B端ndner
Wald
Jahrgang 66 | August 2013
Landwirtschaft im Wald
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Inhalt
Titel Editorial.................................................. 4 Zum früheren Verhältnis zwischen Wald- und Landwirtschaft........................... 5 Aktuelle Situation der Beweidung im Wald.................................. 13 Die Politik hat reagiert............................... 20 Bundesgesetzrevision mit Möglichkeiten für den Rodungsersatz.............................. 22 Grundsätze einer nachhaltigen Waldweide im Gebirgswald....................... 25 Geissen im Wald: eine alte Nutzungsform wird wieder aktuell............. 31 Wald und Cervelathäute............................ 38 Landschaftsqualität in Graubünden............ 41 Wohin mit Grünabfällen aus Weideund Alpräumungen ?................................. 44 Die Bewirtschaftung der Kastanienselven........................................ 49 9. Jahresversammlung von Graubünden Wald..................................... 55 Forstfachtagung in Bad Reichenhall........... 56
Titelbild:
Comic Theo & Heinz................................. 58
Wald bietet Sonnenschutz in heissen Tagen
FSC verlangt stärkere jagdliche Eingriffe
(Bild: Sandro Krättli )
in den Hirschbestand................................. 59 In memoriam Gian Paul Caratsch............... 61
Bild Inhaltsverzeichnis:
Vorschau «Bündner Wald»
Alter landwirtschaftlicher Schrägzaun in Conters
Oktober 2013........................................... 63
(Bild: Sandro Krättli )
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Editorial
Meine Grossmutter, Nonna Lina, ist die stärkste Frau der Welt. Sie kann Bäume fällen, Holz hacken, Kaninchen zerlegen und in einem Haus überwintern, wo nur die Küche und die Stube wirklich beheizt sind. Mitten in Andergia, in der Gemeinde Mesocco, steht dieses rosa Haus, welches aus Stein gebaut ist. Darin lebt sie noch heute, hat fünf Kinder gross gezogen und mit ihrem Mann, dem Bergbauern Armando, bis zu seinem zu frühen Tod zusammengelebt. Ihr Mann Armando war ein zäher Bergbauer, welcher von morgens früh bis abends spät arbeitete. Ihr beschaulicher Bauernbetrieb umfasste ein Dutzend Kühe, ein paar Ziegen und Hühner. Die Tiere sömmerten auf den Maiensässen zwischen Pian San Giacomo und Fregeira bei San Bernardino. Dabei war der Wald ein wichtiger Teil ihres bescheidenen Bauernalltags. Er diente als Lieferant für Streu und den Tieren als Schutz vor der drückenden Sonne im Sommer oder dem plötzlichen Schnee im Spätherbst. Am wichtigsten war wohl aber die Nutzung von Brennholz für die kalten und kargen Wintertage. Noch heute heizt meine Grossmutter ihr Haus mit dem Holzofen. Meist wird darin Erlenholz verbrannt, welches sie noch mit 90 Jahren selbst und CO2-neutral aus dem Wald geholt hat. Diese alte Form der Niederwaldnutzung mit Gertel und Handaxt erledigen nun Bekannte für sie mit elektronischen und benzinbetriebenen Geräten. Sie ist fasziniert vom technischen Fortschritt und bewundert auch jene Leute, die professionell mit solchen Gerätschaften umgehen können. Trotz technischem Fortschritt bleibt die Arbeit in der Forst- und Landwirtschaft arbeitsintensiv und körperlich streng. Laut Bundesamt für Statistik werden noch heute
im Primärsektor am meisten Arbeitsstunden geleistet – durchschnittlich 45 Stunden und 23 Minuten pro Woche im Jahr 2012. Nach den Kriegsjahren entwickelten sich die Wald- und Landwirtschaft weg von den alleinigen Produktionsbranchen zu vielseitigen Dienstleistungszweigen – Ansprüche stiegen bei der günstigen Bereitstellung der Güter, der Landschaftsgestaltung und -prägung, bei den ökologischen Forderungen und dies alles unter ständig wandelnden gesellschaftlichen Ansprüchen. Beide Branchen haben sich zweifelsohne weiterentwickelt. Was auch nötig war und bleibt. Gut möglich, dass mit dem Klimawandel bald beide Branchen wieder zurück zu ihren eigentlichen Ursprüngen finden – hoffen wir angepasst, partnerschaftlich und nachhaltig. Wie ich es einleitend beschrieben habe, ist meine Nonna für mich die stärkste Frau der Welt : Sie meistert bis ins hohe Alter selbstständig ihren Alltag. Geprägt von einem Leben voller Bescheidenheit und Genügsamkeit. Genauso bescheiden wie sie noch heute lebt, hat sie auch die Natur genutzt und vielleicht auch mitgeprägt. Während im Misox alte Selven wieder bewirtschaftet werden, war sie vielleicht die letzte Kämpferin gegen die Verbuschung eines Tals, welches Conrad Ferdinand Meyer im Roman Jürg Jenatsch als das schönste aller Bündner Täler beschrieb.
Sandro Krättli, Redaktor Bündner Wald Sagastägstr. 96, CH-7220 Schiers sandro.kraettli @ awn.gr.ch
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Zum früheren Verhältnis zwischen Wald- und Landwirtschaft « Dass im Vaterlande die Wälder immer nur in Beziehung auf Holzbedürfnisse, und nie in physikalischer und höhern landwirthschaftlichen Beziehungen angesehen werden, ist ein Irrthum, der tief und nachtheilig auf unsern Wohlstand wirkt.» Mit diesen Worten beschwört Karl Albrecht Kasthofer im frühen 19. Jahrhundert die Multifunktionalität des Waldes und die Einheit von Wald- und Landwirtschaft Kasthofer 1822 ). Ausgedehnte Reisen ( durch die Schweizer Alpen hatten ihm die Augen geöffnet für die Bedürfnisse der Bergbevölkerung und ihn zur Überzeugung gebracht, dass die Wälder nur gemeinsam mit der Bevölkerung und nicht gegen ihre Interessen erhalten werden könnten. Im Berggebiet ist die Verknüpfung der Entwicklung des Waldes mit der Entwicklung der Landwirtschaft besonders stark und vielfältig. Angefangen hat diese Beziehung mit der Waldrodung aufgrund der Nachfrage nach offenem Acker- und Weideland. Dieser Prozess war keineswegs im Mittelalter abgeschlossen, wurden doch beispielsweise im Kanton Graubünden offenbar noch bis ins 19. Jahrhundert hinein gelegentlich die Weideflächen mit Feuer zulasten des Waldes vergrössert ( Parolini 2012, S. 83 ). Die Bauern brauchten Bauund Brennholz, aber auch eine Vielzahl weiterer Produkte aus dem Wald. Im Folgenden sollen einige dieser bäuerlichen Waldnutzungsformen erläutert werden. Die Ausführungen stützen sich weitgehend auf mehrere Artikel, die in der SZF erschienen sind, und auf eine erst kürzlich erschienene Monografie, in der die Geschichte der Waldnutzung mit Zeitzeugeninterviews rekonstruiert wurde – unter anderem für das Prättigau ( Stuber und Bürgi 2012 ).
Ziegenherde, Engadin ( GR ). (Bild: Brockmann-Jerosch 1929, Schweizer Volksleben )
Waldweide Die Beweidung der Wälder war bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der ganzen Schweiz die Regel. Vielerorts beruhte der wirtschaftliche Wert der Wälder sogar mehr auf der Weide als auf der Holznutzung. Nur in einzelnen forstlich intensiv genutzten Bündner Wald 4 /2013 5
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Stadtwäldern hörte man bereits im ausgehenden 18. oder frühen 19. Jahrhundert damit auf, die Tiere in den Wald zu treiben. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts befassten sich zahlreiche kantonale Gesetze mit der generellen Aufhebung oder Ablösung von Waldweiderechten. Da die Einhaltung der Gesetze kaum kontrolliert werden konnte, blieb der Erfolg dieser Erlasse gering. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Waldweide im schweizerischen Mittelland mindestens für das Grossvieh kaum noch üblich. Die Förster wollten die Waldweide nicht mehr dulden, und die Bauern waren auch nicht mehr auf sie angewiesen. Anders war die Entwicklung bei der Kleinviehweide. Im Mittelland mussten die zahlreicher geANZEIGE
wordenen Landlosen mit ihren Schafen und Ziegen von der aufgehobenen Brache und den aufgeteilten Allmenden in den Wald ausweichen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Waldweide noch im Jura sowie im ganzen Alpengebiet verbreitet. Im Jura herrschte die Waldweide in hoch gelegenen Tälern vor, vor allem auf den Hochplateaus in Form der bestockten Weiden ( Wytweiden ). Im Gegensatz dazu fanden sich in den Alpen eher sogenannte Weidewälder. Im Berner Oberland wurde rund ein Viertel der Wälder beweidet, und auch im Wallis und in vielen Gegenden Graubündens und des Tessins war die Waldweide gang und gäbe. Gerade in den Gebirgswäldern war die Spannung zwischen dem waldbaulichen Schaden und dem sozialen Nutzen der Waldweide gross – die Ziege erhielt den Ruf, der « grösste Feind des Gebirgsförsters » zu sein. Der Forstdienst versuchte, ihnen Waldpartien zuzuweisen, wo sie nur wenig Schaden anrichten konnten, so auch im Gebiet des Nationalparks ( Parolini 2012, 91 ). In Davos waren um 1900 noch rund ein Drittel der Wälder beweidet, dieser Anteil ging bis in die 1980er-Jahre auf 17 Prozent zurück ( Günter 1985 ). Dass gerade in Graubünden grosse Anstrengungen für Waldweide-Ausscheidungen unternommen wurden, wurde im « Bündner Wald » wiederholt thematisiert ( siehe beispielsweise «Bündner Wald» 1 / 1993 ). Regelmässig beweidete Waldpartien blieben offen und grasreich und somit als Weide attraktiv. Dies kommt in Interviews mit Gewährsleuten im Prättigau zum Ausdruck ( Stuber und Bürgi 2012 ). Den ganzen Tag in Bewegung, hätten die Ziegen Tausende von kleinen Pflanzen abgefressen, auch in den offenen Waldparzellen ; wobei sie über Jahre immer den genau gleichen Weg heimgegangen seien : Das haben die Alten den Jungen weitergegeben. Ein weiterer
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Berichterstatter spricht von Waldblössen, in die man mit den Ziegen hingegangen ist : Geschlossener Wald war ja nicht. Von einem bewussten Schädigen von Bäumen zugunsten der Weide erzählen die Gewährsleute bei den Lärchen, die seit Ende des 19. Jahrhunderts durch die eidgenössische Forstgesetzgebung gefördert wurden ; im Prättigau waren die Lärchen wenig geschätzt, vor allem in den Weidewäldern nicht : Wenn sie frei wachsen, haben sie nur Äste, das ist klar; und dann haben sie einen relativ grossen Umriss und «versauen» relativ viel Weide. Folgerichtig wurden mehr oder weniger versteckte Gegenmassnahmen ergriffen : Zum einen waren die 200 bis 300 Ziegen, die man früher im Dorf hielt, auf der Allmende richtige Lärchenkiller gewesen. Zum anderen hat man beim Räumen der Allmende – wenn es der Förster nicht sah – radikal den ganzen Tag nur Lärchen verbrannt. Weiteres Viehfutter Die Bedeutung von Laub, Reisig und Waldkräutern als Futter für das Vieh kann kaum überschätzt werden. Unentbehrlich waren sie insbesondere in der futterknappen Zeit im Winter und im Frühling, wenn der Heuvorrat aufgebraucht und das Gras noch Frau trägt Futterlaub, mit zwei Ziegen, Sta Maria (GR) 1946 (Bild: Brockmann-Jerosch 1929, Schweizer Volksleben )
nicht ausgetrieben war. Als Teil der Familien-Subsistenzwirtschaft wurde dieses Notfutter meist von Frauen, Jugendlichen oder Kindern geerntet. Die beliebtesten Futterlaubbäume waren Esche, Feldahorn, Ulme, Schwarzpappel, Linde, Eiche und Bergahorn ( Brockmann-Jerosch 1936 ). Auch aus dem Prättigau ist die Nutzung von Futterlaub, «Chris» und Waldheu bekannt. Das grüne Futterlaub wurde vor allem von Eschen gewonnen, wobei man es entweder direkt von den Bäumen abstreifte oder es als Falllaub zusammenrechte – das Eschenlaub fällt eben meistens schon, wenn es noch grün ist. Anschliessend hat man es mit einem Tuch in den Stall getragen. Fand diese Laubnutzung auf der Allmende statt, galt ein bestimmter Termin – wie bei der Viehweide der 1. Juni –, ab dem das Sammeln erlaubt war. In aufbereiteter Form diente zudem das Erlenlaub als Futter. Man streifte es im Mai von den Bäumen, transportierte es in Säcken auf den Heuboden und liess es trocknen. Im Winter brühte man es auf und verfütterte es den Schweinen. Diese Nutzungsform, die während des Zweiten Weltkriegs Konjunktur hatte, wurde vorzugsweise von den Kindern ausgeübt. Einzelne Zeitzeugen aus dem Prättigau geben als weitere Futternutzung das Waldheu an, das man auf Waldlichtungen gewann. Man mähte flache Stellen im Grenzbereich Waldweide und machte Tristen davon. Als Erinnerung aus seiner Jugendzeit erwähnt ein Berichterstatter schliesslich das Sammeln von Flechten als Kleinviehfutter, das von armen Leuten praktiziert wurde, für die jede Kleinigkeit, die man nicht zahlen musste, gut gewesen ist. Streunutzung Wo nicht genügend Stroh oder Streue aus Riedwiesen vorhanden war, brauchte die Bündner Wald 4/2013 7
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Laubertag, Betlis ( SG ). (Bild: Brockmann-Jerosch
Rüsten der Baumrinde, bei Eggiwil ( Oberemmen-
1929, Schweizer Volksleben )
tal ) 1944. (Bild: Brockmann-Jerosch 1929, Schweizer Volksleben )
Landwirtschaft Material aus dem Wald als Einstreue für die Ställe. Dazu gehörten Nadeln von Fichten, Weisstannen, Lärchen, Arven oder Föhren bzw. Laub von Buchen, Ahornen, Kastanien, Eichen und Linden. Für die Schneitelstreu wurden kleinere Zweige von Nadelbäumen abgeschlagen, die Krautstreu schliesslich umfasste die gesamte niedere Bodenvegetation inklusive Farn, Heidekraut, Heidelbeerkraut, Schmiele, Ginster, Brombeere und Moos. Im Berggebiet war der Getreidebau seit ca. 1500 rückläufig. Dies führte zu einer höheren Nachfrage nach Waldstreu. Für diese Regionen stellte Kasthofer in seinem Lehrbuch «Der Lehrer im Walde» stellvertretend für die gesamte Bergbevölkerung die rhetorische Frage: « . . . wo sollen wir Streue hernehmen zum Lager für unser Vieh, zum Bauen unserer Matten und Weiden, wenn wir nicht die Baumblätter in den Wäldern zusammenrechen könnten ? Wir Leute im Gebirge, wo der Winter so lange dauert, können ja fast kein Korn bauen, wir gewinnen also kein Stroh zur Stallstreue, sondern kaum genug für unser eignes Lager» ( Kasthofer 1828 / 9 ).
