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Wildeinfluss auf die Eiche in der Schwei
Wildeinfluss auf die Eiche in der Schweiz
Die Eiche ist eine ökologisch bedeutende Baumart, die wildlebende Huftiere bevorzugt verbeissen. Schweizweit wurden in der kollinen bis untermontanen Höhenstufe rund 30 Prozent der zwischen 2009 und 2017 beurteilten Eichen verbissen. Zudem wird die Eiche als «verbissempfindlich» eingestuft. Wildlebende Huftiere beeinflussen daher den Pflanz- und Verjüngungserfolg von Eichen, was die Anpassung der Wälder an den Klimawandel erschwert.
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Andrea D. Kupferschmid, Peter Brang, Meinrad Abegg
An Eichen leben mehr Insekten- und Pilzarten als an allen anderen einheimischen Baumarten. Die Eiche ist aber gleichzeitig auch bei den wildlebenden Huftieren eine der beliebtesten Baumarten (Kupferschmid et al. 2015). In diesem Artikel beleuchten wir deshalb den Einflussder wildlebenden Huftiere auf die Eichenverjüngung. Die Eichenarten sind in der Schweiz vorwiegend in der kollinen, submontanen und untermontanen Vegetationshöhenstufe verbreitet, weshalb sich unsere Beurteilung der Dichte und des Verbisses auf diese Höhenstufen beschränken. Im vierten Landesforstinventar (LFI 4, 2009 bis 2017) wurde Eichenverjüngung auf knapp 200 Probeflächengefunden. Die meisten dieser Probeflächen fanden sich in den Wirtschaftsregionen Jura West (22 Probeflächen), den drei Mittelland-Regionen (29 bis 37), sowie in den Regionen Alpen Südwest (28) und Alpensüdseite (23). Die mittlere Verjüngungsdichte lag nur in drei Regionen der Westschweiz über 2000 Eichen pro ha (Abbildung 1). Im Schweizer Mittel nahm die Eichenverjüngung seit dem Landesforstinventar 1993/1995 (LFI 2) stark zu, aber nur bei kleinen Pflanzenzwischen 10 cm und 129 cm Baumhöhe. Die Dichte der Eichen zwischen 130 cm Baumhöhe und 11,9 cm Brusthöhendurchmesser (BHD) veränderte sich in den meisten Regionen nicht signifikant, sank aber in den Regionen Alpen Südwest und Alpensüdseite (Abbildung 1). Die Zunahme der kleinen Eichen deutet darauf hin, dass sich Eichen entweder vermehrt etablierten und/oder fast keine Eichen von < 130 cm Baumhöhe in die höhere Grössenklasse einwuchsen. Ein Grund für Letzteres könnten wildlebende Huftiere sein. Speziell Rehe und Rothirsche fressen Eichentriebe sehr gerne. Von den 10 bis 129 cm grossen Eichen waren laut dem LFI 4 auf der kollinen bis montanen Höhenstufe 32,7 ± 9,3 Prozent (Mittelwert ± einfacher Standardfehler) an ihrem letztjährigen Endtrieb verbissen (Abbildung 2) beziehungsweise 31,6 ± 8,7 Prozent in allen Höhenstufen (Brändli et al. 2020). Dies bedeutet, dass im Schnitt alljährlich jede dritte Eiche an ihrem Endtrieb verbissen wird. Ein Vergleich mit früheren Verbisszahlen ist schwierig, da sich die Aufnahmemethode im LFI veränderte. Vereinfacht ausgedrückt, galt ein Bäumchen im LFI 2 als «unverbissen», wenn die Knospenschuppennarben der zwei letzten Jahre unverbissen waren, im LFI 4 hingegen bereits, wenn diejenige des letzten Jahres «unversehrt» war (Schwyzer & Lanz 2010). Im LFI 2 wurden also mehr Bäumchen als am Endtrieb verbissen betrachtet als im LFI 4. Wenn trotz der weniger strengen Beurteilung der Verbissintensität im LFI 4 mehr Bäumchen verbis-
Abbildung 1: Entwicklung der Eichenverjüngungsdichte für zwei Grössenklassen gemäss Aufnahmen im LFI 2 (1994–1996) und LFI 4 (2009–2017) nach Wirtschaftsregion in der kollinen bis montanen Höhenstufe. Dargestellt sind jeweils der Mittelwert und der einfache Standardfehler. (Alle Abbildungen: WSL)
