16 minute read

Sichere Energieholzversorgung dank Energieholzlagerhallen

Next Article
Die Eiche im Fokus

Die Eiche im Fokus

Hierzulande gibt es gemäss Statistik 2018 des Bundesamts für Energie 11300 Schnitzelheizungen, die zusammen jährlich rund 2,2 Millionen Kubikmeter Holz nutzen. Das entspricht einem Berg von über 6 Millionen Schüttraummeter Holzschnitzel. Damit die Energie aus Holz nicht nur erneuerbar und CO 2 -neutral, sondern auch noch möglichst wirtschaftlich ist, muss das grosse Volumen an Energieholz möglichst effizient umgesetzt werden. Das stellt – insbesondere in Gebirgs regionen – hohe Anforderungen an die Lagerung und Logistik.

Holzenergie Schweiz

Advertisement

Es ist ein fast unausrottbares Gerücht, der Transport von Hackschnitzeln verschlinge viel graue Energie und deshalb brauche es an Standorten von Holzschnitzelheizungen jeweils auch eine Lagerhalle. Besser ist es, ein geografisch sinnvolles Netz von sehr gut geeigneten Standorten zu definie en, möglichst unter Einbezug bereits bestehender Lagerhallen. Die geografische Verteilung der Hallen sollte eine flächendeckende Versorgung mit einer Transportdistanz Halle-Heizzentrale von max. 50 km, beziehungsweise 100km für Hin- und Rückfahrt, ermöglichen. Bei der genannten Maximaldistanz beträgt der Input an grauer Energie für den Transport im Vergleich zum Energieinhalt der Ladung etwa ein Prozent (vgl. dazu unten stehende Tabelle). Mehr ins Gewicht fallen die Kosten des Transports, die bis rund 25(!) Prozent des Werts der Ladung ausmachen können. Aus wirtschaftlicher Sicht macht es insbesondere bei grossen Anlagen Sinn, direkt am Standort der Heizzentrale auch eine Lagerhalle zu betreiben. Letztere sollte zudem für die Versorgung weiterer Anlagen in der näheren Region eine Funktion übernehmen. Dadurch lassen sich die baulichen Aufwendungen für die Schnitzelsilos bei den einzelnen Anlagen auf das notwendige Minimum beschränken. Die Dimensionierung der Silos bemisst sich nach dem Tagesverbrauch der Anlage bei Endausbau und Volllast und sollte für maximal zwei Wochen reichen. Vor dem Bau weiterer Lagerhallen ist also nach dem Grundsatz «nicht möglichst viele, aber möglichst sinnvoll verteilte Hallen» die Notwendigkeit der Projekte unbedingt kritisch zu prüfen. Dabei sind in einem Umkreis von 50 Strassenkilometern um das Projekt herum bereits bestehende Hallen zu evaluieren. Es ist insbesondere zu prüfen, ob sich die bestehenden Objekte kapazitätsmässig für die Versorgung neuer oder zu erweiternder Heizzentralen eignen, oder ob ihre Vergrösserung möglich und sinnvoll ist. Bei positiven Befunden ist die Integration und Benützung bestehender Objekte in den meisten Fällen wirtschaftlicher als der Bau neuer Lagerkapazitäten. Erweist sich nach der gründlichen Evaluation der in der Region vorhandenen Hackgut-Lagerinfrastruktur der Bau einer neuen Lagerhalle als dennoch notwendig, sind bei der Planung die Erfahrungen aus vielen realisierten Projekten zu integrieren. Das

Grundlage: 50% Laubholz, 50% Nadelholz; Wassergehalt 30%

Volumen LKW-Sattelschlepper [Srm]: 60 Schnitzelgewicht [kg/Srm]: 250 Heizwert Holzschnitzel [kWh/Srm]: 825 Verbrauch Diesel LKW [l/100 km]: 50 Energieinhalt Diesel [kWh/l]: 10 Transportdistanz Hin- und Rückfahrt [km]: 100 Transport- und Auf-/Abladezeit [h]: 4 Preis Holzschnitzel [CHF/Srm]: 35 Kosten Transport [CHF/h]: 125 Energieinhalt LKW-Ladung [kWh]: 49500 Gewicht LKW-Ladung [kg]: 15000 Dieselverbrauch Transport [l]: 50 Energieverbrauch Transport [kWh]: 500 Wert LKW-Ladung [CHF] 2100 Kosten Transport pro Ladung, inklusive 500 Auf-/Ablad [CHF] Graue Energie Transport [%] ca. 1 Kosten Transport / Wert Ladung [%] ca.25

Berechnung graue Energie und Kosten Transport Holzschnitzel pro 100 km Fahrtdistanz Hin- und Rückfahrt.

