flächen mit der invasiven Pflanze nach einem Jahr etwa 15 Prozent höher lag, als in den Kontrollflächen und den Flächen, wo die inBündner Wald 3 /2012 51
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vasive Pflanze regelmässig entfernt wurde. Die überlebenden Buchen wurden nach einem Jahr geerntet und auf Mykorrhiza untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung waren zugleich eindrucksvoll, aber auch erschreckend. Junge Buchen, die umgeben vom Drüsigen Springkraut aufwuchsen, hatten nach einem Jahr 65 Prozent weniger Mykorrhiza an ihren Wurzeln im Vergleich zu den Kontrollflächen und den Flächen, wo die invasive Pflanze regelmässig entfernt wurde. Zudem beobachten wir an Jungbuchen, welche in Springkrautflächen wuchsen, einen Rückgang der Mykorrhiza-Diversität. Das bedeutet, dass weniger Pilzarten mit der Jungbuche eine Symbiose bildeten, wenn die invasive Art in der Umgebung der Buche wächst. Da Waldbäume, wie erwähnt, stark an die Symbiose mit den Pilzen gebunden sind, könnte die starke Reduzierung der Mykorrhiza ein möglicher Grund für die höhere Mortalitätsrate bei den Jungbuchen in den Springkrautflächen sein. Diese Studie zeigte eindrücklich, dass das Drüsige Springkraut eine bedeutungsvolle symbiotische Interaktion zwischen Pilz und Buche unterdrückt und so wahrscheinlich die Überlebenschance von jungen Buchen vermindert. Interessant und zugleich etwas beruhigend ist, dass das regelmässige Entfernen von Springkraut, im Hinblick auf die jungen Buchen, eine von Erfolg gekrönte Managementmassnahme zu sein scheint, da sich in diesen Flächen die Mykorrhizierung und die Überlebensrate von jungen Buchen nicht von den Kontrollflächen unterscheidet. Falls man sich in der Praxis für eine Entfernung des Drüsigen Springkrauts entscheidet, sollte man diese mehrmals im Jahr durchführen. Zudem sollte die Entfernung möglichst vor der Fruchtbildung stattfinden, da unreife Samen auch ohne den Schutz der
Fruchthüllen nachreifen können und die Samen vom Drüsigen Springkraut bis zu sechs Jahre im Boden überleben können. Potenzieller Mechanismus Es bleibt die Frage, wie das Drüsige Springkraut die Mykorrhiza von jungen Buchen unterdrückt. Eine gängige Theorie erklärt den Erfolg von invasiven Arten mit der Produktion von chemischen Waffen, welche für die lokale Umgebung völlig unbekannt sind und dadurch negative Auswirkungen auf die einheimischen Bodenorganismen und Pflanzenarten haben. Der Invasor verschafft sich so Vorteile in der Etablierung und Ausbreitung gegenüber den lokalen Pflanzenarten und Bodenorganismen. Da wir grosse Mengen von einem chemischen Stoff in den Pflanzenorganen des Drüsigen Springkrautes gefunden haben, der für seine antifungale Wirkung bekannt ist, könnte diese Theorie auch auf das Drüsige Springkraut zutreffen. Ob dieser Stoff verantwortlich für den Rückgang von der Mykorrhizierung an Jungbuchen ist, ist noch unklar, aber Gegenstand von momentanen Untersuchungen. Literatur – Beerling D. J., Perrins J. M. ( 1993 ) Impatiens glandulifera Royle ( Impatiens royle Walp. ). Journal of Ecology, 81: 367 – 382. – Binimelis R., Wanda B., Monterroso I. ( 2007 ) Socio-Economic impacts and assessment of Biological invasion. In : W. Nentwig 2007. Ecological studies, Vol 193. Biological Invasion. Springer Berlin. – Cappuccino N., Arnason J. T. ( 2006 ) Novel chemistry of invasive exotic plants. Biology Letters, 2 : 189 – 793. – Callaway R. M., Ridenour W. M. ( 2004 ) Novel weapons : invasive success and the evolution of increased competitive
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ability. Frontiers in Ecology and the Environmet, 8 : 436 – 443. Egli S., Brunner I. ( 2002 ) Mykorrhiza – Eine faszinierende Lebensgemeinschaft im Wald. Merkblatt für die Praxis, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf. Egli S. ( 2009 ) Mykorrhizapilze auf dem Rückzug – Was bedeutet das für den Wald ? Forum für Wissen, 2009 : 51 – 58. Gigon A., Weber E. ( 2005 ) Invasive Neophyten in der Schweiz ; Lagebericht und Handlungsbedarf. Geobotanisches Institut ETH Zürich. BUWAL Bern. Mooney H. A., Hobbs R. J. ( 2000 ) Invasive species in a changing world. Island Press, Washington ( D. C. ). Nobis M. ( 2008 ) Invasive Neophyten
auch im Wald ? Wald und Holz, 08 / 2008 : 46 – 49.
– Reinhart K. O., Callaway R. M. ( 2006 ) Soil biota and invasive plants. New Phytologist, 170 : 445 – 457. – Smith S. E., Read D. J. ( 1997 ) Mycorrhizal Symbiosis. 2nd Edition. Academic Press, London.
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Bekämpfung invasiver gebietsfremder Pflanzen in Graubünden Untertitel Grundschrift
Ein Zivi bei der Riesenbärenklauenbkämpfung. (Bild: Roman Jurt, 2010)
Die am 1. Oktober 2008 in Kraft getretene revidierte Freisetzungsverordnung ( FrSV ) schreibt den Kantonen unter anderem die Organisation und Koordination der Bekämpfung invasiver gebietsfremder Pflanzen in der Schweiz vor. Das Amt für Natur und Umwelt ( ANU ) ist für die Umsetzung dieser Verordnung in Graubünden zuständig. Regierungsbeschluss Mit dem Regierungsbeschluss 514 / 2011 wurden unter anderem folgende Programmpunkte festgelegt : – Bildung einer Arbeitsgruppe zur Koordination und Umsetzung der Vollzugsaufgaben im Bereich Neobiota-Management mit den in diesem Bereich tätigen Dienststellen. – Erarbeitung eines Massnahmenplans zur Umsetzung der bundesrechtlichen Vorschriften der FrSV über gebietsfremde Organismen. – Aufbau eines Netzwerks von kommunalen Ansprechpersonen für invasive Neophyten ( KAFIN ) zur Mithilfe bei Bekämpfungsaktionen sowie bei der Sensibilisierung der Gemeinden zur Einhaltung der FrSV. Zu deren Einführung ins Thema wurden im April 2012 Informationsveranstaltungen durchgeführt. 54
Informationsveranstaltungen In der Mitteilung « grüner Bereich : Bekämpfung invasiver Neophyten » des Amts für Wald und Naturgefahren ( AWN ) vom 21. Mai 2010 wurden u. a. alle Revierförster über die Möglichkeit zur Schulung in der Nutzung des NeophytenGIS -Browsers informiert. Dieses Angebot wurde während der Saison 2010 von etwa einem Dutzend Revierförstern genutzt. Während der Saison 2011 nahm ein weiteres Dutzend an der Schulung teil. Die individuellen Einführungen wurden sogleich zum Erfahrungsaustausch und zur Organisation allfälliger Bekämpfungsmassnahmen genutzt. Auch das Tiefbauamt ( TBA) hat während der letzten zwei Jahre bezirksweise sämtliche Mitarbeiter durch das ANU über die Problemstellung informieren lassen. Dabei wurden neben einer allgemeinen Sensibilisierung konkrete Beispiele aufgezeigt sowie die Aufgaben der Werkgruppen definiert ( richtige Bekämpfung und Entsorgung sowie die Meldung und Nachkontrolle der bekannten Standorte ). Im Rahmen einer Informationsveranstaltung des ANU wurden im Mai 2011 auch die Gemeinde-Baufachstellen über die Neophytenproblematik in den Gemeinden, speziell bei Bauvorhaben auf neophytenbelasteten
Standorten, und über die korrekte Entsorgung orientiert. Zivildienstprojekt Als Zivildienst-Einsatzbetrieb im Bereich Schwerpunktprogramme Umwelt- und Naturschutz organisierte das ANU während der Saison 2011 über 70 Zivildiensteinsätze. Gesamthaft wurden so für das Projekt « Problemartenbekämpfung und Biotoppflege » über 3000 Diensttage geleistet ( siehe Abb. 1). Diese hohe Anzahl an Hilfskräften wird erst durch die Finanzhilfe für praktische Arbeiten im Umwelt- und Naturschutz der Vollzugsstelle für den Zivildienst sowie durch Bundesbeiträge für Arbeiten in Schutzgebieten von nationaler Bedeutung möglich ( siehe Abb. 2 ). Das Ziel des Projekts ist eine nachhaltige und dauerhafte Dezimierung und Kontrolle der Problemartenbestände sowie eine stetige Sensibilisierung in der Bevölkerung. Zudem ist es der Projektleitung ein Anliegen, das selbstständige Handeln und die Teamfähigkeit der Zivildienstleistenden zu fördern.
Für das aktuelle Jahr hat sich die Anzahl Teilnehmer nur geringfügig erhöht und die Vorgehensweise ist unverändert. Hauptsächlich werden die Zivildienstleistenden zur Unterstützung der kommunalen Forstund Werkdienste eingesetzt. Als Gruppenleiter eingesetzte Zivildienstleistende stellen das korrekte Vorgehen vor Ort sicher und sind während der Bekämpfungsaktionen für alle Beteiligten direkter Ansprechpartner. Die betreffenden KAFIN werden jeweils durch die Projektleitung über bevorstehende Einsätze informiert und können vor Ort wichtige Aufgaben übernehmen, wie beispielsweise die Kontrolle der Arbeiten oder die Entsorgung der Neophyten. Erfolgskontrolle Ein Erfolgsnachweis ist zum jetzigen Zeitpunkt noch schwierig, da beispielsweise die Bekämpfung von Riesenbärenklau oder Drüsigem Springkraut über mehrere Jahre erfolgen muss. An einigen Standorten ist allerdings bereits ein deutlicher Rückgang der Populationen nachweisbar ( siehe Abb. 3 ).
Abb. 1 : Entwicklung der Diensttage seit Beginn des Zivildienstprojektes « Problemartenbekämpfung und Biotoppflege ». (Quelle: eigene Darstellung, 2012 )
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Abb. 2 : Projektfinanzierung « Problemartenbekämpfung und Biotoppflege » 2012. (Quelle: eigene Darstellung, 2012 )
Neben der Wahl der effektivsten Bekämpfungsmethode ist die sachgerechte Entsorgung bzw. Behandlung von vermehrungsfähigem Pflanzenmaterial und/oder dem damit belasteten Bodenaushub ein wichtiger Punkt bei der Bekämpfung invasiver gebietsfremder Pflanzen. Als gesetzliche Grundlage dient auch hier die FrSV ( Art. 15 Abs. 2 und 3 ). Durch direkten Kontakt, Pressemitteilungen, Hinweistafeln oder schriftliche Mitteilungen unterrichtet das ANU sowohl PrivatDerselbe Hang im Mai 2012. Die Bekämpfung zeigt Wirkung – der Jungwuchs hat den Winter zum grössten Teil überstanden. (Bild: Sascha Gregori, 2011, 2012)
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Abb. 3: Der Riesenbärenklaubestand vor der Bekämpfung im Mai 2011. Nach der Bekämpfung wurde der brachliegende Hang aufgeforstet und die Jungpflanzen mit Faschinen unterstützt (Bild: Sascha Gregori, 2011, 2012).
personen als auch öffentliche Dienststellen über die geltenden Vorschriften. Die vom ANU eingesetzten Zivildienstleistenden werden im korrekten Umgang mit vermehrungsfähigem Pflanzenmaterial geschult und dazu angehalten, dieses Wissen auch an die betroffenen Gemeinden bzw. deren Ansprechpersonen weiterzugeben. Fazit Das Thema invasive Neophyten bedarf noch einiger Aufklärung. Sämtliche Beteiligte, sowohl Zivildienstleistende als auch KAFIN,
wirken diesbezüglich als Multiplikatoren, welche das Wissen um die Problempflanzen weitergeben und bei der Sensibilisierung der Bevölkerung einen wichtigen Teil übernehmen.