Wie verbreitet die Streunutzung war, sehen wir darin, dass Kasthofer 1818 im Berner Oberland keinen einzigen zugänglichen Buchenwald kannte, « der nicht vor seinem obersten Anfange bis an sein unterstes Ende ganz rein von Buchenlaub gewischt worden wäre.» Auch aus den Kantonen Wallis und Uri wird von grossflächig sauber gerechten Nadelund Laubwäldern berichtet. Die Beschränkung und Regulierung der Waldstreunutzung gehörte laut Coaz ( 1869, zitiert in Parolini 2012 ) zu den « schwierigsten und unangenehmsten Aufgaben des bündnerischen Forstmannes ». Offenbar war sie vor allem im Unterengadin lange verbreitet und wurde bis ins 20. Jahrhundert ausgeübt. Auf der anderen Seite fand die Laubnutzung in den Gemeindewäldern statt, die man zu diesem Zweck mit Pfosten in bestimmte Gebiete ( Löösser ) unterteilte und durchnummerierte. In Jenaz wurden diese Nummern vom Streuilöösservogt versteigert. Für vielleicht 50 Rappen oder für einen Franken konnten diejenigen, die zu wenig Laub «im Eigenen»
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gehabt haben, dort eine Parzelle ersteigern. In Fideris verloste man an der Gemeindeversammlung die Gebiete unter den berechtigten Bürgern : Meistens sind das Vierer-Löösser gewesen und dann mussten die vier das miteinander in vier Teile einteilen. Die nicht berechtigten Niedergelassenen, die ebenfalls an der Gemeindeversammlung teilnahmen, mussten bei der Ziehung hinaus und hatten dann vor der Tür gewartet, dass sie von einem das Looss bekommen. Eine Zeitzeugin, die in Fideris niedergelassen war, ohne aber Bürgerin zu sein, erzählt von einer Busse, die sie wegen der Nutzung von Ahornlaub auf dem Maiensäss erhielt, die eigentlich der Bürgerschaft vorbehalten war; erst um 1950 habe der neue Gemeindepräsident diese Nutzung des Ahornlaubs auch den Nichtbürgern erlaubt. Eine weitere Zeitzeugin aus dem Prättigau erinnert sich, dass um 1945 das erste Mal Stroh gekauft wurde – der Tierarzt habe es ungern gesehen, wenn die Kälber nicht auf Stroh gebettet waren. Während das Ende der Nadelstreue noch etwas früher veranschlagt wird, geben mehrere Gewährsleute eine breite Übergangszone von den 1950erbis in die 1970er-Jahre an, in der das Stroh das Laub zunehmend verdrängte. Als letzte Erstellen eines Schweiffelzauns, Teufenthal bei Thun ( BE ). (Bild: Brockmann-Jerosch 1929, Schweizer Volksleben )
Ausläufer werden vereinzelte Bauern genannt, die Laubstreue noch um 1980 und 1990 verwendeten: Bis dann das Stroh die Konkurrenz gewann. Die Aufgabe der Streunutzung hatte natürlich auch einen Einfluss auf das Ökosystem Wald. Ein Zeitzeuge hält fest, dass sich eine richtige Decke bilde, wenn über Jahre das Laub nicht genutzt werde ; vorher sei es im Wald hinsichtlich Blumen sehr viel reichhaltiger gewesen: «Ich kann mich erinnern, dass man hier vermehrt noch Frauenschuh in den Laubwäldern gefunden hat.» Neben der Verwendung der Waldstreu als Einstreumaterial auf die Viehläger gab es einen weiteren wichtigen Verwendungszweck: Ärmere Leute schliefen mancherorts noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein auf Laubsäcken. Zum Stopfen der MatratzenVorläufer verwendete man Buchenlaub. Dieses wurde beispielsweise in den St. Galler Gemeinden Mels, Wangs und Sargans jeweils an einem trockenen Föhntag im November gesammelt. Dazu zogen die Familien gemeinsam in die Buchenwälder am Gonzen. Um die Bettsäcke prall zu füllen, wurden die trockenen Blätter mehrmals mit den Füssen festgestampft, ehe sie mit grobem Zwirn zusammengenäht, über die steilen Halden hinabgerollt, bis zu den Wegen getragen und anschliessend heimgefahren wurden. Auch im Prättigau waren teilweise bis in die 1940er-Jahre Bettlaubsäcke im Einsatz. Weitere Waldprodukte Waldweide, Futterlaub und Streunutzung stehen weitgehend mit der Viehwirtschaft in Verbindung. Daneben wurden dem Wald weitere Produkte entnommen, die vom ländlichen Gewerbe oder direkt von der ländlichen Bevölkerung nachgefragt wurden. Dazu gehörten das Sammeln von Beeren und – allerdings weniger verbreitet – auch Pilzen. Bündner Wald 4/2013 9
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Bis Waschpulver zur Verfügung stand, war die Verwendung von Aschenlauge aus Buchenasche weit verbreitet – im Prättigau offenbar teilweise bis in die 1960er-Jahre. Nicht alle Waldnutzungen waren unproblematisch. So war beispielsweise die Nutzung von Lärchenbast für die Herstellung von Käsereifen besonders begehrt – was bei den Bäumen zu bleibenden Verletzungen der Rinde führte ( Parolini 2012, S. 74 ). Weniger schädlich war die weitverbreitete Nutzung von Harz, sofern den Bäumen nicht absichtlich Verletzungen zur Förderung des Harzflusses zugefügt wurden. Harz war aufgrund seiner klebrigen, dichten Konsistenz, seiner Brennbarkeit und seines intensiven Dufts seit langer Zeit ein ANZEIGE
begehrtes Naturprodukt. Die wichtigsten Baumarten, von denen Harz gewonnen wurde, waren Föhren, Lärchen, Fichten und Arven. Für einige Gewerbebetriebe war Harz ein wichtiger Rohstoff, so für Küfer beim Abdichten der Fässer, für Gerber als Teergalle für die Behandlung der Häute oder für Schuhmacher zum Vorbereiten des flachsigen Zwirns. Zu Hause verwendete man harzige Kienspäne als Lichtspender und bei Hausschlachtungen wurde dem Brühwasser Harz zugegeben, weil dadurch die Schweineborsten einfacher abgeschabt werden konnten. Zudem brauchte man Harz zum Anfeuern, zum Versiegeln, vermischt mit Schweinefett als Schuhcreme, zur Behandlung von Wunden an Obstbäumen oder aufgrund seiner antiseptischen Wirkung auch in der Volksmedizin. Zahlreiche Salben, Pflaster und Umschläge basierten auf Harz. Aufgesprungene Hände und Klauenverletzungen des Viehs wurden mit Harzöl behandelt, das aus Föhrenwurzelstöcken gesotten wurde. Schlussbemerkung Noch vor wenigen Jahrzehnten war die ländliche Bevölkerung stark auf die lokalen Ressourcen angewiesen. Der Wald wurde intensiv und vielfältig genutzt – aus forstlicher Sicht war der Nutzungsdruck oftmals so gross, dass von einer Übernutzung gesprochen wurde. Billige Energie, vor allem Öl und Benzin, machten es im Laufe des 20. Jahrhunderts immer einfacher, Güter günstig von weit weg zu holen. Dies führt zu einer Landwirtschaft, die auf die Waldnutzung verzichten kann und ermöglicht den heutigen hohen Lebensstandard. Die Folgen für das Weltklima sind bekannt und werden zunehmend spürbar. Seit die Waldweide zurückgegangen ist und die Waldstreue nicht mehr genutzt wird, hat sich
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auch der Wald als Ökosystem verändert. Heute stellen wir fest, dass die Nutzung lokaler Ressourcen wieder vermehrt ein Thema geworden ist. Man kann gespannt sein, welche Folgen dies für den Wald haben wird. Zitierte Literatur – Brockmann-Jerosch H. ( 1936 ) Futterlaubbäume und Speiselaubbäume. Ber. Schweiz. bot. Ges. 46 : 594 – 613. Bürgi M., Stuber M. ( 2003 ) Agrari– sche Waldnutzungen in der Schweiz 1800 – 1950. Waldfeldbau, Waldfrüchte und Harz. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 154 : 360 – 375. – Günter T. F. ( 1985 ) Landnutzungsänderungen in einem alpinen Tourismusort. Schlussbericht zum Schweizerischen MAB -Programm, Nr. 13. – Kasthofer K. ( 1822 ) Bemerkungen auf einer Alpenreise über den Susten, Gotthard, Bernhardin, Oberalp, Furka und Grimsel. H. R. Sauerländer, Aarau. – Kasthofer K. ( 1828 / 29 ) Der Lehrer im Walde. Ein Lesebuch für schweizerische Landschulen, Landleute und Gemeindsverwalter, welche über die Waldungen zu gebieten haben, 2 Bde. C. A. Jenni, Bern.
– Parolini J. D. ( 2012 ) Vom Kahlschlag zum Naturreservat. Geschichte der Waldnutzung im Gebiet des Schweizerischen Nationalparks. Nationalpark-Forschung in der Schweiz 96. Haupt Verlag, Bern. Stuber M., Bürgi M. ( 2001) Agrari– sche Waldnutzungen in der Schweiz 1800 – 1950. Waldweide, Waldheu, Nadel- und Laubfutter. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 152 : 490 - 5 08. – Stuber M., Bürgi M. ( 2002 ) Agrarische Waldnutzungen in der Schweiz 1800 – 1950. Nadel- und Laubstreue. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 153 : 397 – 410. – Stuber M., Bürgi M. ( 2011) Hüeterbueb und Heitisträhl. Traditionelle Formen der Waldnutzung in der Schweiz 1800 bis 2000. Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, Wien. 302 p. + DVD. ( 2. Aufl. 2012 )
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Aktuelle Situation der Beweidung im Wald Waldweide im Bündner Wald Der moderne Wald ist als Ganzes multifunktional und kann mehr als nur Holz produzieren. Vor allem in den Gebirgskantonen übernimmt er eine wichtige Schutzfunktion, indem er den Menschen und dessen Infrastruktur vor Naturgefahren schützt. Daneben wird der Wald als Erholungsort für den Menschen und als Ort einer reichen Bio-diversität immer wichtiger. Eine weitere Funktion des Waldes, welche vor allem in den Alpen eine lange Tradition hat, ist die Waldweide. Dabei handelt es sich um eine Mischnutzung, welche das Ziel verfolgt, sowohl landwirtschaftliche ( Futter für das Vieh ) als auch Holz ) Produkte zu gewinnen. forstliche ( Obwohl sie forstgeschichtlich zum normalen Umfang der Waldnutzung zu zählen
ist, sieht die aufkommende Forstwirtschaft im 19. Jahrhundert die landwirtschaftliche Nutzung des Waldes als problematisch an ( S chuler, 1993 ). Im Vordergrund stehen fortan die Holzproduktion und die Schutzwirkung, womit jegliche Nebennutzungen als störend oder gar schädlich beurteilt werden und unerwünscht sind. Die Forstmodernisierung sowie agrarwirtschaftliche Fortschritte verdrängen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts die Waldweide zunehmend. Ist die Beweidung der Wälder anfangs des 19. Jahrhunderts noch in der ganzen Schweiz weit verbreitet, so wird sie heute vor allem noch in den Gebirgskantonen sowie im Jura ( W ytweiden ) praktiziert. Im Rahmen der aktuellen Revision des W EP ), welche Waldentwicklungsplans ( 2016 abgeschlossen sein wird, wird die
Abbildung 1: Anteil der beweideten Waldfläche ( dunkelgrün ) an der gesamten Waldfläche (ohne Gebüschwald, hellgrün).
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Beweidungssituation im Kanton Graubünden neu erfasst und beurteilt. Dazu haben die lokalen Verantwortlichen ( Re) gionalforstingenieure und Revierförster die bestehenden Daten und Informationen zur Waldweide auf dem ganzen Kantonsgebiet aktualisiert. Auf dieser Basis soll anhand einheitlicher Bewertungskriterien entschieden werden, wo die Beweidung zulässig oder sogar erwünscht ist, wo Konflikte bestehen und Handlungsbedarf gegeben ist. Diese Erhebung ergab, dass heute ungefähr 20 % der gesamten Waldfläche ( ohne Gebüschwald ) beweidet wird, was einer Fläche von rund 35 369 ha entspricht. Wie Abbildung 1 zeigt, verteilen sich die Waldweideflächen und deren Grösse relativ heterogen über den Kanton, was auf die unterschiedliche regionale Bedeutung der Waldweide hindeutet. Die grössten zusammenhängenden Waldweideflächen befinden sich heute im Misox, Prättigau, Landwassertal, Bergell, in Teilen des Engadins und des vorderen Safientals ( Abbildung 1 ). Die Situation der Waldweide unterscheidet sich nicht nur in der Ausdehnung der tatsächlich beweideten Fläche oder der regionalen Verteilung, sonAnteil beweideter Waldfläche pro Tierkategorie. Doppelnutzungen sind möglich, hier jedoch nicht
Anteil beweideter Waldfläche
berücksichtigt.
Pferde
Andere
Schafe
Ziegen Rinder/Kühe
Jungvieh
dern auch bezüglich der weidenden Tierart. Generell lässt sich die Waldweide hinsichtlich der Tierart in zwei Kategorien unterteilen: in die Schmalvieh- und die Grossviehweide. Die Weidepraxis wie auch die Verhältnisse der weidenden Tierarten haben sich während der letzten eineinhalb Jahrhunderte wesentlich geändert ( Mayer et al., 2004 ). So lebten beispielsweise noch um 1870 im Kanton Graubünden mehr als eineinhalbmal mehr Ziegen und Schafe als Einwohnerinnen und Einwohner. Wie Abbildung 2 zeigt, wird heute der mit Abstand grösste Teil der Waldweiden des Kantons durch Rinder und Kühe beweidet. Auf Platz zwei und drei folgen die Ziegen und das Jungvieh ( insbesondere junges Rindvieh ). Die Waldbeweidung mit Schafen, Pferden und anderen Tieren wie Eseln, Alpakas, Zuchthirschen usw. spielt nur eine untergeordnete Rolle. Auch hier gibt es regionale Unterschiede. Im Misox beispielsweise dominiert die Ziegenweide, während in den restlichen Talschaften die Rinderweide vorherrschend ist. Die Unterscheidung bezüglich der weidenden Tierart ist insofern wichtig, als dass verschiedene Tierarten durch ihr individuelles Verhalten und ihre Nahrungspräferenzen das Weidegebiet anders nutzen und den Wald somit unterschiedlich beeinflussen. Dies ist insbesondere dort von Interesse, wo der Wald eine Schutzfunktion aufweist. Aus den neuen Erhebungen im Rahmen der WEP-Revision hat sich ergeben, dass rund zwei Drittel des beweideten Waldes Schutzwald betreffen ( 38 % Schutzwaldtyp A und B, 29 % Schutzwaldtyp C ). Besonders im Schutzwald, welcher einer besonderen waldbaulichen Pflege bedarf, ist auf eine angepasste Nutzung zu achten, damit er seine vorrangige Funktion als Schutzwald nachhaltig erfüllen kann.
