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Gerettete Landschaft 30/31 Moore schützen 32/33 Gefährdet: FeldSandlaufkäfer 34/35 EUSchutzgebiet
GERETTETE LANDSCHAFT
Am Bauernberg im südöstlichen Vorland des Nationalparks Hainich breitet sich auf über 50 Hektar eine halboffene Landschaft mit Streuobstwiesen aus. Seit drei Jahren ist der BUND Thüringen hier aktiv. Er bemüht sich darum, dass mehr als 1500 Pflaumen-, Kirsch-, Apfel- und Birnbäume nach langer Vernachlässigung wieder regelmäßig geschnitten und von Misteln befreit werden. Auch lichtet er verbuschte Wacholderheiden und Halbtrockenrasen auf. Davon profitieren zahllose Insekten und Vögel wie Wendehals, Grauspecht, Heidelerche und Neuntöter.
SCHUTZ FÜR GEFÄHRDETE ARTEN
MOORSCHUTZ IM GROSSEN STIL
Moore galten lange als wertlos und gefährlich. Sie wurden trockengelegt oder abgebaut. Der BN hat diesen Fehler früh erkannt und 1933 das erste Moorgrundstück zum Schutz gekauft. Heute besitzt er über 800 Hektar Moor.
Den Anfang machte ein 6,5 Hektar
großes Moorstück an der Gfällach, einem Kernbereich des Erdinger Mooses bei München. Es war der erste Grundstückskauf des BN in Südbayern. Heute machen die Moore mit mehr als 800 Hektar etwa ein Drittel aller BN-eigenen Flächen aus.
Dazu kommen zahlreiche Pacht und Pflegeflächen in Moorgebieten. Der Natur und Artenschutz in den oft sagenumwobenen Moorlandschaften mit ihren hochspezialisierten und bedrohten Tierund Pflanzenarten stand für den BN von Anfang an im Vordergrund. Doch Moore haben noch eine weitere wichtige Bedeutung: Sie sind essenziell für den Klimaschutz.
WARUM MOORSCHUTZ AUCH KLIMASCHUTZ IST
95 Prozent der bayerischen Moore sind heute in ihrem Wasserhaushalt gestört oder gar vernichtet, »kultiviert« für Torfabbau, landwirtschaftliche Nutzung und sogar Bebauung. Die gestörten Moore heizen den Klimawandel weiter an. In intakten Mooren baut sich aus abgestorbenen Pflanzenteilen, die wegen des Sauerstoffabschlusses unter Wasser nicht zersetzt werden können, eine Torfschicht auf. Sie wächst etwa einen Millimeter pro Jahr und kann bis zu zehn Meter dick werden. In entwässerten Mooren trocknet diese aus und der Torf zersetzt sich. Der organisch gebundene Kohlenstoff geht als CO2 und Methan in die Luft, Stickstoff wird als Lachgas emittiert. Alle drei Gase sind in höchstem Maße klimaschädlich. Je intensiver Moore entwässert und genutzt werden, desto mehr Treibhausgase setzen sie frei. In Bayern sind das insgesamt etwa 5,1 Millionen Tonnen. Das entspricht sechs Prozent der gesamten energiebedingten Treibhausgasemissionen des Freistaats. Am gravierendsten ist der oben beschriebene Effekt, wenn auf Moorböden Äcker entstehen.
MENSCHEN FÜR MOORSCHUTZ
Der Moorschutz im BN hat seinen Schwerpunkt im Süden des Freistaats, wo die meisten Moore liegen. Die BNGruppen engagieren sich dort in etwa 50 größeren Projekten. Besonders aktiv sind sie im Alpenvorland, in Mittelgebirgen wie im Bayerischen Wald, in den großen Moorachsen
Die Karte zeigt Moore in Bayern (grün) und Moorflächen in BNBesitz (rot). (BNFlächen nicht ganz maßstabsgetreu)
entlang von Flusstälern wie Donau und Isar oder am Rand der Münchner Schotterebene.
Auch die BNFlächen sind zu Beginn nur selten in naturnahem Zustand. Nach dem Ankauf stehen daher Maßnahmen zur Renaturierung und Pflege an. Das können beispielsweise Mahd, Entbuschung, die Entwicklung artenreicher Feuchtlebensräume oder extensive Beweidung sein. Die zentrale Aufgabe ist jedoch immer, den Grundwasserstand wieder anzuheben. Damit das Wasser nicht weiter aus dem Moor fließt, müssen Entwässerungsgräben geschlossen und angestaut werden. Aus Klimaschutzsicht ist ein Grundwasserstand von zehn Zentimeter unter der Geländeoberfläche optimal.
