BĂźndner Wald
Titel Waldschutz heute (und morgen?)
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Jahrgang 72 | Juni 2019
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12 Inhalt Titel Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Waldschutz in Graubünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Neue rechtliche Grundlagen für den Waldschutz . . . . . . . . 10 35 Jahre Waldschutz in Graubünden: Fokus Pilzinfektionen . . . 12 Die Tintenkrankheit : Eine Bedrohung für unsere Kastanienwälder . . . . . . . . . . 20 Doppelte Herausforderung: Waldbrand und Borkenkäfer . . . . 24 Wiederauferstehung des Lärchenwicklers 2018 . . . . . . . . . 30 Totholzkäfer in Graubünden: Aufdatierung unseres Wissens . . . 36 Klimabedingte Risiken – was erwartet uns noch? . . . . . . . . 44 Fund von Zecken der Gattung Hyalomma in Deutschland . . . . 50 Comic Theo & Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Cambio della guardia presso il circolo forestale San Vittore/Calanca esterna . . . . . . . . . 54 Auf RFI Duri Könz folgt Giorgio Renz . . . . . . . . . . . . . . 56 100 Jahre SELVA – ein Verband im Wandel . . . . . . . . . . . 58 Zum Tod von Ernst Zeller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Vorschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
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Titelbild: Eine Rote Waldameise hat in der Lärchenkrone eine Raupe des Lärchenwicklers erbeutet und transportiert sie den Stamm hinunter.
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(Bild: Beat Wermelinger, WSL)
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Im letzten Raupenstadium hinterlassen die Lärchenwickler- Raupen am Zweig viele Spinnfäden und angebissene Nadeln.
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(Bild: Beat Wermelinger, WSL)
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Editorial Dieser Ausgabe könnte man eigentlich auch einen anderen Titel geben, und trotzdem passt ein Teil der nachfolgenden Artikel bestens dazu: Biologische Globalisierung im Wald. Auch wenn wir uns in Forstschutzfragen momentan noch in vielen Fällen mit mehr oder weniger bekannten Organismen beschäftigen. Immer öfter wird der Forstdienst mit problematischen Organismen aus aller Herren Länder konfrontiert. Eingeschleppt mit Gütertransporten von irgendwo, als (unbemerktes) Souvenir von einer Fernreise oder wie die aus Afrika stammende Hyalomma-Zecke als blinder Passagier eines Zugvogels. Verschiedenste Organismen, Tiere wie Pflanzen, finden unbeabsichtigt den Weg in neue Refugien. Einmal dort angekommen, bleibt den Neuzuzügern oft nur eine der beiden Extremsituationen: Der Tod, weil die Lebensbedingungen einfach nicht stimmen, oder die fast uneingeschränkte Vermehrung und Ausbreitung, weil die Gegenspieler fehlen. Der absichtliche Import, die gezielte Ansiedelung von neuen Organismen, um eben andere, eingeschleppte Organismen zu bekämpfen, ist nicht immer unproblematisch und erfolgreich. Beste Beispiele für das hohe Risiko solcher Ansiedlungsaktionen finden sich unter anderem in Australien und Neuseeland. So werden die ursprünglich von europäischen Siedlern gezielt nach Neuseeland eingeschleppten Wildkaninchen heute absichtlich mit einem aggressiven Virus bekämpft, das die Tiere qualvoll verenden lässt und problemlos auf das Hauskaninchen übergreifen kann. Ein Problem? Scheinbar nur für die Kaninchenhalter. Die Befürworter dieser Bekämpfungsmethode empfehlen eine Impfung der Hauskaninchen. Die Kaninchenbekämpfung mit einem RHDV1-Virus wird von den einen als grosser Erfolg gepriesen. Andere wiederum erinnern daran, dass niemand garantieren kann, dass sich das Virus nicht unkontrolliert auf andere Tierarten ausbreiten kann. Dass solche Methoden der Schädlingsbekämpfung auch durchaus erfolgreich sein können, zeigt je-
doch das Beispiel der Kastaniengallwespe. Dieser teils gefürchtete Schädling der Ess- oder Edelkastanie mit Ursprung in Südchina wird in Italien mit einem natürlichen Gegenspieler aus seiner Heimat China bekämpft. Mit der gezielten Freilassung einer bestimmten Schlupfwespenart (Torymus sinensis) konnten die Bestände und Schäden der Esskastanien-Gallwespe in Italien und auch im Tessin bereits merklich reduziert werden. Die Edelkastaniengallwespe war bereits im «Bündner Wald» vom Juni 2014 ein Thema. Damals konnte der Erfolg von Torymus sinensis noch nicht mit Sicherheit angekündigt werden. Solche Methoden müssen wohlüberlegt und gut überwacht sein und fordern gleichzeitig einiges an Geduld. So rechnen Experten mit etwa zehn Jahren, bis sich das Gleich gewicht zwischen Gallwespe und Schlupfwespe einpendelt. Egal, für welche Bekämpfungsmethode man sich entscheidet und ob sie dann auch erfolgreich ist oder eben nicht. Eines ist in jedem Fall gewiss: Es sind kostspielige Massnahmen. Nicht nur, aber auch deshalb ist die Kontrollarbeit, welche unter der Leitung des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes an der Staatsgrenze durchgeführt wird, von grösster Bedeutung – auch für unsere Wälder. Denn jeder Schadorganismus, der bereits bei seiner Einreise gestoppt und eliminiert werden kann, ist ein grosses Problem weniger. Mit diesen Hinweisen möchte ich den Anschluss an den «Bündner Wald», Ausgabe Juni 2014, herstellen.
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Waldschutz in Graubünden Wenn man sich mit dem Thema Waldschutz befasst, das als «Forstschutz» wohl noch weit geläufiger ist, hat eine Mehrheit der Forstleute als Erstes den Borkenkäfer vor Augen. Waldschutz im Kanton Graubünden ist aber bedeutend mehr. Marco Vanoni Das nationale Waldgesetz verpflichtet die Kantone, Massnahmen gegen Ursachen und Folgen von Schäden zu ergreifen, um die Erhaltung des Waldes und seiner Funktionen zu gewährleisten. Auch ist eine Überwachung auf Schadorganismen vorzunehmen. Das kantonale Waldgesetz wiederum konkretisiert diese Aufgaben und überträgt die Pflicht zur Schadensverhinderung respektive -behebung nach Anordnung des Kantons auf die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer. Über Leistungsvereinbarungen mit den Forstbetrieben wird im Kanton Graubünden geregelt, dass die Revierförster diese hoheitliche Aufgabe wahrnehmen. Neben Borkenkäfern, meist ist damit der Buch drucker (Ips typographus) gemeint, spielen diverse Organismen eine tragende Rolle. Dabei ist es nicht so, dass die Gefahren für den Wald immer dieselben sind. Gefürchtete Schadorganismen aus der Vergangenheit sind heute vielleicht gar nicht mehr so relevant, oder aktuell zu bekämpfende Schad organismen waren vielleicht vor Jahren noch unbekannt. Und was uns die Zukunft noch alles bringen mag, ist kaum vorherzusehen. Im Kanton Graubünden macht die Bekämpfung der Borkenkäfer als Massnahme gegen unkontrollierbare Folgeschäden nach wie vor den grössten Aufwand in Sachen Waldschutz aus. Durch präventive Massnahmen versuchen die Forstbetriebe zu verhindern, dass nach Naturereignissen weitere schwerwiegende Folgeschäden verursacht werden. Beim Buchdrucker als eigentlicher Sekundärschädling ist eine gewisse Entwicklung vorherzu
sehen und proaktive Massnahmen sind bis zu einem gewissen Grad sinnvoll. Bei Primärschädlingen kann die Sache hingegen anders aussehen. Dort sind teils nur noch reaktive Massnahmen möglich, um einen Schaden zu beheben. Die Liste der forstlichen Schadorganismen in den Projektvorschriften Waldbau des Amts für Wald und Naturgefahren umfasst aktuell etwas mehr als 30 Arten. Eine intensive Beobachtung und Meldung an der jährlichen Waldschutz-Umfrage der WSL ist bei der Mehrheit der Organismen angezeigt. Nur bei rund einem Drittel sind jedoch Bekämpfungsmassnahmen möglich oder nötig. Bei Arten wie beispielsweise dem Kleinen Waldgärtner (Tomicus minor) und dem Grossen Waldgärtner (Tomicus piniperda) sind wirkungsvolle Massnahmen kaum möglich. Eine Schädigung von Föhren nach starkem Befall kann meist erst festgestellt werden, nachdem die Käfer den Baum bereits wieder verlassen haben. Folglich ist auch keine Zwangsnutzung mehr angezeigt, da dadurch keine weiteren Folgeschäden verhindert werden können. Bei anderen Organismen wie etwa beim Lärchenwickler ist eine Massnahme absolut unnötig, weil sich der Wirtsbaum im Laufe der Evolution an dieses Insekt angepasst hat und auch einen kompletten Befall üblicherweise ohne nachhaltige Schädigung überstehen kann. Und dann gibt es noch die Organismen, von welchen potenziell ein massives Risiko ausgeht. Bei diesen besonders gefährlichen Schadorganismen (bgSO) ist spezielle Vorsicht geboten. Diese sind gemäss eidgenössischer Pflanzenschutzverord-
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nung (PSV, ab 2020 Pflanzengesundheitsverordnung PGesV) melde- und bekämpfungspflichtig. Darunter fällt beispielsweise die Rotband- und Braunfleckenkrankheit an allen Föhren-Arten. Die Verbreitung dieser Pilzkrankheit gibt trotz Forschung in den letzten Jahren auch heute noch Rätsel auf. Weitere Vertreter dieser bgSO-Gruppe sind das Feuerbrand-Bakterium, das vor allem Obstbaum-Kulturen zusetzt, der Kastanienrindenkrebs oder der Asiatische Laubholzbockkäfer (ALB). Ein grosser Teil der bis heute bekannten Schadorganismen hat sich im Laufe der Zeit an einen spezifischen Wirtsorganismus angepasst. Gut durchmischte Bestände helfen also mit, das Risiko für flächige Schäden zu reduzieren. Wo dies nicht der Fall ist, wie beispielsweise beim ALB, der sich an fast allen Laubbäumen wohlfühlt, helfen strikte Einfuhrvorschriften und regelmässige Kontrollen bei den potenziell gefährdeten Importbetrieben, beispielsweise beim Verpackungsholz. Verantwortlich dafür ist der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst (EPSD), welcher sich aus Vertretern des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) und des Bundesamts für Umwelt (BAFU) zusammensetzt. Der global vernetzte Handel und der fortschreitende Klimawandel sorgen also dafür, dass eine hohe Wachsamkeit auch in Zukunft auf allen Ebenen unumgänglich ist. Als kantonaler Waldschutzbeauftragter koordiniert Marco Vanoni seit 2016 die Meldungen, Beratungen und Bekämpfungsmassnahmen zum Thema Waldschutz in Graubünden.
Auch die stattlichsten Bäume sterben irgendwann. Hier eine Aufnahme der Fichte Panera in Luven im September 2017. Nach der kompletten Entnadelung aufgrund von Borkenkäferbefall im Folgejahr w urde der Baum im Dezember 2018 aus Sicherheitsgründen gefällt.
(Bild: Marco Vanoni)
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Neue rechtliche Grundlagen für den Waldschutz Pflanzen müssen besser vor besonders gefährlichen Schadorganismen geschützt werden. Aus diesem Grund wurde 2017 das Waldgesetz revidiert und gilt ab 2020 ein optimiertes Pflanzen gesundheitsrecht. Joana B. Meyer, Therese Plüss, Peter Kupferschmied
Unsere Wälder sind zunehmend durch besonders gefährliche Schadorganismen (bgSO) bedroht. Diese gebietsfremden Insekten, Pilze, Bakterien und Nematoden gelangen durch den stark zunehmenden globalen Warenhandel und den Reiseverkehr in die Schweiz. Einmal bei uns angekommen und etabliert, können sie erhebliche Schäden anrichten. Ein aktuelles Beispiel ist der Asiatische Laubholzbockkäfer. Ein Ziel der Waldpolitik 2020 des Bundes ist deshalb, den Wald besser vor
Schadorganismen und besonders vor bgSO zu schützen. Zu diesem Zweck wurden 2017 das Waldgesetz und die dazugehörige Verordnung ergänzt. Neu kann der Bund kantonale Massnahmen auch ausserhalb des Schutzwaldes finanziell unterstützen, sofern eine Waldfunktion erheblich gefährdet ist. So wurden Tilgungsmassnahmen gegen den Asiatischen Laubholzbock käfer in Marly (Kanton Freiburg) auch ausserhalb des Waldes vom Bund mitfinanziert. Zusätzlich wurde die Pflanzenschutzverordnung besser im Waldgesetz verankert. Diese Verordnung legt die bgSO und die gegen sie erforderlichen Mass nahmen fest (zum Beispiel Einfuhrvorschriften oder Bekämpfungsmassnahmen). Seit dem 1. Januar 2018 verfügt das Bundesamt für Umwelt BAFU auch über eine Amtsverordnung (VpM-BAFU), damit dringend erforderliche Präventionsmassnahmen wegen bestimmter bgSO rasch festgelegt werden können. Die ebenfalls seit 1. Januar 2019 geltende «Vollzugshilfe Waldschutz» präzisiert die Amtsverordnung. Sie beschreibt die Aufgaben und Zuständigkeiten der Behörden und wie sie gegen einzelne Schadorganismen wie den Asiatischen Laubholzbockkäfer, die Edelkastaniengallwespe oder die Rotband- und Braunfleckenkrankheit vorgehen sollen.
Kontrolle des Eidgenössischen Pfanzenschutzdienstes
Klarere Regeln und Priorisierung der Schadorganismen Um mit strengeren Regeln und zusätzlichen Instrumenten die Präventionsmassnahmen gegen die
EPSD von Verpackungsholz aus Drittland (China) auf den Asiatischen Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis), 2014 in Marthalen ZH.
(Bild: Stefan Beyeler, BAFU)
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Einschleppung und Ausbreitung von bgSO zu optimieren, verabschiedete der Bundesrat am 31. Oktober 2018 die totalrevidierte Pflanzengesundheitsverordnung (PGesV), welche die Pflanzenschutzverordnung am 1. Januar 2020 ersetzt. Zusätzlich wird aktuell eine die PGesV ergänzende interdepartementale Verordnung (PGesVWBF-UVEK) erarbeitet, welche technische Bestimmungen sowie die Listen mit den geregelten bgSO und Waren enthält. Diese rechtlichen Anpassungen sind nötig, um den freien Warenverkehr mit der EU beizubehalten, deren revidiertes Recht ab 14. Dezember 2019 gilt. Die bgSO werden neu nach deren Verbreitung und Schadpotenzial kategorisiert und priorisiert, um die Ressourcen der Behörden risikobasiert und effizient einzusetzen. Priorisierte Quarantäneorganismen, wie der Asiatische Laubholzbockkäfer und der Kiefernholznematode, haben ein speziell hohes Schadenspotenzial. Darum ist es besonders wichtig, Befälle dieser Organismen früh zu erkennen und sofort und koordiniert zu bekämpfen. Zu diesem Zweck sind intensivere Überwachungen und Notfallpläne vorgesehen. Eine weitere wichtige Massnahme ist, dass sämtliche zum Anpflanzen bestimmen Pflanzen und Pflanzenteile (ausgenommen die meisten Samen) nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie von einem Pflanzenpass begleitet werden. Dieser Pflanzenpass, welcher in Form einer Etikette an die Handelseinheit angeheftet wird, gewährleistet, dass das Pflanzenmaterial aus einer amtlich kontrollierten Produktion stammt, und stellt die Rückverfolgbarkeit des Materials sicher. Entscheidend ist auch eine verstärkte Eigenverantwortung der pflanzenpasspflichtigen Betriebe. Sie müssen regelmässig ihre Pflanzen auf bgSO kontrollieren. Es sind auch verschärfte Einfuhrvorschriften für Pflanzenmaterial aus Drittländern vorgesehen.