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Ist die Beweidung des Waldes mit dessen forstlichen Nutzungen und Funktionen vereinbar ? Aus forstlicher Sicht gab es gegenüber der Waldweide seit jeher Bedenken und Vorbehalte. Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts sahen viele Forstleute die Waldweide als schädlich an und mit der forstlichen Holzproduktion nicht vereinbar. Obwohl die Waldweide eine jahrhundertealte Tradition hat, ist sie noch heute teilweise umstritten und es fehlt, aufgrund kaum vorhandener wissenschaftlicher Untersuchungen, nach wie vor ein fundiertes Wissen über ihre Auswirkungen. Delucchi (1993 ) sieht eine mögliche Beeinträchtigung einer « guten Waldwirtschaft » vor allem durch zwei Wirkungen der Beweidung gegeben. Einerseits führen Tritte des Grossviehs zur Bodenverdichtung, was zur Folge hat, dass Niederschlagswasser vermehrt an der Oberfläche abfliesst und so die Erosion fördert. Die Tritte können zudem Verletzungen an den Wurzelwerken der Bäume hervorrufen, durch welche Krankheitserreger leicht in den Stamm gelangen und die Vitalität und Stabilität des Baumes oder des Bestandes negativ beeinflussen. Andererseits kann sich die Beweidung durch den Verbiss junger Bäume ungünstig auf die Verjüngung der beweideten Waldfläche auswirken. Werden die Triebe oder Knospen junger Bäume vom Vieh abgefressen, so kann dies langfristig zum Absterben des Baumes führen oder seinen Aufwuchs verzögern. Der Verbiss kann zudem zu einer allmählichen Entmischung der Baumarten und damit zu gleichförmigen Beständen führen. Die Beweidung kann jedoch auch positiv betrachtet werden. So hat die regelmässige und andauernde Beweidung von bestockten Flächen zu einzigartigen Landschaften geführt ( Bsp. Lärchenweidwälder in weiten
Abbildung 3 : Unterschiedliche Auswirkungen der Waldweide ; Kuhweide in Lenzerheide. (Bild : AWN Archiv )
Teilen des Alpenraumes oder Wytweiden im Jura), welche ohne die Beweidung nicht entstanden wären. Die Beweidung der Wälder hat diese Landschaften somit massgeblich geprägt und ästhetisch sehr wertvolle Lebensräume geschaffen. Durch die Beweidung entsteht ein kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher Lebensräume, in welchen sich viele verschiedene ökologische Nischen ausbilden. Dies führt zu einem grösseren Artenreichtum als beispielsweise in dunklen Wäldern oder intensiv beweideten Wiesen. Durch die entstehenden Blössen und Freiflächen werden vor allem lichtbedürftige Arten gefördert, die heute oft selten sind. Die Freilegung der Mineralerde durch den Tritt des Viehs kann denselben Effekt haben wie die Schürfung des Waldbodens und begünstigt die Keimung der Samen der Waldbäume. Somit hat die Waldweide neben ästhetischem auch einen grossen ökologischen Wert. Die multifunktionale Nutzung des Waldes stellt hohe Ansprüche an die bestockten Bündner Wald 4/2013 15
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Abbildung 4 : Pferdeweide in Scuol. (Bild : AWN Archiv )
Flächen. Es ist somit leicht nachvollziehbar, dass es eine klare standortspezifische Zielsetzung braucht. Konsequenterweise ist nicht jede Nutzung auf allen Flächen zweckmässig. Dies gilt insbesondere auch für die Beweidung. Ob die Waldweide in einem konkreten Fall eine geeignete Zielsetzung ist oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen können dies geländetopografische und standortsbezogene Faktoren, zum anderen auch Faktoren wie Grösse der Beweidungsfläche, Futterangebot, Bestossungsdichte und die weidende Tierart sein. So sind beispielsweise sehr steile Hänge und feucht bis nasse Standorte generell ungeeignet für die Beweidung. Auf solchen Flächen führt der Viehweidegang zu grossen Bodenschäden und kann auch die Erosion fördern. Da die regelmässige Beweidung zu einer lockeren Bestockung führt, ist sie vor allem im Schutzwald kritisch zu beurteilen, indem die Anforderungsprofile ( z. B. Deckungsgrad oder Bestandesstruktur ) nicht mehr eingehalten werden könnten. Mayer et al. ( 2004 ) ha-
ben in einer Untersuchung in den Bündner Wäldern jedoch festgestellt, dass eine angepasste Beweidung gewisse Eigenschaften eines Lawinenschutzwaldes auch unterstützen kann. Sie weisen darauf hin, dass durch die Öffnungen, in denen eine höhere Sonneneinstrahlung herrscht, die Wuchsbedingungen für Pionierarten verbessert werden, aber auch die Verjüngung der Fichte profitieren könnte. Zudem würden beweidete Wälder oft eine stufige Waldstruktur aufweisen und der lückige Aufbau führe zu stabilen Einzelbäumen, was der Schutzwirkung dienlich sei. Hier ist zu beachten, dass diese Untersuchung sehr spezifische Bedingungen analysiert, wodurch die Ergebnisse nicht verallgemeinert werden können. Wie im Schutzwald ist auch im Wirtschaftswald, in welchem das Hauptziel die Holzproduktion ist, die Beweidung nur bedingt erwünscht. So weist Delucchi ( 1993 ) darauf hin, dass durch die mögliche schädliche Wirkung der Beweidung an Orten, wo « der Wald aufgrund des Standortes, der waldbaulichen Behandlung, seiner Leistungsfähigkeit und seiner Wertholzproduktion eine ausgesprochene Nutzfunktion ausübt », aus rein forstlicher Sicht auf die Beweidung zu verzichten wäre, da sie sich auf diesen Flächen nicht mit der guten Waldwirtschaft verträgt. Von den eben genannten Standorten abgesehen, eignen sich zahlreiche für die Waldweide. Vor allem in Gebieten, in welchen Naturschutzziele verfolgt werden, kann die Waldweide eine sinnvolle Nutzung darstellen. Denn der Erhalt und die Pflege von locker bestockten Weidewäldern sind zu einem Anliegen des Naturschutzes geworden ( Huber und Bühler, 2010 ). Naturschutzprojekte sind oftmals mit grossem Pflegeaufwand verbunden, welcher allenfalls durch die Waldweide und das Vieh als
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kostengünstige Landschaftspfleger abgelöst werden könnten. Schmid, Stäubli und Wiedemeier ( 2002 ) nennen beispielsweise Orte mit einem grossen Potenzial für förderwürdige Tier- und Pflanzenarten – sonnige, trockene Waldhänge in Kombination mit artenreichen Magerwiesen und Mosaike aus Auenwäldern, Ruderalflächen und Überschwemmungswiesen – als geeignete Standorte. Durch die oftmals parkartig anmutende Gestalt weisen Waldweiden einen hohen ästhetischen Wert auf. Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung der Erholungsfunktion des alpinen Waldes spielt die Waldweide somit eine sehr wichtige Rolle. So geben Touristen laut Schleicher, Königer und Mosandl ( 2011) den halboffenen und offenen Waldweiden den Vorzug vor geschlossenen Wäldern. Somit ergibt sich aus der Waldweide auch ein grosser touristischer (ökonomischer) und gesellschaftlicher Wert, welcher an zweckmässigen Orten genutzt werden sollte. Ob die Waldweide auf einer Fläche geeignet ist und inwiefern die Beweidung tolerierbar ist, hängt jedoch letzten Endes im grossen Masse von der verfolgten Strategie und Zielsetzung auf der betroffenen Fläche ab. Regelung der Beweidung Laut kantonalem Waldgesetz ( KWaG Art. 32 ) sind Nutzungen, welche die Funktionen oder die Bewirtschaftung des Waldes beeinträchtigen, unzulässig und bestehende Nutzungsrechte abzulösen. Als nachteilige Nutzung nennt die kantonale Waldverordnung ( KWaV Art. 24 ) namentlich die Waldbeweidung, sofern sie ausserhalb von Weidwäldern, bestockten Weiden oder Selven stattfindet. Die heute noch beweideten Flächen sind teilweise auf alten Weiderechten begründet. Nicht immer sind dies geeignete Flächen, weshalb seit gerau-
mer Zeit Bestrebungen im Gange sind, die Waldweide-Situation neu zu bewerten und die Beweidung auf geeignete Standorte zu beschränken. Dabei hängt die Eignung der Waldweide nicht nur vom Standort ab, sondern in erster Linie von den Zielen, welche man auf der Fläche verfolgt. Im WEP, welcher dem Forstdienst als Planungsinstrument dient, soll daher die allgemeine Zielsetzung sowie der allfällige Handlungsbedarf bezüglich der Waldweide festgehalten werden. Es soll geklärt werden, wo welche Ziele verfolgt werden und wo die Beweidung tolerierbar beziehungsweise aufgrund von vorrangigen Funktionen nicht erwünscht ist. Zurzeit befindet sich der WEP in Revision und entsprechende Überprüfungen bezüglich Regelung und Handlungsbedarf sind in Abklärung. Es ist vorgesehen, die beweideten Flächen in drei Kategorien einzuteilen, welche sich hinsichtlich der Regelung und dem Handlungsbedarf unterscheiden. So soll unterschieden werden zwischen Flächen, für welche ( 1 ) die Beweidung zulässig und geregelt ist, ( 2 ) ein Handlungsbedarf für eine Regelung aktuell vorhanden ist sowie ( 3 ) die Beweidung nicht geregelt ist, aber kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Diesbezüglich gibt es grosse regionale Unterschiede. Ob Handlungsbedarf vorliegt oder nicht, ergibt sich dabei aus der Kombination unterschiedlicher Faktoren wie beispielsweise dem Stand der Regelung, allfällig vorhandener Konflikte mit anderen Nutzungen, dem Einfluss der Beweidung bei erhöhtem Schadenpotenzial durch Naturgefahren oder dem Standort. Die Regelung der Waldweide bedeutet nicht die Beweidung grundsätzlich auszuschliessen, sondern es geht darum, sie einheitlich zu beurteilen und sie auf geeignete Standorte zu konzentrieren. Wie in verschiedenen älBündner Wald 4/2013 17
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teren WEPs zu lesen ist, ist die strikte Trennung von Wald und Weide weder möglich noch erwünscht. Angestrebt werden Lösungen, von denen beide Seiten – sowohl die Forst- als auch die Landwirtschaft – profitieren können. Für die Regelung der Waldweide-Situation sind mehrere Instrumente vorhanden. So kann die Beweidung beispielsweise mithilfe einer WaldweideAusscheidung ( WWA ) geregelt werden. Im Rahmen eines WWA-Projektes werden klare Verhältnisse geschaffen und die bestmögliche Situation für die forst- und landwirtschaftliche Nutzung des Waldes wird angestrebt. Die Beweidung kann des Weiteren durch privatrechtliche Verträge, Weidereglemente, Waldordnungen, über das Einrichten eines Waldreservats usw. geregelt werden. Schlussfolgerungen Im Kanton Graubünden ist ein Teil der Beweidung im Wald geregelt ( über WWA , Waldordnungen, Weidereglemente etc.). Es bestehen jedoch grosse regionale Unterschiede. Mit dem Ausweisen der Ziele und des Handlungsbedarfs im WEP wird die Waldweide-Situation mit einem behördenverbindlichen Instrument erfasst und die zukünftige Strategie festgehalten. Die Regelung der Beweidung im Kanton Graubünden hat nicht zum Ziel, die Beweidung aus den Wäldern zu verbannen. Vielmehr wird eine Bereinigung der Oberziele angestrebt, sodass eine sinnvolle Gesamtlösung resultiert. In Zusammenarbeit aller Beteiligten sollen die bestmöglichen Produktionsgrundlagen sowohl für die Forst- wie auch für die Landwirtschaft geschaffen werden ( W in-win-Situation ). Wo Schutz nötig ist, sollte der Schutz vor Naturgefahren im Vordergrund stehen, wo man auf Holz verzichten kann ( oder will ) und Naturschutzziele
vorrangig sind, kann die Beweidung der Wälder durchaus attraktiv sein. Um geeignete von ungeeigneten Beweidungsflächen trennen zu können, müssen zudem immer auch genaue, standortspezifische Untersuchungen gemacht werden, damit eine nachvollziehbare und auf Fakten beruhende Lösung gefunden werden kann. Im Allgemeinen ist von keiner generellen Schadwirkung der Waldweide auszugehen. Schmid, Stäubli und Wiedemeier ( 2002 ) halten in ihrem Bericht fest, dass « a n fast jedem Standort durch Beweidung das ganze Spektrum von der ‹ K atastrophe › bis zum ‹ Paradies › » geschaffen werden kann. Entscheidend ist, dass eine klare Zielsetzung vorhanden ist und vorrangige Funktionen berücksichtigt werden. Zudem hat die richtige Dosierung der landwirtschaftlichen Parameter wie beispielsweise die Bestossungsdichte, die Weidegrösse, der Weidezeitraum und die weidende Tierart einen grossen Einfluss darauf, ob die Beweidung forstwirtschaftlich verträglich verläuft oder nicht. Werden diese Aspekte berücksichtigt, so kann die Waldweide auf geeigneten Standorten eine wertvolle und erhaltenswerte Nutzung darstellen. Wird die Waldweide fachgerecht und den gegebenen Umständen entsprechend ausgeführt, profitieren sowohl die Forst- als auch die Landwirtschaft, aber auch der Naturschutz und nicht zuletzt die Bevölkerung. Literaturverzeichnis – Delucchi, M. (1993 ). Wald-Weide aus forstlicher Sicht. Bündnerwald, Jahrgang 46, S. 12 – 15. – Huber, B., & Bühler, U. ( 2010 ). Biodiversität im Wald. Förderung der natürlichen Vielfalt in Graubündens Wäldern. Amt für Wald Graubünden.
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– Mayer, A. C., Stöckli, V., Gotsch, N., Konold, W., & Kreuzer, M. ( 2004 ). Waldweide im Alpenraum. Neubewertung einer traditionellen Mehrfachnutzung. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, Vol. 155, No. 2, S. 38 – 44. – Schleicher, A., Königer, J., & Mosandl, R. ( 2007 ). Waldweide differenziert beurteilen. LFW aktuell 58 , S. 32 – 34. – Schmid, W., Stäubli, A., & Wiedemeier, P. ( 2002 ). Begleitbericht Waldweideliteratur-Datenbank.
– Schuler, A. (1993 ). Zur Geschichte der Waldweide. Bündnerwald, Jahrgang 46, S. 6 – 11.
Roger Willhauck, Praktikant Amt für Wald und Naturgefahren Loëstrasse 14, CH-7000 Chur Praktikant6 @ awn.gr.ch
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Die Politik hat reagiert
Steigenden Waldgrenze in Schiers frisst landwirtschaftliche Flächen (Bild: Sandro Krättli )
Ich habe im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Waldfläche im Alpenraum im Nationalrat verschiedene Vorstösse eingereicht. Ich möchte mit Nachdruck festhalten, dass sich diese in keiner Art und Weise gegen den Wald an sich richten. Es ist mir bewusst, dass der Wald wichtige Funktionen erfüllt, gerade auch in unserem Kanton. Er ist vor allem wichtig für den ökologischen Ausgleich und als Schutz gegen Naturereignisse. Diese wichtigen Funktionen des Waldes stelle ich überhaupt nicht infrage. Ich strebe nicht eine Reduktion der Waldfläche an, aber sie nimmt im Alpenraum stark zu. Das ist aus meiner Sicht nicht erwünscht. Rund ein Drittel der Fläche der Schweiz ist zurzeit mit Wald bedeckt. Allein zwischen 1985 und 1995 hat die Waldfläche um vier Prozent zugenommen, wie dem Landesforstinventar zu entnehmen ist. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren fortgesetzt. Gemäss der vom Bundesamt für Statistik erfassten Arealstatistik hat der Wald in den letzten zwölf Jahren um 184 Quadratkilometer zugenommen. Dies ist mehr als die Fläche des Kantons
Appenzell Innerrhoden oder entspricht einem täglichen Wachstum von fünf Fussballfeldern. Dieser Zuwachs der Waldfläche geht fast ausschliesslich zulasten des landwirtschaftlichen Kulturlandes. Der Wald erobert sukzessive und unaufhaltsam bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen. Dies war nicht immer so. Noch vor 200 Jahren herrschte in unserem Land Waldmangel. Im Jahre 1902 wurde in Anbetracht der damaligen Situation ein Bundesgesetz für den Schutz des Waldes eingeführt. Seither geniesst der Wald einen umfassenden Schutz. Das Gesetz hatte damals zweifelsohne seine Berechtigung. Aber heute ist dieser einseitige Schutz des Waldes gegenüber dem landwirtschaftlichen Kulturland nicht mehr gerechtfertigt. Obwohl die Waldfläche sich sehr stark ausdehnt, mussten nach Gesetz bis heute bei Rodungen Ersatzaufforstungen vorgenommen werden, obwohl der Ersatz längst gewachsen war. Im Gegensatz zum Wald wurde das landwirtschaftliche Kulturland bisher zu wenig geschützt. Mit dem bestehenden Waldgesetz wird keine Ausdehnung der Waldfläche angestrebt. Artikel 3 des Waldgesetzes lautet: « Die Waldfläche soll nicht vermindert werden.» Dieser Artikel soll nach wie vor seine Gültigkeit haben. Die Waldfläche soll erhalten bleiben. Von dieser Zielsetzung sind wir aber weit entfernt. Die Waldfläche nimmt rasant zu, und das landwirtschaftliche Kulturland nimmt gleichzeitig stark ab. Selbstverständlich soll der Wald nach wie vor überall dort erhalten und gepflegt werden, wo er wichtige Funktionen erfüllt. Vor allem dient er in zahlreichen Gebieten als Schutz gegen Naturereignisse wie Lawinen, Steinschlag, Rüfen oder Hochwasser. Es kann meiner Meinung nach aber nicht im allgemeinen Interesse liegen, dass die Waldfläche aufgrund des uneingeschränk-
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ten Schutzes weiterhin derart zunimmt und gleichzeitig die landwirtschaftliche Fläche in dramatischem Ausmass abnimmt. Zudem könnte gemäss Einschätzungen der Forschungsstelle für Wirtschaftsgeografie und Gallen Raumordnung der Universität St. eine zu starke Bewaldung auch negativ für den Tourismus sein. Dies bestätigen auch Arbeiten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Schnee, Wald und Landschaft. Aus den dargelegten Gründen hat Handlungsbedarf bestanden, das Waldgesetz den heutigen Gegebenheiten anzupassen und eine Lockerung des einseitigen Schutzes des Waldes vorzunehmen. Die Bundespolitik hat darauf in zweifacher Hinsicht reagiert. Einerseits wurde eine « Flexibilisierung der Waldflächenpolitik » beschlossen. Darin enthalten ist der Verzicht auf Ersatzaufforstungen in Gebieten, wo die Waldfläche nach wie vor zunimmt und es wurde die Möglichkeit geschaffen, auch ausserhalb der Bauzonen statische Waldgrenzen festzulegen, damit aufkommender Wald wieder gerodet werden kann. Andererseits wurde im kürzlich durch das Volk angenommenen Raumplanungsgesetz ein besserer Schutz des landwirtschaftlichen Kulturlandes aufgenommen. Demnach sollen besonders
die landwirtschaftlichen Fruchtfolgeflächen, aber auch die allgemein landwirtschaftlich genutzten Flächen besser geschützt werden. Dies natürlich auch im Zusammenhang mit der Ausdehnung des Siedlungsgebietes in der Schweiz. Diese Massnahmen dienen vor allem der Stärkung der Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in unserem Land. Das ist angesichts der stark zunehmenden Bevölkerung nötig und richtig. Es ist wichtig, dass wir in der Schweiz einen angemessenen Selbstversorgungsgrad beibehalten können, dies auch in Anbetracht der schnell wachsenden Bevölkerung. Aus meiner Sicht haben das Parlament und das Schweizervolk mit diesen Beschlüssen die richtigen Akzente gesetzt, nämlich in Richtung einer Flexibilisierung der Waldflächenpolitik und einer Stärkung der Nahrungsmittelversorgung in unserem Land, dies alles ohne die Bedeutung des Waldes infrage zu stellen.