Sascha Gregori Amt für Natur und Umwelt Gürtelstrasse 89, 7001 Chur sascha.gregori @ anu.gr.ch
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Feuerbrand in Graubünden – Einzelherde und Flächenbefall Der Feuerbrand ist eine Bakterienkrankheit (Erwinia amylovora), die Wirtspflanzen aus der Gruppe der apfelähnlichen Rosen gewächse befällt. Gefährdet sind Kern obstbäume wie Apfel, Birne und Quitte, bei Wildgehölzen Weissdorn, Vogelbeere, Mehlbeere, Elsbeere, Speierling und Felsen birne. Bei den Ziergehölzen sind verschie dene Cotoneaster, Mispel, Wollmispel, Scheinquitte/Feuerbusch und Feuerdorn gefährdet. Die Verbreitung der Krankheit kann durch Wind, Regen, Insekten, Vögel oder auch Menschen erfolgen. Deshalb sind Hygienemassnahmen für Obstbauern und Kontrolleure sehr wichtig. Die heikels te Zeit für neue Infektionen ist im Frühjahr, wenn die Blüten offen sind, Temperaturen über 15 Grad Celsius herrschen und Feuch tigkeit dazu kommt. Die Krankeitssympto me wie abgestorbene Blütenbüschel und
Verfärbung der Blätter vom Stiel her sind nach einigen Wochen sichtbar. Die Entdeckung in Nordamerika und Verbreitung in Europa Der Feuerbrand wurde im 19. Jahrhundert in den USA entdeckt, kam 1957 nach England und verbreitete sich in Mitteleuropa. In der Schweiz kam der erste Befall 1989 in Stein am Rhein auf, in Graubünden im Jahr 2000 in drei Gemeinden. Der Feuerbrand trat zuerst nur auf einem Apfelbaum in Klosters, einem Apfelbaum in Valendas und einem Weissdorn in Castrisch auf. In den Folgejahren auf ein zelnen Zierpflanzen, dem Cotoneaster salici folius im Rheintal. 2004 trat der Feuerbrand in einer Erwerbsobstanlage mit rund 100 Apfelbäumen in Jenins auf. In den folgenden Jahren breitete sich der Feuerbrand weiter im Prättigau, Domleschg und der Surselva aus.
Rasche Entfernung nach Befall in Saas. (Bild: Lieni Putzi)
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Surcasti, befallene Birke. (Bild: Gregor Canova)
Im Jahre 2007 wütete der Feuerbrand nach einer sehr warmen Blühperiode in 63 Gemeinden Graubündens. Rund 700 hochstämmige Apfel-, Birnen- und Quittenbäume sowie über 1000 Niederstammbäume wurden vernichtet. In den Jahren 2008, 2009 und 2010 entdeckten Kontrolleure in 13, 14 Felsberg, Cotoneaster mit Feuerbrand. (Bild: Gregor Canova)
und acht Gemeinden befallene Wirtspflanzen. 2011 trat der Feuerbrand erstaunlicherweise nur in drei Bündner Gemeinden auf. Die Bakterien befielen einen Quittenbaum in Untervaz, einen Birnbaum in St. PeterPagig und zwei Birnbäume in Trun. Alle befallenen Hochstammobstbäume wurden im Juni und Juli 2011 entdeckt und gefällt. In der Schweiz trat der Feuerbrand 2011 in rund 300 Gemeinden auf – vor allem in den Kantonen Bern, Luzern, Zürich, St. Gallen und Thurgau. Ausserordentlich stark wütete die bakterielle Krankheit in Obstanlagen des Südtirols, südlich der Stadt Meran. Das Blühwetter im April 2011: feuerbrandgefährlich! In der Obstanlage des Plantahofs in Landquart blühten die Birnen bereits ab 4. April, die Äpfel ab 11. April 2011 – was rund zehn Bündner Wald 3 /2012 59
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Obstfachleute der Schweiz und angrenzen der Länder. Gründe für den schlussendlich geringen Befall in Graubünden sind wahr scheinlich die kühlen Tage nach der Blüte, wenig Niederschlag und die konsequenten Tilgungsstrategien.
Tage früher als in den letzten Jahren bedeu tete. Mitte April folgte eine kühlere Woche mit wenig Regen und Frostgefahr. Von Kar freitag bis Ostern, 22. – 24. April, herrschten wieder hohe Temperaturen, was die Aus breitung der Feuerbrandbakterien fördern kann. Die Blühdaten der Obstanlage und die automatische Wetterstation Landquart die nen der Forschungsanstalt ACW in Wäden swil für die Blüteninfektionsprognose. Für das Wochenende vom 9./10. April und an Ostern vom 22. bis 24. April resultierten für Landquart und Umgebung – bei Vollblüte der Birnen und Äpfel – mehrere Infektions tage. In einzelnen Obstanlagen in Zizers, Je nins und Maienfeld wurde Streptomycin zur Vorbeugung gegen Feuerbrand eingesetzt. Die hohen Temperaturen und der geringe Niederschlag im April 2011 beunruhigten die
Kontrolleure in über 60 Gemeinden Graubündens In über 60 Gemeinden Graubündens hat der Plantahof Feuerbrandkontrolleure ausgebil det und beliefert sie jährlich mit neuen In formationen und Material. Für die Kontroll tätigkeit und Entfernung befallener Pflanzen werden die Gemeinden entschädigt. Rund die Hälfte der Kontrolleure sind Förster oder Forstmitarbeiter, und die Zusammen arbeit mit ihnen verläuft sehr gut. Mit der unverzüglichen Entfernung der befallenen
Räumung von Cotoneastern in Schiers.
Zizers, frischer Befall von Maigold Ende
(Bild: Vital Lötscher)
Mai 2012. (Bild: Gregor Canova)
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Quitte mit Feuerbrand in Untervaz. (Bild: Gregor Canova)
Pflanzen durch die Forstleute der Gemeinden wurden weitere Infektionen verhindert. Mit dieser Tilgungsstrategie will der Kanton Graubünden den Infektionsdruck der Feuerbrandbakterien möglichst gering halten. Das Ziel ist die Erhaltung des Kernobstes auf Apfel-, Birnen- und Quittenbäumen. Warum Rodung und kein Rückschnitt ? In Graubünden gilt bei Befall mit Feuerbrand die Tilgungsstrategie, bei der die ganze Pflanze gerodet und entfernt wird. Dies im Gegensatz zu den Kantonen St. Gallen und Thurgau, wo sich der Feuerbrand in den letzten Jahren noch stärker ausbreitete und Befallszonen mit abgestuftem Vorgehen bestehen. Graubünden will mit der Rodungsstrategie die weitere Ausbreitung von Einzelherden des Feuerbrandes verhindern und hat deshalb keine Befallszonen errichtet.
Vorsorglich hohe und niedrige Cotoneaster entfernen Die Gemeinden im Bündner Rheintal sowie im Domleschg und Heinzenberg haben die auf den Feuerbrand stark anfälligen, hoch wachsenden Zierpflanzen Cotoneaster vorsorglich entfernt. Die hohen Cotoneaster werden mit einem bodennahen Schnitt abgesägt und gegen einen Wiederaustrieb behandelt. Diese Arbeiten sollen im Winter stattfinden, denn während der Vegetationsruhe bis Ende März sind die Bakterien des Feuerbrandes noch kaum aktiv. Der niedrig wachsende Cotoneaster dammeri (Teppich-Zwergmispel) ist als Bodendecker sehr weit verbreitet und weist breitovale, zwei bis drei Zentimeter lange, immergrüne Blätter auf. In den letzten Jahren befiel der Feuerbrand auch in Graubünden einzelne solcher Bodendecker. Deshalb empfehlen Bündner Wald 3 /2012 61
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den ausgebreitet. Der schlimmste Befall trat 2007 in unserem Kanton und fast im ganzen Land auf. Seither ist die Krankheit weniger stark aufgetreten, dies dank der kühlen Frühjahreszeiten 2008 – 2010 und der Trockenheit 2011. Die konsequente Tilgungsstrategie mit Entfernung aller befallenen Pflanzen soll die Einzelherde des Feuerbrandes bekämpfen. Es brauchte in der Vergangenheit und wird in Zukunft die Zusammenarbeit mit den Gemeinden, Forstmitarbeitern, Obst- und Gartenbauleuten und Gartenbesitzern erfordern. Die Zierpflanzen Cotoneaster sollen überall vorsorglich entfernt werden. Als Ersatz für befallene Kernobstbäume können feuerbrandrobuste Sorten oder Steinobst sowie Nussbäume dienen. Die Wildpflanzen wie Weissdorn und Vogelbeere sind zum Glück wenig anfällig auf den Feuerbrand. Seewis, befallene Cotoneaster. (Bild: Gregor Canova)
die Fachstellen des Plantahofs eine freiwillige Entfernung dieser Bodendecker. Das Ausgraben der Wurzeln ist zwar aufwendig, aber wirkungsvoll. Den Gemeinden werden dazu kantonale Beiträge gewährt. Fazit zu zwölf Jahren Feuerbrand in Graubünden Seit dem Jahr 2000 hat sich der im Obstbau gefürchtete Feuerbrand in Graubün-
Weitere Auskünfte zur Strategie gegen den Feuerbrand erteilt:
Gregor Canova Fachstelle Feuerbrand Plantahof, 7302 Landquart gregor.canova@plantahof.gr.ch
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Waldinsekten als natürliche Gegenspieler Im Wald leben etwa 32 000 Pflanzen- und Tierarten, die sich in einem komplexen Beziehungsnetz gegenseitig beeinflussen. Den grössten Teil der Waldfauna machen Insekten aus : von den rund 22 000 in der Schweiz bekannten Insektenarten kommt ein grosser Teil im Wald oder am Waldrand vor. Die meisten ernähren sich von Blättern, Nadeln, Blüten, Rinde, Holz, Nektar, Pollen oder von abgestorbenem und verrottendem Pflanzenmaterial. Fast alle Waldinsekten stehen auf dem Speiseplan irgendeiner Wirbeltierart, vor allem von Vögeln, Spitzmäusen, Eidechsen und Kröten. Aber auch unter den Insekten selbst gibt es viele Arten, die sich auf räuberische oder parasitische Weise von anderen Insekten ernähren. Einige Arten spielen gar eine wichtige Rolle in der Regulation von möglichen Schädlingen. Die Antagonisten Die natürlichen Feinde, auch Antagonisten genannt, können in drei Gruppen eingeteilt werden. Die Räuber sind meistens grösser als ihre Beute und brauchen für die Entwicklung mehrere Beutetiere. Als Parasiten bezeichnet man solche Arten, die von Tieren leben, die meist grösser sind als sie selbst und die für ihre Entwicklung nur einen einBild 1: Sogar wehrhafte Wespen sind nicht vor anderen Räubern wie der Gartenkreuzspinne geschützt. (Bild: Beat Wermelinger)
zigen Wirt benötigen. Häufig unterscheidet man noch zwischen Parasitoiden ( z. B. Schlupfwespen ) und eigentlichen Parasiten ( z. B. Flöhe ). Während letztere in allen Stadien parasitisch leben und den Wirt höchstens schwächen, leben Parasitoiden nur als Larven parasitisch, töten den Wirt aber in jedem Fall ab. Schliesslich gibt es noch Pathogene ( Krankheitserreger wie Pilze ), von denen auch Insekten befallen werden können. Insekten und Spinnen als Räuber Typische Räuber sind die Laufkäfer, Marienkäfer, manche Wanzen oder die Spinnen, die aber als Achtbeiner nicht zu den Insekten ( sechs Beine ) gehören. Bekannt sind die radnetzbauenden Spinnen wie die Gartenkreuzspinne ( Araneus diadematus ), die ihr schönes, regelmässiges Netz wenige Meter über dem Boden errichtet. Nicht nur Fliegen und Falter werden so erbeutet, sondern auch wehrhafte Wespen oder Bienen ( Bild 1). Daneben gibt es viele Spinnenarten, die keine Netze bauen, sondern ihre Beute jagen oder aus dem Hinterhalt überfallen. Spinnen lähmen ihre Beute mit einem Giftbiss und saugen sie danach aus. Etwas gezielter suchen verschiedene räuberische Käfer ihre Beute aus. Die grossen Carabus-Arten unter den Laufkäfern ernähren sich von Würmern und Schnecken, andere Käfer haben sich auf Schmetterlingsraupen spezialisiert, wieder andere auf Ameisen. Bei vielen hängt das Beutespektrum vor allem von deren Grösse ab. Laufkäfer verzehren täglich Futtermengen in der Grössenordnung ihres Eigengewichts. Einer der grössten und schönsten einheimischen Laufkäfer ist der Grosse Puppenräuber ( Calosoma sycophanta ; Bild 2 ). Er klettert sogar auf Bäume, um grosse, blattfressende Raupen zu erbeuten. Die zwei bis drei JahBündner Wald 3 /2012 63
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Bild 2: Der Grosse Puppenräuber ( ein Laufkäfer )
Bild 3: Ein Siebenpunkt-Marienkäfer beim Fressen
hat eine Schwammspinnerraupe erbeutet.
in einer Blattlaus-Kolonie.
