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Bau me ister
11 2 . J a h r g a n g
Juli
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Das ArchitekturMagazin
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C h i p p e r f i e ld Architects
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Cottone + Inde licato Maria Giuseppina Grasso Cannizzo Cino Z u cc h i
Italia und Germania
D A,L C H
15 E u r o 17 E u r o 23 SFR
Erkaltete Liebe?
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Köpfe
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Dating Nicole Kidman Der Architekt Cino Zucchi ist ein Erforscher der italienischen Seele, nicht zuletzt durch sein Programm für den Pavillon Italiens auf der letzten Architekturbiennale. Momentan sieht er viel Umbruch und Unsicherheit im Land – blickt aber optimistisch in die Zukunft.
T itelt h ema I talia und G e r mania
te x t
Alexander Gutzmer
D
as Szenario ist fast zu klischeehaft, um wahr zu sein: Deutscher Journalist besucht italienischen Architekten, um über das Verhältnis beider Länder zu sprechen. Der Deutsche will einen Konferenzraum, der Italiener kommt mit der Vespa – und das Gespräch beginnt mit einer Stadttour durch ein sonniges Mailand. Wie so viele Klischees stimmt auch dieses. Genau so lief nämlich mein Termin mit Cino Zucchi. Die Tour durch die Metropole war aber mehr als touristische Dekoration. Wer Cino Zucchi verstehen will, sollte mit ihm durch Mailand fahren. Denn zum einen baut Zucchi viel dort. Und zum anderen finden sich im architektonischen Bild der Stadt viele Referenzen, die ihm wichtig sind. Zum Beispiel die Bauten von Luigi Caccia Dominioni. Der hat in der frühen Nachkriegszeit den Wohnungsbau in Mailand maßgeblich vorangetrieben – und zwar mit einer Architektur, die sich und der Stadt bei ihrer formal-modernistischen Strenge doch auch ein beträchtliches Maß an Freiräumen erarbeitete. Durch farbige Fassadenlösungen etwa oder durch unterschiedliche, aber gelungen rhythmisierte Fenstergrößen. „Caccia Dominioni hat Mailand geprägt – und sicher auch mich“, ruft Zucchi, während wir durch Mailands Norden kurven. Und der heute 101 Jahre alte Architekt wird von Medien und Architekten gerade wieder entdeckt. Folglich muss Zucchi immer mal wieder den Kontakt herstellen zu dem noch lebenden Caccia Dominioni. Hoffnungsträger Mailand
Links: Der Architekt bei der Arbeit. Cino Zucchi gilt als einer der derzeit wichtigsten Architekten Italiens.
Eine Wiederentdeckung scheint gerade auch Mailand zu erleben. Es kommt womöglich nicht von ungefähr, dass nahezu zeitgleich die Herren Koolhaas, Isozaki und Chipperfield ebenso wie Zaha Hadid in der Metropole große Baukomplexe vollenden. Das hängt einerseits mit den großen Neubauprojekten wie dem riesigen Planungsgebiet Porta Nuova zusammen, in dem Arata Isozaki in diesem Jahr seinen 202 Meter hohen Turm fertig stellte. Es liegt aber auch an der Stadt. Man scheint sich für Mailand zu interessieren. Vielleicht auch, weil man sich aus der immer als Geschäftsmetropole verschrieenen Stadt eine Art Neuerweckung Italiens erhofft? Ein bisschen ist das so, sagt Zucchi. „Die Italiener erwarten, dass Mailand ihnen einen Weg aus der Stagnation zeigt.“ Ansätze dazu sieht er auch tatsächlich. Zum Beispiel in der Möbelmesse. „Der Salone del Mobile hat in den vergangenen Jahren die Stadt verändert. Sie wird zu Messezeit für einen Monat zu einem kollektiven
11 Projektraum.“ Überall in der Stadt entstehen dann spannende Installationen, finden substanzielle Talks statt. Darüber hinaus kommuniziert die Anwesenheit der kommerziellen Möbelwelt auch schlicht einen hohen Anspruch an Qualität und ökonomische Performance – einen Anspruch, dem sich Italien und sicher auch Mailand sonst vielleicht nicht so gerne aussetzen. Chaos und Ruhepol Mailand ist ein Widerspruch: kommerziell orientiert, aber eben auch mediterran. Und genau in dieser Widersprüchlichkeit steht die Stadt vielleicht gerade heute sinnbildlich für das Italien unserer Tage. Denn dieses Land „ist widersprüchlich und liebt die Widersprüche“, sagt Zucchi. Zum Beispiel im Umgang mit der eigenen Identität. Italien kreist viel um sich selbst, doch es verhandelt auch das Eigene, das spezifisch Italienische immer wieder neu. Und es öffnet sich gerne dem ehedem als unitalienisch Angesehenen, dem Input von außen. In Neubauvierteln wie Porta Nuova oder dem etwas weiter westlich gelegenen „City Life“ wird dies schlicht durch die Phalanx an Stararchitekten deutlich, die dort Projekte umsetzen. Zucchi ergänzt: „Gestern Abend saßen meine Frau und ich mit Freunden auf einer Dachterrasse mit Blick auf den Dom. Meine Frau sagte, sie fühle sich in Mailand immer wie im Urlaub.“ Die Metropole als willkommener Urlaub von Italien. Diese Perspektive mag den Deutschen, die an ihrem südlichen Nachbarn das Chaotische bewundern, befremden. Aber aus Sicht eines Landes auf Selbstfindungskurs macht es durchaus Sinn.
