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Dezember
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Das ArchitekturMagazin
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A r n o ld W e r n e r Peter Cachol a Sc h m a l Marie-Theres Deutsch Franken Architekten Pe dro Gadanho Christoph Langhof Christoph M 채ckler Renzo Piano B u i ld i n g W o r k s h o p Se lgascano
Frankfurts neue Giebel Kitsch, Konvention oder Baukunst ? D A,L I C H
15 E u r o 17 E u r o 1 9 , 5 0 EURO 23 SFR
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Einfach machen Sascha Arnold und Steffen Werner sind Architekten. Und Barbetreiber. Und Hotelbesitzer. Der unter Architekten beliebte Abgrenzungsdiskurs interessiert die beiden Münchner nicht. Sie starten lieber das nächste GastroKonzept. Text: Alexander Gutzmer
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ine Wunschvorstellung vieler Architekten ist es, Menschen bei vielen unterschiedlichen Stationen eines Tages zu begleiten. Die alten Großstrukturen hatten so etwas zum Ziel. Sascha Arnold und Steffen Werner ist dies gelungen – ohne Großstruktur. Man kann mit den beiden morgens frühstücken gehen, dann einen Smoothie trinken. Nach einem guten Dinner laden sie zum Drink ein, anschließend zum Feiern in einem angesagten Club – und schließlich zur Bettruhe ins eigene Hotel. Arnold und Werner sind Architekten. Und sie sind Unternehmer – Gastro-Unternehmer genauer gesagt. Sie betreiben in München die Bar „James T. Hunt“, das „Stereo Café“ und das Hotel „Flushing Meadows“. Alles selbst entworfen und designt. Ihr Architekturbüro Arnold/Werner läuft daneben auch noch, ebenso das Designunternehmen Fantomas, jeweils mit gut einem Dutzend Mitarbeitern, ebenfalls in München. „Man kann sagen, wir sind gut beschäftigt“, berichtet Sascha Arnold, nonchalant lächelnd auf der Dachterrasse des Flushing Meadows, während eine Angestellte einen (hervorragenden) Cappuccino serviert.
Porträtfoto: Sacha Tassilo Hoechstetter
Es ist ein lauer Herbstnachmit tag, die Rooftop-Bar recht leer. Noch. Doch es wird auch an diesem Abend wieder voll werden. Die Flushing-Meadows-Bar ist angesagt momentan. Das Hotel auch. „Wir haben 85 bis 90 Prozent Auslastung“, erklärt Steffen Werner. Das ist viel im Hotelgewerbe. Läuft also alles? Ganz so einfach ist das nicht. Ein Hotel zu betreiben ist anspruchsvoll, die Königsdisziplin im Hospitality-Gewerbe. „Wir mussten definitiv Lehrgeld zahlen“, so Werner. Nicht zuletzt wegen der Dachterrasse. Die war schnell populär in München. Und dementsprechend leider auch schnell überfüllt. Denn viel Platz ist nicht im vierten Stock des schmalen Hotels, einem umgebauten Serverzentrum der Telekom im trendigen Gärtnerplatzviertel. Also musste ein Türsteher her. „Das kam erst mal nicht gut an“, so Arnold, ein bärtiger Bär von einem Mann, der in lässiger Kurzhose zum Interview ins Hotel geradelt kam. Arnold und Werner pflegen eine betont entspannte Aura. „Cool“ würde man sie nennen, wäre der Begriff nicht schon so abgegriffen. Sie kommen eher wie Werbe-Unter-
nehmer daher als wie klassische Architekten. Doch die beiden verstehen sich als Architekten. Nicht nur wegen des Abschlusses. Bei der Planung ihrer Unternehmungen nützt die architektonische Vorbildung. „Wir haben sicher ein gutes Gespür dafür, wie Räume funktionieren – und wie man sie besonders macht“, so Arnold. Mehrere Bars, ein Hotel Das James T. Hunt, im Jahr 2013 eröffnet, bietet Barflyern in der Maxvorstadt eine Kombination aus unaufgeregter Coolness und bewussten Akzenten. Die schwarz gehaltene Deckenmalerei hat ein Freund Werners von der Münchner Akademie der Bildenden Künste gestaltet. Den Zinntresen haben sie in Frankreich machen lassen. „Das Material ist weich, da zeichnet sich jede Nacht neu ab“, formuliert Arnold die Idee. Als Architekten haben die beiden ein Gefühl für Räume – und auch für räumliche Inszenie rungen. Dem Flushing Meadows merkt man das an. Die Bar beispielsweise kombiniert warme Farben mit einem Verzicht auf alles schmückende Beiwerk. Weiter
KĂśpfe
...und Steffen Werner sind Architekten – auch.