(Quelle: Holzenergie Schweiz)

Rad ist zum Glück schon erfunden, und man kann sich mit der Berücksichtigung der nachfolgenden Regeln viel Zeit, Geld und Ärger ersparen.

Goldene Regeln für die Lagerhallen

1. Die richtige Konstruktion

Ideal für Schnitzellagerhallen ist eine Grundkonstruktion in (Rund-)Holz- oder Metall-Ständerbauweise mit einem Pultdach. Dieses verhindert, dass sich Luftmassen stauen können. Lagerhallen sind idealerweise auf der windabgewandten Längsseite offen. Sie sollten luftig und hoch gebaut werden. Ideal sind winddurchlässige Wände mit schräg gestellten Lamellen aus Holz; bei gerade und mit Zwischenräumen montierten Wandbrettern/Rundhölzern ist innenseitig ein robustes, kleinmaschiges Drahtnetz zu montieren. Wichtig ist ein Abstand zwischen Schnitzelhaufen und Dach von mindestens zwei Metern. Nur so vermag die Feuchtigkeit zu entweichen, und es entstehen keine Kondensationszonen. Damit ein effizientes Handling des Hackguts möglich ist, sollen die Seiten - und insbesondere die Rückwand der Halle ein bis zwei Meter hoch in Stahlbeton ausgeführt sein. Zwischenwände in mehrteiligen Hallen können kostensparend in Holz ausgeführt werden.

2. Die richtige Belüftung

Lagerhallen sollten eine gute passive Durchlüftung aufweisen und in Gebieten mit wenig Nebel liegen. Kreten - und Kuppenlagen mit stetigem Wind sind am besten geeignet. Muldenlagen sind wenn möglich zu vermeiden.

3. Der richtige Umschlagplatz

Vor der Lagerhalle ist genügend Platz für den Umschlag vorzusehen. Zu einem geeigneten Schnitzellager gehört eine ebene Wendemöglichkeit für die LKWs mit Sattelaufliegern beziehungsweise die Lage an einer Ringstrasse. Wegen des Schneeräumungsaufwands im Winter sollte die Entfernung

Wichtig bei Lagerhallen für Holzschnitzel: Platz und Luft.

(Bild: Holzenergie Schweiz)

Sinnvoll: grosser Rundholzpolter und genügend Platz neben der Halle.

(Bild: Holzenergie Schweiz)

zum öffentlichen Strassennetz so kurz wie möglich sein. Lagerhallen müssen auch in extremen Wintern jederzeit zugänglich sein. Für die Zu- und Wegfahrstrassen sowie für den Umschlagplatz muss eine Schneeräumung bestehen. Die Mindestbreite der Strassen soll 3,5 m, die Kurvenradien, gemessen in der Fahrbahnmitte, sollen mindestens 10 m betragen. Die Zu- und Wegfahrtstrassen sollen max. 8 bis 10 Prozent Längsneigung aufweisen. Der Boden der Halle sowie der davor liegende Umschlagplatz sind mit Asphalt oder Beton stabil zu befestigen und für 40 Tonnen schwere Fahrzeuge zu dimensionieren. Naturbeläge halten der Belastung nicht stand und führen zu Verunreinigungen des Hackguts durch Steine und Erde. Die Entwässerung des Umschlagplatzes sollte mit einer leichten Neigung von der Halle weg erfolgen, das heisst der höchste Punkt der Lager- und Umschlagfläche liegt an der Hallenrückwand. Entwässerungsschächte unmittelbar vor der Halle im Bereich des Umschlagplatzes sind unzweckmässig, da sie durch das Handling mit Hackschnitzeln verstopfen oder zugedeckt werden. Generell gilt: Je geringer die Wahrscheinlichkeit des Eindringens von Wasser in den Schnitzelhaufen, desto geringer die Gefahr des Einfrierens des Hackguts mit damit verbundener Klumpenbildung, die beim Abladen und Fördern zu Schäden an der Anlage führen können.