sen waren als im LFI 2, ist deshalb von einer hoch signifikantenZunahme des Verbisses auszugehen. Daraus folgt, dass der Verbiss an der Eichenverjüngung drastisch zugenommen hat in den Regionen Jura West, Mittelland West, Alpen Südwest und damit schweizweit. Die Eiche wird wegen ihrer Beliebtheit beim Wild, ihrem nur durchschnittlichen Höhenzuwachs, ihrer geringen Kompensationsfähigkeit und ihrer durch Verbiss reduzierten Überlebenswahrscheinlichkeit bezüglich Verbiss als «sensitiv» eingestuft (Didion et al. 2011) bzw. als «verbissempfindlich»beurteilt (Fehr et al. 2019). Dass die Eiche gegenüber anderen Baumarten bevorzugt verbissen wird, kann europaweit beobachtet werden (Gill 1992). Kleine Eichen wachsen zwar ähnlich rasch in die Höhe wie Ahorne und rascher als Weisstannen, aber deutlich langsamer als beispielsweise Weiden. In Triebschnittversuchen reagieren Laubbäume generell besser und schneller auf simulierten Verbiss als Nadelbäume. Eichen reagierten auf Triebschnitt unter guten Wuchsbedingungen aber meist nur mit wenigen kurzen Trieben und hatten damit kleinere bis höchstens ähnliche Biomasse, Baumhöhe und Basaldurchmesser als ungeschnittene Eichen. Unter weniger optimalen Bedingungen – wie sie in den meisten Wäldern anzutreffen sind – konnten geschnittene oder verbissene Eichen den erlittenen Höhenverlust nicht kompensieren (siehe Literaturüberblick in Kupferschmid 2017). Aufgrund des Verzweigungsmusters reagieren Eichen viel weniger flexibelauf Verbiss als zum Beispiel Weiden-
Abbildung 2: Verbissintensität der Eichenverjüngung zwischen 10cm und 129cm Baumhöhe gemäss Aufnahmen im LFI 4 nach Wirtschaftsregion in der kollinen bis montanen Höhenstufe. Dargestellt sind jeweils der Mittelwert und der einfache Standardfehler. Alle Regionen mit weniger als 20 Probeflächen mit Eichenverjüngung wurden weggelassen.
arten oder Buchen. Experimenteller Triebschnitt erhöhte oft die Sterberate (Kupferschmid 2017). Dazu kommt, dass speziell Mäuse und Wildschweine viele Eicheln schon fressen, bevor sie je keimen. Verbiss beeinflusstden Pflan - und Verjüngungserfolg bei der Eiche wesentlich. Wächst die lichtbedürftige Eiche infolge des Verbisses langsamer als andere Baumarten wie zum Beispiel die Föhre oder die Buche, wird die Eiche verbissbedingt in der Stammzahl des späteren Baumbestands reduziert vorhanden sein bzw. eventuell sogar ganz ausfallen. Dazu kommt, dass sie gegenüber der Buche im Jungwald wenig konkurrenzstark ist (Otto et al. 2009). Das Durchbringen einzelner Eichen erfordert daher intensive Jungwaldpflege,wenn die Eichen nicht in grösseren Gruppen, Horsten oder Beständen aufkommen. Speziell zu beachten ist, dass gepflanzteBäumchen öfters verbissen werden als natürliche Baumverjüngung. In Polen wurden auf grossen WindwurfflächenEichen einzeln und in Gruppen (mit 25 cm
Abbildung 3: Häufig verbissene Eichennaturverjüngung im Waadtland.
Pflanzabstand)zwischen Föhren gepflanzt.In gewissen Jahren wurden zwar alle Eichen verbissen, aber einige der gruppiert gepflanztenEichen wuchsen immerhin in zehn Jahren über 1,5 m (Dobrowolska 2020). Inwiefern dies auch in der Schweiz möglich ist, bleibt fraglich. Zurzeit ist in der Schweiz, infolge des bereits an der Naturverjüngung häufigenVerbisses (Abbildung 3), ein Aufwachsen von gepflanztenEichen nur mit Einzelschutz oder in Zäunen möglich und auch natürlich angesamte Eichen müssen oft geschützt werden. Der häufigeVerbiss an Eichen soll uns jedoch nicht daran hindern, Mischbestände mit Eichen auf geeigneten Standorten anzustreben. Dabei ist zu bedenken, dass wir in Zukunft auch Eichen-Samenbäume auf Standorten brauchen, wo Eichen heute noch durch Frost und Nassschnee gefährdet sind, also über etwa 700 m ü. M. Jede Eiche, die den wildlebenden Huftieren entwächst, ist ein Beitrag für einen klimafittenWald und ein Gewinn für die Biodiversität.
