Restauro 08 2012

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Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik

Klimastabilität in historischen Gebäuden Schutz vor Vandalismus Schadstoffkontrolle – ein neues Messsystem

Laserreinigung von Kunstwerken www.restauro.de

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Dezember 2012


Editorial »Anker auf!« Ein tonnenschweres* Museumsschiff begibt sich auf Reisen. Es lichtet den Anker und verlässt den sicheren Hafen. Die Überfahrt in die Werft beginnt. Schon hier trotzt das Schiff Wind und Wetter. Die Witterung erschwert aber auch die Wartungsarbeiten. Welche Hindernisse zu überwinden sind, davon berichtet die Restauratorin Lena Lang im zweiten Teil ihres Artikels »Ein Schaufenster für die GERA«, den Sie auf Seite 45 finden. Nachdem das Museumsschiff geflickt und gestrichen wieder für die Museumsbesucher bereit steht, zieht Lena Lang ein Fa­ zit: Die enge Zusammenarbeit mit den erfahrenen Seeleu­ ten und Werftmitarbeitern sowie die Aufzeichnungen aus dem vorangegangenen Werftaufenthalt trugen entschei­ dend dazu bei, dass dieses außergewöhnliche Projekt so gut gelang. Insofern war es für die Restauratorin selbstverständlich, dass auch sie ihre Er­ fahrungen genau zu Papier brachte. Denn von dieser Dokumentation wird auch die nächste Generation wieder profitieren. Wie dieses Beispiel zeigt, nehmen die Projektplanung und die Dokumentation immer mehr Raum in der restauratorischen Arbeit ein. Der Restaurator ist längst nicht mehr nur ausführendes Organ. Er übernimmt auch die Konzeption von Maßnahmen, er sorgt für aus­ reichende Untersuchungen im Vorfeld, für deren Auswertung und für eine möglichst lückenlose Dokumentation. Das oft gepredigte Zauberwort heißt hier »interdisziplinäres Ar­ beiten«. Denn die Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten – wie z. B. Natur­ wissenschaftlern, Kunst- und Kulturhistorikern, Architekten und anderen technischen Beru­ fen – trägt besonders bei Großprojekten zum Erfolg bei. Um einen Werftaufenthalt oder Baustellenabläufe zu organisieren oder um einen Depot­ neubau in konservatorischer Hinsicht zu betreuen, muss sich der Restaurator also mit an­ deren Disziplinen vernetzen. Er muss sich planerische Grundlagen aneignen und auf das Fachwissen anderer zugreifen. Das ist im Kleinen für viele Kollegen schon Realität, bei ­größeren Projekten jedoch betreten viele Restauratoren unsicheres Neuland, das es erst zu erkunden gilt. Das ist zunächst eine riesige Herausforderung, doch sollte sich jeder Restau­ rator darüber bewusst sein, dass das Rad nicht unbedingt neu erfunden werden muss. Man kann und darf auch von den Erfahrungen und vom Wissen anderer Kollegen profitie­ ren. Aus diesem Grund gab es in RESTAURO bereits einige Beiträge zur Planung und Struk­ turierung solcher Projekte. Kollegen geben Ihnen darin Anregungen für ähnliche Vorhaben und freuen sich, wie sie uns gegenüber oft betonen, auch über Ihre Kontaktaufnahme. Genauso wichtig wie das Planen ist natürlich auch die Kenntnis neuer Verfahren und Mög­ lichkeiten, die die Arbeit erleichtern können. Daher werfen wir in dieser Ausgabe auch ei­ nen Blick auf ein neues Messsystem zur Detektion von Schadstoffen, das in Kürze Einzug in die Praxis halten wird (S. 22) und wir berichten über Forschungen und Erkenntnisse zur Kli­ mastabilität (S. 34). Zudem stellen wir ein neues mobiles Kartierungssystem vor, das kürzlich auch bei der IIC-Tagung in Wien präsentiert wurde. Ein weiteres interessantes Projekt namens MUSAA, das auch auf der Messe Leipzig ver­ treten war und über das wir ab Seite 14 berichten, möchte ich Ihnen nun noch besonders ans Herz legen. So viel Engagement verdient Beachtung und führt uns wieder einmal vor Augen, was unseren Einsatz für Kunst und Kultur so bedeutend macht. Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen nun eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Rutsch in ein erfolgreiches und glückliches neues Jahr. Bis 2013!