1 und 2
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Ideen
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Um die Baumasse zu verringern, wird das Wohngeb채ude in zwei H채user mit zwei Spitzgiebeln geteilt.
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Solitär zwischen den Zeilen T ite l thema F R a n kfurts Neue G iebe l
Mit dem „Portikus“, einer Ausstellungshalle auf der Maininsel, hatte Christoph Mäckler 2006 eine Art Archetypus in Frankfurt am Main geschaffen. Sein Projekt „Wohnen am Dom“ führt das Thema nun fort. Architekten: Christoph Mäckler Architekten
Kritik: Yorck Förster
Fotos: Thomas Eicken
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Ideen
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Der Giebel der Erinnerung
29 Zweifellos modern: Der Neubau mit drei Giebeln ersetzt ein Fachwerkhaus, ein dazugehöriges Hinterhaus und seinen Verbindungsbau.
T itelthe m a F r ankf u r ts ne u e G ie b el
Ein Architekt, mit dessen Name man vor allem das parametrische Entwerfen verbindet, baut ein Stadthaus in der Frankfurter Innenstadt. Ganz konservativ mit Giebeln und Lochfassade? Nur scheinbar. Die Erinnerung an den Vorgängerbau ist in raffinierter Weise eingeschrieben. Architekten: Franken Architekten
Kritik: Yorck Förster
Fotos: Eibe Sinnecken
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Ideen
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Möglichst modern bauen in alter Umgebung. Aber: Die zeitgemäßen Gauben müssen nach Satzung kleine Giebel tragen.
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Doppelter Kompromiss T it e l t h e ma F r a n kfu r ts n e u e Giebel
In Frankfurt ist dieses Projekt als Beispiel bekannt, dass ein Mittelweg zwischen modernem Gestaltungswillen und Gestaltungssatzung gefunden werden kann. Die zeitgemäßen Materialien des „gotischen Betonbaus“ lassen Formen zu, die sich mit dem Wunschbild der „Sachsenhäuser Puppenstube“ vertragen. Architekten: Deutsch Architekten
Kritik: Yorck Förster
Fotos: Christoph Theurer
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Fragen
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Wie leben wir im Jahr 2035 ?
Unser Wohnraum wird mehr und mehr zur Maschine. Ob man es mag oder nicht, fest steht: Das Smart Home wird unser zukünftiges Leben stark beeinflussen. Der Baumeister-Studentenwettbewerb „Mooving on!“ geht der Frage auf den Grund, welche architektonischen Formen die intelligenten Häuser annehmen können.