4. Die richtige Bewirtschaftung

Bei Lagerhallen ist die Reihenfolge der Einlagerung auch bei der Auslagerung (Nutzung) zu beachten, indem ältere Lagerbestände zuerst verbraucht werden sollten. Die Lagerdauer ist so kurz wie möglich zu bemessen (3 bis maximal 6 Monate). Holzschnitzellager sollten so angelegt werden, dass sie nicht umgeschichtet werden müssen. Richtig angelegte Lager mit tiefem Feingutanteil regeln ihr Innenklima selbstständig. Sinnvollerweise werden Lagerhallen in einzelne Boxen unterteilt, um die Schnitzel nach Qualität beziehungsweise

Einlagerungszeitpunkt zu trennen. Hackschnitzel sollten nicht viel höher als 4 Meter hoch aufgeschüttet und nicht befahren werden, da sich sonst das Risiko der Selbstentzündung durch Verdichtung erhöht.

5. Der richtige Zeitablauf

Der ideale Zeitpunkt für das Einlagern von Holzschnitzeln in Lagerhallen ist der Frühsommer im Mai und Juni. In dieser Jahreszeit erfolgt eine rasche Erwärmung des Schnitzelhaufens, welche aber nur kurze Zeit (ca. ein Monat) andauert. Bedingung ist, dass das gehackte Holz frisch ist, das heisst im Vorwinter geschlagen wurde und dass die Feuchtigkeit durch einen möglichst grossen Luftstrom abgeführt werden kann. Bei später im Jahr eingelagerten Schnitzeln ist auf eine Vortrocknung auf günstig gelegenen Poltern zu achten. Je geringer der Ast- und Laubanteil in den Poltern, desto besser funktioniert die Vortrocknung. Gepoltertes Holz wird idealerweise direkt nach dem Hacken zu den Verbrauchern geführt. Später im Jahr eingelagerte Schnitzel aus feucht gepoltertem Holz weisen keine ideale Trocknung mehr auf. Einerseits sind die Stämme bereits stärker mit Mikroben und Pilzen kontaminiert, andererseits kommt es zu keiner mikrobenfreien Erwärmung mehr. Wassergehalte von weniger als 30 Prozent sind in diesem

ANZEIGE

Fall nur noch schwierig und mit grösserem Aufwand zu erreichen. Später im Jahr angesetzte Lager aus Frischholz haben den Nachteil des hohen Laub- und Nadelanteils. Grün eingelagerte Nadeln und Laub führen zu einer stärkeren Pilz- und Mikrobenkonzentration und erhöhen das Risiko der Selbstentzündung des Schüttguts. Deshalb sollte auch Landschaftsholz vor dem Hacken ein paar Wochen liegen können.

6. Die richtige Berücksichtigung der Lärm- und Gewässerschutzgesetze

Lärm: Bei der Lagerhalle sollte das Hacken möglich sein. Der Mindestabstand zu bewohnten Gebäuden sollte mindestens 500 m, je nach Windrichtung auch mehr betragen. Gewässerschutz: Lagerhallen dürfen sich aufgrund der Möglichkeit des Austretens von Sickerwasser nicht im Gewässerschutzbereich befinden. Die diesbezüglichen kantonalen Regelungen sind zu berücksichtigen.