Schadorganismen. Sie leitet die Sektion Waldschutz und Waldgesundheit beim Bundesamt für Umwelt und ist Co-Leiterin des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes. Dr. Joana B. Meyer ist Pflanzenpathologin und wissen schaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Umwelt. Sie ist zuständig für waldrelevante Pflanzenpathogene und Neophyten im Wald. Dr. Peter Kupferschmied ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Landwirtschaft und leitet zurzeit die Einführung und Kommunikation des neuen Pflanzen gesundheitsrechts. Zudem ist er zuständig für den Vollzug beim Pflanzenpass-System und mitverantwortlich für die internationale Zusammenarbeit im Bereich Pflanzengesundheit.
Asiatischer Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis) Dr. Therese Plüss ist spezialisiert auf das Risikomanage
mit Ausflugsloch.
ment von waldrelevanten, besonders gefährlichen
(Bild: Doris Hölling, Waldschutz Schweiz, WSL)
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35 Jahre Waldschutz in Graubünden: Fokus Pilzinfektionen Seit 35 Jahren erhebt Waldschutz Schweiz Daten zu waldrelevanten Schadorganismen. Für den Kanton Graubünden wurden sämtliche Daten zu Pilzen und Pilzschäden ausgewertet und die sechs am häufigsten gemeldeten Pilzkrankheiten genauer beschrieben. Sophie Stroheker, Vivanne Dubach
Waldschutz Schweiz erhebt seit 1984 jährlich Da ten zu waldrelevanten Schadorganismen wie Pil zen und Insekten sowie Daten zu Schäden mit abiotischem oder tierischem Ursprung. Zentraler Bestandteil der Daten bildet die jährliche Umfrage bei den kantonalen Forstdiensten (Waldschutz umfrage; ab 1985). Daneben tragen Beratungsfäl le, eigene Beobachtungen von Waldschutz Schweiz und weitere Meldungen zum Datensatz bei.
Obwohl nicht vollständig, ist dieser Datenbestand eine wahre Schatzkiste. Er ist Abbild dessen, was ins Auge gestochen ist. Wichtig ist eine vorsichtige Interpretation der Daten, denn die Mehrheit von Organismen und abiotischen Einflüssen bleibt un dokumentiert, obwohl sie teils Schäden verursa chen. Tendenziell wird jedoch festgehalten, was einen relevanten Einfluss auf die Waldgesundheit hat. Damit gibt der Datensatz Einblicke in Wald
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von 1984 bis 2018.
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Abbildung 1: Anzahl Meldungen aus Waldschutzumfrage, Beratung, eigenen Beobachtungen und weiteren Meldungen
(Darstellung: WSL)
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schutzaktualitäten verschiedener Jahre sowie ihrer Entwicklung. Für diesen Artikel wurden für Graubünden Daten zu Pilzen und Pilzschäden zusammengestellt. Die Datenbankabfrage lieferte 2236 Einträge zu 86 verschiedenen Pilzarten. Zu 75 Prozent (1668) stammen die Daten aus der Waldschutzumfrage und zu 13 Prozent (288) aus der Beratung. Die restlichen 12 Prozent kommen von Beobachtungen durch Waldschutz Schweiz (146) und spontanen Meldungen (Diagnose durch meldende Person aus dem Kanton; 34). Speziell waren die Jahre 1987, 1989 und 1995 sowie 1988 und 2006. Während in den ersten drei besonders viele Daten vorliegen, existieren für 1988 keine Umfragedaten und allgemein sehr wenige Einträge für 2006 (Abbildung 1). Bezogen auf die Baumarten liegen am meisten Meldungen zur Fichte (Picea abies) vor, der, auf den Vorrat bezogen, häufigsten Baumart des Kantons (Keller et al., 2014). Am zweitmeisten Dateneinträge gibt es zur Ulme (Ulmus sp.), wahrscheinlich da die Ulmenwelke seit Beginn der Waldschutzumfrage erhoben wurde. Weitere häufig betroffene Baumarten sind Lärche (Larix sp.) und Föhre (Pinus sp.). Insgesamt waren in den letzten 35 Jahren 31 verschiedene Baumarten betroffen, darunter auch gebietsfremde. Rund ein Drittel der seit 1984 beobachteten Pilze wurde in den vergangenen 35 Jahren nur einmal gemeldet. Zum Beispiel Konsolenpilze wie Klapperschwamm (Grifolia frondosa), Eichenfeuerschwamm (Phellinus robustus) oder Fichtenfeuerschwamm (Phellinus chrysoloma). Letzterer ist sogar Teil der Roten Liste der Grosspilze (Senn-Irlet et al., 2007). In der Folge sollen die sechs in den letzten 35 Jahren am häufigsten diagnostizierten Pilzkrankheiten vorgestellt werden. Der Fokus liegt dabei auf den sichtbaren Symptomen. Auf Platz eins liegt mit 35 Prozent der Einträge der Fichtennadelblasenrost (Chrysomyxa rhododendri).
Abbildung 2: Starker Befall von Fichtennadelblasenrost an einer Fichte.
(Bild: zVg WSL)
Der Pilz infiziert im Frühling austreibende Fichtennadeln. Erste Symptome sind gelb-grüne, später dunkler werdende Querbänder auf den Nadeln. Im Spätsommer entwickeln sich aus den Querbändern Fruchtkörper. Sie produzieren grosse Mengen oranger Sporen und prägen damit das Erscheinungsbild. Nach der Freisetzung der Sporen verbleiben die leeren Sporenlager als weisse Häutchen auf den Nadeln (Abbildung 2). Typisch für Rostpilze vollzieht der Fichtennadelblasenrost einen Wirtswechsel zwischen Fichte und Alpenrose. Besonders dicht stehende junge Fichtenbestände werden bevorzugt befallen, massenhaftes Absterben wurde bisher jedoch nicht verzeichnet. Es empfiehlt sich, Jungbestände frühzeitig zu durchforsten (Butin, 2011; Nierhaus-Wunderwald, 2001). Die Krankheit wurde in den letzten 35 Jahren relativ konstant gemeldet. Allerdings schwankt die Anzahl Meldungen beträchtlich. Die meisten Meldungen stammen aus dem Jahr 1989, mit zwei weiteren deutlichen Peaks in den Jahren 1993 und 1995. Auf Platz zwei folgt mit 13 Prozent die Ulmenwelke. Sie wird durch die zwei nah verwandten Pilze Ophiostoma ulmi und Ophiostoma novo-ulmi
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verursacht. In Europa sind bisher zwei Epidemiewellen aufgetreten. Anfangs war als Urheber O. ulmi identifiziert, von dem später ein aggressiver und ein nicht aggressiver Stamm unterschieden wurde. Der aggressive Stamm ist heute eine eigene Art (O. novo-ulmi). Scheinbar war der weniger aggressive O. ulmi für die erste Epidemie (ca. 1918 bis 1949) verantwortlich, während die drastischen Rückgänge einheimischer Ulmen seit den 1975erJahren durch den aggressiven O. novo-ulmi hervorgerufen werden. Bei seiner Ausbreitung ist der Pilz auf den Grossen und Kleinen Ulmensplintkäfer (Scolytus scolytus beziehungsweise Scolytus multistriatus) angewiesen. Während des Reifungsfrasses überträgt der
Käfer Sporen auf den Baum, die an seinem Körper haften. Der Pilz fruchtet in den Frassgängen der Käfer und bildet klebrige Sporen, die durch Käfer der nächsten Generation weiterverbreitet werden. Einmal übertragen, besiedelt der Pilz zuerst die wasserleitenden Frühholzgefässe. Es kommt zu einer Verstopfung durch den Pilz und den Baum selbst, wodurch die typischen Welkeerscheinungen entstehen (Abbildung 3). Weitere charakteristische Symptome sind punktförmige, dunkle Verfärbungen in der Frühholzzone befallener Äste (Querschnitt). Betroffene Bäume können innerhalb nur einer Vegetationsperiode absterben. Direkt bekämpfen lässt sich die Ulmenwelke kaum. Um den Befalldruck für umstehende Ulmen tief zu halten,
Abbildung 3: Welkende Ulmenäste nach einer Infektion mit O. novo-ulmi.
(Bild: zVg WSL)
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sollten befallene Ulmen gefällt und befallenes Holz vernichtet werden (Butin, 2011; Kirisits & Konrad, 2007; Nierhaus-Wunderwald & Engesser, 2003). Bis heute ist die Ulmenwelke Teil der Waldschutz umfrage. Da die Krankheit zum Zeitpunkt der Einführung der Umfrage bereits gut ein Jahrzehnt in der Schweiz etabliert und ein grosser Teil der Ulmen bereits abgestorben war, ist der Verlauf der Meldungen auf tiefem Niveau konstant. Platz drei belegt das Eschentriebsterben (6 Prozent). Dieses wurde erstmals 2008 in der Nordschweiz festgestellt, 2010 erreichte es Graubünden. Verursacht wird diese Krankheit durch den Pilz Hymenoscyphus fraxineus (syn. Chalara fraxinea). In der Bodenstreu der letztjährigen Eschenblättern bildet H. fraxineus im Sommer kleine, becherförmige weisse Fruchtkörper (drei bis acht Millimeter), in denen die infektiösen Ascosporen gebildet werden. Da windverbreitet, können sie grosse Distanzen zurücklegen. Bei einer Infektion bilden sich nekrotische Blattflecken auf den Blättern (Abbildung 4). Von den Blättern wächst der Pilz weiter bis in die verholzten Triebe und es bilden sich die typischen Rindennekrosen, welche sich bis zum Stamm ausbreiten können. Sobald die Nekrose den gesamten Trieb oder Stamm umfasst, wird die Wasserversorgung nach oben unterbrochen. Zurück bleiben welke Blätter und Triebe. Besonders bei jungen Bäumen führt eine Infektion sehr schnell zum kompletten Absterben. Ältere Bäume sind in der Lage, die meisten Infektionen zu stoppen. Sie versuchen, absterbende Triebe oder Astpartien mit Wasserreissern und Ersatztrieben aus schlafenden Knospen zu kompensieren. Das führt zu einer veränderten, zunehmend buschigen Kronenverzweigungsstruktur. Wird eine Esche direkt am Stamm infiziert, bilden sich eingesenkte zungenförmige Nekrosen, welche sich auf den Stammfuss beschränken. Solche Nekrosen an geschwächten Eschen werden oft sekundär durch den Hallimasch (Armillaria sp.) besiedelt (Gross et al., 2014; Rigling et al., 2016).
Abbildung 4: Infektion eines Eschenteilblatts. Die Nekrose breitet sich über den Hauptnerv in Richtung Blattspindel aus.
(Bild: O. Holdenrieder)
Neuinfektionen entstehen ausschliesslich durch Infektionen mit sexuellen Sporen – vom Eschentriebsterben betroffenes Holz ist nicht infektiös. Feuchtes Wetter begünstigt sowohl die Sporenbildung und -ausbreitung als auch Neuinfektionen. Trockene, heisse Sommer wie der letztjährige lindern deshalb sehr wahrscheinlich den Befallsdruck. Platz vier geht an den Hallimasch (Armillaria sp.; 4 Prozent). Diese Pilzgattung umfasst diverse schwer unterscheidbare Arten mit einer breiten ökologischen Flexibilität – von Totholzbewohnern bis hin zu gefürchteten Forstpathogenen. Nahezu alle Baumarten können befallen werden. Vorübergehend kann ein vitaler Baum eine Infektion durch Bildung von Abgrenzungsgewebe und Abwehrstoffen zurückhalten. Ist der Baum jedoch gestresst (Trockenheit, Hitze, Staunässe, Frost etc.), kann der Pilz diese Barrieren überwinden. Der Hallimasch befällt einen Baum in der Regel über die Wurzeln und breitet sich zwischen Rinde und Holz im Kambium aus, wo er die charakteristischen weissen Myzelmatten bildet (Abbildung 5).
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Umfasst die Infektion den ganzen Stamm, stirbt der Baum ab und der Hallimasch breitet sich unter der Rinde in Form abgeflachter schwarzer Rhizomorphen aus (Abbildung 6). Auch im Boden findet man diese dunklen, schnurförmigen und oft vielfach verzweigten Rhizomorphen. Sie dienen der Substraterschliessung sowie der Wasser- und
Abbildung 6: Schwarze Rhizomorphen und Pilzfruchtkörper.
Abbildung 5: Weisse Myzelmatten unter der Rinde.
(Bild: zVg WSL)
(Bild: zVg WSL)
Nährstoffleitung. In vielen Fällen tötet der Hallimasch nur einen Teil des Wurzelsystems, bevor er im Stamm eine Kernfäule auslöst. Solche Bäume können noch viele Jahre überleben, ohne Symptome zu zeigen. Das Spektrum der durch einen Hallimaschbefall ausgelösten Symptome ist sehr breit, Verwechslungen sind häufig (abiotische Probleme, Insekten etc.). Gut zu erkennen ist ein Befall an den Fruchtkörpern. Diese bilden sich zwischen Juli und November, oft in Büscheln, am Wurzelanlauf betroffener Bäume (Abbildung 7). Je nach Art unterscheiden sich die Fruchtkörper in Farbe und Form leicht voneinander. Effektive Bekämpfungs-
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Abbildung 7: Büschelig wachsende Fruchtkörper mit weissem Sporenpulver.
massnahmen gibt es keine – vielmehr muss darauf geachtet werden, die Bestandes- beziehungsweise Baumgesundheit zu fördern (Butin, 2011; Nierhaus-Wunderwald et al., 2012). Gemeldet wurde der Hallimasch in den vergangenen 35 Jahren relativ unregelmässig. Es ist zu vermuten, dass der Pilz in den ersten Jahren der Waldschutzumfrage als Schadorganismus aktiv abgefragt wurde und nach 1988 aus der Liste verschwand.
(Bild: zVg WSL)
Auf Platz fünf finden wir die Meria-Lärchenschütte (3 Prozent). Erreger ist der Pilz Meria laricis. Ausgehend vom unteren Kronenbereich, verfärben sich die Nadeln gelb-braun, welken und werden anschliessend vorzeitig geschüttet. Aus den Spaltöffnungen auf der Unterseite der verfärbten Nadeln treten Sporen in kleinen Häufchen hervor. Hohe Luftfeuchte fördert die Ausbreitung des Pilzes. In der Regel stellt ein Befall keine Bedrohung
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für betroffene Bäume dar. Im Folgejahr treiben sie in der Regel normal aus (Engesser, 2013). Im Durchschnitt verzeichnet Waldschutz Schweiz aus Graubünden ein bis zwei Meldungen pro Jahr zu Meria laricis. Die meisten Meldungen stammen von 1995, gefolgt von den Jahren 1999 und 2002. Den letzten Platz belegt der Lärchenkrebs (Lachnellula willkommii; 3 Prozent). Eine Infektion erfolgt durch Pilzsporen via Nadelnarben an Kurztrieben, via geschädigtem Kambium nach Früh- oder Spätfrostereignissen oder via mechanische Verletzungen. Typische Merkmale der Krankheit sind lokale Deformationen sowie offene Wunden an Stämmen und Ästen. Diese können zu einer erheblichen Holzentwertung und dem Absterben des Baums führen. Der Pilz bildet kleine, becherförmige orange Fruchtkörper (ein bis vier Millimeter), die am äusseren Rand mit weissen Haaren besetzt sind (Abbildung 8). Der Standort hat einen grossen Einfluss
auf das Auftreten der Krankheit: stagnierende Luftfeuchte (zu dichte Bestände) fördern ihre Ausbreitung (Butin, 2011; Petercord & Strasser, 2012). Waldschutz Schweiz erhält im Schnitt ein bis zwei Meldungen pro Jahr zum Lärchenkrebs. Die meisten Meldungen stammen aus den Jahren 1987 und 1995. Als grösster Kanton der Schweiz ist Graubünden für den Waldschutz sehr interessant. Einzigartig ist seine Diversität an verschiedenen Waldstandorten: Kastanienwälder in den Südtälern Richtung Tessin, Eichenwälder in den Tieflagen, daran anschliessend montane Tannen bis subalpine Fichtenwälder. Obersubalpine Lärchen-Arvenwälder bilden die höchsten Waldstandorte bis an die Baumgrenze (Zuber, 2006). Diese Vielfalt an verschiedenen Standorten und vorhandenen Baumarten spiegelt sich auch in den Daten der letzten 35 Jahre wieder. Gerade hinsichtlich der klimatischen Veränderungen, die das uns bisher bekannte Ökosystem Wald grundlegend verändern könnten, ist es enorm wichtig, mit offenen Augen durch unsere Wälder zu gehen. Die grosse Anzahl Daten, welche Waldschutz Schweiz jährlich sammelt, stellt eine unschätzbare Chance für die Zukunft dar. Durch sie lassen sich nicht nur momentane Situationen analysieren oder Lehren aus der Vergangenheit ziehen, sie enthalten auch biologische Zusammenhänge und Hinweise, wie mit künftigen Herausforderungen umgegangen werden könnte. Um diesen Datenschatz auch künftig zu erweitern, ist Waldschutz Schweiz auf den Forstdienst angewiesen und erhofft sich auch für die Zukunft eine gute Zusammenarbeit. Waldschutz ist und bleibt ein Gemeinschaftsprojekt an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis. Sophie Stroheker und Vivanne Dubach sind Forstpathologinnen bei Waldschutz Schweiz an der WSL.