Andrea D.Kupferschmid beschäftigt sich an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in Birmensdorf unter anderem regelmässig mit verschiedenen Fragen rund um das Thema Wildeinfluss. Peter Brang leitet an der WSL verschiedene Projekte in Zusammenhang mit zukunftsfähigen Baumarten. Meinrad Abegg beschäftigt sich an der WSL seit vielen Jahren mit dem LFI und ist massgeblich an dessen Weiterentwicklung beteiligt.
Literatur
Brändli U-B, Abegg M, Allgaier Leuch B (2020) Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse der vierten Erhebung 2009-2017. Birmensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Bern, Bundesamt für Umwelt, BAFU. In Vorbereitung. Didion M, Kupferschmid AD, Wolf A, Bugmann H (2011) Ungulate herbivory modifiesthe effects of climate change on mountain forests. Clim Chang 109: 647-669. Fehr M, Zürcher Gasser N, Schneider O, Burger T, Kupferschmid AD (2019) Gutachtliche Beurteilung des Wildeinflussesauf die Waldverjüngung. Schweiz Z Forstwes 170: 135–141. Gill RMA (1992) A review of damage by mammals in north temperate forests: 1. Deer. Forestry 65: 145–169. Kupferschmid AD (2017) Compensation capacity of Central European tree species in response to leader shoot browsing. In: Menendez A, Sands N, editors. Ungulates: evolution, diversity and ecology. Hauppauge, New York, USA: Nova Science Publishers. pp. 1–63. Kupferschmid AD, Heiri C, Huber M, Fehr M, Frei M, et al. (2015) Einflusswildlebender Huftiere auf die Waldverjüngung: ein Überblick für die Schweiz. Schweiz Z Forstwes 166: 420–431. Otto D, Wagner S, Brang P (2009) Konkurrenz zwischen Stieleiche und Buche auf Lothar-Sturmflächen. Schweiz Z Forstwes 60: 114–123. Schwyzer A, Lanz A. Verjüngungserhebung im schweizerischen Landesforstinventar. In: Deutscher Verband Forstlicher Forschungsanstalten Sektion Forstliche Biometrie und Informatik, editor; 2010; Göttingen, 20. und 21. September 2010. Die Grüne Reihe pp. 42–67.
Die Eiche wehrt sich
Die Experimente mit jungen Eichen zeigen die grosse Anpassungsfähigkeit der Schweizer Eichenarten gegenüber Hitze und Trockenheit und belegen ihr grosses Potenzial, sich auch bei fortschreitendem Klimawandel behaupten zu können. Die Schlussfolgerung ist, dass die verschiedenen Eichenarten eine zentrale Rolle bei der Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel spielen werden und speziell gefördert und angebaut werden sollten.
Madeleine S. Günthardt-Goerg, Pierre Vollenweider, Andreas Rigling
Klimawandel
Durch die Aktivitäten einer exponentiell wachsenden Bevölkerung mit ihrem wachsenden Energieverbrauch (Verbrennung, Transport, Industrie, Wechsel in der Landnutzung) reichern sich langlebige Gase in der Atmosphäre an. Die Kohlenstoffdioxid-Konzentrationen sind in den letzten 250 Jahren am meisten gestiegen (um 120 ppm), aber auch Methan und troposphärisches Ozon haben zugenommen. Im Gegensatz zu den schädlichen erhöhten Ozonkonzentrationen sind die höheren Kohlendioxidkonzentrationen für die Pflanzenvorteilhaft. Sie fixieen das CO2 via Fotosynthese in pflanzlichenStoffen und entziehen es so der Atmosphäre. Die genannten Grünhausgase führen aber weltweit zu einer Erwärmung, welche laut Hochrechnungen in unserem Jahrhundert 1,8 bis 4 °C. betragen könnte. Dadurch könnten sich die Niederschläge verändern und Klimaextreme häufige auftreten. Dies sind vermehrt Trocken- und Hitzeperioden, Stürme und vielleicht auch Spätfröste (Tausz-Posch and De Kok, 2020). Wir fragen uns, wie die Eichen darauf reagieren werden.