(Bild: Beat Wermelinger)
(Bild: Beat Wermelinger)
re alt werdenden Käfer vertilgen jedes Jahr etwa 400 solche Raupen. Bei einer starken Vermehrung des Schwammspinners ( Ly mantria dispar ), eines Nachtfalters, dessen Raupen auf der Alpensüdseite gelegentlich starken Blattfrass auf Edelkastanie verursachen, kann der sonst seltene Käfer plötzlich regelmässig gesichtet werden. Er ist ein wichtiger Faktor in der Regulation dieser Raupenpopulationen und wurde auch zur Bekämpfung des Schwammspinners nach Nordamerika exportiert. Die 2000 in Mitteleuropa vorkommenden Arten von Kurzflüglern leben in den verschiedensten Habitaten. Ob unter der Rinde, im Moos, in der Streuschicht oder in Pilzen, die Mehrzahl dieser Käfer lebt räuberisch von Fliegenmaden und anderer
leichter Beute. Marienkäfer, Schweb- und Florfliegen sind bekannte Blatt- und Schildlausfeinde. Während bei den letzten beiden Gruppen vor allem die Larven räuberisch leben, sind es bei den Marienkäfern auch die ausgewachsenen Tiere. Während seines Lebens – von der Larve bis zum Tod des Käfers – frisst zum Beispiel der Siebenpunkt ( Coccinella septempunctata ) rund 3000 Blattläuse ( Bild 3 ). Seit 2006 wird der einheimische Siebenpunkt immer mehr durch den in Europa eingeführten Asiatischen Marienkäfer ( Harmonia axyridis ) verdrängt. Die Blattlausfeinde werden vom Honigtau der Blattläuse angelockt und legen ihre Eier in der Nähe der Pflanzensaftsauger ab. Damit die Eier nicht von den häufig in den Kolonien vorhandenen Ameisen gefressen
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Bild 4: Eine Spitzbauchwanze hat eine Nonnenrau-
Bild 5: Die Waldameisen passen ihre Nahrung stark
pe angestochen und saugt diese aus.
dem Beuteangebot an. (Bild: Beat Wermelinger)
(Bild: Beat Wermelinger)
werden, befestigen die Florfliegen ihre Eier auf einem langen Stiel aus Sekret. Die meisten Wanzen leben von Pflanzensaft. Einige sind aber räuberisch und saugen mit ihrem Rüssel andere Insekten aus. Verschiedene Arten von Baumwanzen erbeuten im Gebüsch und auf Bäumen Raupen ( Bild 4 ), Raubwanzen lauern auf Blüten den nektarund pollensuchenden Insekten auf und die häufige Blumenwanze (Anthocoris nemorum) ernährt sich auf Bäumen und Brennnesseln von Läusen und kleinen Fliegen. Neben den oben erwähnten Schwebfliegen gibt es noch viele weitere räuberische Fliegen. So sieht man häufig die grossen Raubfliegen ( Laphria-Arten ) an Baumstämmen oder -strünken sitzen und auf ein vorbeifliegendes Beuteinsekt warten, das im Flug gepackt und nachher ausgesogen wird. Waldameisen als Opportunisten Die emsigen Waldameisen haben einen vielfältigen Speiseplan. Rund ein Drittel der Nahrung besteht aus Insekten ( Bild 5 ), die als Proteinquelle für die Königinnen und für die Aufzucht der Nachkommen dienen, und aus rund zwei Dritteln Honigtau, der die Betriebsenergie für die Arbeiterinnen liefert. Ein grosses Waldameisennest beherbergt bis
zu eine Million Tiere. Der Jahresbedarf eines solchen Volkes liegt bei rund 30 kg Insekten, das entspricht etwa 10 Millionen erbeuteten Insekten, und etwa 500 kg Honigtau. Dazu kommt noch wenig pflanzliche Nahrung. Waldameisen sind keine spezialisierten Jäger. Sie holen sich die Beuteinsekten, die am häufigsten und am einfachsten zu erbeuten sind. Während einer Massenvermehrung des Lärchenwicklers im Engadin kann man die Ameisen beobachten, wie sie leer die Lärchenstämme hinauf- und mit Raupen beladen wieder hinunterlaufen. Während einer Massenvermehrung der Nonne, einer nahe verwandten Art des erwähnten Schwammspinners, waren in Deutschland in den von den Raupen kahlgefressenen Föhrenbeständen grüne Inseln sichtbar. Diese konnten den lokalen Ameisenhaufen zugeordnet werden. Die Volksgrösse eines Ameisenhaufens ist relativ konstant, da sie nicht von der Häufigkeit einer bestimmten Beute abhängt. Deshalb können diese nützlichen Insekten sehr schnell auf Massenvermehrungen potenzieller Beutetiere reagieren. Parasitische Wespen und Fliegen Hierunter fallen vor allem zahlreiche, sehr unterschiedliche Schlupfwespen und die Raupenfliegen. Parasitische Wespen maBündner Wald 3 /2012 65
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Bild 6: Die Riesenschlupfwespe parasitiert Holzwespenlarven. Hier hat ein Weibchen seinen Legestachel schon zu drei Vierteln im Holz versenkt. (Bild: Beat Wermelinger)
chen weltweit fast einen Zehntel aller Insekten aus. Im Gegensatz zu den Räubern wird hier der Wirt möglichst lange am Leben gelassen, damit er während der ganzen Jugendentwicklung den Parasitoidenlarven als Nahrung dienen kann. Diese leben zuerst von « unwichtigen » Körperbestandteilen wie Körperflüssigkeit und Fettkörper, und erst am Schluss werden die lebenswichtigen Organe verzehrt. Eine der auffälligsten Schlupfwespen ist die Riesenschlupfwespe ( Rhyssa persuasoria ; Bild 6 ). Sie ist spezialisiert auf die Parasitierung von Holzwespenlarven, die sich im Holz von frisch abgestorbenem Nadelholz entwickeln. Sie lässt sich bei der Suche nach den tief im Holz fressenden Holzwespenlarven vor allem durch Geruchsstoffe leiten, die vom Larvenkot und den symbiontischen Pilzen ausgehen. Mit ihren langen Fühlern und dem Legestachel lokalisiert sie auf der Oberfläche den Aufenthaltsort der Larve. Wird sie fündig, treibt sie ihren bis zu fünf Zentimeter langen Eiablagestachel ins Holz und vermag Larven bis Legestachel-Tiefe im Holz zu parasitieren. Viele kleinere, unscheinbare Schlupfwespen und gewisse Fliegen lauern den blatt- und nadelfressenden Raupen auf. Raupenfliegen und einige der Wespen legen ihre Eier
auf die Körperoberfläche, von wo sich die Wespenlarven in den Körper bohren. Andere Wespen stechen den Wirt an und deponieren ein Ei direkt in der Körperhöhle. Am Ende der Larvenentwicklung bohren sich die reifen Larven aus dem toten oder sterbenden Wirt aus und verpuppen sich am oder beim Wirt in einem Kokon. Häufig kommt es auch zu Superparasitismus, das heisst, eine Raupe dient mehreren Larven derselben Schlupfwespenart als Nahrung ( Bild 7 ). Die Parasitoiden befinden sich aber nicht immer am Ende einer Nahrungskette, kann doch beispielsweise auch eine parasitierte Raupe von einem Vogel gefressen werden, oder die Parasitoidenlarve in einer Raupe wird gar selber von einem sogenannten Hyperparasitoid parasitiert. Schmarotzende Wespen oder Fliegen sind bei Schmetterlingsraupen gar nicht selten, und wer schon Raupen nach Hause gebracht und gezüchtet hat, hat möglicherweise schon die unliebsame Erfahrung gemacht, dass aus der Puppe statt dem schönen Schmetterling ein paar Fliegen schlüpften. Sogar kleine Insekteneier sind nicht vor Schmarotzern gefeit. Dies sind winzige Erzwespen von wenigen Zehntelmillimeter Grösse. Sie gehören damit zu den kleinsten Insekten überhaupt.
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Das gefährliche Leben von Borkenkäfern Da der Buchdrucker ( Ips typographus ) als bekanntester Borkenkäfer wirtschaftliche Schäden verursachen kann, sind seine natürlichen Gegenspieler relativ gut untersucht. Nicht nur der Waldarbeiter mit Kettensäge und anderer Maschinerie oder die auffälligen Spechte gehen dem Buchdrucker an den Kragen, sondern auch viele unbeachtet und verborgen lebende Gliederfüsser leben von ihm. Schon
Bild 7: Diese Spannerraupe wurde von Schlupfwes-
Bild 8: Ein Weberknecht mit parasitischen Milben-
pen parasitiert. Die Wespenlarven haben sich aus
larven. Sie saugen Körperflüssigkeit, töten den
dem Körper gebohrt und verpuppen sich an der
Wirt aber nicht. (Bild: Beat Wermelinger)
Oberfläche. (Bild: Beat Wermelinger)
Parasiten Zu den eigentlichen Parasiten, die den Wirt zwar schwächen, aber nicht töten, zählen viele Milbenarten. Diese roten oder blassen Spinnentiere sieht man gelegentlich festgesaugt an Tagfaltern, Käfern, Heuschrecken oder Weberknechten ( Bild 8 ). Eine berüchtigte Milbe, die nicht nur Tiere, sondern auch den Menschen befällt, ist der Holzbock oder « die Zecke » ( Ixodes ricinus ). Von den Insekten leben beispielsweise die Tierläuse und Flöhe parasitisch. Beide Gruppen kommen auf Säugetieren ( auch Mensch ) und Vögeln vor, häufig spezialisiert auf bestimmte Wirtsarten.
seine Eier werden von Raubmilben ausgesaugt, und auf die Larven wartet ein ganzes Arsenal von Räubern und Parasitoiden. Der auffälligste Räuber ist sicher der schwarz-rot gefärbte und weiss gebänderte Ameisenbuntkäfer ( Thanasimus formicarius ). Seine Larven entwickeln sich unter der Rinde in Brutbildern von Borkenkäfern und fressen dort deren Brut. Aber auch ausgewachsene Käfer erbeuten auf der Stammoberfläche an- oder abfliegende Borkenkäfer ( Bild 9 ). Daneben gibt es zahlreiche Arten von Lauf-, Glanz-, Platt- und Kurzflügelkäfern sowie Langbein- und Lanzenfliegen, deren Larven die Jugendstadien von Borkenkäfern vertilgen. Im Weiteren gibt es eine grosse Zahl von Wespen, die entweder mit ihrem EiablageBündner Wald 3 /2012 67
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Bild 9: Der Ameisenbuntkäfer lebt sowohl als Larve
Bild 10: Diese Schlupfwespe hat sich als Larve
als auch als erwachsener Käfer von Borkenkäfern.
im Körper des Buchdruckers entwickelt.