Die Renaturierung der Moore dient aber nicht nur dem Klima, auch die moortypische Artenvielfalt profitiert davon. Bestände seltener Raritäten wie Sonnentau oder Arktische Smaragdlibelle erholen sich dadurch, wie wissenschaftliche Begleituntersuchungen und Langzeitbeobachtungen auf vielen BNFlächen zeigen.
Je mehr Flächen eines Moores dem BUND Naturschutz gehören, desto einfacher ist die Anhebung des Grundwasserstandes. Bei der Moorrenaturierung arbeitet der BN mit vielen Partnern zusammen – zunehmend auch mit dem Biber, der mit seinen Dämmen in Entwässerungsgräben den nötigen Anstau kostenlos übernimmt. In manchen Moorgebieten hilft der BN auch ohne eigene Flächen bei der Renaturierung, wie etwa im Bereich des Staatsforstes im Ödmoos und im Werdensteiner Moor. Und in großen landwirtschaftlich genutzten Niedermooren engagiert sich der Verband auch über die BN Flächen hinaus für eine moorverträgliche Nutzung zusammen mit Landwirten, wie zum Beispiel im Projekt Freisinger MoosWeiderind mit einem Biolandwirt.
ES MUSS VIEL MEHR PASSIEREN
Die Erkenntnis, dass Moorschutz nicht nur Natur, sondern auch Klimaschutz ist, hat sich auch bei der Politik mittlerweile durchgesetzt. Die Wertschätzung der Moore hat deutlich zugenommen. Und so hat der BN viele Flächenkäufe und Projekte in Moorgebieten mit finanzieller Unterstützung durch den Bayerischen Naturschutzfond und staatliche Förderprogramme realisiert.
Um das 1,5GradZiel zu erreichen, muss Bayern bis 2035 klimaneutral werden. Moorschutz ist dafür ein wichtiger Baustein und muss deshalb deutlich schneller auf viel größerer Fläche als bisher vorankommen. Um gerade bei den stark genutzten Niedermooren die Umstellung der Landwirte auf natur, klimaund moorverträgliche Bewirtschaftung voranzubringen, müssen moorschädliche Subventionen eingestellt und Moorschutz in den bayerischen Förderprogrammen und der europäischen Agrarpolitik stark gefördert und als gute fachliche Praxis festgeschrieben werden. Auf europäischer Ebene wurde diese Chance gerade vertan. Nun muss die bayerische Staatsregierung ihre Möglichkeiten nutzen und schnell die Weichen für Moorschutz auf großer Fläche stellen. Christine Margraf (ht)
Der Blauschillernde Feuerfalter auf einem SchlangenKnöterich (Bistorta officinalis), der Futterpflanze seiner Raupen.
GROSSARTIGER FUND
Wie wertvoll die vom BN gesicherten Moorflächen sind, zeigt ein aktueller Fund bei Haidmühle. Dort, am Grünen Band BayernTschechien, im Tal der Kalten Moldau, hat der BNAktive und Schmetterlingsspezialist Michael Bäumler kürzlich den Blauschillernden Feuerfalter (Lycaena helle) entdeckt. Es ist der erste Nachweis dieser Art auf der bayerischen Seite des Grenzgebiets und ein Wiederfund für den Bayerischen Wald. Dort wurde der Falter zuletzt zwischen 1951 und 1980 dokumentiert. In den 1990er Jahren ist er in Tschechien bei Nové Údolí wiederangesiedelt worden. Wahrscheinlich stammt das jetzt gefundene Tier aus dieser Population. Dass die Art ihren Lebensraum über die Grenze hinweg ausweitet, unterstreicht den guten ökologischen Zustand der Moorflächen am Grünen Band.
