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Klimaschutzprojekte im Bündner Wald

Mit dem eindrücklichen Aufflammen der Klimabewegung ist 2019 auch wieder Dynamik in die Frage gekommen, was der Wald zur CO 2 -Speicherung beitragen kann und wie die Waldeigentümer davon profitieren können. Die CO 2 -Speicherung im Wald darf aber nicht nur aus kurzfristiger ökonomischer Sicht beurteilt werden. In die Überlegungen müssen auch die langfristigen Auswirkungen auf den Wald und die Erfüllung der erwarteten Waldleistungen miteinbezogen werden.

Dr.Riet Gordon

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Von den positiven CO 2 -Effekten des Waldes kann auf zwei unterschiedliche Weisen profitiert werden. Einerseits durch die Verwendung von Holz für langlebige Produkte (Konstruktionsholz, Möbel etc.) und andererseits durch eine Anrechnung des direkt im Wald gespeicherten CO 2 . Vom ersten Effekt profitierten bisher vor allem die Holzindustrie, die Waldeigentümer haben davon sehr wenig gespürt. Mit Unterstützung von WaldSchweiz und des BAFU wurde im Kanton Solothurn ein Wald-Klimaschutzprojekt entwickelt, welches auf die CO 2 -Speicherung des Waldes ausgerichtet ist (siehe Artikel von H. Schmidtke, Seite 24–25 in diesem Heft) und von dem finanz - ell direkt die Waldeigentümer profitie en. Es ist das

Der Gleichgewichtsvorrat wird als Rahmen mit einem minimalen und einem maximalen Wert festgelegt. Kompensiert wird gemäss dem Projektentwurf die Differenz zwischen dem minimalen Gleichgewichtsvorrat und dem maximalen Gleichgewichtsvorrat. Der gemessene Vorrat am Ende der Projektperiode darf nicht unter den maximalen Gleichgewichtsvorrat fallen. Ziel des eigens für diesen Zweck gegründeten Vereins Wald-Klimaschutz Schweiz, ähnliche Projekte auch in anderen Kantonen oder Regionen zu realisieren. Im Kanton Graubünden ist die Prättigau/ Landschaft Davos (PLD) Forst GmbH an einem Klimaschutzprojekt interessiert. Das AWN als kantonale Fachstelle unterstützt grundsätzlich alle Bestrebungen, den Wald und das Holz als CO 2 -Speicher in Wert zu setzen und dem Waldeigentümer mehr Möglichkeiten zu bieten, vom CO 2 -Speicher Wald zu profitie en. Der Wunsch nach einer zusätzlichen Akkumulation von Vorrat oder einem weniger raschen Abbau des Vorrates darf aber nicht nur aus dem Blickwinkel der CO 2 -Speicherung und der zusätzlichen Einnahmequelle für die Waldeigentümer betrachtet werden. Das oberste Ziel der Waldbewirtschaftung bleibt die nachhaltige Erfüllung aller geforderter Waldleistungen. Im Nachhaltigkeitsbericht des AWN wurde festgestellt, dass die in den letzten Jahren gepflegt Schutzwaldfläche unter dem Wert liegt, welcher für eine nachhaltige Schutzerfüllung notwendig wäre. Mit dem behördenverbindlichen WEP 2018+ wurde deshalb das Ziel gesetzt, dass in den nächsten Jahren mehr Fläche gepflegt werden muss als dies in den letzten Jahren der Fall war. Klimaschutzprojekte, welche auf eine zusätzliche CO 2 -Speiche

In solchen Beständen ist eine zusätzliche CO2-Speicherung kaum möglich.

(Bild: AWN)