(Bild: Beat Wermelinger)
Die fertige Wespe ist eben aus der nun leeren Käferhülle geschlüpft.
stachel durch die Rinde hindurch Käferlarven parasitieren oder die selber durch die Einbohrlöcher der Borkenkäfer in die Brutbilder eindringen und dort ihre Eier ablegen. Während die meisten dieser Wespen sogenannte Larvenparasitoiden sind, gibt es auch einige wenige, die ausgewachsene Käfer parasitieren. Aus dem auf dem Käfer abgelegten Ei schlüpft eine parasitische Larve, die in den Körper eindringt und den Inhalt während ihrer Entwicklung nach und nach auffrisst. Um nach der Verpuppung ins Freie zu gelangen, muss die Wespe sich am Schluss ein Loch durch den Käferpanzer fressen ( Bild 10 ). Untersuchungen haben gezeigt, dass die Zahl der Parasitoiden im von Borkenkäfern befallenen Sturmholz ansteigt, bis das Holz für Käfer und Wespen zu trocken wird. Auch im einzelnen Käfernest steigt die Absterberate der Borkenkäfer zuerst durch Räuber und dann durch Parasitoiden an. Sie kann 80 – 90 % erreichen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle von tödlichem Pilzbefall von Larven und Käfern im Brutbild. Die Wirkung des natürlichen Beauveria-Pilzes (der auch für die Bekämpfung von Maikäfer-Engerlingen verwendet wird ), nimmt im Käfernest häufig ebenfalls zu und kann sehr hohe Sterberaten verursachen. Sind aber
(Bild: Beat Fecker)
das grossflächige Angebot anfälliger Fichten und die Borkenkäferdichte genügend hoch, können diese natürlichen Regulatoren eine Massenvermehrung nicht verhindern. In der Natur gehts um Leben und Tod Natürliche Gegenspieler sind wichtige Komponenten im Zusammenspiel der verschiedenen Pflanzen- und Tierarten. Diese Wechselwirkungen haben sich im Laufe von Jahrmillionen entwickelt und eingespielt, Abwehrstrategien der Beute wurden von den Antagonisten mit Anpassungen gekontert. Tod und Verderben sind notwendige Bestandteile im natürlichen Kreislauf, sie ebnen den Weg für Wachstum und Gedeihen. Weitere Infos finden Sie unter: www.waldinsekten.ch
Beat Wermelinger Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf beat.wermelinger@wsl.ch
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Fremdländische Insekten an Waldbäumen: zwei Beispiele
Die fingerbeerengrossen Gallen der Edelkastaniengallwespe. ( Bild: Beat Forster)
Fremdländische Insekten in der Schweiz In der Schweiz gibt es rund 22 000 bekannte Insektenarten, rund siebenmal mehr als Farn- und Blütenpflanzen. Da sehr viele Insekten klein und mobil sind, ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder neue Arten den Weg in die Schweiz finden, sei es durch aktiven Einflug, weiträumige Windverfrachtung oder Einschleppung durch höhere Tiere oder menschliche Aktivitäten. Eine Studie von Kenis ( 2006 ) weist für die Schweiz mindestens 311 fremdländische Insektenarten nach. Bei über 100 Arten handelt es sich um Insekten, welche ihren Lebensraum im Wald oder auf Gehölzen haben, die Dunkelziffer dürfte aber hoch sein. Fremdländische Insekten wurden schon früher unfreiwillig in unsere Wälder verschleppt, so beispielsweise die Gefährliche Weisstannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae), welche bereits im 19. Jahrhundert mit Pflanzenmaterial aus dem Kaukasus nach Mitteleuropa gelangte. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die Zahl der neuen Arten aber deutlich erhöht (Engesser et al., 2010 ). Dies hängt einerseits mit der zunehmenden Globalisierung zusammen, durch welche immer grössere Mengen an Waren weltweit verschoben werden, andererseits auch mit der Klimaerwärmung, welche verschleppten oder eingeflogenen
Arten aus wärmeren Gegenden vermehrt ein Überleben ermöglicht (Engesser et. al., 2008 ). Insekten können mit Pflanzen, Früchten, Saatgut, Verpackungs- und Nutzholz, aber auch als blinde Passagiere in Fahrzeugen, Containern, Gepäck oder Gütern aller Art eingeschleppt werden. Als invasiv wird eine Art bezeichnet, wenn sie sich im neuen Lebensraum etabliert und vermehrt sowie ökologische oder wirtschaftliche Schäden verursachen kann. Eine Einschleppung erfolgt häufig über den Zierpflanzenbereich. So werden Gehölze in Gärten und Parkanlagen meist zuerst besiedelt. Danach finden die Tiere oft auch einen Weg in den Wald, wo einheimische Baumarten besiedelt werden können. Als Beispiel kann die aus Asien stammende Hortensien-Wollschildlaus (Pulvinaria hydrangeae) genannt werden. Vor ein paar Jahrzehnten gelangte sie mit Ziergehölzen in die Schweiz. Seit wenigen Jahren vermehrt sich diese Laus auch auf Ahornen und Linden und saugt an deren Blättern, so auch im Wald. Mit der Klimaerwärmung weiten sich die Verbreitungsgebiete Wärme liebender Insekten nach Norden aus (Rigling et. al., 2008 ). Arten aus dem Mittelmeerraum, welche schon früher ab und zu über die Alpen verfrachtet wurden, können sich bei wärmeren Temperaturen plötzlich etablieren. Bündner Wald 3 /2012 69
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Auch können bisher unauffällige fremde Arten zu Massenvermehrungen übergehen, dies weil aufgrund höherer Temperaturen die Entwicklungsdauer der Insekten verkürzt wurde oder weil die Wirtspflanzen durch Trockenstress an Widerstandskraft verloren haben. Edelkastaniengallwespe und Asiatischer Laubholzbockkäfer Bei der Edelkastaniengallwespe (Dryocosmus kuriphilus) und dem Asiatischen Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis) handelt es sich um zwei besonders problematische Insektenarten aus Ostasien, welche erst kürzlich in der Schweiz aufgetaucht sind. Beide wurden weltweit verschleppt und sind in Europa als Quarantäneorganismen eingestuft. Es besteht eine Melde- und Bekämpfungspflicht. Der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst koordiniert und begleitet die Massnahmen der Kantone und hat zu beiden Arten ein Informationsblatt verfasst (Eidg. Pflanzenschutzdienst 2012a, 2012b). Die Edelkastaniengallwespe befällt ausschliesslich Gehölzpflanzen der Gattung Castanea. Im Sommer werden in die frisch gebildeten Knospen Eier abgelegt. Beim Austrieb im nächsten Frühling werden die kleinen Larven aktiv und stimulieren das
Pflanzengewebe zur Gallenbildung. Anstelle von Blättern und Blüten werden Gallen gebildet, was die Bäume schwächt und ihnen ein schütteres Kronenbild verleiht. Auch die Fruchtproduktion wird deutlich eingeschränkt. Zudem können verlassene Gallen das Eindringen des Kastanienrindenkrebses (Cryphonectria parasitica) in die Zweige erleichtern. Erstmals wurde die Gallwespe 2009 im Südtessin beobachtet (Forster et al., 2009 ), wo sie von der Lombardei her eingeflogen war. Seither hat sich das Insekt in den Kastanienwäldern der Südschweiz rasch ausgebreitet und neben den Tessiner Tälern auch das Bergell, das Misox und von Frankreich aus die Region des Chablais (Kantone VS und VD) erreicht. Eine natürliche Ausbreitung in zusammenhängenden, kastanienreichen Waldgebieten kann nicht verhindert werden. Eine weiträumige Verschleppung erfolgt hingegen meist mit Pflanzenmaterial wie Jungbäumen oder Pfropfreisern und muss unbedingt unterbunden werden. In der Nordschweiz sind bereits drei eng begrenzte Befallsvorkommen durch eine Einschleppung mit Jungpflanzen aufgetreten. Diese Herde hofft man durch Tilgungsmassnahmen eliminieren zu können. Der Asiatische Laubholzbockkäfer befällt verschiedene Laubbäume, am liebsten
Schüttere Krone einer Edelkastanie nach starkem Gallwespenbefall. ( Bild: Beat Forster)
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Ahornarten. Oft angegangen werden auch Rosskastanie, Weide, Pappel und Birke. Im Prinzip muss jedes Laubholz, auch solches von geringer Dimension, als mögliche Wirtspflanze betrachtet werden. Dazu gehören auch die Obstgehölze. Die Entwicklung einer Käfergeneration im Holz dauert in der Regel zwei Jahre. Da der Befall völlig primär ist, können grössere wirtschaftliche und ökologische Schäden auftreten. Befallene Äste und Stämme werden durch die Larven regelrecht durchlöchert. Die Gehölze sterben früher oder später ab. In Siedlungsgebieten und Parkanlagen ist das Absterben von Bäumen ein grosser Verlust. Zudem kann durch brüchiges Totholz in der Krone die Sicherheit von Personen und Verkehr gefährdet werden. Im Siedlungsgebiet von Brünisried im Freiburger Sense-Bezirk wurden 2011 erstmals einige lebende Käfer sowie Dutzende von Eiablagestellen an Bergahornen gefunden (Forster et al., 2012 ). Woher die Käfer stammen, ist unbekannt. Der kantonale Pflanzenschutzdienst führt Überwachungsund Bekämpfungsmassnahmen durch. Der primäre Befallsherd wurde getilgt, womit ein Übergreifen auf weitere Bäume im Dorf und auf den Wald verhindert werden soll. Es erstaunt, dass dieser erste Befall in einer Landgemeinde auftrat, weitab eines Risikogebietes wie Importhäfen oder Lagerplätze des Natursteinhandels. Bekannt sind in Europa vor allem Einschleppungen in Laubholzpaletten mit Granitsteinwaren aus China. So wurden im Spätherbst 2011 auch im Kanton Thurgau vier tote Käfer zwischen importierten Granitsteinen gefunden.
Das Beispiel der Edelkastaniengallwespe in Kombination mit dem ebenfalls eingeschleppten Rindenkrebs zeigt aber, dass Waldökosysteme durch fremdländische Schadorganismen schwerwiegend gestört werden können. Grundsätzlich ist es im Voraus schwierig abzuschätzen, wie aggressiv sich ein eingeschleppter Parasit in einem fremden Land und auf einer neuen Baumart verhalten wird. Offen bleibt häufig auch, ob und wie gut die neue Wirtsbaumart und die einheimischen Gegenspieler auf die ungewohnte Situation reagieren können. Durch eine gewissenhafte Umsetzung von Quarantänemassnahmen soll die Einschleppung von neuen Schadorganismen möglichst verhindert werden. So müssen bestimmte Gehölzpflanzen beim Import Der Asiatische Laubholzbockkäfer: schön, aber gefährlich! ( Bild: Beat Forster)
Was können wir tun? Bisher bewirkten fremdländische Insekten im Schweizer Wald keine katastrophalen Folgen wie einen Ausfall einer Baumart. Bündner Wald 3 /2012 71
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Frassgänge der Bockkäferlarven in chinesischem Palettenholz. ( Bild: Beat Forster)
von amtlichen Dokumenten begleitet sein, welche den Pflanzen Befallsfreiheit attestieren. Zudem regelt die ISPM-15-Richtlinie die Behandlung von grenzüberschreitendem Verpackungsholz. Trotzdem kommt es hin und wieder zu Verfehlungen oder Nachlässigkeiten. Diese sind nicht zuletzt die Folgen der immer grösseren Warenmengen, welche interkontinental verschoben werden. Aus welchem Grund denn verwenden wir chinesischen Granit oder in Asien vermehrte Ziergehölze, wenn die Nachfrage auch in Europa gedeckt werden könnte? Ganz einfach: weil es billiger ist! Durch ein frühzeitiges Erkennen kann die Etablierung eingeschleppter Arten oft verhindert werden, am besten bereits bei oder kurz nach der Einfuhr mittels einer gewissenhaften Kontrolle der Importware. Fliegen die Insekten am Zielort aus, wird die Situation bereits kritisch. Je kleiner ein Insekt, desto schwieriger wird die Überwachung und Tilgung. Auch wenn sich von zehn eingeschleppten Arten nur eine etablieren kann und nur wenige Arten über ein grosses Schadenpotenzial verfügen, sollten möglichst wenige Fälle durch das Überwachungsnetz schlüpfen können. Ein rechtzeitiges Erkennen und Melden hilft, frühzeitig geeignete Massnahmen zu treffen. Dabei sollte man sich nicht nur auf die Stichproben
der Behörden verlassen, jeder Importeur und Käufer muss auch seine Selbstverantwortung wahrnehmen. Bei der Edelkastaniengallwespe auf der Alpensüdseite ist der Zug schon längst abgefahren: Das Insekt muss da in den Kastanienwaldgebieten als etabliert betrachtet werden. Eine Tilgung ist nicht mehr möglich. Wichtig bleibt hingegen, dass kein möglicherweise verseuchtes Pflanzenmaterial in befallsfreie Regionen und Länder exportiert wird. Da es praktisch unmöglich ist, Knospen mit Eiablagen zu erkennen, bleibt der Export von Kastanienbäumchen und Pfropfreisern aus den Befallsgebieten verboten. Beim Laubholzbockkäfer besteht hingegen Hoffnung auf eine Tilgung. Erstens sind die bis 3,5 cm grossen Käfer weniger zahlreich als kleinere Insekten, die Käfer sind zudem flugträge und entwickeln sich nur langsam. Zweitens wurde der vorliegende Befall in Brünisried früh entdeckt und die befallenen Ahorne rechtzeitig zwangsgenutzt, noch bevor eine neue Käfergeneration ausflog. Es besteht aber die Gefahr, dass in der Schweiz weitere, noch unentdeckte Befallsherde vorhanden sind. Deshalb gilt es, auf verdächtige Befallssymptome und die auffälligen Käfer zu achten, dies insbesondere in Industriegebieten mit interkontinentalem Warenaustausch sowie bei Baufirmen und
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auf Baustellen, auf denen chinesischer Granit verwendet wird. Verdächtige Paletten aus Übersee mit beispielsweise frischen Bohrspänen oder Larven müssen dem kantonalen Pflanzenschutzdienst gemeldet werden, welcher das weitere Vorgehen koordiniert und die sachgerechte Entsorgung des befallenen Verpackungsholzes oder bereits befallener Bäume veranlasst. Literatur – Eidg. Pflanzenschutzdienst ESPD (Hrsg.), 2012a: Besonders gefährlicher Schädling – helfen Sie mit! Asiatischer Laubholzbockkäfer Anoplophora glabripennis. Bern und Birmensdorf, 4 S. – Eidg. Pflanzenschutzdienst ESPD ( Hrsg.), 2012b: Besonders gefährlicher Schädling – helfen Sie mit! Edelkastaniengallwespe Dryocosmus kuriphilus. Bern und Birmensdorf, 4 S. – Engesser, R.; Forster, B.; Meier, F.; Wermelinger, B., 2008 : Forstliche Schadorganismen im Zeichen des Klimawandels. Schweiz. Z. Forstwes. 159,10:344 – 351. – Engesser, R.; Forster, B.; Wermelinger, B., 2010 : Neuartige Krankheiten und Schädlinge an Gehölzen. g‘plus 112, 10 : 44– 45. – Forster, B.; Castellazzi, T.; Colombi, L.; Fürst, E.; Marazzi, C.; Meier, F.; Tettamanti, G.; Moretti, G., 2009 : Die Edelkastaniengallwespe Dryocosmus kuriphilus (Yasumatsu) (Hymenoptera, Cynipidae) tritt erstmals in der Südschweiz auf. Mitt. Schweiz. Entomol.