Wir bringen Licht ins Dunkel Innovative Technologien unterstützen Sie bei der Anwendung zeitgemäßer und effektiver Arbeits- und Analyseverfahren. Für alle Bereiche der Restaurierung, Konservierung, Prävention und Denkmalpflege genauso wie für Atelier, Werkstatt, Transport, Lagerung und Depot. Profitieren Sie von unserem Know-how. Seit 1880. www.deffner-johann.de

Ihre p.brozio@restauro.de *P.S.: Apropos tonnenschwere Museumsexponate: Die aufmerksamen Leser unter Ihnen werden es bemerkt haben. Mir ist im letzten Heft im Editorial ein »gewichtiger« Fehler unterlaufen. Der Obelisk aus dem Ägypti­

Mühläckerstraße 13 D-97520 Röthlein Tel: +49 9723 9350-0

schen Museum ist – wie das Museumsschiff – zwar auch tonnenschwer, jedoch wiegt er keine 3 000 Tonnen, sondern 3 000 Kilo. Er ist also ganz bestimmt nicht schwerer als das Schiff.

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Inhalt 14 Ein Erdbeben und die Folgen

restauro aktuell  3

Editorial

Blickpunkt  6 Tipps & Kniffe  8 Professur in Dresden neu besetzt  8 Neuigkeiten zur Rentenvorsorge: Künstlerrente und Rentenpflicht für Selbständige 10 Präventive Konservierung bei Baumaßnahmen im Museum 11

Firmen und Produkte

Einblicke 12 Ein nordamerikanisches Lederkleid Nachgefragt 14 Engagement nach dem Erdbeben. Interview über das Projekt MUSAA 66

Kommentar

40 Schäden digital erfassen

restauro Themen Alke Dohrmann 18 Schutz vor Vandalismus Der SicherheitsLeitfaden Kulturgut SiLK gibt Handlungsstrategien zur Prävention Vera Hubert et al. 22 Kulturgüterschutz durch Korrosionsdatenlogger Ein neuer Weg zur Bewertung der Luftqualität Philipp Huke, Siegfried Herrmann, Claas Falldorf, und Reiner Klattenhoff 28 Hilfreiche Blicke unter die Oberfläche Einsatz der Scherografie für die Detektion von Beschädigungen Ralf Kilian, Kristina Holl, Stefan Bichlmair und Tina Naumović 34 Klimastabilität historischer Gebäude Einflussfaktoren und Rückschlüsse für die präventive Konservierung am Beispiel von Schloss Linderhof 54 Reinigen mit dem Laser

Andreas Franz 40 Kartieren am Bildschirm Das DiVisual® Mapping System Lena Lang 45 Ein Schaufenster für die »GERA« Teil 2: Werftaufenthalt und Erhaltungsmaßnahmen an einem Museumsschiff Salvatore Siano und Renzo Salimbeni 54 Neues Licht auf alter Pracht Zur Laserreinigung von Kunst- und Kulturgütern

restauro rubriken 63 Stellenanzeigen 64 Termine 4

65 Vorschau 66 Impressum 8/2012


Inhalt 34

Über Klimaeinflüsse in historischen Gebäuden

Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik

KliMastabilität in histoRischen GebäuDen schutZ voR vanDalisMus schaDstoffKontRolle – ein neues MesssysteM

Titelbild Silbertafel von Guglielmo Della Porta aus dem 16. Jahrhundert. Die hellen Bereiche wurden mit dem Laser gereinigt.

Laserreinigung von KunstwerKen www.restauro.de

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Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.

Besondere Pigmente für Besondere KunstwerKe www.kremer- pigmente.de

Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik 118. Jahrgang

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Für die Zukunft gestalten.

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Foto: AP Foto/Pier Paolo Cito

Nachgefragt

Der Dom von L‘Aquila nach dem heftigen Erdbeben in den Abruzzen.