Hansjörg Hassler Nationalrat und Landwirt Cultira, 7433 Donat hansjoerg.hassler @ parl.ch
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Bundesgesetzrevision mit Möglichkeiten für den Rodungsersatz Zusammenhang mit der Landwirtschaft Änderungen der Waldgesetzgebung beim Rodungsersatz haben auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Wer eine Rodungsbewilligung erhält, wird dazu verpflichtet, Rodungsersatz zu leisten. Muss Realersatz durch eine flächengleiche Ersatzauffors tung geleistet wer den, ist vielfach Landwirtschaftsfläche betroffen. Dazu legt die kantonale Waldverordnung in Art. 2 fest, dass als Realersatz in der Regel natürlich einwachsende oder freiwillig aufgeforstete Flächen anerkannt werden. Bei der Landwirtschaft hat die Bedeutung der Fläche für die Produktion zugenommen. Das Direktzahlungssystem ist bei der Agrarpolitik 2014 – 17 weiterentwickelt worden. Heutige tierbezogene Beiträge werden auf flächenbezogene Beiträge umgelagert. Dadurch erhofft sich der Gesetzgeber unter anderem ein zunehmendes Interesse an der Bewirtschaftung der Flächen und damit verbunden ein Rückgang der verbrachenden Flächen. Änderungen beim Rodungsersatz Bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Wald vom 4. Oktober 1991 war als Rodungsersatz für die permanenten RodunVerjüngungsmassnahmen im Weidewald Champagnatscha, Celerina / Schlarigna. (Bild : Ueli Eggenberger )
gen in jedem Fall Realersatz erforderlich. Als Änderung beim Rodungsersatz wurde in der Revision von 1991 im Artikel 7 die sogenannte Kaskade eingeführt. Es gilt der Grundsatz, dass für jede Rodung in derselben Gegend Realersatz zu leisten ist. Ausnahmsweise kann zur Schonung landwirtschaftlicher Vorrangflächen sowie ökologisch oder landschaftlich wertvoller Gebiete der Realersatz in einer anderen Gegend geleistet werden. Als letzte Möglichkeit können in Ausnahmefällen Massnahmen zugunsten des Naturund Landschaftsschutzes getroffen werden. Diese Reihenfolge ist grundsätzlich auch heute noch massgebend. Die Waldflächenentwicklung auf den landwirtschaftlichen Grenzertragsflächen hat die auf den Siedlungsdruck in den Mittellandverhältnissen ausgerichtete Walderhaltung vor neue Probleme gestellt. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats hat 2009 entschieden, die Kommissionsinitiative « Flexibilisierung der Waldflächenpolitik » auszuarbeiten. Die daraus hervorgegangene Änderung der Waldgesetzgebung ist auf den 1. Juli 2013 in Kraft getreten. Unter anderem ist eine gezielte Lockerung des Rodungsersatzes in den Gebieten mit zunehmender Waldfläche, zur Schonung von landwirtschaftlichem Kulturland sowie von ökologisch und landschaftlich wertvollen Gebieten vorgesehen. Für diese Fälle können anstelle von Realersatz Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes vorgenommen werden. Ganz auf Rodungsersatz kann verzichtet werden bei Rodungen von in den letzten 30 Jahren eingewachsenen Flächen für die Rückgewinnung von landwirtschaftlichem Kulturland. Dasselbe gilt auch für Massnahmen zur Gewährleistung des Hochwasserschutzes und zur Revitalisierung von Gewässern sowie für den Erhalt und die Aufwertung von Biotopen
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nach NHG. Wird rückgewonnenes landwirtschaftliches Kulturland innert 30 Jahren einem anderen Zweck zugeführt, ist der Ersatz nachträglich zu leisten. Erfahrungen mit dem Rodungsersatz zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes In den letzten Jahren sind knapp zwei Drittel der Rodungsflächen temporär mit Ersatz an Ort und Stelle bewilligt worden. Das bedeutet, dass auf diesen Flächen wieder Wald entstehen wird. Beim verbleibenden Drittel erfolgte der Rodungsersatz zu 42 % als Realersatz. Im vergangenen Jahr wurden Rodungen von rund 23 ha Wald bewilligt. Als landwirtschaftliche Nutzfläche in Graubünden werden rund 54 000 ha aufgeführt. Real ersatz wurde auf 3,2 ha geleistet. Die Fläche, die als Realersatz zu Wald wird, beträgt 0,006 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Darunter fallen auch einwachsende Flächen. Rodungsersatz in Form von Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes
erfolgte für 58 % der dauernd beanspruchten Flächen. In Graubünden haben wir somit bereits Erfahrungen mit dem Rodungsersatz in Form von Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes sammeln können. Als Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes sind im vergangenen Jahr zum Beispiel bewilligt worden: Verjüngung und Pflege von Lärchen-Weidewald, Waldrandpflege, Auflichtung einwachsender Trockenstandorte, Auflichtung Moorwald, Massnahmen in Vernetzungskonzepten, Förderung der Traubeneiche, Regenerieren eines Moores. Unsere Erfahrungen mit diesen Ersatzmassnahmen sind positiv. Sie werden von der Öffentlichkeit als sinnvoll und konstruktiv wahrgenommen. Möglichkeiten aus der Revision der Waldgesetzgebung Realersatz ist sinnvoll, wenn Schutzwald geschaffen werden soll ( z. B. Verhinderung
Rodungen und Rodungsersatz in Graubünden, 2002 – 2012 ( Jahresbericht AWN 2012, Anhang ) (Grafik : Ueli Eggenberger ) 400 000
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Rodungsfläche [m²]
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2004 Temporär
2005 Realersatz
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von Schneerutschungen ). Bei Grossprojekten werden Rodungen im Rahmen der Gestaltung des Vorhabens oft teilweise mit Aufforstungen real ersetzt. Weiter ist Realersatz bei Umlegungen in der Bauzone erforderlich, um solche Massnahmen überhaupt stichhaltig begründen zu können. Da weitergehende Aufforstungen von landwirtschaftlichem Kulturland in grossen Teilen unseres Kantons wenig Sinn machen, sollen Massnahmen zugunsten des Naturund Landschaftsschutzes als Rodungsersatz vorgenommen werden. Um nicht wie bisher in jeder Bewilligung diese Ausnahme zu begründen, soll die neue Bestimmung von Art. 7 Abs. 2 lit. a WaG und von Art. 8a WaV
zum Tragen kommen, dass in Gebieten mit zunehmender Waldfläche als Ersatz für permanente Rodungen Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes ausgeführt werden können. Die dazu erforderlichen Grundlagen werden gegenwärtig im Bereich Walderhaltung erarbeitet.
Ueli Eggenberger Amt für Wald und Naturgefahren Loëstrasse 14, 7000 Chur ueli.eggenberger@awn.gr.ch
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Grundsätze einer nachhaltigen Waldweide im Gebirgswald Zusammenfassung Die Waldweide mit Rindern ist gesamtwirtschaftlich gesehen sinnvoll, wenn sie mit Rücksicht auf andere Ansprüche an den Wald praktiziert wird. Ergebnisse eines Forschungsprojekts zeigen, dass die Waldweide im Gebirgswald relativ lichte und durchmischte Waldstrukturen schafft, in denen sich die Rinder artgerecht ernähren können und die jungen Bäume gut nachwachsen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Tierbesatzstärke zwei Grossvieheinheiten pro Hektar nicht überschreitet und die Weidefläche mindestens rund fünf Hektaren gross ist. Damit wird erreicht, dass die Tiere ihr bevorzugtes Futter frei suchen können, statt den Jungwuchs zu verbeissen. Wird aber die erwünschte Verjüngung des Waldes behindert, und ein akzeptables Mass an Schädigungen überschritten, so sind die Parteien angehalten, den Weidebetrieb einvernehmlich zu regeln, beispielsweise über die Anzahl Tiere oder die Flächengrösse. Die hier beschriebenen Ergebnisse eines Forschungsprojekts liefern dazu eine Richtschnur, die aber auf die jeweiligen Standorte angepasst werden muss. Nachhaltigkeit ist entscheidend Die kombinierte land- und forstwirtschaftliche Nutzung des Waldes hat eine lange Geschichte und genau so alt sind die kritischen Auseinandersetzungen über den Nutzen dieses Bewirtschaftungssystems. Bis weit ins 19. Jahrhundert genoss die Waldweide enorme Bedeutung, insbesondere für land- und mittellose Bauernfamilien. Damals war die freie Gemeinatzung von Ziegen und Schafen üblich, und weil weitherum nur noch der Wald « gemein » war, weideten die Tiere in erster Linie dort ( L ANDOLT et al. 1870 ). Als in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts katastrophale Naturereignisse die Schweiz heimsuchten und deren verheeren-
de Folgen wesentlich auf die übernutzten Gebirgswälder zurückgeführt wurden, regelte von nun an das erste eidgenössische « Forstpolizeigesetz » von 1876 jegliche Nutzungen im Wald, auch die Waldweide. Heute nutzen in erster Linie Rinder die Waldweide, und diese gilt im Gesetz nicht mehr explizit als nachteilige Nutzung. Aber, sie sorgt weiterhin für Konflikte zwischen den Nutzniessern des Waldes, denn die weidenden Tiere richten mancherorts erhebliche Schäden an. Der vorliegende Artikel soll dazu beitragen, die Grundsätze einer nachhaltigen Waldweide aufzuzeichnen. Er fasst die Ergebnisse des Artikels von A. C. Mayer et al. « Waldweide im Alpenraum. Neubewertung einer traditionellen Mehrfachnutzung » zusammen, welcher in der Schweiz. Z. Forstwes. 155 ( 2004 ) 2 : 38 – 44 erschienen ist. Grundlage ist ein Forschungsprojekt, welches von 2001 bis 2004 am WSL-Institut SLF in Davos durchgeführt wurde in Zusammenarbeit mit der ETH in Zürich und dem Institut für Landespflege an der Universität Freiburg i. Br. Methoden der Waldweide-Forschung Das Projekt umfasste Feldstudien zur Waldweide im Dischmatal bei Davos und Experimente auf der Versuchsalp Weissenstein am Albulapass. Im Dischmatal wurden sieben Waldweiden von unterschiedlicher Grösse und mit unterschiedlicher Anzahl weidender Tiere untersucht. Die Tierbesatzstärke reichte dabei von 0,4 bis 2,8 Grossvieheinheiten pro Hektar ( GVE / ha ) und die tatsächliche Beweidungsdauer der einzelnen Flächen betrug zwischen zehn und 114 Tage. Die Grösse der untersuchten Waldweiden variierte zwischen 1 und 19,3 ha. Die Wälder waren subalpine Fichten-Lärchenwälder und reichten von rund 1700 Metern über Meer bis zur Waldgrenze. Um Nutzen und Schaden der Beweidung auf junge Bäume zu testen Bündner Wald 4 /2013 25
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Die Futterqualität der Pflanzen im Wald und auf der offenen Weidefläche unterscheidet sich nur geringfügig. Die Futtermenge ist im Wald jedoch geringer als auf einer offenen Weidefläche. (Bild: Veronika Stöckli )
und um die Ergebnisse der Feldstudien unter kontrollierten Bedingungen zu überprüfen, wurde auf der ETH-Versuchsalp Weissenstein am Albulapass experimentell getestet, wie die Tierbesatzstärke und die Beweidungsdauer die Wahl der Futterpflanzen beeinflussen. Zu diesem Zweck wurden vier nebeneinanderliegende Weideflächen von je 0,5 ha wilddicht eingezäunt und mit unterschiedlicher Intensität bestossen. Die nach dem Tiergewicht berechnete Tierbesatzstärke betrug 2,8, 5,5 und 7,9 GVE / ha, was einem sehr hohen Weidedruck entspricht. Auf dieser Basis wurde den grundlegenden Fragen rund um die Waldweide nachgegangen, die im Folgenden kurz präsentiert werden. Bietet die Waldweide genügend Futter für die weidenden Tiere? Voraussetzung für eine nachhaltige Weide im Wald ist eine anhaltend gute Futterqua-
lität der Bodenvegetation. Um den Nutzen der Waldbeweidung für das Vieh zu überprüfen, wurden Menge und Verdaulichkeit des von Rindern gefressenen Futters getestet. Dazu wurde die Artenzusammensetzung der Vegetation stichprobenartig erfasst und es wurden Biomasseproben entnommen. Der Wert des angebotenen Futters wurde durch die Analyse des Gehalts an Faser, organischer Substanz und Stickstoff sowie der Verdaulichkeit erfasst. Die Ergebnisse zeigten, dass Gräser bevorzugt gefressen wurden, nämlich an 44 % der Aufnahmequadrate, auf denen sie vorkamen. Auch Leguminosen waren relativ beliebt ( 33 % ), während Sträucher wie z. B. die Heidelbeere zu 20 % gefressen wurden. Nur 17 % der kartierten Kräuter wurden durch die Weidetiere ganz oder teilweise gefressen, was hauptsächlich auf die Häufigkeit relativ kleinwüchsiger Krautarten, die
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nur schwer mit dem Maul erfasst werden können, zurückzuführen ist. Obwohl die angebotene Futtermenge teilweise gering war, wies das von den Rindern ausgesuchte Futter während des jeweiligen Aufnahmezeitraums eine konstant gute Verdaulichkeit auf. Alle untersuchten Tiere konnten ihren Nahrungsbedarf mit der auf subalpinen Waldweiden wachsenden Vegetation decken. Bei einer an die Dauer und Flächengrösse angepassten Anzahl Tiere stellt die Waldweide somit ein geeignetes Weidesystem dar. Beeinträchtigt die Waldweide den Jungwuchs? Weidende Tiere können durch Tritt und Verbiss die Regeneration des Waldes sowie seine Struktur und seine Funktionen beeinträchtigen. Auf den sieben Waldweiden im Dischmatal wurde aufgezeichnet, wie häufig und wie stark junge Fichten, Lärchen und Vogelbeeren beschädigt wurden. Die beobachteten Änderungen vor- und nachdem die Tiere weideten, wurden als Verletzungen durch das Weidevieh interpretiert. Dabei zeigte sich, dass der Anteil an beschädigten jungen Bäumen relativ gering war ( 9 % aller Bäume ) und die Baumarten unterschiedlich stark betroffen waren. Die Lärche wurde nicht verbissen, die Vogelbeere dagegen stark. Auch zeigten sich Unterschiede zwischen den verschiedenen Flächen. Die Ergebnisse des Experiments auf der Alp Weissenstein komplettieren die Feldstudien. Auch hier wurde die Vogelbeere am stärksten und häufigsten verbissen, abhängig von der Tierbesatzstärke und der Länge der Beweidungsperiode. Auch die Lärche wurde – dies im Gegensatz zu den Ergebnissen der Feldversuche – relativ häufig verbissen. Mit zunehmender Beweidungszeit wurden auch die jungen Fichten ( 14 cm und 42 cm Oberhöhe ) häufiger verbissen, es gab
jedoch keinen direkten Zusammenhang mit der Tierbesatzstärke, sondern eher mit dem Verhalten der Tiere. So konnte eines der Rinder auf der am schwächsten beweideten Fläche dabei beobachtet werden, wie es wohl aus Langeweile die jungen Bäume inspizierte und daran herumknabberte. Im Dischmatal wie am Albulapass zeigte es sich, dass eine kleinere Weidefläche, eine geringere Biomasse-Verfügbarkeit pro Hektar und ein höherer Fasergehalt ( d. h. eine schlechtere Futterqualität ) der Bodenvegetation dazu führten, dass junge Bäume häufiger durch die Rinder verbissen wurden. Bereits LANDOLT et al. ( 1870 ) bemerkten, dass das Rindvieh den Jungwuchs in subalpinen Wäldern dann als Futter nutzt, wenn die Weide nicht die nötige Nahrung bietet. Auch der blosse Spieltrieb von Kälbern und jungen Rindern kann gerade auf kleinen Weideflächen oder bei grosser Tierbesatzstärke an jungen Bäumen beachtliche Schäden anrichten. (Bild: Veronika Stöckli )
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SPATZ & RÖSCH ( 1990 ) beispielsweise fan-
den starke Schädigungen am Jungwuchs, die aber in erster Linie durch Wildtiere verursacht wurden. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass wild lebende Huftiere sich anders ernähren. Während das Rind in erster Linie ein « Grasfresser » ist, neigt insbesondere das Reh als sogenannter Konzentratselektierer dazu, junge Triebe und Knospen von Bäumen zu fressen. Insgesamt gesehen bewegen sich die Schäden am Jungwuchs in relativ geringem Rahmen, wenn ausreichend Futter verfügbar und die bestossene Fläche genügend gross ist. Führt die Waldweide zu unerwünschten Waldstrukturen? Die langfristigen Auswirkungen der Waldbeweidung auf die Waldstruktur sind von besonderem Interesse für alle anderen Waldnutzungen. Mit dendroökologischen Methoden wurde untersucht, inwieweit sich das Baumwachstum und die Struktur unbeweideter und beweideter Wälder unterscheiden, um Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, wie sich die Beweidung längerfristig auf den Wald auswirkt. Auf 30 Waldabschnitten von je 225 m2 Grösse wurden Art, Alter, räumliche Verteilung und Wachstumsentwicklung der Bäume anhand von Bohrkernen und ( bei kleineren Bäumen ) durch Zählung der jährlichen Astquirle am Stamm bestimmt und Merkmale wie Höhe, Durchmesser und Zustand der Bäume erfasst. Wie zu erwarten, waren die beweideten Wälder weniger dicht als die unbeweideten ( 883 gegenüber 1073 Bäume ab 3 m Oberhöhe pro Hektar ) und wiesen einen signifikant höheren Anteil an Lärchen auf ( 16,8 % gegenüber 2,5 % ). Die jungen Fichten auf beweideten Flächen waren schneller gewachsen als auf den unbeweideten Flächen und auch in dieser Altersstufe waren mehr Lärchen ver-
treten als Fichten ( 8,3 % gegenüber 3 % ). Beides widerspiegelt die offenere Struktur und den höheren Lichtdurchlass. In den untersuchten beweideten Wäldern gab es weniger Individuen in der obersten Baumschicht ( Bäume > 25 m ), diese waren jedoch bedeutend älter als in den unbeweideten Wäldern. Da sich der Einfluss des Rindviehs auf die jungen Bäume bei angepasster Beweidungsintensität als relativ gering herausgestellt hat, scheint die stufigere und offenere Struktur beweideter Wälder hauptsächlich auf pflegende Eingriffe des Landwirts zur Verbesserung des Futterangebots in der Bodenvegezuführen zu sein. Sowohl die tation zurück offenere und stufigere Struktur als auch die verbesserte Artendurchmischung der beweideten Wälder sind gute Voraussetzungen für die natürliche Verjüngung der Bäume und für die Erfüllung anderer Ansprüche an den Wald wie etwa Erholung oder Lawinenschutz. Grundsätze einer nachhaltigen Waldweide im Gebirgswald Die Nutzung subalpiner Wälder als Waldweideflächen kann die tiergerechte Ernährung von Nutztieren und die Nutzung des Waldes für andere Dienstleistungen kombinieren. Dabei sind die folgenden Grundsätze zu beachten : – Die Anzahl Tiere muss sich unter einem bestimmten Grenzwert bewegen Es hat sich gezeigt, dass hohe Tierbesatzstärken bereits nach kurzer Beweidungsdauer relativ starken Verbiss und Trittschäden hervorrufen. Bei den in der Feldstudie untersuchten traditionell genutzten subalpinen Waldweiden hat sich gezeigt, dass extensive Beweidung mit einer Besatzstärke von 1 bis 2 GVE pro Hektar während mehrerer Wochen sowohl verjüngungsverträglich für den Wald als auch sinnvoll in Bezug auf die Tierernährung ist.
