Bündner
Wald
Jahrgang 70 | August 2017
«Boden – Grundlage des Waldes»
BUWA1704_001 1
20.07.17 08:18
ANZEIGE
DIE KOMPETENTE STIMME AUS DEM SCHWEIZER WALD
n Besuche er d n Sie uns a se. s e Forstm Halle 2 3 t S and D0
www.waldschweiz.ch Wald-News, Agenda und Hintergründe
WaldShop Fachsortiment zu fairen Preisen
«WALD und HOLZ» Die führende Fachzeitschrift
Ökonomie Know-how für Management und Holzmarkt
Ausbildung Praxisnahe Aus- und Weiterbildungskurse
WaldSchweiz | Rosenweg 14 | Postfach | 4501 Solothurn T +41 32 625 88 00 | info@waldschweiz.ch | www.waldschweiz.ch
BUWA1704_002 2
20.07.17 08:18
Inhalt
«Boden – Grundlage des Waldes» Editorial.................................................. 4 Der Waldboden – kostbar, unentbehrlich, gefährdet............................. 5
Wie geht es den Böden in der Schweiz?..................................... 10 Häufigste Bodentypen in Graubünden...................................... 16 Bodenschutz bei der Waldbewirtschaftung...................... 21 Vorbildlicher Bodenschutz im Wald........ 27 Bodennutzung der Schweiz – langsamer, aber steter Wandel............... 31
Stickstoffeinträge in Wäldern................. 37 Von ingenieurbiologischen Massnahmen zur Schutzwaldpflege............... 43 Waldameisen in Graubünden................. 50 Ein neues Buch über Insekten im Wald.................................. 57 Waldknigge – Sammler und Jäger.......... 59 Weckruf zur Rettung der Tanne............. 60 Lehrabschlussfeier der Forstwarte GR /FL in Scharans............... 62 Vorschau «Bündner Wald» Oktober 2017....................................... 63
Titelbild: Der Sandschnurfüsser (Ommatoiulus sabulosus) lebt in der Streuschicht von Wäldern. (Bild: Beat Wermelinger) Bild Inhaltsverzeichnis: Waldboden als Produktionsgrundlage auf der Lenzerheide. (Bild: Marco Hartmann) Bündner Wald 4/2017 3
BUWA1704_003 3
20.07.17 08:18
Editorial
Als bodenständig bezeichnen wir uns gerne. Doch was sich unter unseren Füssen im Waldboden verbirgt, ist uns deswegen wohl nicht ständig präsent. Dies wäre nicht weiter schlimm, wenn wir mit der Bewirtschaftung der Wälder nicht einen derart grossen Einfluss auf die Waldböden hätten. Neben der mechanischen Belastung lenken wir mit waldbaulichen Eingriffen Licht auf Böden oder fördern leider auch deren Erosion. Jährlich mühen sich die drei Träger dieser Zeitschrift ab, eine gute fachliche Themenwahl für sechs «Bündner Wald»-Ausgaben zu finden. Da mag es erstaunen, dass in den letzten 20 Jahren der Waldboden nie als Schwerpunkt gewählt wurde. Höchste Zeit also, wenn man bedenkt, wie sich andere Themen in dieser Zeitspanne bereits mehrfach wiederholten, ohne dass sich unsere Waldböden erholten. Die Bedeutung der Böden für unsere Existenz gerät immer mehr in den Fokus von gesellschaftlichen und politischen Diskus sionen der Schweiz. Die wichtigste Einstiegsgrösse ist aktuell die Verknappung als Ressource oder schlicht als Produktionsgrundlage. In der engen Schweiz ein Zankapfel, in anderen Regionen der Welt längst ein existenzieller Kampf unter Volksgruppen oder Nachbarn. Der Blickwinkel auf Böden ist vielseitig. Gerade mit der forstlichen Optik ist dies für mich oft verwirrend. Betrachtet man den ökologischen Aspekt eines Waldbodens, eröffnet sich schier ein neues Universum von Lebewesen, Wechselwirkungen und Einflüssen, in welches man am liebsten maulwurfartig eintauchen will. Schauen wir auf die ökonomische
edeutung, zerfällt ein ökologisch unB schätzbares Gut zu einem Billigprodukt, welches zu Ramschpreisen verscherbelt wird – ein Franken pro Quadratmeter gilt bereits als Traumpreis. Wechselt man in die Vogelperspek tive, wird die flächige Ausdehnung doch wieder zum wirtschaftlichen Faktor für die Holzproduktion – und für andere Landnutzer zu einem wuchernden grünen Monster, welches es zu bändigen gilt, weil es Landwirtschaftsfläche und Bauland frisst. Will man all diese Themenfelder öffnen, sprengt es den Rahmen einer Sondernummer. Dies ist bereits mit dieser Ausgabe geschehen. Einzelne Texte mussten gekürzt werden, Literaturangaben und ein spannendes Interview wurden auf unsere Homepage verschoben und Vereinsmitteilungen auf die aktuellsten Ereignisse reduziert. Trotzdem bleibt eine umfangreiche Ausgabe zum Thema «Boden – Grundlage des Waldes». Der Fokus ist auf die Waldböden gelegt, um das Interesse und das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen zu wecken. Bei der Schonung der Waldböden lohnt es sich, genauer hinzuschauen und Massnahmen abzuleiten oder auch einzelne Eingriffe bleiben zu lassen. Schonen oder einmal verzichten kann bodenständig und weitsichtig zugleich sein.
Sandro Krättli, Redaktor Bündner Wald Bahnhofplatz 3B, CH-7302 Landquart sandro.kraettli@awn.gr.ch
4
BUWA1704_004 4
20.07.17 08:19
Der Waldboden – kostbar, unentbehrlich, gefährdet Waldböden erfüllen zahlreiche Funktionen, welche die Grundlage für Leistungen bilden, die das Ökosystem Wald für den Menschen erbringt. Funktionsfähige Böden entstehen aus dem Muttergestein in Tausenden von Jahren, ihr Verlust durch Versiegelung oder Erosion ist unwiderruflich. Durch Verdichtung, Übernutzung, Erosion oder atmosphärische Einträge kann die Funktionalität der Böden beeinträchtigt werden. Die Waldbewirtschaftung kann einiges zur Vermeidung und Regeneration solcher Beeinträchtigungen beitragen. Wollen wir den Boden unter unseren Füssen verstehen, machen wir uns am besten ein Bild von ihm. Dazu müssen wir ein Loch graben und eine Profilwand präparieren (Abb. 1). Dem geübten Bodenkundler erzählt das so entstandene Bild die Entstehungsgeschichte des Bodens, verrät ihm etwas über seine Eigenschaften und gibt erste Hinweise darauf, wie es ihm geht. Abb. 1: Bodenprofil in der Fläche des LWF (Langfristige Waldökosystemforschung, WSL) bei Lausanne. (Foto: Pierre Sulser, WSL)
1. Wie ein Boden entsteht Boden entsteht aus Gestein, deshalb spricht man auch von Ausgangs- oder Muttergestein. Die kombinierte Wirkung von Wasser und Sonne, insbesondere das Eindringen von Wasser in Klüfte und anschliessendes Gefrieren und Auftauen, führt zunächst zu einer physikalischen Zerkleinerung des Gesteins. Die ersten Lebewesen, die sich auf den Gesteinsbrocken ansiedeln, sind Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Algen. Sie sind in der Lage, die im Gestein enthaltenen Nährstoffe durch chemische Verwitterung freizusetzen. Zudem vermögen einige den in der Luft vorhandenen Stickstoff zu fixieren und so in den entstehenden Boden einzubringen. Die Mikroorganismen machen so den Boden für die Ansiedlung von Pflanzen und höheren Bodentieren bereit. Damit sind dann alle Akteure an Bord, die dazu beitragen, dass ein Boden in seiner spezifischen Ausprägung entsteht. Unter dem Einfluss der bodenbildenden Faktoren Ausgangsgestein, Klima, Organismen und der modifizierenden Wirkung des Reliefs (Höhe, Exposition, Neigung, Geländeform) entsteht mit der Zeit durch eine Vielzahl teilweise ineinandergreifender Verwitterungs-, Umwandlungs-, Gefügebildungs- und Verlagerungsprozesse der Boden, den wir nach Freilegung des Bodenprofils vor uns sehen. Die Zeit ist vielleicht der wichtigste bodenbildende Faktor überhaupt. Während die ersten Schritte bis zur Ansiedlung der ersten Pflanzen noch in für uns überschaubaren Zeiträumen von Jahren bis Jahrzehnten geschehen, dauert es in der Regel sehr lange, bis sich ein Boden mit den im folgenden Abschnitt beschriebenen Eigenschaften und den damit verbundenen Funktionen gebildet hat. In der Schweiz sind die meisten Böden rund 10 000 Jahre alt, denn ihre Entwicklung begann mit der Freilegung des Bündner Wald 4/2017 5
BUWA1704_005 5
20.07.17 08:20
Abb. 2: Vielfalt der Waldböden in der Schweiz (Einzelprofilbilder aus Walthert et al. 2004, Blaser et al. 2005 und Zimmermann et al. 2006)
Muttergesteins nach dem Rückzug der Glet scher am Ende der letzten Eiszeit. Eine Zeit reise in die Geburtsstunde unserer Böden erlauben heute Gebiete in den Alpen, wo sich in den letzten 150 Jahren die Gletscher zurückgezogen haben. Beispielsweise am Dammagletscher in der Zentralschweiz, wo Forscher der ETH und der WSL die initialen Phasen der Bodenbildung im Detail unter sucht haben (Bernasconi et al. 2011), oder am Morteratschgletscher im Engadin, wo die Universität Zürich ihre Untersuchungen durchführte (Egli et al. 2006). In der Schweiz mit ihrer heterogenen Geo logie und ihrem Klima und dem für ein Gebirgsland charakteristischen, stark prä genden Relief ist so eine grosse Vielfalt an unterschiedlichen Böden entstanden (Abb. 2). Eine repräsentative Auswahl von ca. 100 Böden ist in den drei Bänden «Wald böden der Schweiz» beschrieben (Walthert et al. 2004, Blaser et al. 2005, Zimmermann et al. 2006). 2. Der Boden erfüllt vielfältige Funktionen Boden ist ein poröser Körper, dessen Poren raum entweder mit Luft oder Wasser gefüllt
ist. Wasser wird wie in einem Schwamm durch Poren unterschiedlicher Grösse ver schieden stark festgehalten. Während grobe Poren für eine ausreichende Belüftung des Bodens wichtig sind, fliesst Wasser durch diese rasch ab. Umgekehrt wird Wasser in den feinsten Poren durch Kapillarkräfte so stark gebunden, dass es für die Pflanzen nicht verwertbar ist. Für die Wasserversor gung der Pflanzen und die Zwischenspei cherung von Wasser nach Starkniederschlä gen ist deshalb der Anteil an mittleren Poren besonders wichtig. Die feste Stützmatrix besteht einerseits aus mineralischen Be standteilen – Überbleibsel bzw. Umwand lungsprodukte des Muttergesteins – und andererseits aus organischer Substanz. Bei dieser, auch Humus genannt, handelt es sich um Abbau- und Umwandlungsprodukte von Pflanzenresten (Laubstreu, Totholz, abge storbene Wurzeln) sowie um tote Mikroor ganismen und Bodentiere. Die charakteristische Grössenverteilung der Poren sowie die chemische Beschaffenheit der Matrix-Oberflächen bestimmen weitge hend die Eigenschaften eines Bodens und damit seine Fähigkeit, die nachstehend be schriebenen Funktionen zu erfüllen. Dabei stützen wir uns auf die vom BAFU verwen deten Definitionen der Bodenfunktionen (BAFU 2011) und legen sie spezifisch für den Waldboden aus. Für die Waldbewirtschaf tung wohl am wichtigsten ist die Produk tionsfunktion, welche beschreibt, wie gut ein Boden den Pflanzen als Wurzelraum die nen kann. Wie gut lässt er sich durchwur zeln? Stellt er Wasser und Nährstoffe zur Verfügung? Verleiht er den Bäumen Stabili tät und ermöglicht er ein standortangepass tes, natürliches Wachstum? Ausdruck der Lebensraumfunktion ist die für einen Boden charakteristische Vielfalt (Biodiversität) an 3). Sowohl die in Bodenlebewesen (Abb.
6
BUWA1704_006 6
20.07.17 08:20
Abb. 3: Der Boden lebt! Enchyträen, 5 – 30 mm grosse Verwandte der Regenwürmer, kommen in feuchten Oberböden in grosser Anzahl von 5000 bis 100 000 Individuen pro Quadratmeter vor. (Foto: Marco Walser, WSL)
«kleinerer» Anzahl von insgesamt tausend bis zehntausend Exemplaren pro Liter Boden vorhandene Meso-, Makro- und Megafauna (z. B. Milben, Asseln, Regenwürmer) als auch die in bis zu 1014 Individuen pro Liter Boden vorkommenden Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Geisseltiere, Fadenwürmer) sind von Bedeutung. Die enorm grosse Diversität der Mikroflora (Bakterien, Archaeen, Pilze) beginnt sich erst jetzt mit der Verfügbarkeit entsprechend leistungsfähiger Methoden zu erschliessen (Frey et al. 2015). Von grösster Bedeutung für uns Menschen sind die verschiedenen Regulationsfunktionen. Die vorübergehende Rückhaltung und Speicherung von Wasser nach Starkniederschlägen im Porenraum des Bodens reduziert die Gefahr von Hochwasser. Die Filterung des Wassers vor dem Eintritt ins Grundwasser und in Oberflächengewässer sorgt für eine Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Dabei binden die reaktiven Oberflächen der Bodenmatrix Schadstoffe und puffern versauernde Einträge. Die Speicherung von Kohlenstoff im Humus hilft, die Kohlendioxidkonzentration in der Atmo sphäre zu reduzieren. Um die Fähigkeit eines Bodens, diese regulierenden Funktionen wahrzunehmen, zu beurteilen, ist es wichtig, den Boden als durchwurzelten und belebten Körper zu betrachten. Die Wurzeln
sind wichtige Poren- und Humusbildner und verändern die Oberflächeneigenschaften des Bodens in ihrer Nähe. Grössere Bo denlebewesen wie die Regenwürmer sind weitere bedeutende Ökosystemingenieure, welche die Struktur des Bodens massgebend beeinflussen. Mikroorganismen sind die Motoren der stofflichen Umsetzungen von Nähr- und Schadstoffen im Boden. 3. Der Waldboden ist gefährdet Obschon Wälder in der Schweiz in der Regel nur extensiv genutzt werden, kann die Fähigkeit von Waldböden, die oben beschriebenen Funktionen zu erfüllen, durch menschliche Aktivitäten beeinträchtigt werden. An vorderster Stelle steht hier die Bodenverdichtung, welche aufgrund unsachgemässer Ausführung der Holzernte, aber auch durch Freizeitaktivitäten wie Biken verursacht werden kann. Hierbei werden der Porenraum und insbesondere der Anteil an Grob- und Mittelporen verkleinert. Die Konsequenzen können eine niedrigere Wasserverfügbarkeit für die Pflanzen, eine ver ringerte Wasserrückhaltung nach Starkniederschlägen sowie wegen der geringeren Durchlüftung eine erhöhte Freisetzung von potenten Treibhausgasen wie Lachgas und Methan sein (Abb. 4). Die WSL engagiert sich in der Vermittlung von verdichtungsminimierenden Massnahmen bei der Holzernte (Lüscher und Frutig, dieser Band; Lüscher et al. 2016). Bodenverletzungen, die auf die gleichen menschlichen Aktivitäten zurückgeführt werden können, insbesondere eine damit verbundene Zerstörung der Vegetationsdecke und der Wurzelverflechtungen in der Humusauflage, machen den Boden anfällig für Erosion. Auch können ein vorübergehend beschleunigter Abbau der Humusauflage zu Nährstoffverlusten und erhöhter Freisetzung des Treib hausgases Kohlendioxid führen und damit Bündner Wald 4/2017 7
BUWA1704_007 7
20.07.17 08:20
Regulierungsfunktionen beeinträchtigen. Atmosphärische Einträge können mit den Oberflächen der Bodenmatrix reagieren und umsetzungen beeinflussen, mikrobielle Stoff was unter anderem Bodenversauerung und Nährstoffungleichgewichte zur Folge haben kann. Dadurch können die Nährstoffversorgung der Pflanzen, die Lebensbedingungen für Bodenlebewesen sowie die Filter- und Klimaregulationsfunktion des Bodens beeinträchtigt werden (Keller et al., dieser Band). 4. Schlussfolgerungen und die Rolle der Waldbewirtschaftung Waldböden erfüllen zahlreiche Funktionen, welche die Grundlage bilden für Leistungen, welche das Ökosystem Wald für den Menschen erbringt. Dazu zählen nicht nur die Holzproduktion, sondern insbesondere auch der Schutz vor Hochwasser, die Gewährleistung von sauberem Trinkwasser sowie die Regulierung des Treibhausgases Kohlen dioxid. Eine gute Porenstruktur, reaktive Oberflächen und ein aktives Bodenleben sind die Voraussetzungen dafür, dass der Boden diese Funktionen erfüllen kann. Ein diesbezüglich optimaler Boden ist tiefgründig, gut durchwurzelt, unverdichtet und hat eine hohe Kapazität, versauernde atmosphärische Einträge abzupuffern. Während die Bodenbildung Jahrtausende benötigt, Abb. 4: Bodenverdichtung in Fahrspur; die blaue Färbung zeigt Sauerstoffmangel im Bereich mit verkleinertem Porenraum an. (Foto: Marco Walser, WSL)
wurden Böden in den letzten Jahrzehnten durch unsachgemässe Bewirtschaftung oder durch Bautätigkeit in kurzer Zeit zerstört. Dieser Verlust ist also in für uns relevanten Zeiträumen unwiderruflich. Die Regenera tion verdichteter Böden geht etwas schneller, wir sprechen aber immer noch von mehreren Jahrzehnten. Durch Befolgung von Leitlinien zur bodenschonenden Holzernte kann der Forstdienst deshalb viel zum Erhalt der Bodenfunktionalität beitragen. Mit geeigneter Baumartenwahl kann unter Umständen sogar eine Verbesserung der Funk tionalität erreicht werden. So können Baum arten mit dichtetoleranten Wurzeln wie die Erle die Regeneration von Bodenverdichtungen beschleunigen, solche mit gut abbaubarer Streu wie der Ahorn können der Versauerung des Bodens entgegenwirken, und Baumarten mit tief reichendem Wurzelwerk wie die Tanne oder die Eiche bewirken einen umfassenderen Nährstoffkreislauf, wodurch insbesondere auch Nährstoffverluste durch Auswaschung minimiert werden. Referenzen Ein genaues Literaturverzeichnis zu diesem Artikel finden Sie auf der Homepage www. buendnerwald.ch. Dr. Jörg Luster Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111 CH - 8903 Birmensdorf joerg.luster @ wsl.ch
Dr. Stephan Zimmermann Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111 CH - 8903 Birmensdorf
stephan.zimmermann @ wsl.ch 8
BUWA1704_008 8
20.07.17 08:20
ANZEIGE
0
NT
50
JA
IE
Auf gewünschte Längen ab Lager zu verkaufen. Lagerplatz: RhB-Station Davos Wolfgang
HRE GARA
Wasserabläufe Kauft diese mit dem Qualitätszeichen!