Engagement nach dem Erdbeben Interview über das Projekt MUSAA Als am 6. April 2009 in den Abruzzen nahe des historischen Städchens L’Aquila die Erde bebte, verloren die meisten Einwohner ihr Zuhause. Zahlreiche Bauten nahmen Schaden und stürzten ein. Bis heute können viele Menschen nicht mehr in ihre Häuser zurückkehren. In Folge des Bebens setzt sich die Initiative MUSAA nun dafür ein, die Architektur und Kultur L’Aquilas, seiner Provinz und der Abruzzen zu bewahren. Über dieses besondere Engagement berichtet die Projektleiterin Paola Ardizzola im Interview.

Foto: privat

Zu unserer Gesprächspartnerin

Die Architektin und Historikerin Dr. Paola Ardizzola aus L‘Aquila hat an der Universtät »G. D‘Annunzio« in Pescara studiert und promoviert. Aktuell arbeitet sie vor allem als Architekturhistorikerin, Kunstkritikerin und Ausstellungskuratorin. Zudem hält sie Vorlesungen an verschiedenen Universtiäten in Italien und auswärts. Sie ist Präsidentin des hier vorgestellten Projekts MUSAA.

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RESTAURO: Am 6. April 2009 verwüstete ein Erdbeben die Stadt L’Aquila und die umliegenden Gebiete. Dabei richteten die Erschütterungen große Schäden an den historischen Bauten an. In der Folge entstand das Projekt MUSAA. Wie kam es dazu? Paola Ardizzola: MUSAA, was für MUSeoArchitetturaArte steht, ist eine Non-Profit-Organisation. Diese wurde durch die großzügige Spende eines deutschen Mäzens, der ungenannt bleiben möchte, ins Leben gerufen, um einen konkreten Beitrag zum Wiederaufbau L’Aquilas zu leisten. Verwahrer der Spende ist der Architekt Dr. Sebastian Storz, Direktor des Forums für Baukultur e. V. Dresden. Er hörte das Radiointerview, das ich Spiegel ­Online zwei Tage nach dem Erdbeben gab, wobei er meine Einschätzung der Situation der vom Erdbeben betroffenen historischen Architektur teilte. So nahm er, ohne dass wir uns vorher gekannt hätten, Kontakt zu mir auf. Nach zahlreichen Besichtigungen vor Ort und einer sorgfältigen Begutachtung entschieden wir, dass

es am sinnvollsten sei, das Geld für soziale und kulturelle Projekte im Gebiet der Abruzzen zu nutzen. Neben Sebastian Storz und mir gehört auch die Landschaftsarchitektin Gabriele d’Oltremare zu den Gründern des Projekts. Sie ist eine aufmerksame Beobachterin der architektonischen und landschaftsarchitektonischen Geschehnisse in den Abruzzen. Was sind die wesentlichen Ziele? Ardizzola: Unser Hauptziel ist es, die architektonische und künstlerische Kultur in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten sowie in den Abruzzen allgemein weiterzugeben. Bei der Vermittlung verfolgen wir einen interdisziplinären Ansatz, der neben architektonisch-künstlerischen Aspekten auch landschaftsarchitektonische, sozialökono­ mische, anthropologische und demografische ­Aspekte umfasst. So fördern wir die ästhetische Bildung, um ein tieferes Verständnis für das Verhältnis von Stadt und Landschaft zu schaffen. 8/2012


Themen Alke Dohrmann

Schutz vor Vandalismus Der SicherheitsLeitfaden Kulturgut SiLK gibt Handlungsstrategien zur Prävention

Ein Mann steht ganz ruhig vor einem Gemälde. Es ist Mark Rothkos »Black on Maroon« in der Tate Gallery, London. Auf einmal zückt er einen Stift und beschmiert das Gemälde. Bevor die anderen Besucher im Raum verstehen, was gerade passiert, ist der Mann verschwunden. Die Museumsbesucher sind entsetzt und alarmieren das Aufsichtspersonal. Das Museum schließt kurzzeitig, doch der Mann ist nicht mehr zu finden. So geschehen am 07. Oktober 2012.1

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Foto/©: Shaun Curry/AFP/Getty Images

Graffiti auf einem denkmalgeschützten Gebäude, herausgerissene Seiten aus einem Buch in der Bibliothek, Beschädigungen an Gemälden und Ausstellungsstücken … Wie kann man als Verantwortlicher die anvertrauten Sammlungen, Buchbestände, Archivalien, Gebäude und Außenanlagen vor derartigen Angriffen schützen?