Kulturgut
Die Eiche (Abbildung 1) ist ein jahrtausendealtes Kulturgut und wird schon in der Bibel erwähnt. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert waren Eichenwälder in Europa häufigund dienten den Menschen als Ressource. Dennoch begann der Niedergang der Eiche schon im späten Mittelalter, da bei einer wachsenden Bevölkerung mancher Wald zum Feld wurde. Des Öftern fielenWälder dem Bau (Kathedralen, Schiffe, Eisenbahnschwellen) zum Opfer. Die Eiche blieb ein Symbol für Stärke, Schutz und Standhaftigkeit. Eicheln und die einzigartig gelappten Blätter sind deshalb beliebte Motive auf Stoffen, Karten und Wappen. Eichen spielen eine Rolle in Sagen, Ortsnamen, Sprichwörtern und Redensarten. Dauerhaftes Eichenholz ist nach wie vor sehr gefragt und Eichenrindenextrakt wird als Naturheilmittel verwendet, während früher das Gerben mit Eichenrinde sowie die Schweinemast und Kaffeeersatzproduktion eine wichtige Rolle spielten.
Verbreitung
Die Gattung Eiche umfasst grob 500 Arten, 175 davon wachsen in Nord- und Mittelamerika, 320 in Europa und Westasien, 14 in Mitteleuropa wild und kultiviert und 4 in der Schweiz (einheimisch: Stiel-, Trauben-, Flaum- und Zerreiche; angepflanzt:Roteiche). Die Stiel-, Trauben- und Flaumeichen wachsen als Einzelbäume bis 1400 und im Bestand bis 700 m ü. M. (Flaumeiche bis 1300). Sie haben unterschiedliche Standortansprüche. Die Stieleiche ist anspruchslos betreffend die Böden, steigt bis in die submontane Stufe und ist
Abbildung 1: Dickste und älteste 400 Jahre alte Stieleiche im Kanton Zürich (im Bestand, Haferholzeiche, Bild rechts).
(Bilder: L.Goerg)
in ozeanischem ebenso wie in kontinentalem Klima beheimatet. Auf Trockenheit reagiert sie aber empfindlichermit geringerer Fotosyntheseleistung als die Trauben- und Flaumeiche (Günthardt-Goerg et al. 2016). Die Traubeneiche wiederum gilt als empfindlichgegen Winterkälte und zusammen mit der Flaumeiche auf Spätfrost. Die Wuchsleistung der Flaumeiche ist gegenüber den beiden anderen Schweizer Eichenarten reduziert, dafür liebt sie die zunehmende Sommerwärme und ist robuster gegen Trockenheit. Trotz Genaustausch zwischen den einheimischen Eichenarten über Jahrtausende seit der Rückwanderung nach der Eiszeit sind die verschiedenen Standorteigenschaften der Arten erhalten geblieben. Dank einer überdurchschnittlichen genetischen Variabilität und der nachfolgenden natürlichen Selektion sind jedoch standortangepasste und -spezifischeHybride entstanden (Bonfilset al. 2015). Die Eichen sind mit 100 Jahren im besten Alter, die ältesten Stiel- und Traubeneichen können jedoch 1000 Jahre alt werden. Sie haben in ihrem langen Leben schon wiederholt Klimaschwankungen ertragen. Die Fähigkeit der Eichen, ihre Morphologie und das physiologische Verhalten an herrschende Wachstumsbedingungen auszurichten, bestimmt diese grosse Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft von der Jugend bis ins hohe Baumalter (Bonfilset al. 2015). Im Folgenden berichten wir über einige Ergebnisse aus dem WSL-Experiment Querco und begleitenden Beobachtungen aus der WSL-Baumschule, welche die Anpassungsfähigkeit junger Eichen
A B C 350µm
Abbildung 2: Schutz gegen Trockenheit durch schmalere Blätter (A), weniger Nebennerven (B) und stärkere Behaarung (C).