Jürg Hämmerle
Seewiesenstrasse 11 7260 Davos Dorf www.juerghaemmerle.ch
Telefon/Fax 081 416 14 86 Natel 079 683 79 11
HOCHBAU TIEFBAU TRANSPORTE SCHWERTRANSPORTE KUNDE NMAURERSERVICE
Darüber hinaus bieten wir individuelle Lösungen für: • • • • • • • •
Verankerte Stützwände Arbeiten am hängenden Seil Felsräumungen Sprengarbeiten Hangsicherungen Steinschlagverbauungen Lawinenverbauungen Anker- und Vernaglungsarbeiten / Mikropfähle / Litzenanker • Inklinometer • Sondier- und Abtastbohrungen • Gunit- und Spritzbetonarbeiten Ihr Partner für höchste Ansprüche: www.vetsch-klosters.ch info@vetsch-klosters.ch Telefon 081 422 14 48
BUWA1704_009 9
20.07.17 08:20
Wie geht es den Böden in der Schweiz? Über das landesweite Ausmass von Bodengefahren und über das Leistungsvermögen der Böden bestehen in der Schweiz grosse Wissenslücken. Aus punktuellen Untersuchungen wird deutlich, dass unsere Böden nicht nachhaltig genutzt werden. In der Raumplanung haben wir seit 1985 über 85 000 ha Böden versiegelt. Für einen wirksamen Bodenschutz und eine ressourcenschonende Raumplanung sind fundierte und flächendeckende Informationen über die Verteilung und Eigenschaften von Böden unerlässlich. Noch sind wir in der Schweiz weit davon entfernt. Einleitung In der Schweiz stehen die Böden in einem enormen Spannungsfeld von verschiedensten Nutzungsansprüchen, besonders im Mittelland, wo sich die fruchtbarsten und wertvollsten Böden für die Landwirtschaft befinden und gleichzeitig der Siedlungsdruck sehr hoch ist. Die Ressource Boden ist knapp, in der Schweiz verfügen wir nur über rund 0,14 ha Ackerfläche pro Kopf, damit sind wir zusammen mit der Niederlande Schlusslicht in Europa. Der Selbstversorgungsgrad in der Schweiz beträgt lediglich 50 bis 60%. Der Boden erfüllt neben der Produktionsfunktion für Land- und Forstwirtschaft auch zahlreiche andere ökologische und ökonomische Funktionen. Er lagert, filtert und transformiert Wasser, Nähr- und Schadstoffe und ist gleichzeitig der zweitgrösste Kohlenstoffspeicher und Lebensraum der Biodiversität in unserer Umwelt. Diese Leistungen, die der Boden im Kreislauf der Natur und im Dienste des Menschen erbringt, werden mit dem Begriff Bodenfunktion umschrieben (Abb. 1). Die Bodenfunktionen umfassen die Multifunktionalität der Böden mit ihren vielfältigen Regelungs-, Produktions- und Le-
bensraumfunktionen sowohl für Landwirtschafts- als auch für Waldböden. Diese Dienstleistungen erbringt der Boden quasi umsonst, es besteht deshalb kein Markt. Mit ein wesentlicher Grund, warum der Boden in Politik und Gesellschaft bislang kaum wahrgenommen wird. Erst wenn der Boden nicht mehr «funktioniert», wird es deutlich, was es uns kostet, diese Dienstleistungen wiederherzustellen oder technisch zu ersetzen (TEEB 2012) beispielsweise mit der technischen Aufbereitung von Trinkwasser wegen erhöhter Nitrat- und Pestizidrückstände im Grundwasser. Die Ressource Boden ist knapp und nicht erneuerbar, und beeinträchtigte Böden können nicht oder nur mit grossem finanziellen Aufwand wiederhergestellt werden. Der vorsorgliche Bodenschutz setzt sich daher zum Ziel, die Funktionen der Böden als Bestandteil des Naturhaushalts zu erhalten. Landesweite Bodeninformationen erforderlich Die Bodenkartierung dient der Erfassung der räumlichen Verbreitung der Böden, ihres Aufbaus und ihrer Eigenschaften. Mit bodenkundlichen Erhebungen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen wird die Verbreitung von Bodentypen, deren Eigenschaften und Standortbedingungen nach einheitlichen Standards erhoben, wie beispielsweise Bodentypen, Ausgangsgesteine der Bodenentwicklung, Bodenarten, Grundwasser- und Staunässeverhältnisse sowie der Nährstoffhaushalt. Bodeninformationen sind gegenwärtig aber nur in wenigen Kantonen flächendeckend vorhanden, denn der Bund hob 1996 den damaligen landwirtschaftlichen Bodenkartierungsdienst auf. Bisher wurde nur etwa ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz kartiert (Grob et al. 2015).
10
BUWA1704_010 10
20.07.17 08:49
Abb. 1: Böden sind sehr variabel und vielfältig und können je nach Bodeneigenschaften und Bodenaufbau in unterschiedlicher Weise Bodenfunktionen erfüllen (links: tiefgründige Braunerde an einem Acker standort, rechts: Pseudogley mit vernässten Bodenhorizonten ab 60 cm Tiefe an einem Graslandstandort). Bilder: G. Brändli und U. Zihlmann, Agroscope.
Auch Waldböden wurden bisher auf kantonaler Ebene, von einzelnen Gebieten in den Kantonen ZH, SO, BL und VD abgesehen, kaum kartiert (BGS 2014). Zum Vergleich: Österreich hat alle seine Ackerböden kartiert (Massstab 1:25 000), für Deutschland liegen flächendeckend mindestens 1: 50 000 Bodenkarten vor. Im Rahmen von Forschungsprojekten wurden über die Jahre an der WSL rund 2000 Bodenprofile von Waldböden der Schweiz erhoben (Walthert et al. 2004). Dieser wertvolle Datensatz gibt die chemisch-physikalischen Eigenschaften der Waldböden an gut untersuchten Wald standorten wieder und wurde u. a. von Nussbaum et al. (2014) dazu verwendet, um landesweite Humusvorräte in Waldböden abzuschätzen.
Ein erster Schritt für eine bessere Verfügbarkeit von Bodendaten wurde mit der Digitalisierung und Aufarbeitung älterer analoger Bodendaten unternommen, die zwischen 1960 und 1996 in der Schweiz durch die damalige nationale Kartierungsinstitution erhoben wurden (Grob et al. 2015). Ein wichtiger zweiter Schritt wurde mit dem Aufbau und Betrieb des Nationalen Bodeninformationssystems NABODAT (www.nabodat.ch) erreicht. Mit dieser Fachapplikation können Bund und Kantone seit 2012 in der Schweiz vorhandene Bodendaten verwalten, zusammenführen und für den täglichen Gebrauch abrufen. Über NABODAT ist seit 2017 ein nationaler Datensatz frei verfügbar, gegenwärtig enthält dieser Bodendaten von 9600 Bodenprofilen aus 18 Kantonen (Abb. 2). Bündner Wald 4/2017 11
BUWA1704_011 11
20.07.17 08:49
Mittelfristig sollen weitere verfügbare Bodendaten aus Bodenkartierungen hinzukommen (Rehbein et al. 2017). Auch auf europäischer und globaler Ebene werden derzeit Anstrengungen unternommen, Bodendaten zusammenzuführen und verfügbar zu machen wie beispielsweise im Rahmen der «Global Soil Partnership»-Initiative der FAO (www.fao.org/global-soilpartnership). Bodengefahren Bodengefahren werden durch den Menschen verursacht und beeinträchtigen die Multifunktionalität des Bodens. Mit der Bodenversiegelung wird der Boden bei der Erstellung von Infrastrukturen wie zum Beispiel
Abb. 2: In der Schweiz sind bisher lediglich für rund einen Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche die Böden kartiert. Die Punkte geben die Profilstandorte aus Bodenkartierungen von Acker- und Grasland wieder, wie sie gegenwärtig öffentlich verfügbar sind (Datensatz Version 2 NABODAT). Der Datensatz ist noch nicht vollständig und wird laufend mit den Profilen von weiteren Kantonen erweitert (dunkelbraun: Tal- und Hügelzonen, hellbraun: Bergzonen). Quelle: www.nabodat.ch
Gebäuden und Strassen versiegelt. In den Jahren 1983 bis 2009 gingen in der Schweiz pro Sekunde 1,1 m² Landwirtschaftsfläche inklusive Alpwirtschaft verloren. Dies entspricht einem Areal von 85 000 ha – in etwa der Grösse des Kantons Jura. In den letzten zehn Jahren sind 292 km2 Kulturlandfläche verloren gegangen. Dies entspricht etwa der Fläche des Kantons Schaffhausen. Über das Ausmass der Bodenverdichtung durch Befahrung der Böden mit schweren Maschinen sowohl im Wald als auch auf Landwirtschaftsflächen gibt es bisher nur punktuell Erkenntnisse. Bei der Verdichtung der Böden wird das Porenvolumen und damit der Lufthaushalt und die Durchlässigkeit der Böden vermindert. Hierdurch wird das Bodenleben stark beeinflusst und das Pflanzenwachstum eingeschränkt. Mit dem web-basierten Tool Terranimo® (www.terranimo.ch) steht den Landwirten zwar ein Instrument für die Berechnung des Bodenverdichtungsrisikos zur Verfügung, flächenhaft mangelt es aber in der Umsetzung an bodenmechanischen Informationen wie Porenvolumen und Textur. Bei der Bodenerosion wird Oberboden abgetragen, wodurch die Bodenfruchtbarkeit geschädigt wird. In der Schweiz wurden mit der landesweiten Erosionsrisikokarte im 2 × 2-m-Raster (ERK2) wichtige Grundlagen geschaffen, um gezielte Massnahmen für den Schutz der Böden vor Erosion ergreifen zu können. Die ERK2 ist auf dem Geoportal des Bundes verfügbar (geo.admin.ch), gibt das Risiko einer möglichen Erosion unabhängig von der tatsächlichen Kultur vor Ort wieder und wird gegenwärtig aktualisiert. Im Lauf seiner Entwicklung unterliegt jeder Boden einer natürlichen Versauerung. In bearbeiteten Böden wirkt die Gabe von Hilfsmitteln wie einigen Düngern oder Kalk dieser Versauerung entgegen. Waldböden,
12
BUWA1704_012 12
20.07.17 08:49
die nicht bearbeitet werden, können jedoch beträchtlich versauern. Diese Entwicklung wurde in den letzten Jahrzehnten durch die Emission von versauernd wirkenden Substanzen verstärkt und kann zu Nährstoffungleichgewichten sowie ungünstigen bodenchemischen und -biologischen Verhältnissen führen. Durch Reduktion der Schadstoff emissionen des Verkehrs und der Heizungen konnte in den vergangenen Jahren die negative Entwicklung etwas gebremst werden. Es bedarf aber noch verstärkter Anstrengungen vor allem in der Landwirtschaft zur Reduktion der Stickstoffemissionen. Weitere wichtige Bodengefahren stellt der Verlust der organischen Bodensubstanz (Humusverlust) und der Bodenbiodiversität dar. Der Humusgehalt im Boden kann durch eine unangepasste Fruchtfolge und eine intensive Landnutzung, welche mit der Bewirtschaftung wenig Kohlenstoff in Form von Zwischenkulturen und organischem Dünger zuführt, über die Zeit stark abnehmen. Im NABO-Messnetz wurde für Ackerstandorte, die überwiegend in der Fruchtfolge einen hohen Anteil an Kunstwiesen aufweisen, eine leichte Abnahme bis Ende der 1990er-Jahre und anschliessend eine leichte Zunahme verzeichnet (Gubler et al. 2015). Über den Zustand der Böden bezüglich Bodenbiologie und einer möglichen Veränderung bzw. Abnahme der Bodenbiodiversität wurden in den letzten Jahren verschiedene Studien begonnen (Hug et al. 2015), hier steht die Forschung aber erst noch am Anfang. Die Kontamination der Böden durch Schadstoffeinträge ist seit den 1980er-Jahren im Zentrum des Interesses gewesen. Schadstoffe in Böden stammen häufig aus Indus trie, Landwirtschaft und Verkehr und werden entweder diffus über die Luft oder lokal durch die Bewirtschaftung der Böden einge-
tragen. Im NABO-Messnetz wurden für intensiv genutztes Grasland steigende Konzentrationen von Zink und Kupfer über 25 Jahre im Oberboden beobachtet. Starke Zunahmen wurden durch den Einsatz von Hofdünger verursacht, bedingt durch die verwendeten Futterzusatzmittel in der Tiermast mit relativ hohen Kupfer- und Zink gehalten (Gubler et al. 2015). Auch viele kantonale Studien zu Schwermetallgehalten in Oberböden von landwirtschaftlich genutzten Böden oder Familiengärten belegen die Anreicherung von Schadstoffen, aber auch Nährstoffen in unseren Böden. Überdies stellen Einträge von Pestiziden und deren Rückstände in Böden oder Einträge von Antibiotika über Hofdünger potenzielle GeANZEIGE
• Bodenschutzkonzepte für Wald und Landwirtschaft • Bodenkundliche Baubegleitung • Rekultivierungen und Begrünungen • Beratung Neophyten
Nemos Anstalt
Ingenieurbüro für Wald, Natur und Umwelt Kornweg 1 9490 Vaduz Tel. 079 654 68 78 www.nemos.li Bündner Wald 4/2017 13
BUWA1704_013 13
20.07.17 08:49
fahren für den Boden dar. Über die langfristigen Auswirkungen solcher organischen Stoffe in Böden ist bisher nur wenig bekannt. Mit rund 1 Mio. Hektare landwirtschaftlicher Nutzfläche, auf denen pro Jahr Nahrungsmittel im Wert von 4 Mrd. Franken produziert werden, und einer zusätzlichen Fläche von rund ½ Mio. Hektare Sömmerungsgebiete kommt der Landwirtschaft in der Schweiz als Bodenakteur eine grosse Bedeutung zu. Sie ist angehalten, diese Böden nachhaltig zu bewirtschaften, vor den Bodengefahren zu schützen, und die Bodenfruchtbarkeit langfristig zu erhalten. Bodenfunktionen Während sich in Gesetzgebung und Vollzug der Schutz der Böden in den letzten Jahrzehnten vor allem auf die Verminderung oder Vermeidung der oben genannten Bodengefahren konzentriert hat, verfolgt der Schutz von Bodenfunktionen einen integralen Ansatz. Er zielt vor allem darauf ab, diese in einen grösseren Kontext mit der Raumplanung zu bringen und zukünftige Nutzungen der Böden besser steuern zu können. Mit Bodenfunktionskarten steht Politikern und Planern eine Entscheidungsgrundlage zur Verfügung, die ein bodenwissenschaftlich gestütztes Abwägen zwischen konkurrierenden Nutzungen 2016 ). ermöglicht (Greiner et al. Mangelnder Vollzug im Bodenschutz Die Landnutzung durch den Menschen hat vielfältige Auswirkungen auf die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften der Böden. Durch eine Überbeanspruchung der Bodenfunktionen oder durch eine nicht nachhaltige Nutzung können die Dienstleistungen des Bodens teilweise oder sogar gänzlich verloren gehen.
Für einen vorsorglichen Bodenschutz, d. h. für den Schutz vor Bodengefahren und für die Erhaltung von Bodenfunktionen, sind die kantonalen Bodenschutzfachstellen verantwortlich (siehe www.kvu.ch). Dies schliesst die Erhebung von Bodendaten, wie die Kartierung von Böden, mit ein. Der Bund beschränkt sich zumeist auf die Rolle, einheitliche Grundlagen für den Vollzug zu schaffen und überwacht seit 1985 mit dem Messnetz der Nationalen Bodenbeobachtung (NABO) mögliche zeitliche Änderungen der Bodenqualität an rund 100 Standorten in der Schweiz mit unterschiedlicher Nutzung (Acker, Grasland, Wald) bei üblicher Bewirtschaftung (Gubler et al. 2015). Einige Kantone unterhalten zusätzlich ein eigenes Beobachtungs- bzw. Überwachungsmessnetz (s. Übersicht in Desaules und Dahinden 2000). Mit dem Programm zur langfristigen Waldökosystem-Forschung (LWF) an der WSL werden unter anderem Auswirkungen der Luftbelastung und der Klimaveränderungen auf Waldböden untersucht (Schaub et al. 2011). Diese Messnetze liefern für gut dokumentierte Standorte wichtige Erkenntnisse über zeitliche Veränderungen. Über den landesweiten Status der Böden bestehen aber sehr grosse Wissenslücken. Aufgrund fehlender Entscheidungsgrundlagen und personeller Ressourcen in den Kantonen verwundert es daher nicht, wenn in einer Studie aus dem Jahr 2014 zum kantonalen Vollzug von insgesamt 19 Umweltthemen der grösste Vollzugsnotstand beim Bodenschutz ausgewiesen wird. Fazit Wie geht es den Böden der Schweiz? Diese Frage kann derzeit aufgrund der fehlenden flächendeckenden Bodeninformationen nicht beantwortet werden. Aus punktuellen
14
BUWA1704_014 14
20.07.17 08:49
Untersuchungen wird deutlich, dass die Böden nicht nachhaltig genutzt werden. Während die Versiegelung der Böden sehr gut dokumentiert ist, bestehen über das landesweite Ausmass der weiteren Bodengefahren grosse Wissenslücken. Im Gegensatz zum Ausland gibt es in der Schweiz keine nationale Fachstelle für Boden, also beispielsweise neben der Landesgeologie eine Landespedologie. Eine solche Fachstelle ist aber dringend erforderlich, um einheitliche Referenzstandards zur Erstellung von flächenhaften Boden- und Anwenderkarten zu erarbeiten und praxistaugliche Instrumente für den Schutz vor Bodengefahren im Vollzug zu entwickeln. In Anbetracht der Bedeutung der Böden für unsere Gesellschaft gehen wir angesichts der grossen Wissenslücken ein sehr hohes Risiko ein, unsere wichtigste Lebensgrundlage schleichend zu verlieren. Parlament und Ständerat haben vor über zwei Jahren zwar dem Aufbau eines sogenannten «nationalen Kompetenzzentrums Boden» zuge-
stimmt, bislang wurde dieser Entscheid aber nicht umgesetzt. Trotz verstärktem Bewusstsein in der Bevölkerung gehen wir nach wie vor viel zu sorglos mit der endlichen Ressource Boden um. Armin Keller, Andreas Gubler, Reto Giulio Meuli: Nationale Bodenbeobachtung Schweiz (NABO, Agroscope, Zürich Stefan Zimmermann: Waldböden und Biogeochemie, Eidg. Forschungs anstalt WSL, Birmensdorf. Referenzen Ein genaues Literaturverzeichnis zu diesem Artikel finden Sie auf der Homepage www. buendnerwald.ch. Dr. sc. Nat. Armin Keller NABO Agroscope Reckenholzstr. 191, CH-8046 Zürich armin.keller @ agroscope.admin.ch
ANZEIGE
Raupenmulcher Robocut 40 PS
Mulcharbeiten Weidräumung Montagearbeiten (mit Winde 3,6t) steilhangtauglich, bodenschonend
PRO VALLADAS GmbH – UNTERNEHMEN NATUR UND LANDSCHAFT – www.pro-valladas.ch Veia Principala 12, 7462 Salouf - Marcel Züger, 079 832 62 02
Bündner Wald 4/2017 15
BUWA1704_015 15
20.07.17 08:49
Häufigste Bodentypen in Graubünden Ein Boden ist das Resultat einer langen Entwicklung unter Einfluss der lokalen Standortfaktoren, insbesondere von Klima, geologischem Untergrund und Relief (Geländeform). Im Verlaufe seiner Entstehung beeinflussen sich der Boden und die darauf wachsende Vegetation gegenseitig bis zum Erreichen eines Endstadiums im Gleichgewicht mit dem lokalen Klima (zonale Vegetation, zonaler Boden). Bodenschichten und Bodenentwicklung Ein Boden besteht grundsätzlich aus drei Schichten, welche als Horizonte bezeichnet werden. Man spricht auch vom ABC des Bo dens: Humushorizont (A-Horizont) Er bildet die oberste Bodenschicht und be steht vor allem aus abgebauter und umge wandelter Streu der darüber wachsenden Vegetation. Meist ist diese organische Sub stanz mit Mineralerde von unten vermischt. Für diese Umwandlung sind unzählige Bo denlebewesen von Bakterien bis zu den Re genwürmern verantwortlich. Die Humus schicht ist somit der biologisch aktivste Bereich des Bodens und bestimmt weitge hend seine Fruchtbarkeit. Diese Schicht wird auch als Oberboden bezeichnet.