Eine Besucherin betrachtet Bilder des Künstlers Mark Rothko in der Tate Gallery.

Handlungsfeld Vandalismus Keine Kultureinrichtung ist vor Vandalismus gefeit. Graffitis auf Fassaden, Kritzeleien oder Säure auf Gemälden, umgeworfene Skulpturen. Solche vorsätzlichen Attacken auf Kunst- und Kulturgüter kommen wiederholt vor. Wie häufig genau, lässt sich nicht sagen, denn bislang existieren keine bundeseinheitlichen Erhebungen, zumal viele Ausstellungshäuser nur schwere Härtefälle zur Anzeige bringen. Doch welche Handlungen sind als Vandalismus zu werten? Hier sind nicht Beschädigungen gemeint, die etwa bei einer Veranstaltung versehentlich entstanden sind oder solche Nutzungsschäden, die durch Fahrlässigkeit oder Nachlässigkeit geschehen.

Unter Vandalismus versteht man laut Definition des SicherheitsLeitfadens Kulturgut die bewusste und vorsätzliche Beschädigung und Zerstörung von Kunstwerken und Kulturgütern. Vandalismus geschieht aus unterschiedlichen Motiven. Man kann hier fünf Bereiche unterscheiden: nnblinde Zerstörungswut (Zerstörungslust, Böswilligkeit, »Mutprobe«) nnHandlungen unter bewusstseinseinschränkenden Faktoren (psychische Erkrankungen, Verwirrung, Drogenkonsum) nnVertuschung von Straftaten (Verwüstung des ­Tatumfeldes oder Brandstiftung, um Spuren zu verwischen) nnreligiöse/moralische/politische Motive (Verletzung religiöser Gefühle und moralischer Vorstel8/2012


Themen Vera Hubert et al.1

Kulturgüterschutz durch Korrosionsdatenlogger Ein neuer Weg zur Bewertung der Luftqualität

Viele Restauratoren und Sammlungsexperten sehen heute die Notwendigkeit, die Luftqualität in Sammlungen, Ausstellungen und bei Transporten genauer zu überwachen. Denn neben Temperaturund Luftfeuchtigkeitsschwankungen können auch Luftschadstoffe unterschiedlicher Art und ­Herkunft die Kunstwerke bedrohen. Einen neuen Ansatz zum Schadstoffmonitoring verfolgt das Projekt »Musecorr« mit handlichen, batteriebetriebenen Datenloggern.

Foto/© Schweizerisches Nationalmuseum

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1 Luftschadstoffe lassen sich mit den AirCorr Datenloggern detektieren. Im Bild: ein AirCorr I Plus im Depot des Sammlungszentrums des Schweizerischen Nationalmuseums. Er besitzt neben den zwei Sensoren auch die Möglichkeit zur Temperatur- und Luftfeuchtigkeitskontrolle und verfügt über ein Display zur direkten Kontrolle.

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Schadstoffe und deren Überwachung Die Erhaltung von Kunst und Kulturgütern ist das zentrale Anliegen von Restauratoren, Kuratoren und Sammlungsexperten. Dabei wird der Erhaltungszustand von Kulturgütern durch verschiedene Parameter beeinflusst: Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Licht nehmen ebenso Einfluss wie Luftschadstoffe, z. B. Schwefel­verbindungen, Stickoxide, Ozon, Ammoniak, chlorhaltige Verbindungen, organische Säuren und andere flüchtige Verbindungen sowie Staubpartikel. Diese können durch äußere Einflüsse wie Publikumsverkehr, Bau- und Vitrinenmaterial, aber auch durch die Museumsobjekte selbst in die Umgebungsluft geraten. In der Praxis ist oft, wenn überhaupt, nur eine Kontrolle und Regelung der Luftfeuchtigkeit und Temperatur möglich. Eventuell kommen Filteranlagen und/oder Absorptionsmaterialien zum Einsatz. Eine Überwachung der Luftqualität im Hinblick auf Schadstoffe ist häufig aus Kosten- und Zeitgründen nicht möglich. Zumindest eine kostengünstige, wenn auch zeitaufwendige Methode ist das