Abbildung 8: Fruchtkörper des Lärchenkrebses (Lachnellula willkommii) auf einem Lärchenast. (Bild: O. Holdenrieder)
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Die Tintenkrankheit : Eine Bedro hung für unsere Kastanienwälder Obwohl die Tintenkrankheit ein eher altes Problem für die Kastanienwälder Europas ist, gibt es im Moment noch keine effiziente Gegenmassnahme. Die erwartete Klimaerwärmung könnte sogar die Ausbreitung der zwei verantwortlichen, invasiven Mikro organismen Phytophthora cinnamomi und P. cambivora fördern. In diesem Beitrag werden die Symptome und die Erreger der Tintenkrankheit vorgestellt sowie ihre aktuelle Verbreitung in der Schweiz und mögliche Bekämpfungsstrategien aufgezeigt. Simone Prospero
Eine eher lange Geschichte Die Tintenkrankheit ist die älteste der in Europa bekannten Krankheiten der Edelkastanie (Castanea sativa). Offiziell wurde sie zum ersten Mal im Jahre 1838 in Portugal nachgewiesen, aber vermutlich hat sie in Spanien und Italien schon Anfang des 18. Jahrhunderts grössere Schäden verursacht. Im 20. Jahrhundert hat ihre Bedeutung deutlich abgenommen, vor allem wegen der Einschleppung und der nachfolgenden epidemischen Ausbreitung des Kastanienrindenkrebses (Cryphonectria parasitica). Dank der Hypovirulenz haben sich die durch den Kastanienrindenkrebs verursachten Schäden deutlich verringert (siehe «Bündner Wald» 3/2014). Verschlimmert haben sich hingegen die Probleme mit der Tintenkrankheit. Seit den 1990er-Jahren nimmt die Bedeutung dieser Krankheit in Europa ständig zu. Betroffen sind nicht nur Länder im Mittelmeergebiet wie Spanien, Portugal, Frankreich, Italien, Griechenland und die Türkei, sondern auch Länder im nördlichen Ausbreitungsgebiet der Edelkastanie (Schweiz, Deutschland, Grossbritannien, Rumänien, Tschechien und Polen). Die Symptome Die Symptome der Tintenkrankheit sind während der Vegetationsperiode, wenn die Bäume belaubt
sind, am besten sichtbar. Befallene Kastanienbäume zeigen eine schüttere Belaubung der ganzen Krone mit kleineren und vergilbten Blättern (Abbildung 1A). Im Gegensatz dazu sterben bei einem Befall des Kastanienrindenkrebses häufig nur einzelne Äste ab und die Blätter dieser Äste haben meist eine normale Grösse und bleiben noch lange hängen. Da bei der Tintenkrankheit die ganze Krone betroffen ist, ist im Herbst die Fruchtproduktion stark beeinträchtigt, die Früchte bleiben klein und reifen kaum aus. An der Stammbasis unter der Rinde sind schwarz verfärbte Läsionen vorhanden, die häufig von den Wurzeln flammenartig aufsteigen (Abbildung 1B). An jungen Bäumen sind solche Läsionen als eingesunkene Rindenpartien an der Stammbasis erkennbar. Nach dem Entfernen der Rinde wird auch hier eine braunschwarz verfärbte Befallsläsion sichtbar. Die befallenen Wurzeln verfaulen und bekommen ein nasses Erscheinungsbild. Der Name «Tintenkrankheit» (auf Italienisch «Mal dell’inchiostro») stammt von den schwarzen Rindenexsudaten, die häufig aus den Läsionen austreten. Die befallenen Bäume sterben innerhalb von ein bis drei Jahren nach der Infektion ab. Da das ganze Wurzelsystem abgetötet wird, wachsen an der Basis befallener Bäume, im Gegensatz zum Kastanienrindenkrebs, keine neuen Triebe (Stockausschläge).
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A
B
C Abbildung 1: Typische Symptome der Tintenkrankheit der Edelkastanie: (A) Schüttere Belaubung der ganzen Krone, (B) schwarz verfärbte, nasse Läsion an der Stammbasis, (C) keine Stockausschläge an der Basis eines abgestorbenen Baumes.
Die Krankheitserreger Die genaue Bestimmung des Erregers der Tintenkrankheit war ein langer und anspruchsvoller Prozess, vor allem wegen der Schwierigkeit, die verantwortlichen Mikroorganismen aus infiziertem Pflanzengewebe zu isolieren. Heutzutage wissen wir, dass diese Krankheit von zwei Arten der Gattung Phytophthora (Oomyzeten, pilzähnliche Mikroorganismen), nämlich P. cinnamomi und P. cambivora, verursacht wird (Abbildung 2). Beide Arten leben im Boden, wo sie ein Geflecht aus fadenförmigen Zellen (sog. Hyphen) bilden. Bei günstigen Wetterbedingungen (zum Beispiel nach starken Niederschlägen im Frühling/Sommer) können sie asexuelle Zoosporen produzieren. Diese besitzen
(Bilder: Phytopathologie, WSL).
zwei Geisseln, die eine aktive Bewegung im wässrigen Bodenmilieu ermöglichen. Wenn Zoosporen auf Wurzeln einer anfälligen Edelkastanie gelangen, verlieren sie ihre Geisseln, keimen aus und infizieren die Feinwurzeln. Die Infektion breitet sich im Wurzelsystem aus und führt bei einem starken Befall zu einer letalen Wurzelfäule. Mit asexuellen Chlamydosporen (Dauersporen) kann P. cinnamomi auch längere Trockenperioden überdauern. Beide Arten können sich theoretisch auch sexuell fortpflanzen und sexuelle Oosporen produzieren. Diese dienen ebenfalls als Dauersporen. Die sexuelle Fortpflanzung kann jedoch nur stattfinden, wenn beide Kreuzungstypen (A1 und A2) vorhanden sind. Dies ist jedoch bis jetzt in
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Abbildung 2: Die Tintenkrankheit der Edelkastanie wird von zwei pilzähnlichen Mikroorganismen verursacht: Phytophthora cambivora (links) und Phytophthora cinnamomi (rechts). Auf einem künstlichen Wachstumsmedium produzieren beide Arten ein weisses, luftiges Myzel.
Europa meistens nicht der Fall. Der wichtigste limitierende Faktor für das Vorkommen dieser zwei Krankheitserreger scheint die Temperatur zu sein. Insbesondere P. cinnamomi ist sehr kälteempfindlich und kann bei Minimaltemperaturen unterhalb von 1,4 °C nicht überleben. P. cinnamomi und P. cambivora sind in Europa nicht heimisch. Die Erstgenannte stammt vermutlich aus Papua-Neuguinea, während die genaue Herkunft von P. cambivora noch nicht geklärt ist. Der internationale Handel von infiziertem Pflanzenmaterial hat sie weltweit verschleppt und heute zeigen beide Arten eine globale Verbreitung. Neben der Edelkastanie können auch andere Pflanzen befallen werden. Mit einem Wirtsspek trum von mehr als 4000 Pflanzenarten, gehört P. cinnamomi zu den 100 weltweit gefährlichsten invasiven Arten. In Europa verursacht P. cinnamomi auch grosse Schäden an Kork- und Steineichen in der sogenannten Dehesa, der typisch iberischen Kulturlandschaft aus Wiesen, Felsen und Steineichen, wo die iberischen Schweine gezüchtet werden. P. cinnamomi tritt auch immer wieder in Baumschulen an Ziergehölzen auf.
(Bilder: Phytopathologie, WSL).
Gegenmassnahmen In einem von der Tintenkrankheit betroffenen Edelkastanienbestand ist der Boden mit einem oder beiden Krankheitserregern verseucht und eine komplette Ausrottung der Krankheit ist somit unrealistisch. Deswegen haben die Bekämpfungsstrategien das Ziel, die Befallsherde einzudämmen und eine weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Eine relativ einfache und meistens umsetzbare Massnahme besteht darin, die Bodenentwässerung zu verbessern. Feuchte Böden fördern die Bildung und Ausbreitung der Zoosporen. Entwässerungsgräben (Abbildung 3), in denen das Oberflächenwasser abfliesst, können dazu beitragen, die Sporenausbreitung zu reduzieren. Die Verschleppung von Erde aus befallenen Beständen zum Beispiel mit Schuhen, Werk- oder Fahrzeugen in noch nicht betroffene Bestände muss verhindert werden, weil damit auch Sporen der zwei Krankheitserreger verschleppt werden könnten. Da asiatische Kastanienarten weniger anfällig gegenüber der Tintenkrankheit sind, könnten Hybridkasta nien, die in Baumschulen angeboten werden, in verseuchten Beständen angepflanzt werden.
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Genfersee (Gilly, Kanton Waadt) bekannt. Interessanterweise ist im Tessin P. cinnamomi dominant, während im Bergell und am Genfersee nur P. cambivora gefunden wurde.
Ein neues Forschungsprojekt
Abbildung 3: Entwässerungsgraben in der Edelkastanienselve Brentan in Castasegna GR.
(Bild: Phytopathologie, WSL)
Aktuelle Situation in der Schweiz In der Schweiz wurde die Tintenkrankheit der Edelkastanie zum ersten mal 1943 im Tessin (Gebiet Monte Ceneri) gemeldet. Ungefähr zehn Jahre später waren scheinbar schon verschiedene Regionen des Kantons betroffen. P. cambivora wurde erstmals 1984 in Dardagny (Kanton Genf) isoliert, wo sie zahlreiche Kastanienbäume abtötete. P. cinnamomi wurde erstmals 1961 im Tessin im Zusammenhang mit absterbenden Edelkastanien und Walnussbäumen erwähnt. Der erste gesicherte Nachweis dieser Art in der Schweiz erfolgte jedoch erst 1981, und zwar an Myrtenpflanzen (Myrtus communis), die aus Spanien ins Tessin importiert wurden. Bis heute wurde die Tintenkrankheit in den Kantonen Tessin (vor allem Gebiet von Locarno) und Graubünden (Castasegna, Bergell) nachgewiesen. Auf der Alpennordseite ist nur ein Befallsherd in einem Edelkastanienbestand am
Im Rahmen des Pilotprogramms «Anpassung an den Klimawandel (2018 – 2022)» (www.nccs.admin.ch/nccs/de/home.html), das vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) lanciert wurde, wird die WSL (Gruppe Phytopathologie) zusammen mit den Kantonen Graubünden (Amt für Wald und Naturgefahren) und Tessin (Sezione forestale cantonale) ein spezifisches Forschungsprojekt über die Tintenkrankheit durchführen. Die Ziele dieses Projekts bestehen darin, die aktuelle Verbreitung der Tintenkrankheit und die bestimmenden Faktoren genauer zu erfassen, ihre potenzielle zukünftige Verbreitung in der Schweiz (inklusive Alpennordseite und Wallis) mit der erwarteten Klimaveränderung zu modellieren sowie mögliche Baumarten (oder Sorten der Edelkastanie) zu identifizieren, welche die Edelkastanie in verseuchten Bestände ersetzen oder begleiten könnten. In Zusammenhang mit diesem Projekt können Verdachtsfälle der Tintenkrankheit gerne der WSL gemeldet werden (simone. prospero@wsl.ch; 044 739 22 48).
Simone Prospero ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe Phytopathologie an der WSL. Er erforscht Krankheiten an Waldbäumen unter sich verändernden Umweltbedingungen mit dem Ziel, biologische Bekämpfungsmethoden zu entwickeln.
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Doppelte Herausforderung: Waldbrand und Borkenkäfer Kurz nach Weihnachten 2016 brannte bei Mesocco eine Schutzwaldfläche von etwa 120 Hektar ab. Dies führte insbesondere bei betroffenen Fichten zu einer Reduktion der Stabilität und Vitalität. Um einer drohenden Borkenkäferkalamität präventiv entgegenzuwirken, wurden Sofortmassnahmen ausgeführt und mithilfe eines Monitorings die Aktivität und Quantität der Borkenkäfer laufend überwacht. Samuele Rosselli, Lorenz Diefenbach
Ausgangslage Am 27. Dezember 2016 brach im Gebiet der Gemeinden Soazza und Mesocco ein Waldbrand
aus. Die letzten Glutnester konnten erst am 3. Februar 2017 gelöscht werden. Insgesamt waren 120 Hektar Schutzwaldfläche (Typ A – hohes Risi-
Abbildung 1: Die Waldbrandfläche und der wichtige Schutzwald direkt oberhalb von Mesocco in einer Luftaufnahme. Die hellblaue Fläche kennzeichnet die gesamte Eingriffsfläche im Fichtenwald innerhalb der Waldbrandfläche, im blau gestreiften Pufferstreifen wurden praktisch alle lebenden Fichten entfernt. Die roten Punkte geben die Lage der Lockstofffallen wieder.
(Bild: Oblivion Aerial SA, 2018)
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ko, direkte Schutzwirkung) betroffen (Diefenbach, Plozza, Lurati, & Savioni, 2017). Die grössten Schäden traten in den Fichtenwäldern der hochmontanen und subalpinen Stufe auf (zwischen 1100 und 1800 m ü. M.). Der nördlich an der Waldbrandfläche angrenzende Schutzwald (Abbildung 1), welcher in erster Linie das Dorf Mesocco und die Nationalstrasse A13 schützt, wurde stellenweise schon im Jahr 2013 durch Gipfelbrüche (Nassschnee) beschädigt und litt in den folgenden Jahren (2014 und 2015) unter Borkenkäferbefall. Aufgrund des hohen Vorkommens von potentiellem Brutmaterial in der unmittelbar angrenzenden Waldbrandfläche wurde in den Folgejahren ein erhöhter Borkenkäferdruck erwartet. Daher waren rasche Massnahmen zur präventiven Bekämpfung einer drohenden Borkenkäferkalamität nötig. Sofortmassnahmen Durch die erfolgreiche Waldbrandbekämpfung blieb die direkt oberhalb von Mesocco liegende Schutzwaldfläche weitestgehend unbeschädigt. Damit in dieser Schutzwaldfläche ein drohender Borkenkäferbefall möglichst vermieden werden kann, wurden von Februar bis Juni 2017 folgende waldbauliche Massnahmen umgesetzt: Um den Aufbau der Käferpopulation zu begrenzen, wurden die vom Bodenfeuer betroffenen Fichten schnellstmöglich gefällt, aber erst drei bis sechs Wochen später aus dem Bestand entfernt, sodass sie als Fangbäume dienen konnten (Diefenbach et al. 2017). Die vom Bodenfeuer betroffenen Fichten, bei denen nur die Wurzeln beschädigt werden, sterben im Vergleich zu von Kronenfeuer betroffenen Fichten typischerweise nicht sofort ab, aber sie sind stark geschwächt und damit für eine Borkenkäferattacke sehr anfällig. Zusätzlich wurde ein baumfreier, mindestens 50 Meter breiter Pufferstreifen geschaffen, welcher die Ausbreitung der Borkenkäfer von der Waldbrandfläche auf den unbeschädigten Schutzwald verhindern sollte (Abbildung 1). Idealerweise hätte der Pufferstreifen
Abbildung 2: Fichtenfreier Pufferstreifen im Bereich Furscelin / Furscela.