( Bild: Beat Forster)
Ges. 82, 3/4 : 271– 279 – Forster, B.; Engesser, R.; Meier, F., 2012 : Waldschutz Aktuell – 2 / 2011. Überblick zum Jahresanfang. Wald Holz 93, 1: 16 – 18. – Kenis, M., 2006 : Insekten, in: Wittenberg R. (Hrsg.): Gebietsfremde Arten in der Schweiz. Eine Übersicht über gebietsfremde Arten und ihre Bedrohung für die biologische Vielfalt und die Wirtschaft in der Schweiz. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 0629 : 66 – 97. – Rigling, A.; Forster, B.; Meier, F.; Wermelinger, B., 2008 : Insekten – Schlüsselfaktoren der zukünftigen Waldentwicklung? WSL Birmensdorf, Inf.bl. Forsch. bereich Wald 23 : 1– 4. Beat Forster Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf beat.forster@wsl.ch
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Das Eschentriebsterben – eine neue Pilzkrankheit erobert die Schweiz Untertitel Grundschrift
Abb 2: Von der Eschenwelke befallene Blätter weisen braune Flecken und Blattstiele auf. (Bild: Roland Engesser)
Seit dem erstmaligen Auftreten der neuen Eschenkrankheit 2008 in der Nordwest schweiz hat sich das Eschentriebsterben, auch als Eschenwelke bekannt, stetig aus Abb 1: Entwicklung des Befallsgebietes der Eschenwelke (Chalara fraxinea) bis 2011 (Daten aus Meldewesen, Beratungstätigkeit und Umfragen). (Bild: WSL)
gebreitet. Mit Ausnahme des Tessins und Teilen Graubündens findet man den einge wanderten Erreger seit 2011 nun bereits in der ganzen Schweiz. Obwohl die Krankheit Eschen jeglichen Alters befällt, werden die bedeutendsten Schäden in Eschenjung beständen beobachtet. Verursacher, Wirtspflanzen und Verbreitung der Krankheit Der Erreger der Eschenwelke ist ein Pilz aus der Gruppe der Schlauchpilze (Ascomy ceten), dessen Herkunft bis heute unklar ist. Er wird als «Falsches Weisses Stengel becherchen» (Hymenoscyphus pseudoalbidus) bezeichnet. Die zugehörige, auf ungeschlechtlichem Wege gebildete Ko nidienform desselben Pilzes heisst Chalara fraxinea. Anfang der 90erJahre wurde
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Abb. 3: Haupttrieb mit Rindennekrose, in deren
Abb. 4: Das graubraun verfärbte Holz frisch be-
Mitte oft noch ein abgestorbener Seitenzweig zu
fallener Zweige erstreckt sich auch unterhalb von
sehen ist. (Bild: Roland Engesser)
äusserlich gesund erscheinender Rinde. (Bild: Roland Engesser)
die Krankheit erstmals in Polen entdeckt. Von dort ausgehend hat sie sich unaufhaltsam ausgebreitet, sodass heute weite Teile Europas von dieser neuen Eschenkrankheit betroffen sind. Dies trifft auch für die Schweiz und deren Nachbarstaaten zu. Befallen werden die in der Schweiz weit verbreitete Europäische Esche (Fraxinus excelsior) sowie die in Südeuropa zu findende Schmalblättrige Esche (F. angustifolia), aber auch amerikanische Eschenarten. Einzig die Blumenesche (F. ornus), welche in der Schweiz im Tessin vorkommt, scheint von der Krankheit verschont zu bleiben und somit resistent zu sein. In der Schweiz wurde die Eschenwelke erstmals 2008 im Grossraum Basel entdeckt. In nur vier Jahren hat sich die Krankheit südwestwärts bis zum Genfersee und in östlicher Richtung bis ins St. Galler Rheintal ausgebreitet ( Abb. 1). Die ersten Befallsmeldungen aus dem Kanton Graubünden stammen aus dem Jahr 2010. Nur ein Jahr später konnte man die Krankheit bereits im Vorderrheintal bis hinauf nach Trun finden. Die Angaben zur aktuellen Ausbreitung der Krankheit in der Schweiz stammen zum grössten Teil von aufmerksamen Förstern und Forstdienstmitarbeitern, welchen an
dieser Stelle für ihre wertvolle Mitarbeit bestens gedankt sei. Lebensweise des Pilzes und Befallsmerkmale Die Pilzsporen befallen ab Frühsommer die Eschenblätter, wo braune Blattflecken entstehen (Abb . 2 ). Der Erreger dringt via Blattstiele in die Zweige und später sogar in die Stämmchen junger Eschen ein. Die Rinde von befallenen Zweigen stirbt ab und verfärbt sich oft orangebraun. Am Haupttrieb bilden sich olivbraune, elliptische Rindennekrosen, in deren Zentrum sich meist ein abgestorbener Seitentrieb befindet, durch welchen der Pilz eingedrungen ist (Abb. 3 ). Unterhalb solcher Rindennekrosen ist das Holz oft graubraun verfärbt (Abb. 4 ). Aus der befallenen Rinde und dem darunterliegenden, verfärbten Holz lässt sich die Konidienform des Pilzes (Chalara fraxinea) isolieren und somit als Verursacher der Symptome nachweisen. Die Verfärbungen im Holz setzen sich auch unterhalb der äusserlich gesund erscheinenden Rinde mehrere Zentimeter im Haupttrieb nach unten und nach oben weiter fort. Bei triebumfassenden Nekrosen werden die höher liegenBündner Wald 3 /2012 75
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den Pflanzenteile nicht mehr mit Wasser versorgt, welken und sterben ab. Die Blätter verfärben sich später braunschwarz und verbleiben meist bis im Herbst an den Zweigen (Abb. 5). Solche Symptome sind in der Vegetationszeit an jungen Eschen bis hin ins Stangenholzalter besonders deutlich ausgeprägt. Die typischen Rindenverfärbungen sind auch während der Vegetationsruhe gut erkennbar. In Stangenhölzern wurde vereinzelt auch ein Befall von bodennahen Wasserreisern beobachtet. Das ist gravierend, da der Pilz anschliessend in die Stammbasis eindringen und diese erheblich schädigen kann (Abb. 6). Ist der Pilz in einem Eschenbestand vorhanden, so findet man in der Bodenstreu seine etwa ein bis drei Millime-
ter grossen, leuchtend weissen Fruchtkör-
Abb. 5: Welker Eschenheister im Frühsommer. Die
Abb. 6: Durch bodennahe Wasserreiser ist der Pilz
orange Rindenverfärbung ist typisch für befallene
in den Hauptstamm eingedrungen und verursach-
Zweige und ist auch in der Vegetationsruhe gut zu
te die orangebraune Rindenverfärbung.