I
n diesem Prozess der Selbstfindung spielt Zucchi selbst eine Hauptrolle. Zum einen natürlich durch die Projekte, die sein Büro verwirklicht. Am symbolträchtigsten sind vielleicht die Planungen für das ehemalige Industrieareal Junghans auf der GiudeccaInsel in Venedig. Für das Großprojekt wurde das Büro international ausgezeichnet, unter anderem mit dem Mies-van-der-Rohe-Preis. Konzeptionell aber vielleicht noch wichtiger war Zucchis Arbeit für den italienischen Pavillon auf der letzten Architekturbiennale. Unter anderem um die Monditalia sollte es da ja gehen. Und Zucchi entwarf ein komplexes Bild vom Land: Er zeichnete das Bild eines Italiens, das sich zugleich neu entwirft. Das aber wollte Zucchi durchaus positiv gewertet sehen. So entstand das Bild eines unfertigen, an sich selbst sich abarbeitenden und auch W eite r
Repr채sentative Niederlassung der Prada-Kunststiftung in Mailand
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Foto: Rol and Halbe
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11 Ideen: Fondazione Prada Torre del Borgo Expo 2015 in Mailand Apartment in Venedig Mudec in Mailand Steg auf Sizilien
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Ideen
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T ite l t h e m a Italia und Ge r m ania
Der erste Eindruck auf dem ehemaligen Werksgel채nde. Der vergoldete Turm mit Empfang (siehe auch Seite 20) dient der Orientierung.
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Goldener Hybrid Die wahren Imperien in Mailand gehören der Modeindustrie. Inzwischen binden die Firmen auch große internationale Architekten an ihre Namen: OMA an Prada, Tadao Ando an Armani und David Chipperfield an Valentino. Nun ließ die engagierte Prada-Kunststiftung ein ehemaliges Gewerbeareal von OMA für die Ausstellung ihrer Kunstsammlung umbauen und ergänzen. Das Projekt wirkt sich schon jetzt auf die Umgebung aus und hebt die Preise im ärmlichen Viertel um die Porta Romana. A r c h itekte n
k r itik
F otos
OMA
Norman Kietzmann
Roland Halbe
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Nördlicher Ausstellungsbau
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2 Bibliothek
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Goldener Ausstellungsturm „Geisterhaus“ 4 Café 5 Podium (Wechselausstellungen)
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Zum Gewerbeareal
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der ehemaligen Gin-Brennerei von
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1910 gehören sieben
Lager
bestehende Gebäude
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wie Lager, Labore
Kino
und Silos. Die Architek-
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ten ergänzen drei
Südlicher
Neubauten: ein Ge-
Ausstellungsbau
häuse für Wechsel
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ausstellungen, ein Kino
Zisterne
und einen zehn Stock-
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werke hohen Galerie-
Turm (im Bau)
turm (noch im Bau).
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Ideen
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Eine neue Beton-Schwelle schafft die optische Trennung zwischen Innen und Außen – trotz Einblick durch die Glasschiebetür.
55 A r c hite k te n
k r iti k
Fotos
Act Romegialli
Leonardo Lella
Marcello Mariana
T itelthema I talia u n d G e r ma n ia
Venezianische Schwelle Ein Architektur- und Designbßro verwandelt ein vom Hochwasser bedrohtes Erdgeschoss-Apartment in eine elegante venezianische Wohnung. Das Ergebnis wurde durch die Zusammenarbeit von mehreren kleinen Akteuren mÜglich – ein typisches Merkmal der kreativen und produktiven italienischen Gesellschaft.
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Ideen
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Von auĂ&#x;en betrachtet dient das Betonelement als Schutzwall gegen Hochwasser ...
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... im Innern hat es eine skulpturale Wirkung.