(Bild: Lorenz Diefenbach, 2017)
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breiter sein sollen; dies war aber aus topografischen und finanziellen Gründen nicht möglich. Insgesamt wurden rund 2900 m3 Holz mittels Heli- Logging abgeführt; weitere 600 m3 wurden entweder gestreift oder wo möglich entrindet und als Schutz vor Schneebewegungen, Steinschlag und Erosion im Bestand quer liegengelassen (Diefenbach et al. 2017). Anfänglich wurden fünf Lockstofffallen aufgestellt, welche ausschliesslich zum Monitoring der Borkenkäferpopulation dienten (siehe Kapitel 3). Auf Initiative von Lorenz Diefenbach wurden später vier zusätzliche Fallen entlang des Pufferstreifens positioniert (Furscelin 1160 m ü. M., Furscelin 1240 m ü. M., Furscela 1420 m ü. M. und Piat dela Merenda 1540 m ü. M.; siehe Abbildung 1), die sowohl als Überwachungsals auch als Bekämpfungsinstrument eingesetzt wurden, indem sie den Flug der Borkenkäfer von der Waldbrandfläche in den angrenzenden Schutzwald verhindern sollten.
Abbildung 3: Fangbaum mit Borkenkäferlöchern.
(Bild: L. Diefenbach, 2017)
Borkenkäfer-Monitoring Aufgrund des hohen Borkenkäferdrucks und der besonders wichtigen Schutzfunktion des Waldes direkt oberhalb von Mesocco wird im Rahmen des Waldbrandwiderherstellungsprojekts ein drei Jahre (2017 bis 2019) dauerndes Borkenkäfer-Monitoring durchgeführt, um die Entwicklung der Borkenkäferpopulation zu überwachen und unter Umständen rechtzeitig reagieren zu können. Im Waldbrandgebiet wurden neun Lockstofffallen bestmöglich verteilt platziert, sechs davon in der Waldbrandfläche und drei im «Bosch de Gurnessa» (Abbildung 1). Von April bis Oktober wurden die Fallen regelmässig kontrolliert und geleert. Die gefangenen Borkenkäfer wurden ausgezählt (ein Volumen von 10 Milliliter entspricht 400 Individuen). Im Sommer (Juni, Juli und August) erfolgten die Kontrollgänge beinahe wöchentlich; vorher und nachher wurden sie jeweils den Klimabedingungen angepasst (bei kühlem und feuchtem Wetter waren die Kontrollintervalle ausgedehnter). Bei jedem
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Jährlich gefangene Borkenkäferindividuen
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Abbildung 4: Vergleich der gesamten absoluten Fangzahlen pro Falle im Jahr 2017 und im Jahr 2018. Die grünen Ortsnamen bezeichnen die Fallen im Schutzwald direkt oberhalb von Mesocco, während die Ortsnamen der Fallen, die sich innerhalb der Waldbrandfläche befinden, mit einer rötlichen Farbe dargestellt wurden.
Kontrollgang wurden die Bestandesränder mit einem Feldstecher auf Borkenkäferbefall abgesucht. In den Sommermonaten (Juni bis August) wurden zudem nach jedem dritten Kontrollgang einzelne Bäume, vor allem entlang der Bestandesränder, stichprobenartig auf Stehendbefall untersucht (Indikator dafür ist braunes Bohrmehl am Stammfuss). Erste Erkenntnisse nach zwei Jahren Monitoring Im Gegensatz zum Jahr 2017 war die Entwicklung der Borkenkäferpopulation im Folgejahr um ein bis zwei Monate verzögert und es wurde insgesamt
(Bild: S. Rosselli)
weniger als die Hälfte an Käfern gefangen (52 Prozent auf der Waldbrandfläche und 24 Prozent im «Bosch de Gurnessa»). Im Jahr 2017 wurden im «Bosch de Gurnessa» bereits im Monat Mai die maximalen Fangzahlen erreicht, in der Waldbrandfläche war dies erst später der Fall (Juni bis August). Die gesamten Fangzahlen variierten je nach Falle, aber es wurde kein systematischer Unterschied zwischen inner- und ausserhalb der Waldbrandfläche beobachtet. Im Jahr 2018 wurden hingegen die maximalen Fangzahlen innerhalb der Waldbrandfläche eher früh erreicht (Juni) und im «Bosch de
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Tägliche Fangrate [Individuen/Tag]
8000 Bosch Gurnessa 1200 Bosch Gurnessa 1420 Bosch Gurnessa 1520 Bagia 1070 Furscelin 1160 Furscelin 1240 Furscela 1420 Piat dela Merenda 1540 Orsora 1740
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Datum
Abbildung 5: Fangrate pro Lockstofffalle. Die Daten der Fallen im Schutzwald direkt oberhalb von Mesocco wurden grün dargestellt, während die Daten der Fallen, welche innerhalb des Waldbrandperimeters lokalisiert sind, mit einer rötlichen Farbe dargestellt wurden.
Gurnessa» eher spät (Juli bis August). Zudem fingen die Fallen innerhalb des Waldbrandperimeters im Mittel mehr als doppelt so viele Borkenkäfer wie diejenigen im «Bosch de Gurnessa». Es ist jedoch nicht bekannt, wie stark der Einzeleinfluss von klimatischen Bedingungen, waldbaulichen Massnahmen und natürlicher Dynamik nach Waldbrand an der beobachteten Entwicklung und Verteilung der Borkenkäferpopulation beteiligt war. Im Schutzwald direkt oberhalb von Mesocco wurden in den Jahren 2017 und 2018, ausgenommen von wenigen Bäumen am Waldrand entlang des Pufferstreifens unterhalb von «Piat dela Merenda», keine neuen Befallherde gefunden (Eros
(Bild: S. Rosselli)
Savioni, 2018, persönliche Mitteilung), was auch die mit Drohnen erzeugten Luftbilder vom Oktober 2018 bestätigen (Abbildung 6). Die getroffenen Massnahmen, waren bisher erfolgreich, auch dank den günstigen klimatischen Bedingungen im Frühling 2018. Einen entscheidenden Einfluss könnte die rechtzeitige und konsequente Durchführung der waldbaulichen Massnahmen; zahlreiche im Frühling 2017 gefällte Fichten enthielten nämlich eine hohe Anzahl an Borkenkäferlarven. Die Borkenkäfersituation im «Bosch de Gurnessa» scheint stabil und unter Kontrolle; insbesondere aber der lange Rand entlang des Pufferstreifens, an dem die Bäume plötzlich der Sonne und verän-
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Abbildung 6: Luftaufnahme mit einem Teil der Waldbrandfläche und dem Schutzwald direkt oberhalb von Mesocco. Im wichtigen Schutzwald sind keine neuen Befallherde zu erkennen.
derten mikroklimatischen Bedingungen ausgesetzt wurden, ist für zukünftige Borkenkäfer-Massenvermehrungen anfällig, vor allem falls die klimatischen Bedingungen in den nächsten Jahren für den Borkenkäfer günstig werden (trockener Frühling und warmer Sommer). Aus diesem Grund wird auch das Monitoring für mindestens eine weitere Saison weitergeführt.
(Bild: Oblivion Aerial SA, 2018)
Samuele Rosselli hat Umweltnaturwissenschaften an der ETHZ studiert und arbeitet für das Forstingenieurbüro Fürst & Associati im Kanton Tessin. Lorenz Diefenbach studierte Umweltnaturwissenschaften an der ETHZ und war im Rahmen seines Wählbarkeitspraktikums für das Bokenkäfermonitoring sowie für die Beurteilung der Waldvitalität in der Waldbrandfläche zuständig.
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Wiederauferstehung des Lärchenwicklers 2018 Die regelmässigen, rund neun Jahre dauernden Zyklen des Lärchenwicklers wurden in der Vergangenheit im Engadin intensiv erforscht und sind ein international berühmtes Beispiel für zyklisches Verhalten von Insekten. Während mehr als drei Jahrzehnten blieben jedoch diese Massenvermehrungen weitgehend verschwunden. Letztes Jahr trat das alpenweit bekannte Phänomen wieder in (fast) altbekannter Stärke auf und dürfte im Engadin auch diesen Sommer stellenweise noch zu sehen sein. Der Schaden ist für die Lärchen vernachlässigbar. Beat Wermelinger
Der Lärchenwickler ist fast so alt wie der Maloja wind. Die regelmässigen, alle acht bis zehn Jahre auftretenden Massenvermehrungen des Lärchen wicklers im Engadin sind sowohl der alteingesesse nen einheimischen Bevölkerung als auch der internatio nalen Fachwelt gut bekannt. Jüngere oder in den letzten 30 bis 40 Jahren ins Oberenga din zugezogene Personen wurden 2018 jedoch
erstmals Zeuge eines flächigen Befalls von Lärchen durch die Raupen des kleinen Nachtfalters. Lange wurden diese Ereignisse als ernsthafte Bedrohung der Lärchenwälder betrachtet, da in der Folge manchmal zahlreiche Bäume abstarben. An der ETH Zürich wurde die Populationsdynamik dieses Kleinschmetterlings in der zweiten Hälfte des letz ten Jahrhunderts intensiv untersucht. Infolge die
Abbildung 1: Falter des Grauen Lärchenwicklers. Im Hintergrund sind von den Raupen angefressene Nadeln sichtbar.
(Bild: B. Wermelinger)
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Abbildung 2: Bei einer Massenvermehrung wandern die erwachsenen Raupen ruhelos auf den Zweigen umher und beissen viele Nadeln nur an. Die vertrocknenden Nadeln führen zur weithin sichtbaren Verfärbung der Lärchenkrone.
ser Erkenntnisse wandelte sich die öffentliche und wissenschaftliche Wahrnehmung dieses Insekts vom Schädling zum Lebensraumgestalter und faszinierenden Studienobjekt. Biologie Der Graue Lärchenwickler (Zeiraphera griseana) ist ein kleiner, graubraun gefleckter Falter (Abbildung 1). Seine Raupen erreichen eine Länge von anderthalb Zentimetern und sind anfänglich hell, später grauschwarz oder gelblichgrau gefärbt. Die
(Bild: B. Wermelinger)
weiblichen Falter legen im Spätsommer bis 300 Eier unter Flechten oder Schuppen ab. Mitte Mai des nächsten Jahres schlüpfen die jungen Räupchen und fressen zuerst im Innern von zusammengesponnenen Nadelbüscheln (Abbildung 2). Anfang Juli befinden sich die Raupen im letzten Stadium. Jetzt bewegen sie sich entlang der Zweigachse und fressen von aussen an weiteren Nadelbüscheln. Dieses Stadium ist am destruktivsten, da die Raupen die Nadeln häufig nur anbeissen und die vertrocknenden Nadelbüschel mehrmals wechseln
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(Abbildung 2). Bei einer Massenvermehrung verfärben sich die Lärchenbestände deshalb rotbraun. Die Raupen verpuppen sich anschliessend in der Streuschicht am Boden. Ab Ende Juli bis in den September hinein schlüpfen die Falter und schwärmen in der Abenddämmerung, um sich zu paaren und danach Eier abzulegen. Die Zyklen Die regelmässigen Zyklen mit Massenvermehrungen beschränken sich auf die Optimumsgebiete des Lärchenwicklers zwischen etwa 1700 und 2000 Metern über Meer und auf Bestände mit einem genügend hohen Lärchenanteil. Diese Massenvermehrungen wiederholen sich alle acht bis zehn Jahre (Abbildung 3). Dabei verändert sich die Populationsdichte innerhalb von vier bis fünf Generationen um einen Faktor von bis zu 30 000! Wie der Aufbau, erfolgt auch der Zusammenbruch einer Population innerhalb weniger Generationen. Diese Zyk-
len sind nicht nur auf das Oberengadin beschränkt, sondern zeigen sich auch im Goms und weiteren Gebieten des Wallis sowie in etlichen inneralpinen Tälern des ganzen Alpenbogens, von den französischen Seealpen bis nach Kärnten in Österreich. Was steuert die Zyklen? Die verblüffende Regelmässigkeit der Zyklen wirft natürlich die Frage nach den Regulationsmechanismen auf. Ein wichtiger Faktor ist die negative Rückkopplung der Nadelqualität der Lärchen. Die Lärchen treiben nach einem starken Befall im Juli nochmals aus und produzieren ein zweites Nadelkleid (Abbildung 4). Dies verringert allerdings die Energiereserven der Bäume und im folgenden Frühling treiben die Lärchen deshalb später aus. Damit ist die Synchronisation des Schlüpfzeitpunkts der jungen Räupchen mit dem Nadelaustrieb weniger gut und viele Tiere verhungern. Zudem wachsen die Nadeln langsamer, bleiben um bis zu 70 Prozent
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Abbildung 3: Zyklische Populationsschwankungen des Lärchenwicklers im Oberengadin. Die Schwelle für die sichtbare Verfärbung eines Lärchenbestands liegt bei 100 Raupen pro Kilogramm Zweige. Die ausgezogene rote Kurve basiert auf quantitativen Daten, die gestrichelte Linie auf visuellen Schätzungen im Feld.
(Bild: B. Wermelinger)
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Abbildung 4: Fällt mehr als die Hälfte der Nadeln aus, treibt die Lärche im Sommer nochmals aus. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Raupen bereits am Boden verpuppt.
kürzer und enthalten mehr Rohfasern und weniger Proteine als in normalen Jahren. Damit finden die spät schlüpfenden Raupen weniger Nadelmasse und eine schlechtere Nadelqualität vor und sterben vermehrt ab. Die sich bis zum Falter entwickelnden Weibchen legen zudem bis zu 90 Prozent weniger Eier. Diese negative Rückkopplung führt zu einem drastischen Rückgang der Populationsdichte. Nach rund drei Jahren haben sich die Lärchen wieder er holt. Die Raupen des Lärchenwicklers profitieren von der wieder besseren Nahrungsqualität und die Populationen nehmen erneut zu. Der zweite wichtige Mechanismus ist die Regula tion durch natürliche Feinde wie Waldameisen (vgl. Titelbild dieser Ausgabe) und vor allem pa rasitische Wespen und Fliegen. Im Verlaufe eines Zyklus steigt die Sterblichkeit der Lärchenwickler durch die Parasitierung auf bis zu 80 Prozent. Nach dem Zusammenbruch des Lärchenwicklers gehen auch die natürlichen Feinde massiv zurück und die Lärchenwickler können wieder zunehmen. Die Zy
(Bild: B. Wermelinger)
klen der natürlichen Feinde hinken um etwa zwei Jahre hinter denjenigen des Lärchenwicklers nach. Auf den Effekt der unterschiedlichen Fitness und Reproduktion von zwei verschiedenen Ökotypen der Raupen wird hier nicht eingegangen. Hingegen muss ein weiterer, wichtiger Regulationsfaktor er wähnt werden, nämlich die Migration der Falter. Neben einer vertikalen Wanderung aus und in die Optimumsgebiete während eines Zyklus spielt vor allem die grossräumige Verfrachtung von Faltern durch den Wind eine Rolle. Nach einer flächigen Entnadelung der Lärchen verlassen Massen von Faltern das Gebiet und lassen sich vom häufig vor herrschenden Westwind in benachbarte inneralpi ne Täler verwehen. Deshalb kennt man die Lär chenwicklerzyklen nicht nur vom Engadin, sondern auch von vielen weiteren Tälern des europäischen Alpenbogens. Die Zyklen sind dabei von West nach Ost um drei bis vier Jahre verschoben. Die Ausbrü che beginnen jeweils in den Tälern der französi schen Seealpen, danach wandern sie rund 600 Kilo
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meter über den Alpenbogen nach Osten: Seealpen, Aostatal, Wallis, Engadin, Veltlin, Dolomiten, Steiermark. Diese Verfrachtung synchronisiert und stabilisiert die Zyklen innerhalb der Alpen, während die anderen Mechanismen lokal wirken. Bedeutung des Lärchenwicklers Die Lärche kann nach einem Kahlfrass im Sommer mithilfe der im Holz gespeicherten Reservestoffe nochmals austreiben. Dies bedeutet zwar einen Zuwachsverlust im Holz (Abbildung 5), es sterben aber normalerweise weniger als ein Prozent der Bäume ab. Wichtig für das Engadiner Landschaftsbild ist auch, dass die berühmte goldgelbe Verfärbung im Herbst infolge des nochmaligen Austriebs nicht gefährdet ist. Lärche und Lärchenwickler leben schon seit Jahrtausenden zusammen. Die
Lärche kann im Gegenteil davon profitieren, dass die Raupen nach Erschöpfen der Lärchennadeln sich auf die Arven und Fichten im Unterstand begeben und an diesen fressen. Diese immergrünen Baumarten ertragen einen Frass aber viel schlechter, werden dadurch geschwächt und speziell jüngere Bäume sterben schnell ab oder werden später von Borken- und Rüsselkäfern befallen. Damit verzögert sich der Übergang der Lärchenwälder in Lärchen-Arven-Schlusswälder massiv. Was passierte in den letzten 30 Jahren? Die maximalen Raupendichten erreichten auf dem Höhepunkt der drei Zyklen 1989, 1999 und 2009 nicht einmal mehr die Hälfte der früheren Werte (Abbildung 3). Es muss betont werden, dass die regelmässigen Zyklen sich hingegen nicht verän-
Abbildung 5: An alten Lärchenstämmen und Holzbalken von Gebäuden im Lötschental konnten die Massenvermehrungen des Lärchenwicklers anhand der schmalen Jahrringe 1200 Jahre zurückverfolgt werden. Die Bäume ertragen eine Entnadelung ohne grosse Probleme.
