August 2014
Garten+
Landschaft Zeitschrift f체r Landschaftsarchitektur
Stadtr채ume
Inhalt 8/2014
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Eine Kreis aus Holzstangen ist Teil eines Heckenlabyrinths, das Kinder in den Außenanlagen der Kindertagesstätte am Karlsruher Institut für Technologie erkunden können (Seite 28). Grafik: capattistaubach
Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
Stadträume
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Freiraum als Luxus Uwe Rada Die Dachterrasse des Bikini Berlin
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Vom Verkehrskreisel zum Quartierplatz Thomas Armonat Der Harras in München
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Ein edler Pflasterteppich für Landsberg Elisabeth Rathjen Der Hauptplatz im bayerischen Landsberg am Lech
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Platz, Park, Multifunktionsraum Juliane von Hagen Der Kesselbrink in Bielefeld
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Zurück zur Stadt Anette Kolkau Die Plätze des ehemaligen Hochofenwerks Schalker Verein
Editorial
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In Zeiten der Cholera Robert Schäfer
Journal
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Frei für Jedermann – Betreten erwünscht Robert Schäfer Hundert Jahre Hamburger Stadtpark, Hundert Jahre Stadtgrün Hamburg und Altona
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Das verspiegelte Kinderuniversum Dagmar Lezuo Neue Außenanlagen am Karlsruher Institut für Technologie
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Der Park als Synthese Robert Schäfer Buch zum hundersten Geburtstag des Hamburger Stadtparks
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Eine neue Mitte Ursula Kellner Neue Plätze für den Campus der Hochschule Fulda
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Investition in ein Berliner Problemviertel Bettina Krause Acht neue Plätze für die Weiße Siedlung in Neukölln
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Pixel-Park über den Dächern Zürichs Barbara Kirsch Ein verwildernder Dachgarten im Toni-Areal Zürich-West
4 Rechtzeitig zum 100. Geburtstag des Hamburger Stadtparks wurde am 30. Juni das sanierte Planschbecken eröffnet.
6 Neue Plätze und Spielplätze in der Weißen Siedlung, einem sozialen Brennpunkt in Berlin, sollen das Miteinander im Viertel stärken.
8 Die große Dachterrasse macht das Bikini-Haus in Berlin zu etwas Besonderem. Von der Terrasse aus blicken Besucher ins Affengehege des Zoos.
16 Nach langem Ringen wurde im bayerischen Landsberg am Lech der sanierte Hauptplatz eröffnet. Vorher toste der Verkehr um den Barockbrunnen der Stadtmitte.
20 Der zentrale Stadtplatz Kesselbrink in Bielefeld ist zugleich Skateplatz, Marktplatz und Aufenthaltsraum.
Nachrichten Bücher Projekte Produkte Recht Camus Wettbewerbe DGGL Nachrichten Termine Vorschau, Autoren, Impressum
40 43 44 48 49 50 52 58 60 64
32 Der Neubau einer Bibliothek, einer Mensa und eines Studentenzentrums ermöglichte es, auf dem Campus der Hochschule Fulda neue Plätze zu schaffen.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 124. Jahrgang Bilder: LGV C. Blanke, Anita Back, Erik Jan Ouwerkerk, Boris Storz, Rasche GmbH, Michael Wiedemann Titel: Außenanlagen Bikini Berlin, Erik Jan Ouwerkerk
Für die Zukunft gestalten. 2
Garten + Landschaft
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Bayerische Hausbau
Freiraum als Luxus Seit im April die „Concept Mall“ Bikini Berlin eröffnet hat, ist ein Stück Noblesse in den Berliner Westen zurückgekehrt. Das gilt auch für die große Dachterrasse mit Blick auf den Zoologischen Garten.
