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Solidarischer Herbst
INTERVIEW
BIS IN DIE GRASWURZELN VERNETZEN
Frank Werneke ist seit 2019 Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft.
Unter dem Motto »Solidarischer Herbst« gingen Verdi und BUND kürzlich gemeinsam auf die Straßen. Dazu befragte das BUNDmagazin den Verdi-Vorsitzenden Frank Werneke.
Herr Werneke, Energie und Lebensmittel sind sehr teuer geworden. Tut die Regierung genug, damit Deutschland solidarisch durch die Krise kommt?
Die Bundesregierung nimmt viel Geld in die Hand. Ich finde aber, die Entlastungspakete gehen noch nicht ausreichend auf unterschiedliche Einkommenssituationen ein. Da fehlt mir noch die soziale Balance.
Die Regierung scheint vor allem viel Erdgas sichern zu wollen, und das durchaus langfristig. Droht der Klimaschutz ins Hintertreffen zu geraten?
Ich glaube die Bundesregierung möchte die Klimaziele tatsächlich erreichen, trotz des derzeitigen Energienotstands. Schon vor dem Krieg gegen die Ukraine galt Erdgas ja als Brückentechnologie, um möglichst schnell die Kohleverstromung zu beenden, bevor genug erneuerbare Energien und vor allem Wasserstoff als Ersatz bereitstehen. Dieser Generalplan steht aus meiner Sicht.
Dass Kohlekraftwerke nun länger am Netz bleiben, ist zwar in dieser Notlage unvermeidlich, aber natürlich nicht gut für den Klimaschutz. Moderne Gaskraftwerke sind weniger schädlich. Deshalb halte ich es in diesem Jahrzehnt noch für sinnvoll, ausreichend Gas zu besorgen, ohne auf Russland angewiesen zu sein. Doch gibt es Grenzen: Jetzt noch zu beginnen, in Niedersachsen per Fracking Gas zu fördern, wie manche vorschlagen, halte ich für einen absoluten Irrweg.
Verdi kämpft vor allem für gute Arbeitsplätze. Der BUND dagegen fordert die Wirtschaft weitgehend umzubauen, um schnell weniger Ressourcen zu verbrauchen. Ergibt sich da ein Widerspruch?
Nein, wobei mehr Klimaschutz nicht automatisch zu besseren Arbeitsbedingungen führt. Auch bei Herstellern von Windrädern oder Ökostromanbietern sind Tarifverträge und Arbeitnehmerrechte weitgehend Fremdwörter, nichts passiert da von allein. Wir wollen auch hier für gute Standards sorgen. Zugleich dürfen die, die in der Energiewende notwendigerweise ihre Arbeit verlieren, nicht ins Leere fallen. Sie müssen gut abgesichert werden, durch gesetzliche Regelungen und Tarifverträge.
Vor einem Jahr forderten BUND und IG Metall in den Koalitionsverhandlungen mehr Tempo bei der Energie- und der Mobilitätswende. Wie können wir solche Bündnisse ausweiten?
Am meisten Wirkung entfaltet unsere Zusammenarbeit, wenn sie nicht auf die Vorstandsebene beschränkt ist. Das Ziel muss es sein, uns vor Ort bis in die Graswurzeln zu vernetzen. Ich sehe da durchaus eine Entwicklung. Mit »Fridays for Future« haben wir kürzlich bei einer Kampagne für den Nahverkehr eng kooperiert, um die Lage der Beschäftigten in Bus und Bahn zu verbessern und klimafreundliche Verkehrskonzepte anzustoßen. Gewerkschaften und Umweltverbände haben als gesellschaftliche Bewegungen eine unterschiedliche Identität, aber auch ein großes Maß an gemeinsamen Interessen. Die zu verbinden, ist der absolut richtige Weg. Und den gehen wir gern mit allen Verbänden, die nicht beim Naturschutz im engeren Sinn verharren, sondern auch eine gerechte Gesellschaft anstreben.
Am 22. Oktober demonstrierten BUND, Verdi und weitere Verbündete für eine solidarische, zukunftsgerechte Politik. Was lag Ihnen da besonders am Herzen?
Es muss gerechter zugehen – dass mit der Gaspreisbremse ungedeckelt auch Villenbesitzer gefördert werden, halte ich für eine krasse Fehlentscheidung. Auch dürfen wir unter diesem Preisdruck nicht das Recht der Leute auf eine sichere Versorgung und eine warme Wohnung gegen unsere Nachhaltigkeits- und Klimaziele ausspielen. Und ich wollte zeigen, dass wir dafür eintreten, dass dieser Krieg mitten in Europa bald ein Ende findet.