(Bild: B. Wermelinger)
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dert haben, sie liefen einfach auf einem tieferen, unauffälligen Niveau ab. Eine Erklärung dafür dürfte der Klimawandel sein. Wärmere Herbste und mildere Winter führen zu einer erhöhten Atmungsaktivität der überwinternden Eier, was deren Energiereserven vorzeitig erschöpfen könnte. Zudem dürfte sich die entscheidende Synchronisation von Nadelaustrieb und Schlüpfen der Räupchen im Frühling verschlechtert haben. Im Jahr 2016 begann in Frankreich jedoch wieder ein Zyklus mit starkem Lärchenwicklerbefall, der 2017/18 auch im Wallis und 2018 in Graubünden sichtbar wurde. Dieser 2018er-Befall war viel stärker als in den drei Zyklen zuvor, erreichte aber nicht ganz das Ausmass der 1950er- bis 1980er-Jahre (Abbildung 3). Im Kanton Graubünden war dieses Phänomen in vielen Gebieten zu beobachten. Am auffälligsten war der Befall im Oberengadin in verschiedenen Beständen beider Talseiten zwischen S-chanf und Samedan (Abbildung 6), im Raum Pontresina, am Silvaplanersee, aber auch im Puschlav und sogar auf der Nordseite des Julier- und Albulapasses sowie bei Davos. Die-
ses erneute Auftreten eines «klassischen» Befalls könnte auf die zwei davorliegenden, eher kalten Winter zurückzuführen sein, in denen die Eier weniger Reserven verbrauchten und der Schlüpfzeitpunkt besser mit dem Nadelaustrieb synchronisiert war. Für das Jahr 2019 kann erwartet werden, dass an einigen Orten des Engadins nochmals eine Verfärbung der Lärchen sichtbar wird, da die Raupenpopulationen nicht schlagartig auf Null zurückgehen. Mit dem nötigen Hintergrundwissen und im Bewusstsein, dass dieser Befall den Lärchen kaum schadet, darf das spektakuläre Phänomen durchaus etwas «genossen» werden. Dieser Artikel ist eine gekürzte und aktualisierte Fassung eines Kapitels aus dem Buch «Insekten im Wald – Vielfalt, Funktionen und Bedeutung» (Haupt Verlag) und des Merkblatts «Zyklen und Bedeutung des Lärchenwicklers» (WSL). Beat Wermelinger forscht und lehrt an der WSL und der ETH zu verschiedensten Aspekten der Waldinsekten.
Abbildung 6: Befall eines Lärchenstreifens durch den Lärchenwickler an einem Hang bei Bever, 12. Juli 2018.
(Bild: B. Wermelinger)
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Totholzkäfer in Graubünden: A ufdatierung unseres Wissens Viele Käferarten, insbesondere gefährdete Urwald reliktarten, gelten als äusserst wertvolle Elemente unserer Wälder, sind jedoch aufgrund der Waldnutzung selten geworden oder bereits verschwunden. Bereits in der Ausgabe 5/2015 des «Bündner Walds» haben wir Untersuchungen über Totholzkäfer in Graubünden vorgestellt. Mittler weile sind weitere Waldgebiete untersucht und Daten aus früheren Erhebungen weiter analysiert worden. Die neu hinzugekommenen Resultate bestätigen die grosse Bedeutung von Alt- und Totholz für die Waldbiodiversität. Sie zeigen aber auch, dass sich die Zusammensetzung der Totholzkäferfauna in verschiedenen Waldtypen sehr stark unterscheidet. Barbara Huber, Ueli Bühler, Marco Vanoni
Ein wichtiger Grund für die Erhebungen von Tot holzkäfern (= xylobionte Käfer) in Wäldern Grau bündens war die Einsicht, dass zwischen den Holznutzungen durch uns Menschen und den An sprüchen von holzbewohnenden Arten ein Grund konflikt besteht. Die Untersuchungen sollen helfen, einen für die Forstwirtschaft gangbaren Weg im Spannungsfeld zwischen Holznutzung und den An sprüchen holzbewohnender einheimischer Arten zu finden. Mögliche Massnahmen sind Rücklass von Totholz, Bezeichnung und Schonen von Habitat bäumen, Altholzinseln bis hin zu Naturwaldreserva ten. Nur stellt sich halt die Frage nach dem Wieviel von allem. Aber auch der Bezug zwischen der Di versität holzbewohnender Käfer und dem Auftreten von Forstschädlingen ist von grossem Interesse. Seit 2003 sind mehrere Wälder im Kanton Grau bünden durch die WSL (Soazza [Moretti et al. 2004], Prättigau [Lachat et al. 2009]) oder Abenis AG (Breil/Brigels, Avers, Surses, Münstertal [in Be arbeitung]) auf ihre Tot holzkäferfauna hin unter sucht worden (Tabelle 1). Zum Einsatz gelangten Fallen und Handfänge. Nachfolgend geben wir ei nen Überblick über die wichtigsten Befunde daraus.
Untersuchungen nach 2015 Seit unserem Bericht 5/2015 wurden folgende weitere Untersuchungen an Totholzkäfern durch geführt: Crap Ses, Surses, Waldföhrenwald: Die Analyse al ler damals vorliegenden Meldungen über Totholz käferfunde in Graubünden durch Huber & Frei im Jahr 2012 liess vermuten, dass Waldföhrenwälder besonders reich an Totholzkäferarten sind. Mit einer systematischen Erhebung am Crap Ses mit Fallen und Handfängen (Huber et al. 2017) sollte dieser Vermutung nachgegangen werden. Das Waldgebiet weist einzelne uralte Bäume auf mit einem Alter von über 300 Jahren. Aufgrund der zum Teil stark erschwerten Zugänglichkeit (Fel sen), des schlechtwüchsigen Standorts und der Steinschlaggefahr dürfte in diesem Gebiet auch früher schon immer einiges Totholz vorhanden ge wesen sein. Mont Grand, Soazza, Kastanienselven: In den Jahren 2003/2004 hatte die WSL unter der Leitung von M. Moretti eine Studie zur Insekten vielfalt auf den grossen, uralten Kastanienbäumen dieses Gebiets ausgeführt (Moretti et al. 2004).
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Das Ziel der Erhebung war, die Bedeutung dieser Kastanienbäume für den Naturschutz abzuklären und den Wert einer Rekultivierung der Selven sowie von Pflegeeingriffen zur Verhinderung der Wiederbewaldung abzuschätzen. Eine detaillierte Auswertung der gefangenen Käfer unterblieb je doch, was Abenis im Jahr 2018 nachholen konnte (Wild et al. 2018). Weitere Erkenntnisse wurden im Rahmen des Pro jekts «Artenschutzmassnahmen für seltene Käfer arten in Graubünden» (Huber 2017) gewonnen. Aktuelleren Nachweisen von stark gefährdeten Totholzkäferarten und sogenannten Urwaldrelikt arten wurde nachgegangen und im Feld überprüft, ob allenfalls lebensraumverbessernde Massnah
men zum Erhalt des Vorkommens notwendig sind. Bei den Feldarbeiten gelangen unter anderem auch Nachweise der Urwaldreliktarten Eremit, des Mulmpflanzenkäfers Allecula rhenana (beide Fun de durch A. Sanchez) und des Grossen Eichenbocks sowie des stark gefährdeten Körnerbocks. Die Resultate im Überblick Per Ende 2018 liegen Resultate aus systematischen Totholzkäfer-Erhebungen von total sieben Waldflä chen vor (Tabelle 1, Abbildung 4). Insgesamt wurden in diesen Studien 1069 Käferarten gefunden, wovon 553 Arten auf Alt- und Totholz angewiesen sind. Vergleiche zwischen den Flächen dürfen nur in gro ben Zügen vorgenommen werden, denn im Detail
Erhebungsjahr
Ort
Waldtyp/ Waldhöhenstufe (inkl. mittlerer Höhenlage in m ü. M.)
Anzahl Käferarten
Anzahl obligatorisch oder fakultativ xylobionte Arten
Anzahl Familien (davon mit xylobionten Arten)
Neufunde CH
UWRArten
RLArten
2003/2004
Mont Grand, Soazza
Kastanienselve (550)
*308
*180
*51 (36)
*0
*12
*12
2009
Teifwald, Luzein
Fichtenwald (1500)
141
64
28 (21)
0
3
3
2009
Sunniwald, Schiers
Ta-Fi-Buchenwald (1350)
138
77
31 (25)
0
0
5
2009
Hochgrichtswald, Seewis i. P.
Buchenwald (750)
227
203
43 (40)
5
3
2013
Scatlé, Breil/ Brigels
Fichtenwald (1650)
330
161
44 (33)
4
5
9
2014/2015
Capettaund Cröter wald, Avers
LärchenArvenwald (2050/1800)
287
96
39 (27)
3
3
1
2016
Crap Ses, Surses
Waldföhrenwald (1300)
441
261
56 (43)
5
7
11
1069
553
75 (54)
12
31
32
Total alle 7 Flächen
Tabelle 1: Waldflächen, über die bis Ende 2018 Resultate aus systematischen Käfer-Erhebungen vorliegen. * = ohne die sehr artenreiche Familie der Kurzflügler (Staphylinidae). UWR-Arten = Urwaldreliktarten gemäss Sanchez et al. (2016), ergänzt nach Eckelt et al. (2017). RL-Arten = Arten auf der schweizerischen Roten Liste.
(Abbildung: Abenis AG)
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Abbildung 1: Waldföhrenwald Crap Ses.
weichen die angewandten Methoden etwas voneinander ab und die Fangdauer von meistens nur einem Jahr (Frühjahr bis Herbst) reicht erfahrungsgemäss nicht, um das ganze lokal vorhandene Artenspektrum zu erfassen. Die grösseren ins Auge fallenden Unterschiede zwischen den Flächen dürfen aber durchaus als real angenommen werden. Folgerungen Individualität der Wälder: Die Artenspektren der Totholzkäfer unterscheiden sich zwischen den Untersuchungsflächen sehr stark. Von den 553 nachgewiesenen Alt- und Tot holzbewohnenden Käferarten konnten 309 Arten jeweils nur in einem Gebiet nachgewiesen werden (Abbildung 4). Eine wichtige Rolle dabei spielt offensichtlich die Baumartenzusammensetzung. Der untersuchte Waldföhrenbestand hat sich wie vermutet als sehr
(Bild: B. Huber).
artenreich herausgestellt, währenddem im ebenfalls sehr alten Lärchen-Arvenwald zweieinhalbmal weniger Totholzkäferarten nachgewiesen wurden. Der wahre Artenreichtum der Kastanienwälder wird aus Tabelle 1 und Abbildung 4 nicht richtig ersichtlich, weil die artenreiche Familie der Kurzflügler (Staphylinidae) auf dieser Fläche nicht bestimmt wurde. Zurzeit fehlen noch gründliche Untersuchungen von Eichen- und Auenwäldern in Graubünden. Alte Bäume und «Totholzkontinuum» Der markante Unterschied in der Artenzusammensetzung zwischen den beiden subalpinen Fichtenwäldern Teifwald und Scatlé dürfte dagegen vor allem darauf zurückzuführen sein, dass im Teifwald während Jahrhunderten wohl kaum Totholz vorhanden war, während solches im Urwald Scatlé wohl immer präsent war. Heute weist der Teifwald auch recht ansehnliche Totholzmengen auf, doch
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müssen vermutlich zuerst noch früher lokal ver schwundene Arten wieder zurückwandern. Im Hinblick auf die Umsetzung durch die Forst praxis sind die sogenannten Urwaldreliktarten von besonderem Interesse. Dies sind Arten, welche stark an das kontinuierliche Vorhandensein von Al ters- und Zerfallsphasen mit viel Totholz gebunden sind. Sie sind in den bewirtschafteten Wäldern Mit teleuropas stark dezimiert oder ausgestorben und kommen nur noch reliktartig vor. Dass in fast allen untersuchten Wäldern solche Arten gefunden wur den, ist darauf zurückzuführen, dass durchwegs alte Waldbestände beprobt wurden. So gilt Scatlé als Urwald, im Avers weisen viele Arven und Lär chen ein Alter von über 600 Jahren auf, bei Crap Ses bringen es einzelne Waldföhren auf 220 bis 320 Jahre und in Soazza sind die ältesten Kastanien mindestens 300 bis 400 Jahre alt. Zu den in den sieben untersuchten Wäldern vorgefundenen 31 Urwaldreliktarten liegen aus Graubünden noch Nachweise von über 30 weiteren Urwaldreliktarten aus früheren Jahren und anderen Wäldern vor. Die Untersuchungen in Graubünden bestätigen somit insgesamt den sehr grossen Wert alter Bäu me und kontinuierlich vorhandenem Totholz für die Biodiversität. Basis für die grosse Zahl an Tot holzkäferarten ist dabei nicht einfach eine grosse Totholzmenge, sondern eine damit verbunde ne grosse Vielfalt an unterschiedlichen Nischen (Baumart, Holzfeuchtigkeit, Zersetzungsgrad, etc.). Wissen nimmt zu Insgesamt wurden 12 Käferarten gefunden, die bis anhin in der Schweiz noch nie nachgewiesen wor den waren. Dies zeigt, wie gering die Kenntnisse über die Verbreitung von Käferarten im Kanton Graubünden und zum Teil auch in der übrigen Schweiz sind beziehungsweise bis vor Kurzem noch waren. In den letzten Jahren hat sich in der Schweiz jedoch einiges getan. Für viele Käferfamilien sind inzwischen sogenannte Checklisten (Artenlisten für die Schweiz, pro Familie) erstellt worden oder sind
noch in Bearbeitung. Über die ganze Schweiz gese hen besteht heute über mindestens vier Käfer familien mit Totholzarten ein guter Kenntnisstand bezüglich Verbreitung, Vorkommen und Gefähr dung. Für weitere 40 Familien wurde eine Liste der sogenannt emblematischen Waldarten der Schweiz (Sanchez et al. 2016) und eine Tabelle zu deren ökologischen Ansprüchen (Sanchez et al. 2018) veröffentlicht. «Emblematische Waldarten» sind Käferarten, die besonders hohe Ansprüche an ihren Lebensraum stellen und dabei an alte Wälder bzw. Altwaldstrukturen gebunden sind. Über viele wei tere Käferfamilien mit Totholzarten gibt es noch
Abbildung 2: Mächtige hohle Eiche, Brutbaum einer U rwaldreliktart .
(Bild: B. Huber).
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keine Informationen, eine Erweiterung der Liste emblematischer Waldarten ist aber in Planung. Bedeutung für die forstliche Praxis Totholzkäfer sind Teil der Biodiversität, deren Erhalt und Förderung auch zu den Aufgaben des Forstdienstes gehört. Im Vordergrund steht bei diesen Arten selbstredend das Thema Alt- und Totholz. Der Nachhaltigkeitsbericht des AWN (2018) hat aufgezeigt, dass in Graubünden bei Weitem nicht der ganze Holzzuwachs abgeschöpft wird und somit aufgrund natürlicher Mortalität im Baumbestand der Totholzvorrat doch immer wieder ansehnlichen Zuwachs erhält. Im Hinblick auf die Entwicklung der Waldbiodiversität darf und soll dieser Umstand als positiv bewertet werden. Es ist allerdings wichtig, dass Alt- und Totholz nicht nur in den steilsten und abgelegensten Lagen, sondern in allen Wäldern in angemessenem Umfang vorhanden ist.