Der Branchenverband Holzenergie Schweiz betreibt seit 1979 einen professionellen Informations- und Beratungsdienst und setzt sich bei Behörden und Entscheidungs trägern für eine vermehrte Nutzung der «Wärme aus dem Wald» ein. www.holzenergie.ch

Natürlich geflochten

Die Faszination, mit einheimischen Pflanzen, die hier wild und weit verbreitet wachsen, zu arbeiten, hat mich zur Korb-Flechterei gebracht. Mit einfachen Handwerkzeugen und handwerklichem Können lassen sich langlebige Körbe und andere zweckdienliche Gegenstände herstellen. Anfangs hatte ich dabei, wie mancher Leser wahrscheinlich auch, eine zum Kopfbaum geschnittene Weide vor Augen, die im Winter mit ihren unbelaubten Ruten, oft leuchtend orange, weit sichtbar ist. Ein schöner Anblick! Doch das ist schon fast eine falsche Fährte …

Kristin Stroebel

Überall

Überall auf der Welt wird geflochten und überall haben Menschen in ihrer Umgebung geeignete Pflanzen dafür gefunden. Da wären Gras, Binsen, Stroh, Piniennadeln, Weidenruten, Haselstöcke, Holz von Bäumen wie Birke, Esche, Fichte, Kastanie, Eiche, deren Rinde und Wurzeln. Blätter, zum Beispiel der Banane oder der Yuccapalme, Sisalfasern, Rattan, Bambus, Dattelzweige … Diese Aufzählung ist weder systematisch noch vollständig, sie kann aber einen Eindruck geben, was für ein reiches Materialangebot die Natur bietet. Wohl genau so reich ist die Erfindungsgabe und Kunstfertigkeit der Menschen, die für die so verschiedenen Werkstoffe spezifische Techniken zu ihrer Verarbeitung entwickelt haben.

Es lassen sich grob drei Gruppen unterscheiden: –weiches, dünnes, kurzes, flexibles Material, das in Wülsten oder zu Schnüren gedreht verarbeitet wird, wobei laufend neues Material beigesteckt wird. Es kann auch zu Bändern verflochten werden, die dann beliebig aneinandergenäht werden. Beispiele dafür sind Piniennadeln, Gras, Binsen, Stroh. –elastisch biegsames Material von nützlicher

Länge, das fast ohne Vorarbeit verarbeitet werden kann. Beispiel: Weidenruten, dünnes Rattan,

Wurzeln –festes, starres, nicht flechtba es Material/Holz, das geschnitten, gespalten und gehobelt wird, um es nutzbar zu machen. Beispiele sind Rattan,

Holz von Kastanie, Fichte, Birke, Haselstöcke …

Europa

Auf Europa geschaut, wird traditionell und der Vegetation entsprechend im Süden mehr dünnes, kurzes Material verarbeitet. Typisch im Mittelmeerraum zum Beispiel ist die Verwendung von Espartogras, Lygeum Spartum, einem Steppengras, das in 20 bis 80 cm hohen Horsten wächst. Je weiter nach Norden wir kommen, desto «holziger» wird es. So hat in Skandinavien die Verarbeitung von Birkenrinde Tradition.

Bei uns

Mitteleuropa, Schweiz. Natürlich gibt es hier wie überall verschiedene seit Urzeiten bekannte oder in neuerer Zeit übernommene Materialien und Techniken. Das aber wohl bekannteste und heute noch am meisten gebrauchte Material liefert uns die Weide, während die Haselflechte ei in Graubünden wie im Tessin und Bergell eine ausgeprägte Tradition hat. Auch

Aus verschiedenen Weidensorten geflochtene Körbe.

sind Weidenruten und Haselschienen die mir vertrautesten Materialien. Darum möchte ich im Folgenden diese beiden näher beschreiben.

Die Weide (Salix)

Weiden wachsen hier buchstäblich überall. Auf den höchsten Gipfeln sind sie als bodendeckende Zwerggehölze anzutreffen, etwas tiefer als kleine Sträucher und in den Niederungen als Büsche und bis über 20 m hohe Bäume. Sehr viele der unzähli

gen Arten aus der Gattung Salix haben die Fähigkeit, wenn sämtliches Laubholz abgeschnitten wird, mit jungen Trieben nachzuwachsen, die lang, schlank und wenig oder gar nicht verzweigt sind. Sie sind biegsam, elastisch und verholzen erst in den Folgejahren. Diese jährigen sogenannten Ruten sind unser Flechtmaterial. Je nach Weidensorte kann das Längenwachstum in einem Jahr von 1 m bis zu 3 m variieren. Auch die Dicke sowie die Farbe und Beschaffenheit der Rinde fällt sehr verschieden aus.