erkennen. (Bild: Roland Engesser)
(Bild: Roland Engesser)
perchen von Juni bis September in grosser Anzahl: ein auf einem feinen Stiel aufsitzendes, weisses Becherchen, weshalb der Pilz Stengelbecherchen genannt wird. Sie bilden sich auf den im Vorjahr erkrankten und abgefallenen Blattspindeln (Abb. 7 ). In diesen Fruchtkörpern entwickeln sich die infektiösen Pilzsporen, welche mit dem Wind über grosse Distanzen rasant verbreitet werden und ab Frühsommer wiederum Eschenblätter befallen. Auf diesem Weg hat sich die Krankheit massgeblich in nur vier Jahren in nahezu der ganzen Schweiz verbreitet. Neuste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass in seltenen Fällen der Erreger seine Pilzsporen auch auf infizierten Jungpflan-
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zen bildet. Infiziertes Pflanzenmaterial kann somit zur Verbreitung der Krankheit über grosse Distanzen hinweg beitragen. Am vorzeitigen Blattfall der Eschen, welcher seit 2010 schweizweit an einzelnen Eschen jeden Alters beobachtet werden konnte, dürfte der Pilz auch beteiligt sein, da aus den Blättern mit Blattflecken wiederholt der Erreger des Eschentriebsterbens isoliert wer den konnte. Da dieser Prozess jedoch relativ spät in der Vegetationszeit stattfindet, dürf ten die Auswirkungen für die betroffenen Eschen eher gering sein. Möglicherweise stellt diese Reaktion einen Abwehrmecha nismus auf die Pilzinfektionen dar, mit wel cher der Baum versucht zu verhindern, dass der Erreger in die Zweige und Äste vordrin gen kann. Dies könnte sich letztendlich als vorteilhaft für die Eschen erweisen. Was kann man tun? Da die krankheitsübertragenden Pilzspo ren in der Bodenstreu in grossen Mengen gebildet und anschliessend mit dem Wind verbreitet werden, gibt es keine realisti schen Massnahmen, um die Ausbreitung der Eschenwelke zu verhindern. Bis auf Weiteres sollte auf Neuanpflanzungen mit Eschen verzichtet werden, da das Ri siko angesichts des hohen Infektionsdru ckes gross ist, dass die gepflanzten Eschen auch erkranken und ausfallen werden. Das gezielte Entfernen befallener Pflan zen ist teuer und leistet keinen wesentli chen Beitrag zur Krankheitsbekämpfung. Hingegen können bei üblichen Pflegear beiten vernünftigerweise die am stärksten befallenen Eschen entnommen werden. Abgeschnittene Pflanzen können im Be stand verbleiben. Begleitbaumarten in Eschenbeständen sollten auch bei geringer Qualität vermehrt stehen gelassen wer den. Wertvolle Baumhölzer mit mehr als
75 % Blattverlust sind mittelfristig vom
Absterben bedroht und sollten zwecks Wert erhaltung rechtzeitig genutzt wer den. Die Anzeichnung ist im belaubten Zustand vorzunehmen, da zu diesem Zeit punkt das Ausmass der Kronenschädigung am ehesten beurteilt werden kann. Eschen mit stark befallenen Kronen und erhöh tem Totholzanteil entlang von Strassen oder viel frequentierten Wegen sollten aus Sicherheitsgründen überwacht und gegebenenfalls rechtzeitig entfernt wer den. Dieser pragmatische Umgang mit der neuen Eschenkrankheit wird bereits heute von den Förstern gepflegt. Solange keine neuen bahnbrechenden Erkenntnisse auf tauchen, wird der Zustand von betroffe nen Eschenbeständen von Zeit zu Zeit neu beurteilt und allenfalls das jeweilige Vor gehen angepasst werden müssen. Wie wird sich die Krankheit entwickeln? Bis heute können die Folgen der Eschen welke für die Schweiz nicht abschliessend beurteilt werden. In Jungwüchsen sind teilweise bis über 90 % der Eschen befal len. Befallen bedeutet jedoch nicht, dass sie abgestorben sind. Viele Eschen grenzen Abb. 7: Auf abgefallenen, letztjährigen Blattspindeln wachsen die weissen, Pilzsporen produzierenden Fruchtkörperchen des Erregers der Eschenwelke. (Bild: Roland Engesser)
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Abb. 8: Dicht belaubte neben bereits kahlen Eschen im September. (Bild: Roland Engesser)
die infizierten Bereiche ab, wachsen weiter und reagieren in den folgenden Jahren mit der Bildung von neuen Trieben, oft direkt unterhalb von Befallsstellen, was aber dann zu einer unerwünschten Verbuschung der Bäume führt. Andere sterben nach wiederholtem Befall vollkommen ab. Da die Esche in der Schweiz mit knapp 4 % die zweithäufigste Laubbaumart nach der Buche ist, besteht die berechtigte Hoffnung, dass von den Hunderttausenden Eschen nicht alle gleich anfällig auf die Eschenwelke reagieren werden. Tatsächlich sind in erkrankten Jungbeständen immer wieder einzelne Eschen zu finden, welche noch nicht befallen wurden und möglicherweise weniger anfällig sind. Unterschiedliche Befallssituationen kann man auch in Stangenholz- und Baumholzbeständen finden, wobei stark vom Zweigsterben betroffene Individuen oft unmittelbar neben scheinbar komplett gesunden stehen. Auch der vorzeitige Blattfall im Herbst, welcher mit dem Erreger des Eschentriebsterbens im Zusammenhang stehen dürfte, wirkt sich in den Beständen am gleichen Standort unterschiedlich auf
die einzelnen Eschen aus (Abb. 8). Als Folge des starken Zweigsterbens fallen bereits auch vereinzelt alte Eschen aus. Ein flächiges Absterben von Baumhölzern konnte bis heute jedoch in der Schweiz nicht beobachtet werden. Auch aus dem Ausland sind keine derartigen Befunde bekannt. Jedoch dürfte auch ein begrenztes Zurücksterben der Kronen zu einer Schwächung der Bäume führen, sodass diese vermehrt von sekundären Schadorganismen wie zum Beispiel dem Hallimasch befallen werden. Wie sich die Eschenwelke in Zukunft auswirken wird, bleibt abzuwarten. Man wird vermutlich laufend geeignete und an die Situation angepasste Vorgehensweisen entwickeln müssen, um sich mit den Folgen dieser neuen Krankheit der Esche zu arrangieren.
Roland Engesser Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf roland.engesser@wsl.ch
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Comic Theo & Heinz
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Die Braunfleckenkrankheit – heikler Organismus im Anmarsch Untertitel Grundschrift
Abb. 1: Von der Braunfleckenkrankheit befallene Nadeln einer Bergföhre. Die schwarzen Fruchtkörper sind von blossem Auge nur schwer erkennbar. Man findet sie auf Nadeln, die von der Spitze her braun sind, gelegentlich aber auch auf noch ganz grünen Nadeln (Bild: Alexander Angst, WSL)
Weltweit nimmt die Einschleppung gebietsfremder Organismen zu. Auch in der Schweiz steigt die Zahl exotischer Arten deutlich an. Aktuelle Studien zeigen, dass die zunehmende Globalisierung in den letzten Jahren für deren Einschleppung verantwortlich ist. Die Einschleppung alleine aber reicht noch nicht für eine erfolgreiche Etablierung. Bei dieser spielen nämlich geeignete Umweltbedingungen, möglicherweise unterstützt durch den Klimawandel, eine zentrale Rolle. Einer dieser bereits etablierten Organismen ist der Erreger der Braunfleckenkrankheit der Föhre ( Lecanosticta acicola, Hauptfruchtform: Mycosphearella dearnessii, Syn. Scirrhia acicola). Seit dem Erstfund 1995 an einer Bergföhre (Pinus mugo) in einem Friedhof in Zürich haben
sich die Befallsmeldungen gehäuft. Bis Anfang 2012 sind im Rahmen einer gezielten Suche insgesamt 61 Fundorte mit befallenen Bergföhren entdeckt worden. Der Erreger wurde vermutlich aus den USA eingeschleppt, wo er vor allem in Christbaumkulturen an Waldföhren (P. sylvestris) erheblichen Schaden anrichtet. Das Wirtsspektrum umfasst zwar sämtliche einheimische Pinusarten, in der Schweiz wurde die Krankheit bislang aber nur an Bergföhren in Garten- und Parkanlagen gefunden. Wie der deutsche Name vermuten lässt, sind braune Flecken auf den Nadeln das klassische Symptom dieser Pilzkrankheit. Meistens sind die Flecken auf den einbis mehrjährigen Nadeln von einem gelben Rand umgeben. Im Zentrum ragt der
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h Fruchtkörper hervor, welcher als kleiner schwarzer Punkt zu erkennen ist (Abb.1). Auf beiden Seiten des Fruchtkörpers ist die Epidermis der Nadel gerissen, was mit einer Handlupe gut zu erkennen ist. Eine verlässliche Diagnose der Krankheit ist aber nur im Labor mit dem Mikroskop möglich. Die von der Krankheit befallenen Nadeln werden schnell braun und fallen vorzeitig ab. In den Monaten Juni und Juli, wenn im unteren und stammnahen Bereich des Baumes stark braune Partien besonders hervorstechen, sind die Symptome gut zu erkennen (Abb. 2). Bei sehr starkem Befall bleibt nur noch der jüngste Nadeljahrgang an den Ästen, was langfristig zum Absterben der Föhre führt. Die nah verwandte Rotbandkrankheit (Dothistroma pini) weist sehr ähnliche Symptome auf. Von Auge und selbst mit
der Lupe ist sie kaum von der Braunfleckenkrankheit zu unterscheiden. Lediglich die Sporen (Konidien) sind verschieden. Im Spätsommer und Herbst kann die Krankheit zusätzlich mit der physiologischen Schütte verwechselt werden. Letztere ist mit dem herbstlichen Laubfall zu vergleichen und stellt einen natürlichen Prozess dar. In der Schweiz wurde die Braunfleckenkrankheit bisher einzig in den Mittellandkantonen der Deutschschweiz festgestellt. Das Befallsgebiet erstreckt sich vom Bielersee bis zum Bodensee und vom Rheinfall bis zum Urnersee. Vermehrt wurde die Krankheit im Grossraum Zürich und im ganzen Kanton Glarus diagnostiziert. Im Gebiet des Genfersees, im Wallis, Tessin und im Kanton Graubünden wurde die Krankheit bislang noch nicht gefunden (Abb. 3). Diese Regionen stellen aber durchaus ein potenzielles
Abb. 2: Der braune, kahle Aspekt ist typisch für die Braunfleckenkrankheit. (Bild: Alexander Angst, WSL)
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Abb. 3: Alle Fundorte ( Punkte) seit dem Erstfund 1995 bis Ende 2011. Die verdichteten Kernzonen in Zürich und Glarus (rot) sind klar ersichtlich. Die gelben Flächen repräsentieren das vermutete, potenzielle Befallsgebiet. (Bild : Alexander Angst, WSL)
Verbreitungsgebiet dar, da es sich um einen wärmeliebenden Pilz handelt. In der Schweiz wurde er nur bis auf einer Höhe von gut 1000 m ü. M. entdeckt. Erfahrungen aus Österreich und Deutschland zeigen, dass der Pilz auch natürliche Wald- oder Bergföhrenbestände befallen kann. Dies gilt es selbstverständlich zu verhindern. Ist der Pilz erst einmal im Wald, so wird es wesentlich schwieriger, Befallsherde zu lokalisieren und anschliessend zu tilgen. Glücklicherweise wurde der Pilz bis anhin «nur» in privaten und öffentlichen Grünanlagen wie Gärten, Friedhöfen und Parkanlagen gefunden. In Österreich jedoch wurde die Braunfleckenkrankheit im Jahr 2008 auch an Waldföhren im Wald entdeckt. Seither blieben weitere Funde im
Wald aus. In Oberbayern (Deutschland) sind einige Bergföhren mit Befall durch die Braunfleckenkrankheit in autochthonen Bergföhrenbeständen gefunden worden. Weitere Befallsherde wurden in Bayern bislang nicht entdeckt. Die Europäische Pflanzenschutzorganisation (EPPO) stuft die Braunfleckenkrankheit als Quarantäneorganismus ein. Auch in der Schweiz gilt der Pilz als ein besonders gefährlicher Schadorganismus (Art. 5 Pflanzenschutzverordnung PSV), welcher einer Meldepflicht beim zuständigen kantonalen Pflanzenschutzdienst unterliegt. Quarantäneorganismen müssen von Gesetzes wegen bekämpft werden. Falls der Verdacht besteht, dass Föhren von der Braunfleckenkrankheit oder der Rotbandkrankheit befallen sind, können entsprechende Nadelproben mit Ortsangaben (evtl. Koordinaten) an Waldschutz Schweiz geschickt werden. Ein Bild der befallenen Föhre hilft zusätzlich, eine Diagnose, welche kostenlos ist, zu erstellen. Oberstes Ziel ist es, die Verbreitung der Krankheit einzudämmen, um ein allfälliges Überspringen auf Föhren im Wald zu verhindern.