Mineralerde-Horizont (B-Horizont) Dieser rein mineralische Bereich ist aus der Verwitterung und Umwandlung des darun terliegenden Muttergesteins entstanden. Er ist in der Regel mehr oder weniger versau ert, spielt aber eine wichtige Rolle als Was ser- und Nährstoffspeicher. In der Umgangssprache und im Boden schutz wird er als Unterboden bezeichnet. Muttergestein (C-Horizont) Das ist der geologische Untergrund, der noch nicht von der Bodenbildung beein flusst wurde. Er kann aus Lockergestein (Moräne, Schotter, Schutt) oder Festgestein (Fels) bestehen. Die ser Aufbau sowie die Art des Gesteins (z. B. Kalk, Granit) haben einen wesentlichen Ein fluss auf die darüber ablaufende Bodenbil dung. Bodenentwicklung (Pedogenese) Grundsätzlich entwickelt sich ein Boden nach folgendem Ablaufmuster: Rohboden (nur C-Horizont) Aufbau einer Humusschicht (A-C) Bildung des Minera Verlagerungs lerde-Horizonts (A-B-C) vorgänge im B-Horizont (A-E-I-B-C) Die Entwicklung unserer Böden begann meist nach dem Rückzug der Gletscher am
Allgemeines Schema zum Bodenbildungsprozess: Entstehung eines reifen Bodens unter dem Einfluss der Standortfaktoren Klima, Geologie und Vegetation. Aus: GANSSEN & HÄDRICH, 1965 (leicht verändert) 16
BUWA1704_016 16
20.07.17 08:22
Ende der letzten Eiszeit. Mit höchstens 15 000 Jahren handelt es sich also um noch recht junge Böden. Die Bodentypen Die Bodentypen sind aufgrund ihrer Horizont-Kombinationen und den damit verknüpften Bodeneigenschaften definiert. Sie lassen sich deshalb zweckmässig nach dem oben beschriebenen Ablauf der Bodenbildung gruppieren. Rohböden/C- oder (A-)C-Böden Es handelt sich um Pionierböden noch ohne durchgehende Humusschicht. Sie weisen je nach Muttergestein (Kalk/Dolomit bzw. Silikat) sehr unterschiedliche Bodeneigenschaften auf. Sie finden sich vor allem in der alpinen und nivalen Stufe und spielen somit als Waldböden keine Rolle. Humus-Gesteinsböden/A-C-Böden Sie weisen eine durchgehende Humusschicht ohne Mineralerde-Horizont auf. Freier Kalk im Boden hält den Säuregrad im basischen Bereich (pH > 7) und verhindert dadurch langfristig die Bildung eines B-Horizonts, der nur im sauren Milieu entstehen kann. Deshalb sind über Kalk- bzw. Dolomit-Muttergestein A-C-Böden häufig vorhanden. A-C-Böden über kalkfreiem Gestein (Bodentyp Ranker) sind eher selten, da sie sich rasch zu A-B-C-Böden weiterentwickeln. Rendzina/A-C-Boden über Karbonatgestein Meist dunkler A-Horizont von mehreren Dezimetern über hellem Fels oder Schutt aus Kalk- bzw. Dolomitgestein. Häufiger Waldboden in allen Höhenstufen mit Laub-, Misch- oder Nadelwaldgesellschaften. Boden-pH basisch, Strauchschicht
Typische Bodenprofile von Waldböden. Aus: KÜPER und SCHMIDER 1995
und Bodenvegetation weisen somit zahlreiche Kalkzeiger auf. Reife Böden mit Mineralerde-Horizont/ A-B-C-Böden Zunehmende natürliche Versauerung beschleunigt die Verwitterung der Mineralien des Muttergesteins und führt zur Bildung eines mehr oder weniger mächtigen braunen und feinkörnigen B-Horizonts. Bündner Wald 4/2017 17
BUWA1704_017 17
20.07.17 08:22
Braunerde/A-B-C-Boden Klassischer Bodentyp, der vor allem auch über Moräne und anderem Lockergestein entstehen kann. Häufiger Waldboden mit guter Bonität, v. a. in den unteren Höhenstufen der Laub- oder Mischwälder. BodenpH meist schwach sauer, in der Bodenvegetation fehlen dadurch sowohl Kalkzeiger als auch starke Säurezeiger. Stärker versauerte A-B-C-Böden ohne Verlagerungsmerkmale werden als «Saure Braunerden» bezeichnet. Reife Böden mit Verlagerungshorizonten/ A-E-B-C-Böden In reiferen Böden mit zunehmender Versauerung können bei genügend durchlässiger Bodenstruktur und bei Niederschlägen gewisse Bodenteilchen und Stoffe mit dem Bodenwasser in tiefere Bereiche verlagert werden. Davon betroffen sind vor allem die sehr kleinen Tonteilchen, aber auch Stoffe wie Eisen- oder Aluminiumionen. Der Bodenbereich, aus welchem diese Bestandteile entfernt werden, wird als Auswaschungshorizont (E-Horizont), die Schicht, wo diese dann wieder abgelagert und somit angereichert werden, als Anreicherungshorizont (z. B. Bfe-Horizont) bezeichnet. Parabraunerde/Braunerde mit Tonverlagerung A-Et-Bt-B-C Im Vergleich zur Braunerde ist in diesem Bodentyp das feine Tonmaterial mit dem Bodenwasser nach unten verlagert worden. Das Bodenprofil weist deshalb unter der Humusschicht eine hellbraune tonärmere Schicht (Et-Horizont) und darunter eine durch den angereicherten Tonanteil dunklere und etwas verdichtete Zone (It-Horizont) auf. Dieser Bodentyp ist im Allgemeinen sehr fruchtbar und tritt in den tieferen Lagen v. a. auf Moränen und Schotter unter Laub-
waldtypen auf. In Graubünden ist er aber weniger verbreitet als im Mittelland. Podsol/Bleicherdeboden mit Huminsäuren- und Eisenverlagerung A-E-Bh-Bfe-Bt-C Dieser eindrückliche und farbenreiche Bodentyp bildet sich im kühl-feuchten Klima unter Nadelwald und Zwergstrauchheide mit einer gut ausgebildeten Rohhumusauflage. Angereichert mit organischen Säuren aus dem Rohhumus werden durch das stark saure Bodenwasser fast alle Nährstoffe, Metallionen, Huminstoffe und Tonteilchen des Oberbodens in tiefere Bodenschichten verlagert. So bildet sich unter der dunklen Rohhumusauflage ein grauer bis fast weisser Auswaschungshorizont, der fast nur aus resistenten Quarzkörnern besteht (E-Horizont, auch «Aschehorizont» genannt). Da runter werden bandartig nacheinander Anreicherungshorizonte von Huminsäuren (schwarzbraun), Eisenoxiden und anderen Metallionen (rostfarbig) und Tonmineralien abgelagert. Dieser Bodentyp findet sich häufig in den oberen Waldstufen auf Silikatgestein und kalkfreiem Lockergestein unter Nadelwäldern. Obwohl das Bodenmilieu sehr sauer und nährstoffarm ist, handelt es sich oft um recht wüchsige Standorte. Die Bodenvegetation ist sehr artenarm und besteht vor allem aus Zwergsträuchern und einer üppigen Moosdecke. Hydromorphe Böden mit zeitweiser oder dauernder Wassersättigung Stark von stehendem oder fliessendem Bodenwasser geprägte Böden weisen deutlich andere Eigenschaften mit eigenem Horizont aufbau auf. Je nach Herkunft des Bodenwassers (Grundoder Hangwasser bzw. Stauwasser) werden
18
BUWA1704_018 18
20.07.17 08:22
auf mineralischem Untergrund zwei Nassbodentypen mit deutlich verschiedenen Bedingungen für das Baumwachstum unterschieden:
Gley sind Pseudogleye meist eher etwas sauer und nährstoffarm. Die standortgemässe Baumartengarnitur ist ähnlich eingeschränkt wie beim Gley.
Gley-/Grundwasserboden Gleyböden werden von Hang- oder Grundwasser mit meist schwankendem Wasserspiegel geprägt. Der obere mineralische Bereich mit schwankendem Wasserspiegel (und dadurch mit zeitweiser Zufuhr von Luftsauerstoff) weist neben einer graubraunen Grundfärbung auffällige rostfarbene Flecken aus oxydiertem Eisen auf (Go-Horizont). Im unteren dauernd vernässten Bereich liegt das Eisen immer in seiner reduzierten Form vor, welche eine einheitliche graublaue Färbung zur Folge hat (Gr-Horizont). Gleyböden finden sich in allen Höhenstufen vor allem entlang von Wasserläufen, in Mulden oder an Hängen mit undurchläs sigen Schichten. Nur wenige Baumarten besiedeln diese Böden erfolgreich, insbesondere Stieleiche, Esche, Weisserle oder Weisstanne.
Moorböden Bei dauernd vernässten und kühlen Verhältnissen kann sich eine mächtige organische Auflage aus Torf ausbilden (T-Horizont). Im Waldbereich weisen vor allem die Hochmoore mit Bergföhren oder Fichten am Moorrand solche organischen Nassböden auf.
Pseudogley-/Stauwasserböden In flacheren Lagen, auf Terrassen usw. mit einer schlecht durchlässigen Tonschicht im Untergrund entstehen nach starken Niederschlägen oder der Schneeschmelze Stauverhältnisse im Boden. Die Bodenfeuchtigkeit wechselt also andauernd zwischen weitgehender Wassersättigung und mehr oder weniger ausgeprägter Trockenheit. Diese Pseudogleyböden weisen also als charakteristisches Merkmal einen Stauhorizont (Sd) und darüber einen wechselfeuchten Stauwasserbereich (Sw) auf. Dieser ist durch eine auffällige Fleckung («Marmorierung») von graubraunen und rostroten Bereichen charakterisiert. Im Gegensatz zum
Diese hier kurz beschriebenen Bodentypen kommen oft auch in abweichenden Ausbildungen vor. Häufig sind auch Übergänge ausgebildet und es finden sich weitere seltener auftretende Waldbodentypen in Graubünden. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, sich etwas gründlicher mit diesem faszinierenden und für das Waldwachstum sehr wichtigen Standortfaktor auseinanderzusetzen. Literatur- und Quellenverzeichnis Ein genaues Literaturverzeichnis zu diesem Artikel finden Sie auf der Homepage www. buendnerwald.ch.
Markus Bichsel Dipl. Forsting. ETH, Atragene Bahnhofstrasse 20, CH-7000 Chur bichsel @ atragene.ch
Bündner Wald 4/2017 19
BUWA1704_019 19
20.07.17 08:22
ANZEIGE
Giesserei Chur AG Eisengiesserei Modellbau
Tel. 081 286 90 50 Fax 081 286 90 59
E-Mail: info@giesserei-chur.ch
Querrinnen für Wald und Güterwege Neubau
- optimale Verankerung - flexible Längenanpassung - bewährter Werkstoff
Unterhalt
- problemlose Reinigung mit Pickel - keine losen Verschleissteile wie Roste, Balken usw. - auf Wunsch mit Mittelsteg für Parkplätze, Fussgängerzonen
- Statische Nachweise inklusive - Planungsleistungen inklusive - Bekannte Garantieleistungen Fa. Ribbert inklusive
Ribbert-Verbau – Das Original
Auch mit Holzverkleidung© RIBBERT AG Grundbautechnik Industriestrasse 19 7304 Maienfeld Telefon 081 / 303 73 50
BUWA1704_020 20
info@ribbert.ch
Oder mit Steinkorbverkleidung©
www.ribbert.ch
20.07.17 08:55
Bodenschutz bei der Waldbewirtschaftung Boden ist eine nicht erneuerbare Ressource und eine wichtige Grundlage für das ungehinderte Wachstum der Bäume. Insbesondere in den befahrbaren Lagen besteht das Risiko für Beeinträchtigungen des Bodens durch Holzerntemaschinen. Mit verschiedenen Massnahmen sollen diese möglichst minimiert werden. Rahmenbedingungen Bei der Waldbewirtschaftung ist Boden schutz heute ein wichtiges Thema. Der Schutz von Waldböden gegen chemische Belastungen wurde schon in den 1980er Jahren im Zusammenhang mit dem «Wald sterben» vorangetrieben. Dabei ist ins besondere die Bodenversauerung durch atmosphärische Deposition von Säuren und säurebildenden Luftschadstoffen relevant. Der physikalische Bodenschutz im Wald hat dagegen erst in jüngerer Zeit eine auch in der Praxis anerkannte Bedeutung erlangt. Mit der Zunahme des Mechanisierungs grads in der Holzernte wurden, wie in der Landwirtschaft, zunehmend leistungsfähi gere und damit in der Regel auch schwerere
Maschinen eingesetzt, um die Kosten der Holzproduktion zu senken. Die Anschaf fung solcher Maschinen ist mit grossen Investitionen verbunden, was eine hohe Auslastung erfordert. Die hochmechanisier ten Holzerntesysteme werden mehrheitlich durch private Forstunternehmungen betrie ben, welche spezialisiertes Personal einset zen und oft recht weit von ihrem Firmen standort entfernt arbeiten. Immer häufiger sind Lieferverträge für Holz relativ eng ter miniert. All diese Umstände können dazu führen, dass der Druck steigt, Holzernte arbeiten auch bei ungünstigen Witterungs bedingungen und entsprechend schlechter Bodentragfähigkeit auszuführen. Mit der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Umweltprobleme und der zunehmen den Bedeutung des Waldes als Ort der Er holung haben die Forderungen nach einer vermehrt auf die ökologischen Leistungen und Schutzfunktionen des Waldes ausge richteten, nachhaltigen Bewirtschaftungen zugenommen (Luster und Zimmermann 2017, in diesem Heft). Die Bodenschutzan liegen werden im schweizerischen Umwelt
Abb. 1 Spurtypen als Indikatoren zur Beurteilung der ökologischen Wirkung von Bodenveränderungen. (Grafiken und Karten: WSL) Bündner Wald 4/2017 21
BUWA1704_021 21
20.07.17 08:55
Abb. 2 Fahrspuren auf einer Waldfläche im Berner Mittelland, kartiert nach Fahrspurtypen.
schutzgesetz über die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit definiert. Die biolo gische Aktivität des Bodens muss den Ab bau der Vegetationsrückstände unter den gegebenen standörtlichen Verhältnissen ge währleisten. Das Wurzelwachstum der Bäu me darf nur durch natürliche Begrenzungen beeinträchtigt werden, und die Selbsterhal tung der standorttypischen Lebensgemein schaft mit Naturverjüngung muss nachhal tig gewährleistet sein. An diesen Vorgaben hat sich die Vermeidung bzw. die Minimie rung langfristiger Beeinträchtigungen des Bodens zu orientieren. Die Vorgaben haben verpflichtenden Charakter hinsichtlich Um setzung und Vollzug in den Kantonen. Klassierung von Fahrspuren Ausgehend von den Rahmenbedingungen der Waldbewirtschaftung, den standort bezogenen bodenkundlichen Grundlagen und neuen Forschungsergebnissen der Bodenbiologie wurden von der WSL drei Fahrspurtypen entwickelt, welche eine Klas sierung der Fahrspuren nach ihren ökologi schen Auswirkungen ermöglichen (Abb. 1). Der Fahrspurtyp 3 weist auf einen Verlust der Bodenfruchtbarkeit und damit auf einen
ökologischen Schaden im Boden hin (Lü scher et al. 2009, Frutig et al. 2016). Abbildung 2 zeigt eine für das Mittelland typische Situation von Fahrspuren auf einer befahrbaren Bestandesfläche. Die noch feststellbaren Fahrspuren wurden nach Spurtypen klassiert. Durch gezielte Fahrver suche auf Testflächen, in denen Fahrspuren der Typen 1, 2 und 3 unter kontrollierten Verhältnissen angelegt wurden, konnten die unterschiedlichen Beeinträchtigungs grade mit bodenphysikalischen und boden biologischen Kennwerten untermauert wer den (Frey 2010). Es zeigte sich, dass sich die Lagerungsdichte und insbesondere die ge sättigte Wasserleitfähigkeit in den Fahr spurtypen signifikant vom unbefahrenen Referenzboden unterscheiden. Bodenbeeinträchtigungen beim Rücken im Bergwald Seit den Aufräumarbeiten nach dem Orkan Lothar kommt im nicht befahrbaren Gelän de zunehmend das Arbeitsverfahren der Vollbaumbringung mit Seilkran zum Ein satz. Dabei werden die gefällten Bäume mit oder ohne Krone an die Waldstrasse ge rückt und dort mit einem Prozessor aufge
22
BUWA1704_022 22
20.07.17 08:56
arbeitet. Bei abgezopfter Krone oder ande ren Trennschnitten am Stamm kann durch das Schleifen der scharfkantigen Stamm enden über den Boden die Bodenoberflä che in der Seiltrasse aufgeschürft werden. Das Entstehen einer solchen «Schleifspur» hängt von verschiedenen Faktoren bzw. dem Zusammenwirken dieser Faktoren ab: Bodenaufbau, Bodenfeuchte, Gelände form, Baumdimensionen, Höhe des Trag seils über Boden und Rücken von Bäumen mit/ohne Krone. Generell ist festzuhalten, dass das Ausmass allfälliger Bodenbeeinträchtigungen bei den Holzernteverfahren mit Seilkranbringung sehr gering ist und auch die Konsequenzen weit weniger gravierend sind als bei den Fahrspuren von Rad- und Raupenfahrzeu gen. Die beeinträchtigte Bodenfläche ist im Vergleich zur Gesamtfläche eines Holzschla ges sehr klein. Je nach Hangneigung und Arbeitsverfahren werden die Seillinien im Abstand von 50 bis 80 Meter angelegt. Po tenziell gefährdet ist lediglich die Mitte der Seiltrasse, wo das kopfhoch gerückte Holz über den Boden schleift. Falls ungezopfte Vollbäume gerückt werden, kann aufgrund der federnden Wirkung der Äste das Risiko der Schleifspurbildung vermindert werden. Das grösste Risiko besteht dann, wenn für die Seilkrananlage zu schwere Bäume ein geschnitten werden müssen und der unters te, schwerste Stammteil über den Boden geschleift wird. In diesem Fall ist es beson ders wichtig, dass das Tragseil nur so hoch über dem Boden verläuft, dass die Baum teile in einem möglichst flachen Winkel zum Boden gerückt werden können. Schleifspuren entstehen vor allem dadurch, dass die Bodenoberfläche durch das Darü berschleifen der Bäume aufgerissen und Bo denmaterial zur Seite gedrückt wird. Die Bo denpressung reicht aufgrund der erheblich
Abb. 3 Schleifspurtyp 3 an einer Geländekante. Die Spurtiefe reicht wie beim Fahrspurtyp 3 bis in den Unterboden. Solche Schleifspuren können je nach Ausdehnung und Lage im Gelände ein gewisses Risiko für nachfolgende Erosion bedeuten. (Bild: Marco Walser)
geringeren Auflast weniger tief in den Boden als bei den Fahrspuren. Die Spurtiefe erreicht eher selten den Unterboden (Schleifspurtyp 3, Abb. 3), sodass für die natürliche Rege neration allfälliger Beeinträchtigungen im Boden weitaus günstigere Bedingungen herrschen als bei den Fahrspuren. Beim Schleifspurtyp 3 kann in steilem Gelände und in Gebieten mit empfindlichen Böden, wie z. B. im Flysch, ein gewisses Erosionsrisiko bestehen. Hier sollte gegebenenfalls nach dem Rücken mit geeigneten Massnahmen (Einebnen der Schleifspur, Einlegen von Querhölzern) dafür gesorgt werden, dass ab fliessendes Wasser so gebremst wird, dass keine Bodenteilchen mitgerissen werden und es nicht zu einer erodierenden Wirkung kom men kann. Praxiserfahrungen zeigen zudem, dass der hohe Lichteinfall in der Seilschneise einen raschen Wiederbewuchs begünstigt. Bündner Wald 4/2017 23
BUWA1704_023 23
20.07.17 08:56
Massnahmen zur Minimierung von Bodenschäden bei der Holzernte Planung – Systematische Planung der Feinerschliessung innerhalb einer Feinerschliessungseinheit – Erfassen und Festhalten der Feinerschliessungslinien auf einem Plan Arbeitsorganisation – Arbeitsverfahren und darin eingesetzte Maschinen nach den standörtlichen Gegebenheiten wählen – Priorität der Holzschläge nach Befahrungsempfindlichkeit festlegen, sofern dies aufgrund anderer Rahmenbedingungen (bestimmte Sortimente, Liefertermine . . .) möglich ist – falls möglich, Holzschläge auf Ausweichflächen mit geringerer Befahrungs empfindlichkeit vorsehen Ausführung der Arbeiten – mit den Maschinen die Rückegassen nicht verlassen – falls möglich eine Reisigmatte anlegen – technische Massnahmen: breite Reifen, Reifenfülldruck absenken – Zusatzausrüstungen: Bogiebänder aufziehen – bei Auftreten des Spurtyps 3 die Arbeiten unterbrechen
Für die Klassierung von Schleifspuren wur den analog zu den Fahrspurtypen folgende Schleifspurtypen definiert: Schleifspurtyp 1: Die Schleifspur ist nur in der organischen Auflage sichtbar, die Tiefe beträgt in der Regel weniger als 10 cm. Schleifspurtyp 2: Die Tiefe der Schleifspur reicht bis in den Oberboden, sie beträgt meist weniger als 10 cm. Schleifspurtyp 3: Die Tiefe der Schleifspur erreicht den Unterboden und beträgt in der Regel mehr als 10 cm. Im Gegensatz zum Fahrspurtyp 3 sind hier die seitlichen Auf wölbungen kaum ausgeprägt, was auf die geringere Krafteinwirkung sowie die unter schiedliche Richtung der einwirkenden Kräfte zurückzuführen ist. Die einzelnen Bo denschichten werden nicht wie bei den Fahrspurtypen durchmischt, sodass günsti gere Bedingungen für die Regeneration herrschen.
Auf der Versuchsfläche in Unteriberg SZ (Abb. 4) wurde die für das befahrbare Gelän de verwendete Klassierung der Fahrspuren nach Spurtypen auf die Schleifspuren in den Seiltrassen angewendet. Die Versuchsfläche liegt in nicht befahrbarem Gelände und weist verdichtungsempfindliche Böden auf. Von 2001 bis 2007 wurden auf der betrachteten Fläche 16 Seillinien angelegt, auf 8 Seillinien wurden Vollbäume gerückt. Der Ausschnitt aus der Versuchsfläche zeigt, dass der Anteil des Schleifspurtyps 3 an der gesamten Tras senlänge gering ist. Der bei den Seillinien 14 bis 16 (Vollbaumverfahren) festgestellte Schleifspurtyp 3 kann auf verschiedene Ursa chen zurückgeführt werden: Abflachung des Geländes gegen die Strasse (konvexe Gelän deform), empfindlicher Boden, Rücken von Vollbaumteilen in relativ steilem Winkel zum Boden sowie grosse Holzmenge, die an die ser Stelle vorbeigerückt wurde.
24
BUWA1704_024 24
20.07.17 08:56
Abb. 4 Ausschnitt aus der Versuchsfläche Unteriberg. Die stellenweise vorhandenen Schleifspuren in den Seiltrassen wurden basierend auf dem System der Fahrspurtypen beurteilt. Auf den Seillinien 1 bis 8 wurde im Sortimentsverfahren gearbeitet, d. h. das Holz wurde im Bestand mit einem Vollernter auf das Schreitbaggerfahrgestell aufgerüstet und mehrheitlich freihängend am Tragseil gerückt. Folglich sind in diesem Teil nur vereinzelt Schleifspuren zu finden. Auf den Seillinien 9 bis 16 wurde im Vollbaumverfahren gearbeitet.