Die Ruten werden in der Saftruhe, zwischen Dezember und Februar geschnitten, nach Länge sortiert, zum Trocknen aufgestellt und dann bis zum Gebrauch mindestens 1 Jahr gelagert. Unmittelbar vor der Verarbeitung wird das ausgewählte Rutenmaterial dann in Wasser eingeweicht. Das dauert je nach Weidensorte, Dicke der Ruten und Wassertemperatur 1 bis 3 oder sogar 4 Wochen. Getrocknetes und vor der Verarbeitung wieder eingeweichtes Material schwindet beim Trocknen weniger als direkt grün verflochtene Ruten. Die Flechtwaren werden dichter und stabiler. Dies sind die «rohen Weiden», ungeschälte Ruten. Die Rinde kann braun, rotbraun, orange, oliv, beige bis blaugrün und schwarz sein, kann rau, matt, glatt bis glänzend wie gewachst sein. Es ist ein Vergnügen, mit dieser Vielfalt beim Flechten gestalterisch zu spielen.

Frisch geerntete Flechtruten zum Trocknen gebündelt.

Eine andere Möglichkeit ist, die Ruten zu schälen. Dazu werden sie im Frühjahr geschnitten, in Bünden gebunden und aufrecht in ca. 20cm tiefes Wasser gestellt. So treiben sie wieder an und wenn sich Würzelchen und Blätter zeigen, können sie geschält werden. Wird die Rinde der Länge nach aufgeschlitzt, löst sie sich ganz leicht vom weissen Holz der Rute. So entsteht «weisses Material», das glatter und feiner ist. Es wird bei Wäschekörben und anderen feineren Geflechten verwendet. Eine Variante sind gesottene Weiden. Vor dem Schälen 8 bis 1 0 Stunden gekocht, wodurch Gerbsäuren aus der Rinde ins Holz dringen, haben die Ruten geschält eine kupferbraune Farbe. Auch geschälte Ruten werden trocken gelagert und direkt vor dem Gebrauch eingeweicht. Ohne Rinde verkürzt sich die Einweichzeit auf 1 bis 2 Stunden.

Kultursorten

Unter den rund 60 Weidenarten Europas sind einige bestimmte besonders brauchbar zur Materialgewinnung, so die Purpurweiden (Salix purpurea), Mandelweiden (Salix triandra), Hanfweiden (Salix viminalis) und Fahlweiden (Salix x fragilis). Diese Arten wiederum haben vielerlei Sorten. Dabei entstanden viele der heute verwendeten Sorten durch Zufallskreuzungen, die entdeckt als brauchbar befunden und weitervermehrt wurden. Andere sind gezielte Züchtungen, bei denen gewünschte Eigenschaften in einer Sorte vereinigt wurden. Da Weiden sehr gut vegetativ, also durch Stecklinge nachgezogen werden können, ist es ein Leichtes, sie in Masse mit genau gleicher Genetik zu vermehren. Ab dem 19. Jahrhundert wurde die züchterische Arbeit systematisch betrieben und die daraus entstandenen Kultursorten gelangten in den Handel. Bis in die 1960er-Jahre dürften europaweit um die 500 Sorten im Umlauf gewesen sein. Ende des 19. Jahrhunderts gab es auch in der Schweiz Anbaubetriebe für Flechtweiden, aber der grösste Teil des Materials wurde immer aus dem benachbarten Ausland importiert. Heute ist dieses

Wild gewachsene, schöne Weidenruten.

einheimische Material gänzlich verschwunden. Die Gebiete, in denen Weidenruten im grösseren Stil angebaut und in den Handel gebracht wurden und werden, liegen in Spanien, Belgien, Frankreich, Litauen, Ungarn.