Aufstellen von Metallcoupons, die nach einer ­gewissen Zeit optisch begutachtet werden. Tiefergehende Analysen erfordern eine entsprechende Laborausrüstung und Erfahrung und damit höhere Kosten. Passivsampler, die auf ausgewählte Schadstoffe reagieren, werden ebenfalls für einen gewissen Zeitraum aufgestellt und dann meist in externen Labors untersucht. Neben hohen Kosten kann dies auch zu Wartezeiten von zwei Monaten und mehr führen bis ein Ergebnis bekannt wird. Somit werden nur etwaige Vorkommnisse in der Vergangenheit abgebildet. Eine im Gegensatz zu diesen Methoden in Echtzeit arbeitende Über­ wachung der Korrosivität der Luft ist daher sehr wünschenswert. Neue Entwicklungen durch »Musecorr« Ein internationales Team von Forschern, Sammlungsexperten und Industrievertretern hat im EUProjekt »Musecorr« (»Protection of cultural heritage by real-time corrosion monitoring«) ein solches System entwickelt und verfeinert.2 Das in diesem 8/2012


Themen Philipp Huke, Siegfried Herrmann, Claas Falldorf und Reiner Klattenhoff

Hilfreiche Blicke unter die Oberfläche Einsatz der Scherografie für die Detektion von Beschädigungen

Nur selten treffen Restauratoren auf unberührte Objekte. Unter der Oberfläche liegen häufig zahlreiche weitere Schichten, Schadstellen, Ausbesserungen und andere Überraschungen, die Einfluss auf die Konservierung und Restaurierung haben. Bei der Detektion dieser Veränderungen helfen heute zahlreiche Prüfmethoden. Ein neues Messverfahren, die Speckle-Scherografie, verspricht hierbei hilfreiche Blicke unter die Oberfläche, womit selbst kleinere Beschädigungen zu erkennen sind.

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sche Materialkonstanten besitzen.2 Außerdem ist meistens eine speziell geschulte Person nötig, die die Messdaten interpretiert.

1 Der Laboraufbau für die SpeckleScherografie. Der Sensor ist auf ­einem Stativ aufgebaut. Er basiert auf dem Liquid-Blaze-Verfahren und wurde am Bremer Institut für angewandte Strahltechnik (BIAS) entwickelt.4 Für die Aufnahme im belasteten ­Zustand wird der Probekörper (im Hintergrund) mit einem thermischen Strahler (vorne auf dem schwingungsisolierten Tisch) angestrahlt. Die Daten nimmt der Messrechner auf (links unten), das Steuerungsmodul befindet sich hinter diesem.

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Die Ausgangslage Technische Hilfsmittel, die eine zerstörungsfreie Prüfung von Kunst- oder Kulturgut zulassen, gibt es wenige. Viele sind teuer, lassen sich häufig nur bedingt auswerten oder haben praktische Nachteile. Eine Übersicht über die zerstörungsfreien Prüfmethoden, die für die Industrie entwickelt wurden, gibt neben der einschlägigen Literatur auch die Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung (DGFZP).1 Von den berührungslosen Systemen ist beispielsweise das Röntgen-CT zu nennen, das jedoch für die Anwendung auf ­großen Flächen unpraktisch ist. Zusätzlich ist der Kostenaufwand relativ hoch, so dass eine Anschaffung für einen Restaurator selten in Frage kommt. Eine weitere vielversprechende Technologie ist die (aktive) Thermografie, bei der das Objekt erwärmt und mit einer Thermografie-Kamera vermessen wird. Die Auflösung heutiger Thermografiekameras ist jedoch noch immer ziemlich gering. Für ­eine höhere Auflösung sind wiederum zahlreiche Gerätschaften notwendig. Zudem ermöglicht die Thermografie nur eine eindeutige Unterscheidung von Materialien, die deutlich verschiedene thermi-