Uwe Rada „Ich glaub, mich laust der Affe.“ Das Kind ist nicht zu bremsen. Immer wieder drängt es die Mutter zum Blick auf das Pavian-Gehege im Zoologischen Garten. Ein Pavian-Weibchen streicht seinem Jungen immer wieder über den Kopf. „Guck mal, Mama, die lausen sich.“ Mama guckt – und spart sich den Eintritt. Den Blick ins Pavian-Gehege von Deutschlands ältestem Zoo gibt es von der 7 000 Quadratmeter großen Dachterrasse von „Bikini Berlin“ ganz umsonst. Das Bikini-Haus von Paul Schwebes aus dem Jahre 1957 ist die lange Schöne des einstigen Schaufensters Westberlin, leider war sie in den vergangenen Jahrzehnten etwas derangiert. Zuerst verschwand das Luftgeschoss, dieser Bauchnabelstreifen von Erotik, der dem 210 Meter langen Riegel in den prüden Fünfzigern Volkes Namen eingebracht hat. Später verschwand dann auch die Berliner Kunsthalle, deretwegen das Luftgeschoss geschlossen und der Bikini zum Badeanzug wurde. Ein paar Jeans- und Postkartenläden, das war alles, was vom aufregenden „Zentrum am Zoo“ geblieben war. Einst errichtet, um dem Zuckerbäcker-Sozialismus der Stalin allee ein Stück westliche Moderne vor die Nase zu setzen, hatte der Osten, nach der Wende Berliner Mitte genannt, im Wett bewerb der Stadthälften die Nase vorn. Das könnte sich nun ändern. Denn der Luxus hat wieder zurück in den Berliner Westen gefunden. Ein Luxus, der nicht nur in den Boutiquen von Andreas Murkudis, Grifoni
oder Umasan zu finden ist, sondern auch in der freizügigen Gestaltung des Außenraums. Wer sich dem Bikini Berlin vom Bahnhof Zoo aus nähert, gerät in einen Sog. Auf der Höhe des ebenfalls sanierten Kinos Zoopalast, das wie das große und das kleine Hochhaus zum Zentrum am Zoo von 1957 gehörte, zieht es den Besucher auf eine großzügige Freitreppe, die in zwei Absätzen hinaufführt zur Dachterrasse. Soviel Öffentlichkeit hätte man bei einem privaten Investorenprojekt nicht erwartet. Keine imaginäre Grenze, die einem sorgsam ausgetüftelte Nutzungsregeln auf den Weg gibt, sondern eine Einladung, ein Stück des Zoologischen Gartens von oben zu betrachten oder sich auf einem der verstellbaren Sitzmöbel zu fläzen. Einst galt der verschwenderische Umgang mit Raum als Luxus des sozialistischen Bauens. Nun hat der Kapitalismus bewiesen, dass er es auch kann. Der Westen hat im Ringen mit dem Osten den Ausgleich erzielt. „Eine Dachterrasse von dieser Größe ist ein Alleinstellungsmerkmal in Berlin“, sagt Jan Wehberg vom Büro Lützow 7. Der Landschaftsarchitekt zeichnet zusammen mit seiner Kollegin Cornelia Müller verantwortlich für die Außenanlagen von Bikini Berlin. Ganz einfach war die Aufgabe nicht, betont Wehberg. „Wir sind erst spät zu dem Projekt gestoßen, am Anfang wollte der Investor die Freianlage ohne Landschaftsarchitekten realisieren.“ Doch das war schwieriger als gedacht, meint Wehberg. „Das meiste von dem,
was wir gemacht haben, sieht man gar nicht. Immerhin ist es eine große Herausforderung, eine solche Terrasse auf dem Dach einer Mall zu bauen und dafür zu sorgen, dass kein Wasser in das Bauwerk eindringt.“ Dachterrasse auf dem Nebau der Mall Die Dachterrasse von Bikini Berlin liegt auf dem Dach des Neubaus, der auf dem ehemaligen Wirtschaftsweg zwischen Bikini-Haus und Zoologischem Garten errichtet wurden. Darunter befindet sich ebenfalls ein Stück Luxus, der von Andreas Murkudis kuratierte BikiniPool. Er besteht aus 19 sogenannter Pop-Up Stores, die jeweils für ein Jahr an junge Designer und Modelabels vermietet werden. Eine Art F5-Taste der Mall-Betreiber: Mit ihr verjüngt und aktualisiert sich das Gesicht von Bikini Berlin jedes Jahr aufs Neue. Das Bikini Berlin hat viele Väter und Mütter. Im Jahr 2002, gleich nach dem Erwerb des Zentrums am Zoo, engagierte der Investor Bayerische Hausbau den belgischen Konzeptkünstler Arne Quinze, der das architektonische Grundraster samt Neubau, Freitreppe und Dachterrasse entwarf. Den Schlusspunkt setzte seit 2012 das Büro Hild und K mit den Architekten Dionys Ottl. Andreas Hild und Matthias Haber. Das Ergebnis ist ein leichter, scheinbar auf Stelzen schwebender Bau, der im Bikini Berlin wieder das Bikini-Haus sichtbar macht. Zwar wurde das Luftgeschoss nicht wiedergewonnen, allerdings springt das Fensterband des dritten Geschosses etwas Ein öffentlicher Raum auf einer privaten Mall: Die Dachterrasse des Bikini Berlin, gestaltet von Lützow 7, ist frei zugänglich – ein Stadtplatz auf dem Dach.