Aufgrund der in Zukunft voraussichtlich steigenden Holznachfrage ist von einer zu nehmenden Mobilisierung von Holz in Hanglagen auszugehen und damit von ver mehrter Vollbaumbringung mit Seilkran. Damit wird die Thematik der Schleifspuren in den Seiltrassen an Aktualität gewinnen. Fazit Die Beeinträchtigungen des Waldbodens durch physikalische Belastung können mit tels der drei unterschiedlichen Fahrspur typen beurteilt und bewertet werden. Damit steht für den Vollzug des physikalischen Bo denschutzes ein Instrument zur Verfügung,
mit welchem die ökologischen Auswirkun gen der verschiedenen Fahrspurtypen diffe renziert werden können. Aufgrund der Zusammenhänge zwischen Spurbild und Einschränkung der Bodenfunktionen ist es möglich, einen Spurtyp zu definieren, des sen Auftreten ein eindeutiges Signal für ei nen ökologischen Schaden im Boden anzeigt und nach entsprechenden Massnahmen ruft (Spurtyp 3). Damit ist für die praktische Arbeit im Wald ein einfacher Indikator gege ben, an dem sich die Akteure orientieren können: Beim Auftreten des Spurtyps 3 sind die Holzerntearbeiten aus bodenökologi scher Sicht zu unterbrechen. Das Prinzip der Bündner Wald 4/2017 25
BUWA1704_025 25
20.07.17 08:56
Klassierung von Fahrspuren im befahrbaren Gelände lässt sich auch auf die von der Voll baumrückung verursachten Schleifspuren in Seiltrassen anwenden. Bodenbeeinträchtigungen durch die Holz ernte lassen sich durch konsequente Planung der Feinerschliessung sowie verschiedene Massnahmen bei der Arbeitsorganisation und der Ausführung der Arbeiten minimieren (siehe Kasten). Damit bleiben im befahrba ren Gelände mehr als 95% der Waldfläche unbefahren, und das Risiko eines eventuel len Bodenschadens wird auf genau definierte Linien beschränkt. Die Verantwortlichkeiten der verschiedenen an der Waldbewirtschaf tung beteiligten Akteure für den physikali schen Bodenschutz werden in Lüscher et al. (2009) eingehend beleuchtet.
Referenzen Ein genaues Literaturverzeichnis zu diesem Artikel finden Sie auf der Homepage www. buendnerwald.ch. Peter Lüscher Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111 CH-8903 Birmensdorf peter.luescher @ wsl.ch
Fritz Frutig Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111 CH-8903 Birmensdorf friedrich.frutig @ wsl.ch
ANZEIGE
Mit Hand und Herz am Holz
Florinett AG Forstunternehmung Tel. 081 407 15 58
BERGHOLZ-ZENTRUM 7482 BERGÜN/BRAVUOGN
Bergholz-Zentrum Florinett AG Sägerei Tel. 081 407 11 74 Tonewood Switzerland Florinett AG Instrumentenholz Tel. 081 407 21 34
www.florinett-holz.ch | www.tonewood.ch Unser Unternehmen ist FSC zertifiziert: für eine verantwortungsvolle Waldwirtschaft!
26
BUWA1704_026 26
20.07.17 08:56
Vorbildlicher Bodenschutz im Wald Bei der Holzernte werden in Aargauer Wäldern moderne Holzerntemaschinen eingesetzt. Diese sind effizient und erleichtern die schwere und gefährliche Arbeit. Ihr Nachteil ist das hohe Gewicht und die damit verbundene Belastung des Waldbodens. Um die Auswirkungen der Befahrung örtlich zu beschränken, werden die Maschinen neben den Waldstrassen nur auf definierten Rückegassen eingesetzt. Einzelne Aargauer Förster verzichten im ihnen anvertrauten Wald sogar auf jegliche Befahrung des Bodens. Bei Urs Gsell und seinem Team vom Forstbetrieb Muhen-Hirschthal-Holziken gibt es seit 1999 keine Rückegassen mehr. Die schweren Forstmaschinen sind nur auf den Waldstrassen unterwegs. Andreas Freuler, Fachspezialist Boden der Abteilung Wald, hat mit Urs Gsell die Vor- und Nachteile dieser Methode diskutiert und über seine Beweggründe gesprochen.
Urs Gsell – umgeben von vitalen Buchen und üppiger Naturverjüngung. (Bilder: Abteilung Wald, Kanton Aargau)
Die letzten Winter waren nass und die Böden kaum je gefroren. Wann musstet ihr das letzte Mal einen Holzschlag unterbrechen, weil der Boden für eine Befahrung zu nass war? Das kommt bei uns nicht mehr vor. Die Forstmaschinen werden nur auf den Wald strassen eingesetzt. Dadurch sind wir witterungsunabhängiger bei der Holzernte. Auch für den Forstunternehmer, der mit seinen Maschinen für uns im Einsatz ist, bedeutet dies eine grössere Planungssicherheit. Wie bringt ihr das Holz vom Bestand an die Waldstrasse ohne Rückegassen? Wir kombinieren moderne Forstmaschinen mit der motormanuellen Holzernte. Das heisst, die Forstwarte fällen die Bäume im Bestand mit der Motorsäge und ziehen sie mittels Seilwinde an die Strasse. Dort rüsten sie die untersten Meter des Baumes auf und lagern das Stammholz entlang der Wald strasse. Der obere Teil des Baumes und die Krone bleiben vorerst liegen. Sie werden später mit dem Vollernter entastet und auf die gewünschte Länge zugesägt. Euer Holzernteaufwand dürfte höher ausfallen als bei einem herkömmlichen Holzernteverfahren mit Rückegassen. Auch die Schäden an den verbleibenden Bäumen dürften höher sein. Wie mindert ihr diese Effekte? Wir haben ein derart dichtes Netz an Waldstrassen, dass die Distanzen zum Zuziehen der Bäume meist nicht sehr weit sind. Der Aufwand, bis das Holz an der Strasse liegt, ist dennoch grösser als bei Holzerntever fahren mit Rückegassen. Dafür kann der Voll ernter die Stämme ohne viel Fahrbe wegung aufarbeiten, und da die Maschine ausschliesslich von der Waldstrasse aus arbeitet, kann sie dies auch bei nasser WitteBündner Wald 4/2017 27
BUWA1704_027 27
20.07.17 11:45
Holzrücken mit Pferden als Alternative zur Befahrung des Waldbodens.
rung tun. Der Maschinist kann also auch dann noch arbeiten, wenn er an anderen Orten die Arbeit bereits unterbrechen müss te. Die Maschine hat daher praktisch keine Stillstandzeiten und tut genau das, was sie am effizientesten kann: Bäume aufrüsten. Insgesamt sind die Kosten dadurch nicht wesentlich höher als bei einem konventio nellen Holzschlag. Die Forstunternehmer offerieren ihre Arbeit bei uns nicht teurer als anderswo. Das Risiko für Schäden an den verbleiben den Bäumen ist tatsächlich grösser. Für mich wiegt das Risiko eines Bodenschadens aber viel schwerer als das Risiko eines Schadens an einem Baum. Ein Baum ist das Produkt, der Boden hingegen die Produktionsgrund lage. Bodenschäden haben weit langfris tigere Konsequenzen als ein Schaden an einem Baum. Erfahrene Forstwarte, eine sorgfältige Arbeitsweise und geeignete Ver fahren mindern die Schäden zudem be trächtlich. So entasten wir beispielsweise die Bäume bereits im Bestand mit der Mo torsäge, falls eine schützenswerte Verjün gung vorhanden ist. Mit dem Traktor müs sen wir dann nur noch den Stamm an die Strasse ziehen und vermeiden so Schäden an den verbleibenden Bäumen.
Für mich stellt sich auch die Frage, ob unsere Waldbewirtschaftung nur billig sein muss. Auch mit dem rationellsten Holzernte verfahren sind wir im Durchschnitt teurer als das angrenzende Ausland. Die Produktion von wenig rentabler Massenware, z. B. Hack- oder Industrieholz, sollte nicht auch noch Schäden an der Substanz hinterlassen. Warum leisten wir uns als Gesellschaft nicht eine teurere Bewirtschaftung des Waldes? Als Gegenwert gibt es hervorragendes Trinkwasser, ein harmonisches Waldbild und wenigstens physikalisch intakte Waldböden für unsere zukünftigen Generationen. Ihr arbeitet nun seit 16 Jahren ohne Rückegassen. Was waren die Beweggründe? Dieser Entschluss brauchte seine Zeit. Aus schlaggebend waren Beobachtungen von Bäumen, die bereits im jungen Alter Scha densbilder zeigten. Ich fragte mich, was wohl die Gründe sein könnten. Verschiede ne Kurse über Pilze und den Waldboden gaben mir Einblick in die verborgene Welt im Boden. Waldboden wird nicht bearbei tet, nicht (aktiv) gedüngt und ist zumindest vor direktem Kontakt mit Pestiziden ge schützt. Dies macht Waldboden zu einem
28
BUWA1704_028 28
20.07.17 11:45
hervorragenden Trinkwasserfilter und -speicher. Waldböden sind die letzten grossflächig intakten Böden in der Schweiz. Waldboden ist Lebensraum für eine enorme Vielfalt an grösstenteils unbekannten Lebewesen. Niemand kennt deren Bedeutung für das Ökosystem Wald. Mittels feinsten Wurzelgeflechts kommunizieren Pflanzen und Pilze, sie tauschen Stoffe aus und können sich gegenseitig helfen oder bekämpfen. Über die Auswirkungen dieses Austausches weiss man nur wenig. Was man aber weiss: Ein Baum braucht eine grosse Krone und gesunde Wurzeln für ein gutes Wachstum. Die Grösse der Krone beeinflusse ich mit waldbaulichen Mass nahmen, für die Gesundheit der Wurzeln braucht es den bestmöglichen Schutz des Bodens. Vieles kann ich nicht direkt beeinflussen, so z. B. den Eintrag von schädlichen Stoffen über die Luft oder die Veränderung des Klimas. Aber durch den Verzicht auf das Befahren des Waldbodens reduziere ich den Stress auf den Waldboden, die Bäume und den Wald als Ganzes. Mittlerweile arbeiten wir seit 16 Jahren ohne Rückegassen und haben gute Erfahrungen gemacht. Die Auswirkung von früheren Befahrungen wird man noch lange sehen. So wächst beispielsweise die Verjüngung auf ehemaligen Rückegassen deutlich langsamer als im angrenzenden Bestand. Der Boden wird so optimal geschont. Gibt es weitere Vorteile dieser Art der Bewirtschaftung? Mit jeder Rückegasse produziert man innere Waldränder. Dort sind die Bäume z. B. anfälliger auf Sonnenbrand. Eine Rückegasse kann eine Windschneise bilden und Sturmschäden provozieren. Diese Effekte haben wir nicht. Vieles sieht man aber nicht auf den ersten Blick, so z. B. die Wurzelschäden
durch das Befahren. Insbesondere in der Vegetationszeit, wenn die Wurzeln im Saft sind, ist die Gefahr von Wurzelschäden gross. Einen weiteren Vorteil sehe ich im veränderten Waldbild. Der Wald wirkt für mich harmonischer, ruhiger. Die Waldbesucher schätzen dies. Siehst du auch Nachteile in diesem System? Wenn wir die Bäume mit allen Ästen an die Strasse ziehen und dort aufarbeiten, haben wir entlang der Strassen eine Konzentration von Biomasse. Diese Biomasse fehlt uns im Bestand drin und kann langfristig zu einer Nährstoffverarmung führen. In Zukunft werden wir vermehrt einen Teil der Kronen im Bestand vom Stamm trennen. In Gebieten mit sehr grossen Abständen zwischen den Waldstrassen kann die Distanz zum Zuziehen der Bäume unverhältnismässig gross werden. In solchen Fällen arbeiten wir mit einem Unternehmer mit Pferden oder selten auch mit einem Seilkran wie im Gebirge. Dies ist zwar teurer, aber nur auf einem kleinen Teil der Betriebsfläche nötig. Mit Pferden rücken wir nur zwei bis fünf Prozent der jährlich genutzten Holzmenge. Auf das Betriebsergebnis hat dies keinen Einfluss. Auf die Ruhe im Wald hingegen sehr. Hattest du mit Widerständen bei der Umstellung zu kämpfen? Nein. Diese Art zu arbeiten wird vom Per sonal mitgetragen. Mein Vorarbeiter sieht durch seine Tätigkeit als Holzereiinstruktor viele Wälder in der ganzen Schweiz, und dies bestätigt ihn darin, keinen Waldboden zu befahren. An Waldumgängen mit den Behörden und der Bevölkerung sprechen wir dieses Thema immer wieder an und bekommen positive Rückmeldungen. ÜberBündner Wald 4/2017 29
BUWA1704_029 29
20.07.17 11:45
haupt stossen wir auf reges Interesse sowohl in der Schweiz als auch im Ausland. In diesem Jahr hatten wir beispielsweise eine Exkursion mit Förstern aus Österreich und Kroatien und für das nächste Jahr habe ich eine Anfrage aus den USA. Eignet sich dieses Konzept für jeden Forstbetrieb? Den Wald ohne Rückegassen möglichst schonend zu bewirtschaften, ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Das geht in jedem Forstbetrieb. Was uns sicherlich hilft, ist die hohe Dichte an Waldstrassen. Interessierten Forstbetrieben empfehle ich, das Verfahren in dichten, geschlossenen Beständen auszuprobieren. Die Leistung ist
hoch und die Schäden an den verbleibenden Bäumen sind im Vergleich zu Verfahren mit Rückegassen erstaunlich gering. Urs Gsell Forstbetrieb MuhenHirschthal-Holziken Schulhausstrasse 1, CH - 5037 Muhen forstbetrieb @ muhen.ch
Andreas Freuler Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald Entfelderstrasse 22, CH - 5001 Aarau andreas.freuler @ ag.ch
ANZEIGE
30
BUWA1704_030 30
20.07.17 11:46
Bodennutzung der Schweiz – langsamer, aber steter Wandel Natürliche Faktoren und die menschliche Nutzung prägen die Gestalt der Schweizer Landschaft. Sie ändert sich langsam, aber stetig unter dem Einfluss der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung. 15 % der Landesfläche werden heute nicht mehr gleich genutzt wie im Jahr 1985. Die Entwicklung der Bodennutzung wird in der sogenannten Arealstatistik festgehalten und hier mit besonderem Blick auf den Wald vom «Bündner Wald» aufgezeigt. Was ist die Schweizer Arealstatistik genau? Die Oberfläche der Schweiz zeigt ein vielgestaltiges Puzzle unterschiedlicher Nutzungen. Die Arealstatistik fasst diese zu vier Hauptbereichen zusammen: Siedlungsflächen, Landwirtschaftsflächen, bestockte Flächen (Wald und Gehölze) sowie unproduktive Flächen (Gewässer, unproduktive Vegetation, Fels und Geröll, Gletscher und Firn). Das Bundesamt für Statistik (BFS) stellt der Öffentlichkeit damit wertvolle Informationen zur Landschaftsentwicklung in der Schweiz zur Verfügung. Seit den Achtzigerjahren werden mit der Arealstatistik die Bodennutzung und die Bodenbedeckung der Schweiz anhand von 72 unterschiedlichen Kategorien erhoben. Analysen der drei ersten Erhebungen von 1985 bis 2009 liefern bereits vertiefte Informationen zum Zustand und zur Entwicklung der damit insgesamt erfassten 24 Jahre. Die vierte Erhebung läuft seit 2013. Informationsflut: Behält da jemand den Überblick? Informationen werden in unserer zunehmend komplexen Welt immer zentraler – für die Orientierung, für den Entscheidungsprozess und für den planenden Blick in die Zukunft. Informationen prägen die Qualität der Handlungen. Bei Entscheiden nehmen statistische Informationen heute
einen wichtigen Platz ein – sei es in der Politik (in Parlamenten, Exekutiven oder bei Abstimmungen), in der Wirtschaft oder im Alltag. Statistik ist zu einem Transparenzstiftenden Element in gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen geworden. Das BFS ist das nationale Kompetenzzen trum der öffentlichen Statistik der Schweiz. Es produziert und publiziert statistische Informationen über den Stand und die Entwicklung von Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung, Forschung, Raum und Umwelt. Diese Informationen dienen der Meinungsbildung in der Bevölkerung sowie der Planung und Steuerung von zentralen Politikbereichen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für einen modernen, demokratischen Staat. «Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast», und was das BFS dazu sagt: Das BFS veröffentlicht jährlich über 400 Publikationen. Die Daten werden nach wissenschaftlichen Kriterien gesammelt, zu statistischen Informationen aufbereitet und anonymisiert veröffentlicht. Die Produktion öffentlicher statistischer Informationen erstreckt sich dabei von der Konzeption und der Datenbeschaffung bis zur Diffusion und Kommunikation der Ergebnisse. Sie liefert den Nutzern dauerhaft zur Verfügung stehende und so weit wie möglich international vergleichbare Basisinformationen über die Schweiz. Charakteristisch für die öffentliche Statistik sind ihr transparentes, wissenschaftliches Fundament, die Einhaltung internationaler Standards und die stabile, in Zeit und Raum vergleichbare Informationserarbeitung. Der wissenschaftlich-methodischen Unabhängigkeit verpflichtet stellt das BFS diese InBündner Wald 4/2017 31
BUWA1704_031 31
20.07.17 09:01
Zusammensetzung der Bodennutzung pro Kanton nach folgenden Hauptbereichen: Siedlungs- und Landwirtschafts flächen sowie bestockte und unproduktive Flächen. Grafiken: BFS – Arealstatistik der Schweiz
formationen zur Verfügung, bewertet aber weder die Resultate – auch nicht aus einer politischen Sicht – noch leitet es daraus Handlungsempfehlungen ab. Die Statistik selbst lügt nämlich nie, im Gegenteil: Sie zeigt harte Fakten. Zurück zur Arealstatistik und zur Bodennutzung: Was sind deren Hauptbereiche? Die Siedlungsflächen sind mit einem Anteil von 7,5 % an der Landesfläche der kleinste, die Landwirtschaftsflächen mit 35,9 % der grösste Hauptbereich der Bodennutzung. Die bestockten Flächen (Wald und Gehölze) %, die unproduktiven beanspruchen 31,3 Flächen (Gewässer, unproduktive Vegeta tion, Fels, Geröll, Gletscher und Firn) 25,3 % des Bodens. Die Anteile der vier Hauptbereiche variieren je nach biogeografischer Region. So bean spruchen die Siedlungsflächen im Mittel land einen mehr als doppelt so hohen Anteil wie im Landesdurchschnitt, während sie in den Alpenregionen deutlich seltener vor kommen. Die Landwirtschaftsflächen liegen
im Mittelland mit 49,5 % und im Jura mit 43,4 % über dem Landesdurchschnitt, in den westlichen Zentralalpen mit 18,4 % und an der Alpensüdflanke mit 12,7 % deutlich darunter. Die bestockten Flächen sind im Jura, dem Churer Rheintal und an der Al pensüdflanke (Tessin) überproportional ver treten; in den zentralen Alpenregionen (Wallis und Graubünden) liegen sie deutlich unter dem landesweiten Mittel. Dort findet sich hingegen mit 49,4 % der grösste Anteil an unproduktiven Flächen. Im Mittelland machen die unproduktiven Flächen nur ge rade gut 10 % aus (vor allem Seen), im Jura ist ihr Anteil verschwindend klein. Wie kann die Bodennutzungs entwicklung umschrieben werden? In den 24 Jahren zwischen 1985 und 2009 standen zwei Gewinner zwei Verlierern ge genüber. Mit einer Ausdehnung um nahezu einen Viertel sind die Siedlungsflächen weit aus am stärksten gewachsen. Die Zunahme von 584 km² übersteigt dabei die Gesamt fläche des Genfersees. Die prozentuale Aus dehnung der bestocken Flächen ist mit 3,1 %
32
BUWA1704_032 32
20.07.17 09:01
Bodennutzungswandel, in m2 pro Sekunde.
zwar viel geringer, flächenmässig aber immerhin zwei Drittel so gross wie jene der Siedlungsflächen. Diese beiden Hauptbereiche sind auch nahezu in der gesamten Schweiz für die kleinflächig dominierenden Veränderungen verantwortlich – in tiefen Lagen in Form von Siedlungsbauten, in hohen als Aufwuchs neuer Wälder oder Gehölze. Diese Entwicklungen gingen überwiegend auf Kosten der Landwirtschaftsflächen und der übrigen Naturräume. Diese Dynamiken waren in der ersten Beobachtungsperiode stärker als in der zweiten. Der Wald ist ein wichtiges Landschaftselement . . . Die bestockten Flächen haben zwischen 1985 und 2009 zugenommen, wobei die Ausdehnung vor allem an höheren Lagen im Alpenraum erfolgte. Neue Wälder und Gebüschwälder entstanden dort meist anstelle von nicht mehr bewirtschafteten Alpweiden. Im Mittelland und im Jura blieb die Waldfläche dagegen stabil. Der Anteil der bestockten Flächen an der Gesamtfläche der Schweiz beträgt 31,3 %. Der eigentliche Wald macht dabei mit fast 90 % aller bestockten Flächen den grössten Teil aus. Bei den bestockten Flächen unterscheidet die Arealstatistik zwischen eigentlichem Wald (dichte Besetzung mit jungen
oder ausgewachsenen Bäumen), Gebüschwald (dichte Besetzung mit Alpenerlen, Legföhren oder Weidenarten) und Gehölzen (Hecken sowie aufgelöste, frei stehende Baumbestände). . . . wie hat sich die Waldfläche verändert? Zwischen 1985 und 2009 wiesen die bestockten Flächen einen Zuwachs von insgesamt 3,1 % auf. Wie bei den Siedlungs- und Landwirtschaftsflächen war die Veränderung während der ersten zwölf Jahre von 1985 bis 2007 mit + 2,2 % stärker als in der darauffolgenden Periode von 1997 bis 2009 mit nur noch +0,9 %. Die Fläche des eigentlichen Waldes nahm in den beurteilten 24 Jahren um 3,5 % zu, diejenige der Gebüschwälder um 14,7 %. Die Gehölzflächen wurden dagegen um 8,9 % kleiner. 97,5 % der neu entstandenen Waldflächen (462 km²) befinden sich im Alpenraum. Die höchsten Zuwachsraten verzeichneten die westlichen und östlichen Zentralalpen sowie die Alpensüdflanke mit je knapp 10 %. An der Alpennordflanke entsprach der Zuwachs von 3,7 % in etwa dem nationalen Durchschnitt. Im Jura und im Mittelland kam es hingegen nur zu Zunahmen von je 0,3 %. Zwischen 1997 bis 2009 nahm die Waldfläche in diesen beiden Regionen sogar um 0,2 % bzw. 0,1 % ab. Bündner Wald 4/2017 33
BUWA1704_033 33
20.07.17 09:01
Die Zusammensetzung der bestockten Flächen pro Kanton nach folgenden Kategorien: geschlossener Wald, aufgelöster Wald, Gebüschwald und Gehölze.
