Politik des Gehörtwerdens: Dialog stärkt Demokratie Die Zufriedenheit mit dialogischer Bürgerbeteiligung fördert die Zufriedenheit mit der Demokratie. Die Menschen im benachbarten Baden-Württemberg nehmen Verbesserungen wahr. Aber sie fordern mehr. Ein Studieneinblick von Prof. Dr. Frank Brettschneider. Vor zehn Jahren wurde mit Winfried Kretschmann erstmals ein Grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Eines seiner Markenzeichen: die „Politik des Gehörtwerdens“. Damit war ein anderer Politik-Modus gemeint: Dialog statt „Basta-Politik“. Um diesen Dialog zu stärken, richtete Kretschmann in der Landesregierung die Position einer Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung ein. Ein Planungsfaden des Landes gibt Hinweise darauf, wie im Gespräch mit Bürger*innen gesellschaftlich tragfähige Lösungen gefunden werden können. Die Strukturen in den Verwaltungen wurden für den Dialog gestärkt. Und nicht zuletzt wurde ein Erfolgsmodell aus Vorarlberg importiert: In den letzten Jahren kamen in Baden-Württemberg vermehrt Bürgerräte zum Einsatz. In ihnen haben zufällig
Prof. Dr. Frank Brettschneider ist als Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim in Stuttgart tätig. https://komm.uni-hohenheim.de
Politik des Gehörtwerdens: Dialog stärkt Demokratie
ausgewählte Bürger*innen auf Landesebene über die Altersversorgung der Landtagsabgeordneten diskutiert. Oder über Corona. Oder über die Sanierung der Staatsoper in Stuttgart. Und auch auf der kommunalen Ebene wächst die Zahl der Projekte, zu denen Bürgerräte durchgeführt werden. Aber hinterlässt eine solche Politik Spuren in der Bevölkerung? Wie zufrieden ist die Bevölkerung mit dem Funktionieren der Demokratie? Wünscht sie sich noch mehr Dialog? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben wir Anfang des Jahres zusammen mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut „forsa“ 4.066 Menschen befragt – 2.513 Personen in Baden-Württemberg und 1.553 im restlichen Bundesgebiet.
Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie ist groß Insgesamt ist ein große Mehrheit der Menschen in BadenWürttemberg mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden. Die Zufriedenheit ist auf Landesebene am größten (74 % Zufriedene). Es folgen die Bundesebene und die kommunale Ebene. Auf allen drei Ebenen sind die Menschen in Baden-Württemberg zufriedener als der Bundesdurchschnitt. Und: Die Demokratie-Zufriedenheit und die Zufriedenheit mit der dialogischen Beteiligung gehen Hand in Hand. Die dialogische Beteiligung genießt dabei in der Bevölkerung ein deutlich größeres Ansehen als die Instrumente der direkten Demokratie. In der dialogischen Beteiligung berät die Bürgerschaft die demokratisch gewählten Organe – etwa den Gemeinderat oder den Landtag. In der direkten Demokratie entscheidet die Bürgerschaft unmittelbar.
Bürger*innen bevorzugen eine repräsentative Demokratie mit Dialog-Elementen Etwa zwei Drittel der Befragten wünschen sich eine repräsentative Demokratie mit Dialog-Elementen. Die politischen Entscheidungen sollen zwar grundsätzlich von den gewählten Repräsentant*innen getroffen werden. Vorher sollen sie
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