Architekturführer Architekturführer Schweiz Schweiz Die besten Bauwerke Die besten Bauwerke des 21. Jahrhunderts des 21. Jahrhunderts CALLWEY Dies ist eine Leseprobe Alle Rechte vorbehalten. Kontaktieren Sie uns, falls Sie das PDF weiter verwenden möchten: info@callwey.de
Inhalt Vorwort Gespräch «Baukultur wird mit jedem Projekt neu geschaffen»
S. 14 S. 16
Kapitel 1 Zürich / Appenzell Innerrohden / St. Gallen / Zug / Schwyz
1
Allianz Suisse – Wallisellen
Zürich S. 26
2
Bahnhofplatz Süd – Winterthur
Zürich S. 27
3
Schulhaus Thal – Staad
St. Gallen
S. 28
4
AufZug – Rorschach
St. Gallen
S. 29
5
Hauptsitz Helvetia Versicherungen – St. Gallen
St. Gallen
S. 30
6
Institute für Pathologie und Rechtsmedizin – St. Gallen
St. Gallen
S. 31
7
Stadtlounge – St. Gallen
St. Gallen
S. 32
8
Lokremise – St. Gallen
St. Gallen
S. 33
9
Sitterwerk St. Gallen – St. Gallen
St. Gallen
S. 34
10
Kunstmuseum – Appenzell
Appenzell Innerrhoden
S. 35
11
Stadtmuseum – Rapperswil-Jona
St. Gallen
S. 36
12
Kulturzentrum Alte Fabrik – Rapperswil-Jona
St. Gallen
S. 37
13
Heizzentrale – Menzingen
Zug S. 38
14
Schiffländepavillon Alpenquai – Zug
Zug
15
Pavillon Stadtgarten – Zug
16
Strandbad Seeburg – Küssnacht am Rigi
Schwyz
17
Auditorium Obstgarten – Stäfa
Zürich S. 42
18
Schauhaus im Botanischen Garten – Grüningen
Zürich S. 43
19
Friedhof – Erlenbach
Zürich S. 44
20
Toilettenhäuschen – Uster
Zürich S. 45
21
Grundschule Leutschenbach – Zürich
Zürich S. 46
22
Theater 11 – Zürich
Zürich
S. 47
23
Bibliothek des Rechtswissenschaftlichen Instituts – Zürich
Zürich
S. 48
24
Haupteingang Zoo – Zürich
Zürich S. 49
25
Elefantenhaus – Zürich
Zürich S. 50
8
S. 39
Zug S. 40 S. 41
Architekturführer Schweiz
26
FIFA Hauptquartier – Zürich
Zürich S. 51
27
Pavillon am Hafen Riesbach – Zürich
Zürich S. 52
28
Bahnhof Stadelhofen – Zürich
Zürich S. 53
29
Kunsthaus Zürich – Zürich
Zürich S. 54
30
Sechseläuteplatz – Zürich
Zürich S. 55
31
Museum Rietberg – Zürich
Zürich S. 56
32
Pneushop – Zürich
Zürich S. 57
33
Turn- und Mehrzweckhalle – Rüschlikon
Zürich S. 58
34
Zentrum für Gehör und Sprache – Zürich
Zürich S. 59
35
Gerätehäuser und Zielturm Sihlhölzli – Zürich
Zürich S. 60
36
SIA Hochhaus – Zürich
Zürich S. 61
37
Tamedia – Zürich
Zürich S. 62
38
Xenix-Bar – Zürich
Zürich S. 63
39
Europaallee – Zürich
Zürich S. 64
40
Kornhaus Swissmill – Zürich
41
Viaduktbögen und Markthalle – Zürich
Zürich S. 66 Zürich S. 67
42 Löwenbräukunst – Zürich
Zürich S. 68
43
Toni-Areal – Zürich
Zürich S. 70
44
Hard Turm Park – Zürich
Zürich S. 72
45
e-science Lab – Zürich
Zürich S. 73
46
Pavillon und Freestylepark – Zürich
Zürich S. 74
47
Zugwerft Herdern – Zürich
Zürich S. 75
48
Stellwerk Vorbahnhof – Zürich
Zürich
49
Bürohochhaus Prime Tower – Zürich
Zürich S. 77
S. 76
9
Vorwort
Seit 40 Jahren fahre ich – wie viele Deutsche – ein paar Mal im Jahr urlaubsweise durch die Schweiz hindurch. Seit 20 Jahren besuche ich Zürich, St. Moritz, Basel und Bern auch beruflich immer wieder extra, nur wegen neuer Architekturen. Seit fünf Jahren bin ich als Kulturredakteur eines Lebensart-Magazins sogar noch häufiger da – wegen Kunst- oder Sportereignissen, die im Land der Eidgenossen passieren. Und in den letzten zehn Monaten war ich, für dieses Buch, praktisch ständig in der Schweiz – Richtfeste, Eröffnungen, Einladungen, Erstbegehungen.
mit Architekturen und einen schönen Plan. Die Liste wurde dann immer länger, und der Plan wurde immer besser. Nur musste die Liste dann wieder kleiner werden. Das Architekturteam des Verlags, die Baumeister-Redaktion, Chefredakteure, Korrespondenten, Schweizer Kollegen und Architekten, befreundete deutsche Architekten, Journalisten aus benachbarten Feldern und die Projektbeteiligten nannten ihre Favoriten, und der Autor bestand natürlich auch auf den seinen. Es wurde gemischt, verworfen, hinzugetan, hinweggespült. Nicht jedes gute Gebäude konnte am Ende gezeigt werden.
Darf man die Schweiz einfach so von außen beurteilen? Aber ja. Man muss die Baukultur im Land der Zauberberge auch aus der Ferne vermessen dürfen. Aber: Versteht man dann überhaupt, was der Heimatschutz ist, was Allmend meint oder was Waffenplatz hier bedeutet? Eine große, schlaue Schweizer Zeitung hat lange Zeit mit ihrem gewissen, besonderen Blick in Deutschland für sich Werbung gemacht. Mit dem Blick, der nicht besser ist – aber eben anders. Ich mag diesen Blick. Von außen sieht man manches besser.
Die gute Nachricht ist: Es gibt in der Schweiz viel mehr gute neue Bauten als wir dachten – und auch als wir zeigen können. Einander ähnliche Bauwerke mussten manchmal weichen, für die Kurzweil des Lesers, der lieber eine Wundertüte als einen Fachkatalog aufschlagen möchte. Von einigen Architekten wollten wir andere Häuser zeigen als diese selbst von sich bevorzugen. Oft wurde innerhalb des Teams darum gerungen, welche Bauten bestimmter Büros nun im internationalen Maßstab die Maßgeblichen wären.
Aber natürlich nicht alles! Als wir 2014 starteten, das Projekt »Die besten Bauwerke der Schweiz im 21. Jahrhundert« in die Wege zu leiten, gab es eine erste Liste
Uns wurde klar, dass wir den Mut zur Lücke haben müssen. Auch die Bereitschft zur subjektiven Entscheidung, die dann vielleicht nicht jeder teilt. Luigi Snozzi? Er mag
16
Architekturführer Schweiz
ja schon älter sein – aber er muss dazu! Der Novartis Campus in Basel? Lieber die besten Häuser herausheben als alle nur mit zwei, drei Worten streifen. Chipperfields Zürcher Kunsthaus schon jetzt? Aber ja, denn es facht auch fünf Jahre vor seiner mutmaßlichen Fertigstellung schon die Träume, Hoffnungen und Vorstellungen an. Libeskind und Tschumi? Unbedingt! Selbst Schuld, wenn manche den Dekonstruktivismus persönlich nicht schätzen oder die Auflösung des Regimes der alten Ordnungen nicht verwinden können. Viele der Architekten haben helfend mitgewirkt – mit Plänen, Daten, Fakten, auch mit Korrekturen. Manchmal sind die Einordnungen des branchenübergreifend arbeitenden Autors näher am Blick der ganz normalen Menschen als die Schöpfer der Architektursolitäre das für gut halten. Wir entschieden uns sehr bewusst dafür, neben der Fachsprache auch Vergleiche aus dem Alltag, persönliche Empfindungen und Reportageelemente zuzulassen oder anzustreben. Danke für das Verständnis.
ben wir aber auch dem technischen Blick das meiste Gewicht – der Beschreibung einer noch nie dagewesenen Konstruktion, eines bionischen Aufbaus oder einer statischen Außergewöhnlichkeit. Das Team hat dabei kräftig mitgewirkt, Daten gewälzt, Zahlen und Fakten gecheckt, Bilder und Pläne erruiert, Sichtweisen in Frage gestellt, auch manchmal ein Projekt abgeschossen. So ist dieses Buch auch ein Forschungsprojekt im Hier und Jetzt geworden, ein prickelndes Experiment, das uns viel Freude, viel Arbeit und faszinierende neue Einsichten bereitet hat.
München, im Juni 2015 Alexander Hosch
Die Menschen, glauben wir, wollen von Tektonik hören, aber manchmal auch vom Tier im Haus oder von der Überwältigung durch die Natur – die in der Schweiz manchmal atemberaubend und zwischen den Viertausendern allgegenwärtig ist. In vielen anderen Fällen ga17
»Baukultur wird mit jedem Projekt neu geschaffen« Ein Gepräch mit Piet Eckert, Annette Gigon, Elli Mosayebi und Jörg Koch Der Erfolg der Schweizer Architektur wird gerne auf eine besondere Baukultur zurückgeführt, die in dem kleinen und kleinteiligen Land gepflegt wird. Doch was genau ist diese Baukultur und woran zeigt sie sich konkret? Für eine Gesprächsrunde Ende März 2015 im Architekturforum Zürich brachte der Architekturkritiker Caspar Schärer vier Persönlichkeiten zusammen, die sich dem Begriff auf unterschiedliche Weise nähern. Annette Gigon ist Partnerin im Büro Anette Gigon / Mike Guyer Architekten, das für einige in diesem Führer aufgeführte Bauten verantwortlich ist. In Deutschland baute sie bei Osnabrück das Besucherzentrum für das Museum Kalkriese. Elli Mosayebi unterrichtet Entwurf und Wohnungsbau an der TU Darmstadt und ist mit ihrem Büro EMI Architekten stark im Wohnungsbau in und um Zürich engagiert. Piet Eckerts Büro E2A Architekten verlässt regelmäßig den Heimmarkt Schweiz und baut in anderen Ländern – unter anderem in Berlin für die Heinrich-Böll-Stiftung und die Tageszeitung taz. Die Seite der Bauherren repräsentiert Jörg Koch als CEO der Pensimo Management AG, die für fünf Anlagestiftungen in Immobilien investiert.
Caspar Schärer (CS) – Der Begriff der Baukultur wird von Architektinnen und Architekten gerne und häufig verwendet. Mitunter ist gar nicht mehr so klar, was wirklich damit gemeint ist. Was verstehen Sie unter einer guten Baukultur?
Annette Gigon (AG) – Baukultur ist die Arbeit von vielen. Es braucht zunächst begabte, innovative Leute, die den Beruf des Architekten und des Bauingenieurs ergreifen wollen und dann auch ausüben können. Es braucht engagierte, qualifizierte Lehrende, Professoren und Dozenten an den Hochschulen und Fachhochschulen. Die Baubehörden tragen ebenfalls auf verschiedenen Ebenen ganz entscheidend dazu bei. Ebenso wichtig sind Bauherren und Nutzer, die eine grundsätzliche Wertschätzung gegenüber der Architektur mitbringen und denen es nicht nur um die bloße Maximierung der Rendite geht. Baukultur kommt aber auch nur dann zustande, wenn auf der Ebene der Unternehmer und Handwerker Arbeitsbedingungen bestehen, unter denen die Menschen zu anständigen Konditionen arbeiten können. Und schließlich spielt auch eine differenzierte Rezeption durch die Medien eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn Baukultur entstehen, gefördert und erhalten werden soll.
Elli Mosayebi (EM) –
Wir könnten den Begriff noch etwas abstrakter fassen. Wenn man über Kultur spricht, gibt es immer zwei Ebenen: zum einen die kulturelle Praxis – das, was die Akteure tun –, zum anderen die Kultur, die beschreibbar ist und die geschätzt wird. 18
Wir Architektinnen und Architekten nehmen an diesem Beziehungsgeflecht sowohl aktiv wie auch passiv teil. Aber im Grunde genommen kann Baukultur nicht im Singular verwendet werden – schon gar nicht in der Schweiz. In einer stark individualisierten Gesellschaft wie der unsrigen treffen laufend verschiedene Kulturen aufeinander. Kultur ist deshalb interessant, weil sie Identität schafft; Identität ist aber in unserem heutigen Verständnis nicht mehr etwas Homogenes und Eindeutiges. Unsere Identitäten sind vielseitig und differenziert. Gerade das Zusammentreffen von Identitäten und Kulturen birgt enorme Potenziale. Insofern ist Baukultur nicht etwas Gegebenes, sondern wird mit jedem Projekt neu geschaffen.
Jörg Koch (JK) – Für mich bedeutet Baukultur in erster Linie ein kollektives Erbe. Damit verbunden ist die Frage, wie man damit umgeht. Eine sorgfältige, umsichtige, auch in andere kulturelle Bereiche eingebettete Bauproduktion umfasst neben der Architektur im engeren Sinn auch Städtebau und Infrastruktur. Baukultur ist die Bereitschaft einer Gesellschaft, die gebaute Umwelt weiterzuentwickeln und offen zu bleiben für Veränderungen. Die Akteure der baukulturellen Produktion sollten dabei immer vor Augen haben, dass ihr Wirken einen gesellschaftlichen Nutzen erzeugen sollte. Piet Eckert (PE) – Der allgemeine Baukulturbegriff wirkt auf mich stark vereinheitlichend. Der Qualitätsund Kulturbegriff ist in der Schweiz sehr divergent – und damit auch die Baukultur. Manchmal ist die Baukultur ein
Intro
Schönwetterbegriff für Sonntagsreden. Ich denke da etwa an die Schwierigkeit der Schweizer, sich mit dem Städtischen auseinanderzusetzen. Andererseits stelle ich auch fest, dass gerade in den Städten der Druck sehr hoch ist, Gutes zu schaffen. Aber auch außerhalb urbaner Strukturen entwickelte sich eine eigenständige und hohe Baukultur, das beste Beispiel dafür ist wohl Graubünden. Im Tessin, wo ich unterrichte, kann man fast schon von einer Zweiklassengesellschaft der Baukultur sprechen: im Talboden werden sinnbildlich die Schlachten geschlagen, während man oben an den Hängen die Feste feiert. Kurzum: Es ist nicht generell alles so heil, schön und perfekt, wie es häufig von außen wahrgenommen wird – und von uns Schweizern dargestellt wird.
EM – Von meinen deutschen Kolleginnen und Kollegen an der TU Darmstadt höre ich immer wieder, wie hoch in der Schweiz das Handwerk geschätzt wird; wie man den Handwerkern viel zumutet, aber auch zutraut. Gleichzeitig erfahre ich aus Deutschland, dass man bei kleineren Arbeiten lieber keine Handwerker beauftragt. Das wird dann selber gemacht, weil man Angst hat, dass der Handwerker pfuschen oder einen übers Ohr hauen würde. Dem Professionellen wird die Kompetenz nicht zugetraut. AG – Viele Handwerker, mit denen wir zusammenarbeiten, sind ebenso experimentierfreudig wie wir. Sie müssen etwa den Dachabschluss nicht ganz genau nach einer festgelegten Norm bauen; es gibt Spielräume, und genau da findet die Innovation statt. In Deutschland erfuhren wir, dass die Bauhandwerker stärker an Normen gebunden sind und persönlich haften, wenn sie sich darüber hinwegsetzen. Im angelsächsischen Raum hemmt eine allzu strenge Gerichtspraxis die Experimentierfreude. Bei einem Wettbewerbsprojekt in den USA lernten wir, welch erhebliche Beträge für Anwaltskosten in einem Baubudget bereitgestellt werden müssen. In der Schweiz baut man glücklicherweise noch mehrheitlich ohne Juristen. Neben der Innovationsfreude sind wir in der Schweiz aber auch konservativ und bewahrend. Nicht nur die verschiedenen Sprachen und Dialekte, sondern auch verschiedene Baukulturen haben sich historisch entwickelt und haben nebeneinander Bestand. Wir mussten im 20.
Jahrhundert keinen Krieg durchleben und Zerstörungen von Bausubstanz hinnehmen; wir konnten uns die Tradition des Bewahrens bewahren. Damit einher geht auch, dass wir diese Affinität für das gut Gemachte, das Stoffliche, das Präzise haben.
JK – Da stimme ich zu, wir haben aber auch Defizite. Bei den architektonischen Objekten erhalten wir zwar gute baukulturelle Noten. Sobald aber von Städtebau und Raumplanung die Rede ist, sind die Noten dann nicht mehr so berauschend. In diesen Bereichen bewegt sich die Schweiz meiner Ansicht nach eher am unteren Ende der Skala. Das liegt sehr wahrscheinlich an der vorhin von Annette Gigon erwähnten Kleinteiligkeit des Siedlungsraums in der Schweiz. Wir sind oft in einer etwas begrenzten Froschperspektive gefangen und sehen vom Talboden aus nur bis zur nächsten Bergkette.
CS – Wir haben das gute Handwerk und die Innovationsfreude. Beides kostet. Muss man sich gute Baukultur erst einmal leisten können?
AG – Die Wertschätzung spiegelt sich auch in der Bereitschaft der Bauherren, für etwas zu bezahlen, das gut gemacht ist. In diesem Zusammenhang ist auch die Beauftragungstiefe der Architekten zu erwähnen. Es kann keine gute Architektur entstehen, wenn Architekten nur bis zur Baueingabe beauftragt werden und die weiteren Planungsphasen jemand anderem überantwortet werden. Dass wir Architekten bis zum Schluss den Bauprozess begleiten können, ist entscheidend, denn die Phase der Realisation, der »Übersetzung« von der Idee ins Material ist ausschlaggebend, ob ein Bau gelingt. Leider ist diese Begleitung in vielen Ländern um uns herum nicht mehr üblich – und das sieht man.
JK – Die Schweiz hat auch eine lange Tradition des gemeinschaftlichen Handelns, zum Beispiel in Form von Genossenschaften, Korporationen und Allmenden. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass man gewisse Aufgaben alleine nicht lösen kann. Auf der Investorenseite gibt es einige Akteure, die nicht nur eine renditeorientierte Perspektive einnehmen, sondern die auch einen hohen Qualitätsanspruch haben. Unter diesem Blickwinkel spielt die Langfristigkeit eine wichtige Rolle. 19
2
1 Zürich • 21 – 49
20
19
18 17
• Zug 14 + 15
13
16
• Schwyz
11 + 12
Zürich Appenzell Innerrhoden St. Gallen Zug Schwyz 3
St. Gallen • 5 – 9
4
• Appenzell 10
1
Allianz Suisse
13
Heizzentrale
Wallisellen
Menzingen
2
Bahnhofplatz Süd
14
Schiffländepavillon Alpenquai
Winterthur
Zug
3
Schulhaus Thal
15
Pavillon Stadtgarten
Staad
Zug
4
AufZug
16
Strandbad Seeburg
Rorschach
Küssnacht am Rigi
17
Auditorium Obstgarten
Stäfa
18
Schauhaus im Botanischen Garten
Grüningen
19
Friedhof
Erlenbach
20
Toilettenhäuschen
Uster
21
Grundschule Leutschenbach
Zürich
22
Theater 11
Zürich
23
Bibliothek des Rechtswissen-
schaftlichen Instituts
Zürich
24
Haupteingang Zoo
Zürich
25
Elefantenhaus
Zürich
5 Hauptsitz
Helvetia
Versicherungen
St. Gallen
6
Institute für Pathologie
und Rechtsmedizin
St. Gallen
7
Stadtlounge
St. Gallen
8
Lokremise
St. Gallen
9
Sitterwerk St. Gallen
St. Gallen
10
Kunstmuseum
Appenzell 11
Stadtmuseum
Rapperswil-Jona 12
Kulturzentrum Alte Fabrik
Rapperswil-Jona
26
FIFA Hauptquartier
39
Europaallee
Zürich
Zürich
27
Pavillon am Hafen Riesbach
40
Kornhaus Swissmill
Zürich
Zürich
28
Bahnhof Stadelhofen
41
Viaduktbögen und Markthalle
Zürich
Zürich
29
Kunsthaus Zürich
42
Löwenbräukunst
Zürich
Zürich
30
Sechseläutenplatz
43
Toni-Areal
Zürich
Zürich
31
Museum Rietberg
44
Hard Turm Park
Zürich
Zürich
32
Pneushop
45
e-science Lab
Zürich
Zürich
33
Turn- und Mehrzweckhalle
46
Pavillon und Freestylepark
Rüschlikon
Zürich
34
Zentrum für Gehör und Sprache
47
Zugwerft Herdern
Zürich
Zürich
35
Gerätehäuser und Zielturm
48
Stellwerk Vorbahnhof
Sihlhölzli
Zürich
49
Bürohochhaus Prime Tower
Zürich
Zürich
36
SIA Hochhaus
Zürich
37
Tamedia
Zürich
38
Xenix-Bar
Zürich
1. Allianz Suisse Wallisellen
Zürich
Die neue Schweizer Hauptverwaltung des Versicherungskonzerns soll als eine Art eigene kleine Siedlung des 21. Jahrhunderts aus horizontalen und vertikalen Bewegungsräumen verstanden werden. Die Mitarbeiter können über Treppen, Aufzüge, Terrassen und Dachgärten mit roten japanischen Ahornbäumen zwischen den Etagen und Baukörpern wechseln. Und über vier geschlossene Brückengänge. Der 20-stöckige Turm und sein kleinerer Annex mit fünf Etagen enthalten flexible Strukturen, vornehmlich für Büros, und das komplette Programm eines Geschäftshauses: formelle und informelle Treffpunkte, Lounges, ein Restaurant, ein Businesscenter und die öffentlich zugängliche Lobby. Im großen Parkareal im Untergeschoss sind die Technikräume mit aufgenommen. Das Mischgebiet, dessen Mittelpunkt das Allianzgebäude bildet, liegt in einem Züricher Vorort nahe des Flughafens Kloten und der Autobahn. Das überraschendste Merkmal des Ensembles ist der kaum übersehbare Dekorationsrahmen der Glasfassade von Turm und Annex. Mit einem kontrastreichen abstrakten Onyx-Muster – aufgenommen von Mies van der Rohes Barcelona Pavillon – kontern Wiel Arets Architects das Gebot aus dem Masterplan des neuen Distrikts, für die Fassade Naturstein zu verwenden. Jedes Fensterelement hat ein eigenes geschlossenes Hohlraumsystem mit einem Alu-beschichteten Vorhang, der selbstständig Belichtung und Beschattung regelt – und so das Gebäudeantlitz prägt. Die bestimmende Farbe des Interiors ist Weiß. Heizung und Kühlung funktionieren über ein Deckenlüftungssystem, dessen perforierte Platten von 1,35 Metern Seitenlänge durch ein Flächenornament übermustert werden, das auf den Traufschmuck typischer Schweizer Chalets verweisen soll.
Bauherr Baujahr Architekt
28
Allreal Generalunternehmung AG, Allianz Suisse 2014 Wiel Arets Architects
Standort GPS Daten
Bildunterschrift
Richtiplatz 1, 8034 Wallisellen 47.4100 / 8.5945
2. Bahnhofplatz Süd Winterthur
Zürich
Das filigrane Stromleitungsnetz über den Bussen von Winterthur ist der Gegenpart zu dem neuen Dachmonolithen, der die Südseite des Bahnhofplatzes prägt. Eindrucksvoll ist seine weitgehend verborgene Konstruktion. Deren Kraken-Netz von Stahlarmen liegt hinter einer Haut aus gelaserten Lochblechen verborgen und bleibt doch erahnbar. Wie die Schatten angespannter Muskeln, Sehnen und Nervenbahnen sehen sie in der Untersicht aus. Die maximale Auskragung des monumentalen Dachs beträgt 34 Meter. Aus der Draufsicht, von den höheren Etagen der umliegenden Häuser aus betrachtet, erkennt man die Details, denn die Oberseite ist aus Glas. Der massive Fuß, in dem sich die Stahlträger treffen, verwurzelt den Bau deutlich außerhalb seiner Mitte an der südöstlichen Ecke. An diesem Kraftort ist der Ticketverkauf untergebracht. Der zweite Binnenbereich der neuen Platzgestaltung besteht aus einer Unterführung, die bereits für den Fußgängerverkehr bestand und nun um Aufenthalts- und Ruheräume für die Busfahrer ergänzt wurde. Das Riesendach mit der Durchfahrt und den frei stehenden Halteinseln unter sich ist Busbahnhof und zugleich urbane Landmarke für täglich 90.000 Passanten, die zwischen Bahnhof, Altstadt, dem Einkaufszentrum Archhöfe und einem großen Unternehmen in der Nachbarschaft pendeln. Die historischen Gebäude werden durch die Klärung des Platzes wieder besser wahrgenommen, die Sichtbezüge erscheinen befreit. Das unübersehbar zeitgenössische Dach hält dabei höflichen Abstand zur Altstadt. Die schlanken, sich in Etappen nach oben verjüngenden Strommasten gehen mit dem Dach eine elegante Verbindung von Vertikale und Horizontale ein – wie bei einer Tankstelle, nur edler.
Bauherr Baujahr Architekt
Stadt Winterthur 2013 Stutz Bolt Partner Architekten
Standort GPS Daten
O
W
Längsschnitt
Bahnhofplatz, 8400 Winterthur 47.4990 / 8.7238
29
3. Schulhaus Thal Staad
St. Gallen
Lernt man besser oder wenigstens lieber in einem besonderen Haus? Es ist ein durchaus exzentrischer Baukörper nicht weit von der Kirche, der in der Gemeinde Thal jetzt die Lernarbeit begleitet. Die Architektin Angela Deuber aus Chur wagte sich daran, die Betonformen in ungewöhnlichen Winkeln gießen zu lassen, und die Auftraggeber gingen diesen Weg mutig mit. Obwohl der Baukörper in der Summe wie ein Quader wirkt, sind rechtwinklige Lösungen bei dieser mathematischrationalistisch wirkenden Formstudie die Ausnahme. Lärchenholzfenster, die an Geodreiecke erinnern, Treppen und Betongeländer lösen die Außenfronten stattdessen weitgehend in Zickzackmustern auf. Balkonfassade und innere Gebäudestruktur sind verbunden, bedingen sich gegenseitig und tragen gemeinsam die Lasten der Konstruktion. Die Betonstürze steigen über kurzen Pfeilerstümpfen zur Mitte und zu den Ecken hin an. Die Wirkung des Baus ist diaphan. Das Schulhaus im Ortsteil Buechen, das sowohl Kindergartenkinder als auch Unterstufenschüler aufnimmt, ist Teil des neu gestalteten Dorfzentrums und 2009 als Sieger in einem Wettbewerb ausgewählt worden. Jetzt, da es fertiggestellt ist, wird offenbar, dass es das Zeug zur Landmarke hat. Die unregelmäßigen Geometrien des hellgrauen Betonbaus und der teils raumhohen Fenster orientieren sich an der asymmetrischen Gestaltung von Reformschulen. Die Öffnungen lassen viel Tageslicht hinein, gleichzeitig vermitteln die massive Außenwand und das vorspringende Dach Schutz. Die nicht tragenden, weiß geschlämmten Wände zwischen den Klassenzimmern können leicht entfernt werden, wenn sich der Bedarf einmal verändert. Der dreigeschossige Bau in leichter Hanglage erscheint von Weitem durchbrochen und ein bisschen wie aus Porzellan. An der unteren Seite liegt ein Garten, die höhere Flanke mit dem Zugang ist asphaltiert.
Bauherr Baujahr Architekt
30
Gemeinde Thal 2013 Angela Deuber
Standort GPS Daten
Dateiname: 07_THA_P500-AxoFrontal_140407 FRONTALE AXONOMETRIE
Steigstr. 1, 9422 Staad 47.4768 / 9.5429
Axonometrie
4. AufZug Rorschach
St. Gallen
Ein Wolkenbügel, der aufsitzt. Weil der Bahnhof von Rorschach praktisch in einem ehemaligen Steinbruch unten am Seeufer festsitzt, trennt die Fahrgäste ein Steilhang vom höher gelegenen Wohngebiet und der Bushaltestelle. Um die 25 Meter Höhendistanz auf kurzem Weg und barrierefrei zu überbrücken sowie die Windkräfte zu bändigen, entwarf Alex Buob eine Betonskulptur, die das Fahrtmotiv der unterhalb einfahrenden Züge aufnimmt und durch den einseitig angebogenen Steg eine Kurvendynamik ins Spiel zweier sich durchdringender Körper bringt. Der Turm mit Aufzugsschacht und Treppenlauf misst 30 Meter, die zuführende Passarelle überspannt lichte 40 Meter in der Horizontalen. Der Weg von der Hangkante hinüber zum Liftturm wird mit gelenkten Ausblicken in die Baumkronen und zu den Zügen akzentuiert respektive auf der anderen Seite durch ein langes Fensterband in Richtung des Stadtzentrums und des nahen Bodenseeufers illuminiert. An der Nordseite des Turms weitet sich der Steg zu einem Balkon, der eine Panoramaaussicht über die Stadt, den Bahnhof und das begrünte Ufer hinweg auf die Weite des Bodensees gewährt. Die unten im Fels eingespannte und oben im Hang gelagerte Stahlbetonkonstruktion aus Turm und Steg wird von bis zu 1.000 Liftfahrten täglich beansprucht – das Angebot der Treppe nutzt dagegen nur jeder Zehnte. Hat man den Abstieg bewältigt, erschließt eine Personenunterführung die Gleise und den Zugang zum Bahnhofsgebäude.
Ansicht von Osten
Bildunterschrift
Bauherr Baujahr Architekt
Stadt Rorschach 2012 Alex Buob
Standort GPS Daten
zwischen Hauptbahnhof und Promenadenstr., 9400 Rorschach 47.4774 / 9.5052
31
5. Hauptsitz Helvetia Versicherungen St. Gallen
St. Gallen
Der kreuzförmige Altbau der Helvetia Gruppe auf dem Girtannersberg hoch über St. Gallen sollte erweitert werden. Schon 1989 entwarfen Herzog & de Meuron in einem Wettbewerb dafür vier Anbauten, die an den Stirnseiten der vier bestehenden Flügel andocken. 2000 bis 2002 konnten die in Richtung Stadt blickenden ersten beiden der neuen Gebäude gebaut werden – der Süd- und der Ostflügel. Sie sind komplett verglast und artikulieren sich vor allem über die raumhohen, gegeneinander leicht verdrehten Fenster. Herzog & de Meuron betreiben damit den Versuch, mit einfachen Mitteln aus einer effizienten Stahl-GlasStruktur in der Tradition von Mies van der Rohe eine im Inneren individuellere und intimere und am Äußeren komplexere Architektur zu gestalten. Durch die Fensterdrehungen ergeben sich Verfremdungen der gespiegelten Bäume, Wolken und Nachbarbauten – ein KaleidoskopEffekt vor allem tagsüber. Nachts werden die eigentlich seriell angelegten Raster an den Glasfronten durch die veränderten Blickwinkel stark dynamisiert. Der Anbau am Hang im Norden wurde 2004 ergänzt. Das Ensemble wird nun durch den Westflügel komplettiert. 2013 begann die Planung für diesen letzten Annex, mit der Fertigstellung wird 2017 gerechnet. Der neue, westliche Baukörper bildet den zentralen Eingang zum Gebäudekomplex der Helvetia Versicherung. Auf zwei mächtigen Kegeln ruhen vier Bürogeschosse und schaffen so einen überdachten Vorbereich. Eine Geschosshöhe tiefer liegt dahinter der Gastronomiebereich mit einem Gartenhof.
Bauherr Baujahr Architekt
32
Helvetia Versicherungen 2002 / 2004 / 2017 Herzog & de Meuron
Standort GPS Daten Website
Dufourstr. 40, 9001 St. Gallen 47.4323 / 9.3764 www.helvetia.com
6. Institute für Pathologie und Rechtsmedizin St. Gallen
St. Gallen
Silvia und Reto Gmür begannen ganz simpel, mit dem Quadrat als Grundform. Die komplexen Fassaden mit den äußeren Sonnenflügeln aus Aluminium entwickelten sich erst im Laufe dieses Projekts für das Kantonsspital. Aus der ursprünglich einfachen Planung mit Bandfenstern wurde Schritt für Schritt ein energetisch optimiertes System, das sich aus der Analyse von Funktion, Ort, Orientierung, Lichteinfall und Energiebedarf ergab und die Beschattung der Räume sicherstellt. Der Neubau wurde das erste Minergie-Eco-Laborgebäude der Schweiz; es wird im Sommer durch Erdregister gekühlt und im Winter durch Wärmepumpen und 13 Erdsonden geheizt. Die Architekten nennen daneben die Lichtführung ausschlaggebend für den ganzen Entwurf. Das Licht wird reflektiert und gefiltert, es durchdringt das Haus mithilfe von Glasbändern in den Wänden bis in die Tiefe und strömt mittels Oberlichtern auch in die unteren Geschosse. Silvia und Reto Gmür fühlen sich hier von indischen Architekten und von Bauten Le Corbusiers inspiriert. Der Neubau liegt am Schnittpunkt des Wohnquartiers St. Fiden mit einem öffentlichen Areal, auf dem große gemeinschaftliche Gebäude stehen, die zum Kantonsspital und zu den OLMA Messen gehören. Das Haus für die Institute der Pathologie und der Rechtsmedizin schafft es, an diesem Übergang zwischen den Quartieren zu vermitteln. Während sich das Volumen der Obergeschosse nach St. Fiden orientiert, nehmen die Untergeschosse die Ausrichtung des Kantonskrankenhauses auf. Die Winkelflächen am Boden werden an zwei Seiten für versenkte Gärten mit reicher Bepflanzung genutzt, die hier die von raumhohen Fenstern belichteten Sektionsbereiche beleben. Diese Gärten sind attraktiver Teil einer zeitgemäßen Alternative zu den sonst gängigen Laborund Spitalbautypologien.
Bildunterschrift
EG
Bildunterschrift
2. UG
Bauherr Baujahr Architekt
Kanton St. Gallen, Hochbauamt 2011 Silvia Gmür Reto Gmür Architekten
Standort GPS Daten
Rorschacher Str. 95, Haus 11, 9007 St. Gallen 47.4313 / 9.3892
33
7. Stadtlounge St. Gallen
St. Gallen
Das Bleicheli-Quartier sollte sein Image als eher graues, zerfasertes Nebenviertel gegen ein attraktives neues Bild eintauschen. Die Künstlerin Pipilotti Rist und der Architekt Carlos Martinez legten deshalb um die Bürobauten an Bleichestraße, Gartenstraße und Schreinerstraße – zwischen Hauptbahnhof und Zentrum St. Gallens gelegen – einen feuerroten öffentlichen Stadtteppich aus. Das Wettbewerbsprojekt wurde einst gewählt, weil es innovativ, frech, originell, sinnlich sei und mit seiner Radikalität eine hohe Aufenthaltsqualität erreichen könne. So wurde am Ende eine Art Vier-Straßen-Draußenwohnzimmer für alle geschaffen. Statt Kanten und Bordsteinen gibt es nun eine Installation mit einem »Auto« und »Bodenvasen«, Tischen und Sitzmöbeln. Auch diese Objekte haben bis auf die schwebende Beleuchtung einen nahtlosen roten Überzug. Die überdimensionierten Tische und Bänke können natürlich benutzt werden. Die urbane Intervention erfüllt den Begriff städtischer Willkommenskultur mit Leben. Als Begegnungsort gewinnt das permanente Kunstprojekt »Stadtlounge« der City ein neues Gesicht ab. Im jetzigen Bankenquartier wurden seit dem Hochmittelalter bis etwa gegen 1.800 lange Stoffbahnen von fast 100 Metern durch Bleichen und Färben veredelt. Auch an diese textile Vergangenheit erinnert die leuchtfarbige Dauerinstallation mit den amorphen Lampenkörpern. Der einheitliche »Teppich«, der das Quartier markiert, besteht aus PUR-Gummigranulat, ist als Belag begehbar und auch befahrbar. Die Stadtlounge ist in Zonen für Empfang, Entspannung, Kaffeetrinken, Business, ein Foyer und einen Skulpturenpark mit Leseecke eingeteilt. Sie war der Schlussakkord des über zwei Jahrzehnte vorangetriebenen Bauvorhabens »Raiffeisen-Zentrum«.
Bauherr Baujahr Architekt
34
Schweizer Verband der Raiffeisenbanken / Stadt St. Gallen 2005 Carlos Martinez Architekten / Pipilotti Rist
Standort GPS Daten
Raiffeisenplatz, 9000 St. Gallen 47.4220 / 9.3732
8. Lokremise St. Gallen
St. Gallen
Der radikale Charme des Projekts liegt in der Edelrohbau-Atmosphäre eines Großraums von 1903 mit einer Stahlbetonkonstruktion, Fensterfassaden und Dachlichtern. 2008 gab es einen Volksentscheid, danach durfte aus der alten Lokremise im Zentrum von Sankt Gallen ein Kulturzentrum werden. Die Remise mit der Freifläche in der Mitte war das größte erhaltene Ringdepot der Schweiz mit 21 Warteständen. Sie stand im Zentrum des umzubauenden Bahnareals, zu dem auch ein Wasserturm, ein Badehaus und ein Wohnhaus gehören. Das Ziel: Ein Ort mit Geschichtsspuren zum Netzwerken mit allen – Universitäten, Museen, Theater, Institutionen der Musikszene. Der Rotundenbau, eine ehemalige Halle für Lokomotiven, hat dafür von Isa Stürm, Urs Wolf und ihrem Team drei eingestellte sogenannte Units bekommen: für Kino, Tanz/Theater und Gastronomie. Neue Einbauten auf schrägen Stützen, Industrietreppen- und Metallprofile treffen nun auf die Jugendstilfassade des ursprünglichen Architekten Karl Moser, alte Heizkörper, Rohre, Restwände und Leitungen über Putz. Die funktionsoffenen Bereiche können temporär geöffnet oder geschlossen werden. Tribünen, Bars, Boxen, Bänke und Treppen wandern bei Bedarf in Nachbarzonen. Zentrale Treffpunkte der wandelbaren Kulturmaschine sind die Drehscheibe im Freien und die verglaste »Sichel«. Die Architekten ließen sich nach eigenen Angaben von der vor ein paar Jahren von Künstlern besetzten und umgebauten Schuhfabrik La Générale im Pariser Nordosten inspirieren. Eine andere Referenz für die Aufteilung in Units und Zonen waren wegen ihrer austauschbaren Raumeinheiten die zwei Utopie gebliebenen Revitalisierungsprojekte Fun Palace und Potteries Thinkbelt von Cedric Price in den 1960er-Jahren.
Bauherr Baujahr Architekt
Kanton Sankt Gallen Hochbauamt, Amt für Kultur 2010 Isa Stürm Urs Wolf
Standort GPS Daten Website
Grünbergstr. 7, 9000 St. Gallen 47.4216 / 9.3661 www.lokremise.ch
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9. Sitterwerk St. Gallen St. Gallen
St. Gallen
In einer Schlaufe der Sitter westlich der Stadt St. Gallen verwandelten sich Teile einer stillgelegten Textilfärberei in eine pulsierende Stätte für Kunst und Kultur. Im Konglomerat der Fabrikbauten richteten sich die Stiftung Sitterwerk und die Kunstgießerei St. Gallen ein. Steigender Platzbedarf und neue Betätigungsfelder erforderten im Laufe der Jahre zahlreiche Anpassungen und Umbauten. Sämtliche Eingriffe für das Sitterwerk und die Kunstgießerei entwickelten die Architekten Christoph Flury und Lukas Furrer unmittelbar aus dem Ort, den Räumen und den vorgefundenen Materialien heraus. Die Architekten näherten sich den Räumen behutsam an, machten sich mit deren Eigenheiten vertraut und erfassten das in ihnen schlummernde Potenzial. Einiges wurde direkt vor Ort ausprobiert und empirisch weiterentwickelt. So konnten die Architekten die Atmosphäre des Industrieareals, die über Jahrzehnte gespeicherte Geschichte und Patina erhalten und mit neuer Bedeutung füllen. Auf dem Areal vorgefundene Bauteile wurden ebenso eingebaut wie Elemente aus der Umgebung. So wurden für die Kunstbibliothek und das Werkstoffarchiv Regale und Schubladenschränke aus einem Ersatzteillager der Firma Sauber in Arbon weiter verwendet. Durch das Zusammenführen des von Maschinen befreiten Raums mit der rezyklierten Einrichtung aus Arbon entsteht ein neues Ganzes. Das ehemalige Kesselhaus wurde ohne viel Aufwand zu einem Schaulager für die Plastiken von Hans Josephsohn umgebaut. Der Eingriff für dessen Erweiterung war vergleichsweise tiefer, doch auch in der mehrgeschossigen Halle ist die Mischung aus Direktheit, großer Sorgfalt und tiefer Kenntnis des Handwerks spürbar, mit der die Architekten hier vorgegangen sind.
Bauherr Baujahr Architekt
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Felix Lehner 2003 / 2005 / 2010 Flury + Furrer Architekten
Standort GPS Daten Website
Sittertalstr. 34, 9014 St. Gallen 47.4103 / 9.3228 www.sitterwerk.ch
10. Kunstmuseum Appenzell
Appenzell Innerrhoden
Das avantgardistische Museum, ursprünglich für die Arbeiten der regional verankerten Maler Carl August Liner (1871–1946) und Carl Walter Liner (1914–1997), könnte man auch für eine Bodenstation halten, die umgeben von Gebirge ihre Augen und Ohren ins Weltall spitzt. So jedenfalls sieht sie mit ihren beiden Bildschirmfenstern und der Reihe von sechs großen silbernen Satteldächern in Zickzackform aus, die an die eng stehenden Appenzeller Dorfhäuser, aber auch an die Sheds von Agrar- und Industriegebäuden denken lassen. Ein selbstbewusstes Gegengebirge zum Alpsteinmassiv. Die Dachflächen ebenso wie die Fassaden sind mit glasgestrahlten, in Schuppen verlegten Chromstahlblechen verkleidet. Farblich und stilistisch ist hier geschickt eine Ahnung an die silbergrau alternden Schindelwände der regionalen Bauernhöfe angelegt. Gezeigt werden Wechselausstellungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Darüber hinaus umfasst die Sammlung über 1.000 Bilder von Vater und Sohn Liner sowie rund 200 weitere Arbeiten bedeutender Künstler des 20. Jahrhunderts von Arp bis Nay, Chillida und Zoderer. Sie sind ein Legat der Heinrich Gebert Kulturstiftung, die das Museum betreibt, und von anderen Donatoren. Die Architekten haben damit ein Meisterwerk im ländlichen Raum geschaffen. Die zehn Ausstellungsräume sind zwischen 30 und 50 Quadratmeter groß, unterschiedlich hoch und zurückhaltend in den Farben und Details. Oberlichter in den Giebeln erhellen die Räume mit den weißen tragenden Wänden und dem Fussboden aus gegossenem Beton. Von der Eingangshalle im Süden blickt man in das Panorama der Berge und Wiesen, und vom nördlichen Leseraum, ein schönes Moment der Bewegung, direkt auf an- und abfahrende Züge des benachbarten Bahnhofs.
Grundriss EG
Längsschnitt
0017
Museum Liner Appenzell, 1996 - 1998
Erdgeschoss
0
1
2
5
ANNETTE GIGON / MIKE GUYER
Bauherr 0017
Museum Liner Appenzell, 1996 - 1998
ANNETTE GIGON / MIKE GUYER
Baujahr
10m
© GIGON / GUYER
Stiftung Museum Carl Liner Vater und Sohn (jetzt Heinrich Gebert Kulturstiftung) 1998 Längsschnitt
0
1
2
5
10m
© GIGON / GUYER
Architekt Standort GPS Daten Website
Annette Gigon / Mike Guyer Architekten Unterrainstr. 5, 9050 Appenzell 47.3280 / 9.4116 www.kunstmuseumappenzell.ch
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11. Stadtmuseum Rapperswil-Jona
St. Gallen
Aus dem Lot gekippt, radikal, glamourös – und dann auch noch hochglänzend. Das Architekturbüro :mlzd ließ nichts aus, um die äußerliche Anpassung seines Gebäudes an das spätmittelalterliche Ensemble auf dem Herrenberg zu vermeiden – bald wird allerdings Patina die Baubronze besänftigen. Wie aus Edelmetall gefaltet, schimmert der skulpturale Neubau zwischen den denkmalgeschützten Altbaufassaden. Die Ortsgemeinde am Zürichsee ließ sich eine Krone aufs Haupt setzen, »expressiv gefalteter First« lautete die bautechnische Übersetzung dieser spektakulären Maßnahme für das Stadtmuseum Rapperswil-Jona, die strengen Richtlinien zu genügen hatte. Keines der vorhandenen Fenster durfte geschnitten werden. Im Grunde ist »Janus« aber einfach der zeitgemäße Ersatz für einen wegen Baumängeln abgerissenen, historisierenden Zwischenbau von 1960, der ein spätgotisches Wohnhaus mit einem Wehrturm verband. Die Bieler Architekten gingen mit dem Projekt als Sieger aus einem eingeladenen Wettbewerb hervor. Daneben mussten die insgesamt drei Häuser des Museums mit ihrer 700-jährigen Geschichte und den kostbaren Interieurs, die den Kern des Museums bilden, saniert werden; zudem galt es, für Barrierefreiheit und verbesserte Einbruchs- und Feuersicherheit zu sorgen, Wegführung und Orientierung zu vereinfachen sowie die vertikale Erschließung zusammenzufassen. Das jüngste Bauteil ist von der für die Stadtsilhouette prägenden Nordseite aus nicht sichtbar. In der Nahsicht der historischen Gassen trumpft es dagegen als neuer Haupteingang mit der Lochfassade aus Kupferverbundwerkstoff auf. Intern wurde dem komplexen Gefüge durch das neue Volumen mit den Oberlichtern und Rampen eine freundliche Mitte gegeben, die auch vom Kontrasterlebnis zwischen Alt und Neu lebt. Die erfolgreiche Sanierung des Museums war das erste gemeinsame Kulturprojekt der seit 2007 zusammengeschlossenen Gemeinden Rapperswil und Jona.
Querschnitt
0
Bauherr Baujahr Architekt
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Ortsgemeinde Rapperswil-Jona 2011 :mlzd
1
5
Standort GPS Daten Website
Herrenberg 40, 8640 Rapperswil-Jona 47.2280 / 8.8178 www.stadtmuseum-rapperswil-jona.ch
12. Kulturzentrum Alte Fabrik Rapperswil-Jona
St. Gallen
Die Umnutzung eines ehemals industriellen Standorts, der fest im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung verankert ist, führte zu einem lebendigen neuen Kulturzentrum mit Stadtbibliothek auf 12.300 Quadratmetern. Der zentrale Begegnungsort Alte Fabrik, ein annähernd gleichschenkliges Dreiecksgrundstück, wurde dazu zwischen 2010 und 2014 mit einigen neuen Elementen ausgebaut. Die massive Struktur der ehemaligen Gießerei Gebert (heute Geberit) nahm in ihrem mittleren Gebäudeteil, einer mehrgeschossigen Halle mit viel Luftraum, eine Art inneren Martktplatz auf. Sie bekam wie die meisten anderen Räume einen neuen fugenlosen Gussasphaltboden. Das bestehende Fabriktheater und die Ausstellungshalle teilen sich diesen Eingangsraum mit einem Bistro. Auch die neue Stadtbibliothek für 45.000 Medien im Obergeschoss ist von hier aus erreichbar, von der umlaufenden Galerie aus besteht die Möglichkeit zur direkten Kommunikation zwischen den Ebenen. Ein ebenfalls neues Dachgeschoss und der Fassadenvorhang akzentuieren von außen die Umgestaltung zu einem Kulturareal für Musik, Tanz, Bildende Kunst, Literatur und Kinderprogramme. Die Aufstockung im Mittelteil zeichnet die Geometrie der Alten Fabrik nach und schwebt als gläserner Aufbau mit textilem Sonnenschutz über dem zweigeschossigen ursprünglichen Volumen. Nachts leuchtet er. Die innere Struktur der Alten Fabrik, wie sie auch in Zukunft heißt, wirkt nun aufgeräumt und geklärt, und die Räume stehen für neue Aufgaben bereitet. Sie wurden mit zweckmäßigem zeitgenössischen Mobiliar versehen, alte Stahlstützen und Balkendecken überarbeitete man. In der »Silbertablett« genannten neuen Aufstockung befinden sich Ateliers und Mehrzweckräume.
Bauherr Baujahr Architekt
AlbuVille AG / Stiftung Gebert für Kultur / Stadt Rapperswil-Jona 2014 raumfindung architekten
Standort GPS Daten
Klaus-Gebert-Str. 5, 8640 Rapperswil 47.2275 / 8.8201
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13. Heizzentrale Menzingen
Zug
Die neue Heizzentrale gehört zu den auffallendsten Beispielen für die durchgehende Verwendung von Farbbeton in der Schweizer Architektur. Ihr auf mehrfache Weise herausragender Kamin ist ein nach oben sich verjüngendes Prisma mit trapezoider Grundfläche. Dadurch und wegen der heiteren Durchfärbung des Sichtbetons in den Tönen Altrosa bis Rostrot ähnelt die Anlage einem Hochseeschiff, das sich durch das Grün der Zuger Landschaft schiebt. Architekt Roland Kälin traute sich, sein technisches Bauwerk durch die ungewöhnliche Form und Farbe zu betonen. Andererseits gelang es ihm, das expressive Heizwerk in die hügelige Moränenlandschaft zu schmiegen. Da es sich weitgehend in eine Geländekuppe versenkt, ist die Masse vergleichsweise unauffällig. Nur etwa die Hälfte der Volumina ist sichtbar. Eine gelungene Eingliederung in das Ortsbild, die Voraussetzung für die Wahl des exponierten Standorts war. Das Kloster Menzingen, das seine veralteten Heizungen gegen zeitgemäße austauschen wollte, und die Gemeinde mit ihren Liegenschaften standen am Anfang der zukunftsweisenden Gründung des Holzwärmeverbunds Menzingen. Inzwischen haben sich auch private Bauten angeschlossen. Durch die Inbetriebnahme der Heizzentrale wurden mehr als 1,2 Millionen Liter Heizöl jährlich durch Zuger Holzschnitzel ersetzt und eine CO² -Einsparung von 3.100 Tonnen erreicht. Die Befüllung der Anlage mit Holzschnitzeln kann ebenerdig von der Haldenstraße auf der Hügelkuppe aus erfolgen, der Gebäudekörper mit dem Kesselhaus ist von der tiefer gelegenen Lüthärtigenstraße aus zugänglich.
Längsschnitt
SO
Bauherr Baujahr Architekt
40
NW
WWZ Energie AG 2010 Roland Kälin Architekten
Standort GPS Daten
Haldenweg, 6313 Menzingen 47.1811 / 8.5813
14. Schiffländepavillon Alpenquai Zug
Zug
Die äußerst beeindruckende Szenerie am Seeuferpark wollte ausgenutzt werden: der offene neue Pavillon liegt direkt am Zugersee in einem alten, geschützten Baumbestand. Die goldene Farbe des All-OverDekors aus brünierten und gebürsteten Messingplatten ruft schnell die Assoziation einer geöffneten Schatztruhe hervor. Und ohne das elegante Motiv überzubeanspruchen, könnte man sagen: Das Verbindungsdach zwischen den Baukörpern rahmt wie die hochgeklappte Flügeltür eines Sportwagens die Seesicht, zusammen mit den beiden unabhängigen Gebäudeflanken. Die Messinghaut veredelt eine Holzkonstruktion, die mit Rammpfählen fundamentiert wurde. Auch andere attraktive Sichtbeziehungen tun sich durch den geöffneten Baukörper und das flackernde Kolorit von unterschiedlichen Standpunkten auf: zum Bahnhof, zur Altstadt. Für einen angenehmen Aufenthalt im Bereich des allansichtigen Pavillons mit dem dramatischen Durchgang sorgen die großen Polygone der sorgfältig gegossenen und gefinishten Betonbodenplatten. Der Durchgang wird hier geschickt zum Platz geweitet. Für die an sich banale Funktion »Schiffsanlegepavillon« wurde hier somit eine begehbare Bauskulptur geschaffen, die auch außerhalb der Saison, wenn der kleine Imbissverkauf geschlossen ist, den Uferraum bereichert. Der Zugang zum See ist über eine neue Treppenanlage ermöglicht. Auch den Vorplatz zwischen Rampe und Treppe hat man umgestaltet. Der Pavillon schließt gewissermaßen die Quaianlagen ab und verbindet sich mit ihnen durch passend vieleckige Pflanzenbeete in der Wiese und ebensolche neue Baumgruppen im Asphalt.
Bauherr Baujahr Architekt
Stadt Zug, Städtebauamt 2009 Cometti Truffer Architekten, Norbert Truffer mit Riccardo Romano
Standort GPS Daten
N
Situation
Chamerstr./ Vorstadt, 6301 Zug 47.1704 / 8.5132
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Die Schweizer Architekturszene beeindruckt weit über die Landesgrenzen hinaus durch mini malistische, oft skulpturale und zeitlos einzigartige Bauten. Große Architekten wie Le Corbusier, Luigi Snozzi, Mario Botta, Herzog & de Meuron oder auch Peter Zumthor prägten und prägen den Baustil ihrer Zeit und sind Vorbilder für ganze Generationen. Insbesondere in der Gegen wartsarchitektur setzt die Schweiz einen hohen Standard. Hier vereinen sich gestalterischer Mut, nachhaltige Bauweise und eine einzigartige Beziehung zur umgebenden Natur auf erst klassige Weise. Der Architekturführer Schweiz bietet einen umfassenden Überblick zu diesem zeitgenössischen Baubestand der Schweiz. Der Blick auf die Schweizer Bauwelt erfolgte nicht aus der Binnensicht – stattdessen traf die Auswahl der Bauwerke der Callwey Verlag zusammen mit Autor Alexander Hosch. Zudem stehen Hochhäuser und Museen, Kuhställe und Kieswerke, Schutzhütten und Sessellifte, Jugendherbergen und Energiezentralen, Brücken, Bahnhöfe und Stellwerke gleich berechtigt nebeneinander. Dieses Callwey Buch ist eine außergewöhnliche Antwort auf die Frage, was die Architektur in der Schweiz so einzigartig macht. – Der erste umfassende Architekturreiseführer für die gesamte Schweiz – Die 200 besten Bauwerke der Schweizer Gegenwartsarchitektur – Ein Nachschlagewerk mit Fotos, Plänen, Beschreibungstexten und GPS-Daten
ISBN 978-3-7667-2149-5
www.callwey.de