Veränderung der Waldfläche in Hektaren.
Gibt es dabei besonders augenscheinliche Verschiebungen? Die Ausdehnung der bestockten Flächen erfolgte vor allem auf Kosten von vormals landwirtschaftlich genutzten, aber inzwischen aufgegebenen Gebieten sowie sol-
chen, die vegetationslos oder von Sträuchern oder Gebüschen besiedelt waren. Diese befinden sich vorwiegend in höheren Lagen, was sich mit dem Umstand deckt, dass die Zunahme der bestockten Flächen umso stärker ausfiel, je höher diese gelegen sind.
34
BUWA1704_034 34
20.07.17 09:01
Veränderungen der bestockten Flächen nach Höhenlage und bezogen auf ihre ursprüngliche Nutzung.
Erst die natürliche Waldgrenze limitiert die Ausdehnung. Die Flächen, auf welchen Wälder und Gehölze entstanden sind, wurden in den Bergregionen zuvor mehrheitlich für die Tierproduktion (Natur- sowie Alpwiesen und -weiden) genutzt. Eine Ausnahme bilden das Tessin und Misox, wo die Vergandung bereits vor 1985 eingesetzt hat und neue Bestockungen überwiegend auf Flächen mit unproduktiver Vegetation entstanden sind. Im Mit telland kam es nur vereinzelt zu einer Ausdehnung von bestockten Flächen, wobei diese in erster Linie auf Kosten von vormals für Acker-, Obst, Reb- oder Gartenbau genutzten Flächen ging. In Lagen unterhalb 800 Meter über Meer kam es per saldo aber zu einer Abnahme der bestockten Flächen, und
zwar hauptsächlich zugunsten von Siedlungsflächen. Dies dürfte mitunter auch eine Folge des 1991 revidierten Waldgesetzes sein: Bei Rodungen erlaubt dieses «zur Schonung von landwirtschaftlichem Kulturland sowie ökologisch oder landschaftlich wert9) anstelle von voller Gebiete» (WaV Art. Ersatzauffors tungen auch Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes. Die wertvolle Ressource Boden Der Abteilungsleiter Raum und Umwelt des BFS, Marc Gindraux, erklärt, dass ein Land mit wachsender Bevölkerung und Wirtschaft wie die Schweiz auf immer mehr natürliche Ressourcen angewiesen ist, es sei denn, es können Effizienzsteigerungen oder Bündner Wald 4/2017 35
BUWA1704_035 35
20.07.17 09:01
Importe realisiert werden. Boden ist wohl die einzige, welche weder vermehrbar noch importierbar ist. Die Interessenkonflikte betreffend Nutzung der knappen Ressource Boden haben sich daher in den vergangenen Jahren verschärft. Da Änderungen der Bodenbedeckung nur beschränkt machbar sind oder oftmals gar nicht rückgängig gemacht werden können, gilt es im Voraus festzulegen, welche Flächen für welche Bedürfnisse zu reservieren sind. Dies ist und bleibt Aufgabe der Raumordnungs-, Landwirtschafts-, Wald- und Umweltpolitik. Damit die Debatten für deren Ausgestaltung
faktenbasiert erfolgen können, ist es notwendig, verlässliche Daten bereitzustellen – wie die durch das BFS unabhängig ermittelte und zuverlässige Arealstatistik. Quelle: www.bfs.admin.ch und BFS-Publikationen
Nina Gansner SELVA Bahnhofplatz 1, CH-7302 Landquart nina.gansner @ selva-gr.ch
ANZEIGE
Für jeden Einsatz haben wir die passende Maschine. • • • • • • • •
Eco-log 590D mit Traktionswinde Eco-log 550D John Deere 1510E mit Traktionswinde John Deere 1010E John Deere 1490D Hacker Albach Silvator 2000 Skidder John Deere 748U mit Rückekran Bobcat mit Seilwinde und Zubehör
Ihr Spezialist für die vollmechanisierte Holzernte am Hang! Volktrans GmbH
Neulöserweg 5 7205 Zizers Tel: 079 246 52 16 Mail: info@volktrans.ch
www.volktrans.ch
Unbenannt-1 1
36
BUWA1704_036 36
29.01.16 09:16
20.07.17 09:01
Stickstoffeinträge in Wäldern Stickstoff ist von Natur aus ein Mangel element in Wäldern und Bäume sind an ein geringes Angebot pflanzenverfügbaren Stickstoffs angepasst. Mit dem Eintrag grosser Mengen leicht verfügbaren Stick stoffs werden die natürlichen Stoffkreis läufe gestört. Die kontinuierliche Stick stoffanreicherung in Wäldern wird auch als «Stickstoffsättigung» bezeichnet (Aber et al. 1989). Die damit verbundenen vielfälti gen Wirkungen für Bäume, Böden und Ge wässer können insgesamt zu einer redu zierten Stabilität der Wälder führen und beeinträchtigen die Pflanzendiversität. Wie kommt der Stickstoff in den Wald? Die Luft besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff (N) in Form von N2. Diese Form ist sehr stabil und der N kann auf natürlichem Weg nur nach Spaltung und Umwandlung durch Mikroben in die pflanzenverfügbare Form NH4 umgewandelt werden. Dies geschieht in den Wurzelknöllchen, den Rhizobien an Leguminosenwurzeln (u. a. Lupinen, Erbsen), an Bäumen wie der Erle oder durch frei lebende Bodenbakterien. Der zweite natürliche Eintrittspfad für reaktiven Stickstoff sind die Blitze, bei denen unter hoher Energiezufuhr N2-Moleküle der Luft gespalten werden und dann als HNO3 in die Wälder gelangen. Die
6 Buchen Fichten
30
20
10
0
Bachtel Brislach
Muri
Nitratkonzentration (mg N/l)
N-Auswaschung (kg N ha-1 a-1)
40
Eintragsraten durch diese natürlichen Prozesse sind allerdings gering, man schätzt sie auf jährlich 0,5 bis 2 kg pro Hektare für den atmosphärischen Eintrag. Für die Herstellung von N-Düngern für die Landwirtschaft wird das N2 der Luft zusammen mit Wasserstoff bei hohen Tempera turen und Drücken zu Ammoniak (NH3) umgewandelt (Haber-Bosch-Verfahren) und dann weiter zu N-haltigen Düngern verarbeitet. Die so entstandenen Dünger enthalten Stickstoff in den leicht pflanzenver fügbaren Formen Ammonium (NH4+) oder Nitrat (NO3-). Die Stickstoffdüngung führte zu erheblichen Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass auf dem Umweg über N-reiches Futter und tierische Ausscheidungen ein Grossteil des Stickstoffs als Ammoniak wieder in die Luft gelangt. Im europaweiten Vergleich gehört die Schweiz zu den Spitzenreitern, was die NH3-Emissionen pro ha landwirtschaftlicher Nutzfläche betrifft. Daneben gelangt Stickstoff auch in oxidierter Form als NOx in die Luft. Die Quellen hierfür sind in erster Linie der Strassenverkehr und industrielle Verbrennungsprozesse. In die Wälder gelangen reaktive Stickstoffverbindungen durch Niederschläge, die Ab-
Buchen Fichten 4 Abb. 1: N-Auswaschung und Nitratkonzentration in der Bodenlösung von benachbar-
2
ten Buchen- und Fichten beständen 2005 – 2016
0
Balken = Standardfehler.
Bachtel Brislach
Muri
(Braun et al. 2017b) Bündner Wald 4/2017 37
BUWA1704_037 37
20.07.17 11:47
Abb. 2: Übermässige Stickstoff einträge in Wälder (Über schreitung der Critical Loads für Stickstoff) für das Jahr 2010. (Rihm und Achermann 2016)
lagerung auf den Blättern und Nadeln sowie durch die Aufnahme von gasförmigen NVerbindungen über die Spaltöffnungen. Aufgrund der grossen Blattoberfläche sind die Einträge in Wälder höher als auf andere Flächen, und wegen der ganzjährigen Benadelung sind sie in Nadelwäldern höher als in Laubwäldern. Dies zeigt sich deutlich an Standorten, an denen gleichzeitig Buchenund Fichten untersucht werden können (Abb. 1). Im Durchschnitt werden in der Schweiz jährlich pro ha Waldfläche ca. 23 kg Stickstoff eingetragen. Davon stammen etwa zwei Drittel aus der Landwirtschaft und ein Drittel aus Verkehr und Verbrennungsprozessen (Rihm und Achermann 2016). Während die verkehrsbedingten Einträge in den letzten Jahren zurückgingen, stagnieren die aus der Landwirtschaft auf hohem Niveau (Augustin und Achermann, N2-Moleküle, 2012). Bewertung der Stickstoffwirkungen – wie viel ist zu viel? Zur Beantwortung dieser Frage müssen geeignete Bewertungsmassstäbe herangezogen werden. Arbeiten im Rahmen des
UNECE-Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung haben gezeigt, dass in Laubwäldern bei einem jährlichen Eintrag oberhalb von 10 bis 20 kg und in Nadelwäldern oberhalb von 5 bis 15 kg N mit negativen Auswirkungen auf das Ökosystem gerechnet werden muss (Bobbink und Hettelingh 2011). In Graubünden sind die Stickstoffeinträge wegen der geringeren landwirtschaftlichen Aktivität zwar niedriger als im Mittelland, doch sind Berggebiete wegen der hohen Niederschläge und des geringeren Stickstoff-Bedarfs der Vegetation empfindlicher gegenüber Stickstoffeinträgen. Dies wird bei der Kartierung der übermässigen N-Einträge berücksichtigt. Auf der Karte ist deutlich das Engadin mit relativ geringer landwirtschaftlicher Aktivität und tiefer Nassdeposition erkennbar; in den Südtälern sind die nassen Depositionen durch den atmosphärischen Transport aus Italien erhöht (Abb. 2). Die Wirkungen des Stickstoffs auf den Wald Eutrophierung: Die sichtbarste Wirkung der Stickstoffeinträge ist die Zunahme von
38
BUWA1704_038 38
20.07.17 11:47
stickstoffliebenden, sogenannten nitrophi len Pflanzen in der Vegetation. Dies sind z. B. Brennnesseln, Himbeeren und Brom beeren, die in den letzten Jahrzehnten deut lich zunahmen und teilweise ein Verjün gungshemmnis für die Bäume darstellen (Abb. 3). Arten, die auf nährstoffarme Standorte angewiesen sind, gehen dagegen durch Stickstoffeinwirkung zurück. Viele dieser Pflanzen befinden sich auf der Roten Liste. Insgesamt kann eine Verarmung der Bodenvegetation nachgewiesen werden (Roth et al. 2015). Zu viel Stickstoff reduziert auch im Boden das Artenspektrum. So fanden de Witte et al. (2017), dass die Artenzahl der Mykor rhizapilze an Buchenwurzeln in Flächen mit hoher Stickstoffbelastung etwa halb so gross ist wie in Flächen mit geringer Stick stoffbelastung (Abb. 4). Zudem zeigt sich ein verändertes Artenspektrum. Pilzarten, die für die Aufnahme von Phosphor wichtig sind, sind reduziert.
Abb. 3: Die Anwesenheit von Brennnesseln und das üppige Wachstum von Brombeeren sind Zeichen
Gülle-Ausbringung im Prättigau in nächster Nähe zum Wald und Gewässer. (Bild: Sandro Krättli)
Versauerung: Übermässige Stickstoffeinträ ge greifen an zwei Stellen in die natürlichen Elementkreisläufe ein, was zur Versauerung von Waldböden führen kann: einerseits durch die Nitrifizierung eingetragenen Am moniums zu Nitrat, andererseits durch die Auswaschung von Nitrat, das nicht von Pflanzen oder Mikroben verwertet werden kann, denn für Nitrat gibt es in Böden keine Speicher. In Böden mit einem neutralen pHBereich wird NO3- zusammen mit positiv ge ladenen Nährstoff-Kationen (Ca2+, Mg2+, K+) ausgewaschen und bei pH-Werten unter halb von ca. 4,5 zusammen mit Mangan (Mn2+) und Aluminium (Al3+)1. Dies führt zu Nährstoffverlusten aus dem Boden und da mit langfristig zur Versauerung der Böden. Diese Folgen wurden auch für die Schweiz nachgewiesen (Braun et al. 2017a). Eutrophierung und Versauerung führen zu geringerer Bewurzelung der Bäume und zu
von zu viel Stickstoff. Im natürlich geschlossenen N-Kreislauf sind Auf- und Abbau von Biomasse im Gleichgewicht und die damit verbundenen säureproduzierenden und säu repuffernden Prozesse gleichen sich langfristig aus. Der Eintrag von reaktivem Stickstoff greift in diese zwei Teilprozesse des Kreislaufs ein: (1) Wird leicht verfügbares NH4 + eingetragen, und nicht aus der organischen Substanz erst mineralisiert, so entfällt der H+-Verbrauch bei der Mineralisie rung. Das NH4 + wird weiter zu NO3 - nitrifiziert, wobei zwei Protonen (H+ = Säureäquivalente) produziert werden. Das gebildete NO3 - wird von den Pflanzen aufgenommen, dann wird nur ein Proton wieder konsumiert (= versauernd, weil von zwei gebildeten Protonen nur eins wieder neutralisiert wird). (2) Wird das NO3 - (aus der Nitrifizierung von eingetragenem NH4 + oder dem direkten Eintrag) ausgewaschen, werden Nährstoffe aus dem Boden exportiert (= Versauerung). 1
Bündner Wald 4/2017 39
BUWA1704_039 39
20.07.17 11:47
Abb. 4: Anzahl Arten von Mykorrhizapilzen an Buchenwurzeln in einem Gradienten der Stickstoffdeposition. (de Witte et al. 2017)
geringerer Wurzeltiefe. Dies erhöht die Empfindlichkeit gegenüber Windwurf und bewirkt eine geringere Stabilität gegenüber Rutschungen. Baumwachstum und -ernährung: Stickstoff steigert zunächst das Wachstum der Pflan
N:K-Verhältnis 40
2 (harmonisch)
5 (hoch)
-18%
30
-27%
20
-47%
10 0
2003
Mittelwert 1984-2014 Trockenheit
-58%
2003
Mittelwert 1984-2014 Trockenheit
20 38
Abb. 5: Bei nicht ausgeglichener Kaliumversorung (Verhältnis N : K in den Blättern hoch, rechte Grafik) und bei hoher Stickstoffdeposition (rote Säulen) ist die Wirkung von Trockenheit auf das Stammwachstum von Buchen verstärkt. Dargestellt ist das Wachstum für das mittlere Klima der Jahre 1984 bis 2014 und für das Trockenjahr 2003. Werte berechnet aus den Regressionen für das Stammwachstum. (Braun et al. 2017a)
zen. Dies allerdings nur bis zu einem ge wissen Grad, danach hat eine zusätzliche Gabe keinen Effekt mehr oder das Wachs tum sinkt, weil andere Nährstoffe in den Mangel geraten (Gesetz vom Minimum, J. von Liebig). So stieg seit den 50er- / 60er-Jahren das durchschnittliche Wachstum der Bäume in Europa an (UNECE & EU, 2009), doch gibt es mittlerweile zahlreiche Hinweise darauf, dass das Wachstum der Bäume wieder zurückgeht (Nellemann & Thomsen 2001, Meining et al. 2008, Kint et al. 2012, Nabuurs et al. 2013). In der Schweiz wurde auf vielen Flächen der In terkantonalen Walddauerbeobachtung ein Wachstumsrückgang gemessen, der mit ei nem Rückgang der Phosphorgehalte in Blättern und Nadeln einhergeht (Braun et al. 2017a), und auf den LWF-Flächen wur de ein N-abhängiger Wachstumstrend ge funden (Etzold et al. 2013). Stickstoff und Trockenheit: Hohe Stickstoff einträge erhöhen auch die Empfindlichkeit gegenüber Trockenheit (Braun et al. 2017a). Abb. 5 zeigt, dass das Stammwachstum von Buchen bei hohen N-Einträgen wesentlich stärker auf Trockenheit reagiert als bei gerin
40
BUWA1704_040 40
20.07.17 11:47
12
Mortalität Fichten (%/Jahr)
35 30
10
25
8
20
6
N-Deposition 40 kg
15 10 5
2
N-Deposition 20 kg
0
0 0.6
0.7
0.8
0.9
trocken
N:K 5 (K-Mangel)
4
N:K 2 (ausgeglichene Versorgung)
0.6 feucht
0.7
0.8
0.9
trocken
feucht
Trockenheitsindikator (Eta/ETp) Abb. 6: Die Mortalität von Fichten steigt mit zunehmender Trockenheit (abnehmendes Verhältnis zwischen aktueller und potenzieller Evapotranspiration, ETa / ETp), wenn die Stickstoffdeposition hoch ist (linke Grafik) oder wenn die Kaliumversorgung nicht ausgeglichen ist (rechte Grafik).
gen Einträgen. Bei Fichten ist die trockenheitsbedingte Mortalität bei hohen NEinträgen zudem stark erhöht (Abb. 6). Dies ist auf eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Borkenkäferbefall zurückzuführen. In beiden Fällen wird der Effekt der erhöhten Stickstoffeinträge durch Kaliummangel bzw. durch ein unausgeglichenes Verhältnis zwischen Stickstoff und Kalium im Laub verstärkt. Fazit Trotz der Erfolge der Luftreinhaltepolitik sind die Stickstoffeinträge nach wie vor zu hoch und es bedarf weiterer Anstrengungen
zur Reduktion der N-Emissionen. Stickstoff einträge über das tolerierbare Mass hinaus haben – je nach Standort – unterschiedliche Auswirkungen. Um diese zu erkennen und angemessen zu bewerten, braucht es ein langfristiges Monitoring der Auswirkungen auf vielen verschiedenen Standorten. Autoren Sabine Augustin, Sabine Braun, Beat Rihm, Lucienne De Witte, Reto Meier Literatur Ein genaues Literaturverzeichnis zu diesem Artikel finden Sie auf der Homepage www. buendnerwald.ch.
«Etwas andere Gedanken aus der Landwirtschaft» Dass es auch anders geht, zeigt ein sehr lesenswertes Interview auf unserer
Dr. Sabine Augustin
Homepage.