28
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– Die beweidete Fläche muss ausreichend gross sein Generell gilt es zu beachten, dass eine bestimmte Mindestgrösse der Weidefläche nötig ist ( etwa 5 ha ), damit die Tiere die besten Weideplätze frei suchen und ihre bevorzugten Futterpflanzen finden und nutzen können. Auf sehr kleinen Weideflächen ( besonders < 1 ha ) scheinen die Rinder zu wenig beschäftigt zu sein und beginnen mit jungen Bäumen zu experimentieren, was eine höhere Schädigungsrate zur Folge hat. – Die Beweidungsdauer muss auf das Futterangebot abgestimmt sein Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht steht einer Nutzung subalpiner Waldweiden mit Rindern nichts entgegen. Die Rinder zeigten eine ausgeprägte Fähigkeit, besser verdauliche Futterpflanzen zu wählen, was sich in der konstant relativ guten Verdaulichkeit des auf den Waldweiden gefressenen Futters zeigte. Die Beweidungsdauer muss allerdings an das Futterangebot angepasst sein, da sonst die Verdaulichkeit des aufgenommenen Futters ab- und die Schädigungen an den jungen Bäumen zunehmen. – Die Verjüngung des Waldes muss einen Sollwert erreichen Für die beweideten Waldbestände sollte ein Sollwert für die erwünschte Dichte und Artenvielfalt des Waldes festgelegt werden. Zeigt es sich, dass der Jungwuchs erheblich von diesen Zielen abweicht, sollen passende Massnahmen getroffen werden wie z. B. die Tierbesatzstärke beschränken oder die Beweidungsdauer verlängern oder besonders stark nachgefragte Baumarten schützen. Gemäss dem Bundesgesetz über den Wald ist dieser so zu bewirtschaften, dass er seine Funktionen dauernd und uneingeschränkt erfüllen kann. Eine nachhaltige Bewirtschaftung von Waldweiden ist mit diesem Grundsatz also durchaus vereinbar. Mehr
Der Strukturtyp « vielschichtig-offen » war daher in den beweideten Wäldern am häufigsten vorzufinden, während in den unbeweideten Wäldern der Strukturtyp « einschichtig dicht » am häufigsten vorkam. (Bild: Veronika Stöckli )
noch, wenn die Spielregeln einer nachhaltigen Waldweide beachtet werden, so erbringt die land- und forstwirtschaftliche Doppelnutzung einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen. Es ist vorteilhafter, Wald und Weide auf der gleichen Fläche zu kombinieren als im Rahmen einer Trennung beider Bewirtschaftungsformen grössere zusammenhängende Offenweideflächen zu schaffen und die umliegenden Wälder immer dichter werden zu lassen. Die den Waldweideflächen typische heterogenere Waldstruktur wirkt sich zudem positiv auf die Artenvielfalt und das Landschaftsbild aus. Dies hat nicht zuletzt auch positive Bündner Wald 4/2013 29
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Auswirkungen auf die touristische Nutzung des Waldes. Für ein zufriedenstellendes und konfliktfreies Nebeneinander verschiedener Nutzungen ist eine gute Zusammenarbeit der verschiedenen Interessengruppen notwendig, besonders zwischen den Vertretenden der Forst- und der Landwirtschaft. Zitierte Literatur MAYER AC, STÖCKLI V, GOTSCH N, KONOLD W und M KREUZER . 2004. Waldweide im Alpenraum. Neubewertung einer traditionellen Mehrfachnutzung. Schweiz. Z. Forstwes. 155 ( 2004 ) 2 : 38 – 44 LANDOLT, E. 1857: Vorlesung der an den Bundesrat abzugebenden Denkschrift des
1. Themas : « Folgen der Verwüstung im Hochgebirge » betreffend & daran sich knüpfende Diskussion. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 8 : 24. SPATZ, G.; RÖSCH, K. 1990 : Der Einfluss von Wild und Weidevieh auf die Naturverjüngung des Bergwaldes. Alm- und Bergbauer 11 : 120 – 130.
Veronika Stöckli WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF Flüelastrasse 11 CH-7260 Davos Dorf
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Geissen im Wald: eine alte Nutzungsform wird wieder aktuell
Ziegen haben Jungbäume in kürzester Zeit geschält und verbissen. ( Bild : A. Zingg )
Der Einfluss der Ziegenweide auf die Bodenvegetation und auf Bäume eines Waldbestandes Die Beweidung von Wald mit Haustieren ist in der Schweiz gesetzlich verboten. Die historischen Gründe, die zu diesem Verbot führten, sind aber heute nicht mehr gegeben. Als Teil einer Demonstration früherer Landnutzungsarten wurde 1998 im Freilichtmuseum Ballenberg die Ziegenweide in einem geschlossenen Waldbestand zugelassen. Die WSL begleitete diesen Versuch wissenschaftlich, um herauszufinden, wie stark sich die Beweidung durch Ziegen auf Bäume und Bodenvegetation auswirkt. Das Ergebnis : Die Ziegen vernichten die Verjüngung fast vollständig und verändern die Krautschicht, aber richten keine Schäden an herrschenden Bestandesbäumen an. Einführung Bis zum Inkrafttreten des ersten Forstgesetzes im Jahre 1876 war die Beweidung des Waldes durch Haustiere Teil der traditionellen Landnutzung. Offenes Landwirtschaftsland diente vorwiegend der intensiven Produktion von Feldfrüchten. Deshalb wurde der Wald genutzt, um mittels Beweidung Landwirtschaftsprodukte tierischer Herkunft zu erzeugen.
Schäden als Folge der Beweidung waren häufig. Die Tiere verhinderten die Waldverjüngung, und die zusätzliche Nutzung des Waldes als eine Quelle für Winterfutter für die Tiere führte dazu, dass die Wälder degradierten und die Böden verarmten. Gebirgswälder, in denen die Schutzfunktion wichtig war, waren nicht mehr in der Lage, diese zu erfüllen. Viele historische Dokumente beschäftigen sich mit dem Problem der Waldweide. Landolt (1862 ) zeigte in seinem Bericht über den Zustand des Gebirgswaldes in der Schweiz zuhanden des Bundesrates, dass viele Probleme im Wald eine Folge der Übernutzung waren. Die Beweidung war eine der Hauptursachen dafür. Als Folge davon verbot man die Beweidung zunächst in Wäldern mit Schutzfunktion, später sogar in allen Wäldern. Heute ist die Waldweide in fast allen Wäldern der Schweiz immer noch verboten. Nur in Ausnahmefällen dürfen Tiere mit einer Bewilligung des Forstdienstes oder der Kantonsregierung im Wald weiden. Einer der wichtigsten Gründe, warum auf die Probleme mit der Waldweide, beginnend mit der Mitte des 18. Jahrhunderts bis heute gelöst werden konnten, war die Verbesserung der landwirtschaftlichen ProBündner Wald 4 /2013 31
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duktion. Die Wälder verloren die Bedeutung als zusätzliches Landwirtschaftsland. Deshalb verschwand in den letzten 150 Jahren die Beweidung als Form der Waldnutzung, zumindest in den tieferen Lagen, fast vollständig ( Gotsch et al. 2002 ). Heute tauchen neue Ideen auf, wie beispielsweise der Einsatz von Ziegen, um die Situation seltener Pflanzenarten zu verbessern; mit der Viehweide will man versuchen, die Waldstrukturen zu beeinflussen ( B ebi 1999 ). In beiden Fällen weiss man heute zu wenig über die möglichen Auswirkungen auf den Wald. Das Schweizerische Forstmuseum im Freilichtmuseum Ballenberg im Berner Oberland plante, der Öffentlichkeit die AusANZEIGE
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Verbiss und Schälen zum Absterben gebracht. Aufnahme Ende März 1999, nach einer Weide saison. ( Bild : A. Zingg )
wirkungen verschiedener traditioneller Waldnutzungen zu demonstrieren. Eine dieser Nutzungsformen ist die Ziegenund Viehweide im Wald. Als die nötigen Bewilligungen vorlagen, entschieden die Verantwortlichen des Forstmuseums, diese Wirkungen auch wissenschaftlich zu dokumentieren. Die Forschungsgruppe Waldentwicklung (Ertragskunde) und ein Vegetationsspezialist der WSL wurden eingeladen, diesen Versuch zu begleiten. Das Freilichtmuseum stellte die Tiere zur Verfügung und übernahm die Zäunung. Die erste
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Die Rinde wurde in Streifen bis auf eine Höhe von
Verbissene und vollständig geschälte Fichte,
2,5 bis 3 m abgerissen. ( Bild : A. Zingg )
ca. 1,5 m hoch. ( Bild : A. Zingg )
Waldweide-Saison war im Sommer 1998. Die wichtigsten Forschungsfragen lauten : Welche Auswirkung hat die Ziegenweide auf einen Waldbestand ? Welchen Einfluss hat die Ziegenweide auf die Bodenvegetation ( D iversität, Pflanzenzahl, Artenzusammensetzung ) und wie wird diese langfristig beeinflusst ?
al. 1998 ). Die Weidefläche im Wald betrug 941 m2. Der Versuch ist als Fallstudie angelegt, da es nicht möglich war, ein gezieltes Experiment durchzuführen. Der Waldbestand besteht in der Oberschicht aus 47 % Buche, aus 35 % Winterlinde, 12 % Eichen, 3 % Berg- und Spitzahorn und 0,2 % Fichte ( Prozent der Grundfläche der Bäume mit BHD d1.3 ≥ 8 cm). In der Unterschicht kommen zusammen mit einigen Haselsträuchern und Weissdornen entlang dem Waldrand alle Arten der Oberschicht vor. 1998 wurden alle Bäume und Sträucher, die grösser als 1,3 m waren, durch die WSLMessspezialisten E. Cereghetti und Ch. Matter gemessen und die Stammfusskoordinaten bestimmt. Schäden an Bäumen wurden
Versuchsflächen im Museum Die Versuchs- und Demonstrationsfläche liegt westlich des Entlebucher Hauses, auf einer Höhe von 680 m ü. M. Sie grenzt an eine Wiese, die üblicherweise als Ziegenweide genutzt wird. Pflanzensoziologisch handelt es sich um einen Waldmeister-Buchenwald ( Galio-odorati Fagetum, Keller et
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cm
m2
m3
2,4
0,4
10
Fichte
861
Buche
1722
52,7
11,6
18,3
214
Eiche
32
43,6
42,4
4,5
53
Ahorn
149
11,3
1,5
15
Nussbaum
11
30,1
0,8
9
Linde
340
22,0
13,0
147
übr. Lbh.
329
3,8
0,4
5
Total
3443
12,0
38,8
453
49,1
Fichte
Derbholzzuwachs
Cm
Grundflächenzuwachs
V7
Derbholzvorrat
Derbholzvorrat
G
Grundfläche
Grundfläche
dg
Mitteldurchmesser
Mitteldurchmesser
Stammzahl
ddom
Stammzahl
2003
Oberdurchmesser
1997
Baumart
Jahr
ausscheidend
NE
dgE
GE
V7E
IG
IV7
cm
m2
m3
a1
a1
861
2,4
0,4
10
0,00
0,0
925
2,4
0,4
10
0,45
5,4
0,05
0,6
0,05
0,6
0,01
0,1
Buche
797
54,5
18,1
20,6
237
Eiche
32
47,1
43,8
4,8
57
Ahorn
85
15,8
1,7
18
Nussbaum
11
31,0
0,8
9
Linde
255
27,0
14,6
168
85
6,2
0,3
3
0,32
3,9
übr. Lbh
64
6,3
0,2
2
266
2,9
0,2
3
0,00
0,0
Total
1243
20,9
42,7
490
2200
2,8
1,3
26
0,88
10,6
52,0
64
4,6
0,1
1
Ertragskundliche Kenndaten der Versuchsfläche (Hektarwerte).
notiert. Die Bodenvegetation wurde in drei konzentrischen Kreisen von 30, 200 und 500 m2 nach der Methode von BraunBlanquet zur Schätzung der Pflanzenzahl aufgenommen ( Mueller-Dombois und Ellenberg 1974 ). Diese Stichproben wurden
permanent markiert. Die Bäume und die Bodenvegetation wurden vor Weidebeginn im Mai 1998 erstmals erfasst. Während des Sommers und Herbstes 1998 hatte eine Gruppe von vier Ziegen (ca. 5 GVE pro Hektare Wald, d. h., die Beweidung
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Wie wirken Geissen im Wald ? Die ertragskundlichen Bestandeskenndaten sind in Tabelle 1 zusammengestellt. In Abbildung 3 ist die Abnahme der Stammzahlen im Laufe der Jahre nach Durchmesserklassen wiedergegeben. Eine Abnahme erfolgt nur in den Klassen 2 ( 0 – 4 cm ) und 6 ( 4 – 8 cm ) und ist hauptsächlich auf die Ziegenweide zurückzuführen ; natürliche Mortalität kann aber nicht ganz ausgeschlossen werden. Die Verjüngung ( Durchmesserklasse 2 ) verschwand innert fünf Jahren weitgehend. Fichten und Ahorne sind vollständig verschwunden, weil die Ziegen die Stämme, bei Fichten sogar die Äste, schälten. Viele Bäume wurden verbissen, manchmal sogar die Gipfelknospe von bis 2,5 m hohen Bäumen. Fankhauser ( 1887 ) bezeichnet dieses « Kunststück » als « Niederreiten » : Schlanke Bäume werden mit den Vorderbeinen niedergedrückt und dann von unten bis zur Gipfelknospe abgeäst. Buchen, Linden und andere Laubhölzer wurden zu 60 bis 80 % reduziert. Bei den grösseren Durchmessern sind die Veränderungen gering. An Bäumen mit einem BHD ( d1.3 ) von mehr als 8 cm wurden nur wenige von den Ziegen verursachte Schäden festge-
2500
Durchmesser 0,0-4,0 cm
2000
1500
1000 Durchmesser 4,1-8,0 cm
2003
2001
1998
2003
2001
1999
1998
2003
2001
1999
0
1999
Durchmesser 8,1-12,0 cm)
500
1998
Stammzahl pro Hektare
war relativ intensiv) während insgesamt acht Wochen Zugang zum Wald. Während der ganzen Zeit hatten die Tiere die Wahl zwischen Weide und Wald. Der lokale Betreuer der Ziegen beobachtete, dass die Ziegen es offenbar vorzogen, im Wald zu weiden. Im Frühling 1999 wurden alle Bäume auf Schäden kontrolliert und die Vegetationsaufnahme wiederholt. 1999, 2000 und 2001 war der Wald für die Ziegen wieder für jeweils acht Wochen zugänglich und die Erhebung der Schäden und der Vegetation wurde 2001, die Durchmessererfassung der Bäume erst 2003 wiederholt.
Jahr
Fichte
Buche
Ahorn
Linde
übriges Laubholz
Reduktion der Anzahl lebender Bäume nach Baumarten zwischen 1998 und 2003.
stellt, hier v. a. an Ahornen und Linden. Grosse Fichten, Buchen und Eichen wurden von den Tieren nicht beeinträchtigt. Ziegen und Bodenvegetation Bei der Vegetation veränderte sich die Baumschicht nicht, die Strauchschicht aber dramatisch. Wie bei den Bäumen ist dies eine Folge des Schälens und des Verbisses. Die Veränderungen in der Krautschicht scheinen auf den ersten Blick ebenfalls nur mässig zu sein: Vor der Beweidung waren 53 Pflanzenarten vorhanden, nach drei Jahren 56. Allerdings sind zehn Arten verschwunden und 13 neue Arten hinzugekommen, hauptsächlich typische Wiesenarten. Die Beweidung führt also doch zu beträchtlichen Veränderungen. Folgerungen Wenn man das Fressverhalten der Ziegen kennt, sind die Ergebnisse dieses Versuches nicht erstaunlich : Ziegen fressen bevorzugt Bündner Wald 4/2013 35
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Probeflächengrösse: 500 m2
1998
1999
2001
Baumschicht : Höhe
m
27
27
28
Deckungsgrad
%
95
95
95
Artenzahl
N
7
7
7 1,46
1,46
1,46
Strauchschicht : Höhe
m
7
8
8
Deckungsgrad
%
40
30
25
Artenzahl
N
10
7
5 0,21
Shannon-Weaver-Index
0,38
0,24
Krautschicht : Höhe
cm
50
50
50
Deckungsgrad
%
15
20
20
Artenzahl
N
53
49
56
0,62
0,47
0,51
0
0
0
Shannon-Weaver-Index
Shannon-Weaver-Index Moose: Deckungsgrad
%
Ergebnisse der Vegetationserhebung. Der Shannon-Weaver-Index wird für die Quantifizierung des Biodiversität verwendet.