Die Scherografie als alternatives Messverfahren Eine Alternative und ergänzende Methode stellt hier die Scherografie dar, die vom apparativen und finanziellen Aufwand relativ gering ist. Außerdem ist das Messsystem mobil und kompakt – ein Vorteil, da viele Kunstwerke nicht oder nur eingeschränkt transportabel sind. Die Scherografie ist eine berührungslose und zerstörungsfreie Mess- und Prüftechnik, die es erlaubt, Einschlüsse und Fehlstellen innerhalb des untersuchten Materials nachzuweisen, welche mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind.3 Man misst optisch, also mittels bildgebender Verfahren, zunächst einen Grundzustand und vergleicht diesen dann mit einem »belasteten« Zustand. Diese »Belastung« kann mechanisch, elektromechanisch oder thermisch erzeugt werden. Die Veränderung wird über den Oberflächengradienten erfasst. Der lokale Oberflächengradient beschreibt die Änderung der Oberfläche in einer kleinen Fläche. Ein Beispiel aus dem Alltag ist das Gefälle im Straßenverkehr, bei dem der Grad (%Gefälle) und die Richtung ­angegeben werden. Die Belastung induziert dabei eine lokale Änderung des Oberflächengradienten. Liegen Beschädigungen in einigen Schichten des Materials vor, etwa Fehlstellen oder Einschlüsse, unterscheidet sich der Oberflächengradient an dieser Stelle von »intakten« Stellen. Diese Veränderungen werden hochgenau im Nanometerbereich aufgezeichnet.4 Dies geschieht in zwei Schritten: Zunächst wird ein Bild des Grundzustandes aufgenommen, das aus zwei überlagerten Bildern besteht, die wie bei einer Doppelbelichtung lateral (seitlich) versetzt sind. Der Versatz wird dabei als Scherung (Abb. 4a) bezeichnet. Im zweiten Schritt wird ein ähnliches Bild im belasteten Zustand aufgenommen. Infolge der ­Belastung (z. B. Erwärmung, Objekt dehnt sich aus) entsteht ein messbarer Unterschied durch die Veränderung der Oberfläche, also dem Oberflächengradienten. Daher müssen die Bilder nur noch miteinander verglichen werden, um den 8/2012


Themen Ralf Kilian, Kristina Holl, Stefan Bichlmair und Tina Naumović

Klimastabilität historischer Gebäude Einflussfaktoren und Rückschlüsse für die präventive Konservierung am Beispiel von Schloss Linderhof

Für historische Ausstattungen günstige Klimabedingungen zu schaffen, ist ein zentrales Anliegen der präventiven Konservierung. Doch das Klima in historischen Räumen wird von vielen Faktoren beeinflusst, die nicht einfach zu überblicken sind. Wie dies gelingen kann, zeigen Untersuchungen auf Schloss Linderhof.

1 Das Schloss Linderhof im Graswangtal bei Garmisch wurde in mehreren Bauabschnitten zwischen 1869 und 1876 errichtet. Es ist das ­einzige der drei Schlösser Ludwig II., das noch zu seinen Lebzeiten vollendet wurde. 2 Das Paradeschlafzimmer König Ludwig II. mit seiner opulenten Ausstattung wurde 1885/86 nochmals umgebaut und verbreitert. Die Fertigstellung des neuen Zimmers erlebte der König nicht mehr.

Hintergrund Das Raumklima in historischen Gebäuden ist für die Erhaltung von Ausstattung und Sammlungen von zentralem Interesse, denn durch ein ungünstiges Klima – beispielsweise durch zu hohe Feuchte oder durch zu starke Schwankungen – werden Kunstwerke Schritt für Schritt zerstört. Für die Klimatisierung historischer Räume gibt es unterschiedliche Ansätze. Während im 20. Jahrhundert in Zeiten voller Kassen und freier Nutzung energetischer Ressourcen historische Gebäude teilweise mit gigantischen klimatechnischen Anlagen ausgerüstet wurden, werden heute kostengünstigere, dezentrale oder gar passive Lösungen favorisiert, zumal diese auch einen geringeren Eingriff in die wertvolle Bausubstanz bedeuten. Für die Ausle-

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Themen Lena Lang

Ein Schaufenster für die »GERA« Teil 2: Werftaufenthalt und Erhaltungsmaßnahmen an einem Museumsschiff

In Bremerhaven hat sich ein besonderes Zeugnis der modernen Hochseefischerei erhalten: das ­Fischereimotorschiff »GERA« aus dem Jahre 1959/60. Die Erhaltung eines solchen Schiffes ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Welche Aufgaben auf den Restaurator dabei warten können, zeigt der Dockaufenthalt der »GERA« im Jahr 2011.