Bundesamt für Umwelt BAFU
«Etwas andere Gedanken aus der Land-
Postfach, CH - 3003 Bern
wirtschaft», www.buendnerwald.ch
sabine.augustin @ bafu.admin.ch
Bündner Wald 4/2017 41
BUWA1704_041 41
20.07.17 11:47
ANZEIGE
-
-
BUWA1704_042 42
20.07.17 11:47
Von ingenieurbiologischen Massnahmen zur Schutzwaldpflege Ingenieurbiologische Massnahmen (IBM) werden weltweit seit vielen Jahrzehnten im Hangverbau verwendet. Im Zentrum der IBM steht die langfristige und nachhaltige Nutzung der Wirkung von Vegetation zur Regulierung von Hang- und Gerinneprozessen. Zusätzliche temporäre technische Massnahmen sind oft für die Etablierung der Vegetationen in der ersten Phase der Entwicklung nötig. Obwohl viele Publika tionen über IBM vorhanden sind, gibt es fast keine langfristigen Dokumentationen dieser Massnahmen respektive beziehen sich diese oft nur auf die Etablierung und Entwicklung der Vegetation, ohne deren Wirkung zu quantifizieren. Allein die Beurteilung der Vegetationsdecke ist jedoch keine Garantie bezüglich der Wirkung der Massnahmen auf die Hangstabilität (Böll et al. 2008). Es gibt nur wenige Arbeiten, welche die langfristige Wirkung der Vegetation auf Hangstabilität mit quantitativen Methoden analysieren (Böll et al. 2008, Schwarz, 2015). Dieser Beitrag hat zum Ziel, die Entwicklung von ingenieurbiologischen Massnahmen zu sammenzufassen und deren Bedeutung in Bezug auf die Hangstabilisierung im Beispiel vom Arieschbach zu analysieren. Die Infor Abb. 1: Ansicht der Baustelle bei Abt. 13, 1989. (Bilder: Archiv Forstbetrieb Madrisa)
mationen, welche hier zusammengefasst sind, beziehen sich auf eine lange Reihe von durchgeführten und dokumentierten Hang verbauungen. Insbesondere wird in dieser Arbeit die zeitliche Entwicklung der Wurzel verstärkung und des Bodens diskutiert, im Hinblick auf die Entscheidung für die zu künftige Schutzwaldpflege. Beschreibung der ingenieurbiologischen Massnahmen im Arieschbach Das rund 20 km2 grosse Einzugsgebiet des Arieschbachs hat eine Hauptgewässerlänge von 7 km und ein mittleres Gefälle von 24 Prozent. Der Grossteil der Bachsohle und der Hänge besteht aus kalkhaltigem quar tärem Lockermaterial, welches auf dem Prättigauer Flysch liegt. Die Bacherosion hat über viele Jahre den glazial gepressten Schutt (Moräne vom Silvrettagletscher) ein geschnitten. Die so entstandenen überkon solidierten Seitenhänge der Bäche werden durch Oberflächenerosion oder flachgrün dige Rutschungen in Bewegung gesetzt. Die vergangene intensive Landnutzung des Gebiets bis Ende der 50er-Jahre (nicht zu letzt wegen der Holzung, der Landwirt schaft oder Bewirtschaftung des «Fideriser Bads») brachte die Geschiebebilanz des Einzugsgebiets aus dem Gleichgewicht. Daraufhin erhöhten sich Frequenz und In tensität des Geschiebetransports und der Murgänge. In diesen Jahren wurde festge stellt, dass sich in erodierten Hangflächen die Vegetation nicht mehr auf natürliche Weise einstellte. Durch die grossen Hochwasserereignisse im Juli 1967 und Juni 1970 wurden grosse Schäden an der Kantonstrasse und an der RhB-Linie verursacht. Daraufhin wurde die Wald-/Weideausscheidung vorangetrieben und umgesetzt. In den Jahren 1970 und 1973 wurden zwei Geschiebesammler ge Bündner Wald 4/2017 43
BUWA1704_043 43
20.07.17 08:40
Fläche Abt. 13-I/89: Das Unwetter im Sommer 1987 liess den Arieschbach über die Ufer treten. Der Hangfuss wurde auf der ganzen Länge unterspült. Die schön eingewachsenen Flächen kamen erneut ins Rutschen. Bis zum Herbst 1988 war der Hang dermassen destabilisiert, dass nur noch Bruchstücke der Verbauung vorhanden waren. Zur Wahl des Verbauungsverfahrens ist Folgendes zu erwähnen: «Obwohl gemäss den Grünverbauungsanleitungen eine Heckenbuschlage (Kombination von unbewurzeltem und bewurzeltem Material) bezüglich Tiefenwirkung das geeignete Verfahren darstellt, wurden ausschliesslich bewurzelte Pflanzen (Heckenlage) verwendet. Ein Hauptgrund dafür bestand sicher in der Schwierigkeit, geeignete Erntebestände zum Schneiden des Astmaterials zu finden. Die Abböscharbeiten wurden mit Menzi Muck 6 t ausgeführt (siehe Abbildung 1). Die Maschine wurde mit der Seilwinde des Forsttransporters von oben aus gesichert. Es wurde von oben nach unten gearbeitet.» In Verlaufe der zweiten Vegetationsperiode (1991) zeigten sich Schwachpunkte der Verbauung in der Fläche I/89: Einige übersteile Partien begannen zu rutschen. Bei einem Tauwetter mit anschliessenden Nassschneefällen rutschte ein Holzkasten ca. 5 m in die Tiefe. Da der Kasten nur einfach gebaut war und die Zangen unter erschwerten Bedingungen von Hand eingegraben worden waren, reichte die Tiefenwirkung von nur ca. 2 m offenbar nicht aus. Hätte man den ganzen Kasten abgebrochen und neu aufgebaut, wären grosse Teile der darunterliegenden Verbauung sicher beschädigt worden. So entschloss man sich zu folgendem Vorgehen: 1) mit dem Schreitbagger wurden an sämtlichen Schwellen zusätzliche Zangen eingegraben, 2) die unterste Schwelle wurde mittels Drahtseilen umfahren und anschliessend mit einem «Totmann anker» auf dem Boden oberhalb der Rutschfläche gesichert, 3) der Anriss oberhalb des Kastens sowie die Flächen zwischen den Schwellen wurden begrünt und mit Heckenlagen versehen. Dieser Bestand bleibt weiterhin stabil. Abbildung 2 zeigt die zeitliche Entwicklung der Vegetation bis heute.
1990
1994
2017
Abb. 2: Zeitliche Entwicklung von 1990 bis 2017. Der Bestand wird dominiert von Weisserlen. Die Spuren von Versinterung im Bild aus dem Jahr 2017, welche oft am Fusse der Hänge zu finden sind, weisen auf eine Entkalkung des Bodens hin. 44
BUWA1704_044 44
20.07.17 08:40
Fläche Abt. 23-I/91 – 93: In den Jahren von 1991 bis 1993 wurde die Fläche in Abt. 23 verbaut. Aufgrund der Erfahrungen der vorherigen Jahre mit dem Grünverbau in Abt. 13 wurde entschieden, auch hier eine Hangstabilisierung mit Holzkästen zu machen. «Gut verteilte Stützpunkte von einfachen Holzkästen, die auf gewachsenem Boden abgestützt werden, sollen die Stabilisierungsfunktion solange übernehmen, bis die Pflanzen an ihre Stelle treten» (Kreisförster G. A. Geer). Trotz dieser Massnahmen rutschte eine Teilfläche oberhalb des Kastens im Laufe der ersten Vegetationsperiode ab. Rund 60 Prozent der eingebrachten Pflanzen waren Weisserlen. Der Rest verteilte sich auf Purpur-, Reif- und Lavendelweiden, Schwarzerlen, Liguster, Hartriegel, wolliger Schneeball, Bergahorn, Waldföhren und einige Eschen. Eine Fläche oberhalb des Holzkastens musste im Frühjahr 1993 dringend mit einem weiteren Holzkasten saniert werden, um noch grössere Schäden zu vermeiden. Die durchschnittliche Pflanzenzahl pro Laufmeter Heckenlage betrug zehn Stück. «Die Pflanzen wurden nach dem Einlegen radikal zurückgeschnitten. Der aus dem Boden herausragende Spross sollte eine Länge von 10 bis 15 cm nicht überschreiten, damit ein vorzeitiges Austrocknen der Pflanzen verhindert werden konnte. Die ganze Fläche wurde nach dem Einlegen der Pflanzen mit einer Trockensaat begrünt» (Kreisförster G. A. Geer). Einige Holzkästen und Heckenlagen wurden durch verschiedene Rutschungen im Herbst 1999, ca. sieben Jahre nach ihrem Bau, zerstört. Im Jahr 2000 wurden die Rutschungen mit neuen Holzkästen saniert. Ab 2000 bis Ende 2004 wurde ein «Integralprojekt» erarbeitet und zur Fortführung der waldbaulichen Massnahmen durchgeführt. Ab diesem Zeitpunkt wurden einige Pflegemassnahmen im üppig wachsenden Pionierbestand aus Weisserlen der Abt. 13 und 23 ausgeführt. Vorwachsende Erlen wurden auf den Stock gesetzt, damit die übrigen Baumarten nicht verdrängt würden. Eine Mischungsregulierung wurde als erforderlich beurteilt, damit die Fichte nicht zu einem geschlossenen Bestand heranwächst. Beim starken Niederschlagsereignis im 2005 blieben die Verbauungen weiterhin stabil. Es wurde keine weitere Pflege unternommen. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen die Entwicklung der Vegetation seit 1997 bis heute in zwei Flächen der Abt. 23 respektive 150 Meter vor der Patjänia-Rüfe und auf der Rüfe selber.
baut und einige Hänge mit IBM verbaut (Auer 1975). Im Jahr 1972 zerstörte ein Murgang den ersten Geschiebesammler. Am 3. Juli 1987 löste ein mit Hagelschlag und Schneeschmelze verbundenes Unwetter er neut einen Murgang von einigen Hundert tausend Kubikmetern Material aus. Infolge dieses Ereignisses hatte sich die Bachsohle
um 10 bis 20 m vertieft und ca. 25 Prozent der bis dahin durchgeführten IBM an den Hängen rutschte wieder. Der Kreisförster G. A. Geer berichtete «Im Waldgebiet Geiss egga sind an verschiedenen Stellen Risse im Boden entstanden, die schlimmere Folgen ankündigen können. Ohne die Wurzelverfil zung des Waldmantels wären hier grossflä Bündner Wald 4/2017 45
BUWA1704_045 45
20.07.17 08:40
1997
2017
Abb. 3: Die Bilder dokumentieren die Entwicklung der Vegetationsdecke zwischen 1997 und 2017 in einer Fläche ca. 150 Meter talabwärts von der Patjänia-Rüfe.
chige Absackungen gegen den Bergbach entstanden.» Die Hänge wurden meistens mit Holzkänneln drainiert und mit Holzkasten und Hecken-/Buschlagen stabilisiert. Zwei grosse Hochwasserereignisse in den Jahren 1987 und 1999 führten zu wiederholten Destabilisierungen von mit IBM bebauten Flächen und motivierten die Planung von mehreren Bauphasen (siehe Kasten). Im Kasten werden die am besten dokumentierten Hangverbauungen beschrieben. Diese Massnahmen wurden im Rahmen des «Waldbauprojekts» ab dem Jahr 1990 erstellt. Diskussion über die Wirkung Im Laufe des letzten Jahrzehnts wurden einige Arbeiten durchgeführt, welche die Entwicklung der Vegetation und deren Wirkung auf Hangprozesse analysiert haben. Hier werden die wichtigsten Resultate kurz zusammengefasst: In allen drei beschriebenen Flächen des Arieschbachs hat sich die Vegetationsdecke
bereits nach wenigen Jahren geschlossen. Studien über die Entwicklung der Vegeta tion (Maron, 2008; Romer, 2007) haben gezeigt, dass trotz einer grossen Vielfalt der Baumarten bei der Erstellung der IBM und einer gezielten Mischungsregulierung durch Dichtungspflege nur wenige sukzessionsgerechte Baumarten nach 20 bis 25 Jahren dominierten. Diese Dynamik wurde auch durch die Analyse von ähnlichen IBM bestätigt (Böll et al., 2008). Die rasche Schliessung der Vegetationsdecke wirkt günstig gegenüber Oberflächenerosion. Zusätzlich wirkt sich die Bildung von stabilen Aggregaten im Oberboden sehr positiv gegen Oberflächenerosion aus. Die mikrobiellen Wechselwirkungen im Boden, welche durch die Etablierung der Vegetation generiert werden, spielen eine wichtige Rolle bei der Aggregatbildung. Die Wirkungsweise hängt von der Qualität der Streustoffe der Vegetation und der mineralischen Zusammensetzung des Bodens ab (Reich et al. 2005). Die Analyse der Aggregatstabilität aus einer Chronosequenz (eins,
Abb. 4: Die Bilder dokumentieren die Entwicklung der Vegetation während der letzten 20 Jahre in der Patjänia-Rüfe. 1998
2005
2017
46
BUWA1704_046 46
20.07.17 08:40
zwei und acht Jahre alt) von IBM im Arieschbach (Schwarz, 2006) hat gezeigt, dass bereits nach acht Jahren die Aggregatstabilität des Oberbodens höher ist als bei einem alten benachbarten Fichtenbestand. Die bodenbildenden Prozesse, welche durch die Entwicklung der Vegetation beeinflusst werden, können auch positive Wirkungen auf hydrologische Prozesse haben. Vergani und Graf (2016) haben in Laborexperimenten mit Weisserlen gezeigt, dass die Wasserdurchlässigkeit des Bodens durch die Wirkung der Vegetation bereits nach wenigen Monaten erhört wird. Scherer (2015) hat in Feldmessungen bei IBM vergleichbare Werte gemessen. Caflisch (2015) hat in der Abt. 13 des Arieschbachs die zeitliche Entwicklung der Wurzelverteilung und -verstärkung für die Weisserle quantifiziert. Dafür wurden die Wurzelsysteme von vier Weisserlen, 25 Jahre alt, ausgegraben (Abbildung 5). Es wurde errechnet, dass dieser Bestand eine Verstärkung bis zu 2 kPa innerhalb 0,5 m Bodenmächtigkeit leistet und eine Zunahme bis über 10 kPa in den nächsten 40 Jahren zu erwarten ist. Abbildung 6 zeigt die berechnete Wechselwirkung zwischen technischen, temporären Massnahmen und der Wurzelverstärkung. Die Wirkung der Hangroste und Holzkasten (braue Linien) nimmt mit der Zeit ab, während die Wurzelverstärkung zunimmt. Für die Hangstabilität, 2 bis 10 kPa laterale Wurzelverstärkung können als sehr wirksam beurteilt werden (REF) (siehe z. B. Mattli 2014; Schwarz et al. 2010). Sind Klimax-Gesellschaften immer das Ziel von ingenieurbiologischen Massnahmen? Die ingenieurbiologische Massnahmen im Hangverbau haben als Ziel, die Etablierung der Vegetation zu fördern und langfristig die
Abb. 5: Ausgegrabenes Wurzelsystem einer 25 Jahre alten Weisserle im Arieschbach.
Hänge zu stabilisieren (durch den Effekt der Vegetation). Im Laufe der Zeit entwickelt sich die Vegetation in ingenieurbiologischen Flächen durch unterschiedliche Sukzessionsphasen zu einer sogenannten Schlussgesellschaft (Klimaxgesellschaft). Nach dem Konzept einer nachhaltigen Schutzwaldpflege (NaiS) entspricht diese Schlussgesellschaft dem langfristigen Waldbauziel eines Bestands, dem sogenannten «Idealprofil» (Frehner et profil gemäss al. 2005). Das Anforderungs Naturgefahrenprozess in der Richtlinie (NaiS) bezieht sich nur auf die Bestandesstruktur (horizontales und vertikales Gefüge) und nicht auf die Baumartenmischung. Die Arbeit von Romer (2007) zeigt, dass sich bereits neun Jahre alte Flächen im Arieschbach in einem Sukzessionsstadium (Alnetum inc.) befinden, welche die Entwicklung zur Klimaxgesellschaft andeuten (Tannen-Fichtenwald). Gemäss NaiS sollten die Schutzwaldpflegemassnahmen langfristig einen gut strukturierten Tannen-Fichtenwald als «Idealprofil» anstreben. Aufgrund vergangener Waldbewirtschaftung und dem aktuell starken Wilddruck, ist die Verjüngung von Weisstanne unmöglich. Wie schon früh vom lokalen Förster erkannt, würde sich die Entwicklung zu einem reinen Fichtenbestand an den Seiteneinhängen des Bündner Wald 4/2017 47
BUWA1704_047 47
20.07.17 08:40
Arieschbachs ungünstig auf die Hangstabilität auswirken. Die Hauptargumentation dafür war die Erkenntnis, dass Fichten – im Vergleich zu anderen Baumarten – flachgründige Wurzelwerke bilden. Deshalb wurde als Massnahme bei der Mischungsregulierung vermehrt auf Bergahorn und Lärche bei den Hauptbaumarten gesetzt (Geer, 2000). In diesem Fall wurde also entschieden, von NaiS abzuweichen und den Bestand so zu pflegen, dass das angestrebte Waldbauziel als ein späteres Sukzessionsstadium betrachtet werden kann. Wie intensiv die Pflege sein sollte – im Sinne einer biologischen Rationalisierung (Ammann, 2004) – ist unklar und erfordert weitere Untersuchungen. Neben den Hangstabilisierungseffekten können auch Aspekte des Naturschutzes oder der Ästhetik Gründe für Abweichungen von der natürlichen Sukzession darstellen (Begemann & Schiechtl, 1994). Bei dieser Diskussion sollten noch weitere Aspekte erwähnt werden, welche für eine ganzheitliche Betrachtung wichtig sind: Die Zusammensetzung des Streumaterials, die selektierte Aufnahme von Nährstoffen
Abb. 6: Grafik der Berechnung der Wurzelverstärkung (rote Linien) und der stabilisierende Beitrag von temporären, technischen Massnahmen (braune Linien) als Funktion der Zeit. Quelle: Schwarz, 2015
(Reich et al. 2005) und der Einfluss auf die Energiebilanz (z. B. durch die Menge von Sonneneinstrahlung am Boden) können je nach Baumart mehr oder weniger schnell die Versauerung eines Bodens beeinflussen (Vacek et al. 2017). In der Folge Bergföhre > Lärche > Fichte > Douglas > Tanne > Buche > Ahorn > Linde > Erle fördern diese Baumarten die Versauerung (Reich et al. 2005). Je nach Ausgangssituation der Bodenentwicklung kann eine leichte Verschiebung des pH-Werts im Boden beim sogenannten «Silikat-Pufferbereich» zu einer erhöhten Tonverlagerung und Verlehmung im Boden führen. Diese bodenbildenden Prozesse können sich ungünstig auf die Hangstabilität auswirken, weil die Anreicherung von Ton (z. B. in einen Bt-Horizont) die Entstehung eines Gleithorizonts fördert. Durch Toneinreichung nimmt die Scherfestigkeit und Wasserdurchlässigkeit ab. Insbesondere ist eine Destabilisierung zu erwarten, wenn sich eine scharfe Grenze zwischen wurzelbeeinflusstem und nicht durchwurzeltem Boden ausbildet. Ein vorteilhaftes Streumaterial (enges C/NVerhältnis und basenreich), welches aus der vorhandenen Baumartenzusammensetzung resultiert, bildet eine attraktive Nahrungsgrundlage für die Mikroorganismen und leistet damit dem Erhalt einer aktiven Humusform Vorschub. Insbesondere Regenwürmer, welche nur bei pH höher als vier überleben, verfrachten auch Unterbodenmaterial und legen es auf oder im Oberboden ab. Dadurch gelangen auch verlagerte Stoffe wieder nach oben, sodass eine intensive Tiertätigkeit einer Verlagerung von Ton oder Nährstoffen entgegenwirken kann. In semi-humiden Klimaten kann auf diese Weise eine Entkalkung des Bodens verhindert werden. Gleichzeitig gelangt aber auch etwas Oberbodenmaterial in Tiergänge in
48
BUWA1704_048 48
20.07.17 08:40
tieferen Horizonten. Abbildung 7 zeigt die Bodenentwicklung einer 25-jährigen IBM im Arieschbach, welche auf einen günstigen Effekt der biologischen Aktivität hinweist. Bei zu starker Dominanz von Arten mit gleicher Wurzelmorphologie kann die Hangstabilität abnehmen, da im Übergangsbereich von durchwurzeltem zu nichtdurchwurzeltem Bodenraum bevorzugt ein Gleithorizont auftritt. Aufgrund einer hohen Diversität von Arten mit verschiedenen Wurzeltiefen und Wurzelformen bestehen gute Voraussetzungen für eine starke Durchwurzelung mit stufigen Wurzelhorizonten. Pflegeeingriffe sind ein geeignetes Mittel, um die Diversität und Vitalität der Holzpflanzen zu fördern und die Lichteinstrahlung der Krautschicht zu regulieren. Es ist aber interessant zu merken, dass Weidenarten, welche eine Buschform bilden, langfristig keine optimalen Wurzelwerke für die Hangstabilisierung aufbauen. Die Präsenz von Samenbäumen der Pionierbaumarten ist günstig für die neuerliche Verjüngung in gestörten Flächen. Dazu ist ein heterogener Bestand in der Regel resistenter und resilienter gegenüber Störungen als ein homogener Bestand. Fazit – Nach 25 Jahren befindet sich eine IBM schon in der Übergangsphase der primären Sukzession der Vegetation von Alnetum inc. zu Klimaxgesellschaft (Tannen-Fichtenwald), wobei die Fichtenverjüngung die anderen Baum arten zurückdrängt. – In dieser Phase der Vegetationsentwicklung stellen sich bereits Fragen bezüglich standortgerechter Schutzwaldpflege. – Obwohl die in NaiS empfohlenen Massnahmen standortgerecht sind, sollte diskutiert werden, ob in gewissen Situationen die Baumartmischung regu-
Abb. 7: Die Bilder zeigen den Vergleich der Bodenentwicklung zwischen einer erodierten Fläche und einem IBM in der Patjänia-Rüfe.