Die glänzenden Punkte sind Spaltöffnungen. (Bilder: M. Günthardt-Georg)
Abbildung 2: Randnekrosen bei langandauernder Trockenheit (D, E, F).
zeigen. Schliesslich stellen wir die Erfahrungen mit Aufforstungen in zwei Beispielen vor.
Eichenblätter
Die Blätter der drei häufigstenEichenarten in der Schweiz unterscheiden sich. Insbesondere diejenigen der Flaumeiche zeigten im Experiment eine genetische Anpassung an Trockenheit. Sie haben allgemein kleinere und schmalere Blätter mit weniger Blattnerven, welche zu Blattbuchten führen und stärkerer Behaarung der Blattunterseite. Diese Merkmale waren auch verstärkt bei allen drei Arten an Blättern, welche unter trockenen Bedingungen ausgetrieben hatten (Günthardt-Goerg et al. 2013, Abbildung 2; A, B, C), was die Artunterschiede verkleinerte. Die Blätter überdauerten kurze Trocken- oder Hitzeperioden unbeschädigt und nahmen ihre Funktionen (Fotosynthese) bei erneuten Niederschlägen sofort wieder auf (Günthardt-Goerg et al. 2016). Erst nach drei Wo-
D E F
(Bilder: M. Günthardt-Georg)
chen mit sehr trockenem Boden (Bodenwasser < 0,06 m3 m-3) begannen die Blätter vom Blattrand her auszutrocknen, wobei die innere Blattfläch immer noch funktionsfähig blieb (Abbildung 2; D, E, F). Das Absterben der Zellen ist ein komplizierter kontrollierter Prozess zum Schutz und zur Erhaltung der wichtigsten Blattgewebe (Vollenweider et al. 2015). Da mit den Klimaveränderungen häufigerlängere Schönwetterperioden im Sommer erwartet werden, steigen auch die Ozonkonzentrationen. Eichenblätter besitzen ebenso Abwehrmechanismen, welche verantwortlich sind, dass sie im Vergleich zu anderen Baumarten weniger empfindlichsind auf Ozon (Günthardt-Goerg 2013). Desgleichen sind sie tolerant gegenüber Schwermetallbelastung im Boden (Paoletti and Günthardt-Goerg 2006).
Träger von Biodiversität
Unschätzbar ist der Beitrag der Eiche zur Biodiversität. Sie ist bekannt als wichtiges Habitat für den Mittelspecht, doch bietet sie insgesamt 300 bis 500 Organismen einen Lebensraum. Ihre Gäste umfassen rund 40 Vogelarten. Unzählige Viren, Pilze, Bakterien, Wirbellose, Spinnen, Insekten und Säuger leben von «Eichenfutter», das Totholz abgestossener Äste miteingeschlossen. Abwehrmechanismen erlauben der Eiche schädliche Gäste zu tolerieren. Tannine (Gerbstoffe) und andere sekundäre Pflanzenstofe in Eichenblättern und Rinde, das kontrollierte Absterben von Blatt- und Astteilen, Gewebebarrieren in Rinde und Wurzeln und die Möglichkeit des Neuaustriebs sind verantwortlich für die Toleranz. Wenn bei der Eiche mit vielen Gästen mehrere Organismen unterschiedlich auf den Klimawandel reagieren, sind Wechselwirkungen schwer voraussehbar. Als Beispiel sei der häufige,aber von den Eichenblättern gut tolerierte Befall mit Mehltau genannt (Abbildung 3). Der wärmeliebende echte Mehltau verbreitete sich im Experiment unerwarteter Weise weniger, und dies sowohl bei Lufterwärmung als auch bei Trockenheit und am deutlichsten beim gleichzeitigen Auftreten beider Faktoren.
10µm
Abbildung 3: Blattunterseite, Hyphen von Mehltau (Oidium) dringen durch eine Spaltöffnung ein.
(Bild: Rasterelektronen-Mikroskop, WSL)
Phänologie
Im Experiment wurde der Austrieb der drei Eichenarten während dreier Jahre beobachtet (Kuster et al. 2014). Eine Lufterwärmung um 1 bis 2 °C führte im Durchschnitt zu einem 1 bis 3 Tage früheren Austrieb ohne die jährliche Produktion zu verändern. Auch Trockenperioden im Sommer bewirkten einen 1 bis 2 Tage früheren Austrieb im Folgejahr.
