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Kantonsförster Reto Hefti geht neue Wege

Seit dem 1.April 1984, also seit 36 Jahren, setzt sich Kantonsförster Reto Hefti für den Bündner Wald ein. Mit einem ETH-Studium und dem dazugehörigen Abschluss zum diplomierten Forstingenieur ETH nahm Retos berufliche Karriere ihren Anfang.

Interview von Sabine Leisinger

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Im Anschluss an sein Studium engagierte sich Reto während knapp zweier Jahre in einem Forschungsprojekt der damaligen EAFV (heute WSL) in Davos und Birmensdorf. Das UNESCO-Projekt – unter dem Kürzel MAB (Man and Biosphere) war einer der ersten Versuche, mit einfachen, georeferenzierten Daten Ökosystemforschung zu betreiben. Danach stellte er die Weichen und begann als akademischer Mitarbeiter für den Kanton beim damaligen Forstinspektorat sich für den Bündner Wald einzusetzen. Bereits nach kurzer Zeit wurde Reto Hefti zum Sektionsleiter für den Bereich Betriebsführung ernannt. Im Jahr 1992 folgte dann die Wahl zum Kreisförster des damaligen Forstkreises 5 und im 1999 wurde Reto Hefti Leiter des sechsköpfigenTeams, welches für das Gebiet Rheintal/Schanfigg zuständig wa. Im Jahr 2006 übernahm er die Leitung des Amts für Wald und zügelte sein Büro nach Chur. Seit 2014 übernahm er zusätzlich das Amt des Stabsschef-Stellvertreters des Kantonalen Führungsstabs. Seit nun 14 Jahren als Amtsleiter geht Reto Hefti per Ende Juli 2020 in Pension. In den vergangenen 36 Jahren, in denen er sich für den Bündner Wald engagiert hat, hat er vieles erlebt.

Ab jetzt soll mehr Zeit für Skitouren bleiben.

(Bild: zVg. Reto Hefti)

Reto Hefti, werfen wir zuerst einen Blick zurück – eine Bilderbuchkarriere? Waren diese Schritte stets dein Wunsch und geplant?

Überhaupt nicht! Ich hatte ursprünglich ganz andere, beruflicheZiele. Ich strebte eine Karriere als Militärpilot beziehungsweise Flugzeugkonstrukteur an. Das begann mit einigen Prüfungen, der mehrwöchigen fliegerischen Vorschulung, die mir letztlich das Segelflugbevet brachte, und endete mit einem Grounding in der Rekrutenschule. Meine Interessen hatten sich fast um 180 Grad geändert. Nach zwei freudlosen Semestern an der Abt. Maschinenbau der ETH landete ich an der Abt. VI, Forstwirtschaft. Das rudimentäre Berufsbild, das ich bei Studienbeginn hatte, versprach mir die sehnsüchtig gesuchte Verbindung von Natur und Technik. Um ein Haar wäre ich aber noch Geologe geworden. Nach dem Studium wollte ich eine Weltreise machen und letztlich in Kanada stranden, wo ich während des Studiums ein zweimonatiges

Praktikum gemacht hatte. Ich hatte eine «social insurance card» mit einem Ahornblatt, das wäre meine Eintrittskarte für einen mehrjährigen Aufenthalt in meinem damaligen Lieblingsland gewesen. Man hatte uns damals wenig Hoffnung auf einen Job im Kanton Graubünden gemacht. Nach einem Winter als Aushilfslehrer in Physik und Mathe und Skilehrer wollte ich starten. Da erreichte mich das Angebot von Forstinspektor Rageth für ein zweijähriges Engagement als Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt – das Forstinspektorat (FI) wollte da einen Bündner haben und ich war der einzige auf dem «Markt». Sollte ich diesen Job annehmen, wurde mir eine anschliessende Stelle beim FI garantiert. Das war eine der sprichwörtlichen Weichen in meinem Leben. Die Liebe zu meinem Kanton, zu den Bergen liess mich den Job annehmen. Die Welt und Kanada würden sicher warten und sie warten heute noch. Meine weitere beruflicheKarriere ergab sich aus meinem Engagement, das ich entwickeln kann, wenn mich etwas gepackt hat, der Freude am Arbeiten mit Menschen und dann war da noch das Glück. Wie heisst es so schön: «Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.»

36 Jahre Engagement für den Wald, für den Bündner Wald. Welche Bedeutung hat der Wald für dich heute? Hat sich diese im Laufe der Jahre verändert?