Wildes Material

Habe ich vorgängig davon geschwärmt, wie variantenreich die rohen Weiden sind, findet man im Handel leider nur einen Bruchteil des Spektrums. In der Schweiz selbst ist nur die Amerikanerweide, Salix x americana, erhältlich. Fast eine Liebhaberei ist es, dazu wild gewachsenes Material zu schneiden und zu verarbeiten. Das erhöht die Farbenvielfalt, macht die Produkte lebendiger, attraktiver. Ich selbst mache das seit vielen Jahren. Oft find ich Stauden dort, wo Brombeeren, Eschen und vieles mehr wächst, oft auf Flächen, wo nach Erdrutschen oder landschaftsbaulichen Massnahmen Gehölze gepflanzt wurden, um den Boden zu befestigen. Bestimmte Weidensorten eignen sich dafür besonders gut, weil sie, mit genügend Wasser, schnell ein dichtes Wurzelwerk bilden. Sie sind Pionierpflanzen, die nach ein paar Jahren, wenn der Bewuchs sehr dicht wird, meist verdrängt werden und verschwinden. Oder es sind Brachflächen die nicht so dicht bewachsen sind, wie zum Beispiel nicht befestigte Bach- und Flussufer. Voraussetzung um Rutenmaterial zu finden, ist aber immer dass die Stauden im vorherigen Winter abgeholzt wurden (zum Beispiel Pflegemassnahmen des Kantons, bei denen alle paar Jahre der komplette Bewuchs bodeneben abgeschnitten wird). Neben der Sorte der Pflanzen haben die Standortbedingungen grossen Einfluss auf die Qualität der Ruten und damit auf die Eignung zum Flechten. Viele Nährstoffe und viel Wasser bringen einen höheren Ertrag, aber die Ruten neigen eher zum Verzweigen, bilden meist mehr Mark und sind darum brüchiger. Ist der Standort nicht ideal, werden sie zudem eher von Schädlingen befallen, was sie oftmals komplett unbrauchbar macht. Und: Weiden sind sonnenhungrig. Mässiges Nährstoff- und Wasserangebot und viel Sonne sind also die idealsten Bedingungen. Es sind Glückstreffer, schöne Flechtruten in der Natur zu finden. Es lohnt sich nicht im finanzielle Sinn, aber sie sind eine Bereicherung in den Geflechten und eine Bereicherung im Alltag der Flechterin oder des Flechters.

Anbau

Die andere Möglichkeit, nicht nur mit dem Mate rial, sondern mit der Pflanze selbst zu tun zu haben, ist Weiden anzubauen. Im kleinen Umfang habe ich Anfang 2019 mit einer eigenen Kultur angefangen, die im Winter 19/20 das erste Mal Ertrag bringt. Eine sogenannte Bodenkultur. An einem sonnigen Standort im Domleschg wurde dazu ein Stück Wiese umgeackert. Boden und Wasserverhältnisse scheinen geeignet. Die Steckhölzer wurden in Reihen gesetzt, etwa so dicht, wie es bei einem Maisfeld der Fall ist. Sie wachsen im Verbund und werden so länger, gerader, schlanker und verzweigen weniger. Geschnitten werden sie in der Saftruhe bodeneben. Auch das gibt den schöneren Wuchs gegenüber beispielsweise in Kopfform geschnittenen Weiden. Bei der Weidenart

Meine Weidenanlage in Almens im Oktober 2019.

habe ich die Purpurweide gewählt. Salix Purpurea darum, weil sie in der Qualität der Ruten nicht extrem heikel auf schwankendes Wasser- und Nährstoffangebot reagiert und zu den klimatischen Bedingungen im Domleschg gut passt. Ausserdem schmeckt sie dermassen bitter, dass sie weder von Mäusen noch vom Wild gefressen wird. Darin sind die Weidenarten sehr verschieden und es gibt solche, die sich regelrecht als Wildfutter eignen, weil sie ein Leckerbissen für Wiederkäuer sind. Aus den Hölzern, die Anfang April 2019 gesteckt wurden, sind bis Ende Oktober desselben Jahres Ruten zwischen 1 m und fast 2,5 m gewachsen. Das ist sehr beeindruckend. Was ich hier im Kleinformat für den Eigengebrauch und in Handarbeit mache, ist nichts anderes, als was auf grossen Flächen mit Maschineneinsatz im Weidenanbau geschieht.

