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Zusammenarbeit zwischen Wildhut und Forstdienst
Zusammenarbeit zwischen
Wildhut und Forstdienst
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Adrian Arquint ist seit 2018 der Amtsvorsteher des Amts für Jagd und Fischerei in Graubünden. Er beantwortet dem «Bündner Wald» freundlicherweise einige Fragen zur Jagdplanung und zur aktuellen Wald-Wild-Situation.
Mario Lucchinetti, Adrian Arquint
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit zwischen Wildhut und Forstdienst in Graubünden? Was läuft rund und wo gibt es Verbesserungspotenzial? Obschon bei der Wald-Wild-Thematik ein gewisses Konfliktpotenzial besteht, ist die Zusammenarbeit grundsätzlich auf allen Stufen gut bis sehr gut. Wie immer im Leben hängt das stark von den einzelnen Personen ab und vor allem mit welchem gegenseitigen Verständnis und Vertrauen sie sich begegnen.
Ein Anliegen der Jagdplanung war es, dass die Waldsituation zeitnah einsehbar ist, um aktuelle Probleme direkt für die Jagd zu berücksichtigen. Sie haben in diesem Frühling die jährliche Beurteilung des Wildeinflusses (2019) zum ersten Mal erhalten, konnten sie die Erkennt nisse daraus bereits in die aktuelle Jagd planung einflechten lassen? Nebst den Wald-Wild-Berichten der verschiedenen Regionen ist das für uns eine wichtige Grundlage für die Jagdplanung, auch wenn Wildeinfluss und Wildschaden zwei verschiedene Sachen sind, wie ihr richtigerweise kommuniziert. Wo möglich, haben wir das in der diesjährige Planung der Jagd berücksichtigt. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass
Adrian Arquint ist Amtsvorsteher des Amts für Jagd und Fischerei Graubünden.
(Bild Archiv Amt für Jagd und Fischerei)
es sehr wichtig ist, unsere Mitarbeiter bei der Beurteilung von Problemgebieten frühzeitig miteinzubeziehen und nicht erst mit dem Schreiben zur jährlichen Beurteilung des Wildeinflusses damit zu konf ontieren.
Einige Baumarten haben mit dem heutigen Wildeinfluss grosse Probleme, insbesondere die verbissempfindlichen Arten wie Weisstanne, Bergahorn oder Eiche fehlen fast vollständig in der Verjüngung. Andere kommen stark verzögert auf, was im Schutzwald verheerende Folgen haben kann. Wegen des Klimawandels gewinnt die Artenvielfalt im Wald neue Bedeutung. Wie steht das AJF dem gegenüber? Wie kann die Situation verbessert werden? Grundsätzlich ist es nicht unsere Aufgabe, die Schadensituation im Wald zu beurteilen. Der Einfluss des Wilds auf den Jungwald ist spürbar und die Wald-Wild-Konflikte sind zum Teil kritisch, jedoch regional sehr unterschiedlich. Wo notwendig und möglich, müssen die Wildschäden am Wald mit jagdlichen Massnahmen auf ein tragbares Mass reduziert werden. Auch bei der Planung der Jagd spüren wir die Veränderung des Klimas, zum Beispiel bei der erhöhten Reproduktion beim Hirsch- und Rehwild sowie beim verbesserten Deckungsangebot durch die Zunahme der Waldfläche Ich bin davon überzeugt, dass wir die Ziele im Wald und bei der Jagd nur mit einer guten Zusammenarbeit zwischen Forst und Jagd erreichen. Wir werden jedoch nicht alle durch die Schalenwildtiere verursachten Konflikt nur durch jagdliche Massnahmen entschärfen können.