« von oben herab ». Gras und Kräuter werden erst in zweiter Linie gefressen. Die Veränderungen in der Krautschicht sind erheblich, aber unbedenklich, da in diesem Waldbestand keine gefährdeten Arten vorkamen. Falls solche vorhanden wären, müssten sie gegen die Abweidung durch Ziegen geschützt werden. Ziegen schädigen auch grosse Bäume ab ca. Stangenholz nicht. Dagegen verunmöglicht eine Beweidung mit Ziegen die Verjüngung. In Jungbeständen, in Beständen, die verjüngt werden sollen, oder in Plenter- und Dauerwäldern kann eine Beweidung mit Ziegen nicht zugelassen werden. Unsere Fallstudie bestätigt die alte Erkenntnis, dass Ziegen im Wald Schaden anrichten können ( siehe z. B. Fankhauser ). Es ist daher unzweifelhaft nötig, 1887 Ziegen im Wald unter Kontrolle zu halten, d. h. durch Zäunung oder durch eine Behirtung. Letztlich sind nicht die Ziegen für Schäden im Wald verantwortlich – sie tun
dort nur das, wie es ihre Art ist – sondern der Mensch, der die Ziegen im Wald nicht kontrolliert. Literatur Bebi P.; 1999 : Erfassung von Strukturen im Gebirgswald als Beurteilungsgrundlage ausgewählter Waldwirkungen. – Diss. ETH Zürich Nr. 13192 : 125 S. Fankhauser F.; 1887 : Die Bedeutung der Ziegenwirtschaft für die schweizerischen Gebirgsgegenden in forstlicher und in volkswirtschaftlicher Sicht. Ein Beitrag zur Lösung der rationellen Regulierung des Ziegenweidganges in den Hochgebirgswaldungen der Schweiz. Bern, Druck und Verlag von K. J. Wyss, 1887. 84 S. Gotsch N.; Finkenzeller N.; Beck J.; Bollier D.; Buser B.; Zingg A.; 2002 : Bedeutung und Zukunft von Waldweiden im Schweizer Alpenraum: Auswertung von Daten des Landesforstinventars und einer Befragung von Förstern. Zürich: Polyprojekt
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Primalp c / o Institut für Agrarwirtschaft. ( E rgebnisse des Komponentenprojektes H ). 32 S. Landolt E.; 1862 : Bericht an den hohen schweizerischen Bundesrat über die Untersuchung der schweiz. Hochgebirgswaldungen, vorgenommen in den Jahren 1858, 1859 und 1860. Bern, Weingart. 367 S. Keller W.; Wohlgemuth T.; Kuhn N.; Schütz M.; Wildi, O., 1998: Waldgesellschaften der Schweiz auf floristischer Grundlage. Statistisch überarbeitete Fassung der « Waldgesellschaften und Waldstandorte der Schweiz » von Heinz Ellenberg und Frank Klötzli ( 1972 ). Mitt. Eidgenöss. Forsch.anst. Wald Schnee Landsch. 73, 2 : 91 – 357.
Mueller-Dombois D., Ellenberg H., 1974 : Aims and methods of vegetation ecology. John Wiley & Sons, New York. 547 S. Andreas Zingg Eidg. Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft WSL 8903 Birmensdorf andreas.zingg @ bluewin.ch
Peter Kull Kanton Luzern ; Dienststelle Landwirtschaft und Wald Centralstrasse 33, 6210 Sursee peter.kull @ lu.ch
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Bündner Wald 4/2013 37
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Wald und Cervelathäute
Für Viehweide brandgerodeter Urwald im Amazonasgebiet bei Guayaramerin ( Bolivien ). (Bild: Oskar Hugentobler )
Wer im Forstdienst tätig ist oder war, kommt unweigerlich auch mit Agronomen, Landwirten, Viehhirten und anderen landwirtschaftlich engagierten Leuten in Kontakt. Je nach der Gegend, wo forstliche und landwirtschaftliche Interessen einander berühren, bestehen gegensätzliche, symbiotische oder sich belastende Ansichten und Auswirkungen. In Gegenden, wo Waldbesitz ein Standbein für das Einkommen des Landwirtes ist, herrscht eher eine freundlichere Gesinnung zum Wald und zu den Bäumen als dort, wo der Wald im öffentlichen Besitz ist. Die Werte der Feldgehölze als Windbrecher oder die Uferbestockungen zur Böschungssicherung werden kaum wahrgenommen. Die Möglichkeit der maschinellen Bewirtschaftung der Güter hat Vorrang. Der Schattenwurf von Bäumen und Wäldern auf Wiesen und Äcker ist oft ein Diskussionspunkt. Dem Landwirt, welcher sein Wohnhaus im Weidewald erstellen wollte, wurde sowohl von der Gemeinde wie von der Regierung dem Rodungsgesuch zugestimmt. Erst die Stellungnahme von der zuständigen eidgenössischen Behörde bewirkte, dass dieser Bauer sein Wohnhaus
ausserhalb des Waldes erstellen liess. Allerdings war der Forstdienst während einiger Jahre genötigt, gegen die Verwendung des Weidewaldes als Parkplatz für verschiedene Maschinen und Fahrzeuge Einsprache zu erheben. Es scheint, dass der Waldrand auch in neuerer Zeit ein geeigneter Ort für das Abstellen von Siloballen und Fahrzeugen ist, auch wenn keine Baubewilligung für diese Verwendung besteht. Bei Waldweide-Ausscheidungsprojekten wurde in der Regel versucht, Lösungen zu finden, die sowohl für die Landwirte als auch für die Waldbesitzer von Vorteil waren. Konnte ein solches Projekt realisiert werden, waren die Beteiligten mit dem Resultat in den meisten Fällen zufrieden. Es war aber auch möglich, dass das Projektstadium bereits das Endstadium war. Anordnungen der Regierung im vorletzten Jahrhundert konnten trotz mehrerer Anläufe nie realisiert werden. Es gab auch Fälle, bei denen die entscheidenden Ausscheidungsakten nicht mehr auffindbar waren, obwohl die Waldweideausscheidung im Gelände vermarcht worden ist. Die Belastung der Wälder mit einer starken Waldweide ist nicht nur ein Problem Viehweide im Gebüschwald oberhalb von La Paz ( ca. 4200 m ü. M ). (Bild: Oskar Hugentobler )
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in schweizerischen Gebirgsregionen. So ist bekannt, dass in den Bayrischen Saalforsten auf 60 Prozent der Waldfläche Weidebetrieb herrscht. Umgekehrt können Lösungen gefunden werden, bei denen das Miteinander von Landwirtschaft und Beweidung sinnvoll ist. Ein Beispiel sind Lärchenweidewälder, in denen zum Erhalt des Landschaftsbildes eine Beweidung erwünscht ist. Schwierig dabei ist lediglich die Verjüngung derselben. Oft fehlt das Verständnis der Weidebetreiber, dass die alten Lärchen durch Jungpflanzen ersetzt werden müssen. In Misiones ( Argentinien ) werden bewusst Weidewälder angelegt. Pinus-ellioti-Pflanzungen in Kombination mit Elefantengras in der Bodenvegetation haben sich bewährt. In Erinnerung bleibt mir die Information der bosnischen Forstkollegen, dass das Staatsoberhaupt Tito ein Ziegenherdeverbot erliess. So mussten Ziegenbesitzer die Tiere einzeln an Pfählen anbinden. Der Grund war, dass verschiedene dalmatinische Inseln Anfang des 20. Jahrhunderts von den Ziegen kahl gefressen worden sind und später nur mit grossen Schwierigkeiten wieder bewaldet werden konnten.
Beweidete Aufforstungsfläche oberhalb von Potosì ( Bolivien ca. 4200 m ü. M ). (Bild: Oskar Hugentobler )
Auch in Südamerika existieren Konflikte zwischen Wald und Landwirtschaft. Nur wenige Politiker oder Bewohner sind gewillt, Lösungen zu finden. Die Einzelinteressen sind zu gross. In der Berglandwirtschaft geht es vor allem um das Überleben der Landbevölkerung. Die einzige Möglichkeit zur Erweiterung der Bewirtschaftungsfläche ist das Abholzen und Umwandeln von Wald oder Gebüschwald zu Ackerboden oder Weideland. Dabei wird öfters brandgerodet. Auch Primärurwälder wer-
Erosion bei Samaipata ( Bolivien ca. 3000 m ü. M ).
Neue Rodungen und frisch angelegte Kulturen auf
(Bild: Oskar Hugentobler )
ehemaligen Waldböden. (Bild: Oskar Hugentobler )
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Waldrandgestaltung im Schams. (Bild: Oskar Hugentobler )
den nicht geschont. Über weite Landstriche bleibt nur noch ein schmaler Streifen von Primärwald längs der Flüsse. Die Versuche in hohen Lagen der Anden aufzuforsten scheitern oft am Unverständnis der Viehbesitzer. Der starke Verbiss der mühsam kultivierten Gehölze begrenzt, neben den schwierigen Bodenverhältnissen und den klimatischen Randbedingungen, die Erfolgsaussichten zusätzlich. In den tiefen Lagen von Bolivien und Brasilien im Einzugsgebiet des Amazonas sind andere Ursachen für die Zerstörung des Urwaldes zu suchen. Es scheint, dass das
Fleisch und die Därme von Vieh, welches hier im Gebiet des amazonischen Regenwaldes weidet, sich besonders gut für die Herstellung von Bündner Fleisch und Cervelathäuten eignen. Oft deuten nur noch einige wenige, verkohlte Baumstümpfe auf den zerstörten Primärurwald hin. Die langfristigen negativen Auswirkungen auf das Klima und die Erosion können nur erahnt werden. Die Bilder spornen uns an, zu unseren Gebirgswäldern Sorge zu tragen, allzu intensive Mehrfachnutzungen zu vermeiden und jede Bestockung zu begrüssen, die uns Schutz gewährt. Diese Art von Waldverständnis ist erforderlich, damit die Gefahr der Bodenerosion vermindert und die Qualität unseres Quellwassers erhalten werden kann.
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Landschaftsqualität in Graubünden
Vernetzung von verschiedenen Landschaftselementen. (Bild: Valentin Luzi )
Mit der neuen Agrarpolitik des Bundes ( A P 2014 – 17) können ab 2014 erstmals Direktzahlungen für Leistungen zugunsten der Landschaftsqualität auf der Landwirtschaftlichen Nutzfläche ( LN ) und im Sömmerungsgebiet ausgerichtet werden. Damit die Landwirtschafts- und Alpbetriebe von diesem neuen Projekt profitieren können, hat der Kanton Vorbereitungen getroffen, um eine kantonsweite Umsetzung möglichst schnell zu gewährleisten. Der Kanton Graubünden weist vielfältige Landschaftstypen auf. Diese auf engem Raum vorhandene Vielfalt macht Graubünden zu dem, was von der Bevölkerung, aber auch von Gästen sehr hoch geschätzt wird. Mit der neuen Beitragsart können durch die Landwirtschaft besonders regionale Eigenheiten erhalten und gefördert werden. Die Festlegung der Massnahmen erfolgt in Übereinstimmung mit der lokalen Bevölkerung und die Landwirte erhalten Unterstützung bei der Umsetzung.
Damit die Landschaft als auch alle Betriebe im Kanton Graubünden von diesem Programm profitieren können, wird die Massnahme möglichst flächendeckend umgesetzt. Eine Steuergruppe koordiniert für den ganzen Kanton die Umsetzung und unterstützt die Trägerschaften in dieser Projektphase. Durch das Gesamtkonzept über den Kanton Graubünden werden der Austausch zwischen den Regionen gefördert und Synergien genutzt. Die involvierten Ämter wie Raumplanung, Jagd und Fischerei, Natur und Umwelt, Wald und Naturgefahren können ihre Anliegen über die Begleitgruppe einbringen. Es wurden 17 Projektregionen ausgeschieden ( siehe Karte ). Die Ausscheidung der Projektperimeter erfolgte nach topografisch abgrenzbaren Landschaftskammern. Die im Kanton fast flächendeckend bestehenden Vernetzungsprojektgebiete zur Förderung der Biodiversität wurden zu grösseren Einheiten für die Landschaftsqualitätsprojekte zusammengefasst. Bündner Wald 4 /2013 41
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Die Trägerschaft für die einzelnen Projekte übernehmen die regionalen Bauernvereine. In Einzelfällen ist es auch eine Parkträgerschaft oder der Regionalverband, dem die Verantwortung übertragen wurde. Die Trägerschaften setzen für die Projekterarbeitung Projektgruppen ein. Zur Erarbeitung der Landschaftsziele und der Festlegung der Massnahmen in der Landschaft diskutiert die Projektgruppe dies mit Arbeitsgruppen. In den Arbeitsgruppen können neben Landwirten auch der Tourismus, der Park, der Forst, die Jagd und auch weitere Interessierte mitdiskutieren. Die Projektgruppen haben im Mai ihre Arbeit aufgenommen. Nach der Analyse der Landschaft werden die Ziele und Massnahmen so definiert, dass die regionalen Eigenheiten der verschiedenen Landschaften im Kanton Graubünden erhalten und gefördert werden.
Bis Ende Jahr müssen die Projektdossiers vorliegen, damit eine Umsetzung der Landschaftsqualitätsprojekte ab dem Jahre 2014 möglich wird. Wald- und Landschaftsqualität Vom Bund aus werden Massnahmen auf der Landwirtschaftlichen Nutzfläche, sprich Wiese, Weide und Ackerland sowie im Sömmerungsgebiet gefördert. Auf der LN handelt es sich um die Pflege von Einzelbäumen, Obstgärten, Hecken, Feldgehölzen oder Waldrändern, nicht aber um die Pflege des angrenzenden Waldes. Die Bestimmungen lassen es auch zu, Einwachsendes zu reuten, damit LN wieder gewonnen werden kann. Im Sömmerungsgebiet kann besonderer Pflegeaufwand, der Erhalt oder die Neuschaffung von Holzzäunen oder Holzbrunnen sowie das Räumen von Weiden, die vom Einwachsen bedroht sind, unterstützt werden. Welche Massnahmen gewählt werden, wird im Pro-
Übersicht der verschiedenen Projektperimeter (Bild: ALG)
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jekt festgelegt. Die Kosten der Projekterarbeitung werden vom Bund, vom Kanton und von den Gemeinden getragen. Deshalb ist auch erwünscht, dass in den Arbeitsgruppen oder an den öffentlichen Veranstaltungen alle Interessierten mitreden können. Umsetzung der Projekte Nach der Prüfung der einzelnen Projekte durch den Kanton und den Bund werden die vorgeschlagenen Massnahmen vertraglich mit den Bewirtschaftern festgelegt. Dies geschieht voraussichtlich im Sommer 2014 durch die Ökobüros, die auch in den Vernetzungsprojekten die Verträge abgeschlossen haben. Nach vier und voraussichtlich nach acht Jahren wird erneut eine
Diskussionsrunde geführt, worauf die Verträge angepasst werden können. Der Bund delegiert mit den Landschaftsqualitätsbeiträgen erstmals die Verantwortung an die Kantone bzw. die Regionen. Sie legen im Rahmen der Richtlinie das Landschaftsziel und die Massnahmen fest. Das ist für die Vielfalt im Kanton Graubünden als Chance zu werten.
Valentin Luzi Leiter Abt. Agrarmassnahmen Grabenstrasse 8, 7000 Chur valentin.luzi @alg.gr.ch
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Wohin mit Grünabfällen aus Weide- und Alpräumungen ? Nicht ausreichend trockene, natürliche Grünabfälle dürfen laut der eidgenössischen Luftreinhalte-Verordnung im Freien nicht verbrannt werden. Ein Verbrennen von Grünabfällen im Freien ist aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen sowie wegen der Brandgefahr nicht sinnvoll. Deshalb gilt, das anfallende Grünmaterial aus Wiesen-, Weide- und Alpräumungen grundsätzlich vor Ort verrotten zu lassen oder einer geeigneten Verwertung zuzuführen. Krautiges Material kann beispielsweise zu Komposterde verarbeitet und hölziges Material in der eigenen Holzfeuerung energetisch genutzt werden. Grünabfälle jeglicher Art können aber auch an dafür geeigneten Sammelstellen abgegeben werden, von wo sie einer Weiterverarbeitung zugeführt werden. Die Gemeinden sind verpflichtet, solche Grünsammelstellen einzurichten. Ausführlich über den richtigen Umgang mit Grünabfällen informiert das Merkblatt « Umgang mit Grünabfällen », welches auf der Webseite des Amtes für ANU ) zugänglich ist Natur und Umwelt ( ( h ttp : //www.gr.ch / d e / institutionen / verwaltung / e kud / a nu / p rojekte / a bfall / e ntsorgung / s eiten / u mgangmitgrünabfällen. aspx ). Weshalb ist das Verbrennen von Grün abfällen im Freien zu unterlassen ? Das Verbrennen von Grünabfällen belastet die Umwelt mit Feinstaub, Russ, Kohlenmonoxid und anderen Schadstoffen. Staub und Brandgase breiten sich über grosse Gebiete aus. Sie wirken geruchsbelästigend und fördern Herz- und Kreislaufbeschwerden sowie Lungenerkrankungen. Das Verbrennen von Grünabfällen zerstört zudem die oberste Vegetationsschicht mit ihrer Flora und Fauna sowie wertvolle Ausgangsstoffe für die Bildung von neuen Böden. Aus den genannten
1. Asthaufen zur Verrottung vor Ort sind Kleinbiotope für unzählige Kleintiere. (Bild: Andrea Kaltenbrunner ; ANU)
Gründen ist das Verbrennen von Grünabfällen im Freien grundsätzlich zu unterlassen. Ganz nebenbei bemerkt, produziert das Verbrennen von Grünabfällen im Freien zwischen fünf und zehn Prozent der gesamten jährlichen Feinstaubemissionen in der Schweiz ( Quelle : Feinstaub in der Schweiz, Eidgenössische Kommission für Lufthygiene EKL, Bern, 2007 ). Die Luftreinhalte-Verordnung ( LRV ) sieht in Art. 26a Abs. 2 lit. a zwar vor, dass natürliche Wald-, Feld- und Gartenabfälle im Freien ausserhalb von Anlagen verbrannt werden dürfen, wenn sie so trocken sind, dass dabei nur wenig Rauch entsteht. Im Falle von Räumungsfeuer hat die Praxis jedoch gezeigt, dass das Grünmaterial im Freien nicht ausreichend trocken wird, um diese Bedingung zu erfüllen. Zudem ist bei sehr trockenen Bedingungen das Entfachen eines Feuers wegen der dann herrschenden Flur- und Waldbrandgefahr auch nicht verantwortbar. Wohin mit Grünabfällen aus Weideund Alpräumungen ? Verrottung vor Ort : Grünabfälle sind flächig liegen zu lassen oder zu Asthaufen aufzuschichten. Dadurch werden wertvolle Böden erzeugt und wichtige Nährstoffe freigesetzt.