Sehr wichtig sind aber auch alte, mit «Habitat nischen» wie zum Beispiel Mulmhöhlen ausgestattete Bäume. Die enorme Vielzahl an Totholzkäfern ist ein Spiegelbild der Vielfalt an Kleinnischen, welche in einem Wald vorhanden sind. Diese Nischenvielfalt muss erhalten und gefördert werden. Die Verantwortung für die Weiterexistenz der Ur wald reliktarten und der übrigen gefährdeten Totholzkäferarten im Wald liegt beim Forstdienst (Anmerkung: auch im Offenland gibt es sehr wertvolle Brutbäume von gefährdeten Käferarten). Da rum: bei der Anzeichnung von älteren Bäumen bitte immer auch den Wert der einzelnen Bäume für die Biodiversität in die Überlegungen miteinbeziehen. Letztlich zeigt sich aber, dass mit dem Einrichten von Naturwaldreservaten und Altholzinseln sowie mit dem bewussten Schonen von Habitatbäumen (= Biotopbäumen) der richtige Weg begangen 300
Anzahl xylobionte Arten
250
7
6
5
4
3
2
1
200 150 100 50
fw al d Te i
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Cr ap Se Ho s ch gr ich ts w ald M on tG ra nd
0
Abbildung 4: Zahl der nachgewiesenen totholzbewoh nenden Käferarten in den sieben mit ähnlicher Methode bearbeiteten Waldflächen. Die Farbe zeigt, in wie vielen der sieben Flächen die Arten gefunden wurden: Dunkel blau = nur in einer Fläche nachgewiesen; Orange = in zwei Flächen festgestellt etc. Nur zwei Arten wurden in allen Flächen nachgewiesen (mittleres Blau, unterster Säulen abschnitt). In der Fläche Mont Grand wurde die artenrei che Familie der Kurzflügler nicht bestimmt.
Abbildung 3: Alte Kastanie mit Frassspuren des Eichenbocks.
(Bild: B. Huber).
(Abbildung: B. Huber)
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Abbildung 5: Das beim Umsetzungsprojekt 2017 entdeckte Vorkommen des Eremiten durch A. Sanchez im Misox ist zurzeit der einzige rezente Fund auf der Alpensüdseite der Schweiz. Ein guter Brutbaum kann über Jahrzehnte besiedelt werden. Das Beispiel zeigt, wie rasch durch die Beseitigung weniger alter Bäume ein grosser Biodiversitätsverlust verursacht werden kann. Bild links: Eremit. Bild rechts: Alter Baumstumpf mit Nachweis von Eremiten.
wird. Die Förderung der gesamten Biodiversität des Waldes wird auch dessen Widerstandsfähigkeit erhöhen. Bedanken möchten wir uns bei B. Büche (Bestimmung der Käfer), A. Sanchez und Y. Chittaro (beide CSCF), M. Moretti und T. Lachat (beide WSL), A. Szallies, dem Team des Bündner Naturmuseums und weiteren Helfern. Auch für die Finanzierung möchten wir uns bedanken bei: BAFU; AWN; ANU; Dr. Bertold Suhner-Stiftung; Temperatio Stiftung; Parrotia-Stiftung; Ella und J. Paul Schnorf-
(Bild: M. Gilgen/B. Huber)
Stiftung; Stiftung Sammlung Bündner Naturmuseum; Pro Natura Graubünden. Barbara Huber, Forstingenieurin ETH, arbeitet bei Abenis AG im Bereich Waldökologie. Dr. Ueli Bühler befasst sich auch nach seiner Pensionierung als Leiter des Bereichs Waldökologie am Amt für Wald und Naturgefahren weiterhin mit der Bedeutung von Alt- und Totholz für die Waldbiodiversität. Seit 2016 leitet Dr. Marco Vanoni den Bereich Wald ökologie beim Amt für Wald und Naturgefahren in Chur.
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Literatur –– Amt für Wald und Naturgefahren (2018) Wie geht es dem Bündner Wald? Ein Bericht zur Nachhaltigkeit. –– BAFU (2011) Liste der National Prioritären Arten. Arten mit nationaler Priorität für die Erhaltung und Förderung, Stand 2013. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Vollzug Nr. 1103: 132 S. –– Eckelt A, Müller J, Bense U, Brustel H, Bussler H, Chittaro Y, et al. (2017) «Primeval forest relict beetles» of Central Europe: a set of 168 umbrella species for the protection of primeval forest remnants. Journal of Insect Conservation, https:// doi.org/10.1007/s10841-017-0028-6. –– Huber B & Frei A (2012) Verbreitung der Totholzkäfer im Kanton Graubünden: Gibt es Refugialgebiete? Interner Bericht AWN und BNM. –– Huber B & Wild R (2017) Vielfalt der Totholzkäferfauna in Waldföhrenwäldern im Oberhalbstein. Fokusthema innerhalb des Pilot projekts «Ökologische Infrastruktur in Pärken 2016 – 2017», im Auftrag des BAFU. 80 S. –– Huber B (2017): Artenschutzmassnahmen für seltene Käferarten (v. a. Totholzkäfer) in Graubünden. Umsetzungsprojekt im Auftrag des AWN GR. 38 S.
Wasserfassungen_Kessler.pdf
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29.03.16
–– Lachat T, Gross A & Wermelinger B (2010) Vielfalt der xylobionten Käfer in seit längerer Zeit nicht mehr bewirtschafteten Wäldern im Prättigau (GR). Schlussbericht. WSL, Birmensdorf. 33 S. –– Moretti M, Tonolla D, Altenburger I, Duelli P (2004) Biodiversità delle selve castanili del Mont Grand (Soazza, Grigioni). Quaderni grigionitaliani 73: 355–362. –– Wild R, Huber B, Plozza L, Vanoni M, Moretti M (2019) Die Käferfauna der Kastanienselven des Mont Grand: wertvolle Vielfalt dank uralten Bäumen. Schweiz Z Forstwes 170 (2019) 2: 102–105. –– Sanchez A, Chittaro Y, Monnerat C, Gonseth Y (2016) Les coléoptères saproxyliques emblématiques de Suisse, indicateurs de la qualité de nos forêts et milieux boisés. Mitt. Schweiz. Ent. Ges. 89: 261– 280. –– Sanchez A, Chittaro Y, Monnerat C, Gonseth Y (2018) Préférences écologiques des coléoptères saproxyliques emblématiques de Suisse. Schweiz. Z.Forstwes. 169: 158 –165.
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Klimabedingte Risiken – was erwartet uns noch? Mit dem Klimawandel werden die Existenzbedingungen sowohl für Wälder als auch für die in ihnen lebenden Schadorganismen und Nützlinge verändert. Dies kann zu Kettenreaktionen und kumulativen Effekten führen, bei denen die eine Ursache «Klimawandel» eine Reihe von Folgeeffekten auslöst. Diese werden durch Standorts- und Bestandesbedingungen gefördert oder gemindert. Erste Gefähr dungsabschätzungen auf der Grundlage neu entwickelter Klimakarten liefern der Praxis wichtige Hinweise für die Priorisierung von forstlichen Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Sabine Augustin, Päivi Gubelmann, Barbara Huber
Einleitung Der Kenntnisstand zum Klimawandel ist hinreichend, um nach dem Vorsorgeprinzip1,2 die möglichen Interaktionen von abiotischen und biotischen Risiken, die sich aus dem Klimawandel ergeben, zu beschreiben, darzustellen und Abschätzungen für die zukünftige Entwicklung zu geben. Hierdurch bekommt die Praxis Hinweise zur Bewirtschaftung und Vorsorge. Gemäss der Schweizer Anpassungsstrategie an den Klimawandel sollen die besonders klimasensitiven Waldstandorte und Bestände genauer definiert und lokalisiert werden (BAFU 2012). Im Rahmen des Forschungsprogramms «Wald und Klimawandel» wurden in den letzten Jahren für die ganze Schweizer Waldfläche sowohl die Vegetationshöhenstufen als auch die Buchen- und Tannenarealgrenzen vorwiegend mithilfe von Klimaparametern abgebildet und in die Zukunft modelliert (Periode 2070–2099, Emissionsszenario A1B, Modelle RegCM3 und CLM, Gubelmann et al. 2019, neu einsehbar unter https://s.geo.admin.ch/8197e5ba10). Die Karten sollen der Praxis Hinweise geben, mit welchen Veränderungen bei verschiedenen Klimazukünften zu rechnen ist. Mit den Vegetationshöhenstufenverschiebungen können in Kantonen mit Wald-
standortskartierungen Baumartenempfehlungen für konkrete Waldbestände erstellt werden (Frehner et al. 2018). Darüber hinaus wird die Identifizierung von Wäldern, die besonders sensitiv auf den Klimawandel reagieren dürften, möglich. Dies erfolgt derzeit in einem Projekt zur Identifizierung und Abgrenzung von behandlungsbedürftigen Beständen und zur Priorisierung von Anpassungsmassnahmen aufgrund der Gefährdung der Bestände und des Ausmasses des nötigen Baumartenwechsels. Das Projekt wird vom BAFU und dem Kanton Graubünden gemeinsam unterstützt, einige Talschaften werden als Pilotgebiete besonders untersucht. Im Folgenden werden unter anderem einige erste Ergebnisse des Projekts «Sensitive Standorte und Bestände» vorgestellt, alle Ergebnisse werden voraussichtlich 2020 vorliegen. Klimabedingte Risiken In den letzten Jahren wurden viele waldrelevante Klimaparameter für die Perioden 1981 bis 2010, 2045 bis 2074 und 2070 bis 2099 berechnet und in verbesserter räumlicher Auflösung dargestellt (Raster 25 m × 25 m; Huber et al. 2015, in Kürze einsehbar unter https://map.geo.admin.ch), respektive 200 m × 200 m (Remund et al. 2016).
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Hieraus können nun, zusammen mit Bestandesparametern und topografischen Informationen, abiotische Risiken besser berechnet und in der Fläche dargestellt werden. Spätfröste Der letzte Frosttag im Frühling ist entscheidend für das Vorkommen vieler Baumarten (Frosttoleranz und phänologische Kontrolle für Austrieb/Blüte; Gubelmann et al. 2019). In den letzten Jahrzehnten erfolgte der Blattaustrieb der Bäume aufgrund gestiegener Temperaturen im Frühjahr deutlich früher, gleichzeitig aber treten die letzten Fröste nicht in gleichem Masse früher im Jahr auf. Diese
asynchrone Veränderung resultiert in einem höheren Spätfrostrisiko für die Waldbäume (Vitasse et al. 2018). Besonders auf Standorten, bei denen künftig mit einer sehr deutlichen klimatisch bedingten Verschiebung der Vegetationshöhenstufe zu rechnen ist (Frehner et al. 2018), zum Beispiel von hochmontan zu collin, kann dies zu einem Problem werden. Es können auch nicht überall potenziell geeignete Baumarten einfach «nachrutschen». So kann zum Beispiel beim Ausfall der Waldföhre in den Inneralpen derzeit noch nicht überall die Traubeneiche (oder Flaumeiche) ihren Platz einnehmen, da sie stärker durch Spätfröste gefährdet ist.
Abbildung 1: Mittlerer letzter Frosttag in der Periode 1981–2010. 6. März = 65. Tag des Jahres, 15. Juli = 196. Tag des Jahres (Gubelmann et al. 2019). Nach Vitasse et al. (2018) veränderte sich von 1975–2016 der Tag des letzten Frosts für Stationen < 800 m ü. M. um – 2,6 ± 1,0 Tage/Dekade; für Stationen > 800 m ü. M. um – 1,9 ± 1,0 Tage/Dekade.
(Bild: Abenis AG)
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Frosttrocknis Im Projekt «Sensitive Standorte und Bestände» werden zurzeit die Risiken für Frosttrocknis und Nassschnee für heute und für die Zukunft (2045 –2074) berechnet. Bei der Frosttrocknis ist damit zu rechnen, dass es bei geringerem winterli chen Schneefall (= Wegfall der isolierenden Schnee decke), kürzerer Dauer der Schneedecke (Klein et al. 2016) und hoher Strahlungsintensität zu verstärktem oberflächlichem Gefrieren des Bo dens kommt. Dies führt zur Vereisung der Leitungs bahnen in Wurzeln und Spross (unter – 2 °C), die Transpiration aber – auch unterhalb des Gefrier punkts – läuft weiter (Altenkirch et al. 2002). Die Wasserbilanz der Pflanze verschlechtert sich lau
fend und dies führt zu Frosttrocknis. Dadurch kön nen besonders im späten Winter Schäden vor allem an der Waldverjüngung entstehen. Nassschnee Zur Beschreibung des Nassschneerisikos wurden zwei Parameter kartiert: – die «Kumulative Summe der Schneehöhe (in Meter) während Phasen mit Nassschnee» (Ab bildung 2). Diese zeigt die Wirkung einer lang andauernden Nassschneedecke auf den Ausfall von pilzanfälligen Baumarten wie Fichte und Arve auf. In der Schweiz ist dies vor allem an der oberen Waldgrenze relevant, wo durch Schnee pilze (Gremmeniella-Triebsterben [Gremmeniella
Abbildung 2: Kumulative Summe der täglichen Schneehöhe in Meter während Phasen mit Nassschnee, 1981–2010. Je höher der Wert ist, desto höher ist die Gefahr für den Befall der Bäume durch Schneepilze.
(Bild: Abenis AG)
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abietina], Arvenschneepilz [Phacidium infestans] und Schneeschimmel [Herpotrichia juniperi]) junge Bäume absterben. Ein weiteres Gefährdungsgebiet in den Schweizer Alpen ist das westliche Tessin, in dem die Fichte fast gänzlich in allen Höhenlagen ausfällt, was vermutlich auf pathogene Pilze zurückzuführen ist (mündl. Mitt. L. Z’graggen und G. Carraro). –– Die Karte «Anzahl der Ereignisse mit schneebruchrelevantem Nassschneefall» (hier nicht dargestellt): Für die Periode 1981– 2010 wurde die Anzahl Fälle mit einer täglichen Neuschneesumme von über 20 Zentimeter bei gleichzeitigem Wasserwert von mehr als 20 Millimeter bei relativ hohen Temperaturen, welche – 3 Grad nicht unterschreiten, schweizweit kartiert. Baumernährung und trockenheitsbedingte Mortalität Trockenheit führt besonders dann zu erhöhter Mortalität von Fichten, wenn die Kalium- und Magnesiumernährung der Bäume gering ist (Braun et al. 2015). Kalium wird von Bäumen zur Regulierung des Wasserhaushalts benötigt. Geringe Kaliumgehalte kommen teilweise auf Böden aus armen Ausgangsgesteinen vor. Auf vielen Standorten sind sie jedoch eine Folge von Nährstoffverarmung des Oberbodens infolge erhöhter Stickstoffeinträge und Nährstoffauswaschung. Hohe Stickstoff einträge führen zu geringerer und flacherer Durchwurzelung und reduzieren so das von den Wurzeln ausschöpfbare Bodenvolumen. Extreme Trockenheit Wälder sind an periodisch auftretende Sommertrockenheiten angepasst. Problematisch wird es jedoch, wenn diese gehäuft zum Beispiel an zwei aufeinanderfolgenden Sommern und verbunden mit grosser Hitze vorkommen und/oder gelegentlich extreme Trockenheiten auftreten. Unter diesen Bedingungen kann es zu unkontrollierten Effekten von Vitalitätsminderung der Bäume und Schäd-
lingskalamitäten kommen, wie Jactel et al. (2012) fanden. Geänderte Konkurrenzsituationen sind dann möglich, wenn eine Baumart stark geschwächt/geschädigt wurde und deren Mortalität steigt (wie zum Beispiel die Fichten im Jahr 2018). Allenfalls könnte in Zukunft auch eine veränderte Föhnhäufigkeit eine Rolle spielen, da die Föhnwinde die Böden sehr stark auszutrocknen vermögen, und deshalb Baumarten im Falle einer Zunahme am Rand ihres Verbreitungsgebiets in Bedrängnis bringen können. Fazit Mit dem Klimawandel werden sich viele Randbedingungen für die Existenz der Wälder verändern. Wir können derzeit nur beschreiben, in welche Richtung sich das Klima wahrscheinlich ändert, an welchen Orten und für welche Bestände sich dies wahrscheinlich intensiver auswirkt, und welche klimabedingten Risiken deshalb zu erwarten sind. Durch den Klimawandel ausgelöste Kettenreaktionen oder kumulative Effekte mit Schadorganismen sind schwerer einzuschätzen. Hierzu liefern die neuen Kartengrundlagen jedoch wichtige Hinweise für die forstliche Praxis. Alle Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sollten sich an den standörtlichen Gegebenheiten und am Bestand orientieren. Eine Priorisierung von Massnahmen ist an besonders gefährdeten Standorten zu empfehlen. Endnoten 1) An der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro (1992) wurde das Vorsorgeprinzip folgendermassen begründet: «Angesichts der Gefahr irreversibler Umweltschäden soll ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit nicht als Entschuldigung dafür dienen, Massnahmen hinauszuzögern, die in sich selbst gerechtfertigt sind. Bei Massnahmen, die sich auf komplexe Systeme beziehen, die noch nicht voll verstanden worden sind und bei denen die Folgewirkungen von Störungen noch nicht vorausge-
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sagt werden können, könnte der Vorsorgeansatz als Ausgangsbasis dienen». 2) Vorsorgeprinzip in der Bundesverfassung: Art. 74 (Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101) Sabine Augustin (Dr. forest.) arbeitet in der Abteilung Wald des BAFU, Sektion Waldschutz und Waldgesundheit. Sie arbeitet zu den Auswirkungen des Klimawandels und den Folgen der Schadstoffeinträge auf den Wald. Päivi Gubelmann (MSc Climate Science und MSc Umwelt naturwissenschaften ETH) und Barbara Huber (Forst ingenieurin ETH) arbeiten bei Abenis AG im Bereich Wald und Klimawandel.