Wie werden forstliche Anliegen bisher in der Jagdplanung berücksichtigt? Wenn grosse Interessenskonflikte zwischen Wald und Wild bestehen, wie sollen sich die betroffenen Förster oder Waldbesitzer verhalten, um sich bei der Jagdplanung Gehör zu verschaffen? Die Frage erstaunt mich. Die Beurteilung der Schadensituation im Wald stellt eine wichtige Grundlage für die Jagdplanung dar. Zudem werden in den Regionen und auf Stufe Amtsleitung regelmässig Gespräche geführt und Wald-Wild-Berichte erstellt. Die Jagdplanung hat nicht geschlafen. Die Bündner Jägerinnen und Jäger haben in den vergangenen Jahren einen grossen Aufwand betrieben, um die Abschusspläne zu erreichen. Der Wald-Wild-Bericht Surselva zeigt auf, dass der Einfluss des Wilds auf den Jungwald spürbar ist, aber in den letzten Jahren insgesamt nicht zugenommen hat. Im westlichen Teil Graubündens wurden bei der diesjährigen Zählung deutlich weniger Hirsche gezählt. Uns ist aber bewusst, dass die Hirsch- und Rehwildbestände zwar regional sehr unterschiedlich, aber immer noch hoch bis zu hoch sind. Vor allem im vorderen Prättigau und in der Herrschaft sowie im Churer Rheintal und in Mittelbünden haben wir die Ziele noch nicht erreicht.
Eine der Forderungen im Positionspapier von Graubünden Wald ist ein maxi maler Rotwildbestand von 10000 Stück im Kanton. Die Zahl stammt aus den 80er-Jahren und wurde mit anerkannten Wilddichtewerten hergeleitet und von der Regierung abgesegnet. Weshalb soll dieser Zielwert 40 Jahre später kaum nicht mehr gelten? Diese Zahl wurde an einer Besprechung mit den Verantwortlichen für die Jagd- und Forstwirtschaft definiert und als Richtzahl in einem Regierungsbeschluss festgehalten. Die Reduktion des Rothirschbestands auf 10 000 Tiere konnte nie umgesetzt werden, da dies mit den
damaligen und auch den aktuell herrschenden optimalen Lebensbedingungen und unter Berücksichtigung von tierschützerischen und ethischen Aspekten kaum möglich ist. Dabei möchte ich erwähnen, dass bezüglich der Lebensraumkapazität für Schalenwildtiere nicht nur die Anzahl Tiere in einem Bestand eine Rolle spielt, sondern auch die Verteilung der Tiere in ihrem Lebensraum und in der Folge deren Auswirkungen auf den Wald und auf das landwirtschaftliche Kulturland.
In den letzten zehn Jahren wurde oft ins Feld geführt, wie wichtig eine Verteilung der Wildtiere ist und die Bestandshöhe zweitrangig sei. Wird es aber nicht immer schwieriger, diese doch wesentlich höhere Anzahl Tiere als 10 000 im Raum zu verteilen. Sollte die heutige Wald-WildSituation nicht besser sein, wenn es mit der heutigen Verteilung im Lebensraum nur 10 000 Hirsche im Kanton geben würde? Es braucht beides, eine dem Lebensraum angepasste Bestandsgrösse mit einer möglichst guten Verteilung des Wilds. Das möchten wir natürlich auch mit dem Fütterungsverbot erreichen. Die menschliche Störung hat in touristisch stark genutzten Regionen enorm zugenommen. Hier
müssen wir uns wahrscheinlich alle ein wenig an der Nase nehmen, wie ich mich bereits zur vorherigen Frage geäussert habe.
Jagdpolitisch liegt der Fokus oft auf dem Rotwild, doch auch die übrigen Schalenwild arten können zu einschneidenden Verjüngungsproblemen führen. Wie sieht das Wildmanagement für diese Arten in Zukunft aus? Ich leite das AJF als Fachstelle unter anderem für die Wildtiere und für die Planung der Jagd. Wir müssen dafür sorgen, dass die Schalenwildbestände naturnah und dem Lebensraum angepasst sowie die Wildschäden an Wald und landwirtschaftlichen Kulturen auf ein tragbares Mass begrenzt sind. Beim Wildtiermanagement berücksichtigen wir alle vier Schalenwildarten. Dabei möchte ich die aus meiner Sicht erfolgreiche Umsetzung des Gamskonzepts ’90 und die verschiedenen Schwerpunktbejagungen auf das Gamswild sowie auch die Steinwildjagd erwähnen. Sicherlich müssen wir in den Regionen mit Verjüngungsproblemen bei der Weisstanne das Rehwild im Auge behalten.