Foto/© Archiv des Historischen Museums Bremerhaven

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Einblick in ein Restaurierungsprojekt Die Schwierigkeiten bei der Restaurierung eines Museumsschiffes liegen, wie bereits in Teil 1 dieses Artikels1 beschrieben, in den klimatischen Bedingungen am Meer. Auf diese hat ein Restaurator oder Denkmalpfleger keinen Einfluss. Er kann den Verfall von anorganischen oder organischen Materialien nicht verhindern, sondern lediglich verlangsamen. Bei dieser Aufgabe übernimmt der Restaurator als Person, die für die Erhaltung des Schiffes verantwortlich ist, vor allem planerische und organisatorische Aufgaben. Die Ausführung von Maßnahmen obliegt hingegen anderen Gewerken. Für die Erhaltung eines Museumsschiffes ist ein regelmäßiger Werftaufenthalt dringend notwendig und häufig auch sehr kostspielig. Daher hat eine lückenlose Planung Priorität, um anschließend einen problemlosen Ablauf zu gewährleisten. ­ 8/2012

J­ edoch fehlt in der Schiffsrestaurierung dafür der Erfahrungsschatz. Im Fall der »GERA« orientierte man sich daher an vorherigen Dockaufenthalten des Schiffes und handelte nach demselben Konservierungsschema. Die früheren Aufzeichnungen der Dockung vor sieben Jahren waren allerdings nur sehr spärlich vorhanden. Außerdem wechselten die zuständigen Personen, sodass von einer routinemäßigen Konservierung nicht die Rede sein konnte. Die Aufgabe des Restaurators bestand also darin, für eine planmäßige Durchführung der Arbeiten seitens der Werft zu sorgen. Außerdem sollte er den Transport vom Liegeplatz zur Werft durch die Werft oder durch eine qualifizierte Fachfirma organisieren. Daneben galt es, bei der Durchführung der Werftarbeiten als Ansprechpartner vor Ort zu sein und den gesamten Vorgang genauestens in Wort und Bild zu dokumentieren. (Abb. 1)

1 Der letzte deutsche Seitentrawler: Die FMS »GERA« auf dem Papier. Dieser Generalplan zeigt die Seitenund Oberansicht.

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Themen Salvatore Siano und Renzo Salimbeni

Neues Licht auf alter Pracht Zur Laserreinigung von Kunst- und Kulturgut

In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Laserreinigung Eingang in die Restaurierung gefunden. Heute ergänzt sie die traditionellen Restaurierungstechniken. Die Laserreinigung hat sich in vielen Fällen als vorteilhaft erwiesen, denn sie arbeitet hochselektiv und zieht keine nennenswerten ­Nebenwirkungen nach sich. Vor allem italienische Labore haben in diesem Bereich Fortschritte erzielt und setzen heute international Maßstäbe.

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1 Laserbehandlung von Gianbolognas Raub der Sabinerinnen.

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Vielfältige Anwendungsgebiete Wie allgemein bekannt, bezeichnet der Terminus »Laser« spezielle Lichtquellen, die im Infrarot-, im sichtbaren oder im ultravioletten Bereich des elektromagnetischen Spektrums Strahlung aussenden. Der Laserstrahl ist dabei durch eine bestimmte Wellenlänge, durch Kohärenz und durch einen hohen Kollimationsgrad gekennzeichnet. Diese besonderen Eigenschaften führen zu vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Lasertechnik in unterschiedlichen Bereichen. So finden beispielsweise leistungsschwache Laser in Form von

Zeigevorrichtungen (Laserpointer), Entfernungsmessgeräten und im weitesten Sinne in der Materialanalyse Verwendung, während leistungsstarke Laser vor allem in der Materialbearbeitung, in der Chirurgie und mittlerweile auch in der Restaurierung von Kunstwerken zum Einsatz kommen. Im Laufe der letzten fünfzig Jahre wurde eine Vielzahl von Laserquellen eingeführt, die auf verschiedenen, vorzugsweise festen und gasförmigen Lasermedien basieren. Die Strahlung wird pulsierend oder kontinuierlich (cw-Laser) ausgesendet, wobei besondere, sehr differenzierte Parame8/2012


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