Spätfröste, Lufterwärmung und Trockenstress In der Analyse von Spätfrostschäden an Fichte, Buche und Obstbäumen zwischen 1975 und 2016 an 50 Schweizer Standorten konnte trotz früherem Austreiben keine Veränderung des Spätfrostrisikos gefunden werden. Spätfröste setzten nicht entsprechend früher ein (Vitasse et al. 2018). Wir beobachteten 84 junge Eichen nach zwei aufeinanderfolgenden Nachtfrösten Mitte Mai (–1 ˚C, und –3 ˚C) bei maximal 5 ˚C tagsüber. Alle Bäume überlebten gut. Der neue Austrieb erfolgte unabhängig
Abbildung 4: Frostempfindlichkeit verschiedener Eichenarten und Provenienzen. Provenienzen der Eicheln, aus denen die Versuchsbäume stammten: Stieleiche T = Tägerwilen (510 mü.M./mitttlere Jahrestemperatur 8,7˚C./Jahresniederschlag 929 mm), B = Bonfol (450/8,9/1035), H = Hünenberg (398/9,1/1147), Mi = Magadino (199/10,5/1772). Traubeneiche: C = Corcelles (550/9,0/893), M = Magden (308/8,9/974), W = Wädenswil (430/8,9/1353), G = Gordevio (450/11,0/1668). Flaumeiche: Lk = Leuk (720/8,1/657), LL = Le Landeron (700/8,0/932), P = Promontogno (900/6,1/1459), A = Arezzo (296/14,0/410).
Abbildung 5: Einfluss von Lufterwärmung und Trocke stress auf die gebildeten Holzmassen derselben Provenienzen wie Abbildung 4. Der Trockenstress war mehr als zwei Wochen lang eine Trockenperiode mit < 0,06 m3 m-3 Wassergehalt in 25 cm Bodentiefe, je zweimal pro Sommer während dreier Jahre.
vom Ausmass der Frostschäden am Laub (Abbildung 4). Die Frostschäden zeigten sich zuerst als kleine Nekrosepunkte über die ganzen Blätter verteilt. Dies im Gegensatz zu Ozonschäden, welche zwischen den Blattnerven als Gruppen auftreten. Unter den Arten hatte die Stieleiche nach dem Frost am kräftigsten neue Blätter gebildet, die Traubeneiche hingegen am schwächsten. Innerhalb der Arten spielte die Herkunft der Eicheln eine grosse Rolle. Diejenigen aus trockeneren Lagen (Abbildung 4 Stieleiche T und B, Traubeneiche C und Flaumeiche Lk und A) scheinen genetisch für eine höhere Frosttoleranz gewappnet zu sein. Desgleichen ertrugen die sechs Jahre jungen Eichen im Experiment starke Trockenheit und Lufterwärmung sehr gut (Abbildung 5), aber mit anderen Unterschieden je nach Herkunft. Lufterwärmung zeigte bei drei von vier getesteten Herkünften der Stileichen und zwei der Traubeneiche eine Wachstumsförderung. Das Wachstum war bei allen Eichen verringert durch den starken Trockenstress im Sommer während drei aufeinanderfolgenden Jahren. Kamen nach der Trockenheit jedoch erneute Niederschläge, wurde das vorher reduzierte Wachstum innerhalb weniger Tage wieder aufgenommen.
Eichen in der Schweiz
Die Schweiz hat alte Eichen. Zurzeit beträgt das häufigste Eichenvorkommen in der Schweiz im westlichen Mittelland (Traubeneiche) im Mittel aber nur 7 Prozent der Stammzahlanteile. Die Verjüngung wurde leider vielerorts seit den 1940er-Jahren zugunsten schneller wachsender Fichten vernachlässigt. Der Anbau von Eichen wird empfohlen und gefördert (www.ProQuercus.ch; BUWAL 2005, Bonfil et al. 2015, Günthardt-Goerg et al. 2016), sodass wohl bald neue Aufforstungen oder geförderte Naturverjüngung wieder für zusätzliche Verjüngung sorgen werden. Es gibt aber immer noch viel Handlungsbedarf und grosses Potenzial, so wäre es zum Beispiel möglich, die Ausdehnung des Ei-
1999 2007
2002
2014 Abbildung 6: Vom Fichtenwald zum Eichenmischwald. Entwicklung in einem Privatwald im waadtländischen Mittelland
bei Lausanne von 1999 bis 2014. (Bilder: Pierre Vollenweider)
chenareals im Waadtland um 65 Prozent zu steigern (Horisberger et Meylan 2009).