Die Flächen bei Haidmühle sind Teil des großen Moorschutzprojekts »LIFE for MIRES«, das die EU und der Bayerische Naturschutzfonds fördern. Der BN ist für drei Gebiete auf bayerischer Seite verantwortlich. In dem Vorhaben renaturieren Naturschützer grenzübergreifend Biotope. Sie entbuschen beispielsweise Moore und heben deren Wasserstand wieder an. Davon profitieren typische Bewohner wie der Hochmoorlaufkäfer, die Waldbirkenmaus oder der Sonnentau. Das Projekt läuft noch bis Ende 2024.
Bedroht
Käfer bilden die Tiergruppe mit den weltweit meisten Arten. Alleine in Deutschland wurden bislang mehr als 6500 verschiedene Käfer entdeckt. Der Feld-Sandlaufkäfer ist einer von ihnen. Er bewohnt trockene, sonnige Lebensräume, die höchstens spärlich mit Pflanzen bewachsen sein dürfen. Hier hat der rasante Läufer freie Bahn, um kleine Spinnen und Insekten zu erbeuten.
Wie so viele Insekten ist auch dieser einst verbreitete Käfer heute selten geworden. Geeignete Biotope werden bebaut oder intensiv landwirtschaftlich genutzt. Dies schadet dem Käfer, zumal er empfindlich auf Pestizide reagiert. Etliche vom BUND betreute Flächen bieten dem Feld-Sandlaufkäfer noch ausreichend Lebensraum.
Die Bewirtschaftung des Waldreviers Quierschied orientiert sich am Prozessschutz.
SAARKOHLENWALD
VORBILDLICH
Drei BUNDAktive (von links): Gangolf Rammo vom Arbeitskreis Wald, der Landesvorsitzende Christoph Hassel und der Quierschieder Revierförster Roland Wirtz
Europäische FFH-Schutzgebiete müssen in einem »guten Erhaltungszustand« sein. Doch was genau heißt das für die Bewirtschaftung der Wälder darin? Im Saarland gibt es dazu bald klare Vorgaben. Der BUND hat sie mit entwickelt.
Eher die Regel als die Ausnahme: In
einem EU-geschützten Wald fällt ein Forstbetrieb regelmäßig alte Buchen und Eichen. Bald weist das Kronendach große Lücken auf, das so wichtige feuchtkühle Innenklima ist empfindlich gestört. Ein ganz klarer Verstoß gegen das »Verschlechterungsverbot« in FFH-Gebieten, so sollte man meinen. Doch gerichtlich lässt sich nur schwer dagegen angehen. Denn in keinem Bundesland ist bisher genau bestimmt, wie die Forstwirtschaft den Schutzzielen im Wald entsprechen muss. Zumindest im kleinen Saarland soll sich das nun ändern. KLARES MANKO
Rund ein Viertel des deutschen Waldes ist als FFH oder Vogelschutzgebiet EU rechtlich geschützt. Den übergroßen Teil bilden Laub und vor allem Buchenwälder. Und die werden deutschlandweit oft noch wenig nachhaltig genutzt. Das widerspricht zwar eindeutig dem hier vorrangigen Naturschutz. Doch die Verordnungen und Managementpläne der Waldschutzgebiete sind regelmäßig zu schwach und zu schwammig, um eine solche forstliche Praxis verhindern zu können.
Im Saarland erkannte nicht nur der BUND mit dem Arbeitskreis Wald dieses Manko. Moderiert vom Umweltministerium setzten sich Forstverwaltung und Umweltverbände an einen Tisch. Das gemeinsame Ziel: höhere Standards für einen möglichst natürlichen und somit stabilen Wald.
NEUER LEITFADEN
Wie viele Bäume müssen in einem Laubwald stehenbleiben dürfen, damit er ausreichend schattig und feucht ist? Wie nah muss das Spektrum seiner Baumarten dem natürlichen Vorbild kommen? Wie viel verwitterndes Holz ist nötig, damit ein Wald die typische Vielfalt der Insekten und Vögel, Pilze und Flechten bildet? Diese und weitere Fragen beantwortet der Handlungsleitfaden »Biodiversität im Wirtschaftswald«.
Auf wissenschaftlicher Basis nennt er Mindestkriterien für eine FFHgerechte Waldwirtschaft und einen Wald in günstigem Erhaltungszustand. Derzeit schult »Saarforst« seine Revierleiter, damit die neue Richtlinie bis zum Jahresende um
gesetzt ist. Ein solch verbindliches Regelwerk für große Staatsforstbetriebe ist ein echtes Novum. Dank der engen und gleichberechtigten Zusammenarbeit mit BUND und Co wird das kleinste Flächenland bundesweit zum Vorbild für eine FFH verträgliche Waldwirtschaft.