rung im Wald ausgerichtet sind, können nur befürwortet werden, wenn die minimal notwendigen Massnahmen im Schutzwald weiterhin gesichert und die in NaiS festgelegten waldbaulichen Vorgaben eingehalten werden können. Der Holzzuwachs im Kanton Graubünden ist seit Jahrzehnten viel höher als die Holznutzung. Der Vorrat im Bündner Wald wächst damit stetig. Damit speichert er zusätzliches CO 2 . Es ist aber auch so, dass man seit Jahren weiss, dass im Bündner Wald zu wenig Verjüngung vorhanden ist und die Höhe des Vorrats – neben anderen Faktoren – einen entscheidenden Einfluss darauf hat Das nun entwickelte CO 2 -Projekt ist bei den aktuell sehr tiefen Holzpreisen finanziell interessant für die Waldeigentümer, hat aber zur Folge, dass falsche Anreize geschaffen werden können und das Hauptproblem im Bündner Wald (zu wenig Verjüngung) nicht angegangen, sondern auf später verschoben werden könnte. Es entspricht damit im Grundsatz nicht dem Geist einer nachhaltigen Waldpflege Ob ein CO 2 -Projekt durch die Fachstelle befürwortet werden kann, muss im Einzelfall angeschaut werden. Für das Klimaschutzprojekt der Prättigau/Landschaft Davos (PLD) Forst GmbH wurde eine Methode gewählt, welche sich an den im Nachhaltigkeitsbericht festgelegten Vorratsrahmen (Gleichgewichtsvorräte pro Vegetationshöhenstufe), dem aktuellen Holzvorrat, dem aktuellen Zu

wachs und den aktuellen Hiebsätzen ausrichtet. Der aktuelle Durchschnittsvorrat in der Region Prättigau/Davos ist wesentlich höher als der angestrebte maximale Gleichgewichtsvorrat. Der gesamte Hiebsatz der Region kann daher in den nächsten 30 Jahren voll genutzt werden, ohne dass der maximale Gleichgewichtsvorrat unterschritten wird. Theoretisch ist damit auch mit dem CO 2 -Projekt die minimale Schutzwaldpflege gewährleistet. Die Waldinventurdaten und die Vorratsentwicklung der letzten Jahre weisen aber klar darauf hin, dass waldbaulich eher eine stärkere Nutzung notwendig wäre und der Vorrat abgebaut und nicht akkumuliert werden sollte. Zu beachten ist auch, dass das Klimaschutzprojekt Prättigau/Davos nur dank des regionalen Ansatzes einen Sinn macht, da sich die recht unterschiedlichen Ausgangslagen der einzelnen Waldeigentümer ausgleichen. Wenn jeder Waldeigentümer für sich ein solches Projekt realisieren möchte, wäre dies kaum möglich. Berechnungen des AWN für den ganzen Kanton zeigen, dass die Ausgangslage für weitere CO 2 -Projekte gleicher Art im übrigen Kanton nicht so günstig sind wie in der Region Prättigau/Davos. Die Holzvorräte sind für die meisten Höhenstufen hoch, liegen aber immer noch knapp im Rahmen der Modellwerte. Der Vorrat muss damit weniger stark abgebaut werden als dies in der Region Prättigau/Davos der Fall ist. Da sich die aktuellen Vorräte aber bereits innerhalb der Gleichgewichtsvorräte befinden, besteht wenig Spielraum für eine Kompensation. Zu beachten ist auch, dass der Wald nicht nur CO 2 speichern und damit dem Klimawandel entgegenwirken kann, er ist selbst vom Klimawandel auch direkt betroffen. Die waldbaulichen Massnahmen, um den Wald «klimafit» zu machen, sind beschränkt, setzen aber hauptsächlich auf eine raschere Verjüngung der Wälder (=kürzere Umtriebs zeit) mit einer grösseren Baumartenvielfalt. Es wäre also dem Wald und damit auch dem Waldeigentümer nicht gedient, wenn man um mehr CO 2 im Wald zu speichern, auf die notwendige raschere Verjüngung der Wälder verzichten oder das Tempo reduzieren würde. Die erwarteten Erträge aus der CO 2 -Speicherung sind beträchtlich. Zu begrüssen wäre, wenn die Waldeigentümer die aus dem Wald generierten zusätzlichen Einnahmen wieder in den Wald investieren würden und so die Funktionserfüllung der Wälder verbessern oder sicherstellen könnten. Ist dies der Fall, so könnte das Projekt kurzfristig zu einer Win-win-Situation führen. Es muss aber klar festgehalten werden, dass die Verwendung des Holzes für langlebige Produkte wesentlich nachhaltiger ist, als die CO 2 -Bindung im Wald. Aus forstpolitischer Sicht ist es zudem sehr schwer zu vermitteln, warum die öffentliche Hand heute gegen 20 Millionen Franken in die Pflege der Bündner Wälder investiert und mit einem CO 2 -Klimaprojekt gleichzeitig eine Verschlechterung des Waldzustands in Kauf genommen würde. Dies sollte jeder Waldeigentümer beachten, bevor er eine 30-jährige Verpflichtung eingeht

Dr. Riet Gordon leitet beim Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden den Bereich Waldplanung &Forstreviere.

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