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Zudem entwickeln sich Asthaufen rasch zu Kleinbiotopen mit unzähligen Lebewesen. Die Asthaufen sind so zu platzieren, dass das Weidevieh diese nicht wieder verteilt. Sollten Asthaufen im Wald oder am Waldrand gelagert werden, so hat dies in Absprache mit dem Förster zu erfolgen ( Bild 1). Materielle Verwertung : Grünabfälle können kompostiert oder gehäckselt werden. Mit dem Kompostieren bilden sich neue, nährstoffreiche Erden. Gehäckseltes Material lässt sich zur Erhaltung der Struktur dem Kompost zugeben. Energetische Verwertung : Gut ausgetrocknet können natürliche Wald- und Baumabfälle in der eigenen Holzheizung verbrannt oder in geeigneten Holzfeuerungsanlagen ( z. B. AXPO TEGRA in Domat/Ems ) energetisch verwertet werden. Entsorgung : Grünabfälle und Äste können auf Kompostieranlagen oder auf Sammelstellen für Grünabfälle abgegeben werden. Von dort werden sie der weiteren Verwertung zugeführt. Wann darf doch verbrannt werden ? Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Verbrennen von nicht ausreichend trockenen Grünabfällen im Freien zweckmässig oder notwendig sein. Der Gesetzgeber hat in Art. 26a Abs. 2 lit. b der Luftreinhalte-Verordnung dies so geregelt, dass die zuständige kantonale Behörde im Einzelfall das Verbrennen von nicht ausreichend trockenen Wald-, Feld- und Gartenabfällen bewilligen kann. Für Grünabfälle aus Weide- und Alpräumungen müssen für eine Bewilligung vom Amt für Natur und Umwelt ( ANU ) folgende Voraussetzungen erfüllt sein : – es dürfen keine übermässigen Immissionen entstehen – es besteht ein übergeordnetes Interesse am Verbrennen des Grünabfalls
2. Ablaufschema für Schlagabraum, Astmaterial, Laub und Grünschnittgut (Bild: ANU )
– das Entfernen der Grünabfälle ist aus Sicherheitsgründen notwendig – das Gelände, in welchem die Grünabfälle anfallen, ist schwer zugänglich, und ein Abtransport ist unverhältnismässig Unter übergeordnetem Interesse können die Offenhaltung von Wiesen und Weiden Bündner Wald 4/2013 45
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Natur und Umwelt prüft die Gesuche und erteilt die Bewilligungen, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die Gemeindebehörden, die kantonalen Fachstellen, die Polizei und die Feuerwehr werden auf elektronischem Wege über bewilligte oder abgelehnte Gesuche in Kenntnis gesetzt.
4. Nicht allzu grosse Haufen und das Anzünden von oben verringern die Rauchentwicklung. (Bild: ANU )
Wie wird mit einer Bewilligung richtig verbrannt ? Beim bewilligten Verbrennen von Grünabfällen gilt es, verschieden Regeln zu beachten : – nur angetrocknetes Material verbrennen, kein Grünschnitt – Material flächig antrocknen lassen und nicht auf Haufen schichten – Material am Verbrennungstag zusammennehmen und in kleineren Mengen verbrennen – allfällige Haufen vor dem Anzünden wegen des Artenschutzes umschichten – keine Brandbeschleuniger verwenden, Haufen von oben und nicht von unten anzünden ( vgl.: http : // w ww.fairfeuern.ch ) – kein Abbrand bei starkem Wind, Nebel oder Regen – keine Verbrennungsaktionen bei allgemeinen oder lokalen Feuerverboten
im Namen des Natur- und Landschaftsschutzes sowie das zwingend notwendige Entfernen des Grünabfalls aus landwirtschaftlichen Weide- und Alpflächen verstanden werden. Ein Verbrennen kann jedoch nur in schwer zugänglichen Gebieten, wo der Abtransport nicht oder nur mit ei- 5. Korrekt: Astmaterial erst vor dem Anzünden zu nem unverhältnismässigen Aufwand mög- kleinen Haufen aufschichten. (Bild: ANU ) lich ist, begründet werden. Das abgebildete Ablaufschema ( Bild 2 ) stellt dar, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um eine Bewilligung zur Verbrennung von natürlichen Abfällen aus Wald, Feld und Garten zu erhalten. Die entsprechenden Gesuchunterlagen finden sich auf der Webseite des Amtes für Natur und Umwelt. Die Gesuche sind schriftlich auf elektronischem Wege einzureichen. Das Amt für 46
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6. Falsch: Übermässige Rauchemissionen ( zu feuchter Haufen ). (Bild: ANU )
– Feuer überwachen und am Schluss fachgerecht und vollständig löschen – Sicherheitsabstände zu Wald und Gebäuden einhalten Die gängige Praxis, Grünabfälle auf Haufen zu schichten, um sie später anzuzünden, hat sich nicht bewährt. Die Haufen trock nen nur schlecht, denn der Abbauprozess bildet Feuchtigkeit, welcher im Innern zu rückbleibt. Zudem nisten sich rasch viele Kleinstlebewesen ein. Ein Anzünden setzt ein Umschichten voraus ( vgl. Bild 5 ). Ältere Haufen lassen sich aber nur sehr schlecht umschichten. Deshalb empfiehlt es sich, das zu verbrennende Material zum Antrock nen flächig liegen zu lassen und erst vor dem Anzünden zu Haufen aufzuschichten. Dabei sollten die Haufen nicht allzu gross sein. Das Anzünden von oben verringert die Rauchentwicklung ( vgl. Bild 4 ). Diese kann jedoch nie ganz vermieden werden. Vor allem in der Anzündphase entsteht sichtbarer Rauch, welcher bei Erreichen der optimalen Verbrennungstemperatur beina he verschwindet. Zu diesem Zeitpunkt kann weiteres Material ohne grössere Rauchent wicklung nachgelegt werden. Mit einer Bewilligung ist grundsätzlich eine gewisse Rauchentwicklung erlaubt. Wer den jedoch Laub, Reisig oder ein mit Gras
oder Sträuchern durchwachsener Haufen verbrannt, muss mit übermässigen Rauch emissionen gerechnet werden ( vgl. Bild 6 ). In diesen Fällen schützt die Bewilligung nicht vor einer Anzeige. Um allfälligen An zeigen entgegentreten zu können, werden als spezielle Auflage vom Gesuchsteller Fo tos verlangt, welche die Situation vor, wäh rend und nach dem Abbrand dokumentie ren ( vgl. Bild 5, 7 und 8 ). Zusätzlich wird verlangt, dass der Gesuchsteller ein Tag vor der Verbrennungsaktion dies der Einsatz K apo ) und zentrale der Kantonspolizei ( dem ANU meldet. Mit dieser Auflage soll ein unnötiges Ausrücken von Kapo und Feuerwehr mit Kostenfolge für den Ge suchsteller vermieden werden. Erfahrungen nach einem Jahr Bewilligungspraxis Die Bewilligungspraxis ist seit 1. Mai 2012 in Kraft. Sämtliche Gemeinden im Kan ton wurden damals schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt. Im letzten Jahr wurden insgesamt 51 Gesuche eingereicht, wovon fünf ( 10 % ) abgelehnt werden mussten. Die Gründe dafür waren die unmittelbare Nähe zu bewohntem Gebiet mit entsprechend guter Erschliessung, fehlendes übergeord netes Interesse und die nicht nachgewiesene 7. Korrekt: Raucharme Verbrennung mit kleinen Haufen. (Bild: ANU )
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8. Erfolgreiche Verbrennungsaktion. (Bild: ANU )
Dringlichkeit des Entfernens. In den wenigen, abgelehnten Fällen konnte eine einvernehmliche Lösung mit den Gesuchstellern gefunden werden. Die meisten Gesuche betrafen das Räumen von Alp- und Heimweiden ( 71 % ), welche teilweise durch die Förster begleitet wurden, indem sie die Gesuche ausfüllten und einreichten. Sie konnten alle bewilligt werden, ebenso wie die zwei phytosanitarischen Massnahmen wegen Feuerbrand. Im Jahr 2013 wurden bis Anfang Juli knapp 40 Gesuche behandelt. 85 % wurden bewilligt. Die Verbrennungsaktionen werden mehrheitlich rechtzeitig gemeldet ; das unaufgeforderte Einreichen der Fotos harzt dagegen. Dennoch kann nach gut einem
Jahr eine positive Bilanz gezogen werden. Die Bewilligungspraxis hat für alle Beteiligten klare Spielregeln geschaffen. Unnötige Verbrennungsaktionen können vermieden werden. Situationen, wo nur mittels Abbrand ein begründetes und notwendiges Entfernen der Grünabfälle möglich ist, werden transparent gemacht. Zudem sind Feuerwehr und Polizei über allfällige Verbrennungsaktionen informiert und können so zielsicher falsche von echten Feueralarmen trennen. Weiterführende Informationen unter : www.anu.gr.ch und www.wald.gr.ch
Andrea Kaltenbrunner Dipl. Forstingenieur ETH Amt für Wald und Naturgefahren Loestrasse 14, 7000 Chur. andrea.kaltenbrunner @awn.gr.ch
Georg Thomann Dr. sc. techn., Umwelting. ETH Amt für Natur und Umwelt Gürtelstrasse 89, 7000 Chur georg.thomann @anu.gr.ch
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Die Bewirtschaftung der Kastanienselven
Beweidung mit Eseln in der Kastanienselve La Mola in Castaneda, Calanca. (Bild: Th. Käthner)
Die Kastanienselven sind eine typische Land- und Forstwirtschaftsstruktur und prägen das Landschaftsbild der Südtäler Graubündens. Die Selven sind mit Kastanienbäumen bestockt, welche für die Produktion von Früchten dienen. Der Bestockungsgrad ist niedrig, sodass genügend Licht vorhanden ist und damit das Gras nachwachsen kann. Die Selven sind nicht zu verwechseln mit der Niederwaldbewirtschaftung ( Kasta), welche nienbäume mit Stockausschlag rein der Produktion von Holz dient. Über Jahrhunderte hinweg haben die Selven eine wichtige multifunktionale Rolle in der Lebensmittelversorgung ( Lebensgrundlagen im ländlichen Raum ) übernommen : Sie lieGrasschnitt und ferten Kastanien, Futter ( Beweidung sowie im Schatten getrocknet Blätter ), Streu und Holz. Pilze und Beeren sowie Pollen und Nektar für die Bienen waren weitere nützliche Nebenprodukte. Während der Zeit, in der die Kastanien in der Versorgung ihren Höhepunkt erreicht hatte, konnte man 100 Tage im Jahr diese Frucht mittags oder abends auf den Tellern finden. In der italienischen Mundart der Südtäler wird der Kastanienbaum als « Arbol » ( Baum ) bezeichnet – der Baum par excellence. Leider ist besonders in der Nachkriegszeit die Bewirtschaftung der Kastanienselven nach
und nach vernachlässigt worden, sodass diese schnell verwaldeten. Ende der Siebzigerjahre waren in Italienischbünden nur noch wenige bewirtschaftete Flächen vorhanden – vorwiegend im Bergell und in Brusio. Die übrigen Selven verwaldeten schnell. Dank des neuen Interesses an der Kastanienkultur sowie dank der Anerkennung der sehr hohen ökologischen und landschaftlichen Bedeutung der Selven wurden in den letzten zwanzig Jahren viele Kastanienhaine durch forstliche Projekte wiederhergestellt. Die Gewährleistung einer angemessenen Bewirtschaftung der Kastanienselven ist genauso wichtig wie die Wiederherstellung und der Unterhalt der Haine. Sie würden sonst in wenigen Jahren wieder einwachsen und verwalden. Zusammen mit Forstdienst und Landwirten hat sich die « A ssociazione Grasschnitt in der Kastanienselve von Soazza. (Bild: Luca Plozza)
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dei castanicoltori della Svizzera Italiana » ( Gesellschaft der Kastanienpfleger der Itali enischen Schweiz ) bemüht, landwirtschaft liche Beiträge mit entsprechenden Richt linien für die Bewirtschaftung der Selven zu erhalten. Seit 1999 werden diese vom Bund offiziell als landwirtschaftliche Nutzungsflä chen ( LWN ) anerkannt. Die landwirtschaft lichen Betriebe, welche die Selven pflegen, werden mit Direktzahlungen entschädigt. Zurzeit gilt dies als einzige Ausnahme, in der eine Forstwirtschaftszone gleichzeitig einer LWN zugewiesen werden kann. Heute befinden sich in Italienischbünden mehr als 100 ha Kastanienselven. Dank des Einklangs der forstwirtschaftlichen ( Wiederherstel lungsprojekte ) und der landwirtschaftlichen Interessen konnte dies erreicht werden ! Darstellung der Kastanienernte während des Mittelalters. Frescogemälde in der Kirche Santa Maria del Castello in Mesocco. (Bild: Luca Plozza)
Die Bewirtschaftung der Kastanienhaine kann in zwei Hauptkategorien unterteilt werden : Wiesenbewirtschaftung und Wei debewirtschaftung. Die Wiesenbewirtschaftung findet vor allem auf jenen Standorten statt, auf denen die Bodenmorphologie günstiger, die Bodenbe deckung der Kastanienbäumen lockerer ( viel Licht auf dem Boden ) und besondere ökologische Ziele vorgesehen sind (z. B. die Biodiversität des Rasenteppichs zu fördern ). Dieses Bewirtschaftungsmodell ist viel in tensiver und aufwendiger als die Weide bewirtschaftung. Aus diesem Grund werden diese Flächen als ökologische Ausgleichsflä chen in den Vernetzungskonzepten aner kannt und entsprechend entschädigt. Die Beweidung der Selven ist üblich und wird mit verschiedenen Tierarten ausge übt. Vorwiegend sind Ziegen und / oder Schafe anzutreffen. Es gibt aber auch Esel, Rind oder Schottisches Rindvieh. Nach der Beweidung ist in den Zonen mit ungenü gendem Beweidungsdruck ein Reinigungs schnitt nötig. Auch bei der Weidebewirt schaftung ist es wichtig, den ökologischen Aspekt zu gewährleisten. Dies geschieht durch Bewirtschaftungsverträge, in denen Beweidungsdruck sowie Beweidungszeit geregelt werden. Ziel ist es, ein Gleichge wicht zwischen Beweidung und Biodiver sität zu finden. Gewisse Blumen ertragen beispielsweise keinen zu hohen Bewei dungsdruck. Gleichzeitig muss aber – wie bereits erwähnt – eine Verwaldung der Kastanienselven verhindert werden. Da es sich gesetzlich um Waldareal handelt, sind Düngen, Unkrautbekämpfung sowie Zu fütterung untersagt. Die Arbeitsqualität wird durch den landwirt schaftlichen Kontrolldienst des Kantons Graubünden zusammen mit dem Forst dienst überwacht.
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Kleinere Selven werden auch direkt von den Eigentümern und nicht von landwirtschaftlichen Betrieben gepflegt. Die Kastanienernte ist auch ein Bestandteil der Selvenpflege. Kastanien sind ein ausgezeichnetes lokales Produkt, welches Tausende von Anwendungsmöglichkeiten findet : Von gerösteten Maronen bis zu Tagliatelle aus Kastanienmehl. Im Bergell und in Brusio sind die Kastanien schon seit jeher geerntet und verkauft worden. In der Mesolcina ist jedoch erst jetzt ein Wertschöpfungsprojekt für die einheimischen Kastanienfrüchte in der Realisierungsphase. In das Projekt sind viele Akteure einbezogen wie Forstdienst, regionaler Verkehrsverein, Park Adula, Slow Food Schweiz, Zivildienst
usw. Im Herbst ist die Ernte der Kastanien und im Winter die Verarbeitung und Produktion der Nischenprodukte vorgesehen. Die Bewirtschaftung der Kastanienselven ist ein Paradebeispiel wie Forst- und Landwirtschaft miteinander kooperieren und somit eine traditionelle land- und forstwirtschaftliche Kulturlandschaft mit einer vielfältigen Biodiversität erhalten bleibt.