71 Text: Sophie Charlotte Hoffmann
Im Film „Zurück in die Zukunft II“ aus dem Jahr 1989 geht der Wissenschaftler Dr. Brown auf Zeitreise ins Jahr 2015. Im fiktiven Jahr 2015 beherrschen fliegende Autos und Skateboards die Straßen. Flachbildschirme, Skype und Smartphones sind Alltag. Viele dieser Neuerungen sind mittlerweile Wirklichkeit geworden, 1989 noch undenkbare Erfindungen und Szenarien tatsächlich eingetreten. Sie beeinflussen unser Leben heute maßgeblich. Das „intelligente Gebäude“ ist eine weitere Stufe. Wohnungen und Häuser scheinen sich derzeit in begehbare, vernetzte Computer zu verwandeln. Die neue Architektur denkt mit: nicht als starre architektonische Hülle, sondern selbstlernender und automatisierter Wohnraum. Gebäude, die energieeffizient geplant und betrieben werden, stellen schon lange keine Besonderheit mehr dar. Auch „das intelligente Haus“ wird derzeit viel diskutiert. Diese Entwicklungen verändern zunehmend die Bauindustrie und markieren eine Wende im Kampf gegen den Klimawandel. Große Mengen an Energie fließen bekanntlich sowohl beim Bau eines Hauses als auch während des Betriebs, weshalb Energiesparen in diesem Bereich besonders wirkungsvoll ist. Das Nonplusultra ist das „Plusenergiehaus“, doch auch eine intelligente Vernetzung aller Komponenten zu einem gemeinsamen System besitz t ungeahntes Einsparpotenzial. Bereits 1921 forderte Le Corbusier hochentwickelte Wohnmaschinen, Häuser so effizient und funktional wie Maschinen ohne jegliches Dekor. Fabrikgebäude, Fahrzeugkabinen und Dampfschiffe fungierten als Vorbilder für Corbusiers Entwürfe. Diese Zweckmäßigkeit übertrug er auf Häuser. Er sah den Wohnapparat als Instrument an, der das Leben der Bewohner erleichtern sollte. Die Vorgänge vereinfachen, die Hausarbeit effizienter gestalten – Le Corbusier baute Müllschlucker in seine Häuser ein, Aufzüge und moderne Heiz- und Elektrosysteme. Das moderne Smart Home geht noch sehr viel weiter. Die Zusammenführung aller elektronischen Geräte in einem Gebäudeautomationssystem wie zum Beispiel KNX
bietet die Chance einer optimal koordinierbaren Steuerung. Durch die KNX-Vernetzung sämtlicher Geräte und Anlagen und die mögl iche ex te rne Steue rung übe r Touchpanel oder sogar über öffentliche Netze eröffnen unbegrenzte Möglichkeiten. Die Verknüpfung von Technik, Mensch und Umwelt bringt viele Vorteile. Auch im Bereich der Gestaltung. Wie stellen sich junge, kreative Köpfe unser Leben im Jahr 2035 vor? Wie viele unser täglichen Aufgaben übernimmt die neue Architektur für uns? Wie denkt das Haus mit? „Baumeister CampusLab“ schrieb Anfang April 2015 erstmalig den Studentenwettbewerb „Mooving on!“ aus. Baumeister rief die Studenten auf, Zukunftsvisionen zu entwickeln, wie ein smartes Haus oder Apartment in 20 Jahren funktionieren könnte. Ihre Ideen sollten sie in einem kurzen Film präsentieren. Namhafte Lehrstühle deutschlandweit beteiligten sich am Wettbewerb, und eine Fülle von interessanten Videos wurde eingereicht. Sarah Behrens von der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart gewann mit ihrem Videobeitrag. Er zeigt einen abstrakten, modularen Raum, der „smart“ mit seinen Bewohnern interagiert. Die schützende Hülle denkt mit und passt sich durch automatisierte Sensorik ideal an. Eine Lichtdecke simuliert die auf den Biorhythmus abgestimmte Tageszeit und Luftrate; Duftaromen und Sound verändern sich entsprechend der Atmosphäre. Nun geht der Wettbewerb Mooving On! in die nächste Runde. Das Baumeister CampusLab fordert Studenten auf, Visionen zu entwickeln, wie eine intelligente Vernetzung von Mensch, Stadt, Architektur und Technik aussehen könnte. Im Jahr 2050 werden mehr als zwei Drittel der Menschheit in Städten leben. Ein Höchstmaß an Vernetzung aller Lebensbereiche ist erforderlich, um diese ungeheure Herausforderung zu bewältigen. Bisher sind unsere Städte schätzungsweise nur zu einem Prozent vernetzt. Wie werden alle Player interagieren, wenn die Vernetzungsmöglichkeiten zu 100 Prozent erfüllt sind? Wie werden „Smart Cities“, die intelligenten Städte der Zukunft, funktionieren? Wie stellen sich die Gestalter von Morgen das komplexe Gefüge Stadt vor? Lehrstühle aus ganz Deutschland werden sich diesem Thema im Wintersemester 2015/2016 widmen und nach konkreten Lösungsansätzen suchen.
Siegerprojekt
Das Video von Sarah Behrens stellt die verschiedenen Szenen dar, die sich in einem Smart Home abspielen können: Nachtmodus, herausklappbare Möbel und aus der Wand kommende Kaffeemaschinen sowie ein simulierter Wald, in dem man Sport macht.