Der Wald hat für mich auch etwas Mystisches. Ich war schon als kleiner Junge viel im Wald. Damals wohnten wir in einem Haus, das nur mit Holz oder Kohle geheizt wurde. Ich ging Zapfen sammeln, habe Äste und Rinde aus Holzschlägen nach Hause geschleppt und war dann schon früh für den rechtzeitigen Betrieb – vor allem am Sonntagmorgen – der Holzöfen verantwortlich. Der Wald war vor allem auch Spielplatz. Vermutlich hatte der Förster in Flims, der uns die Baumhütte demontieren liess und uns anhielt, die langen Nägel aus den Bäumen zu ziehen, nachhaltigen Eindruck auf mich gemacht. Beruflichhat mich der Respekt vor dem Wald, vor der Natur wohl mehr geprägt als dessen wirtschaftlicher Nutzen. Ich habe in all den Jahren viel Energie dafür verwendet – egal auf welcher Ebene und in welcher Funktion – den Wald, die Lebensgemeinschaft, seinen unbezahlbaren Wert für uns, unter die Menschen zu bringen. Es war und ist mir ein grosses Anliegen. Wir Förster haben eine grosse Verantwortung, der Lebensgemeinschaft Wald zu helfen, die sich wandelnden Ansprüche der Gesellschaft so zu steuern, dass dadurch keine unlösbaren Konflikteentstehen. In den letzten 14 Jahren habe ich den Wald mehrheitlich und häufigin der Freizeit besucht, als Jäger, Pilzsucher oder mit meinem Hund.

«Jedes zweite Haus in Graubünden wird vom Wald geschützt, genau wie rund 60 Prozent der Strassen. Tatsache ist: Ohne den Wald wäre unser Kanton schlicht nicht bewohnbar.»

Quelle: Terra Grischuna 3/2019

Als Amtsleiter steht man oft zwischen Politik und Wissenschaft respektive Politik und Verwaltung. Wie schwierig ist dieser Spagat? Konntest du deine Ideen auch immer umsetzen, oder gibt es Ziele, die du dir gesteckt hast, für die die Zeit (oder die Politik) nicht gereicht hat?

Ich habe sehr, sehr viele Ideen realisieren können. Wir sind ein agiles Amt, wir haben tol-

«Die Frage ist nicht, ob es den Klimawandel gibt. Die Frage ist, wie der Mensch mit seinen Ängsten umgeht, wenn Gefahr droht.»

Quelle: Terra Grischuna 3/2019

le, innovative und sehr motivierte Mitarbeiter und arbeiten in einem Umfeld, das uns viele Überraschungen beschert – vor allem im Bereich Naturgefahren und Waldschutz – und auch gesellschaftlich geprägt wird. Als Mitarbeiter des AWN produzieren wir Dienstleistungen für den Steuerzahler. Es muss uns gelingen, diese gegenüber den Menschen, der Politik zu vertreten, dann haben wir auch Erfolg mit unseren Anliegen. Ich glaube, das ist mir in den vergangenen 14 Jahren recht gut gelungen. Den Spagat habe ich deshalb nie als Anstrengung oder «Murks» empfunden, sondern vielmehr als Motor, noch besser zu werden, die richtigen Argumente herauszuschälen und dann dazu auch die erforderlichen Grundlagen zu erarbeiten. Ich war sicher zu selten der typische Beamte und manchmal auch mehr Manager als Förster, fühlte mich aber immer sehr gut verstanden und auch unterstützt durch meine politischen Vorgesetzten. Natürlich gibt es Ziele, die ich nicht erreichen konnte, darunter auch einige wichtige. Es ist mir trotz sehr grossen Anstrengungen nicht gelungen, eine tragfähige und nachhaltige Wald-Wild-Strategie zu definieen. Zu emotional und zu verhärtet waren und sind leider die Fronten. Dann sind die Naturgefahren in Graubünden noch immer nicht in einem Amt zusammengeführt. Was mir als Berater im Wallis gelang, wurde mir im eigenen Kanton verwehrt.

Der Klimawandel betrifft vor allem auch das Amt für Wald und Naturgefahren. Welches ist der Baum der Zukunft und warum?

Der Baum der Zukunft? Das wäre für mich sinnbildlich der «Baum der Zusammenhänge» oder vielleicht auch der «Baum der Eigenverantwortung». Der Mensch als Treibender im und Getriebener vom Klimawandel hat nur eine Chance, wenn er die Zusammenhänge erkennt und seine Eigenverantwortung wahrnimmt. Natürlich will man von mir an dieser Stelle keine philosophischen Inputs, sondern Fachwissen. Nun, da würde ich ohne zu zögern sagen, dass es diese Baumart nicht gibt, und dass wir deshalb möglichste viele Baumarten in die Zukunft mitnehmen sollten. Auf jedem Standort wird sich dann die Richtige zu erkennen geben.

Und nach der Pensionierung, wie füllst du die plötzlich leer gewordenen Tage?

Ich werde es keine Sekunde langweilig haben, werde mich aber – entgegen der letzten 36 Jahre – nur noch am Rande mit dem Wald beschäftigen. Da sind noch einige kleine Mandate und dann ist da vor allem viel Zeit für die 1. Produktionsstufe: Fischen, Jagen, Gärtnern etc… Ich werde viel in der Natur sein. Und, ich lese sehr gerne und werde nun endlich genügend Zeit dafür haben. Sicher gibt es noch das eine oder andere Projekt, das aber erst als Idee vorliegt. Ich hatte eine tolle Zeit in einem tollen Team bei einem sehr guten Arbeitgeber und freue mich trotzdem sehr auf den neuen Lebensabschnitt.

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