liert werden sollte aufgrund der spezifischen Naturgefahrenprozesse. – Die Mischungsregulierung im Arieschbach zeigt nach 25 Jahren eine positive Wirkung auf die Hangstabilität. – Neben den hydrologischen und mecha nischen Wirkungen der Vegetation auf die Hangstabilität ist es plausibel anzudenken, dass langfristig die Mischungsregulierung einen wichtigen Effekt auf die Bodenentwicklung hat und damit auch auf die Hangstabilität. Mitwirkung: Roman Wieser, Forstbetrieb Madrisa Referenzen Ein genaues Literaturverzeichnis zu diesem Artikel finden Sie auf der Homepage www. buendnerwald.ch. Dr. sc. nat. Massimiliano Schwarz HAFL Länggasse 85, CH - 3052 Zollikofen massimiliano.schwarz @ bfh.ch
Bündner Wald 4/2017 49
BUWA1704_049 49
20.07.17 08:40
Waldameisen in Graubünden
Arbeiterin von Formica polyctena. (Bilder: Monica Kaiser-Benz)
Ameisen sind eine der erfolgreichsten Tiergruppen und kommen fast auf der ganzen Welt vor. Weltweit kann man etwa 15 000 Arten unterscheiden; davon finden wir in der Schweiz 135 und in Graubünden schätzungsweise 70 bis 80. Allen Ameisen gemeinsam ist ihre soziale Lebensweise in Staaten mit einer oder mehreren Königinnen; es gibt keine einzige Art, bei welcher die Individuen alleine leben. Die Waldameisen gehören dank ihrer Nestkuppeln wohl zu den bekanntesten und kaum jemand ist noch nicht vor einem solchen Nesthaufen stehen geblieben und hat sich über das rege Treiben gewundert und gestaunt. Graubünden ist wichtig für Waldameisen Waldameise ist aber nicht gleich Waldamei se. Vielmehr gibt es in der Schweiz sieben verschiedene Arten, welche man zur so
genannten Formica-rufa-Gruppe rechnet. Graubünden ist der einzige Kanton, in wel chem alle sieben Arten vorkommen. Des halb ist Graubünden besonders geeignet für Untersuchungen an Waldameisen und es ist von besonderem Interesse, wo die einzel nen Arten vorkommen. Der Kanton bietet sich auch durch seine Vielfalt an Lebens räumen für solche Untersuchungen an, hat er doch Anteile an der Alpennord- und der Alpensüdseite sowie an den Zentralalpen. Die Höhenlagen reichen von 279 m ü. M. bis 4049 m ü. M., wodurch ein breites Spektrum an verschiedenen Höhenlagen zur Verfü gung steht. Im Jahr 2002 wurde ein Inventar der Wald ameisen initiiert. Mithilfe von mehr als 60 Förstern konnten im ganzen Kanton Wald ameisen gesammelt werden. Es wurden ins gesamt 727 Proben gesammelt, wovon 681 Proben Waldameisen der Gruppe Formica rufa betrafen; 46 Proben enthielten ver schiedene andere, teilweise den Waldamei sen sehr ähnliche Arten. Die Funde verteilen sich auf eine Höhenlage von 500 m ü. M. bei Maienfeld bis auf 2120 m ü. M. bei Conters im Prättigau. Dank dieses Inventars wurde es möglich, erste Verbreitungskarten der ein zelnen Arten zu erstellen. Alle Schweizer Arten leben in Graubünden Folgende Waldameisenarten sind in der Schweiz und in Graubünden zu finden: –– Formica pratensis – Grosse Wiesenameise –– Formica rufa – Grosse oder Rote Waldameise –– Formica polyctena – Kleine Waldameise –– Formica lugubris – stark beborstete Gebirgswaldameise –– Formica paralugubris – kein deutscher Name
50
BUWA1704_050 50
20.07.17 08:42
–– Formica aquilonia – schwach beborstete Gebirgswaldameise –– Formica lugubris-A2 (Formica helvetica) – kein deutscher Name Äusserlich sehen sich alle sieben Arten sehr ähnlich. Auch bauen alle Arten die charakteristischen, kuppelförmigen Nester aus Nadeln, kleinen Zweigen und anderen Materialien. Dennoch unterscheiden sie sich in der Wahl des Lebensraums, im Verhalten und weiteren Eigenschaften wie Volksgrösse, Anzahl der Königinnen oder Koloniebildung. Formica pratensis ist als einzige keine ausgesprochene Waldart, sondern bevorzugt eher offene, xerotherme Lebensräume wie Trockenwiesen mit Büschen oder warme Wiesenhänge mit Gehölzen. Bei den Funden der Förster war diese Art lediglich mit vier Proben vertreten, welche alle in der Gemeinde Fläsch auf einer Höhe zwischen 600 m ü. M. und 700 m ü. M. gesammelt wurden. Alle Nester befanden sich auf Wiesen oder Weiden in Waldlichtungen oder am Waldrand. Kutter (1977), ein Schweizer Ameisenpionier, konnte sie ausser im Bündner Rheintal auch an einzelnen Orten in der Gruob, in der Surselva und im Unterengadin nachweisen. In Graubünden scheint diese Art selten vorzukommen, da die von ihr bewohnten tieferen Lagen nicht häufig sind. Die Proben der Förster wurden ausserdem mehrheitlich im Waldgebiet gesammelt, wo diese Art kaum vorkommt. Deshalb ist sie bei den Funden sicherlich untervertreten. Formica rufa: Diese Art kommt im ganzen Kanton vor, scheint aber in höheren Lagen zu fehlen (Oberengadin, Davos). Sie ist oft an Waldrändern zu finden und weniger im Waldesinneren. Zwar kommt sie von 750 m bis 1800 m ü. M. vor, bevorzugt aber doch Höhenlagen unter 1500 m ü. M. Meistens ist in einem Nest nur eine Königin vorhanden.
Formica polyctena: Sie bevorzugt wie F. rufa eher tiefere Lagen und ist über 1500 m ü. M. kaum mehr zu finden. Die meisten gefundenen Nester befinden sich zwischen 600 m und 1300 m ü. M. Im Gegensatz zu F. rufa ist sie aber häufiger im Waldesinneren. Die Nester beherbergen in der Regel zahlreiche Königinnen und die Art bildet oft Kolonien aus mehreren zusammengehörenden Nestern. Formica lugubris und Formica paralugu bris: Diese beiden Arten können nur aufgrund genetischer Analysen voneinander unterschieden werden. Diese Arten weisen manchmal nur eine Königin auf, manchmal aber bis tausend und bilden dann gelegentlich grosse Kolonien von mehreren Hundert Nestern. Beide Arten haben ihr Hauptverbreitungsgebiet zwischen 1600 und 1900 Meter. Oft sind sie auch in Zwergstrauchheiden oberhalb der Waldgrenze zu finden. Mehr als die Hälfte der inventarisierten Nester gehören einer dieser beiden Arten an; es sind also deutlich die häufigsten Arten von Waldameisen in Graubünden. Sie
In flachem Gelände und an sonnigen Standorten sind die Nestkuppeln eher flach. Bündner Wald 4/2017 51
BUWA1704_051 51
20.07.17 08:43
In steilem Gelände und an schattigen Standorten sind die Nestkuppeln eher steil.
Im Zentrum des Nests befindet sich oft ein Baumstrunk.
kommen im ganzen Kanton vor, sind aber unterhalb von 1000 Meter kaum mehr fest zustellen. Formica aquilonia: Bisher konnte diese Art in Graubünden lediglich im Engadin und in der Val Müstair nachgewiesen werden. Dort ist sie allerdings die häufigste Waldameisen art. Ausserhalb des Kantons Graubünden kommt sie in der Schweiz nicht vor. Es ist
aber nicht auszuschliessen, dass sie auch in anderen Talschaften Graubündens zu fin den ist. Ihr Hauptverbreitungsgebiet hat sie zwischen 1700 und 2100 Meter. Sie ist eine ausgesprochene Waldart und beherbergt in ihren Nestern in der Regel zahlreiche Köni ginnen und bildet Kolonien. Formica lugubris-A2: Diese Art wurde erst 2009 entdeckt und kann von F. lugubris und F. paralugubris nur durch eine genetische Analyse unterschieden werden. Der vorge schlagene Name Formica helvetica ist noch nicht festgesetzt. Bisher ist sie lediglich aus der Val Mingèr im Nationalpark bekannt. Die Arten F. pratensis, F. rufa und F. polycte na sind also Arten der tieferen Lagen – die anderen vier Arten sind in eher höheren La gen anzutreffen. Ökologische Bedeutung der Waldameisen Alle Waldameisen füttern ihre Larven zur Hauptsache mit anderen Insekten, Spinnen und weiteren Kleintieren. Zecken werden dabei sicherlich ebenfalls erbeutet, eine Vorliebe für diese konnte bisher aber nicht nachgewiesen werden und scheint sehr un wahrscheinlich zu sein. Hingegen können in Gebieten, wo ganze Wälder durch Insekten kahl gefressen wurden, grüne Inseln festge stellt werden, in welchen Waldameisen vor kamen und andere Insekten kurz gehalten haben. Zweifellos sind die Waldameisen ein wichtiger Faktor im ökologischen Gleichge wicht der Wälder. Adulte Waldameisen ernähren sich zu ei nem guten Teil von den Ausscheidungen von Blattläusen. Diese Ausscheidungen be stehen weitgehend aus einer Zuckerlösung, welche die Ameisen aufnehmen, in ihrem sozialen Magen speichern und dann an an dere Individuen im Nest sowie an die Kö niginnen und Larven weitergeben. Diese Blattläuse scheinen sie geradezu zu umsor
52
BUWA1704_052 52
20.07.17 08:43
gen. Es konnte schon beobachtet werden, dass Blattläuse, welche von einem Gewitter von den Bäumen heruntergespült worden waren, von Ameisen wieder hochgetragen worden sind. Vom Schutz der Blattläuse durch die Ameisen profitiert nicht zuletzt auch der Mensch, denn auch die Honigbie nen besuchen diese Blattläuse, nehmen deren süsse Ausscheidungen – den Honig tau – auf und produzieren daraus den kräf tigen Waldhonig. Eine weitere Nahrungsquelle für Waldamei sen stellen die Samen verschiedener Pflan zen dar. Die Samen einiger Pflanzen haben ein kleines, ölhaltiges Anhängsel, das soge nannte Elaiosom, welches bei den Ameisen sehr beliebt ist. Deshalb tragen sie diese Sa men in ihr Nest oder beissen das Elaiosom bereits auf dem Weg zum Nest ab. Der Sa men bleibt dann irgendwo liegen und kann zu keimen beginnen. Damit tragen die Waldameisen zur Verbreitung dieser Pflan zen bei; dazu gehören beispielsweise das Leberblümchen, der Lerchensporn, das Schöllkraut und das Salomonssiegel. Für die Qualität des Bodens spielen Wald ameisen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Von ihren Nestern sehen wir mit der Nest kuppel lediglich einen kleinen Teil des Nes tes. Das Nest reicht aber oft ein gutes Stück in den Boden hinein und auch in diesem Teil ist es durchsetzt mit Kammern und Gängen. Dadurch wird die Erde gelockert und so wohl die Belüftung wie die Wasserkapazität des Bodens werden deutlich erhöht. Ausser dem wird der Boden mit organischen Sub stanzen durchmischt und mit Nährstoffen angereichert. All diese Faktoren tragen zu einem stärkeren Wachstum und zu einer höheren Samenproduktion der Bäume in der Nähe von Waldameisennestern bei. Nicht zuletzt leisten die Waldameisen auch einen beträchtlichen Beitrag beim Abbau
prozess von organischen Materialien. Wenn irgendwo ein Tier verendet ist, sind die Ameisen in der Regel schnell zur Stelle und räumen die Überreste sauber weg. Gefährdung der Waldameisen Die Waldameisen sind die ersten Insekten, welche durch das Natur- und Heimatschutz gesetz von 1966 gesetzlich geschützt wur den. Durch dieses Gesetz sind heute alle Arten von Waldameisen dem gesetzlichen Schutz unterstellt und dürfen nach Art. 20 der dazugehörigen Verordnung (Verord nung über den Natur- und Heimatschutz, 1991) nicht getötet, verletzt oder gefangen werden. Auch ihre Eier, Larven, Puppen und Nester dürfen nicht beschädigt, zerstört ANZEIGE
ruwa kompetenz im holzbau
echt massiv Warum unsere Strickhäuser nicht nur nach Massivholz aussehen, sondern auch daraus gebaut sind: www.ruwa.ch ruwa holzbau, küblis, 081 332 11 80 Bündner Wald 4/2017 53
BUWA1704_053 53
20.07.17 08:43
Bestand an Waldameisen in einem Gebiet zum Erlöschen bringen. Auch durch das Fällen von Bäumen werden Nester immer wieder stark beschädigt oder gar zerstört.
Waldameisen nehmen gerne die Ausscheidung von Blattläusen auf.
oder weggenommen werden. Dennoch sind einige Arten, nämlich F. pratensis, F. rufa und F. polyctena – alles Arten der tieferen Lagen – auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten aufgeführt. Auch die Waldameisen haben natürliche Feinde, welche aber den Bestand als Ganzes nicht beeinträchtigen. Gefährdet werden Waldameisen insbesondere durch menschliche Einflüsse. Zunächst ist es der Verlust des Lebensraums respektive die ungenügende Qualität desselben. Dies steht vielfach im Zusammenhang mit den Bedürfnissen und Ansprüchen des Menschen nach Bauland, gut erschlossenen Wäldern mit Infrastrukturen und nicht zuletzt mit einem immer intensiveren Freizeitverhalten. So wurde beispielsweise mit einem Bikeparcours in Graubünden eine grosse Ameisenkolonie von schätzungsweise mehr als hundert Nestern stark dezimiert und geschwächt. Auch durch Forstarbeiten und den Bau von Waldstrassen werden leider immer wieder Nester von Ameisen stark beeinträchtigt oder zerstört. Waldameisen reagieren sehr sensibel auf Veränderungen der Lichtverhältnisse. Ein grosser Holzschlag kann den
Was können wir zum Schutz der Waldameisen tun? Vom Natur- und Heimatschutzgesetz her sind die Behörden verpflichtet, den Schutz der Waldameisen umzusetzen und Massnahmen, welche dazu beitragen, zu ergreifen, zu fördern und zu unterstützen. An erster Stelle müssen dabei die Erhaltung, die Aufwertung und die Neuschaffung geeigneter Lebensräume sein. Da die Hauptlebensräume der meisten Waldameisenarten der Wald, Waldränder und Hecken sind, fällt dem Forst eine wichtige und heraus ragende Rolle zu. Es sind vor allem Waldränder mit einer östlichen, südlichen oder westlichen Exposition, welche für Waldameisen von Bedeutung sind. Nordexponierte Standorte werden von ihnen nicht besiedelt. Die Ameisen benötigen an ihren Standorten sowohl Sonne und Licht wie auch schattigere Orte. Deshalb sind ein eher lockerer Baumbestand und ein nicht sehr dichtes Unterholz besser geeignet als dunkle Wälder oder Wälder mit sehr dichtem Unterholz. Eine wichtige Voraussetzung für die Ansiedlung von Waldameisen ist das Vorhandensein von Nadelhölzern, damit sie genügend Material für die Nestkuppel finden. Da die Waldameisen sehr sensibel auf Veränderungen des Verhältnisses von Licht und Schatten reagieren, sind in Gebieten mit Waldameisen grössere Schlagflächen zu vermeiden. In diesen Gebieten sollen nach Möglichkeit nur einzelne Bäume entfernt werden. Bei der Fällung von Bäumen ist es empfehlenswert, die Umgebung nach Ameisennestern abzusuchen und diese mit
54
BUWA1704_054 54
20.07.17 08:43
Waldameisen schleppen auch Beutetiere ins Nest, welche wesentlich grösser sind als sie selbst.
einem gut sichtbaren Band zu markieren oder auszuzäunen, damit ihr Standort auch auf grössere Distanz erkennbar ist. Dadurch wird es einfacher, einen Sturz der Bäume auf einen Nesthaufen zu verhindern oder bei dessen Transport ein Nest zu beschädigen. Der Mehraufwand wird durch die mehrfache ökologisch wertvolle Funktion der Ameisen wieder wettgemacht. Auch bei der Planung und beim Bau von Waldstrassen kann auf ähnliche Art und Weise vorgegangen werden. Gerade beim Bau von Waldstrassen wird es nicht immer möglich sein, deren Verlauf nach den Standorten von Ameisennestern auszurichten. Wo dies nicht möglich ist, kann eine Umsiedlung betroffener Nester in Betracht gezogen werden. Eine Umsiedlung soll aber nur ins Auge gefasst werden, wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Eine Umsiedlung bedeutet immer einen sehr grossen Eingriff, werden doch die Ameisen gezwungen, ihr Nest komplett neu aufzubauen und wieder neu zu organisieren. Eine Umsiedlung eines Ameisennests ist denn auch durch die kantonalen Behörden (Amt für Natur und Umwelt) bewilligungspflichtig. Ab und zu nisten sich Waldameisen auch in Privatgärten ein, nicht immer zur Freude der
Besitzer und Besitzerinnen. In vielen Fällen lassen sich die Strassen der Ameisen umleiten, sodass sie den Gartennutzern und -nutzerinnen nicht lästig werden. In schwerwiegenden Situationen kann auch hier eine Umsiedlung in Erwägung gezogen werden. Ausblick Um Waldameisen besser schützen zu können, sind Information und Bildung der Bevölkerung ein nicht zu unterschätzendes Instrument. Durch Referate und Exkursionen zu Waldameisen lassen sich viele Fragen klären. Das Amt für Wald und Naturgefahren hat im Jahr 2002 ein Faktenblatt über Waldameisen herausgegeben, das im Herbst 2017 in überarbeiteter und erweiterter Form wieder publiziert werden soll. Ausserdem stellt die Autorin einen «Ameisenkoffer» mit diversen Materialien für Exkursionen und für den Unterricht gratis zur Verfügung. Monica Kaiser-Benz Beverinstrasse 2 CH-7430 Thusis mkbenz @ bluewin.ch
Bündner Wald 4/2017 55
BUWA1704_055 55
20.07.17 08:43
ANZEIGE
Fördern, heben, spannen, sichern: Umfangreiches Sortiment für Wald und Forst.
Jakob AG, 3555 Trubschachen Tel. 034 495 10 10, Fax 034 495 10 25 eMail: seil@jakob.ch
Kraft Präzision Verlässlichkeit
Wir sind genau, effektiv und modern. Zudem zeichnet uns das spezielle Transportsystem, die Arbeitssicherheit sowie das umweltschonende Arbeiten aus.
Tabrec Recycling AG Industriestrasse 19 . CH-7304 Maienfeld Telefon +41 81 303 73 60 . u.guidon@tabrec.ch
BUWA1704_056 56
20.07.17 08:43
Ein neues Buch über Insekten im Wald Kürzlich ist ein Buch über Waldinsekten er schienen, das sich kein ernsthafter Förster oder Waldliebhaber entgehen lassen sollte. Sein Titel lautet: Insekten im Wald – Viel falt, Funktionen und Bedeutung. Verfasst wurde es von Beat Wermelinger, langjäh riger Leiter der Forschungsgruppe Wald entomologie an der WSL. Der Autor stand und steht mit dem Bündner Forstdienst im Rahmen von mehreren Projekten immer wieder in engem Kontakt (Sturmschadenforschung, Projekt BüWaK, Borkenkäfer-Simulation, Waldökologie-Kurs 2007 etc.). Das Buch basiert denn auch auf der 25-jährigen intensiven Beschäftigung des Autors mit den vielen Fragen rund um das Leben und Wirken von Insekten in den Wäldern, vorab der Schweiz. Erschienen ist es im Verlag Haupt, das für seine schön gestalteten Sachbücher zu Naturthemen bekannt ist. Dieses neue Buch über Waldinsekten ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Es vermag wohl auch jene zu faszinieren, denen Lebewesen von nur wenigen Millimetern Grösse im Normalfall eher skeptisch gegenüberstehen. Einmal sind da die Beschreibungen ökologischer Zusammenhänge. Mit der Angabe einiger Grössenordnungen wird klargemacht, wie bedeutend die Kleintierlebewelt im Wald ist. So etwa, dass die Biomasse der Insekten das 30- bis 50-Fache derjeni-
gen der Wirbeltiere einnimmt oder dass in einem Laubwald jährlich 11, 5 Tonnen pflanzlicher Abfälle pro Hektar durch Tiere von Schneckengrösse an abwärts verwertet werden. Die mannigfaltigen Beziehungen, in denen die Insekten mit ihrer Umwelt stehen, werden generell, aber vor allem auch anhand zahlreicher Beispiele anschaulich beschrieben. Es geht dabei um die Rolle der Insekten bei der Pflanzenvermehrung, beim Umsatz der grünen Pflanzenmasse, beim Abbau von Holz, bei der Verwertung von tierischen Abfallprodukten oder als Nahrung für andere Organismen. Die Lektüre lässt erahnen, wie unendlich vielfältig die Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen den Lebewesen eines Waldes sind. Und die Vielfalt ist umso grösser, je genauer man hinschaut. Es gelingt dem Autor immer wieder, den Leser mit erstaunlichen Details über den Mikrokosmos im Wald zu verblüffen. Das Buch behandelt so ziemlich alle wesentlichen Themen, welche mit Waldinsekten in Verbindung stehen. So ist zum Beispiel den Waldameisen ein ganzes Kapitel gewidmet. Ihre Staatenbildung wird anschaulich geschildert und ihre ökologische Bedeutung besonders beleuchtet. Die Ausführungen über wirtschaftliche Schäden durch Waldinsekten decken das ganze Spektrum ab – von den blatt- und nadelfres senden über saugende Insekten, Rinden
«Markusmücke. Ihre Larven sind wichtige Verwerter von toter organischer Substanz und kommen manchmal in Dichten von mehreren Tausend Tieren pro Quadratmeter vor.» (Bilder: Beat Wermelinger) Bündner Wald 4/2017 57
BUWA1704_057 57
20.07.17 08:44
Beat Wermelinger: «Insekten im Wald».
besiedlern bis hin zur Übertragung von Pflanzenkrankheiten durch Insekten. Die Borkenkäfer sind auf insgesamt 36 Seiten abgehandelt. Nebst ihrer Biologie werden auch die zahlreichen natürlichen Gegenspie ler und die mit den Borkenkäfern zusam menhängenden Herausforderungen für die Waldwirtschaft dargestellt. Sehr verdienst voll ist auch die detaillierte und doch auch übersichtliche Darstellung der Ergebnisse aus sechs Jahrzehnten Forschung über den Lärchenwickler im Engadin. Dass auch der medizinischen Bedeutung von Insekten und nutzbaren Insektenpro dukten je ein Kapitel gewidmet ist, hat mich zunächst etwas erstaunt. Aber auch diese Abschnitte sind ausgesprochen informativ und spannend. Natürlich wird auch auf die Problematik eingeschleppter Insektenarten eingegangen. Abgeschlossen wird das Buch mit Ausführungen über gefährdete Wald insekten. Das Buch ist aus mitteleuropäischer Sicht geschrieben. Hin und wieder wird über die sen Raum hinausgeschaut, beispielsweise wenn bei den Borkenkäfern auf die giganti sche Kalamität des «Mountain Pine Beetle» in Nordamerika hingewiesen wird. Manch mal wird auch das engere Feld der Insekten verlassen und der Blick auf Spinnen und Milben gerichtet.