Aufforstung auf einem extremen Trockenstandort
Zwar ist in der Schweiz bisher kein flächige Eichensterben vorgekommen, eine Gefährdung durch neue eingeschleppte Organismen ist jedoch nicht auszuschliessen. Wie oben bereits andiskutiert, müssen wir aber davon ausgehen, dass die zunehmende Trockenheit die Waldverjüngung, gerade auf trockeneren Standorten, in Mitleidenschaft ziehen wird. In einem Aufforstungsprojekt auf den extremen Trockenstandorten entlang der Lötschberg-Südrampe bei Brig wurden deshalb ab Herbst 2012 neun potenziell trockenheitsresistente Baumarten bezüglich Anwuchserfolg getestet. Auf drei Versuchsflächenwurden insgesamt 2120 junge Bäumchen gepflanzt.Nach rund drei Jahren, im Herbst 2015, wiesen die Blumenesche (56 %), die Flaumeiche (46 %) und die Gemeine Esche (45 %) die besten Anwuchserfolge auf, gefolgt von Waldföhre (35 %), Schwarzföhre (31 %) und Mehlbeere (31 %). Die geringsten Anwuchserfolge zeigten der Schneeballblättrige Ahorn (17 %), die Douglasie (6 %) und die Steineiche (1 %), welche aber vermutlich den starken Spätfrösten zum Opfer fiel Die einheimische Flaumeiche zeigte sich also auch in der Installationsphase als verhältnismässig gut an die extreme Trockenheit im Wallis angepasst (Rigling et al. 2015).
Klimawandel: von Fichten- zu gemischten Eichenbeständen
Ein Privatwald in der Nähe von Lausanne wurde von den Stürmen Lothar und Martin Ende 1999 und anschliessend von Borkenkäferbefall schwer getroffen. Bis Ende 2002 waren mehr als 60 Prozent der hauptsächlich mit Fichten bestockten Fläche verwüstet. Angesichts der Politik des Kantons Waadt, wieder vermehrt Eichenwälder aufzubauen, und der Verfügbarkeit von geeigneten Traubeneichenpflanzen aargauischer Herkunft, konnte 2003 anstelle der verwüsteten Fichtenplantage ein Stück Eichenmischwald (mit Schwarzerle und Hainbuche) angelegt werden. Mit der entsprechenden Räumung für die lichtbedürftigen zukünftigen Baumarten, einigen zusätzlichen Pflanzungen(2004 und 2006) und sorgfältiger jährlicher Pflegeist dieser Bestand prächtig gediehen. Er besteht heute zu 70 bis 80 Prozent aus Eichen, mit Bäumen von über 10 Metern Höhe und einem Durchmesser von oft mehr als 15 cm in Brusthöhe (Abbildung 6) und dies trotz häufige grösserer Trockenzeiten (2003, 2015 oder 2018) und wiederholtem Nassschneefall (Schneebruch, insbesondere 2005). Die beiden Beispiele und viele erfolgreiche Eichenaufforstungen im Schweizer Mittelland ermutigen, mit Eichenpflanzungenfortzufahren. Heute würde das englische Volkslied «Let oak trees grow … for a mighty realm» weniger heroisch eher so lauten: Lasst den Eichen Raum zum Wachsen, denn sie wehren sich erfolgreich gegen die Unbill des Klimawandels.
Madeleine S.Günthardt-Goerg ist Senior Scientist (Reaktionen von Bäumen auf Umweltveränderungen) an der Eidg. Forschungsanstalt WSL, Walddynamik. madeleine.goerg@wsl.ch Pierre Vollenweider ist Forscher (funktionelle Pflanzenanatomie und -ökologie) an der Eidg. Forschungsanstalt WSL, Walddynamik und Privatwaldbesitzer pierre.vollenweider@wsl.ch Andreas Rigling ist Forstingenieur und Waldökologe an der Eidg. Forschungsanstalt WSL und der ETH Zürich andreas.rigling@wsl.ch
Referenzen unter www.buendnerwald.ch