BUNDmagazin 4. Quartal Heft 4 /2006
HESSENseiten Eine unbequeme Wahrheit Viele unbequeme Wahrheiten kommen in diesen Tagen in die Öffentlichkeit – nicht nur der Film des amerikanischen Ex-Vize-Präsidenten Al Gore über die Folgen des menschengemachten Klimawandels, der vor einigen Wochen auch in Europa in die Kinos kam, sondern auch Unbequemes für deutsche Regierungen. Nicht nur im Bundestag sitzen Abgeordnete, die zum Teil erhebliche „Nebeneinkünfte“ zusätzlich zu ihren Bezügen haben. Bei dem oder der Einen kann dabei schon eine Schere im Kopf zwischen persönlichen (Profit- ) Interessen und dem unabhängigen Eintreten für das Allgemeinwohl zu bemerken sein. Und die Redaktion der ARD-Sendung „Monitor“ brachte im Oktober ans Licht, dass selbst in Bundesministerien ganz regulär Mitarbeiter starker Lobbyverbände und Firmen in den Abteilungen zusammen mit Staatsbediensteten arbeiten. Diese werden wie im Bundesverkehrsministerium beispielsweise von Fraport oder dem Flughafen Köln/Bonn bezahlt. Das wäre nichts Ungewöhnliches, so die Minister, denn den Fachverstand dieser extern bezahlter Mitarbeiter wolle man nutzen. Aber, wen wundert es nun, wenn der Entwurf des Umweltministers zu einem neuen Fluglärmschutzgesetz, das seinen Namen noch verdient hätte, immer mehr ins Gegenteil verkehrt wurde? Und dass sich Mitarbeiter des Ministeriums bei den Beratungen nicht mehr daran erinnern, dass ihre Dienststelle die Ergebnisse der sogenannten Frankfurter Mediation mittrug? Diese sah u.a. ein Nachtflugverbot und eine Lärmberechnung nach der 100/100-Methode für den Frankfurter Flughafen vor. Aber nicht nur in fernen Bundesregierungen ist diese Gedächtnisschwäche erkennbar, auch in der Landesregierung sieht es nicht besser aus. So setzt sich Ministerpräsident Roland Koch gern mit Zusagen für ein Nachtflugverbot bei einem Flughafenausbau in Frankfurt in Szene, während er gleichzeitig in Berlin für ein Fluglärmgesetz eintritt, das ein Nachtflugverbot geradezu verbietet. Immerhin, im Landesentwicklungsplan (LEP), der im Frühjahr 2007 vom Landesparlament bestätigt werden soll, offenbart die CDU-Landesregierung die unbequeme Wahrheit, dass das Chemiewerk Ticona mit seinen rund tausend Mitarbeitern und einem Netz an Zulieferfirmen dem Flughafenausbau weichen muss, wenn die Sicherheitsfragen nicht vereinbar sind. Das Wort „Vogelschlag“ kommt in dem Plan nicht einmal vor, obwohl diese Gefahr breiten Raum auch im Erörterungstermin einnahm. Ob Koch diese Sicherheitsfrage als abgehakt ansah, da der Gutachter jetzt für Fraport arbeitet? Allerdings, die Vögel über dem Main werden dadurch nicht weniger fliegen.
EDITORIAL Unbequeme Wahrheiten wird der BUND auch weiterhin sagen müssen. So ist der Bau und das Verfahren um die A 380-Halle als Musterbeispiel für den rücksichtslosen Umgang mit der Natur zu werten. Vom Verwaltungsgericht wurde die Entscheidung, wertvollen Bannwald nicht vor der Rodung zu bewahren, u.a. auch mit dem wirtschaftlich bedingten Zeitdruck begründet, der das Freiwerden des vorher durch die US-Army genutzten Flughafengeländes drei Monate später nicht abwarten könne. Nun erwartet die Lufthansa die ersten A 380 frühestens Mitte 2008. Die (halbe) Halle soll aber bereits Ende 2007 fertig sein. Lufthansa-Vorstand Wolfgang Mayrhuber sieht die Lieferverzögerungen des A 380 als nicht ungewöhnlich an.
Brigitte Martin, Vorstandssprecherin des BUND Hessen
Weiterhin ist es notwendig, dass BUND-Mitglieder unbequeme Wahrheiten auch vor Ort, in den Städten und Gemeinden vortragen. Ob es um den Schutz der Natur geht oder um die Bedeutung des Energieverbrauchs und die Art der Energieerzeugung für den Klimaschutz. Die Jubiläen in den Kreisverbänden und Ortsgruppen zeigen, dass vor Ort mit großer Ausdauer unbequeme Wahrheiten ausgesprochen wurden und werden und auch, dass ein etwaiger Rückschlag das nachhaltige Eintreten der Aktiven für eine l(i)ebenswerte Umwelt nicht aufgeben lässt. Wurden vor dreißig Jahren landauf landab noch Bäche gegen alle Vernunft in ein Betonkorsett gezwängt, gibt die in nationales Recht umgesetzte Europäische Wasserrahmenrichtlinie den Wasserschützern Handhabe, diese Gewässer wieder freizulegen. Im Klimaschutz allerdings muss ein radikales Handeln erfolgen, damit der Klimawandel nicht in eine Klimakatastrophe auch bei uns führt. Eine unbequeme Wahrheit stellt der Anteil des Verkehrs „im Transitland“ Hessen mit seinem Flughafen-Hub dar: rund 40 Prozent des Energiebedarfs entfällt auf diesen Sektor. Packen wir es an, verkünden wir weiterhin gemeinsam unbequeme Wahrheiten und bieten Lösungen im Sinne von Natur und Umwelt an, die letztendlich dem Menschen zu Gute kommen. Hierfür brauchen wir auch Sie. Wenn Sie nicht selbst aktiv sein können, so bitten wir Sie, unsere Projekte und Aktionen mit einer Spende zu unterstützen. Herzlichen Dank sagt Brigitte Martin, Vorstandssprecherin des BUND Hessen
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„Kein Flughafenausbau Frankfurt“ Mensch und Natur brauchen Ihre Hilfe! Spendenkonto: BUND Hessen, Konto 369853, Frankfurter Sparkasse, BLZ 500 502 01, Stichwort „Flughafenausbau“