Luca Plozza Amt für Wald und Naturgefahren Centro regionale dei servizi CH-6535 Roveredo luca.plozza @awn.gr.ch
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9. Jahresversammlung von Graubünden Wald Untertitel Grundschrift
(Bild: Sandro Krättli )
Medieninfo – 9. Jahresversammlung von Graubünden Wald in Haldenstein Mai, führte der Verein Am Freitag, 31. Graubünden Wald ( GRWa ld ) seine Jahresversammlung in Haldenstein durch. Nebst den üblichen Traktanden waren diesmal wieder Wahlen fällig und es wurde ein Positionspapier der Kommission zur Förderung der Berufsinteressen des Bündner Forstpersonals ( F OPEKO ) zu den Auswirkungen von Gemeindezusammenlegungen auf die Bündner Forstbetriebe vorgelegt. Im Rahmen der Wahlen für die nächste dreijährige Amtsperiode musste ein Ersatz für den zurücktretenden Hanspeter Weber, Fachlehrer für Forstnutzung und Forsttechnik am Bildungszentrum Wald Maienfeld, gefunden werden. Vorgeschlagen und als neues Vorstandsmitglied gewählt wurde der 34-jährige diplomierte Förster und Leiter des Forstbetriebes Valsot Gisep Rainolter. Unter Mitteilungen präsentierte Grossrat Daniel Buchli als Präsident der FOPEKO von GRWald ein drei Seiten umfassendes Positionspapier zum Thema « Gemeindezusammenlegungen und Bestrebungen zur Vergrösserung der Bewirtschaftungseinheiten in den Bündner Forstbetrieben ». Darin bringt die FOPEKO eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber den laufenden und unumgänglichen Strukturbereinigun-
gen zum Ausdruck. Sie zeigt aber auch wichtige Aspekte auf, welche aus der Sicht des Waldes und des Forstpersonals bei der Umsetzung in den Forstbetrieben der Gemeinden berücksichtigt werden sollen. Die FOPEKO hofft, mit diesem Papier den Entscheidungsträgern eine kleine Hilfe bei der Entscheidungsfindung bieten zu können. Für konkrete Fragen wird empfohlen, von guten Beispielen zu lernen und externe Beratungsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Das Positionspapier kann unter www.graubuendenwald.ch bezogen werden. Nach dem Mittagessen wurde den Versammlungsteilnehmern unter der Leitung des Gemeindepräsidenten Robert Giger und des Waldfachchefs Jürg Gasser als krönender Abschluss eine höchst interessante Führung zu den beiden Windkrafta nlagen in Haldenstein geboten. Dabei beeindruckten die Referenten Jürg Michel von Calandawind und Patrick Richter von der Agile Wind Power AG mit ihren mutigen Projekten und ihrem Enthusiasmus. Chur, 1. Juni 2013
Beat Philipp Präsident Graubünden Wald Bündner Wald 4 /2013 55
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Forstfachtagung in Bad Reichenhall Untertitel Grundschrift
Exkursion « Jagd ist Waldbau » mit sichtbarem Resultat. (Bild: Sandro Krättli )
Der Bayerische Forstverein richtete in diesem Jahr die alle drei Jahre stattfindende Schutzwaldtagung der Arbeitsgemeinschaft Alpenländischer Forstvereine aus. Die zweitägige Veranstaltung zum Thema «Nachhaltige Forstwirtschaft im Hochgebirge« fand vom 27. bis 28. Juni in Bad Reichenhall statt und beschäftigte sich mit der Bewirtschaftung des Bergwaldes im bayerischen Alpenraum. Daran teilgenommen hat auch eine kleine Bündner Delegation. Teil der kleinen Bündner Delegation beim Konsum von einheimischen Produkten (Bild: Maria Lerch )
Der erste Tag war neun Vorträgen vorbehalten, unter anderem zu den Themen: Vom Fichtenwald zum Naturwald, Grossraubtiere und ihre Bedeutung im Schutzwaldmanagement sowie nachhaltige Forstwirtschaft im Körperschafts-, Privat- und Staatswald des Hochgebirges. Am zweiten Tag wurden 14 verschiedene Exkursionen angeboten, die aufzeigten, wie vor Ort der Bergwald bewirtschaftet wird, welche Probleme auftreten und welchen Beitrag die Wissenschaft zur Bergwaldbewirtschaftung leistet. Die Palette an Themen reichte über Wegebau im Gebirge, Erhaltung genetischer Vielfalt in den Bergwäldern, praktische Forstwirtschaft im Spannungsfeld vielfältiger Interessen bis hin zu neuen Wegen im Schutzwald management. Als roter Faden durch viele Problemstellungen zogen sich die ungelösten Fragen zum Gleichgewicht von Wald und Wild. Bayerischer Forstverein
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Comic Theo & Heinz
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FSC verlangt stärkere jagdliche Eingriffe in den Hirschbestand
Hirschansammlung im Prättigau (Bild: Sandro Krättli )
Wald und Wild beunruhigen die SELVA aus der Sicht der Jagdbetriebsvorschriften 2013 und den vorgelegten Ergebnissen der FSCWaldzertifizierung nach den abgeschlossenen diesjährigen externen Audits. Die Wildschäden haben in einigen Gebieten in Graubünden Stand erreicht. Es muss verlangt werden, dass die Jagd und der Forstdienst einen wirksamen Beitrag leisten. Der Handlungsspielraum für die Bejagung des Hirsches darf keinesfalls eingeschränkt werden. Die Bejagung des Hirschwildes muss gezielte Reduktionen herbeiführen. Weil der Zustand kritisch ist, müssen die Waldeigentümer aufgefordert werden, sich intensiv mit dieser Problematik auseinanderzusetzen. Wald / Wild ist wieder ein wichtiges Thema der Waldeigentümer geworden. In Graubünden verursachen die Wildschäden unterschiedliche Probleme, teilweise sogar den Ausfall einzelner Baumarten. Der Forstdienst und die Jagd zusammen können helfen, diese Probleme zu lösen. Der Kanton hat mit den Jagdbetriebsvorschriften neue Signale gesendet und ist vom zweistufigen Jagdmodell überzeugt. Die Veränderungen am Konzept sind erkennbar und werden von der SELVA getragen. Für das anpassungsfähige und fortpflanzungsfreudige Hirschwild soll damit erst ein Bestandeswachstum ver-
mieden werden. Der SELVA-Vorstand ist der Ansicht, dass der Hirschbestand in absehbarer Zeit auf maximal 10 000 Tiere reduziert werden muss. Eine artgerechte Reduktion fordert weitere flexible Massnahmen im Jagdsystem. Einschränkende Massnahmen für die Bejagung wie z. B. die Ablehnung des Zweistufenmodells dürfen nicht toleriert werden. Die Umsetzung der Volksinitiative zur Abschaffung der Sonderjagd verhindert das Zweistufenmodell und ist deshalb aus der Sicht der Waldeigentümer abzulehnen. Die SELVA anerkennt die Bündner Hirschjagd als Erfolgsmodell schlechthin. Mit grossem Aufwand werden jährlich die Bestände erhoben. Danach werden aus der Planung regionsweise die Abschusspläne hergeleitet. Wenn Planung und Abschuss ( aus Hochjagd und Sonderjagd ) in den Regionen stark abweichen, werden in den nächsten Jahren automatisch systemgarantierte Korrekturen folgen. Wie in der Waldwirtschaft unterstehen die jagdlichen Massnahmen einer nachhaltigen Entwicklung, welche eine Grundbedingung für das Ökosystem Wald und Wild darstellt. Leider sind die Hirschbestände in den letzten Jahren wieder kontinuierlich angestiegen und haben in diesem Frühjahr die Grenze von 15 000 Tieren erreicht. Die externen Sichtbarer Einfluss von Schalenwildarten auf die Waldvegetation (Bild: Sandro Krättli )
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Audits der FSC-Waldzertifizierung haben aufgezeigt, dass der Lebensraum teilweise übernutzt wird und dass es vermehrt zu Konflikten mit der Waldwirtschaft kommt. In einigen Revieren ist die Wilddichte gebietsweise zur natürlichen Verjüngung vor allem bei der Weisstanne gemäss FSC-Richtlinien nicht mehr tragbar. Demnach muss der Bestand reduziert und stabilisiert werden. Das kantonale Amt für Jagd und Fischerei bearbeitet das Thema Wild intensiv, trotz Einnahmen der Jagdpatentgebühren resultiert ein jährlicher Aufwandsüberschuss. Darin sind sehr geringe Positionen für Waldschäden enthalten. Trotzdem hat das Wild ein unbestrittenes Gastrecht im Wald. Schäden an jungen Waldbäumen werden auch
toleriert. Wo sie kritische Werte übersteigen, muss über Jagdeingriffe verstärkt reguliert werden. In erster Linie muss die Wirkung des Waldes gegen Naturgefahren im Schutzwald erhalten werden. In Graubünden schützen zwei Drittel des Waldes vor Naturgefahren. Durch Wild geschädigte Waldbestände führen auch zu grossen Schäden in der Waldwirtschaft. Aus diesen Gründen müssen Jagd- und Waldorgane in Zukunft in der Zielsetzung und Massnahmenanordnung für die Jagdplanung vermehrt zusammenarbeiten. SELVA, Landquart, 12. Juli 2013 Leo Thomann, Präsident Paul Barandun, Geschäftsführer
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In memoriam Gian Paul Caratsch Nachruf alt Revierförster Gian Paul Caratsch, 1940 bis 2013 Am 21. Oktober 1940 ist Gian Paul Caratsch geboren und zusammen mit seinem jüngeren Bruder Alex im Hotel Scaletta in S-chanf aufgewachsen. Nach dem Besuch der Primar- und Sekundarschule in S-chanf absolvierte Gian Paul das zehnte Schuljahr im Lyceum Alpinum in Zuoz. Anschliessend war er in Scuol als Knecht bei einem Landwirt angestellt und besuchte daraufhin die Landwirtschaftsschule am Plantahof in Landquart. Es folgte die Rekrutenschule beim Train. Seine grosse Leidenschaft waren die Pferde, welche er als Arbeitstiere und auch reiterisch sehr gut beherrschte. Doch bald musste er den Beruf und vor allem seine Pferde wegen einer aufgetretenen asthmatischen Allergie aufgeben. Da er sehr naturverbunden war, besuchte er die nötigen Kurse und bildete sich zum Revierförster aus. Im Jahre 1962 heiratet er Erna Duschletta aus Zernez. Die junge Familie wird durch die Geburt von Zwillingen und später noch mit einem Sohn gesegnet. Das Leben und der Zusammenhalt in der Familie sind für Gian Paul das kostbarste Gut. Auf zahlreichen Wanderungen und so oft wie möglich begleiten ihn Familienmitglieder in die S-chanfer Wälder und in der freien Natur. Im Jahre 1964 ist Gian Paul Caratsch als Hilfs-Revierförster der Gemeinde S-chanf unter alt Revierförster Nuot Tschander angestellt worden. Während der folgenden zwei Jahre befasste er sich vor allem mit der Inventarisierung ( Vollkluppierung ) der grossflächigen Waldungen der Gemeinde S-chanf, um im Jahre 1966 dann die Führung des Forstbetriebes mit der Sägerei in Chapella von seinem Vorgänger zu übernehmen. Zu jener Zeit waren die erwirtschafteten Reingewinne des Forst- und Sä-
gereibetriebes die Haupteinnahmequellen der Gemeinde S-chanf! Mit den Reingewinnen konnten zahlreiche Infrastrukturund Integralprojekte, die Jungwaldpflege und schwierigere Holzschläge mittels Seilkraneinsatz realisiert werden. Von 1964 bis 2004 hat Gian Paul Caratsch als Revierförster der Gemeinde S-chanf gedient. In dieser Zeit wurden 83 000 m3 Holz geschlagen. Der durchschnittliche Reingewinn für die Jahre 1966 bis 1997 beträgt 66 976 Franken / Jahr für den Forstbetrieb und 21 143 Franken / Jahr für die Sägerei Chapella. Neben dem positiven, finanziellen Aspekt für die Gemeinde ist vor allem das waldbauliche Resultat für die Allgemeinheit sehr bedeutungsvoll : Die nachhaltige Nutzung des Zuwachses der S-chanfer Waldungen hat gut verjüngte, stufige, vitale und stabile Schutz-, Nutz-, Weide- und Erholungswaldungen zur Folge gehabt, welche Einheimische wie Gäste gleichermassen erfreuen. In den vier Jahrzehnten fand viel Wandel statt. So erlebte Gian Paul Caratsch insgeBündner Wald 4 /2013 61
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samt zwei Regionalforstingenieure ( früher Kreisförster genannt ), sieben Gemeindepräsidenten und zehn Waldfachvorsteher. Er bildete elf Forstwartlehrlinge aus, wovon sich fünf zum Revierförster weitergebildet haben. Er hatte mit in- und ausländischen Waldarbeitern, Fuhrleuten, Akkordanten, Sägern, Hilfsarbeitern, Bau-, Transportund Heli-Unternehmungen zu tun. Gian Paul Caratsch hat sich für zahlreiche Ämter zur Verfügung gestellt und war stark in der Gesellschaft und in Vereinen integriert. Nebst Bergsteigen, Ski fahren als patentierter Skilehrer, Langlaufen, Ski- und Bergtouren, Velofahren und Blechmusik war das Lawinenhundewesen eine Hauptleidenschaft von Gian Paul. Er hat vier Schäferhunde ausgebildet, die berühmten Lawinenhundeführerkurse auf dem Berninapass geführt und geprägt und sogar zwei Verschüttete lebend aus Lawinen geborgen ! Im Jahr 1958 ist er der societed da musica da S-chanf beigetreten und war bis zum Schluss aktives Mitglied. In dieser Zeit hat er verschiedene Blasinstrumente gespielt, ganz zuletzt seinen Es-Bass – sein wohl liebstes Instrument. Der societed da musica S-chanf diente er gut 20 Jahre im Vorstand. Neben seinem Beruf und seinen Hobbys amtete er auch einige Jahre als Verkehrsvereins- und Bürgergemeindepräsident. Nach seiner Pensionierung war er im Gemeinderat S-chanf tätig. Beim Zieleinlauf des Engadin-Skimarathons war Gian Paul Caratsch jedes Jahr aktiv dabei. Die Lawinenkommission Zuoz und die Rettungsgruppe der SAC-Sektion Bernina haben vom profunden Wissen Gian Pauls
über Schnee, Lawinenbildung und -rettung profitieren können. Dem Schreibenden werden die zahlreichen schönen Stunden in guter Gesellschaft mit Humor, Gesang und Witzen ( auch älte) stets ren Datums oder Wiederholungen in bester Erinnerung bleiben ! Neben der Fröhlichkeit war der Verstorbene indessen stets bereit, Ämter ( Vorstand Selva und BFV ) und Verantwortung im Alltags- und Berufsleben zu übernehmen. Er schätzte gute Zusammenarbeit und gegenseitigen Respekt, die romanische Kultur, die Natur und das schöne Engadin ! Auf den 1. Januar 2004 wurde Revierförster Francesco Pietrogiovanna als Nachfolger gewählt und Gian Paul Caratsch übte bis Ende 2005 nur noch die Aufsicht über die Pfadfinder-Zeltplätze in Flin, die Koordination mit dem Militär ( Flablager ) und die Markierung des Wanderwegnetzes als Abschlusstätigkeiten aus, um ab dem 1. November 2005 in den wohlverdienten Ruhestand zu treten. Am 3. Juni 2013 erhielten wir die völlig unerwartete traurige Nachricht vom tödlichen Unfall von Gian Paul Caratsch im Laviner Bügls, oberhalb S-chanf. Ein kompetenter Forstkollege, ein liebenswürdiger, zuverlässiger Freund und Bergkamerad mit gutem Geist und viel Humor ist leider von uns gegangen. Der Trauerfamilie Caratsch sprechen wir im Namen des Forstdienstes des Kantons Graubünden unser herzliches Beileid aus. « Ch´el posa in pêsch ! » Giachem Bott, Regionalforstingenieur AWN 7524 Zuoz
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Vorschau «Bündner Wald» Oktober 2013 Vorschau « Bündner Wald » Oktober 2013
Vorschau auf die nächste Nummer :
« Wald und Politik » Ursprünglich hatte der Wald wohl einzig als Grundlage für das nackte Überleben zu dienen und insofern hatten alle mehr oder weniger die gleichen Ziele mit und für den Wald. Später änderte sich dies und die Menschheit hatte nach und nach unterschiedliche Ansprüche an den Wald und daher auch entsprechende Ziele. Unsere Wälder durchliefen Epochen, in denen ihnen fast ausschliesslich das ( kurzfristige ) industrielle Denken den Stempel aufdrückte. Heute sind es sehr verschiedene Gesellschaftsgruppen, welche ihre Ansprüche an den Wald geltend machen möchten. Daraus und in Verbindung mit Erkenntnissen aus der Forschung versuchen wir heute, eine weitsichtige( re ) Waldpolitik zu betreiben als eben damals.
Dezember 2013 : Naturgefahrenmanagement in Graubünden Redaktion : Sandro Krättli
Redaktion : Jörg Clavadetscher Herausgegeben von Graubünden Wald, Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden und der SELVA. Verleger: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Christophe Trüb, Bahnhofplatz 1, CH-7302 Landquart, Telefon + 41 (0) 81 300 22 44, buendnerwald @ selva-gr.ch Redaktoren: Jörg Clava detscher, Revier forestal da Val Müstair, CH-7535 Valchava, Telefon + 41 (0) 81 858 58 21, forestal-muestair @ bluewin.ch. Sandro Krättli, AWN GR, Sagastägstrasse 96, CH-7220 Schiers, Telefon + 41 (0) 81 300 24 11, sandro.kraettli @ awn.gr.ch. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in nicht verlangter Form ohne Rückfrage zu ändern Druckvorstufe (Satz, Lithos, Belichtung) : Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, Antonin Friberg Druck: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, Postfach 508, Kasernenstrasse 1, CH-7007 Chur, Telefon + 41 (0) 81 255 51 11, Fax + 41 (0) 81 255 52 89. Erscheint sechsmal jährlich. Auflage 1700 Exemplare Inserate: Südostschweiz Publicitas AG, Neudorfstrasse 17, CH-7430 Thusis, Telefon + 41 (0) 81 650 00 70, Fax + 41 (0) 81 650 00 74, thusis@so-publicitas.ch Abonnementspreise: CHF 60.– (für Mitglieder Verein Graubünden Wald) Abonnemente/Adressänderungen: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Presse, Postfach 508, Administration, Kasernenstrasse 1, CH-7007 Chur, Telefon + 41 (0) 81 255 50 50, www.buendnerwald.ch Für Inseratetexte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung, auch muss die Meinung der Beiträge nicht mit der Ansicht der Redaktoren übereinstimmen. Autoren, die zu obenstehenden Themen publizieren möchten, sind herzlich eingeladen, ihre Vorschläge der Redaktion einzureichen.
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