MUSTERWALD IM BALLUNGSRAUM
Ein großer Staatswald nördlich von Saarbrücken zeigt schon jetzt anschaulich, was zeitgemäße Forstwirtschaft bedeutet. Zeitgemäß, weil sie der biologischen Vielfalt Raum bietet, sich zu entfalten. Und weil sie dem Wald die Chance lässt, sich gegen die häufigeren Wetterextreme der Klimakrise zu wappnen.
Der FFHgeschützte Saarkohlenwald liegt in einem Ballungsraum, die Bevölkerungsdichte ringsum ist doppelt so hoch wie im deutschen Durchschnitt. Von Autobahnen und Siedlungen umzingelt, wirkt der Wald wie eine Oase. Zu jeder Jahreszeit bevölkern Jung und Alt die schattigen Wege, mit Hunden oder Kinderwagen, zu Fuß und auf dem Rad.
Gleichzeitig bietet der Wald viele Nischen für Pilze, Pflanzen und Tiere. Auf 95 Prozent der Fläche wachsen Buchen, Eichen und andere Laubbäume. Ein Waldumbau wie in Fichten und Kiefernforsten
Das FFHGebiet Saarkohlenwald mit den drei unterschiedlich genutzten Forstrevieren
ist hier nicht nötig. Gegliedert ist der Saarkohlenwald von Nord nach Süd in drei Reviere. Was unterscheidet sie?
DREI KONZEPTE, EIN ZIEL
Am leichtesten fällt die Antwort im tausend Hektar großen »Urwald«, der langfristig zur Waldwildnis werden soll. Die Säge kommt hier nur noch zum Einsatz, wenn Äste oder ganze Bäume auf Wege und Straßen zu stürzen drohen. Dann gilt wie überall das Gebot der Verkehrssicherung.
Nördlich grenzt das Revier Quierschied an. Hier orientiert sich die Waldwirtschaft seit 25 Jahren am Prozessschutz: Um die natürliche Dynamik zu wahren, greift der (im BUND aktive) Förster Roland Wirtz möglichst wenig ein. Er erntet Holz, doch nur so viel das Ökosystem Wald verträgt.
Bleibt das Revier Rastpfuhl. Es wird nach den Kriterien des Forstbetriebes relativ schonend bewirtschaftet, bereits seit 1988 gilt hier die naturnahe Waldwirtschaft. Mit dem Handlungsleitfaden wird sich die Nutzung künftig noch stärker am Naturwald orientieren.
Nicht nur im Saarkohlenwald werden bald die Mindeststandards der FFHRichtlinie gewahrt, sondern überall im Staatswald des Saarlands. Der Leitfaden ist dann die Basis der »Forsteinrichtung«, sprich: der Detailplanung fürs nächste Jahrzehnt.
Die Naturwaldzelle Hölzerbachtal ist seit 50 Jahren eine wichtige Lernfläche für die Forstwirtschaft.
Wurzelteller umgestürzter Buchen sind wertvoll für die Artenvielfalt. Im Revier Quierschied bleiben sie unangetastet.
Hier erhält der BUND künftig Einblick, in FFHGebieten sogar ein Mitspracherecht. Möglich macht diese mustergültige Praxis nicht zuletzt ein Beschluss der Landesregierung. Um den Wald zukunftsfest zu machen (und nicht ausbeuten zu müssen), darf Saarforst auch mal Verluste machen. Das Geld, das im Haushalt zum Ausgleich bereitsteht, ist gut angelegt. Da sind sich BUND und Forstbetrieb einig. Severin Zillich
Die Voraussetzungen für eine naturgemäße Waldwirtschaft sind im Saarland günstig. So ist der Anteil des Staatswaldes mit 41 Prozent ungewöhnlich hoch, 30 Prozent gehören den Kommunen, nur 29 Prozent sind Privatwald. Ein Zehntel des Staatswaldes ist bereits frei von forstlicher Nutzung, ein Spitzenwert unter den Bundesländern. Zudem sind drei Viertel Laubwald, geprägt von Buchen und Eichen.
30 %
Kommunaler Besitz
29 %
Privatbesitz
41 %
Staatswald