Alexander Angst Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf alexander.angst@wsl.ch
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HolzspritzmittelEinsatz im Wald
Auf dem Holzlagerplatz des Grosssägewerkes kam kein Spritzmittel zum Einsatz. Der Betrieb war FSC zertifiziert und das nicht entrindete Holz staute sich selten länger als 3 – 4 Tage. (Bild: Sandro Krättli)
Das Verwenden umweltgefährdender Stoffe im Wald ist grundsätzlich verboten ( eidg. Waldgesetz, Art. 18 ). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind seit dem Jahr 2005 in der Umweltschutzgesetzgebung geregelt. Massgebend ist dabei namentlich die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung ( ChemRRV, BR814.81). Vorschriften Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald setzt voraus, dass die zuständige kantonale Behörde eine entsprechende Anwendungsbewilligung erteilt. Diese ist zeitlich befristet und geografisch begrenzt. Die Anwendung selbst muss durch oder unter AnCypermethrin, eines der noch erlaubten Holzschutzmittel in FSC zertifizierten Betrieben (Bild: Christian Rüsch)
leitung einer Person zu erfolgen, welche über eine entsprechende Fachbewilligung verfügt. Hilfreich dabei ist der 133 Seiten umfassende Leitfaden des BAFU von 2010 : « Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Wald – Grundlagen zum Erwerb der Fachbewilligung. » Die Detailvorschriften zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sind in verhältnismässig übersichtlicher Form im Anhang 2.5 der erwähnten ChemRRV enthalten. Umfassender, von der Darstellungsweise her aber auch sehr anwendungsorientiert, informiert auch die Internetsite des BAFU : Startseite BAFU > Wald und Holz > Vollzug Waldgesetz > Pflanzenschutzmittel Gemäss diesen Unterlagen sind Pflanzenschutzmittel Stoffe, die Nutzpflanzen vor Krankheiten, Schadorganismen, Unkräutern usw. schützen. Dazu gezählt werden Fungizide, Insektizide, Herbizide, aber auch Wundverschlussmittel und Wildabhaltemittel. Die wohl mit Abstand kritischste Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, welche heute mit einer gewissen Regelmässigkeit in den Wäldern Graubündens vorgenommen wird, betrifft das Spritzen von Holzpoltern gegen Insektenfrass, wie insbesondere gegen den linierten Nutzholzborkenkäfer. Die Kompetenz zur Erteilung von Anwendungsbewilligungen liegt in Graubünden bei den Bündner Wald 3 /2012 83
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zuständigen Regionalforstingenieuren des Amts für Wald und Naturgefahren. Das genaue Verfahren ist im Dokument « Holzspritzmittel, ihre Anwendung » festgehalten, das auf der Homepage des AWN > Waldökologie > Forstschutz > Schädlinge / Nützlinge aufgerufen werden kann. Wichtig bei solchen Spritzmitteleinsätzen ist – neben dem Schutz der behandelnden Person selbst – die Berücksichtigung des Gewässerschutzes. Es muss mindestens eine Distanz von drei Metern zu Oberflächengewässern eingehalten werden, damit das Mittel keinesfalls in Oberflächengewässer gelangt. In Riedgebieten oder Mooren ist eine Anwendung untersagt, ebenso in Grundwasserschutzzonen. Die GewässerANZEIGE
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Fax: 052 647 36 66 www.dolmar.ch
schutzkarte kann via Internet über den Mapserver des Kantons eingesehen werden. Umfang des Spritzmitteleinsatzes Seit 2007 erhebt das Amt für Wald und Naturgefahren die im Bündner Wald durchgeführten Spritzmitteleinsätze. Demnach wurden in den fünf Jahren bis Ende 2011 total 43 Spritzmitteleinsätze gegen Insekten auf Holzpoltern ausgeführt. Behandelt wurden in diesem Rahmen insgesamt 10 898 m3, im Durchschnitt also 2180 m3/ Jahr. Gemessen an der gesamten verkauften Nutzholzmenge sind dies 0,72 %. Die drei am häufigsten verwendeten Wirkstoffe waren Cypermethrin, Alpha-Cypermethrin und Chlorpyrifos ( Ethyl ). Auf das Jahr 2008 hin wurden die FSC-Standards bezüglich Einsatz von Chemikalien im Wald verschärft, indem ein Totalverbot für Holzschutzmittel in zertifizierten Wäldern erlassen wurde. Auf ein entsprechendes Gesuch hin wurde der Zertifizierungsgruppe Graubünden / Glarus eine Ausnahmegenehmigung bis zum August 2014 gewährt. Die ihr angeschlossenen Forstbetriebe können bis zu diesem Zeitpunkt ihr Nutzholz noch mit den gesetzlich zugelassenen Spritzmitteln behandeln, selbstverständlich unter Einhaltung aller geltenden Detailbestimmungen. Es wird auch in Zukunft wichtig sein, alle möglichen Massnahmen zu treffen, damit ein Spritzmitteleinsatz vermieden werden kann. Dies sind insbesondere das rasche Abführen von geschlagenem Holz während der Flugzeit der Käfer oder das sorgfältige Entrinden.
Ueli Bühler Amt für Wald und Naturgefahren Loestrasse 14, 7000 Chur ueli.buehler@awn.gr.ch
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Nachruf Arthur Calörtscher Am Freitag, den 16. März 2012, hat sich eine grosse Trauergemeinde in der Kirche « Sontg Plasch » in Tinizong von Arthur Calörtscher, alt Revierförster von Tinizong, verabschiedet. Obwohl Arthur – vor allem in den letzten Jahren – zurückgezogen lebte, zeugten die vielen Trauernden von seiner grossen Beliebtheit. Arthur Calörtscher ist am 1. August 1951 in Valendas geboren. Dort ist er bei seinen Eltern und drei Geschwistern in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und hat die Primar- und Sekundarschule absolviert. Nach dem Abschluss der Grundschulen begann er die Forstwartlehre in Flims und bildete sich kurz danach weiter zum Revierförster an der damaligen Försterschule am Plantahof in Landquart. Die Arbeit als Revierförster war für den Verstorbenen das, was er sich immer gewünscht hatte. Kurz nach dem Abschluss der Schule bewarb er sich um die damals frei gewordene Stelle in Tinizong und wurde prompt gewählt. Ohne dass er es damals vielleicht ahnte, sollte es seine Lebensstelle werden, in der er seine vielfältigen beruflichen Fähigkeiten voll ausleben und anwenden konnte. Die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen im Forstbetrieb und der Gemeindesägerei Tinizong verlangten Arthur vieles ab. Er nahm das Ganze aber als grosse Herausforderung an, und als begnadetem Gebirgswaldbauer gefiel ihm diese Aufgabe sehr. Ebenfalls zeugen viele Laufmeter Maschinenwege und Rückegassen von seinem Wirken und Tun. Arthur bewies, dass auch ohne grosse Projekte mit wenig Geld die Feinerschliessung im Wald vorangetrieben werden konnte. Schon in jungen Jahren fand er im Nachbardorf Rona seine zukünftige Lebenspartnerin Emmi Poltera. Er führte sie am 12. November 1977 vor den Traualtar. Im September
Arthur Calörtscher anlässlich einer Waldbauweiterbildung. (Bild: Archiv AWN)
1984 wurde Arthur Vater von Daniela. Sie bedeutete ihm alles und wurde zu seiner treusten Begleiterin. Die Tochter war überall dabei und kannte « Arthurs Wälder » bereits in jungen Jahren besser als manch älterer Gemeindeeinwohner. Leider begann bereits in den frühen 90erJahren eine heimtückische Krankheit das Bündner Wald 3 /2012 85
Arthur Calörtscher war ein leidenschaftlicher Jäger und Schweisshundeführer. (Bild: zVg)
Herz des Verstorbenen zu plagen. Schon bald waren grössere Operationen notwendig, welche eine Reduktion des Arbeitspensums mit sich zogen. Obwohl die Gesundheit Arthur das Leben nicht immer einfach
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machte, zog er sich 1999 nur ungern von seinem geliebten Försterberuf zurück. Mit offenen Augen und einem kritischen Blick verfolgte er weiterhin jegliches Tun und Treiben in « seinem » Wald. Es verging jeweils kaum ein Tag und Arthur wusste schon, wo ein neuer Holzschlag gezeichnet wurde. Vielen Bündner Revierförstern wird Arthur noch lange als Förster OC ( Förster ohne Computer = Definition von Arthur ) in guter Erinnerung bleiben. Obwohl die Gesundheit ihm weiterhin Sorgen und Mühe bereitete, begegnete man ihm immer wieder auf seinen ausgedehnten Spaziergängen mit seinem Jagdhund Sina. Bei diesen Ausflügen genoss Arthur die Natur in vollen Zügen. Sie dienten aber auch zur Vorbereitung auf die herbstliche Hochund Niederjagd. Die Jagd war für Arthur jeweils der Höhepunkt des Jahres. Er galt als ausgezeichneter Jäger und als sehr beliebter Jagdkamerad. Viele Freunde besass Arthur auch im Verein des Bündner Schweisshundeclubs, wo er als sehr aktives und engagiertes Mitglied galt. Vielleicht hatte Arthur einen siebten Sinn und spürte, dass sein Ende früher als erwartet kommen sollte. Für seine Angehörigen, Freunde und Bekannten kam sein Tod jedoch völlig überraschend. Arthur, wir hoffen, dass du dich in den ewigen Jagdgründen im tiefen Wald auf Sichtweite mit einem schönen Hasen gut eingelebt hast. Danke für all die schönen Erinnerungen, welche wir an dich behalten dürfen. Peter Janutin
Neuer Fachdozent am Bildungszentrum Wald in Maienfeld
Celso Pagnoncini (Bild) geht in den wohlverdienten Ruhestand. Nelson Romelli wird neuer Fachleiter für forstliche Bautechnik. (Bild: Sandro Krättli)
Personelle Mutation am Bildungszentrum Wald in Maienfeld: Nach vielen Jahren engagierten Einsatzes tritt Fachdozent Celso Pagnoncini diesen Frühling in den Ruhestand. Als Nachfolger konnte der 33-jährige Tessiner Nelson Romelli gefunden werden. Romelli absolvierte neben der gymnasialen Matura Typus C (Mathematik und Naturwissenschaften) eine Forstwartlehre und arbeitete bei verschiedenen privaten Forstunternehmern. Auch an der ibW Höhere Fachschule Südostschweiz ist Romelli kein Unbekannter, bildete er sich doch am Bil-
dungszentrum Wald in Maienfeld zum Förster HF aus. Romelli arbeitete mehrere Jahre als Kaderperson in der forstlichen Praxis, insbesondere in der Bautechnik (Grün-, Hang-, Bach- und Lawinenverbau, Strassenbau und -unterhalt), aber auch in anderen Bereichen wie beispielsweise im Holzverkauf. Zuletzt war er im Forstrevier Ruinaulta in Versam GR beschäftigt. Überdies bildete er wiederholt und mit Erfolg Forstwarte aus. Diese Erfahrungen bilden eine gute Grundlage für seine künftige Tätigkeit als Dozent des ibW Bildungszentrums Wald in Maienfeld, wo sein thematischer Schwerpunkt in der forstlichen Bautechnik liegen wird. Seine ausgezeichneten Italienischkenntnisse erlauben eine fachgerechte Betreuung von italienischsprachigen Studierenden sowie die problemlose Kontaktpflege mit Behördenvertretern der dritten Landessprache. Nelson Romelli wird seine Stelle Anfang April 2012 in einem Vollzeitpensum antreten. Stefan Brüllhart
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Waldinventur mit dem Smartphone
Neue Applikation fürs Smartphone, die dem Förster hilft. (Bild: HAFL)
Forschende der BFH – Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL haben eine Applikation für Smartphones entwickelt, welche die Durchführung von Waldinventuren deutlich vereinfacht. Die Anwendung mit dem Namen moti beinhaltet zwei Messinstrumente. Die Funktionen sollen aber noch deutlich ausgebaut werden und aus moti ein modernes «Taschenmesser» für Försterinnen und Förster machen. Am Anfang des Forschungsprojekts stand eine Bachelorarbeit, die zum Thema der Waldinventur mit Smartphones verfasst wurde. Die Idee erschien so vielversprechend, dass die HAFL die Einsatzmöglichkeiten genauer analysierte und den ersten Prototyp der Applikation weiterentwickelte. Seither ist die Anwendung bezüglich Messgenauigkeit und Anwenderfreundlichkeit so weit fortgeschritten, dass sie in der Praxis
einsetzbar ist. Mit moti lassen sich zwei für die Waldinventur zentrale Messungen vornehmen. Zum einen ermöglicht es Winkelzählproben nach Bitterlich und zum andern – ab Sommer 2012 – die Ermittlung der Anzahl Stämme pro Hektare. Beide Berechnungen erfolgen, abgesehen von einem Jalon für die Stammzählung, ohne weitere technische Hilfsmittel. Moti vereinfacht die Waldinventur in verschiedener Hinsicht und macht sie zudem kostengünstiger. Mit dem Smartphone ist das Werkzeug für Messungen immer dabei. Dank seiner integrierten Technik nimmt es zum Beispiel automatisch Hangkorrekturen vor. Zusätzliche Investitionen für technische Geräte entfallen somit. Auch kann mit moti eine einzelne Person die Waldinventur mit überschaubarem Aufwand durchführen.