Ein weiterer Pluspunkt: Das Buch liest sich leicht. Einerseits ist der Text sehr gut ver ständlich geschrieben. Die enormen Speziali sierungen im Mikrokosmos der Waldinsek ten machen zwar ab und zu den Gebrauch von Fachausdrücken unumgänglich. So ist es ja natürlich einfacher, von «Hyperparasitis mus» zu sprechen als von der «Parasitierung einer parasitischen Larve durch einen Parasi toiden». Aber solche Fachausdrücke werden sehr zurückhaltend verwendet und zudem in einem Glossar gut verständlich erklärt. An derseits ist das Buch mit 580 Farbfotos aus gesprochen reich bebildert. Die Fotos stam men zum allergrössten Teil vom Autor selbst und weisen durchwegs gute, zum Teil fan tastische Qualität auf. Besonders angetan haben es mir der aus einem Föhrenstamm schlüpfende Zimmermannsbock oder die Schlupfwespe, die bei einer Kolonie von Raupen der Birkenblattwespe darauf lauert, eine der Raupen parasitieren zu können. Die Bilder werden in den Legendentexten gründ lich erklärt und tragen damit wesentlich zur Informationsvermittlung bei. Kurz gesagt: Das Buch gibt einen tiefen und umfassenden, aber doch immer leicht ver ständlichen Überblick über so ziemlich alles, was man als Förster über das Insektenleben im Wald wissen sollte oder als Waldliebha ber wissen möchte. Ein solches Buch hätte ich mir schon als Forststudent und erst recht als berufstätiger Förster gewünscht. Aber auch heute, nach vollendeter Försterberufs laufbahn, werde ich es bestimmt immer wieder zur Hand nehmen. Ueli Bühler Via Concordia 9 7013 Domat/Ems ueli.buehler @ gmx.ch
58
BUWA1704_058 58
20.07.17 08:44
Waldknigge Sammler und Jäger Untertitel Grundschrift
(Illustration: Rolf Giger)
Im Bündner wie auch überall im Schweizer Wald gilt grundsätzlich das freie Betretungsrecht. Das heisst, jeder ist im Wald willkommen, solange er sich respekt- und rücksichtsvoll gegenüber dem Wald, seinen Einwohnern und Gästen verhält. Der Wald ist heute als Freizeit- und Erholungsort sowie als Schutz vor Naturgewalten, aber auch als Rohstofflieferant nicht mehr wegzudenken. Um die Wälder mit ihrer Schönheit und Kraft zu erhalten, gibt es allerdings einige Verhaltensregeln – neben dem gesunden Menschenverstand –, an die sich jeder halten muss. In den nächsten sechs Ausgaben der Zeitschrift «Bündner Wald» bringen wir Ihnen einige Verhaltensregeln jeweils mit einer Illustration von Rolf Giger auf lustige Art und Weise näher, um das Zusammenleben im Wald für
alle Ansprechgruppen so angenehm wie möglich zu gestalten. Die Waldeigentümer – im Kanton Graubünden sind dies zu knapp 90 Prozent die Gemeinden – sehen sich als Gastgeber und heissen jeden im Wald herzlich willkommen. Sammler und Jäger Im Wald ist das Sammeln und Mitnehmen wild wachsender Beeren, Pilze und dergleichen «im ortsüblichen Umfang» grundsätzlich jedermann gestattet. Dabei gilt es, Rücksicht auf Flora, Fauna und andere Waldnutzer zu nehmen. Beispielsweise auch auf die Jäger während der Bündner Jagd. Diese regulieren nämlich die Wildbestände, um die natürliche Verjüngung des Waldes zu ermöglichen. SELVA, Juni 2017 Bündner Wald 4/2017 59
BUWA1704_059 59
20.07.17 08:44
Weckruf zur Rettung der Tanne Der Klimawandel wird in Mitteleuropa verstärkt zu Witterungsextremen wie Stürmen, Starkniederschlägen oder Trockenperioden führen. Unsere Kinder und Enkel werden davon massiv betroffen sein; Wärmerekorde werden bereits heute gemessen. Die Vorsorge gegen die schlimmsten Folgen des Klimawandels stellt die jetzige Generation vor grosse Herausforderungen. Sie können gemeistert werden, wenn das Prinzip forstlicher Nachhaltigkeit im Sinne eines umfassenden Umweltschutzes konsequent angewandt wird. Unsere Wälder sind trotz aller Veränderungen die immer noch naturnächsten grossflächigen Landschaftsformen. Wie können wir erreichen, dass sie einen nachhaltigen Bei-
trag zur Verhinderung der schlimmsten Folgen des Klimawandels leisten? Seit mehr als 130 Jahren wird das tragische Schicksal der Weisstanne beschrieben und eine stärkere Beteiligung der Tanne am Aufbau des Waldes gefordert. Trotzdem konnten seitdem meist nur noch wenige junge Tannen aufwachsen. Im Klimawandel leidet die Fichte bereits heute stark; ihr Anteil wird drastisch weiter zurückgehen. Sowohl aus ökologischen Gründen als auch zur Holzversorgung brauchen wir in Deutschland aber einen relativ hohen Anteil an klimatoleranten Nadelhölzern. Als Alternative zur Fichte setzen viele Forstbetriebe zurzeit auf die kernbildende Douglasie. Ob sich diese standortfremde Baumart
ANZEIGE
FSC-Nr. SGS-COC-004974
Vermarktung und Vermittlung von Holz- und Waldprodukten aus Graubünden. Adresse: Reziaholz GmbH · Bahnhofplatz 1 · CH 7302 Landquart Tel. +41 81 300 22 33, Fax +41 81 300 22 34 info@reziaholz.ch · www.reziaholz.ch
NAULI AG HOLZHANDEL Via Spinatsch 11 7014 Trin Wir empfehlen uns für den Kauf und Verkauf von Rundholz in jeglicher Form
Grischa-Brennholz.ch Tel. 081 353 41 51 info@nauli-holz.ch
Fax 081 353 41 54
Grischa-Kastanienholz.ch Handy 079 610 29 81 www.nauli-holz.ch
60
BUWA1704_060 60
20.07.17 08:45
im Klimawandel in Deutschland bewährt, ob im Zuge der Globalisierung nicht auch Krankheiten und Schadinsekten an ihr Fuss fassen, muss erst noch abgewartet werden. Dagegen kann nach allen Vorhersagen davon ausgegangen werden, dass von den standortheimischen Nadelbaumarten die Tanne in weiten Teilen Deutschlands am besten mit den Bedingungen des Klimawandels zurechtkommen wird. In fast allen Bundesländern gibt es Aussagen für eine stärkere Beteiligung der Tanne sowie positive Beispiele für ein problemloses Aufwachsen der Tannen – und dies ohne besondere Schutzmassnahmen. Auf dem Grossteil der tannentauglichen Waldfläche ist das aber wegen unzureichender Bejagung des Schalenwilds und örtlich auch eines wenig tannengerechten Waldbaus nicht möglich. Deshalb ist es höchste Zeit für einen Weckruf zur Rettung der Tanne mit folgenden Forderungen: – Die Jagd ist so zu organisieren und zu intensivieren, dass junge Tannen ohne besondere Schutzmassnahmen aufwachsen können. – Der Waldbau ist tannengerecht ohne Kahlschläge zu gestalten.
(Bild: Sandro Krättli)
– In Altbeständen mit Alttannen ist die Verjüngungsnutzung so lange auszusetzen, bis eine befriedigende Tannenverjüngung herangewachsen ist. – In Jungbeständen sind unterdrückte Tannen zu begünstigen. – In den Verjüngungszielen sind hohe Tannenanteile im Anhalt an die potenzielle natürliche Vegetation sowie auf die baumartenbezogene Klimaprognose festzuschreiben. Darüber hinaus ist sie auf geeigneten Standorten zu beteiligen. Die Natur- und Umweltschutzorganisationen sind im öffentlichen Wald an den Massnahmen zur Rettung der Tanne zu beteiligen. – Förster, Waldbesitzer, Naturschützer und Jäger, die durch ihren engagierten Einsatz das Aufwachsen hoher Tannenanteile verwirklichen, müssen öffentliche Anerkennung erfahren. Ihre Reviere sollten als Vorbild für andere Reviere angesehen werden, denn sie sichern klimatolerante Wälder für kommende Generationen. Literatur Ein genaues Literaturverzeichnis zu diesem Artikel finden Sie auf der Homepage www. buendnerwald.ch. Dr. Georg Meister Streufdorfer Strasse 1 DE-96476 Bad Rodach dr.georg.meister @ t-online.de
Wolf Hockenjos Alemannenstrasse 30 DE-78166 Donaueschingen wohock @ gmx.de
Bündner Wald 4/2017 61
BUWA1704_061 61
20.07.17 08:45
Lehrabschlussfeier der Forstwarte GR /FL in Scharans Mitte Juni traten 37 angehende Forstwarte aus dem Kanton Graubünden und dem Fürstentum Liechtenstein den letzten Teil ihrer Lehrabschlussprüfung in Trimmis an. Die Prüfungen wurden vom Amt für Wald und Naturgefahren organisiert. Die traditionelle Lehrabschlussfeier, welche von Graubünden Wald organisiert wurde, fand am 30. Juni in der Stiftung Scalottas in Scharans statt. Am 30. Juni trafen sich in Scharans die frischgebackenen Forstwarte, ihre Angehö rigen, Berufsbildner, Experten und Gäste, alles in allem rund 160 Personen, um den erfolgreichen Lehrabschluss zu feiern. Der Kantonsförster Reto Hefti begrüsste die An wesenden und gratulierte den Absolventen zu ihrer hervorragenden Leistung. Die bei den Festredner Livio Zanetti und Ruedi Schindler würdigten in ihren Reden die Leis tungen der 34 erfolgreichen Absolventen und gratulierten ihnen zur bestandenen Lehrabschlussprüfung. Die feierliche Über gabe der eidgenössischen Fähigkeitszeug nisse mit der Prämierung der drei besten Lehrabschlüsse wurde von Dominic Schil ling (AWN) angeleitet, wobei er tatkräftig von Reto Hefti, Kantonsförster (AWN), Li vio Zanetti, Präsident Bündner Forstunter nehmerverband, Ruedi Schindler, Berufs inspektor am Amt für Berufsbildung, sowie von Mario Riatsch, Präsident von Graubün den Wald, unterstützt wurde. Wie jedes Jahr durfte der beste Absolvent als Lohn für seine grossartige Leistung die be gehrte goldene Axt entgegennehmen. Felix
Voneschen (AWN) konnte diese Trophäe Pir min Lombris, welcher seine Lehre beim Uffe ci forestal Mustér absolvierte, für seinen Ab schluss mit der Bestnote 5,8 überreichen. Für die zweit- und drittbesten Noten gab es ebenfalls ein kleines Präsent. Diese Ehre wurde im zweiten Rang mit der Note 5,5 Janic Alig, Revierforstamt Safiental, sowie im dritten Rang mit der Note 5,4 Céderic Metz, Grün und Werkbetrieb Chur, zuteil. Insgesamt haben die Prüfung mit Erfolg absolviert (in alphabetischer Reihenfolge): Beck Valentin, Mauren FL; Bischoff Cla, Bre gaglia; Blum Nico, Felsberg; Boner Samuel, Trimmis; Clavadetscher Peter, Grüsch; De mont Yanick, Ilanz/Glion; Dolf Conradin, An deer; Eberle Samuel, Triesenberg FL; Fiol Sé bastien, Segl-Maria; Fisler Loris, Poschiavo; Flütsch Claudio, Seewis; Hohenegger Luca, Val Müstair; Josty Joannes, Scuol; Jud Kaj, Zweckverband Falknis; Luminati Luca, Same dan; Mark Florian, Zillis-Schamserberg; Meier Nando, Furna; Moser Yanick, Davos; Müller Erik, Cazis; Pietsch Marius, S-chanf Zuoz; Pua Marco, Valsot; Ritzmann Sandro, Scuol; Sa lutt Nico, Zernez; Schaniel Severin, Sumvitg; Schmid Remo, Quarten; Seeger Matthias, Schaan FL; Solèr Marco, Poschiavo; Tscharner Stiven, Thusis; Tschuor Yanik, Obersaxen Mundaun; Tuor Sandro, Gemeindebetriebe Crest Ault; Zeltner Simon, Landquart-Zizers. Sachbearbeiter: Dominic Schilling (Tel. 081 257 38 66)
Die Abschlussklasse 2017 und der Jahrgangsbeste Pirmin Lombris. (Bilder: Sandro Krättli)
62
BUWA1704_062 62
20.07.17 08:47
Vorschau «Bündner Wald» Oktober 2017 Forstliche Vernetzung Bund – Kanton – Betriebe Die Forstbetriebe sind Teile der operativen Ebene unserer Gemeinden. Die Gemeinden stehen wiederum in einem mehr oder weniger engen Abhängigkeitsverhältnis zu den Kantonen, welche ihrerseits dem Bund unterstellt sind. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der gewissen Autonomie, welche jeder Betrieb, jede Gemeinde und natürlich auch die Kantone in unterschiedlichem Mass für sich beanspruchen, besteht zwischen den einzelnen Teilen dieses Gefüges eine relativ enge Beziehung. Jeder scheint von jedem abhängig zu sein. Unsere nächste Ausgabe sollte im Oktober etwas Klarheit darüber verschaffen, weshalb die eigenen Strukturen auch für die Partner dieses Beziehungsgeflechts von Interesse sind. Redaktion: Jörg Clavadetscher
ANZEIGE
Vorschau auf die nächste Nummer: Dezember 2017: Nachhaltigkeit heute Redaktion: Sandro Krättli
Herausgegeben vonvon Graubünden Wald, Amt für Wald Graubünden undGraubünden der SELVA. Herausgegeben Graubünden Wald, Amt und für Naturgefahren Wald und Naturgefahren und der SELVA. Verleger: Südostschweiz Presse und Print AG, Südostschweiz CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Christophe Trüb, Verlag: © Somedia Production AG, CH-7007 Chur Print, Sekretariat: SELVA, Urs Rutishauser, BahnhofBahnhofplatz 1, CH-7302 Landquart, Telefon + 41 (0) 81 300 22 44, buendnerwald @ selva-gr.ch Redaktoren: Jörg Clava
platz 1, CH-7302 Landquart, Telefon + 41 (0) 81 300 22 44, buendnerwald @ selva-gr.ch Redak-
detscher, Revier forestal da Val Müstair, CH-7535 Valchava, Telefon + 41 (0) 81 858 58 21, forestal-muestair @ bluewin.ch.
toren: Jörg Clavadetscher, forestal-muestair @ bluewin.ch. Sandro Krättli, sandro.kraettli @ awn.gr.ch.
Sandro Krättli, AWN GR, Sagastägstrasse 96, CH-7220 Schiers, Telefon + 41 (0) 81 300 24 11, sandro.kraettli @ awn.gr.ch.
Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in nicht verlangter Form ohne Rückfrage zu ändern. Her-
Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in nicht verlangter Form ohne Rückfrage zu ändern Druckvorstufe (Satz, Lithos, Belich-
stellung: SomediaPresse Production, Chur. Erscheint sechsmal Auflage: 1700 tung) : Südostschweiz und PrintCH-7007 AG, Südostschweiz Print, Antonin Friberg jährlich. Druck: Südostschweiz PresseExemplare und Print AG, Inserate: Somedia Promotion, Telefon + 41 1,(0) 81 650Chur, 00 70, thusis@somedia.ch Abonnements Süd ostschweiz Print, Postfach 508, Kasernenstrasse CH-7007 Telefon + 41 (0) 81 255 51 11, Fax + 41 (0) 81 255 52 89. Erscheint jährlich. 1700 Exemplare Inserate: Südostschweiz Publicitas AG, Neudorfstrasse 17, preise: CHF 60.– sechsmal (inkl. MwSt. fürAuflage Mitglieder Verein Graubünden Wald) Abonnemente/Adressände CH-7430 Telefon (0) 81 650 70, abo Fax + 41 (0) 81 650 00www.buendnerwald.ch 74, thusis@so-publicitas.ch Abonnementspreise: rungen: Thusis, Telefon + 41 + 41 (0) 81 255 540054, somedia.ch,
@
CHF 60.– (für Mitglieder Verein Graubünden Wald) Abonnemente/Adressänderungen: Südostschweiz Presse und Print AG,
Für Inseratetexte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung, auch muss die Meinung der Beiträge
Postfach 508, Abo- und Zustellservice, Kasernenstrasse 1, CH-7007 Chur, Telefon + 41 (0) 81 255 50 50,
nicht mit der Ansicht der Redaktoren übereinstimmen. Autoren, die zu obenstehenden Themen publi-
www.buendnerwald.ch
zieren möchten, sind herzlich eingeladen, ihre Vorschläge Für Inseratetexte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung, auch der mussRedaktion die Meinungeinzureichen. der Beiträge nicht mit der Ansicht der Redaktoren übereinstimmen. Autoren, die zu obenstehenden Themen publizieren möchten, sind herzlich eingeladen, ihre Vorschläge der Redaktion einzureichen.
Bündner Wald 4/2017 63
BUWA1704_063 63
20.07.17 08:48
ANZEIGE
Publireportage STARKHOLZ
Vollbremsung notwendig Der jüngste Versuch der Task Force, das Starkholz mit einer Tagung als gemeinsames, wichtiges Thema der Wald- und Holzwirtschaft zu identifizieren, ist gelungen. Die Bereitschaft steigt, den unschönen Trend zu brechen. Übereinstimmend mit einer Untersuchung in Baden-Württemberg1 hat auch eine Analyse von 350’000 m3 Schweizer Fichtenholz2 gezeigt, dass mit steigendem Durchmesser die B-Qualitäten abnehmen, und der C-Anteil wächst. Da der B-Anteil im Schweizer Holz ohnehin geringer ist, wirkt sich dessen Abnahme sehr negativ aus. Die Kunden der Sägereien sind anspruchsvoll – da vergrössert sich ein Spannungsfeld. Aus den genannten Qualitätsgründen erzielt Starkholz geringere Preise. In der Landwirtschaft werden am Markt vorbei produzierte Ladenhüter durch «Ausmerzaktionen»forciert abgebaut. Mit dem Starkholz im Schweizer Wald passiert das erst in Ansätzen. Vollstopp als Übungsannahme Ein forcierter Starkholzabbau würde die Holzindustrie überfordern – mengenmässig und qualitativ. Als Ausgangspunkt reicht vorerst das Ziel, den Starkholzberg von Fichte, Tanne und Buche nicht weiter anwachsen zu lassen. Dazu müssen die notwendigen waldbaulichen Massnahmen und die Verarbeitungsmöglichkeiten regionalisiert betrachtet werden: Mit
BUWA1704_064 64
schweizweiten Aussagen sind generell alle, konkret aber niemand gemeint. Gefragt sind initiative Köpfe, die das Problem anpacken. Die grossen Durchmesser machen in der modernen Holzverarbeitung keine Freude – seit 20 Jahren schon. Doch muss sich die Holzindustrie leider auf mehr starkes Holz und abnehmende Qualität einstellen. Neben Absatzfragen gibt es auch technologische Herausforderungen: Der höhere Sortieraufwand muss möglichst rationell erledigt werden, z. B. mit Scanner-Technologie.
Aus welchem Rundholzdurchmesser werden die wichtigsten Schnittholzsortimente erzeugt?3
Qualität von Starkholz – Erwartungen und Wirklichkeit, Udo Sauter et al in AFZ-DerWald 19/2016 2 Urban Jung an der Rohholztagung vom 4. Mai 2017 3 Situation und Zukunft der Schweizer Sägeindustrie, holz 21, April 2004 (Grundlage Jaakko Pöyry Consulting) 1
20.07.17 08:48