Literatur –– Altenkirch W, Majunke C, Ohnesorge B (2002) Waldschutz auf ökologischer Grundlage. Ulmer Verlag, 434 S. –– BAFU (2012) Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz. Ziele, Herausforderungen und Handlungsfelder. Erster Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012. 64 S. –– Braun S, Remund J, Rihm B (2015) Indikatoren zur Schätzung des Trockenheitsrisikos in Buchen- und Fichtenwäldern. Schweiz Z Forstwes 66: 361–371. –– Frehner M, Brang P, Kaufmann G, Küchli C (2018) Standortkundliche Grundlagen für die Waldbewirtschaftung im Klimawandel. WSL Berichte 66, Birmensdorf 43 p. –– Gubelmann P, Huber B, Frehner M, Zischg A, Burnand J, Carraro G (2019) Schlussbericht des Projekts «Adaptierte Ökogramme» im Forschungsprogramm «Wald und Klimawandel», Teil 1: Quantifizierung und Verschiebung der Höhenstufengrenzen sowie des Tannen- und Buchenareals in der Schweiz mit zwei Klimazukünften. Chur, Abenis AG. 194 S. –– Huber B, Zischg A, Frehner M, Carraro G, Burnand J (2015) Neu entwickelte Klimakarten für den Wald im Klimawandel. Schweiz Z Forstwes 66: 432– 434. –– Jactel H, Petit J, Desprez-Loustau ML, Delzon S, Piou D, Battisti A, Koricheva J (2012) Drought effects
on damage by forest insects and pathogens: a metaanalysis. Global Change Biology 18: 267– 276. –– Klein G, Vitasse Y, Rixen C, Marty C, Rebetez M (2016) Shorter snow cover duration since 1970 in the Swiss Alps due to earlier snowmelt more than to later snow onset. Climatic Change 139: 637– 649. –– Remund J, v. Arx G, Gallien L, Rebetez M, Huber B, Zimmermann N (2016) Klimawandel in der Schweiz – Entwicklung waldrelevanter Klimagrössen. In: Pluess AR, Augustin S, Brang P (Red), Wald im Klimawandel. Grundlagen für Adaptionsstrategien. Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern; Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf; Haupt Bern, Stuttgart, Wien. S. 23 – 37. –– Vitasse Y, Schneider L, Rixen C, Christen D, Rebetez M (2018) Increase in the risk of exposure of forest and fruit trees to spring frosts at higher elevations in Switzerland over the last four decades. Agricultural and Forest Meteorology 248: 60 – 69.
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Fund von Zecken der Gattung Hyalomma in Deutschland Der Fund von sieben Hyalomma-Zecken in Deutschland, über den die Universität Hohenheim im August 2018 berichtete, erzeugte ein grosses Presse-Echo.1 Die Reaktion könnte durch die Tatsache begründet sein, dass Zecken der Gattung Hyalomma Vektor und Reservoir des Krim-Kongo-Virus sein können. Das grosse Presse-Echo löste eine Welle von Bürgeranfragen aus, die mein-
Hyalomma-Zecke.
(Bild: Robert-Koch-Institut)
ten, die auffällige Zecke mit den gestreiften Beinen gesehen zu haben. Über 150 Personen kontaktierten das Robert-Koch-Institut (RKI) und baten um Beratung nach dem Fund einer ihnen unbekannten Zecke. 57 gefundene Zecken stellten sich als Auwaldzecken heraus, die in der Bevölkerung noch relativ unbekannt sind. Bei 19 Zecken konnte aber der Fund einer Hyalomma-Zecke bestätigt werden. Diese Funde betrafen die Bundesländer, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein. Eine lokale Häufung konnte nicht festgestellt werden. Es bleibt unbekannt, wie häufig diese Zecke bei ähnlicher Aufmerksamkeit in den Vorjahren gefunden worden wäre. Bei der molekularbiologischen Untersuchung der uns aus den oben genannten Funden zur Verfügung stehenden Hyalomma-Zecken wurde das Krim-Kongo-Virus nicht gefunden. Es wurde auch in sogenannten Amplifikationswirten in Deutschland nicht nachgewiesen – neben dem Menschen können eine Vielzahl von Vertebraten (Wild- und Nutztiere) infiziert werden, wobei die Tiere im Gegensatz zum Menschen nicht erkranken. Die bakteriellen Erreger Anaplasma phagocytophilum, Borrelia burgdorferi, Babesia spp., Candidatus Neoehrlichia mikurensis und Rickettsia spp. wurden ebenfalls nicht nachgewiesen. Da Zecken der Gattung Hyalomma auch potenzielle Vektoren anderer Viren und Bakterien sein können (z. B.: Bhanja-, Togoto-, Dori- oder Batken-Virus beziehungsweise dem Bakterium Coxiella burnetii)2 , streben wir weitere molekularbiologische Untersuchungen an. Die Gattung Hyalomma umfasst mindestens 27 Arten, die morphologisch schwer zu differenzieren sind.3 Mittels molekularbiologischer Methoden konnten bei den von uns gefundenen Zecken die beiden Arten Hyalomma(H.) rufipes und Hyalomma(H.)marginatum bestimmt werden. Beide Arten parasitieren an Vögeln, was für eine Ver-
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schleppung der Zecken nach Deutschland durch Zugvögel spricht.4 Von diesen beiden Arten kann zumindest H. rufipes ab einer Temperatur von 15 °C Eier legen, die sich zu Larven entwickeln,5 was dazu führen könnte, dass sich H. rufipes in Deutschland etabliert. Je nach der Menge gesogenen Blutes legt H. rufipes bei jeder Eiablage knapp 2000 Eier. Die hohe Zahl von Nachkommen ist ein Faktor, der der Zecke die Eroberung eines neuen Lebensraums erleichtern kann. Zusätzlich gilt für die Hyalomma-Zecken, dass sie bislang in Deutschland keine Fressfeinde haben, sie werden passiv (durch Wirtstiere) sehr weit verteilt, sie sind Generalisten, was Umweltbedingungen angeht. Es ist essenziell zu wissen, woher die in Deutschland eingeschleppten Hyalomma-Zecken stammen, da nur so bestimmt werden kann, welche Krankheitserreger potenziell von ihnen beherbergt
Zeckenimpfung Es gibt nur eine Impfung gegen die FSME. Geimpft werden in der Schweiz und in Deutschland vor allem Risikopersonen. Dies sind Personen, die in Hochrisikogebieten wohnen, Waldarbeiter, Forstpersonal, Orientierungsläufer, Pilzsammler, Lagerteilnehmer etc. Weil das FSME-Virus aber auch ausserhalb der Hochrisikogebiete, in den sogenannten Risikogebieten vorkommen kann, sollte wie in Österreich, die ganze Bevölkerung geimpft werden. Eine Impfung gegen die Lyme-Borreliose ist in Europa nicht verfügbar und der in Nordamerika verwendete Impfstoff wurde wegen Nebenwirkungen zurückgezogen. Quelle: www.zecken.ch
werden. Generell gilt aber auch, dass Zecken, die bestimmte Erreger tragen, diese häufig im Laufe ihres Entwicklungszyklus verlieren. Der relevanteste Erreger, den Hyalomma-Zecken übertragen könnten, wäre der Erreger des Krim-Kongo-Hämorrhagischen Fiebers (CCHF). Die Türkei ist ein Beispiel für die Dynamik, die das CCHF entwickeln kann. In der Türkei wurden 2002 die ersten Fälle registriert. Seitdem sind fast 10 000 Personen daran erkrankt, wobei enger Kontakt zu Nutztieren einen Hauptrisikofaktor darstellt (s. a. Epid. Bull. 27/2008). Der CCHF-Ausbruch in der Türkei steht in klarer Beziehung zum Vorkommen von Hyalomma spp. (s. Ergonul). Die Letalität erreichte in diesem Zeitraum fast fünf Prozent (siehe auch Kasten).6 In Spanien gab es in den letzten Jahren zwei Tote durch CCHF. Beide hatten sich in Avila, in Zentral-Spanien, angesteckt. Wie der Fund vollgesogener Zecken 2018 zeigt, ist davon auszugehen, dass Hyalomma-Zecken aufgrund der extremen Wetterbedingungen 2018 in grosser Zahl geschlüpft sind und wir uns auf eine grössere Anzahl von Funden im aktuellen Jahr einstellen müssen. Deshalb ist eine weitere systematische Erhebung und Untersuchung des Vorkommens der Hyalomma-Zecke in Deutschland dringend angezeigt. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit kann dabei unterstützend wirken. Hyalomma-Zecken können nicht wie einheimische Zecken im Feld gesammelt werden, sondern nur bei Tieren, die von Zecken gestochen worden sind. Neben der Etablierung der Hyalomma-Zecken könnte sich theoretisch auch das Virus in Deutschland in einem enzootischen Kreislauf etablieren. Literatur 1) Tropische Zeckenarten: Mehrere Funde in Deutschland beunruhigen Fachleute. Ein Team der Uni Hohenheim und das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr bestätigt sieben Funde der Gattung Hyalomma/eine Zecke trug Zecken-Fleckfiebererreger in sich, Hohenheim 14. 8.18
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2) Ergonul O, Whitehouse CA: Crimean-Congo Hemorrhagic Fever. Springer Netherlands, Dord recht 2007 3) Estrada-Peña A, Mihalca AD, Petney T: Ticks of Europe and North Africa. A guide to species identification. Springer, Cham 2017 4) Kaiser MN, Hoogstraal H, Watson GE: Ticks (Ixodoidea) on migrating birds in Cyprus, fall 1967 and spring 1968, and epidemiological conside-rations BER 1974;64:97 5) Dipeolu OO: Studies on ticks of veterinary importance in Nigeria VI. Comparisons of oviposition and the hatching of eggs of Hyalomma species. Veterinary parasitology 1983;13:251–265 6) Leblebicioglu H, Ozaras R, Irmak H, et al.: Crimean-Congo hemorrhagic fever in Turkey: Current
status and future challenges. Antiviral research 2016;126:21–34 Mit freundlicher Genehmigung Robert-Koch-Institut, D-13353 Berlin Kontakt: Dr. Peter Hagedorn, Robert-Koch-Institut
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CCHF Das durch das Virus ausgelöste CCHF (www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Krim-Kongo-Hämorrhagisches Fieber) ist durch das plötzliche Auftreten von hohem Fieber, Schüttelfrost, starken Kopfschmerzen, Schwindel, Rücken- und Abdominalschmerzen geprägt. Zusätzlich können Übelkeit, Diarrhö, psychische Auffälligkeiten, funktionale Einschränkungen und kardiovaskuläre Symptome auftreten. In schweren Fällen kommt es zu Petechien und Ekchymosen sowie inneren Blutungen. Die Letalitätsrate ist je nach Virustyp und geografischem Ursprung sehr unterschiedlich (5–80 Prozent). Eine frühe Diagnose der Krankheit ist essen ziell, um eine effektive Behandlung einzuleiten und vor allem um nosokomiale Folgeinfektionen zu verhindern.
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Cambio della guardia presso il circolo forestale San Vittore/Calanca esterna Il primo aprile 2019 è entrato in funzione il nuovo forestale per il comprensorio dei comuni di San Vittore, Castaneda, Buseno e Sta Maria. Emanuele Neve, 37 anni, di formazione forestale, succede a Thomas Käthner, da ben 38 anni al servizio dei citati comuni.
Thomas Käthner.
Thomas Käthner è entrato in servizio il primo aprile 1981, traferendosi dal canton Zurigo nel Moesano, a San Vittore, dove ha acquistato casa e formato famiglia. Egli è riuscito ad integrarsi perfettamente nella realità mesolcinese e calanchina ed ha saputo farsi apprezzare quale persona cor-
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diale e capace. Da ricordare soprattutto è il suo impegno dedicato al ringiovanimento dei boschi e alla conseguente cura dei popolamenti giovani, effettuata spesso con gruppi di apprendisti di cui ne era pure istruttore. Thomas è sempre stato molto interessato alle tecniche d'esbosco e di lavorazione del legname e alla loro evoluzione. All'inizio della sua attività di forestale ha vissuto e apprezzato gli ultimi impianti di teleferica Valtellina e negli ultimi anni di attività professionale è riuscito a proporre nel comune di Buseno un sistema moderno d'esbosco del legname basato proprio sul principio del trasporto a lunga distanza, come si faceva con le vecchie teleferiche. Egli ha dedicato pure un grande impegno alla ricostruzione dei boschi dopo il devastante incendio del 1997 e proprio in questo contesto si è distinto per il suo sostegno ai comuni, trovando canali di aiuto e impiegando numerosi gruppi di volontari. La sua passione per il territorio lo ha portato a realizzare pure dei progetti di valenza culturale e turistica, che spaziano dalla rete dei sentieri alla cappella di Sant'Antoni de Bolada, dal mulino di Castaneda alla Grà di San Vittore. Emanuele Neve porta con sé una formazione interessante, avendo conseguito una laurea in geologia all'università di Milano, prima di dedicarsi alla sua vera passione, cioè il bosco. Egli ha accumulato diverse esperienze professionali, l'ultima quale direttore di un'importante impresa forestale. A Thomas vada un grande ringraziamento per tutto quanto è riuscito a realizzare negli ultimi 38 anni di gestione del circolo forestale San Vittore/Calanca esterna e gli auguriamo numerosi anni di meritata pensione in serenità e in salute. A Emanuele Neve rivolgiamo un cordiale benvenuto e gli auguriamo tante soddisfazioni nella nostra bella regione. Davide Lurati, ing. forestale regionale, Roveredo
Emanuele Neve.
(fotografia messa a disposizione)
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Auf RFI Duri Könz folgt Giorgio Renz Duri geht in Pension Duri Könz ist am 31. März 2019 nach 34 Dienstjahren beim Amt für Wald und Naturgefahren, Region Südbünden, in den wohlverdienten Ruhestand getreten. Duri Könz trat 1985 in den kantonalen Forstdienst ein und folgte somit seinem Vater Jachen, welcher ebenfalls langjähriger Kreisförster war.
Duri Könz sagt «goodbye».