Kann trotz stetig steigender Wildbestände und immer grösser werdender Verbissprobleme bei der Waldverjüngung noch von einer nachhaltigen Jagdplanung/Bejagung gesprochen werden? Oder sollte nicht vielmehr der Lebensraum und dessen Zustand als Zielwert für Nachhaltigkeit in Ökosystemen gelten? Zusammen mit einer hohen Reproduktionsrate des Rothirschs waren insbesondere die Zunahme der Waldfläche als Rückzugsgebiet, die Intensivierung in der Landwirtschaft, die zu einer verbesserten Nahrungsgrundlage auch für den Rothirsch geführt hat, und die milden Winter der vergangenen Jahre für die Zunahme der Bestände verantwortlich. Dabei ist noch zu beach-
ten, dass Graubünden im Winter Zuzug aus über zehn angrenzenden Kantonen, Ländern und Provinzen erhält, die ebenfalls eine starke Bestandszunahme beim Hirschwild verzeichnen. Wenn ich aber auf die erste Frage zurückkommen kann, glaube ich, dass Konflikte zwischen den Forstleuten und der Wildhut genau wegen solchen undifferenzierten und allgemeinen Aussagen entstehen. Uns ist sehr wohl bewusst, dass die Hirsch- und Rehwildbestände in Regionen wie dem Prättigau und der Herrschaft sowie im Churer Rheintal und in Mittelbünden zu hoch sind. Hier haben wir die Ziele noch nicht erreicht. Es gibt jedoch auch andere Regionen, wo sich die Wald-Wild-Konflikte in den vergangenen Jahrzehnten stark verbessert haben, wenn ich an die Nationalparkregion denke. Dabei möchte ich auch erwähnen, dass bei der diesjährigen Zählung im westlichen Teil Graubündens deutlich weniger Hirsche gezählt wurden.
Um 2030 sind die Wildbestände in Graubünden wie hoch? Wie wird dann die Situation im Wald aussehen? Beide Fragen kann ich nicht beantworten. Zusammen mit der Jägerschaft haben wir jedoch eine Aufgabe zu erfüllen, nämlich dafür zu sorgen, dass die Schalenwildbestände naturnah und dem Lebensraum angepasst sowie die Wildschäden an Wald und landwirtschaftlichen Kulturen auf ein tragbares Mass begrenzt sind. Deshalb muss der Hirschbestand in Graubünden stabilisiert und regional reduziert werden. Die nachhaltige Erfüllung des Abschussplans beim Rothirsch und beim Rehwild haben für uns auch in Zukunft höchste Priorität!
Wie wollen Sie die Bündner Jagd und das zuständige Amt in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln?
Die Jagdplanung ist ein laufender Optimierungsprozess, da wir es mit sehr lernfähigen Wildtieren im einem sich dauernd verändernden Umfeld zu tun haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Ziele im Wald und bei der Jagd nur mit einer guten Zusammenarbeit zwischen Forst und Jagd erreichen. Wir werden jedoch nicht alle durch die Schalenwildtiere verursachten Konflikte nur durch jagdliche Massnahmen entschärfen können.
Wie fest hilft uns auch die Natur, menschengemachte Konflikte zu lösen (Grossraubtiere, Winter etc.)? Beispielsweise die Präsenz vom Luchs lässt mancherorts in der Schweiz die Tanne wieder wachsen, ohne dass man die menschliche Jagd reduzieren musste. Die Natur leistet natürlich auch ihren Beitrag. Die Entwicklung der Grossraubtierpopulationen können wir nicht beeinflussen. Sollte es nach zwei strengeren Wintern wieder mildere Winter geben, wird uns diese klimatische Veränderung in der Natur nicht wirklich bei der Regulation der Schalenwildtiere helfen.
Adrian Arquint ist der Amtsvorsteher des AJF und Mario Lucchinetti ist der Redaktor des «Bündner Walds».
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