Als weiterführende Fachliteratur zur Weide als Kulturpflanze kann ich empfehlen Weiden Kultursorten, Sonja Züllig -Morf, Ott Verlag

Haseln (Corylus avellana)

Findet man in Graubünden in alten Häusern im Estrich alte Körbe, so sind es fast immer Haselzainen (zum Beispiel Spitzzainen). Sie waren hier lange als heimische Gebrauchskörbe im täglichen Einsatz. Kein Wunder, denn ist man in den Bündner Wäldern unterwegs, stösst man fast sicher auch auf Haselstauden. Schatthalber und dort, wo der Bewuchs dicht ist, wo die Haseln zu regelrechten Stangenstauden wachsen, ist das Material für Zainen zu finden. Das Flechten mit Haseln ist eine wunderbare und aufwändige Arbeit. Sie beginnt damit, in den Wald zu gehen und Stöcke zu schneiden, um sie zu Schienen zu spalten. Das sind dünne, lange, geschmeidige Späne. Zu kaufen gibt es diese nicht. Man muss sie selbst herstellen. Die Stöcke dazu sollen lang und schlank sein, möglichst wenige und nur schwach ausgeprägte Knospen und keine Verwachsungen haben. Das Prinzip ist einfach. Ein Stock von 2 bis 3 cm Durchmesser wird eine Handbreit vor dem dünnen Ende mit einer kleinen Kerbe quer zur Faser versehen. Genau dort, die Kerbe weist nach aussen, wird der Stock am Knie angesetzt und gebogen – und schon löst sich ein Span der Faser nach vom Stock. Durch mehrmaliges verschieben und erneutes Biegen kann er der ganzen Länge nach abgespalten werden. Rundherum können so 4 bis 6 Späne/Schienen gewonnen werden. Klingt einfach, braucht aber sehr viel Übung und etliche zerbrochene Stöcke bis das Mass an Kraft und Feingefühl stimmt! Das kann ich aus Erfahrung sagen. Für das Gelingen muss der Stock im richtigen Mass vorgetrocknet sein. Zu frisch, lässt er sich biegen wie Gummi, statt zu spalten; zu trocken, bricht er. Die auf diese Art gewonnenen Späne müssen noch auf gleichmässige Breite und Dicke gehobelt werden. Erst so werden sie geschmeidig biegsam. Ob man die Rinde abschabt, um ganz weisse Schienen zu bekommen oder nur teilweise entfernt, ist gestalterische Freiheit.

Aus Haselschienen geflochtene, traditionelle Spitzzaine.

Ein ganzer Stock, der zu einem Ring gebogen und getrocknet wurde, bildet zusammen mit Rippen, die mit dem Messer zugerichtet werden, das Skelett des Korbs, das während des Flechtens aufgebaut wird. Aus Haseln gefertigte Körbe sind erstaunlich leicht und gleichzeitig sehr robust. Ich bin sehr froh, dass zwei alte, erfahrene Flechter aus der Surselva, die das Handwerk über viele Jahrzehnte ausgeübt haben, mir ihr Wissen über das Spalten und Verflechten von Haselschienen weitergegeben haben.

Langlebigkeit

Was macht Geflechte aus Naturmaterial so stabil? Das Material selbst hat eine natürliche Elastizität

(Bilder: Kristin Stroebel)

und die Beschaffenheit von Geflechten ist nicht starr, sondern flexibel. So können sie sehr viel Druck aufnehmen. Sind sie kompakt geflochten verteilt sich dieser optimal auf die Fläche. Sind Körbe aus gutem Material professionell erarbeitet, so können sie mehrere Generationen halten. Bedenkt man dabei noch, dass nachwachsende Materialien der Natur eher dienen als sie belasten, kann ich mir vorstellen, dass das alte Flechthandwerk wieder an Bedeutung gewinnt.

Kristin Stroebel ist im Sommer Älplerin, im Winter Flechterin. Ihr Interesse gilt den wesentlichen, einfachen Dingen, von denen wir leben. Sie ist Mitglied der IG Korbflechterei Schweiz.

This article is from: