RESTAURO 8/2018

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 8 2018

Kunstförderung in Berlin Drei Schlüsselwerke der Renaissance sind jetzt wieder öffentlich zugänglich BAUKUNST Die neuesten Forschungen zu Backstein

RAUBFUND Über die Herkunft der Himmelsscheibe von Nebra

ARCHIVGUT Digitalisierungsprojekt der Hansestadt Lüneburg


INHALT

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Uta Baier M.A. Dreifache Wiederauferstehung Mehrere renaissance-zeitliche Madonnendarstellungen in Berlin bearbeitet

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Uta Baier M.A. Ross und Reiter neu beleuchtet Rezension des neuen Grundlagenwerks zum Magdeburger Reiter

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Dipl.-Rest. Boris Frohberg Über die Epitaphe der Familie von Behr im Vorpommerschen Semlow Ein Bericht zur derzeitigen Werkrestaurierung von Gotländer Sandstein

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Mag. Julia Amann Schadensprozesse im Außenbereich Das Wiener Pilotprojekt zu gefassten Holzskulpturen unter Bewitterung

Statue des Magdeburger Reiters

ARCHÄOLOGISCHES KULTURGUT

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Nicole Schmidt In Berlin ist jetzt das Ausweichquartier für den Pergamonaltar eröffnet Interview mit Prof. Dr. Felix Pirson, Grabungsleiter in Pergamon

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Uta Baier M.A. Geheimnisvoller Raubfund Ein SPIEGEL-Bestseller über die Himmelsscheibe von Nebra

Die Himmelsscheibe von Nebra

SOFTWARE

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Blick in das Stadtarchiv Lüneburg

Thomas Stürmer M.A. Faszinierende Einblicke in Lüneburgs Wirtschafts-, Sozial-, Militär- und Politikgeschichte Bislang unerforschte Archivalien warten auf ihre Erschließung

GEMÄLDE

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Restauratorin Kerstin Krainer mit Graff-Porträt

Uta Baier M.A. Malte Anton Graff der Ehefrau eines Kammerherren falsche Perlenohrringe? Forschungsergebnisse zum restaurierten Porträt der Henriette von Carlowitz

HOLZ

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Zerbrochener Krummer Zink

Katja Hiller Krummer Zink, gerade Stäbchen Wie ein hölzernes Blasinstrument wieder ausstellungsfähig wurde

8/2018

Fotos (v. o. n. u.): Gabriele Köster/Verlag Schnell & Steiner GmbH; Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt / Juraj Lipták; © Stadtarchiv Lüneburg; Uta Baier; © Rijksmuseum

TITELTHEMA: SKULPTUREN


INHALT

RUBRIKEN 6 8 8 10 10 11 12

KUNSTSTÜCK

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BLICKPUNKT Konservierung zweier Maître-Leherb-Plastiken Rückkehr des Räuberrads vor die Berliner Volksbühne Neue Kulturerbe-Messe CULTURA SUISSE in Bern Tagung zur Schädlingsbekämpfung in München Ergebnisse zu den restaurierten Nibelungensälen in der Münchner Residenz Internationaler Kongress zur Backsteinbaukunst

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BERUF

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FIRMEN & PRODUKTE

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BUCHBESPRECHUNG: Die Wiener Literaturzeitschrift „Wespennest“

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TERMINE Ausstellung: „Radiophonic Spaces“ in Basel Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT: Dr. Christiane Schillig, Geschäftsführerin des Verbandes der Restauratoren in Bonn

Kremer Pigmente Rezeptbuch

Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst

Titelmotiv Passend zur Weihnachtszeit haben wir für das Cover dieser Ausgabe eine der wesentlichen und am häufigsten zitierten Darstellungen aus dem christlichen Bildkanon gewählt: Muttergottes mit dem Kind. Der hier abgebildete Ausschnitt gehört zu einem Carrara-Marmorrelief von Antonio Rossellino, Florentiner Architekt und Bildhauer des 15. Jahrhunderts. Gemeinsam mit zwei weiteren renaissance-zeitlichen Madonnenbildnissen, alle drei stammen aus der Berliner Skulpturensammlung, wurde das Marmorrelief nun dank finanzieller Unterstützung der Bank Merrill Lynch aufwendig restauriert, rekonstruiert und kunsthistorisch untersucht – mit eindrucksvollen Ergebnissen.

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SKULPTUREN

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Dreifache Wiederauferstehung

ABSTRACT Triple rebirth Several Renaissance-era depictions of Madonnas from the Sculpture Collection and the Museum für Byzantinische Kunst of the Staatliche Museen zu Berlin have now been lavishly restored. Previously their condition in some cases was even too fragile for an exhibition.

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Gleich drei abgeschlossene Restaurierungsprojekte der vergangenen zwei Jahre wurden jetzt im Berliner Bodemuseum vorgestellt. Denn durch die Unterstützung der Bank of America Merrill Lynch konnten die in Darstellung, Material, Geschichte und Erhaltungszustand sehr unterschiedlichen Muttergottesdarstellungen der Renaissance erforscht und restauriert werden. Sie kehren damit nach jahrzehntelanger Abwesenheit in das Museum und das Gedächtnis der Besucher und der Forscher zurück. Zumindest zwei von ihnen, die so schwer beschädigt waren, dass sie nur im Depot aufbewahrt werden konnten. Ihre Restaurierung kommt somit einer Neuentdeckung für die Museumsbesucher und die Forschung gleich. Es sind das Marmorrelief „Muttergottes mit Kind“ von Antonio Rossellino (1427/28–1479) aus dem Jahr 1460 und eine „Muttergottes mit Kind und zwei Engeln“, die

wohl um das Jahr 1430 entstand und wahrscheinlich von Luca della Robbia (1400–1482) geschaffen wurde. Allein die „Thronende Muttergottes mit Kind“ von Michel Erhart (1449/45–1522), die auf 1480 datiert wird, war trotz ihrer beschädigten Oberfläche Teil der Museumsausstellung. Doch die zerkratzte und mit einem gräulichen Schleier überzogene Oberfläche der kleinen, etwa 39 Zentimeter hohen, allansichtigen Lindenholz-Figurengruppe beeinträchtigte die Nahansicht, wie Paul Hofmann, Leiter der Restaurierung der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst, bei der Vorstellung der abgeschlossenen Projekte erklärte. Nach der Reduzierung der Lasurschicht und nach umfangreichen, kleinteiligen Retuschen ist die Oberflächenansicht nun ruhiger, nichts Ungewolltes, Zusätzliches lenkt von der innigen Szene zwischen Mutter und Kind ab. 8/2018

Fotos: (1, 2) Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / A. Voigt

Mehrere renaissance-zeitliche Madonnendarstellungen der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin konnten nun aufwendig restauriert werden. Zuvor war ihr Zustand teils sogar zu fragil für eine Ausstellung


SKULPTUREN

Foto: (3) Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst

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Einen spannungsvollen Kontrast zum oberen Figurenteil bilden die wild bewegten Gewandfalten von Marias Kleid. Nach der Restaurierung könne man wieder von einem elegischen, melancholischen Kunstwerk sprechen, sagte Julien Chapuis, Leiter der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Bank of America Merrill Lynch, die alle drei Restaurierungen finanziell unterstützte, fördert international Ausstellungen und Restaurierungen. Der internationale Ansatz spiegele den „multikulturellen Hintergrund der weltweit mehr als 200.000 Mitarbeiter der Bank“, heißt es in der Kunstförder-Erklärung der Bank. Nach eigenen Angaben hat sie seit 2010 in 30 verschiedenen Ländern 120 Restaurierungsprojekte gefördert. In Deutschland war das 2010 ein beidseitig bemaltes Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner 8/2018

aus der Sammlung des Städelmuseums in Frankfurt – „Wald“, verso „Akt im Atelier“ von 1910. 2013 konnte die „Apokalyptische Landschaft“ (1915) von Ludwig Meidner aus der Neuen Nationalgalerie in Berlin restauriert werden, 2014 dann die Altartafel „Der Schächer zur Linken Christi“ des Meisters von Flémalle, das ebenfalls dem Städelmuseum gehört und etwa um 1430 entstand. 2018 endete die jüngste, mehrjährige Berliner Förderung der drei Berliner Renaissancekunstwerke. Die Bank unterstützte die Museen mit einem „hohen fünfstelligen Betrag“, sagt Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und in Personalunion Direktor von Gemäldegalerie und Skulpturensammlung. Mit allen drei Restaurierungen wollte das Museum erreichen, dass die ästhetische Einheit der Kunstwerke wieder wahrgenommen werden

1 Das restaurierte Terrakottarelief „Muttergottes mit Kind und zwei Engeln“ von Luca della Robbia, um 1430/40 2 Michel Erharts „Thronende Muttergottes mit Kind“, um 1480 aus Lindenholz gefertigt; Zustand nach der Restaurierung 3 Das Marmorrelief „Muttergottes mit Kind“ von Antonio Rossellino (um 1460) – restauriert, mit rekonstruiertem Rahmen

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ARCHÄOLOGISCHES KULTURGUT

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ARCHÄOLOGISCHES KULTURGUT

In Berlin ist jetzt das Ausweichquartier für den Pergamonaltar eröffnet In dem neuen 360°-Pergamon-Panorama – es ergänzt als Interim das Pergamonmuseum, das bis 2023 geschlossen ist – sind Originalteile des Pergamonaltars sowie eine dazugehörige Videoinstallation zu besichtigen. RESTAURO sprach mit dem Klassischen Archäologen Prof. Dr. Felix Pirson, Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts Abteilung Istanbul sowie Grabungsleiter in der UNESCO-Welterbestätte Pergamon

Fotos: (1) © Yadegar Asisi, (2) Nicole Schmidt

Der weltberühmte Pergamonaltar ist zumindest teilweise seit November wieder für Besucher zu sehen – in einem Ausweichquartier des Berliner Pergamonmuseums direkt gegenüber der Museumsinsel. In dem temporären Gebäude sind rund 80 Kunstwerke aus der antiken Metropole Pergamon zu sehen, darunter vor allem der originale TelephosFries des Altars. Eine 3D-Visualisierung soll einen Gesamteindruck der riesigen Anlage vermitteln. In einem Rundturm zeigt der Künstler, Architekt und ehemalige Hochschullehrer Yadegar Asisi zudem ein riesiges, nach wissenschaftlichen Kriterien überarbeitetes Panorama der Stadt. Das Stammhaus des Pergamonaltars wird seit 2013 in zwei Abschnitten saniert. Der Teil mit dem Ischtar-Tor, der Prozessionsstraße aus Babylon und dem Markttor von Milet ist derzeit noch wie gewohnt zu sehen. Der Teil mit dem Altarsaal ist seit 2014 geschlossen, die Wiedereröffnung ist nach erheblichen Verzögerungen frühestens für 2023 geplant. RESTAURO sprach mit dem Klassischen Archäologen Felix Pirson, Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts Abteilung Istanbul und Grabungsleiter in Pergamon. Das deutsch-türkische Team arbeitet dort in vierter Archäologen-Generation. Herr Professor Pirson, zumindest teilweise ist der Pergamonaltar wieder für Besucher zu sehen. Wer sich aber persönlich aufmacht in diese antike Stadt nahe der türkischen Ägäisküste, wird schnell merken: Der Altar ist nur eines ihrer Wunder. Was muss das für eine Metropole gewesen sein, wo vor 2200 Jahren solch großartige Bauwerke entstanden? Pergamon war die glanzvolle Hauptstadt eines hellenistischen Territorialreiches. Auf dem Gipfel der Akropolis residierte das Herrschergeschlecht der Attaliden. Seine Blüte erlebte die Stadt in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. unter Eumenes II, der den Altar in Auftrag gab. Damals beherrschten die Pergamener ein Gebiet, das etwa die westliche Hälfte der heutigen Türkei umfasste. Sie gehörten zu den wichtigsten politischen Playern im östlichen Mittelmeerraum, eng verbunden mit Rom, und wollten Pergamon zum zweiten Athen machen. 8/2018

Können die Archäologen mit ihren heutigen Erkenntnissen ein Bild zeichnen von dieser versunkenen Stadt? Ja, sogar relativ gut, in Pergamon wird ja schon seit 140 Jahren archäologisch gearbeitet und gerade in den letzten Jahren haben wir versucht, die hellenistische Stadt als Gesamtorganismus wiederzugewinnen. Wir kennen die Tempel, die Paläste, die öffentlichen Gebäude, wir kennen ausgedehnte Wohnquartiere, und wir können nun auch sagen, wie das Straßensystem in den riesigen unausgegrabenen Bereichen aussah. Das haben wir jetzt in einem neuen 3D-Modell dargestellt (s. RESTAURO 06/2018). Wie muss man sich eine solche Stadt vorstellen? Die Stadt war ja an einem spektakulären Ort angelegt, auf einem Berg mit steilen Hängen, deshalb gab es große Bauterrassen, wo die Heiligtümer und öffentlichen Gebäude standen. Die Wohnhäuser mussten sich der Topografie anpassen und waren deshalb überwiegend klein und verwinkelt. Breite, befahrbare Straßen führten den Hang entlang, andere, die den Hang hinaufführten, waren als Treppenstraßen gestaltet. Diese Straßen muss man sich vorstellen als Straßenschluchten, also mit relativ steilen Fassaden an den Seiten. Sie mündeten nicht direkt in Plätze: Wenn man die Heiligtümer, das Gymnasion, die Märkte betreten wollte, musste man bewusst durch große Eingänge hindurchschreiten, und erst dann ergaben sich große städtische Freiräume. Es war also eine ganz andere Stadterfahrung, als wir sie heute haben. Marmor, dessen Verwendung wir für so charakteristisch halten für die Antike, ließ das Herrscherhaus der Attaliden fast nur in ihre Tempel und Paläste verbauen, um zwischen Herrschern und Bürgern zu hierarchisieren. Erst in römischer Zeit wurde die Stadt flächendeckend marmorisiert. Haben im hellenistischen Pergamon wirklich, wie immer wieder berichtet wird, 100 000 Menschen gelebt? In der Stadt selber sicher nicht. Es können 10 000, vielleicht auch 20 000 gewesen sein, wenn man das ganze Flusstal hinzunimmt, erhöht sich die Zahl natürlich. Aber genau sagen kann man das nicht. Bevölkerungszahlen sind schwer zu schätzen, selbst

1 Das neue Pergamon-Panorama des Künstlers Yadegar Asisi in Berlin. Blick auf den Burgberg 2 10.000 Sitzplätze umfasst das Theater auf der Akropolis, dem Burgberg

ABSTRACT In Berlin, The Alternative Accommodation For The Pergamon Altar Is Now Open In the new 360° Pergamon Panorama – which complements the Pergamon Museum, which is closed until 2023, as an interim – original parts of the Pergamon Altar as well as a video installation on the Pergamon Altar can be viewed. RESTAURO spoke with the Archaeologist Prof. Dr. Felix Pirson, Director of the German Archaeological Institute Istanbul and Director of Excavations at the UNESCO World Heritage Site Pergamon.

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SOFTWARE

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Faszinierende Einblicke in Lüneburgs Wirtschafts-, Sozial-, Militär- und Politikgeschichte

ABSTRACT Fascinating Insights Into Lüneburg's Economic, Social, Military And Political History On the development and preservation of family and estate archives in the Lüneburg City Archives. A workshop report.

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Am 1. August 2016 begann im Archiv der Hansestadt Lüneburg ein Projekt zur Erschließung und Konservierung zahlreicher Familien- und Gutsarchive ermöglicht durch Förderungen der Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg und der VGH-Stiftung im Rahmen des Bündnisses KUNST AUF LAGER. Zuvor waren umfangreiche Privatarchive von regional ansässigen Lüneburger Patrizier- und Adelsfamilien zuständigkeitshalber vom Museum Lüneburg an das Stadtarchiv übergeben worden. Von den insgesamt 225 laufenden Metern Archivgut sind mittlerweile 155 laufende Meter inhaltlich erfasst und archivtechnisch langzeitsicher verpackt worden. Der interessierten Öffentlichkeit

werden die Daten auf dem Internetportal der Firma AUGIAS-Data über www.stadtarchiv-lueneburg.findbuch.net zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um Archive der Familien von Bülow zu Kaltenmoor und Wilschenbruch (bei Lüneburg), von Dassel zu Einbeck und Lüneburg, von der Decken zu Preten (Amt Neuhaus) u. a., von Estorff zu Barnstedt, Veerßen, Neetze u. a., von Eyben, von Möller zu Heiligenthal und von Spörcken zu Lüdersburg. Die Quellen dieser Archive umfassen einen Zeitraum vom 13. bis zum 20. Jahrhundert und bieten spannende Einblicke in die Wirtschafts-, Sozial-, Militär- und Politikgeschichte. So zeigt sich die Verbindung zwischen Landadel, Patriziat und Stadt durch das Wirken der 8/2018

Foto: (1) © Stadtarchiv Lüneburg

Über die Erschließung und Konservierung von Familien- und Gutsarchiven im Stadtarchiv Lüneburg. Ein Werkstattbericht


Fotos: (2–4) © Stadtarchiv Lüneburg; (5) Herr Günter, Hannover; (6) L. O. Grienwaldt, Bremen

SOFTWARE Adligen in der Lüneburger Saline, in der Mitgestaltung am Stadtregiment durch die Bekleidung öffentlicher Ämter sowie in der Armenfürsorge. Neben umfangreicher Privatkorrespondenz sind über 500 Pergamenturkunden zu unterschiedlichen Rechtsgeschäften, hauptsächlich Lehnsurkunden, sowie Rechnungsbücher aus der Gutsverwaltung und Vormundschaftsangelegenheiten überliefert. Die Bauhistorie der Rittergüter wird durch Pläne und Zeichnungen dokumentiert. Juristische Auseinandersetzungen belegen die wechselseitigen konfliktreichen Beziehungen zwischen der Gutsherrschaft und ihren Untertanen. Für das 19. Jahrhundert finden sich ferner Hinweise für den technologischen und sozialen Wandel auf dem Land. Von den Privatbibliotheken sind nur wenige Einzelstücke erhalten, darunter Heinrich Heines „Buch der Lieder“ oder das "Theatrum Europaeum“ von Matthäus Merian von 1634. Zugleich sind in Auftrag gegebene Familienchroniken und Zeitschriften für den Familienverband erhalten, die das wachsende Geschichtsbewusstsein im 19. Jahrhundert dokumentieren. Ebenso finden sich Fotoalben und Fotografien von Familienmitgliedern oder Objektaufnahmen für die eigene Familienforschung in den Gutsarchiven. Einen besonderen Bestand bilden außerdem die großformatigen Karten des 18. bis 20. Jahrhunderts u. a. von den Gütern der Familie von Bülow. Bei der Privatkorrespondenz zeigt sich bei einigen Familien ein hoher kommunikativer Aktionsradius. So sind für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges europäische Kontakte durch den in die Familie Dassel eingeheirateten Kaufmann Joachim Prigge nachweisbar, während die Familie von Dassel im 20. Jahrhundert Briefkontakte in die USA unterhielt. Das überlieferte Schriftgut aus dem Vereinsund Stiftungswesen zeigt außerdem die Vernetzung der Familien mit der kurfürstlich-hannoverschen Regierung sowie mit den ritterschaftlichen Einrichtungen. Welchen Stellenwert hat nun die Erschließung der Guts- und Familienarchive für das Stadtarchiv Lüneburg? Über die Erfassung der Erschließungsinformationen in einer Datenbank entsteht für die Forschung die Möglichkeit bestandsübergreifend zu recherchieren. Dadurch werden die Bezüge der privaten Quellenüberlieferung zu Quellen aus der städtischen Verwaltung Lüneburgs in vielen Fragestellungen sichtbar und ermöglichen z. B. eine wissenschaftliche Auswertung der ökonomischen Abhängigkeiten zwischen der Stadt Lüneburg und ihrer ländlichen Umgebung. Das virtuelle Datenblatt für eine Quelle besteht dabei mindestens aus einer inhaltlichen Zusammenfassung samt Entstehungszweck (Titel) und dem Zeitraum, auf den sich die Quelle bezieht (Datierung). Für spezifische Fragestellungen können wesentliche Detailinformationen zur Quelle ergänzt werden (Enthält). 8/2018

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1 und 2 Unerschlossene und unverpackte Guts- und Familienarchive im Stadtarchiv Lüneburg 3 Erschlossener und konservierter Bestand im Stadtarchiv Lüneburg 4 Datenblatt in Augias-Archiv XL zu einer Bauzeichnung mit Digitalisat 5 Fotografie eines Mitglieds der Familie von Estorff 6 Fotografie eines Mitglieds der Familie von Dassel

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