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Garten + Landschaft
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Vom Verkehrskreisel zum Quartierplatz Bis zu seiner Umgestaltung war der Harras im Münchner Süden nur einer der meistbefahrenen Verkehrsknoten der Stadt. Obwohl er weiterhin als Drehscheibe für den Verkehr funktioniert, gab der Umbau Anwohnern und Passanten ein Lebensgefühl zurück, auf das sie lange verzichten mussten.
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Was funktional in Ordnung schien, ermöglichte den Anwohnern und Passanten jedoch kaum eine Verschnaufpause, kaum eine Gelegenheit den 10 000 Quadratmeter großen Platz für sich zu nutzen. Daher stellte die Stadt München 7,3 Millionen Euro für den Umbau zur Verfügung und lobte einen architektonischen Gestaltungswettbewerb aus, den die Berliner Büros bbz landschaftsarchitekten und atelier pk architekten im Jahr 2008 gewannen. Die Auslobung enthielt die Ergebnisse eines Bürgerworkshops aus dem Jahr 2002. Damals wünschten sich die Beteiligten einen Platz mit „italienischem Flair“. Ziel der Umgestaltung war es, den Verkehrsknotenpunkt funktional zu entzerren und wieder die ursprüngliche Bedeutung als zentraler Quartiersplatz und Aufenthaltsort herzustellen.
Die Mitte des Platzes mit Brunnen und Bänken gehört den Fußgängern, die Radfahrerer nutzen Radwege am Platzrand, die wie die gesamte Fläche gepflastert sind.
Früher Kreisel, jetzt Platz Die Berliner Büros bbz Landschaftsarchitekten und pk Architekten änderten die Verkehrsführung so, dass am Harras wieder ein Stadtplatz mit Aufenthaltsraum entstand.
Boris Storz (2)
Um das zu erreichen, machten die Planer aus dem Kreisverkehr eine T-Kreuzung und verbanden somit die isolierte Insel wieder mit dem Platzrand. Die nördlichen Fahrspuren der Albert-Roßhaupter-Straße verschwanden und der gewonnene Raum wurde Teil des neuen Platzes. So begrenzen nun die gründerzeitlichen Hausfassaden an der Nordseite den Platz. Einige alte Platanen, die vorher zwischen Wartehäuschen
bbz landschaftsarchitekten
Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete Robert Mathias Harras vor den Toren Münchens ein Ausflugslokal. Im heutigen Stadtteil Sendling gelegen entwickelte sich das Café „Zum Harras“ mit Gartenwirtschaft bald zu einem beliebten Treffpunkt. 1903 war es zwar wieder vorbei mit dem Gastbetrieb, was blieb war aber der Name Harras für den Ort an der Gabelung der Landstraßen von München nach Wolfratshausen und Weilheim. Hundert Jahre später konnte keine Rede mehr sein von einem beschaulichen Ort. Inzwischen lag „Am Harras“ an der Kreuzung der verkehrsreichen Plinganser Straße und der Albert-Roßhaupter-Straße. Dieser Ort bildete nicht nur für Autos, sondern auch für zahlreiche Buslinien, als U-Bahn-Haltestelle, S-Bahnhof und Station der Bayerischen Oberlandbahn eine Drehscheibe im Münchner Süden. Damit gehört er zu den verkehrsreichsten Plätzen der Stadt. Die Autos kreisten mehrspurig um eine isolierte und überfrachtete Insel mit U-Bahn-Aufgang, Bushaltestellen, Zeitungsständern, Straßenlaternen und Relikten der nicht mehr genutzten Straßenbahnschienen. Den Harras versorgten U-Bahn, S-Bahn und Busse im Minutentakt mit neuen Menschenmengen, die sie über die Aufgänge an die Oberfläche spuckten.