(Bild: Renata Nyfeler)
Nach einer Einarbeitungszeit an der Zentrale des kantonalen Forstdienstes in Chur wechselte er als Nachfolger von Kreisförster Giachem Bott in den damaligen Kreis 24, will heissen Ramosch, Tschlin und Samnaun. Im Zuge der Reorganisation und der Einführung der Regionen im Amt für Wald und Naturgefahren übernahm er das Spezialgebiet Waldökologie, wo er seine vertieften Kenntnisse anwenden konnte, aber auch viel Herzblut investierte. Letztlich betreute er als Regionalforstingenieur die fusionierten Gemeinden Scuol und Valsot. Duri war und ist ein stiller Schaffer mit Biss. Dies zeigte er insbesondere im Aufbau der Waldnaturobjekte-Datenbank für die ganze Region, die über 3000 Objekte beinhaltet. Seine selbstkritische und analytische Denkweise machte aus ihm einen ausgewiesenen Forstfachmann und insbesondere guten Gebirgswaldbauer. Duri hinterlässt seine forstlichen Spuren praktisch im ganzen Unterengadin resp. in waldökologischen Aspekten auch in der ganzen Region. Wir danken Duri von ganzem Herzen für seine unermüdliche, grosse Arbeit für all die Projekte, die unter seiner Leitung realisiert werden konnten, dies alles stets zum Wohle des Bündner Walds, aber sicher auch zum Wohle der Bevölkerung. Ein grosser Dank gebührt ihm auch für seine intensive und sehr wertvolle Einführung seines Nachfolgers Giorgio Renz. Auf Duri folgt Giorgio Giorgio Renz, gebürtiger Tessiner aus Sonogno, schloss sein Masterstudium 2015 an der ETH als Umweltnaturwissenschafter ETH MSc Wald und Landschaftsmanagement ab. Einen ersten forstlichen Einblick in die Region Südbünden erhielt er bereits anlässlich seines Wählbarkeitspraktikums 2016 im Regionalzentrum Zuoz. Nach seinem Studium arbeitete Giorgio etwas mehr als zwei Jahre in einem Ingenieurbüro im Tessin, wo er sich vollumfänglich mit waldökologischen Sachfragen sowie Projekten befasste. Wir erhalten somit mit seiner Person nicht nur eine bestens ausgebildete
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Forstfachkraft, sondern auch einen ausgewiesenen Waldökologen. Giorgio Renz übernimmt eins zu eins das Stellenprofil von Duri Könz, will heissen das Zuständigkeitsgebiet der Gemeinden Scuol und Valsot sowie das Spezialgebiet Waldökologie. Er arbeitet zu 100 Prozent in der Aussenstelle Scuol des AWN.
Wir wünschen Giorgio herzlichst grosse berufliche Genugtuung und insbesondere grosse Freude und Faszination am und im Wald. Gian Cla Feuerstein, Regionalleiter Region Südbünden, Zuoz
Das neue Gesicht bei der AWN-Aussenstelle in Scuol: Giorgio Renz.
(Bild: Roberto Paravicini)
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100 Jahre SELVA – ein Verband im Wandel Die SELVA hat ihre 100. General versammlung am Freitag, 3. Mai 2019, mit mehr als 120 Teilnehmern und Gästen abgehalten. Die Mitglieder haben allen statutarischen Geschäften zugestimmt und die Organe entlastet. Die Jubiläums-GV der SELVA wurde in würdigem Rahmen gefeiert. Nina Gansner
SELVA ist romanisch und steht für Wald – die SELVA selber steht nun seit 100 Jahren für den Verband der Bündner Waldeigentümer. Ein ganzes Jahrhundert ist bereits vorbei, seit die Bündner Forstgenossen 1919 den Meilenstein zur Gründung der SELVA legten, einem Zusammenschluss Bündner Waldbesitzer und Holzproduzenten. Schwieriger Start im Jahr 1919 Die ersten Jahre waren geprägt von Um- und Neustrukturierungsprozessen in der Wald- und Holzbranche. Mit der beginnenden Industrialisierung und Rationalisierung hielt der technische Fort-
Die scheidenden (links und rechts) und die neu gewählten (in der Mitte) Vorstandsmitglieder, v. l.: Jürg Michel, Marco Casanova, Marianne Flury-Lietha und Vital Lötscher.
(Bild: zVg. SELVA)
schritt in der Waldbewirtschaftung Einzug. Die Bündner Wald- und Holzbranche und damit einhergehend auch die SELVA untersteht sich ständig ändernden Rahmenbedingungen auf forstpolitischer wie ökonomischer Ebene, welche die Waldeigentümer – damals wie heute – vor grosse Herausforderungen stellen. Als erster kantonaler Waldwirtschaftsverband der Schweiz setzte sich die SELVA bereits damals eigens für die speziellen Belange der Forstwirtschaft in den Bündner Gebirgswäldern ein. Die Zeiten haben sich geändert – und trotzdem ist vieles gleich geblieben. Diese SELVA vertrat damals wie heute die Interessen der Waldeigentümer und stand den Gemeinden als Beratungsstelle zur Verfügung, so wie sie es heute noch tut. Ein Verband im Wandel «100 Jahre SELVA – ein Verband im Wandel», lautet das Motto für das 100-Jahr-Verbandsjubiläum. Schliesslich ist der stete Wandel die einzige Konstante: so wird sich die SELVA zu ihrem 100. Geburtstag personell verändern, und zwar sowohl im Vorstand als auf der Geschäftsstelle. Die beiden zurückgetretenen Vorstandsmitglieder Jürg Michel (2007 bis 2019) und Vital Lötscher (2010 bis 2019) werden durch Marianne FluryLietha, Gemeindepräsidentin von Fideris, und Marco Casanova, Betriebsleiter Forstbetrieb Ilanz/ Glion, ersetzt. Mit diesen beiden hervorragenden
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Wahlen konnten wieder alle Regionen des Kantons Graubünden abgedeckt und der SELVA-Vorstand nach sechs Jahren wieder durch Einsitz einer Frau bereichert werden. Auf der Geschäftsstelle in Landquart ergibt sich zudem ein Wechsel in der operativen Leitung der SELVA. Die amtierende Geschäftsführerin Nina Gansner-Hemmi hat ihre Stelle auf den 30. Juni 2019 gekündigt. Nach fast neun Jahren bei der SELVA bietet sich ihr die einmalige Gelegenheit, sich auch beruflich ihrer grossen Leidenschaft – der Jagd – zu widmen und die Redaktion der Zeitschrift «Schweizer Jäger» zu übernehmen. Der Vorstand der SELVA, dem Verband der Waldeigentümer Graubünden, hat Silke Schweizer zur neuen Geschäftsführerin gewählt. Die Diplom-Forstwirtin aus Bayern wird ihre neue Stelle am 1. Juli 2019 antreten. «Für a starka Wald» Der Wald steht im Fokus der Aufmerksamkeit! Vom 23. bis 31. März präsentierte sich die SELVA als Auftakt zu ihrem 100-Jahr-Jubiläum in Chur an der
Higa und Mitte Mai stimmte das Bündner Stimmvolk über die Sonderjagdinitiative ab. Nicht zuletzt deshalb stand auch das Rahmenprogramm der Jubiläums-GV ganz im Zeichen des Dauerthemas Wald-Wild. Alex Schwab leitete mit seinem Input referat «Das 1080-Problem: Betrachtungen zur Sonderjagdinitiative» zur angeregten Podiumsdiskussion über. Unter der Moderation von Thomas Hobi ereiferte er sich zusammen mit Daniel Fässler (Präsident WaldSchweiz), Robert Brunold (Präsident BKPJV) sowie Christian Mathis und Jakob Dönz vom Initiativkomitee «Abschaffung der Sonderjagd JA» zum Thema. Das wirksamste und kostengünstigste Mittel, um das ökologische Gleichgewicht im Wald zu erhalten, ist und bleibt die Jagd als zweistufiges System inklusive Sonderjagd. Die SELVA dankt an dieser Stelle allen, die sich während der intensiven Abstimmungskampagne zu Gunsten der Sonderjagd eingesetzt haben – «Für a starka Wald»! Nina Gansner-Hemmi ist amtierende Geschäftsführerin und wird die SELVA per 30. Juni 2019 verlassen.
Die abtretende Geschäftsführerin Nina Gansner.
Silke Schweizer leitet ab dem 1. Juli 2019 die
Geschäftsstelle der SELVA.
(Bild: zVg. SELVA)
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Zum Tod von Ernst Zeller Im 88. Lebensjahr hat Ernst Zeller am 15. April 2019 seine letzte Reise angetreten. Aufgewachsen ist Ernst in Waldstatt AR. Seine Eltern führten dort eine Metzgerei mit Restaurant. Ernst musste jeweils nach der Schule noch Fleisch und Würste
Ernst Zeller (rechts im Bild, mit blauer Jacke) gemeinsam mit Ernst Ott auf einer Exkursion 1991 in Selva, Tujetsch.
(Bild: Alexi Sialm, Archiv AWN)
ausliefern. Nach dem Besuch der Kantonsschule in Trogen studierte er Forstwirtschaft an der ETH in Zürich. Ernst war ein weltoffener Mensch und hat schon damals versucht, möglichst viel von der Welt zu sehen. Die Praktika für das Wählbarkeitszeugnis absolvierte er in Chur, Vallorbe und Slowenien. Mit dem Diplom in der Tasche reiste er 1957 nach Kanada und fand beim Forstdienst eine Anstellung. Er befasste sich mit Walderschliessungen auf Vancouver-Island und absolvierte ein Nachdi plomstudium in Quebec. Nach gut zwei Jahren kehrte er mit einem Masterabschluss in die Schweiz zurück und arbeitete als Forstadjunkt im Kanton Thurgau. In Frauenfeld fand er mit Heidi Hügli auch seine grosse Liebe. Sie heirateten im Jahre 1961 und reisten kurz darauf nach Nepal, um im Auftrag des IKRK bei der Ansiedlung der Tibetflüchtlinge mitzuhelfen. Die sechsmonatige schwierige Arbeit im Hochtal von Dhor Patan war für die beiden ein prägendes Erlebnis. Mit ihren Kindern Anita und Felix zog die junge Familie 1966 vom Thurgau ins Berner Oberland. Ernst wurde Kreisförster in Frutigen und begann sich intensiv mit dem Gebirgswald auseinanderzusetzen. Gerne erzählte er, dass zu seinen Mitarbeitern auch Förster Ogi gehörte, der Vater des späteren Bundesrats und Erfinder der «Ogi-Böcke» zum Schutz vor Schneebewegungen. Mit dem Neubau der Försterschule in Maienfeld wurde Ernst 1975 Nachfolger von Direktor Andreas Nold. Unterstützt von Heidi und einem wachsenden Team von Mitarbeitern entwickelte er einen praxisgerechten Lehrgang für die jungen Förster und sorgte für deren Wohlbefinden im neuen Internat. Geprägt von seinen Erfahrungen im Berner Oberland, suchte er auch für die Ausbildung der Förster die Verbindung zur Praxis. Der Lehrplan wurde so gestaltet, dass der Unterricht vorwiegend im Wald stattfinden konnte. Gemäss dem «Eisernen Gesetz des Örtlichen» lernten die angehenden Förster den Wald zu beobachten, Ziele zu formulieren und angepasste Massnahmen herzu-
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leiten. Ernst war nicht nur Direktor der Schule, er wurde auch als Fachmann anerkannt, besonders in Fragen der Gebirgswaldpflege. Unter seiner Führung entwickelte die Schule ein Weiterbildungsprogramm für die Förster in der Praxis. Er verfasste mehrere Anleitungen zur Behandlung der Gebirgswälder, darunter die den meisten bekannte «Rottenpflege». Zusammen mit Leo Lienert, Ernst Ott und Nicolin Bischoff gehörte Ernst zur sogenannten «Viererbande», welche im Jahre 1984 die Schweizerische Gebirgswaldpflegegruppe ins Leben rief. Die GWG ist zu einer Plattform für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Forschung, Lehre und Praxis geworden, welche heute – 35 Jahre später – nicht mehr wegzudenken ist. Die Begeisterung für den Gebirgswald hat Ernst dazu bewogen, im Jahre 1991 die Direktion der Schule abzugeben und als Nachfolger von Nicolin Bischoff das Gebirgswaldpflegeprojekt weiterzuführen. In dieser Funktion hat er nicht nur unzählige Tagungen und Kurse zur Weiterbildung der Förster durchgeführt, sondern sich auch massgeblich an der Entwicklung der Wegleitung zur Pflege der Schutzwälder beteiligt. In den verbleibenden fünf Jahren gelang es Ernst mit Unterstützung von Bund und Kantonen, das Gebirgswaldpflegeprojekt in die heute noch bestehende Fachstelle für Gebirgswaldpflege zu überführen. Ernst ist es immer gelungen, im richtigen Moment auch loszulassen. So war dann die Pensionierung im Jahre 1996 nicht nur der Abschluss seiner beruflichen Tätigkeit, sondern vor allem der Beginn neuer Aktivitäten. Heidi und Ernst wurden wieder vom Fernweh gepackt und kauften sich in Florida ein Haus, das sie jeweils als Winterquartier nutzten. Leider war dieses Glück nur von kurzer Dauer. Im Jahre 2001 starb ihr Sohn Felix völlig unerwartet auf einer Geschäftsreise in China. Nur ein Jahr später erlitt Heidi einen schweren Hirnschlag, von dem sie sich nicht mehr erholte, und im Jahr 2003 verliess sie ihren geliebten Ernst. Im Kreise der
Familie seiner Tochter Anita fand Ernst seine Lebensfreude wieder. Oftmals erfreute er seine noch jüngeren Kollegen mit der Teilnahme an Veranstaltungen der Försterschule oder an Tagungen der Schweizerischen Gebirgswaldpflegegruppe. Und obwohl die ersten Absolventen der Ära Ernst Zeller inzwischen auch das Pensionsalter erreicht haben, werden Spuren seines Wirkens im Gebirgswald noch lange erkennbar bleiben. Raphael Schwitter mit Beiträgen von Anita Lauber-Zeller und Karl Rechsteiner
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Der bis zu 15 mm grosse Grünlichgelbe Widderbock (Chlorophorus herbstii) ist eine wärmeliebende Bockkäferart, deren Larven sich bevorzugt in toten Ästen von Linden, aber auch von anderen Laubbaum arten entwickeln. Er gilt in der Schweiz als stark gefährdet. Die adulten Käfer sind auch auf Blüten zu finden.
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(Bild: B. Wermelinger, WSL)
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Vorschau «Bündner Wald» August 2019 «Forstmaschinen und Ausrüstung im Einsatz» In der kommenden Ausgabe befassen wir uns mit häufig eingesetzten Maschinen. Dank der fortschreitenden Mechanisierung konnte das Leistungsvermögen bei der Holzernte erheblich gesteigert werden. Dabei stehen nicht nur PS-Monster im Zentrum, sondern auch weitere interessante Facetten wie zum Beispiel: Wie eine Maschine entsteht oder was planerisch alles berücksichtigt werden muss, damit der Einsatz erfolgreich verläuft. Redaktion: Mario Lucchinetti
Vorschau auf die nächsten Nummern Oktober 2019: Schweizer Holz – ja, wir wollen es! Redaktion: Jörg Clavadetscher Dezember 2019: (Massen-)Tourismus im Wald Redaktion: Mario Lucchinetti
Herausgegeben von Graubünden Wald, Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden und der SELVA. Verleger: Südostschweiz Presse und Print AG,Wald, Südostschweiz CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Christophe ahnhofplatz 1, CH-7302 Herausgegeben von Graubünden Amt fürPrint, Wald und Naturgefahren Graubünden undTrüb, derBSELVA. 81 300 22 44, buendnerwald detscher, Landquart, Telefon + 41 (0)Production AG, Redaktoren: Jörg Clava Revier forestal da Val Müstair, CH-7535 selva-gr.ch CH-7007@Chur B Verlag: © Somedia Sekretariat: SELVA, Amanda Feltscher, ahnhofplatz 1, Valchava, Telefon + 41 (0) 81 858 58 21, forestal-muestair @ bluewin.ch. Sandro Krättli, AWN GR, Sagastägstrasse 96, CH-7220 Schiers, Telefon
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