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26.11.12 11:43
Gemeinsam weiterentwickeln Das Konzept von moti sieht keine gewinnbringende Vermarktung vor. Im Gegenteil: Die Software soll ausdrücklich kein geschlossenens System sein und basiert auf einer Open-Source-Lizenz. Ziel ist, dass durch die Mitarbeit und Weiterentwicklung unterschiedlicher Vertreter aus der Forstwirtschaft ein Instrument aus der Praxis für die Praxis entsteht. Erweiterungen für moti sind bereits geplant: Messungen der Baumhöhe, des Baumdurchmessers und des Kronendeckungsgrades sowie eine Navigation, die direkt zum Ort der Stichprobe führt, sind die wichtigsten. Moti soll aber nicht nur im Wald einsetzbar sein, sondern auch als Planungsassistent im Büro. Die Daten der Inventur sind via Internet automatisch auch im Büro in Form von Karten, Diagrammen für die weitere Nutzung verfügbar oder können in andere Anwendungen und Datenbanken exportiert werden. Moti soll zu einem Gesamtsystem wachsen, das der Vorbereitung, Datenhaltung und Auswertung von Stichprobeninventuren auf Bestandes- und Betriebsebene dient. So können sich Smartphone und moti-Applikation für Försterinnen und Förster zu einem «Taschenmesser» mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten mausern. Weitere Infos unter: www.moti.ch
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Christian Rosset
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26.11.12 11:43
342 hervorragende Titel: Buwa Musterseite – Holzprojekte eingereicht für Woodwing 2011 Rothenburg, 26. April 2012 – Für den schweizweit ausgeschriebenen Prix Lignum 2012 sind 342 Anmeldungen aus allen Landesteilen eingegangen. Mit Blick auf die regionale Verteilung ergibt sich ein repräsentatives Bild des aktuellen Schaffens mit Holz in der Schweiz. Bis Ende der Eingabefrist am 15. April sind 342 Projekte zur Teilnahme am Prix Lignum 2012 eingereicht worden. Der Prix Lignum 2012 zeichnet den besonders hochwertigen und zukunftsweisenden Einsatz von Holz in Bauwerken, im Innenausbau, bei Möbeln und künstlerischen Arbeiten aus. Die hohe Zahl der Anmeldungen zum Wettbewerb spiegelt die besonders im Bauwesen stark gewachsene Anwendungsbreite des Werkstoffs Holz. Alle Projekte sind auf www.prixlignum.ch in Wort und Bild dargestellt und einsehbar. Die Jurys in den fünf Preisregionen tagen im Mai und Juni 2012.
Im Herbst erscheint ein Sonderheft der Zeitschrift «Hochparterre» zum Prix Lignum 2012. Die nationale Preisverleihung findet am 27. September im Zunfthaus zur Zimmerleuten in Zürich statt, die regionalen Preisvergaben folgen tags darauf, am 28. September 2012. Ab diesem Termin präsentieren Ausstellungen bis Ende 2013 die Resultate des Prix Lignum 2012 in der ganzen Schweiz. Melanie Brunner-Müller
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26.11.12 11:43
Alfred Buess, Direktor der HAFL, geht 2013 in Pension
Dr. Alfred Buess. (Bild: HAFL)
Der Direktor der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen, Dr. Alfred Buess, geht per 30. April 2013 in Pension. Er hat die frühere Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft (SHL) erfolgreich in der schweizerischen Hochschullandschaft positioniert und Anfang 2012 unter neuem Namen in die Berner Fachhochschule integriert. Vor 17 Jahren übernahm Alfred Buess die Leitung der damaligen «Schweizerischen Ingenieurschule für Landwirtschaft», an der er ab 1976 als Dozent für Betriebswirtschaft, Marktlehre und Agrarpolitik und ab 1983 als Vizedirektor gewirkt hatte. Er erreichte, dass die Institution 1998 Fachhochschulstatus erhielt und in Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft umbenannt wurde. Das war der Start für den Ausbau und das Wachstum der Hochschule, die bis heute anhalten. Unter seiner Führung eröffnete die SHL 2003 den auf Fachhoch-
schulstufe schweizweit einzigen Studiengang in Forstwirtschaft. 2007 wurde der Studiengang «Milchwirtschaftliche Lebensmitteltechnologie» vollständig zum modernen Studiengang Lebensmitteltechnologie «Food Science & Management» umgebaut sowie der Studiengang Agronomie um die Vertiefung Pferdewissenschaften erweitert. Seit 2009 ergänzt ein Masterstudiengang in angewandten Agrar- und Forstwissenschaften die Bachelorstudien der HAFL. Parallel zum Ausbau des Studienangebots gelang es Alfred Buess, die HAFL/SHL in den Bereichen angewandte Forschung und Entwicklung, Dienstleistungen und Weiterbildung als anerkannte Hochschulinstitution zu etablieren. Infolge des starken Wachstums der Hochschule wurde 2010 auch ein Erweiterungsbau in Angriff genommen, der im Herbst 2012 eröffnet wird. Infolge der Auflösung der alten Trägerschaft führte der promovierte Agrarökonom die Schule unter dem neuen Namen Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften per 1. Januar 2012 als voll integriertes Departement der Berner Fachhochschule. Die Stelle des Direktors / der Direktorin HAFL wird demnächst ausgeschrieben. Die Ernennung der Nachfolgerin oder des Nachfolgers von Alfred Buess liegt in der Kompetenz des Schulrats der Berner Fachhochschule. HAFL
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Bernhard Holzbau AG Titel: Buwa Musterseite – aus Wiesen2011 ausgezeichnet für Davos Woodwing Untertitel Grundschrift
Mitarbeiter Bernhard Holzbau
Holzbau Plus Award (Bild: Holzbau Schweiz)
(Bild: Bernhard Holzbau AG)
Als erster Betrieb in Graubünden ist die Bernhard Holzbau AG aus Davos Wiesen mit dem Qualitätslabel Holzbau Plus aus gezeichnet worden. Diese Auszeichnung bestätigt dem Unternehmen eine partner schaftliche Unternehmenskultur und Perso nalführung und ist somit eine wesentliche Basis für gute Arbeit und zufriedene Kun den. Das Qualitätslabel Holzbau Plus basiert auf dem Gesamtarbeitsvertrag Holzbau. Unter dem Motto «Gemeinsam erfolgreich» setzt es sich für mehr Sozialpartnerschaft in den Holzbaubetrieben ein – mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit, die Leistungsfähig keit und die Beschäftigungssicherung der ganzen Branche weiterführend zu verbes sern. Die Bernhard Holzbau AG aus Davos Wie sen hat die Relevanz dieser Auszeichnung als einer der ersten Betriebe der Schweiz er kannt und sich dem Qualifizierungsverfah ren unterzogen. Da alle geforderten Krite
rien hinreichend erfüllt wurden, konnte die Firma erfolgreich zertifiziert und mit dem Award ausgezeichnet werden. Damit ist die Bernhard Holzbau AG aus Davos Wiesen nun berechtigt, das Qualitätslabel während drei Jahren als Markenzeichen zu verwen den. Holzbau Plus beinhaltet wesentliche Vor aussetzungen zur Stärkung der Wettbe werbsfähigkeit. Dies sollte sich auch bei der Vergabe von öffentlichen und privaten Auf trägen niederschlagen. Denn gute Arbeits und Anstellungsbedingungen, qualifizierte und zufriedene Mitarbeitende sind nach wie vor die wichtigsten Leistungs und Quali tätsvoraussetzungen in einer handwerklich geprägten Branche wie dem Holzbau. Weitere Informationen unter www.holzbauplus.ch
Philipp Bosshard
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26.11.12 11:44
Ausschreibung Fachtagung Instandstellung Waldstrassen Datum, Zeit: Freitag, 12. Oktober 2012 8.30 Uhr Ort: Treffpunkt und Präsentationen im Golf-Restaurant Domat/Ems Anschauungsobjekte im Raum Domat/Ems Tagung: – für Einzelmitglieder gratis – für Mitarbeiter von Kollektivmitgliedern Fr. 20.–/Person – für weitere Interessierte Fr. 50.–/Person
Anmeldung bis spätestens 5. Oktober 2012 an: Graubünden Wald c/o Amt für Wald und Naturgefahren Loëstrasse 14 CH-7000 Chur info@graubuendenwald.ch Wir behalten uns das Recht vor, die technische Tagung bei zu niedriger Teilnehmerzahl abzusagen.
Programm
Zeit
Programm
Fachperson
08.30 Uhr
Tagungseröffnung
08.40 Uhr
Neuigkeiten vom Amt für Wald und Naturgefahren (AWN), Bereich Erschliessung
Andreas Meier, AWN
09.10 Uhr
SYTEC Geoproducts, Erdbautechnologie im Trend
Christoph Wirth, Sytec Bausysteme AG
10.10 Uhr
Motorisierte Verschiebung zum Anschauungsobjekt
10.30 Uhr
SYTEC Geoproducts, Böschungssicherung und Erosionsschutz: Besichtigung ausgeführter Arbeiten durch Forstamt Domat/Ems
11.30 Uhr
Motorisierte Verschiebung zum Apéro/ Mittagessen
12.00 Uhr
Apéro/Mittagessen
14.00 Uhr
Steinbrechen, Optimierung Korndurchmesser
Konrad Kamm, Näfels
14.45 Uhr
Grader, Demo Seitenprofil, Dachprofil
Konrad Kamm, Näfels
15.00 Uhr
Motorisierte Verschiebung zum Anschauungsobjekt
Konrad Kamm, Näfels
15.15 Uhr
Instandstellung Verschleissschicht, Fräsen, Stabilisierung und Profilierung Verschleissschicht
Konrad Kamm, Näfels
15.45 Uhr
Einkiesung, maschinelle Einkiesung auf verschiedenen Strassenbreiten
Konrad Kamm, Näfels
16.15 Uhr
Tagungsschluss
Christoph Wirth, Sytec Bausysteme AG
Bündner Wald 3 /2012 93
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26.11.12 11:45
Anmeldung zur technischen Tagung 2012 Betrieb:
PLZ /Ort:
Adresse:
E-Mail:
Teilnehmer Name
Vorname
Mitglied GR Wald?
Einzel
Kollektiv
nein
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Datum / Unterschrift:
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Dienstleistungsbetrieb in der
Forstwirtschaft Ein Team von jungen Berufsleuten empfiehlt sich für sämtliche
Forstarbeiten www.eggenberger-forst.ch Peter Eggenberger, Staatsstrasse 74, 9472 Grabs, Tel. 081 771 51 77, Natel 079 419 56 77 94
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26.11.12 11:45
Vorschau «Bündner Wald» August 2012 «Strassen im Wald» Am 12. Oktober findet im Raum Domat/ Ems eine Fachtagung zum Thema Instandstellung von Waldstrassen statt. Im Vorfeld der Tagung möchten wir bereits einige interessante Details zu diesem Thema beleuchten und mit dem einen oder anderen Beitrag die «forstliche Schiene» auch etwas verlassen oder den Blickwinkel zumindest ein wenig erweitern. Redaktion: Jörg Clavadetscher
Vorschau auf die nächsten Nummern: Oktober 2012: Bildungslandschaft Redaktion: Sandro Krättli Dezember 2012: Wald und Wild Redaktion: Jörg Clavadetscher
(Bilder: Sandro Krättli)
Herausgegeben von Graubünden Wald, Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden und der SELVA. Verleger: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Christophe Trüb, Bahnhofplatz 1, CH-7302 Landquart, Telefon + 41 (0) 81 300 22 44, buendnerwald @ selva-gr.ch Redaktoren: Jörg Clavadetscher, Revier forestal da Val Müstair, CH-7535 Valchava, Telefon + 41 (0) 81 858 58 21, forestal-muestair @ bluewin.ch. Sandro Krättli, AWN GR, Sagastägstrasse 96, CH-7220 Schiers, Telefon + 41 (0) 81 300 24 11, sandro.kraettli @ awn.gr.ch. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in nicht verlangter Form ohne Rückfrage zu ändern Druckvorstufe (Satz, Lithos, Belichtung) : Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, Luca Tensfeldt Druck: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, Postfach 508, Kasernenstrasse 1, CH-7007 Chur, Telefon + 41 (0) 81 255 51 11, Fax + 41 (0) 81 255 52 89. Erscheint sechsmal jährlich. Auflage 1700 Exemplare Inserate: Südostschweiz Publicitas AG, Neudorfstrasse 17, CH-7430 Thusis, Telefon + 41 (0) 81 650 00 70, Fax + 41 (0) 81 650 00 74, thusis@so-publicitas.ch Abonnementspreise: CHF 60.– (für Mitglieder Verein Graubünden Wald) Abonnemente/Adressänderungen: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Presse, Postfach 508, Administration, Kasernenstrasse 1, CH-7007 Chur, Telefon + 41 (0) 81 255 50 50, www.buendnerwald.ch Für Inseratetexte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung, auch muss die Meinung der Beiträge nicht mit der Ansicht der Redaktoren übereinstimmen. Autoren, die zu obenstehenden Themen publizieren möchten, sind herzlich eingeladen, ihre Vorschläge der Redaktion einzureichen.
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