Stefan Müller
Thomas Armonat
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Dagmar Lezuo
KIT Campus und Kinderuniversum, Karlsruhe
capattistaubach
Bauherr: Vermögen und Bau BadenWürttemberg, Amt Karlsruhe, Abteilung 8 Landschaftsarchitekten: capattistaubach landschaftsarchitekten, Berlin Architekten: Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin Fläche: 6 400 Quadratmeter Fertigstellung: 2013 Kosten: 700 000 Euro
Karlsruhe baut. Das Stadtbild wird noch einige Jahre davon geprägt sein, denn die Straßenbahn wird unter die Erde verlegt. Dazu wird am Durlacher Tor demnächst ein „Maulwurf“ eingesetzt. Die Tunnelvortriebsmaschine wird sich von dort aus durch die Innenstadt fressen und einen mit Beton ausgekleideten Tunnel hinterlassen. Nahe der Großbaustelle am Durlacher Tor liegt das KinderUniversum. Im Herbst 2013 sind die ersten Kinder in die neue Betriebskindertagesstätte des Karls ruher Instituts für Technologie (KIT) einge zogen, die auch als Kinderhotel fungiert. Gelehrt, gelernt und gewohnt wird an dieser Stelle schon länger. Auf dem Gelände, zu dem die Kindertagesstätte gehört, wurde 1907 das Pensionat für Höhere Töchter errichtet. Bereits 1920 wurde das Gebäude in eine Kinderklinik umgebaut und in den sechziger Jahren durch ein Schwesternwohnheim ergänzt. Die beiden Bauwerke stehen heute unter Denkmalschutz. Seit 2003 wird das Areal vom KIT genutzt. Neben einem Studentenwohnheim sind dort im Moment Teile der Fakultät für Informatik, das Sprachenzentrum und das Internationale Studienbüro mit Welcome Office untergebracht. Der Neubau
der Kita rundet das bauliche Ensemble ab und bot zugleich den Anlass, die Außen anlagen in seinem Umfeld zu erneuern. Eine grüne Oase tut sich auf, wenn man die zwischen den Gebäuden gelegene Freifläche betritt. Zu großen Teilen mit Rasen überzogen überrascht dort der Bestand mächtiger Laubbäume, der den Rahmen für eine unverstellte Mitte bildet, die auch den Blick freilässt auf das denkmalgeschützte Pensionatsgebäude. Dessen Anblick erschließt sich vor allem demjenigen, der sich in gebührenden Abstand dazu begibt; und damit zugleich in die ruhiger gelegenen Aufenthaltsbereiche vordringt. Mit robusten Holztischen und -bänken ausgestattet, werden sie wohl vor allem von den Bewohnern des angrenzenden Studentenwohnheims genutzt. Das mit den vielfältigen, auf dem Areal untergebrachten Funktionen verbundene Kommen und Gehen, spielt sich unmittelbar vor dem Pensionatsgebäude ab. An den Fahrradständern, die entlang der Fassade angeordnet sind, stehen bisweilen an die hundert Fahr räder. Das neun Meter lange, gegenüber der Eingangstür platzierte Sitzelement aus anthrazitfarbenem Beton wird ganz selbstverständlich zum Aufenthalt genutzt. Ein
Rasenfelder gliedern das Umfeld der neue Kindertagesstätte des Karlsruher Instituts für Technologie. Die verspiegelte Mauer lässt die Grenze zur Kindertagesstätte verschwimmen.
Das verspiegelte Kinderuniversum Am Karlsruher Institut für Technologie wird den Kindern etwas Besonderes geboten. Im Inneren der neuen Kindertagesstätte wähnt man sich in einem auch so bezeichneten KinderUniversum. Die Außenanlagen überraschen mit ungewöhnlichen Gestaltungs-
Hanns Joosten (6)
elementen wie einer verspiegelten Mauer.
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